Fiat 501 als Amateur-Rennwagen der 1920er Jahre

Fiats großen Wurf nach dem 1. Weltkrieg haben wir auf diesem Blog bereits vorgestellt: den in 80.000 Exemplaren gebauten Typ 501. Die Stärke des Wagens war seine Unverwüstlichkeit, weniger die Leistung von 23 PS aus 1,5 Liter. Die Papierform sollte aber bei klassischen Fiats nicht überbewertet werden.

Als in Italien noch engagiert gefahren wurde – also bevor sich der automobile Einheitsbrei auch dort durchsetzte – war es schwer, einen Fiat der Nachkriegszeit auf einer kurvenreichen Bergstraße zu überholen, wenn Signora oder der Pastore es eilig hatten.

Den Eindruck, dass italienische PS mehr ausmachen, hat man auch bei den Modellen der Zwischenkriegszeit. Jedenfalls wurde der 1919 vorgestellte Fiat 501 rasch als Basis für Amateur-Rennwagen entdeckt.

Ein schönes Beispiel dafür zeigt das folgende Originalfoto aus den frühen 1920er Jahren:

Fiat_501_Rennwagen_1920er_Galerie

© Fiat 501 der frühen 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wir sehen hier sehr wahrscheinlich einen Fiat 501 in voller Fahrt auf einer geschotterten Piste entlang eines mitteleuropäisch anmutenden Waldes.

Der Fiat 501 und seine Artgenossen waren ein früher Welterfolg der Turiner Marke, selbst in Argentinien und Japan wurden die Wagen verkauft. Wo die Aufnahme entstand, ist ungeklärt, vielleicht kann ein Leser anhand des Nummernschilds etwas zur Herkunft des Autos sagen:

Auf der Ausschnittsvergrößerung ist der Fiat-typische mächtige Kühler in Hufeisenform zu erkennen, den alle Typen der Firma bis zur Einführung des klassischen Kühlers (Typen 503 und 509) trugen.

Wir sehen auch, dass dieses Auto keine spezielle Rennversion, sondern ein normaler Tourenwagen war. Das spricht eindeutig für einen Amateur, der mit seinem zivilen 501 antrat. Vielleicht hat er den Motor aber auch „frisiert“.

Dass das möglich war, belegen die Aktivitäten von Fiat. So bot man den 501 in einer Sportversion „S“ an, die dank höherer Verdichtung über rund 10 % Mehrleistung verfügte. Von unabhängigen Tunern waren Umbausätze mit hängenden Ventilen verfügbar, die angeblich Geschwindigkeiten von über 120 km/h ermöglichten.

Diese heißgemachten Fiat 501 verfügten aber über spezielle Karosserien, weshalb der Wagen auf unserem Bild sicher keine so „scharfe Waffe“ war.

Eine weitere Möglichkeit ist die, dass wir es mit einem Fiat 505 zu tun haben, der bei ähnlicher Karosserie einen 2,3 Liter großen Motor mit über 30 PS hatte. Aus heutiger Sicht klingt das alles bescheiden. Schließlich werden selbst Schulkinder selten mit weniger als 100 PS zur 1,5 km „entfernten“ Bildungsanstalt chauffiert…

Man würde gern dieselben vollklimatisierten Automobilisten erleben, wenn sie mit einem 90 Jahre alten Auto, schmalen Reifen und ohne Vorderradbremsen auf einem geschotterten Kurs auch nur 50km/h fahren sollen…

Spitzkühler-Tourenwagen der 1920er Jahre von Adler

Heute gibt es ein besonderes Schmankerl für Freunde früher Adler-Tourenwagen der 1920er Jahre. Es handelt sich diesmal nicht um ein Fahrzeug der hier bereits mehrfach in Originalfotos präsentierten Typen Adler 6/25 PS, Standard 6 oder Favorit.

Vielmehr geht es um ein eindrucksvolles Spitzkühlermodell, das bisher nur näherungsweise identifiziert werden konnte:

© Adler Spitzkühler-Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Sammlung: Michael Schlenger

Das Foto lässt auf den ersten Blick nicht viel von dem Wagen erkennen. Die vier Herren haben sich aber immerhin so platziert, dass die Marke eindeutig benannt werden kann. Außerdem helfen sie uns dabei, die Abmessungen des Fahrzeugs näherungsweise zu ermitteln – so lässt sich der Typ zumindest eingrenzen.

Bei der Gelegenheit muss festgestellt werden, dass die Adler-Modelle der Zeit vor 1925 bislang nicht in zufriedenstellender Weise bildlich dokumentiert sind.

Zwar enthält das Standardwerk „Adler Automobile 1900-1945“ von Werner Oswald etliche Abbildungen von frühen Adler-Typen. Dabei handelt es sich jedoch überwiegend um Bilder aus zeitgenössischen Prospekten, auf denen oft wenig Typspezifisches erkennbar ist. Einige Modelle sind auch nur mit Spezialaufbauten wiedergegeben.

Die Typangaben scheinen zudem unvollständig zu sein und widersprechen teilweise denjenigen in Halwart Schraders Werk „Deutsche Autos 1885-1920“ von 2002. Man sollte meinen, dass seither neue Erkenntnisse gewonnen, Lücken geschlossen und weiteres originales Bildmaterial zusammengetragen wurden.

In diesem Zusammenhang wäre die Website des Adler Motor-Veteranen-Club (AMVC) die ideale Plattform zur Publikation von Bildern der einzelnen PKW-Modelle. Doch die dortige Typentafel lässt in punkto Bilder noch mehr Lücken erkennen als Werner Oswalds Standardwerk. Und die separate Fotogalerie ist ohne Wert, da die Aufnahmen ungeordnet und ohne Erläuterung eingestellt werden.

Wer sich für frühe Adler-PKWs interessiert, bleibt also auf eigene Recherchen und Vermutungen angewiesen, so auch im vorliegenden Fall. Gehen wir systematisch vor:

Ein Blick auf den Spitzkühler lässt schon einmal die auf den Waben montierte dreieckige Adler-Plakette erkennen.

Bei Adler zeichnet sich bereits bei Modellen kurz vor dem 1. Weltkrieg eine Tendenz zu leicht spitz zulaufenden Kühlern ab. Dazu werden hier gelegentlich noch Beispiele anhand von Originalfotos vorgeführt. So scharf wie auf dem obigen Foto waren aber offenbar erst die Kühler von Adler-Wagen nach dem 1. Weltkrieg geformt.

Im Oswaldschen Adler-Buch sind zu den zahlreichen Modellen, die in der frühen Nachkriegszeit gebaut wurden, nur zwei Fotos von Serienwagen zu finden. Immerhin verfügen sie und die gezeigten Sportversionen über Spitzkühler des obigen Typs.

Wir dürfen also davon ausgehen, dass wir es mit einem Adler-Tourenwagen zu tun haben, der zwischen 1918 und 1925 gebaut wurde. Dazu passt das Erscheinungsbild der vier Herren vor dem Adler:

Der Älteste trägt noch einen Schnauzbart nach Vorkriegsmanier, die übrigen scheinen deutlich jünger zu sein und sind eher in der Welt der frühen 1920er Jahre zuhause.

Welcher Adler-Typ kurz nach dem 1. Weltkrieg kommt nun am ehesten in Betracht?

Zum Glück ist der Wagen auf unserem Bild von der Seite fotografiert. Man kann also recht gut mit dem Lineal die Verhältnisse von Radstand zu Gesamtlänge und Höhe ermitteln. Diese Relationen kann man dann mit den Daten im „Oswald“ abgleichen.

So lässt sich die Zahl der in Frage kommenden Typen auf drei Vierzylindermodelle einengen: Adler 12/34 PS (Bj. 1921/22) , 12/40 PS (1922-24) oder 18/60 PS (1921-25).

Alle drei weisen in Tourenwagenversion einen Radstand von 3,40m und eine Länge von 4,70 bis 4,80m auf. Geht man von einer Körpergröße der vier Herren zwischen 1,65 und 1,80m aus, bestätigt sich ebenfalls, dass es sich um einen der „großen“ Tourenwagen von Adler der frühen 1920er Jahre handelt.

Welcher Typ es genau ist, sollte sich doch herausfinden lassen. Hier sind versierte Adler-Veteranen-Freunde gefragt. Dann lässt sich auch die chronologische Adler-Galerie auf diesem Blog weiter vervollständigen.

1933: Ein Mercedes 170 aus Sachsen in Prag

Mancher Mercedes-Freund wird bei der Überschrift stutzen: 1933 gab es den 170er Mercedes doch noch gar nicht! Wer dabei an den 170V denkt, der bis in die 1950er Jahre die tragende Säule im PKW-Geschäft der Stuttgarter Marke war, hat recht.

Doch gab es schon ab 1931 einen heute wenig bekannten Mercedes 170, dem die Sympathie des Verfassers gilt. Dieser Vorgänger des Mercedes 170V war ein für seine geringe Größe ausgesprochen feines und für damalige (Mercedes-)Verhältnisse modernes Automobil.

Für weichen Motorlauf sorgte ein sorgfältig austarierter 6-Zylinder mit 32 PS Leistung. Das war an sich nichts Neues, doch ergänzt wurde der Antrieb durch ein Fahrwerk mit Einzelradaufhängung und hydraulischen Bremsen rundherum (ein Novum bei Mercedes).

Hinzu kam eine Rahmenkonstruktion, die einen niedrigen Schwerpunkt ermöglichte, was zusätzlich zur Fahrstabilität des Wagens beitrug. Auf zeitgenössischen Bildern erkennt man gut, wie tief der 170er Mercedes auf der Straße lag.

Dazu werfen wir einen näheren Blick auf das folgende Originalfoto von 1933:

© Mercedes 170 Limousine in Prag, 1933; Sammlung: Michael Schlenger

Diese Amateuraufnahme ist trotz guter Lichtverhältnisse etwas verwackelt. Auch die „Schlagseite“ der Bauten im Hintergrund weist auf einen wenig versierten Fotografen hin.

Immerhin stimmt die Belichtung und die Situation ist reizvoll. Wer sich in Europa ein wenig auskennt – das soll es im Zeitalter des Dubai-Massentourismus ja noch geben – wird den Aufnahmeort wiedererkennen:

Es ist die im 14. Jahrhundert errichtete Karlsbrücke über die Moldau in Prag, von römischen Brücken abgesehen eine der ältesten Steinbrücken in Europa. Sie ist heute nur für Fußgänger zugänglich und ein beliebtes Fotomotiv in der an architektonischen Reizen außerordentlich reichen tschechischen Hauptstadt.

Uns soll aber der Mercedes interessieren, der für dieses Foto malerisch platziert wurde:

Aus dieser Perspektive wird deutlich, wie satt der Mercedes auf der Straße liegt, während viele zeitgenössische Autos noch recht „hochbeinig“ daherkamen.

Die Identifikation als 170er ist – von den kompakten Proportionen abgesehen – anhand zweier Details möglich: Zum einen steht der Kühlergrill fast senkrecht, zum anderen verläuft der obere Abschluss der Frontscheibe waagerecht. Das gab es so nur bei Limousinen des Typs 170, nicht dagegen beim äußerlich ähnlichen Mercedes 200.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „IM“ verweist auf eine Zulassung in Sachsen. Der Mercedes gehörte also deutschen Prag-Reisenden oder Geschäftsleuten. Wie es scheint, zog der Mercedes anno 1933 auch die Aufmerksamkeit einiger Passanten auf sich:

Die drei Damen werfen einen interessierten Blick auf die andere Seite der Brücke, während der Herr mit Hut hinter ihnen in seine Zeitungslektüre oder ähnliches vertieft zu sein scheint.

Mag sein, dass etwas ganz anderes für Aufmerksamkeit bei den elegant gekleideten Flaneuren sorgt. Jedenfalls zeugt diese Aufnahme von einem reizvollen Moment in einer untergegangenen Welt.

Vor 85 Jahren: Ein Packard „Six“ bei feinen Leuten…

Wo sind eigentlich all‘ die gut motorisierten US-Wagen geblieben, die auf dem deutschen Markt Ende der 1920er Jahre „wie geschnitten Brot“ weggingen?

Auf zeitgenössischen Fotos stößt man immer wieder auf Sechszylinder-Modelle von Buick, Chevrolet oder Chrysler mit deutschen Nummernschildern. Dank wirklich industrieller Fertigung, wie sie in vergleichbarer Größenordnung kein europäischer Hersteller zuwegebrachte, waren diese hochwertigen Wagen unschlagbar günstig.

Einige US-Firmen richteten in Deutschland sogar eigene Fertigungsstätten ein, um die hohen Einfuhrzölle zu vermeiden. Doch selbst Wagen amerikanischer Marken ohne lokale Produktion gelangten nach Deutschland.

Ein Beispiel dafür zeigt das folgende Originalfoto, das im Mai 1931 aufgenommen wurde:

© Packard „Six“ der späten 1920er Jahre; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Zur Abwechslung ist die Identifikation des Wagens recht einfach. Dass es ein Modell des unabhängigen Traditionsherstellers Packard ist, wäre auch ohne den Schriftzug auf dem Kühlergitter zu erkennen. Die Form der Kühlermaske ist nämlich typisch genug, wenngleich Opel diese eine Weile ziemlich dreist abkupferte.

Der Form nach handelt es sich um ein Modell der späten 1920er Jahre, sehr wahrscheinlich um einen Vertreter des von 1925-28 gebauten Sechszylindertyps „Six“.

Damals wurde noch nicht jedes Jahr eine neue Karosserie verbaut. Stattdessen wurde die Form behutsam weiterentwickelt und man muss schon genau hinsehen, um ein frühes von einem späten Modell des Packard „Six“ zu unterscheiden:

Die vorne abgerundeten Schutzbleche mit der schmalen umlaufenden Sicke sprechen für ein Modell der Jahre 1927/28. Dass es kein Wagen der ab 1929 gebauten Achtzylinderserie ist, lässt sich an den hier noch trommelförmigen Scheinwerfern erkennen.

Die späten Exemplare des Packard „Six“ leisteten rund 80 PS. Das bot in der Sechszylinder-Klasse kein deutscher Hersteller zu einem vergleichbaren Preis.

Dass der Packard auf unserem Bild intensiv genutzt wurde, ist am Zustand von Stoßstange und Kennzeichen abzulesen. Das war kein Schönwetterauto zum Herzeigen auf dem Boulevard, sondern ein echter Kilometerfresser.

Damit wären wir bei der Aufnahmesituation. Der Packard stammt dem Nummernschild nach zu urteilen aus dem Zulassungsbezirk Berlin (Kürzel „IA“). Das Foto ist laut umseitiger Beschriftung aber auf Gut Schrevenborn an der Ostsee entstanden.

Der im Landkreis Plön in Schleswig-Holstein befindliche Gutshof ist über 400km von Berlin entfernt. Der Packard dürfte gerade eine entsprechende Fahrt über Landstraßen hinter sich haben – Autobahnen gab es 1931 in Deutschland noch nicht.

Eine solche Reise in einem so gehobenen Automobil konnten sich nur „bessere Leute“ leisten. Auf diesem Bildausschnitt sehen wir einige davon:

Das „Empfangskomitee“ hat sich ganz entzückend auf der Treppe zum Eingang platziert. Nebenbei: Eine derartig raffiniert angeordnete Sitzgruppe kann man von modernen Architekten nicht mehr erwarten – ebensowenig die Freundlichkeit der Fassade.

Eine Offenbarung ist auch das Erscheinungsbild der vier Damen: jede individuell frisiert und typgerecht gekleidet – keine Spur von Modediktat und dennoch absolut geschmackssicher. Man kann in Zeiten angeblicher Weltoffenheit und Vielfalt, die oft nur ein Vorwand für jede Form von Vulgarität ist, einiges von solchen alten Fotos lernen…

Typisch 1920er Jahre: Dame mit Fiat Tourenwagen

Heute wirken die Karosserieformen der meisten Alltagsautos austauschbar. Der Kauf wird oft nach nüchternen Gesichtspunkten getätigt – begeisternde Form spielt allenfalls bei Sportwagen eine Rolle.

In den 1920er Jahren sahen sich Großserienautos ebenfalls sehr ähnlich. Doch warteten einige mit im wahrsten Sinne des Wortes klassischen Formen auf, die sich am Ebenmaß antiker Bauwerke orientierten.

Wer dabei zuerst an Autos von Rolls-Royce mit ihrer an griechischen Tempelfassaden erinnernden Kühlerfront denkt, liegt nicht verkehrt:

© Kühlerpartie eines Rolls-Royce Phantom I; Bildrechte: Michael Schlenger

Auch italienische Marken wie Ansaldo, Ceirano und Isotta-Fraschini nahmen bereits früh dasselbe Thema auf.

Sie sind heute vergessen, doch ein anderer italienischer Autobauer fertigte in den 1920er Jahren ebenfalls Wagen mit klassisch-klarer Kühlerfront, die den antiken Dreiecksgiebel zitiert: FIAT:

© Fiat Tourenwagen der 1920er Jahre als Taxi, aufgenommen in Italien; Sammlung: Michael Schlenger

Die wohlproportionierte Frontpartie ist ein Kennzeichen der Fiats der 1920er Jahre von der unteren Mittelklasse bis zum Luxuswagen. Beispiele dafür wurden hier bereits vorgestellt, so der mondäne Fiat 519 und der bodenständige Fiat 503 bzw. 509.

Heute geht es um einen weiteren Vertreter der klassischen Fiats der 20er Jahre, die auch außerhalb Italiens erfolgreich waren. Wer markenungebunden nach historischen Autofotos jener Zeit im deutschen Sprachraum sucht, stößt laufend auf Wagen des folgenden Typs:

© Fiat Tourenwagen 503 oder 509; Sammlung: Michael Schlenger

Dieser Tourenwagen wurde an einem sonnigen Frühlings- oder Sommertag vor dem Zaun eines weitläufigen Parks aufgenommen – man ahnt ein repräsentatives Gebäude im Hintergrund. Vielleicht erkennt ein Leser den Ort wieder?

Dass es sich bei dem Auto wohl um einen Fiat des Typs 503 oder 509 handelt, verrät ein näherer Blick auf die Frontpartie:

Man sieht, wie die Silhouette der Kühlermaske die gesamte Frontpartie bis hin zur Form des Armaturenbretts bestimmt – das gab es so konsequent nur bei Fiat. Auch der Verlauf der Zierleisten oberhalb der Kühlluftschlitze in der Motorhaube passt perfekt.

Welche Motorisierung der Wagen aufwies, ist schwer zu sagen. Verfügbar waren ein 1 Liter-Motor mit gut 20 PS (Fiat 509), ein 1,5 Liter mit 27 PS (Fiat 503) sowie mit längerer Karosserie auch Sechszylinder mit bis zu 50 PS Leistung.

© Originalreklame für den Fiat 509; Sammlung: Michael Schlenger

Die Wahrscheinlichkeit spricht für das populäre Modell Fiat 509, das in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre über 90.000mal gebaut wurde. Außer Opel schaffte in Deutschland damals kein Hersteller solche Stückzahlen in der unteren Mittelklasse.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die junge Dame, die vor rund 90 Jahren neben dem Fiat posierte:

Sie schaut ein wenig unglücklich, und das kann weder an dem schönen Fiat noch am Wetter liegen. Vermutlich weiß sie, dass die damals modischen sackartigen Kleider ihrer durchaus schlanken Figur wenig schmeicheln.

Schon an anderer Stelle hat der Verfasser darüber sinniert, welcher boshafte Geist einst darauf verfallen ist, die Taille der Damenkleider auf die Hüfte rutschen zu lassen. Auch hier wäre die klassische Silhouette die bessere Wahl gewesen…

Ein Nash „Six“ Tourer von 1925 in Australien

Der Markenname „Nash“ wird in Europa am ehesten mit dem britischen Sportwagenhersteller „Frazer-Nash“ in Verbindung gebracht – dabei haben die beiden Firmen nichts miteinander zu tun.

„Nash Motors“ war eine 1916 gegründete US-Firma, die bis 1938 eigenständig blieb und mit ausgezeichneten Mittelklassewagen erheblichen Erfolg hatte. 

Gründer der Firma war ein leitender Angestellter von General Motors: Charles W. Nash. Er übernahm die Thomas B. Jeffery Company, eine der ältesten amerikanischen Automobilfirmen, die noch Anfang des 20. Jahrhunderts die Nr. 2 am US-Markt war.

Hauptstandbein von Nash war zunächst ein von der Jeffery Company entwickelter LKW. Der dank Allradantrieb, Allradlenkung und Vierradbremsen außerordentlich leistungsfähige Wagen wurde bis 1919 über 10.000mal für das Militär gebaut.

Noch im 1. Weltkrieg warb Nash den Chefingenieur der General-Motors-Marke Oakland, Nils Eric Wahlberg ab. Er sollte bis in die 1930er Jahre dafür sorgen, dass ein Nash technisch stets auf der Höhe der Zeit war, manchmal auch seiner Zeit voraus.

Ebenso wichtig für den Erfolg von Nash war die konsequente Orientierung am Vorteil des Kunden. Diese Einstellung sucht man bei deutschen Großserienherstellern speziell in den 1920er Jahren vergeblich, bis die US-Konkurrenz endlich ein Umdenken erzwang.

Werfen wir nun einen Blick auf einen Nash aus der Blütezeit der Firma:

© Nash „Six“ Tourer, Ende der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Der mächtige Tourer ist unschwer als US-Wagen der zweiten Hälfte der 1920er zu identifizieren. Bei der genauen Ansprache des Herstellers ist mal wieder das gute alte Autobuch unverzichtbar.

Im vorliegenden Fall half das Durchblättern des reizvollen Werks „American Cars in Europe, 1900-1940: A Pictorial Survey“ von Brian Goodman. Dort stieß der Verfasser auf einen ähnlichen Wagen der Marke Nash, die ihm bis dato wenig sagte.

Tatsächlich ist auf der Kühlerplakette der Firmenname NASH zu ahnen:

Der massive Knebelverschluss des Kühlwasserstutzen dürfte ein Extra oder Zubehörteil sein. Er könnte aber auch – ebenso wie die dreireihige – Stoßstange auf eine gehobene Variante des Volumenmodells Nash „Six“ hinweisen – den „Advanced Six“.

Das von 1925-29 gebaute große Sechszylindermodell wartete mit über 4 Liter Hubraum und anfänglich 60, zuletzt 80 PS auf. Vergleichbare Leistungen boten damals in Deutschland nur wenige und sehr teure Oberklassewagen.

Wie erfolgreich Nash mit seinen hochwertigen Sechsyzlinder-Wagen war, belegt nicht zuletzt der obige Bildausschnitt. Denn dort sieht man ein australisches Nummernschild, das im Bundesstaat „New South Wales“ – daher das Kürzel NSW – ausgegeben wurde.

Wie es der Zufall will, gibt es auf der Netzpräsenz des amerikanischen Nash Car Club ein historisches Foto eines weiteren Nash Advanced Six, das 1926 ebenfalls in New South Wales aufgenommen wurde. Der Wagen hat dieselbe dreireihige Stoßstange wie der Nash auf unserem Bild.

Das genaue Baujahr des Wagens wird nur ein Nash-Kenner benennen können. Uns soll genügen, dass das Foto in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entstanden sein dürfte. Dafür spricht der kappenartigen Hut der Dame, die in Fahrtrichtung links steht.

Bemerkenswert ist das Erscheinungsbild des Herrn rechts vom Wagen:

Wenn nicht alles täuscht, trägt er Anzug mit Fliege und Hut und darüber entweder einen frischgewaschenen Arbeitskittel oder einen weißen Staubmantel. Jedenfalls ist er ein gutes Beispiel für den Stil jener Zeit, der auch heute ein gutes Vorbild abgibt, wenn man auf einen passenden Auftritt zum klassischen Wagen Wert legt.

Übrigens stehen die Chancen gut, dass dieses hochwertige und in trockenem Klima praktisch unzerstörbare Auto noch existiert. In Australien haben viele Vorkriegsautos überlebt und sei es als Bewohner von Scheunen oder irgendwo im Freien.

Wer sich davon überzeugen will, muss keineswegs nach „down under“, sondern nur regelmäßig „The Automobile“ lesen…

Vor 75 Jahren: Mercedes 170V Kübelwagen in Bulgarien

Vor 75 Jahren  – im Sommer 1941 – ordnete das NS-Regime den Angiff der Wehrmacht auf Russland an, der für Deutschland und Osteuropa fatale Folgen haben sollte. Bekanntlich blieb der Angriff im Winter kurz vor Moskau stecken.

Zur Verzögerung und damit zum Scheitern des „Blitzkriegs“ gegen die Sowjetunion hatte eine Operation beigetragen, von der das heute zu besprechende Foto kündet:

© Mercedes-Benz 170 VK in Bulgarien, Mai 1941; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Aufnahme wurde laut umseitiger Aufschrift im Mai 1941 in Bulgarien aufgenommen. Bevor wir uns dem abgebildeten Wagen zuwenden, eine Rückblende zur historischen Einordnung der Situation:

Italien unternahm Ende 1940 ohne Absprache mit den deutschen Verbündeten den Versuch, Griechenland zu besetzen. Das Vorhaben endete nach kurzer Zeit mit einer krachenden Niederlage, nicht zuletzt aufgrund des Eingreifens britischer Truppen.

Die deutsche Führung wollte einen englischen Brückenkopf in Südosteuropa vermeiden und ordnete einen Feldzug gegen Griechenland an, das zuvor behauptet hatte, es gebe keine britischen Truppen im Land.

Der deutsche Angriff auf Griechenland wurde im April 1941 vom Boden des verbündeten Bulgariens aus vorgetragen und endete nach zwei Wochen mit der griechischen Kapitulation und dem Abzug der geschlagenen britischen Truppen.

Unser Foto aus dem Mai 1941 zeigt offenbar eine deutsche Einheit, die auf dem Rückweg in Bulgarien Rast macht, umringt von einheimischen Jugendlichen.

Mit was für einem Fahrzeug war man da unterwegs? Schauen wir genauer hin:

Mercedes-Kenner werden sogleich auf einen 170V tippen, hier in der Kübelwagenausführung 170VK. Vom hinteren Aufbau abgesehen war der Wagen seriennah, verfügte also lediglich über den 38 PS-Vierzylinder der Zivilversion.

Der bereits leer 1,2 Tonnen wiegende Wagen war besetzt und mit militärischem Gerät bepackt völlig untermotorisiert, genoss aber einen guten Ruf für seine Zuverlässigkeit unter harten Einsatzbedingungen.

Auch wenn das Vehikel über keinen Allradantrieb und nur geringe Bodenfreiheit verfügte, wurde es von 1938-42 über 19.000mal für die Wehrmacht produziert. Nur der VW-Kübel – der einzige wirklich geländegängige PKW auf deutscher Seite – wurde öfter gefertigt.

Beim Mercedes auf unserem Foto fehlt die rechte hintere Tür, was auf einen dort montierten zusätzlichen Gerätekasten hinweist, zum Beispiel für eine Funkanlage. Dies passt gut zum mutmaßlichen Charakter der Einheit:

Sofern die Interpretation des taktischen Zeichens auf dem linken Vorderschutzblech zutrifft, haben wir es mit einer motorisierten Stabskompanie eines Aufklärungsregiments zu tun.

Das blassere Abzeichen auf dem rechten Kotflügel kann vielleicht ein sachkundiger Leser identifizieren. Es müsste auf den Großverband – z.B. eine Division – verweisen, der die Einheit untergeordnet war.

Wenden wir uns nun den Menschen auf der Aufnahme zu. Denn auf diesem Blog geht es nicht nur um klassische Automobile als technisches Gerät, sondern auch um den Alltag der Menschen, die damit unterwegs waren:

Auf dem schweren Beiwagengespann posieren vier junge Wehrpflichtige, die schon länger keinen „anständigen“ Haarschnitt mehr verpasst bekommen haben. Das passt gut zur beschriebenen Situation des Rückmarsches vom Einsatz in Griechenland.

Ganz rechts steht entspannt ein Unteroffizier – zu erkennen an der hellen Litze entlang des Kragens. Er trägt offenbar eine Arbeitshose, wie sie für Wartungsarbeiten üblich war. Der sechste Mann, der die Hände in die Hüften gestemmt hat, dürfte trotz der wichtigtuerischen Gebärde ebenfalls nur ein einfacher Soldat sein.

Alle Männer haben das Koppel mit den Magazintaschen abgelegt, Waffen sind nirgends zu sehen. Man war hier tatsächlich in friedlicher Mission unterwegs. Kein Wunder, dass etliche neugierige Kinder auf dem Bild zu sehen sind.

Alle sind nach damaligem Empfinden ordentlich gekleidet, barfuß liefen viele Kinder damals auf dem Lande auch in Deutschland umher. Diese aus einfachen Verhältnissen stammenden jungen Menschen weisen eine Figur und Haltung auf, wie sie bei Gleichaltrigen in unseren Tagen inzwischen die Ausnahme darstellt.

Bulgarien blieb bis zur Besetzung durch die Rote Armee zwar Verbündeter Deutschlands, wahrte aber eine gewisse Distanz und nahm auch nicht am deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion teil.

Dennoch mussten die Kinder auf dem Bild das Bündnis mit Deutschland nach 1945 mit über 40 Jahren sozialistischer Gewalt- und Willkürherrschaft büßen. Für etliche Soldaten auf unserem Foto dürfte die Aggression gegen Russland ebenfalls übel ausgegangen sein…

Wieder kein Brezelkäfer – „nur“ ein Lancia Aprilia…

Es muss einige Leute geben, die einen „Brezelkäfer“ heute für eine Seltenheit halten und deshalb jedes historische Autofoto, auf der eine geteilte Rückscheibe zu sehen ist, reflexartig in diese Schublade einordnen und auf heftiges Interesse hoffen.

Dumm nur, dass die VW-Fraktion nicht anbeißt, wenn auf der Aufnahme etwas ganz anderes zu sehen ist. Für den Verfasser, der meist auf „freier Jagd“ im Netz unterwegs ist, sind solche Fehlzünder dagegen interessant, zumal sie für kleines Geld zu haben sind.

So entpuppte sich vor kurzem ein aufmerksamkeitsheischend als „Brezelkäfer“ titulierter Wagen als in Paris aufgenommener Peugeot 203 – keine schlechte Alternative.

Mit einem ähnlichen Fall haben wir es heute wieder zu tun:

© Lancia Aprilia und Fiat 500 C in Brunnen (Schweiz), Mai 1958; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem Originalfoto sah der Anbieter ebenfalls einen „Brezelkäfer“.Dabei entging ihm nicht nur der rechts zu sehende „Volkswagen“ italienischer Herkunft. Er hatte auch keine Vorstellung davon, dass das bucklige Auto mit der geteilten Heckscheibe im Unterschied zum Käfer aus Wolfsburg eine ausgesprochene Rarität darstellt.

Bei dem Wagen links handelt es sich nämlich um einen Lancia Aprilia, der von 1937 bis 1947 in weniger als 30.000 Exemplaren gebaut wurde. Trotz der niedrigen Stückzahl verdient der seinerzeit hochmoderne Typ in mehrfacher Hinsicht Anerkennung.

Werfen wir zunächst einen näheren Blick auf die Karosserie:

Der Wagen war erkennbar von der in den 1930er Jahren von vielen Firmen erprobten Stromlinienform geprägt und weist formale Gemeinsamkeiten mit so unterschiedlichen Typen wie dem Tatra 77, dem Crossley-Burney und dem Volkswagen auf.

Der Lancia Aprilia war das letzte Modell, das noch unter Aufsicht von Firmengründer Vincenzo Lancia entwickelt wurde. Markentypisch war der 1,5 Liter messende Vierzylinder in kompakter V-Form, der knapp 50 PS leistete. Dank im Windkanal optimierter Form erreichte der Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h.

Der Überlieferung nach war Vincenzo Lancia bei einer Mitfahrt im noch schnelleren Prototypen zunächst skeptisch. Nachdem er selbst das Steuer übernommen hatte, zeigte er sich begeistert vom Fahrverhalten des Wagens, der neben Einzelradaufhängung an der Hinterachse innenliegende Bremsen aufwies, die die ungefederten Massen reduzierten.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Viertürer, der dank fehlender Mittelsäule einen besonders bequemen Einstieg ermöglichte, praktisch unverändert weitergebaut.

Übrigens gebührt dem Lancia Aprilia das Verdienst, der einzige Zivil-PKW zu sein, der in einem am 2. Weltkrieg teilnehmenden europäischen Land durchgängig produziert wurde – wenn auch zeitweise in winzigen Stückzahlen.

Wer wissen möchte, wie der Lancia Aprilia von vorne aussah, wird in einem anderen Bildbericht auf diesem Blog fündig, in dem das Modell zufällig ebenfalls zu sehen ist

Nun noch ein Seitenblick auf den Wagen, der rechts auf unseren Bild zu sehen ist:

Es handelt sich um ein Exemplar des ab 1949 gebauten Fiat 500 C – eine Weiterentwicklung des bereits 1936 vorgestellten legendären „Topolino“. Die Frontpartie erscheint eigenwillig, vermutlich war der Kühlergrill nicht serienmäßig.

Das Nummernschild mit der Buchstabenkombination „SZ“ gefolgt von vier schwarzen Ziffern auf weißem Grund gab zunächst Rätsel auf. Ein aufmerksamer Leser gab den Hinweis, dass es wahrscheinlich ein schweizerisches „Kontrollzeichen“ ist, wobei das Kürzel „SZ“ für den Kanton Schwyz stünde. Da die laufenden Nummern damals noch recht niedrig waren, konnte die Schrift größer ausfallen als heute.

Dies passt zum Entstehungsort des Fotos. Laut umseitigem Vermerk wurde das Bild im Mai 1958 in Brunnen (Schweiz) gemacht. Das dortige Gasthaus „Ochsen“ sieht heute noch fast genauso aus. Nur so attraktive Autos wird man vergeblich suchen…

Ein klassisch-schöner Fiat in Graz im Jahr 1927

Heute stellen wir ein außerordentliches Originalfoto eines Wagens der 1920er Jahre vor, das wir einem Leser aus Österreich zu verdanken haben. Es ist eines der ganz seltenen Beispiele, bei denen Aufnahmeort und -datum sowie die Insassen bekannt sind.

Die Identifikation des Autotyps war nicht einfach und bedurfte einiger Recherchen, doch das schöne Bild verdient solchen Aufwand. Werfen wir nun einen Blick auf die eingesandte Originalfotografie:

© Fiat Tourenwagen, aufgenommen 1927 in Graz; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Thomas Frewein

Der fast 90 Jahre alte Abzug ist von technisch sehr guter Qualität, auch wenn bei der Aufnahme etwas Licht seitlich in das Kameragehäuse eingedrungen zu sein scheint. Die daraus resultierenden überbelichteten Partien ließen sich aber teilweise retuschieren.

Wie so oft auf privaten alten Autofotos mit Personen ist der Wagen von der Seite aufgenommen. So stehen die Insassen im Mittelpunkt, das Auto war eher Staffage. Uns Spätergeborenen wäre natürlich ein näherer Blick auf die Kühlerpartie lieb, die bei den Wagen der Zwischenkriegszeit am ehesten Aufschluss über den Hersteller gab.

Wir sehen die Sache sportlich und versuchen es trotzdem. Der erste Gedanke des Verfasser war, dass dieser klassisch gezeichnete offene Tourenwagen ein Steyr sein könnte. Das hätte gut zum Aufnahmeort Graz gepasst, den wir kennen.

Zwar gab es Mitte der 1920er Jahre ähnliche Wagen der österreichischen Marke Steyr, doch einige Details wollen nicht so recht passen. Beispielweise verfügten Steyr-Autos oft über filigrane Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss nach englischem Vorbild.

In den 1920er Jahren baute sonst nur ein größerer Hersteller Autos mit so klarer Formgebung: FIAT. Die Turiner Marke genoss in der Zeit bis zum 2. Weltkrieg einen hervorragenden Ruf für solide konstruierte, stilsicher gestaltete und gut verarbeitete Wagen.

Wir haben auf diesem Blog erst kürzlich ein Beispiel für die Klasse vorgestellt, in der sich Fiat damals bewegte, den Typ 519 von 1921. Dieser moderne Luxuswagen war das formale Vorbild für alle Fiats, die bis 1927 gebaut wurden:

Er trug erstmals einen Kühler nach Art antiker griechischer Tempel, deren Front durch einen Dreiecksgiebel gekennzeichnet war. Dieses klassische Element prägte die Frontpartie aller Fiats jener Zeit von der Motorhaube bis zur Windschutzscheibe hin.

Schauen wir uns einen Großserien-Fiat der 1920er Jahre an, der von der Formgebung dieses damals stilbildenden „Super“-Fiat beeinflusst war. Er ist aus einer anderen Perspektive fotografiert als unser eingangs gezeigtes Originalfoto, doch es ist derselbe Typ:

© Fiat Tourenwagen als Taxi, aufgenommen in Italien; Sammlung: Michael Schlenger

Markant außer der Kühlerform ist der damit korrespondierende Knick der Unterseite der Windschutzscheibe. Typisch auch die seitliche Zierleiste oberhalb der Luftschlitze in der Motorhaube.

Identisch ebenso die Montage der handbetriebenen Hupe im Scheibenrahmen und die nach vorne ausstellbare Frontscheibe. Die Rechtslenkung war noch in vielen Ländern üblich; sie stammte aus der Zeit, in der der Kutscher mit der Rechten die Pferde antrieb.

Hier zum Vergleich eine Ausschnittsvergrößerung der Frontpartie des Fiat aus Graz:

Da die Aufnahme auf 1927 datiert ist und der Wagen relativ kurz ist, dürfte das abgebildete Auto eines der beiden damals verbreiteten Vierzylindermodelle Fiat 503 oder 509 sein.

Sie verfügten über kopfgesteuerte Motoren mit 1 bzw. 1,5 Liter Hubraum, die standfeste 22 bzw. 27 PS leisteten. Das klingt nach wenig, war aber gemessen an der Literleistung deutscher Wagen bis in die frühen 1930er Jahre konkurrenzfähig.

Zudem verfügten diese Modelle über vier Gänge und Bremsen an allen Rädern – damals nicht selbstverständlich in der Mittelklasse. Kein Wunder, dass speziell der sparsame Fiat 509 der europaweit meistverkaufte italienische Wagen war, bevor der Fiat 500 herauskam.

Übrigens gab es mit identischer, nur längerer Karosserie von Fiat seinerzeit auch Sechszylinder, die in den späten 1920er Jahren bis zu 50 PS leisteten (Typen 520 und 521). Mercedes bot selbst in den 1930er Jahren in dieser Klasse nicht mehr Leistung.

Zu guter Letzt wollen wir noch einen Blick auf die Mädchen in dem eleganten Fiat werfen, die gewiss der eigentliche Anlass der 1927 entstandenen Aufnahme waren:

Soweit wir wissen, sind die beiden fein gekleideten Kinder Schwestern und eine von ihnen hat uns über besagten Leser aus Österreich dieses Foto zur Verfügung gestellt.

Solch ein Dokument ist ganz außergewöhnlich und wir danken der Dame aus Österreich herzlich für das Privileg, dieses Bild aus ihrer Kinderzeit zusammen mit dem einst prestigeträchtigen Automobil zeigen zu dürfen. 

Wer genau hinsieht, erkennt übrigens im Hintergrund einen weiteren Wagen vermutlich desselben Typs. Heute sind die erfolgreichen Fiats der 1920er Jahre eine große Rarität und wer solch ein edles Auto besitzt, kann sich so glücklich schätzen wie damals.

Ein „Supercar“ der frühen 1920er Jahre von FIAT

In unseren Zeiten wird gern bei jedem neuen Elektronikgerät von Innovation gesprochen. Doch abgesehen von noch mehr Unterhaltungs- und Einkaufsmöglichkeiten im Netz ist echter Fortschritt rar geworden. Das sieht man auch an der Unfähigkeit der wenigen verbliebenen Autohersteller zu bahnbrechend neuen Lösungen.

Benzineinspritzung, Fahrwerksregelung und Airbag sind alles alte Hüte – weshalb viele Leute mit 20 Jahre alten BMWs, Mercedes oder Audis im Alltag glücklich sind. Und auch wenn uns Werbeleute – und vor allem technikferne Politiker – anderes einreden wollen, sind die systembedingten Nachteile elektrischer Autos im Wesentlichen dieselben geblieben.

Umso lehrreicher ist es, sich mit dem Innovationstempo im frühen 20. Jahrhundert zu beschäftigen. Damals gab es im Autobau binnen fünf Jahren Entwicklungssprünge, für die man heute ein Vierteljahrhundert oder länger braucht.

Marken wie Fiat oder Lancia – heute nur noch ein Schatten ihrer selbst – gehörten damals zu Speerspitze des Fortschritts. Wer etwa bei Fiat nur an (brilliante) Klein-und Mittelklassewagen denkt, darf sein Bild angesichts dieses Fahrzeugs korrigieren:

© Fiat 519 der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir einen ab 1922 in Serie gebauten Abkömmling des „Super Fiat“, den der Turiner Hersteller ein Jahr zuvor als Machbarkeitsstudie vorgestellt hatte. Der „Super Fiat“ Typ 520 verfügte über einen 90 PS starken V12-Motor mit 4 Ventilen pro Zylinder (hängend), hydraulische Bremsen an allen vier Rädern und zahlreiche weitere Finessen.

Dieses technische Meisterwerk war zugleich ein gestalterisches Glanzstück. Fiat bot hier erstmals die klassisch-elegante Frontpartie, die typisch für die Marke bis in die späten 1920er Jahre bleiben sollte. Der legendäre Lancia Lambda trug ein ganz ähnliches Gesicht, kam aber erst ein Jahr später heraus.

Damit bewegte sich Fiat in jeder Hinsicht auf Augenhöhe mit Rolls-Royce, zeitweise war der Typ 520 sogar der einzige 12-Zylinder PKW weltweit.

Nach dieser eindrucksvollen Demonstration bot Fiat mit dem oben abgebildeten Typ 519 ein äußerlich fast identisches Modell an, das allerdings einen 6-Zylinder-Motor mit 2 Ventilen pro Zylinder hatte. Die knapp 80 PS Leistung erlaubten dem über 2 Tonnen schweren Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von annähernd 130 km/h.

Interessant ist der Vergleich mit den zeitgleichen Kompressor-Mercedes der Typen 6/25/40PS und 10/40/65 PS. Sie wiesen mit ihren aufgeladenen, kleinvolumigen Motoren eine ganz andere Charakteristik auf, die man im Nachhinein als Sackgasse ansehen muss.

Der enorme bauliche Aufwand der ersten Kompressor-Mercedes schlug sich letztlich in keiner den schweren Aufbauten gewachsenen Leistung nieder. Jedoch künden auch sie vom energischen Willen, nach dem 1. Weltkrieg die Grenze des Machbaren auszuloten.

Zurück zum Fiat 519: Rund 2.400 Exemplare konnten die Turiner bis 1927 von ihrem Spitzenmodell absetzen, wie damals üblich meist mit Manufakturkarosserien nach Kundenwunsch. Auf unserem etwas verwackelten Foto, das bei einem zeitgenössischen Concours d’Elegance entstand, ist ebenfalls eine spezielle Karosserie zu sehen:

Diese Karosseriebauart, bei der die Passagiere über ein geschlossenen eigenes Abteil verfügen, während der Chauffeur davor im Freien sitzt, wurde in Frankreich als Coupé de Ville bezeichnet, in England als „Sedanca de Ville“. Im Deutschen gab es dafür die Bezeichnung „Außenlenker“.

Auf der Ausschnittsvergrößerung sind nicht nur die Reibungsstoßdämpfer an der Achse erkennen, sondern auch die großen, verrippten Bremstrommeln. Der Fiat 519 verfügte über dieselben hydraulischen Vierradbremsen wie der „Super Fiat“ und war damit der europäischen Konkurrenz um Jahre voraus.

Heute sollen noch rund 25 Exemplare des Fiat 519 existieren – in einer auf heutige Prestigemarken fixierten Sammlerszene sind das Wagen für echte Kenner.

Literaturtipp: Fiat, von Michael Sedgwick, 1974; ISBN: 0 7134 0473 6. Das antiquarisch erhältliche Werk des englischen Automobilhistorikers widmet sich ausführlich wie wohl kein anderes Buch den Vorkriegsmodellen von Fiat. Dabei werden nicht bloß technische Charakteristika wiedergegeben, sondern die einzelnen Fiat-Typen werden in ihrem jeweiligen zeitlichen Kontext dargestellt und beurteilt – ein brilliantes Buch!

Mercedes 170 Sechszylinder mit prominenter Besatzung

Wer heute noch etwas mit der Typbezeichnung Mercedes 170 anfangen kann, denkt meist an den 1936 vorgestellten Vierzylindertyp 170 V.

Er wurde auch nach dem 2. Weltkrieg trotz veralteter Form und Technik noch erstaunlich lange gebaut. Dabei gab es mit dem Peugeot 203, dem Fiat 1400 und dem Borgward Hansa 1500 bereits 1949/50 in jeder Hinsicht modernere Autos.

Interessanter als der hausbackene 170 V ist der Mercedes 170 Sechszylinder, der von 1931-36 gebaut wurde. Er war im Unterschied zum 170 V für seine Zeit ein hochmodernes Auto und rundete das Programm der Marke auf ähnlich geniale Weise nach unten ab, wie das in den 1980er Jahren mit dem 190er Mercedes gelang.

Der 6-Zylinder-Mercedes 170 zeichnete sich nicht nur durch seinen weich laufenden und vollgasfesten Motor aus. Er bot vor allem ein Fahrwerk, das dank Einzelradaufhängung und Hydraulikbremsen die volle Ausschöpfung der Leistung ermöglichte.

32 PS mögen heute dürftig klingen, doch viele stärkere Fahrzeuge ließen sich nicht so sicher und agil bewegen wie der kompakte und recht günstige Meredes.

Im Vergleich zum eher pummeligen 170 V verfügte der Mercedes 170 mit Sechszylinder über eine knackig gezeichnete Karosserie. Das attraktivste Modell war sicher der Sport-Roadster, den wir gelegentlich noch vorstellen.

Doch auch die Cabrios überzeugten durch sportlich wirkende Formen, die an englische Wagen der Zeit erinnern. Das Cabriolet C ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

© Mercedes 170 mit Johannes Heesters und Hilde Körber; UFA-Originalfoto der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Man mag einwenden, dass von dem Auto fast gar nichts zu sehen ist. Doch ist alles auf dem Foto abgebildet, was zur Identifikation des Typs genügt.

Dass es ein Mercedes ist, verrät die Spiegelung des Sterns auf der Motorhaube am linken Bildrand. Dass das Foto nach 1933 und vor Kriegsausbruch entstanden sein muss, lässt die Hakenkreuzfahne am Gebäude links und der recht dichte Verkehr mit Autos ohne Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern erkennen.

Zweitürige Cabriolets von Mercedes gab es in jeder Zeit zwar etliche. Doch nur eines hatte Seitenscheiben mit rechtwinkligem Chromrahmen – das 170er Cabriolet. Auch beim äußerlich fast identischen 200er war der Chromrahmen hinten abgerundet. Die breite seitliche Zierleiste, der kurze Vorderbau und das Verdeckgestänge passen ebenfalls zum Mercedes 170 Werkscabriolet C.

Nun aber zu den Insassen des Wagens und der Aufnahmesituation. Dieses Foto ist ein Originalabzug der UFA-Filmgesellschaft und so finden wir auf der Rückseite zwei Schauspielernamen: Johannes Heesters und Hilde Körber. 

Hier hat man also die seltene Gelegenheit, den ewigen Grandseigneur Heesters, der erst 2011 im Alter von 108 Jahren starb, einmal als jungen Mann zu sehen. Der gebürtige Niederländer genoss bereits in den 1930er/40er Jahren hierzulande als Sänger und Schauspieler einige Populärität. Die schon 1969 verstorbene Hilde Körber dürfte weniger bekannt sein, war aber bis in die 1950er Jahre eine Größe der deutschen Filmszene.

Die Frage, wo die beiden in dem Mercedes aufgenommen wurden, ist rhetorisch: Wer sich in Berlins historischem Zentrum ein wenig auskennt, wird die baumumstandene „Neue Wache“ von Friedrich Schinkel links im Mittelgrund erkennen. Der klassisch-schlichte Bau ziert seit 200 Jahren die Prachtstraße „Unter den Linden“.

Links davon ist eine Ecke der Humboldt-Universität zu sehen, in der Ferne lugt die Kuppel des Doms über dem Zeughaus hervor. Trotz der Zerstörungen durch den Bombenkrieg und den Häuserkämpfen im April/Mai 1945 kann man diese großartige Szenerie heute fast genauso genießen wie einst.

Wie es dort am Ende des 2. Weltkriegs aussah, zeigen eindrucksvolle Fotos, die ein britischer Armeeoffizier im Sommer 1945 aufnahm. Es ist interessant zu sehen, dass die solide gebauten Repräsentationsgebäude den Bombardements der Alliierten im Vergleich zu den Berliner Wohngebieten recht gut standgehalten hatten.

Das Beispiel des Berliner Schlosses lässt erkennen, dass etliche Bauten nach dem Kriegsende ohne Not aus ideologischen Gründen abgerissen wurden.

War es im sozialistischen Ostdeutschland der Hass der Machthaber auf die Überbleibsel des bürgerlichen und adligen Erbes, war es im Westen die Doktrin des Quadratisch-Praktisch-Verkehrsgünstigen, die bis in die 1970er Jahre in den historischen Zentren der Republik ihre zerstörerische Wirkung entfaltete.

Dass wenigstens im Zentrum von Berlin einige dieser Wunden wieder geheilt wurden, ist erfreulich. Einmal im Jahr „Unter den Linden“ nur Vorkriegsautos verkehren zu sehen, das wäre nach des Verfassers Geschmack…

Ein geheimnisvoller Austin 10 „Cambridge“ der 1930er Jahre

Leser dieses Blogs werden hier zwar vorwiegend Vorkriegsfahrzeuge aus dem deutschen Sprachraum (inkl. Österreich-Ungarns) vorfinden, doch hin und wieder wird auch ein Seitenblick auf US-Wagen sowie britische, französische und italienische Fahrzeuge geworfen.

Ausgangspunkt ist meist ein historisches Originalfoto, daneben werden auch vom Verfasser geschossene Aufnahmen eingeflochten. Dank eines umfangreichen Fundus lassen sich so auch hierzulande wenig bekannte Marken und Typen illustrieren.

Heute ist ein Austin an der Reihe, den man in Deutschland wohl kaum jemals zu Gesicht bekommen wird. Sicher kennen die meisten Oldtimerfreunde den legendären Austin Seven, der einst von Dixi und kurz darauf von BMW nachgebaut wurde.

Das englische Original ist bei praktisch jeder britischen Klassikerveranstaltung zu sehen und der in Lizenz gebaute BMW „Dixi“ ist auch bei uns ein gern gesehener Gast:

© Oben zwei Austin 7 beim Goodwood Revival 2015, unten ein BMW Dixi Roadster Anfang der 1930er Jahre; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Doch wer kennt die weiter oberhalb angesiedelten Austin-Modelle der Vorkriegszeit? Sie sind in England noch präsent, doch da sie auf dem Kontinent kaum verkauft wurden, sind sie im Unterschied zur Austin-Kopie von Dixi und BMW nicht im kollektiven Bewusstsein verankert.

Die größeren Austins waren technisch unauffällig, aber solide konstruiert, für englische Landstraßen ausreichend motorisiert und dank rationeller Produktion für die Mittelschicht erschwinglich.

Austins Erfolgsmodell der 1930er Jahre war der Austin Ten, der von 1932 bis 1947 rund 290.000mal gebaut wurde. Er verfügte über einen 1,1 Liter Seitenventiler mit anfänglich 20, später 30 PS und erreichte im 4. Gang knapp 100 km/h.

Nicht nur an der Technik des Austin Ten wurde laufend gefeilt  – bis hin zu hydraulischen Stoßdämpfern und 12 Volt-Elektrik – auch die Karosserien wurden wiederholt modernisiert. Eine besonders großzügig wirkende Variante wurde 1937 vorgestellt und ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

© Austin 10 „Cambridge“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die viertürige Limousine mit sechs Seitenfenstern wurde unter der Bezeichnung „Cambridge“ verkauft und ließ das Auto erwachsener wirken. Vergleichbare Lösungen fanden sich hierzulande bei zeitgleichen Wagen von Adler und Ford erst eine Klasse darüber, lediglich der 1,2 Liter Opel war auch als 6-Fenster-Limousine erhältlich.

Zu erkennen ist der Austin Ten der späten 1930er Jahre an folgenden Elementen: Lackierte und geneigte Kühlermaske, gelochte Stahlfelgen, kurzer Vorderwagen mit markanter Haube, abgerundete Dachholme, schräger Heckabschluss und angesetzter Kofferraum.

Mehr wäre zu dem Modell nicht zu sagen, wenn der Wagen auf unserem Foto nicht in einer Hinsicht merkwürdig wäre. Dazu schauen wir uns die Heckpartie genauer an:

Gut zu sehen ist hier die Lederausstattung, die in England auch in der unteren Mittelklasse gängig war, aber darum geht es an dieser Stelle nicht. Uns interessiert das hintere Nummernschild, das nicht der britischen Konvention entspricht.

Hinten montierte Kennzeichen mit oben abgeschrägten Seitenteilen sind nach Kenntnis des Verfassers typisch für in Deutschland zugelassene Vorkriegswagen. So etwas gab es auch in Frankreich, den Niederlanden und Italien nicht.

Nun dürfte der Austin Ten aber kaum offiziell nach Deutschland verkauft worden sein. In Ländern mit eigener Fahrzeugproduktion wurden zumindest in der Mittelklasse fast ausnahmslos einheimische Marken gefahren. Anders sah das in der Oberklasse und bei Lizenzproduktion (z.B. Fiat von NSU, Steyr und Simca) aus.

Zwar fielen der deutschen Wehrmacht nach dem Sieg über die alliierten Truppen in Frankreich 1940 massenhaft britische PKW in die Hände, die vom Militär genutzt wurden. Doch der hier zu sehende Wagen trägt noch die glänzende Zivillackierung und Chromausstattung. Es fehlen auch die bei Beutewagen üblichen Markierungen auf den Kotflügeln, die die Truppengattung und Divisionszugehörigkeit erkennen ließen.

Auch scheint die Aufnahme nicht während des Kriegs entstanden zu sein, da die vorgeschriebenen Tarnüberzüge über den Scheinwerfern fehlen.

Interessant ist, dass der Wagen ein Linkslenker ist. Solche Ausführungen wurden nachweislich in die Niederlande geliefert. Doch bleibt die Frage, wie der Austin an sein deutsches Nummernschild geraten ist, sofern es sich um ein solches handelt.

Auch die freundliche junge Dame mit eleganten Kostüm und feinem Schuhwerk will uns nicht mehr verraten. Vom Typ her könnte es eine Französin sein. Das Foto bleibt rätselhaft. Vielleicht erkennt ein Leser das Gebäude im Hintergrund, das im Stil des Historismus (2. Hälfte 19. Jh.) gehalten ist.

Wenigstens lässt sich sagen, wie die weitere Modellgeschichte des Austin Ten verlaufen ist. Bei Kriegsausbruch 1939 wurden neben der – karosserieseitig modifizierten – Limousine in großer Zahl auch Nutzfahrzeugvarianten für die britische Armee gebaut.

Einen Überlebenden dieser Kriegsproduktion, der von der Royal Air Force auf dem Mittelmeerstützpunkt Malta genutzt wurde, zeigt das folgende Foto:

© Austin 10 Pickup der 1940er Jahre im Aviation Museum auf Malta; Bildrechte: Michael Schlenger

BMW Kübelwagen der 1930er Jahre im Militäreinsatz

Wer denkt beim 3er-BMW nicht an die knackigen Sportlimousinen der 1970er und 80er Jahre, die seinerzeit Agilität und Alltagstauglichkeit wie kein anderes deutsches Auto ihrer Klasse vereinten und bis heute begeistern?

Doch der Dreier hat eine viel längere Tradition, die bis in die Vorkriegszeit zurückreicht. Mit den Sechszylinder-Modellen 303, 315 und 319 reklamierte BMW schon damals eine Nische, in der der Marke kein Konkurrent das Wasser reichen konnte.

Noch weniger bekannt dürfte sein, dass es auch Kübelwagenversionen des 3er BMWs für das Militär gab. Diese ist auf zeitgenössischen Fotos eher selten zu finden, da die Kübelwagen von Horch, Mercedes, Stoewer und Wanderer prestigeträchtiger waren und weit öfter im Kriegseinsatz fotografiert wurden.

Mit etwas Geduld finden sich aber auch Originalaufnahmen des BMW „Kübel“, die von den Nehmerqualitäten der seriennahen Konstruktion zeugen. Hier ein Beispiel aus der Vorkriegszeit:

© BMW 3er Kübelwagen im Geländeeinsatz; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das leicht verwackelte, dennoch reizvolle Foto zeigt einen BMW Kübelwagen bei einer Bachdurchfahrt.

Um welches Modell genau es sich handelt, ist schwer zu sagen. Die ersten BMW 3er ähnelten sich von vorne stark – erst die Seitenansicht ermöglicht die Identifikation der Motorisierung, die vom 900ccm Vierzylinder bis zum 1,9 Liter Sechsyzlinder reichte.

Leider sind auf der Rückseite des Fotos keine Hinweise zur Aufnahmesituation vermerkt. Doch mit etwas Spürsinn lässt sich der Anlass identifizieren. Dazu werfen wir einen näheren Blick auf das Bild:

Auffallend ist, dass der im Auto stehende, behelmte Soldat die Bachdurchfahrt zu genießen scheint. Im Auto dahinter – wohl ebenfalls ein BMW Kübelwagen – ist ebenfalls ein aufgerichteter Soldat zu sehen. Die Situation und das Fehlen von Tarnüberzügen an den Scheinwerfern spricht gegen einen Schnappschuss im Kriegseinsatz und eher für eine routinemäßige Geländeprüfung in Friedenszeiten.

Im Hintergrund sind einige Zuschauer wahrzunehmen, eventuell Angehörige der Hitler-Jugend, die wenig später ungefragt für die außenpolitischen Vorhaben der Berliner Führung herhalten mussten.

Dazu bestand ab 1939 bekanntlich umfassend Gelegenheit und so gelangten die eher kompakten BMW-Kübelwagen an diversen Fronten zum Einsatz: © BMW 3er Kübelwagen (Vordergrund); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wo dieses Foto mit einem ganzen Rudel an BMW-Kübelwagen entstand, ist ungewiss. Es dürfte eine Situation kurz vor Kriegsausbruch zeigen, worauf der Wachsoldat links mit Stahlhelm und geschultertem Karabiner K98 hinweist.

Die Nummernschilder der vorderen Wagen verweisen auf eine Einheit, die im Wehrkreis Dresden ausgehoben wurde (Quelle). Von den übrigen Fahrzeugen der unbekannten Wehrmachts-Einheit lassen sich einige weitere identifizieren:

So dürfte der Wagen mit geschlossenem Verdeck ein Kübelwagen des Typs Wanderer W11 sein, der auf diesem Blog noch näher vorgestellt wird.

Bei den Krädern scheint es sich um Solomaschinen zu handeln, vermutlich vom Typ DKW NZ 350, der sich als leichtes und robustes Meldemotorrad bis Kriegsende bewährte.

Die Identifikation der leichten LKW im Hintergrund bleibt interessierten Lesern überlassen, da dieser Blog sich auf Personenkraftwagen beschränkt. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang das Netz-Fotoalbum von Holger Erdmann, das die Kraftfahrzeuge der Wehrmacht mit Ausnahme von Panzern umfassend und kenntnisreich vorstellt.

Ein Nachkriegs-Ford aus England mit BMW-Kühlergrill

Der BMW-Konzern – offiziell hartnäckig als BMW Group bezeichnet – feiert 2016 sein 100-jähriges Bestehen. Grund genug, auch in diesem Blog der deutschen Traditionsmarke mit dem Propelleremblem einige PKW-Porträts zu widmen.

Die ersten Gehversuche von BMW im Autobau bis hin zu den frühen 6-Zylindermodellen der 1930er Jahre haben wir hier bereits mit Originalfotos dokumentiert (Bildergalerie bzw. Berichte).

Bevor es mit den BMW-Vorkriegsmodellen weitergeht, unternehmen wir zur Abwechslung einen Ausflug in die 1950er Jahre. Dort findet sich ein interessantes Beispiel für das Weiterleben des BMW-Gesichts mit der langgezogenen Doppelniere der Vorkriegszeit.

Wer hier mit Blick auf das britische Nummernschild und das typisch englische Fachwerk im Hintergrund auf einen Frazer-Nash nach BMW-Vorkriegslizenz oder einen von BMW inspirierten Bristol der Nachkriegszeit tippt, liegt falsch.

© Ford Anglia bzw. Popular der 1950er Jahre; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dem Wagen handelt es sich – so unglaublich es klingt – um einen Ford der späten 1940er und frühen 1950er Jahre. Das äußerlich ansprechende Auto bot unter dem Blech spartanische Technik und war seinerzeit der billigste PKW aus britischer Produktion.

Der simple Wagen mit seinem seitengesteuerten 4-Zylinder mit 1 Liter Hubraum und mechanischen Bremsen war in fast jeder Hinsicht veraltet. Dass Ford dennoch Erfolg mit dem Auto hatte, lag am extrem niedrigen Preis und der desolaten Lage der britischen Bevölkerung.

Dazu muss man wissen, dass England nach dem mit US-Hilfe gewonnenen Krieg kein wirtschaftlicher Aufschwung gelang, wie das in Deutschland nach der Währungsreform und den marktwirtschaftlichen Reformen von Ludwig Erhardt der Fall war.

Die Briten laborierten  – wie die Franzosen auch – bis in die 1970er Jahre mit einer planwirtschaftlichen Politik nach sozialistischem „Vorbild“, die zu Fehlentwicklungen in der Wirtschaft und permanenten Mangel führte.

Vor diesem Hintergrund bot Ford of Britain nach dem Krieg zunächst keine Neukonstruktion wie Borgward mit dem Hansa oder Fiat mit dem 1400er. Selbst Peugeot gelang trotz kriegsbedingter Zerstörungen mit dem 203 ein brillianter Neuanfang.

Offenbar blieb Ford nur die Option, dem Vorkriegsmodell Ford „Anglia“ ein neues Gesicht zu geben, das sich wohl an den sportlichen BMW-Modellen der 1930er Jahre orientierte, die auch in England hochangesehen waren:

Der 1949 mit dem markanten BMW-Gesicht ausgestattete Ford Anglia lief zwar 1953 aus. Doch bestand noch bis Ende der 1950er Jahre in England Bedarf an einem so einfachen Wagen. Daher baute Ford den Wagen kurzerhand als Ford „Popular“ weiter.

Wie der Name schon sagt, war dieses Modell als britischer „Volkswagen“ gedacht, wobei Morris mit dem neukonstruierten Minor in jeder Hinsicht das bessere Auto anbot. So gesehen markierte der Ford Popular den Anfang des Abstieg des einstigen Pioniers der Massenmotorisierung.

Ob es sich bei dem Wagen auf unserem Foto nun um einen Ford „Anglia“ oder einen „Popular“ handelt, kann vielleicht ein Kenner der britischen Ford-Automobile sagen. Anhand von Kleidung und Frisur der jungen Mutter lässt sich das Bild jedenfalls auf die erste Hälfte der 1950er Jahre datieren.

1935: Horch 830R Kübelwagen bei der Reichswehr

Der auf einem zivilen 8-Zylindermodell der sächsischen Luxusmarke Horch basierende Kübelwagen 830 R wurde hier bereits in unterschiedlichen Varianten und Zuständen vorgestellt (Bildbericht).

Originalfotos vom Kriegseinsatz des Wagens sind recht leicht zu bekommen, schließlich wurden davon zwischen 1934-37 rund 4.500 Stück gebaut.

Da viele Landser mit privater Kamera bewaffnet in den Krieg zogen und die Horch-Kübelwagen wegen ihrer Robustheit geschätzt wurden, sind diese Autos oft im Einsatz fotografiert worden, wenn es die Situation erlaubte.

Selten zu finden sind dagegen Aufnahmen, die den Horch Kübelwagen noch zu Friedenszeiten zeigen. Das gilt besonders für die Zeit der deutschen Reichswehr bis 1935, in der die Aufrüstungspolitik des NS-Regimes erst allmählich Fahrt aufnahm.

Eine solche Rarität ist das folgende Originalfoto, das von alter Hand auf der Rückseite mit „Eisenach, März 1935“ beschriftet ist:

© Horch 830 R Kübelwagen der Reichswehr; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die unscharfe Aufnahme zeigt den Innenhof einer Kaserne, in der etliche Soldaten mit der Wartung von Fahrzeugen – vor allem Beiwagen-Krädern – beschäftigt sind. Ein sachkundiger Leser weiß sicher, um was für Maschinen es sich handelt.

Uns interessiert an dieser Stelle vor allem der Horch-Kübelwagen, der gut an der typischen Kühlermaske mit den vier Auto-Union-Ringen zu erkennen ist. Auch der Verlauf des Kotflügelausschnitts entspricht dem beim Horch 830 R:

Das Nummernschild mit dem Kürzel RW bestätigt die frühe Datierung, da die 1921 gegründete Reichswehr 1935 in Wehrmacht umbenannt wurde und Heeresfahrzeuge neue Nummernschilder mit dem Kürzel WH (Wehrmacht Heer) erhielten.

Von Horch Kübelwagen im Kriegseinsatz unterscheidet sich der hier zu sehende Wagen auch durch das moderate Reifenprofil. Auf späteren Bildern sieht man meist grobsstolligere Reifen, die zu dem starke Abnutzungsspuren aufwiesen.

Das friedensmäßige Aussehen dieses Fahrzeugs steht in krassem Gegensatz zu dem Erscheinungsbild nach Kriegausbruch, als diese Wagen mit allerlei improvisiertem Zubehör ausgestattet wurden, um Einsatzbedingungen gerecht zu werden, für die sie eigentlich kaum geeignet waren.

Trotz ihrer robusten Bauweise boten die Horch Kübelwagen keinen Schutz vor gegnerischem Beschuss durch Tiefflieger oder Artillerie und endeten dann oft genug wie das Exemplar auf dem folgenden Foto:

© Horch 830 R Kübelwagen der Wehrmacht; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme ist im Juni 1942 irgendwo in Russland entstanden und zeigt einen Wehrmachtssoldaten, der neben einem zusammengeschossenen Horch 830 R der eigenen Truppe posiert – ein etwas merkwürdiges Motiv.

Das Foto lässt trotz zerstörter Frontpartie die eindrucksvollen Dimensionen des Fahrzeugs noch deutlich erkennen. Offenbar war der Kübelwagen mit persönlicher Ausrüstung schwer beladen, die im hinteren Teil zu erkennen ist.

Man kann nur hoffen, dass die Besatzung das ungepanzerte Fahrzeug noch rechtzeitig durch einen Sprung in den nächsten Straßengraben verlassen konnte…

Der 3er mausert sich: BMW 319 Cabriolet von 1935

BMW gehört heute zu den Automarken mit dem höchsten Renommee. Das hat sich die Firma über Jahrzehnte erarbeitet und mit jeder Typengeneration auf’s Neue verdient.

Vielen Autofreunden sind allerdings nur die Modelle nach dem mühsamen Neuanfang der Marke nach dem 2. Weltkrieg geläufig. Doch die Geschichte der PKW-Produktion von BMW reicht zurück bis in die späten 1920er Jahre.

Dabei begann BMWs Autohistorie einst sehr bescheiden. Der erste PKW der Marke war ein Lizenznachbau eines englischen Massenfabrikats, des Austin 7. Dieser als BMW Dixi bekanntgewordene Kleinwagen wurde auf diesem Blog bereits besprochen:

© BMW 3/15 PS nach Austin-Lizenz, Baujahr 1929-32; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Es ist bemerkenswert, dass deutsche Hersteller in den 1920er Jahren keinen kommerziell überzeugenden eigenen Entwurf in dieser Klasse vorlegen konnten – auch Opels Erfolgsmodell 4PS „Laubfrosch“ war die Kopie eines französischen Vorbilds.

Doch BMW machte nach der Einführung des Dixi enorme Fortschritte und zeigte mit jedem neuen Typ, dass man „nach oben“ wollte. Ab 1933/34 bot man die 6-Zylindermodelle 303 und 315 an, die etwas von BMWs kommender Klasse ahnen ließen:

© BMW 303, Baujahr 1933-34; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Aus dem BMW 303 bzw. 315 leitete man 1935 das Modell 319 ab, das ebenfalls über einen 6-Zylindermotor verfügte, nun aber mit 1,9 Liter Hubraum.

Der Wagen entsprach äußerlich weitgehend seinen Vorgängern, übernahm aber das für den Sporttyp 319/1 entwickelte leistungsfähigere Aggregat, das bereits über drei Vergaser und halbkugelige Brennräume verfügte wie später der legendäre BMW 328.

Eines von nur rund 100 gebauten Exemplaren dieses BMW 319/1 Roadsters war 2014 bei den Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein zu bewundern:

© BMW 319/1 Roadster, Baujahr:  1935/36; Bildrechte: Michael Schlenger

Während diese Sportversion über 55 PS verfügte, die ein Spitzentempo von 130 km/h ermöglichte, war die „zivile“ Zweivergaservariante des BMW 319 auf 45 PS gedrosselt. Damit waren immer noch 115 km/h Höchstgeschwindigkeit drin. Man muss dies im Vergleich zu den meisten anderen Autos jener Zeit sehen, die nur 80-100 km/h erreichten.

Auf den oft noch unbefestigten Landstraßen der 1930er Jahre fühlten sich 100 km/h schon ungeheuer schnell an. Und seien wir ehrlich: Abseits unserer Autobahnen wird heute von so vielen Zeitgenossen mit 70 Stundenkilometern herumgeschlichen, dass man auch heute mit 40-50 PS mühelos mithalten kann.

Der BMW 319 in der Serienausführung, um den es hier geht, wurde von 1935-37 in rund 6.500 Exemplaren gebaut. Das war auch für damalige Verhältnisse wenig, weshalb man nicht oft auf ein originales Foto dieses Wagens stößt:

© BMW 319 Cabriolet, Baujahr: 1935-37; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar scheint auf den ersten Blick auf dieser Aufnahme nichts Typspezifisches zu sehen zu sein. Doch wie so oft bei alten Autofotos, die aus ungewöhnlichen Perspektiven aufgenommen wurden, macht es sich bezahlt, genauer hinzuschauen und schon einige zeitgenössische Wagentypen studiert zu haben.

So liefert uns die Frontpartie den entscheidenden Hinweis zur Identifikation:

Hier kann man auf dem Seitenteil der Motorhaube drei Chromleisten auf den waagerecht verlaufenden Luftschlitzen  erkennen. Dieses Detail gab es nur beim BMW 319 – man fragt sich unwillkürlich, ob damit bereits der 3er BMW visualisiert werden sollte.

Dass die Autokäufer der 1930er Jahre bereits vom 3er BMW sprachen, ist aber eher  unwahrscheinlich. Es gab ja in der Vorkriegszeit ausschließlich Wagen der Marke, deren Typbezeichnung mit einer „3“ begann.

Trotz der Unschärfe der Frontpartie gut zu erkennen sind die großen tropfenförmigen Scheinwerfer, die komplett verchromt waren – keineswegs selbstverständlich in dieser Wagenklasse.

Werfen wir nun einen Blick auf die Heckpartie des Wagens:

Hier sieht man recht gut die Gestaltung der Radkappen, die größer waren als beim BMW 315 – neben den erwähnten Chromleisten der einzige äußerliche Unterschied der beiden Motorvarianten.

Die Zweifarblackierung und die farblich abgesetzte Zieleiste wirken elegant – leider wird dieser Eindruck durch das unglücklich gezeichnete Heck zunichtegemacht. Statt des senkrechten Abschlusses mit angesetztem Koffers wäre ein schräg abfallendes Heck mit integriertem Kofferraum angemessen gewesen.

Vermutlich handelt es sich um eine im Eisenacher BMW-Werk montierte Karosserie von Ambi-Budd. Daneben gab es deutlich gelungenere Aufbauten von anderen Anbietern.

Zuletzt noch ein Blick auf die großgewachsene junge Dame, die so dekorativ vor dem BMW steht und versonnen in die Ferne zu schauen scheint:

Das figurbetonte, fast schmucklose Kleid und der Pelzüberwurf sind typisch für die Mitte der 1930er Jahre. Auch  der keck sitzende Hut mit schmaler Krempe passt in die Zeit. Demnach war der von 1935-37 gebaute BMW zum Aufnahmezeitpunkt noch recht neu.

Der BMW 319 belegte damals eine Nische, in der die einheimische Konkurrenz praktisch nicht vertreten war. Zum vergleichbaren Preis bekam man bei Adler, Ford, Hanomag oder Opel keinen Wagen mit ähnlicher Leistung. Die 6-Zylinder-Modelle von Mercedes und Wanderer derselben Hubraumklasse waren weit teurer und viel behäbiger.

Man sieht erst im Vergleich der Leistungswerte mit anderen Wagen jener Zeit, dass BMW sich bereits damals mit sportlichen Fahrzeugen von der Konkurrenz absetzte.

 

1914: Frontbesuch im „Rolland-Pilain“-Tourer

Als Liebhaber von Vorkriegsautos, der nicht auf eine Marke festgelegt ist, kommt man an französischen Wagen nicht vorbei.

Deutsche Erfinder hatten zwar die Grundlagen für das benzingetriebene Automobil geschaffen. Doch der rasante Fortschritt bis zum 1. Weltkrieg war maßgeblich französischen Herstellern zu verdanken. 

Die meisten davon sind heute nur noch Spezialisten geläufig, dabei gab es bis zum 2. Weltkrieg über 1.000 Automarken in Frankreich. Ein schönes Beispiel für den Grad der Vervollkommung, den die Franzosen bereits kurz nach Anfang des 20. Jahrhunderts erreichten, ist auf folgenden Bildern zu sehen:

© Rolland-Pilain, Baujahr 1909; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist keine pferdelose Kutsche mehr, sondern ein Auto, wie es auch Anfang der 1920er Jahre noch Stand der Technik war, wenn man von den Scheinwerfern absieht. Nur: dieser über 100 km/h schnelle 2 Liter-Wagen wurde bereits 1909 gebaut!

Wem der Hersteller dieses Automobils – Rolland-Pilain– nichts sagt, ist nicht allein. Der Verfasser wusste auch nichts von der Marke, bis er 2014 auf der Messe Interclassics & Topmobiel in Maastricht auf dieses Prachtexemplar stieß.

Es soll hier nicht die gesamte Geschichte dieser Firma ausgebreitet werden, nur so viel: Rolland-Pilain wurde 1905 in Tours im Loire-Gebiet gegründet. Namengebend waren der Finanzier (Francois Rolland) und der technische Kopf (Emile Pilain) des Unternehmens.

Die Firma litt stets unter chronischer Kapitalknappheit, stürzte sich aber von Anfang an in ehrgeizige Vorhaben, die auch (meist erfolglose) Rennaktivitäten umfassten. Im Jahr 1910 etwa bot man neun Modelle an. Dazu gehörten neben einem ventillosen 6-Zylinder nach Knight-Patent etliche 4-Zylinder-Motoren von 1,4 bis 14 Liter Hubraum.

Mit 8-Zylinder-Rennwagen trat Rolland-Pilain in den 1920er Jahren bei diversen Grand Prix und Le-Mans-Rennen an. Diese Aktivitäten überforderten jedoch die Firma, die in der Zwischenkriegszeit lediglich mit 4-Zylinder-Wagen kommerziellen Erfolg hatte.

1927 endete die Autoprouktion nach nur 5.000 Exemplaren und 1932 erlosch auch die Firma Rolland-Pilain. Was bleibt sind die wenigen überlebenden Zeugen aus der Frühzeit der Marke und historische Fotos, die nicht minder faszinierend sind:

© Rolland-Pilain, Frankreich im Spätsommer 1914; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Originalfoto ist ein ganz außergewöhnlicher Fund und man weiß gar nicht, was darauf eindrucksvoller ist – das Auto oder die Situation, in der es aufgenommen wurde.

Beginnen wir mit dem Wagen und arbeiten uns dann weiter vor: Das Auto liegt außerhalb des Schärfebereichs der Aufnahme, doch es handelt sich mit einiger Wahrschenlichkeit um einen Rolland-Pilain, der kurz vor dem 1. Weltkrieg gebaut wurde.

Werfen wir einen näheren Blick auf das Fahrzeug, nachdem der störende Knick – vielleicht auch in Riss im Glasnegativ? -weitgehend wegretuschiert wurde.

Auf der in Fahrtrichtung linken Seite des Küherlgrills ist ein schräg nach oben laufender Schriftzug zu erkennen. Man erahnt ein großes „R“ oder „P“ als Anfangsbuchstabe, weiter hinten deutet sich ein (vermutlich) doppeltes „l“ an.

Zusammen mit der markanten Form des gemäßigten Spitzkühlers spricht dies stark für einen Rolland-Pilain. Auch die Form von Scheinwerfern und Karosserie passen zu zeitgenössischen Modellen der Marke, wenngleich diese Details nicht einzigartig sind.

Spannend ist nun die Situation, in der dieser französische Wagen abgelichtet wurde. Links davon sieht man nämlich einen Trupp deutscher Soldaten, wie an den Pickelhauben erkennbar ist.

Die mit Karabiner K98 bewaffneten Männer mit Marschgepäck blicken beobachtend der Sonne entgegen. Man sieht hier gut, welche fatale Wirkung die polierten Spitzen der Pickelhauben im offenen Gelände hatten – sie waren weithin zu erkennen.

Kein Wunder, dass bald Stoffüberzüge für den Helm und ab 1915 der unverkennbar deutsche Stahlhelm angeschafft wurde. Die Pickelhauben erlauben somit eine Datierung in die Frühphase des 1. Weltkriegs. Dies wird durch den handschriftlichen Vermerk auf der Rückseite bestätigt: „1914, bei Saint-Priel“.

Einen Ort dieses Namens sucht man zunächst vergeblich, doch nach einigen Recherchen lässt er sich lokalisieren. Es ist eine alte Flurbezeichnung in der Nähe von Moyenmoutier in den nördlichen Vogesen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen zu Kriegsbeginn im August 1914 fanden auch in dieser Gegend Kämpfe statt. In Gefallenenmeldungen auf französischer Seite aus jener Zeit wird Saint-Priel jedenfalls erwähnt.

Danach blieb es dort vergleichsweise ruhig. Im Spätsommer 1914 fand ein Truppenbesuch in der Region seitens des deutschen Kronprinzen – des Sohns Kaiser Wilhelms II. – statt. Bei dieser Gelegenheit könnte unsere Aufnahme entstanden sein, vermutlich zeigt sie eine Übung hinter der Front.

Der Rolland-Pilain war zu diesem Zeitpunkt ein deutsches Beutefahrzeug und er scheint eine entsprechende Markierung unterhalb der Windschutzscheibe zu tragen. Die Soldaten auf unserem Foto wirken übrigens nicht wie Rekruten, offenbar hat man hier ältere Wehrpflichtige eingesetzt, die abseits der Front in Nachschubeinheiten Dienst taten.

Dessenungeachtet erinnert das Bild an eine Zeit, in der die deutsche Führung – wie übrigens die französische auch – kein Problem damit hatte, Einheit auf Einheit in die Materialschlachten im Westen zu schicken, so wie man Holzscheite ins Feuer schiebt.

Nach all den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sind die Völker Europas auch heute gut beraten, hochfliegenden politischen Plänen und Utopien abgehobener Eliten auf Kosten der Mehrheit eine Absage zu erteilen. Insofern vermittelt dieses über 100 Jahre alte Foto eines Automobils eine zeitlose Botschaft…

Adler „Favorit“ – der gar nicht kleine Bruder des „Standard 6“

Mit dem Modell „Standard 6“ schaffte die einstige Frankfurter Qualitätsmarke Adler Ende der 1920er Jahre den Anschluss an die damals führende Autoindustrie in den USA (Bildbericht).

Man mag das angesichts der seit den 1970er Jahren indiskutablen US-Produkte kaum glauben; doch in der Zwischenkriegszeit waren die Amerikaner im PKW-Bereich in jeder Hinsicht tonangebend: technisch, gestalterisch und wirtschaftlich.

Bei Adler war man realistisch genug, um seinerzeit einen US-Wagen zu kopieren. Nach anfänglichen Kinderkrankheiten wurde das neue 6-Zylindermodell ein Erfolg – zumindest gemessen an den hierzulande üblichen Stückzahlen.

Eine interessante Variante bot Adler seinerzeit mit dem äußerlich fast identischen „Favorit“ an. Er verfügte nur über einen 4-Zylindermotor mit 35 PS, während der Standard 6 erst 45 und später 50 PS leistete.

Folgendes Originalfoto zeigt einen solchen Adler „Favorit“ in Tourenwagen-Ausführung:

© Adler „Favorit“, Baujahr 1928-30; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der eindrucksvolle Wagen ist nur an einem Detail als „Favorit“ zu erkennen, dazu später mehr. Man fragt sich: Warum grenzte Adler den weit teureren Standard 6 nicht äußerlich deutlich vom 4-Zylinder-Modell ab? Die Frage stellt sich umso mehr, wenn man die Leistungsdaten beider Ausführungen vergleicht.

Der Standard 6 leistete mit seinem 2,5 Liter 6-Zylinder gerade einmal 5 PS mehr als der Favorit mit seinen 1,9 Litern Hubraum. In der Endgeschwindigkeit (90 ggü. 85 km/h) machte sich das kaum bemerkbar. Dafür schluckte der 6-Zylinder zwei bis drei Liter mehr Kraftstoff auf 100km.

Beide Versionen waren nur mit 3 Gängen und 6 Volt-Elektrik ausgestattet, damals in dieser Klasse nicht mehr standesgemäß. Der Verfasser würde heute nach der Lage der Dinge dem billigeren und ansonsten praktisch ebenbürtigen Favorit den Vorzug geben.

Das dachten sich wohl auch die beiden Herren auf dem Foto. Schauen wir genauer hin:

Hier sieht man die Räder mit nur fünf Radbolzen (statt sieben beim Standard 6). Gut erkennbar ist zudem die schwarz-weiße Lackierung der Stoßstangenhalterung, die offenbar original ist.

Interessant für Restaurateure ist vielleicht auch die verchromte Abdeckung der Verbindungsstange zwischen den Frontscheinwerfern. Oder war das ein Zubehörteil? Was das pfeilförmige Emblem auf dem Kühlergrill zu bedeuten hat, ist unklar. Es taucht auf unserem Foto an anderer Stelle abermals auf.

Ungewöhnlich ist, dass an diesem Tourenwagen die Steckscheiben noch montiert sind, während das Verdeck bereits geöffnet ist. Bei Aufnahmen offener Tourenwagen sieht man fast nie die Steckscheiben und bei geschlossenem Verdeck sind sie selten gut zu erkennen.

Weitere Details sind die Winker an der A-Säule, die herausgeklappte obere Frontscheibenhälfte und die vorne angeschlagenen Türen. Auch dieses Bild belegt: das Klischee der Selbstmördertüren in der Vorkriegszeit ist … ein Klischee.

Nun noch ein Blick auf den auf der Vorderstoßstange posierenden Herrn mit dem militärisch wirkenden Erscheinungsbild:

Schirmmütze, zweireihige Jacke und stiefelartige Ledergamaschen über den Schuhen finden sich zwar auch auf Bildern von Chauffeuren der 1920er Jahre. Die Kombination mit einer Armbinde – vermutlich des ADAC – gibt dem Herrn aber eine beinahe offizielle Note.

Da auf dem Nummernschild der Hohheitsadler mit dem Hakenkreuz fehlt, dürfte die Aufnahme noch vor Beginn des „Dritten Reichs“ um 1930 entstanden sein. Wir enthalten uns hier eines Urteils und werfen einen Blick in die benachbarte Garage:

Viel zu erkennen ist dort nicht, aber soviel ist klar: Hier steht ein weiterer Adler, aber wohl einer des Vorgänger-Modells von Standard 6 und Favorit – ein 6/25 PS Modell, das auf diesem Blog bereits vorgestellt wurde (Bildbericht). Das Auto trägt dasselbe pfeilförmige Emblem wie der Favorit – was könnte das bedeuten?

Beide Wagen tragen Nummernschilder, die auf eine Zulassung im Rheinland verweisen (Kennung: I Z). Leider wissen wir nicht mehr über Ort und Anlass der Aufnahme. Auch in welchem Verhältnis die beiden Männer auf dem Foto zueinander standen, ist ungewiss.

„Brennabor“-Tourenwagen Typ P der 1920er Jahre

Die Verfügbarkeit historischer Fotografien klassischer Automobile ist nicht nur eine Funktion der einstigen Verbreitung der Fahrzeuge. Entscheidend ist auch, ob eine Marke im kollektiven Bewusstsein noch präsent ist.

So genießen unter den deutschen Autoherstellern nicht mehr existierende Marken wie Adler, DKW und Horch noch einen gewissen Bekanntheitsgrad. Das liegt entweder daran, dass sie nach dem Krieg noch eine Weile weiterbestanden, wenn auch nicht immer als Autoproduzent (wie Adler). Oder es hat damit zu tun, dass die Produkte so herausragend waren, dass sie immer noch begehrt sind (Bsp. Horch).

Schlecht sieht es dagegen bei Herstellern eher unspektakulärer Fahrzeuge aus, die um 1930 untergingen. Meist wird für das Massensterben europäischer Automarken in jener Zeit die Weltwirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Doch fast immer waren eine verfehlte Modellpolitik und unwirtschaftliche Produktion die Ursache.

Ein Beispiel dafür ist die Marke Brennabor aus Brandenburg, die von 1908 bis 1933 mit wechselndem Erfolg Automobile baute. Nach dem 1. Weltkrieg war Brennabor kurze Zeit der Hersteller mit der höchsten Autoproduktion in Deutschland.

Folgendes Originalfoto zeigt einen Brennabor-Tourenwagen der späten 1920er Jahre, wahrscheinlich einen Typ P 8/32  PS:

© Brennabor Typ P Tourenwagen, ca. 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf ein solches Bild zu stoßen, ist reine Glückssache. Denn die Marke Brennabor kennt kaum mehr jemand, und der Tourenwagen könnte bei oberflächlicher Betrachtung alles Mögliche sein.

Im vorliegenden Fall wusste der Anbieter aber, was er da hat. Denn das Foto war von alter Hand rückseitig mit „Brennabor“ beschriftet. Wir haben keinen Grund, an der Richtigkeit zu zweifeln. Das in den 1920er Jahren rund 10.000mal gebaute 4-Zylindermodell der Marke mit 2,1 Liter Hubraum und 24 bzw. 32 PS sah genau so aus.

Zum Nachvollziehen und für Vergleichszwecke zwei Detailaufnahmen:

Trotz Beschädigungen des Fotos, die einige Retuschen erforderten, lassen sich die schlichten Formen der Frontpartie gut erkennen. Interessanterweise sind keine Luftschlitze in der Motorhaube zu sehen.

Detailgenau abgebildet ist die geteilte, im Oberteil ausklappbare Windschutzscheibe. Ob sie auch komplett nach vorne umlegbar war, muss offen bleiben. Beeindruckend wirkt die Größe des Lenkrads. Schalt- und Handbremshebel liegen bei diesem Modell noch außen, was für eine Entstehung Anfang der 1920er Jahre spricht. Gebaut wurde der Typ als solcher bis 1927.

Am Heck lässt sich die Gestaltung der hinteren Rahmenausleger, des Tanks und der Holzspeichenräder samt Nabenkappe schön studieren. Modelltypisch ist der markant gestaltete Werkzeugkasten am Trittbrettende. Ihn findet man in identischer Form auf der Abbildung einer Brennabor-Limousine des Typs P in Werner Oswalds Buch „Deutsche Autos 1920-45“.

Anhand dieser Details sollten sich die sonst wenig spezifische Tourenwagen von Brennabor auch auf anderen Fotografien identifizieren lassen. Nun noch ein Blick auf die Gesellschaft auf unserer Aufnahme:

Besonders malerisch ist diese Dreiergruppe auf der Decke. Die beiden Damen lächeln versonnen, offenbar war es für sie ein glücklicher Tag. Der Herr mit den Schnürstiefeln wirkt durch den militärischen Haarschnitt etwas streng, macht aber ebenfalls einen entspannten Eindruck.

Übrigens: Zusammen mit dem Fotografen haben wir es mit insgesamt sechs Personen zu tun und darauf war der fast viereinhalb Meter lange Brennabor-Tourenwagen auch ausgelegt.

Der Zeitpunkt der Aufnahme dürfte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre anzusiedeln sein. Der Kiefernwald und der sandig erscheinende Boden sprechen für einen Aufnahmeort in Brandenburger Raum. Doch auch eine Entstehung an der Ostseeküste ist denkbar. Näheres wissen wir leider nicht.