1951: Ein 3er BMW der Vorkriegszeit in Bayern

Beim Stichwort 3er-BMW denken die meisten Auto-Enthusiasten an die sportlichen Münchener Mittelklassewagen, die seit den 1970er Jahren gebaut werden. Bei  Klassikerfreunden gelten auch gut motorisierte BMW 02 bereits als Vorläufer des “Dreier”.

Auf diesem Blog wurden jedoch schon einige 3er-BMW der Vorkriegszeit vorgestellt, die das Konzept des sportlichen Familienwagens vorwegnahmen (Bildberichte BMW 303 und 319).

Sie boten Sechszylinder-Laufkultur, gutes Leistungsgewicht und erstmals die nierenförmige Kühlermaske, die bis heute – wenn auch in geschrumpfter Form – das einzigartige “Gesicht” eines BMW ausmacht.

BMWs dieses Typs wurden im 2.Weltkriegs sogar in einer speziellen Kübelwagen-Version für die Wehrmacht gebaut. Der kompakte und leichte Dreier war zwar nicht für den Geländeeinsatz gedacht, scheint sich aber im Vergleich zu den schweren Kübelwagen von Adler, Hanomag, Horch, Mercedes und Wanderer bewährt zu haben.

Nach 1945 wurden die überlebenden BMW 3er noch eine ganze Weile geschätzt, wie das folgende Originalfoto zeigt:

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© BMW 315 oder 319; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Das Bild ist laut umseitiger Beschriftung 1951 entstanden. Der BMW dürfte ein 315 oder 319 sein und zwischen 1934 und 1937 gebaut worden sein.

Genauer lässt sich das nicht sagen, da die junge Dame auf unserem Foto so posiert, dass die Luftschlitze in der Motohaube verdeckt sind, deren Form eine nähere Ansprache ermöglichen würde. Ansonsten unterschieden sich die ersten 3er BMWs äußerlich kaum.

Das Nummernschild ist ein Besatzungskennzeichen, das in der amerikanischen Zone Bayern ausgegeben wurde – daher das Kürzel “AB”. Die Ziffernfolge 35 verweist auf eine Zulassung in Garmisch-Partenkirchen. Unter dem Bindestrich ahnt man eine zweistellige Zahl. Das muss eine 48 sein, da Besatzungskennzeichen nur im Jahr 1948 eine solche Datierung erhielten.

Der BMW war zum Aufnahmezeitpunkt mindestens 14 Jahre alt. Vermutlich ist er im Krieg nicht eingezogen worden, da der Besitzer einen zwingenden Bedarf nachweisen konnte – vielleicht gehörte der Wagen einem Landarzt.

Gegen ein ehemaliges Wehrmachtsfahrzeug spricht auch der hervorragende Zustand der Chromteile, die im Feldeinsatz überlackiert worden wären. Blech und Lack machen ebenfalls einen ausgezeichneten Eindruck; auch Fremdteile wurden nicht verbaut.

Es muss ein warmer, sonniger Tag gewesen sein, als dieses Bild im Jahr 1951 entstand. Unser “Fotomodell” hätte auch vor dem Krieg gute Figur gemacht. Kleidung und Frisuren entsprachen Anfang der 1950er Jahre europaweit den Vorkriegsverhältnissen.

Der Fotograf muss mächtig stolz auf beides gewesen sein: Gefährtin und Gefährt in schweren Zeiten. Ein nachdenklich machende Aufnahme, die nicht verrät, was die beiden in den Jahren zuvor erlebt haben.

Mercedes-Benz 170V als Fotomotiv im 2. Weltkrieg

Selbst Klassikerfreunde, deren Leidenschaft den Wagen der 1950er bis 70er Jahre gilt, kennen den Mercedes-Vorkriegswagen 170V. Der Grund: Das Volumenmodell der späten 1930er Jahre wurde nach dem 2. Weltkrieg bis 1953 weitergebaut und ist auf fast jeder größeren Oldtimerveranstaltung hierzulande präsent.

Auf diesem Blog wurde der 170V bereits eingehend besprochen (Bildbericht), daher ersparen wir uns an dieser Stelle die technischen Details des grundsoliden, aber nach 1945 formal wie technisch rückständigen Wagens. Heute soll es um Momentaufnahmen aus dem Leben von Wagen des Typs 170V im 2. Weltkrieg gehen.

Wie praktisch alle Serien-PKW wurden nach Kriegsausbruch auch Mercedes-Modelle beschlagnahmt und dem Fuhrpark der Wehrmacht zugeführt. Ausgenommen blieben Fahrzeuge, die zur Aufrechterhaltung elementarer Aufgaben unverzichtbar waren, beispielsweise Autos von Landärzten.

Dieselbe Praxis findet sich übrigens bei allen europäischen Kriegsparteien. Keine Armee war für den ab 1939 stattfindenden Bewegungskrieg mit einer ausreichenden Zahl an PKW für Stabs- und Kurierzwecke ausgestattet.

So sind Kriegsfotos des zivilen Mercedes-Benz 170 V alles andere als selten:

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© Mercedes Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Das Foto zeigt Wehrpflichtige in einem Waldstück vermutlich bei der Wartung ihrer Fahrzeuge. Jedenfalls ist die rechte Motorhaube des Mercedes geöffnet und der im Arbeitsanzug gekleidete Soldat links scheint gerade einen Reservekanister auf dem Baumstumpf neben ihm abgestellt zu haben.

Typisch für den Mercedes 170 V sind die der Neigung der Kühlermaske folgenden Luftschlitze in der Haube, die seitlichen Schürzen der Frontschutzbleche und die großen Radkappen mit dem Mercedes-Stern.

Dieselben Elemente finden wir auf folgendem Originalfoto, das auf der Rückseite auf 1940 datiert ist:

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© Mercedes Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Szene zeigt vermutlich eine Braut – darauf deutet der Blumenstrauß in ihrer Hand hin – womöglich mit ihren Geschwistern. Der Bräutigam könnte das Foto gemacht haben.

Die beiden jungen Männer mit den hochgekrempelten Ärmeln scheinen mächtig stolz zu sein auf die sommerlich gekleidete Dame, die ihnen zu ähneln scheint –  daher die Vermutung, dass die drei Geschwister sind.

Bemerkenswert ist der auf dem Vorderschutzblech des Wagens Sitzende:

Mercedes_170V_datiert_1940_Vorderwagen

Er trägt zum offenen Hemd Schaftstiefel und Reithose, das könnte ihn als Offizier oder Offiziersanwärter auf Heimaturlaub ausweisen. Vielleicht hat er den Mercedes zum Besuch zuhause “organisiert”.

Der Wagen ist auf jeden Fall matt gespritzt, auch die sonst verchromten Radkappen mit dem Mercedes-Stern und die Scheinwerfer sind überlackiert. Es muss sich also um ein Wehrmachts-Fahrzeug handeln.

Man wüsste gern, wie genau der junge mutmaßliche Soldat den Wagen zum Besuch daheim beschafft hat. Von Zeitzeugen wissen wir, dass unter den Bedingungen des Kriegs mit etwas Phantasie und Beziehungen fast alles möglich war.

Es bleibt eine berührende Momentaufnahme, die davon erzählt, dass die von verbrecherischen Eliten in den Krieg hineingezogene deutsche Bevölkerung sich bemühte, einen Restbestand an Normalität und Würde zu bewahren.

Ein Fiat 508 “Balilla” Spider nach dem Krieg

Zu den interessantesten Kapiteln der Autohistorie gehört das Weiterleben von Vorkriegsfahrzeugen nach dem 2. Weltkrieg. Bevor in Deutschland eine nennenswerte Neuproduktion in Gang kam – also vor 1950 – dominierten im dezimierten Restbestand an PKW naturgemäß Wagen der Volumenhersteller Adler, DKW, Ford und Opel.

Oft waren solche Autos aus Teilen unterschiedlicher Baureihen zusammengestückelt, mitunter wurde eine neue Karosserie auf ein altes Fahrgestell gesetzt (Beispiel Buckeltaunus). In Ermangelung von Originalteilen wurden schon einmal Stoßstangen oder Scheinwerfer anderer Fahrzeuge verbaut (Beispiel Hanomag Garant).

Neben solchen Bastellösungen finden sich aber auch Beispiele für Vorkriegswagen, an denen die Jahre fast spurlos vorbeigegangen waren. Kürzlich wurde ein solches Exemplar auf diesem Blog vorgestellt, ein Fiat 508 Nuova Balilla, der auch in Deutschland als NSU/Fiat 1000 gebaut wurde.

Heute geht es um den Vorgängertyp Fiat 508 Balilla, von dem ein bestens erhaltenes Fahrzeug nach dem Krieg in Ostdeutschland weitergefahren wurde. Das folgende – technisch wie gestalterisch hervorragende – Originalfoto zeugt davon:

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© Fiat 508 Balilla Spider; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Bevor wir uns den Wagen auf dem Bild näher ansehen, einige Daten zum Fiat 508. Der Wagen der unteren Mittelklasse war 1932 vorgestellt worden und erlangte rasch große Popularität. Sein 1 Liter Motor leistete standfeste 20 PS und erlaubte bei einem Wagengewicht von unter 700 kg eine Höchstgeschwindigkeit von 85km/h.

Auf den meist geschotterten Landstraßen Italiens genügte das vollkommen. Wichtiger waren die solide Verarbeitung und die Anspruchslosigkeit der Technik, verbunden mit der Anmutung eines hochwertigen Wagens.

Über 40.000 Stück dieses Typs konnte Fiat in den nur zwei Jahren der Produktion absetzen. Die Qualitäten des Wagens sprachen sich auch im Ausland herum. Ohnehin genoss Fiat dank der Erfolgsmodelle der 1920er Jahre Fiat 501 und Fiat 503 in vielen Ländern einen ausgezeichneten Ruf.

Woran erkennt man nun solch einen Fiat 508 der ersten Serie? Schauen wir uns dazu den Wagen auf unserem Foto genauer an:

Fiat_508_Balilla_Spider_Nachkrieg_Frontpartie

Die Frontpartie mit dem “amerikanisch” wirkenden Kühlergrill gibt wenig Anhaltspunkte, wäre da nicht der geschwungene Schriftzug “Balilla”. Der Verkäufer des Fotos hatte hier “Bella” gelesen, wusste also nicht, um welches Fahrzeug sich handelte.

Die senkrechten Chromstreben im Kühlergrill weisen übrigens auf eine gehobene Ausstattungsvariante des Fiat 508 hin. Die Basisversion musste ohne dieses Gitter auskommen, auch Chromscheinwerfer und Stoßstange waren aufpreispflichtig.

Das Nummernschild verrät übrigens, dass der Fiat in der Sowjetischen Besatzungszone im Raum Leipzig-Sachsen zugelassen war. Die kleine Zahl “48” weist auf das Ausstellungsjahr des Kennzeichens hin. Bis 1953 waren solche Nummernschilder gebräuchlich. Die Aufnahme dürfte also um 1950 entstanden sein.

Die Seitenpartie des Fiat erlaubt schließlich die Identifikation des genauen Modells:

Fiat_508_Balilla_Spider_Nachkrieg_Seitenpartie

Ganz offensichtlich haben wir es mit dem offenen Zweisitzer zu tun, der als Fiat 508 Spider vermarktet wurde. Er verfügte über hochwertige Austattungsdetails wie Speichenräder und Ledersitze. Der üppig verchromte Scheibenrahmen war ebenso Merkmal der Luxusvariante wie das erwähnte Kühlergitter und die Stoßstange.

Hier hat jemand ein veritables “Schätzchen” durch den Krieg gerettet und auch danach sorgsam behütet. Der zum Aufnahmezeitpunkt schon mindestens 14 Jahre alte Wagen wirkt von der etwas schief sitzenden Stoßstange abgesehen tadellos. Gern wüsste man, was aus diesem Wagen geworden ist, auf den einst jemand sehr stolz gewesen sein muss.

Verwiesen sei bei dieser Gelegenheit auf eine hervorragenden Website, auf der sich die Modellgeschichte des Fiat 508 in allen Verästelungen nachvollziehen lässt.

Ein Borgward der 1930er Jahre: der Hansa 1100

Mit dem Namen Borgward verbindet man vor allem die modernen Ponton-Wagen der 1950er Jahre des Bremer Herstellers. Auf diesem Blog wurde bereits Borgwards moderne Nachkriegskonstruktion Hansa besprochen, die 1949 vorgestellt wurde, als man bei der inländischen Konkurrenz noch im Tiefschlaf zu liegen schien.

In der Vorkriegszeit allerdings gehörte Borgward noch nicht zu den erfolgreichsten Produzenten. Erst 1931 hatte man die Hansa-Automobilwerke übernommen, deren Geschichte in einem separaten Artikel zu finden ist.

Im Konzern von C.F. Borgward ließ man die Marke Hansa weiterleben und entwickelte neue PKW-Modelle, die den traditionsreichen Namen trugen. Ein Achtungserfolg wurde der von 1934-39 gebaute Hansa 1100 bzw. 1700. 

Der als Vier- und Sechszylinder erhältliche Typ zeichnete sich vor allem durch eine ausgesprochen elegante Form aus, die den Wagen von den meisten deutschen Konkurrenten in seiner Klasse absetzte.

Die folgende zeitgenössische Originalreklame lässt den Wagen zwar länger und niedriger erscheinen, als er tatsächlich war, gibt die Linienführung aber recht gut wieder:

Hansa-Reklame_Mitte_1930er_Jahre

© Originalreklame für den Hansa 1100 bzw. 1700 aus Sammlung Michael Schlenger

Interessant ist, dass die Werbeleute in dieser Anzeige kein Wort zur Leistung der Motoren verloren. Offenbar war man sich bewusst, dass die über eine Tonne schweren Wagen mit dem 28 bzw. 40 PS starken Antrieb untermotorisiert waren.

Die Aggregate wiesen zwar zeitgemäße Konstruktionsmerkmale wie hängende Ventile auf, die gegenüber Seitenventilen einen besseren Gaswechsel ermöglichten. Doch bei 1,1 bzw. 1,7 Liter Hubraum wäre mehr standfeste Leistung möglich gewesen.

Der Vergleich mit dem Fiat 1100 bzw. 1500 macht dies deutlich: Der 1100er verfügte über einen 1934 vorgestellten Vierzylinder, der an sich 36 PS leistete, für die Großserie aber auf 32 PS gedrosselt wurde. Bei einem Wagengewicht von nur 850 kg reichte das für 105 km/h Spitze. Der 45 PS starke Sechszylinder des Fiat 1500 ermöglichte ab 1935 sogar 115 km/h.

Der Hansa 1100 dagegen kam gerade einmal auf 90 km/h Höchstgeschwindigkeit, der 1700er erreichte immerhin die 100km-Marke. Kein Wunder, dass den beiden Modellen kein großer Erfolg beschieden war. In den immerhin fünf Jahren Produktionszeit setzte man keine 30.000 Stück davon ab. Fiat verkaufte allein vom 1100er in nur zwei Jahren fast 60.000 Exemplare, viele davon auch in Deutschland.

Während man an Vorkriegsfotos des Fiat 1100 bzw. 1500 recht leicht gelangt, stellt eine historische Aufnahme eines Hansa 1100 bzw. 1700 eine Rarität dar:

Hansa_1100_Galerie

© Hansa 1100; Originalfoto der späten 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Typisch für den Hansa 1100 bzw. 1700 sind neben der starken Neigung der Kühlerpartie und dem lang auslaufenden Heck die kleinen Luftklappen in der Motorhaube. Sie sind in dieser Größe und Form bei deutschen Marken nur beim Hansa zu finden.

Der Sechszylinder-Typ 1700 wies eine etwas längere Haube und eine zusätzliche Luftklappe auf, sodass unser Foto das Vierzylinder-Modell Hansa 1100 zeigt. Hier nochmals die markante Frontpartie im Detail:

Hansa_1100_Frontpartie

Der Bildausschnitt liefert auch die entscheidende Hinweise auf die Datierung des Fotos:

Der Wagen im Hintergrund ist eine Opel Olympia Cabriolimousine, die ab 1935 gebaut wurde. Zu erkennen ist das Modell an der stark geneigten Windschutzscheibe, der Form des Ausstellfensters und dem – im Unterschied zum Opel Kadett – starken Mittelholm mit integriertem Winker.

Der Hansa war zum Aufnahmezeitpunkt schon stark gebraucht, wie der Zustand der Radkappe und der Stoßstange verraten. Das Nummernschild ist noch eines in der bis 1945 gebräuchlichen Form. Das Foto muss vor Kriegsausbruch entstanden sein, sonst hätten die Scheinwerfer die vorgeschriebenen Tarnüberzüge besessen.

Nach der Lage der Dinge ist das Bild frühestens 1935, aber wohl eher erst kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs entstanden. Ob der nachdenklich schauende Fahrer des mit Hakenkreuzfähnchen versehenen Opel Olympia etwas von dem sich anbahnenden Unheil ahnte? Vermutlich nicht.

Spurlos vorübergegangen wird der Krieg an den acht Personen aus dem Großraum Berlin auf unserem Foto jedenfalls nicht gegangen sein. Auch für den Hansa standen die Überlebenschancen schlecht – heute ist ein solcher Wagen außerordentlich selten.

Übrigens: die merkwürdig hängende Tür auf dem Foto ist nicht defekt, sondern weist aufgrund des schräg verlaufenden Anschlags geöffnet eine entsprechende Neigung auf:

Hansa_1100_Heckpartie

Auf diesem Blog ist außerdem ein Porträt des 6-Zylindertyps Hansa 1700 zu finden.

Ein Adler Standard 6 vor dem Goethehaus in Frankfurt

Im Mai vor 75 Jahren – im Kriegsjahr 1941 – schickte jemand eine Postkarte auf Frankfurt/Main an eine Bekannte nach Wien und verwendete dabei ein Motiv, das nur noch kurze Zeit so zu bewundern war – das Geburtshaus von Johann Wolfgang Goethe.

Die Postkarte dürfte damals schon einige Jahre alt gewesen sein, doch bis Kriegsausbruch war für einen Flaneur im Großen Hirschgraben diese Situation nicht ungewöhnlich:

Adler_Standard_6_Frankfurt_Mai_1941_Galerie

© Adler “Standard 6” Cabriolet; Postkarte von 1941 aus Sammlung Michael Schlenger

Offenbar handelt es sich bei dem Wagen rechts vor dem Eingang zum Goethehaus um ein zweisitziges Cabriolet. Dem Typ nach könnte es auf den ersten Blick ein amerikanischer Wagen der späten 1920er Jahre sein. In den USA wurden solche sportlichen Karosserien oft unter der Bezeichnung “Runabout” vermarktet.

In Deutschland fanden die gut motorisierten und preiswerten US-Wagen reißenden Absatz. Buick, Chevrolet und Ford ließen ihre Autos sogar in Deutschland produzieren. Von daher wäre ein “Amerikaner in Frankfurt” nichts Ungewöhnliches gewesen.

Ein Auto der Zwischenkriegszeit in der Heckansicht zu identifizieren, ist allerdings eine schwierige Sache. Im vorliegenden Fall hilft uns ein kleines Detail. Dazu schauen wir uns den flotten Zweisitzer näher an:

Adler_Standard_6_Frankfurt_Mai_1941_Ausschnitt

Die Scheibenräder sind in großem Radius an sieben Radbolzen montiert. In Verbindung mit den markanten waagerechten Luftschlitzen gab es damals nur beim Modell “Standard 6” der Frankfurter Adlerwerke.

Das 2-Sitzer-Cabriolet des 1927 bis 1934 gebauten Sechszylinder von Adler wurde auf diesem Blog schon einmal in einer besonders hochwertigen Aufnahme besprochen (Bildbericht). Dabei handelte es sich um die von Karmann karossierte Version.

Das Cabriolet auf unserem Foto wurde aber wahrscheinlich von der Kölner Stellmacherfirma Papler gebaut. Darauf weisen der Überhang der Passagierkabine über dem Schweller und die dunkel abgesetzte Partie oberhalb der seitlichen Zierleiste hin. Dieselben Details finden sich auf einem Foto, das im Standardwerk “Adler Automobile” von Werner Oswald auf Seite 45 zu sehen ist.

Ein interessantes Detail ist die verchromte Abdeckung des Reserverads, wohl ein Zubehörteil. Das Nummernschild mit dem Kürzel “IT” verweist auf eine Zulassung in der einstigen Provinz Hessen-Nassau, zu der auch Frankfurt gehörte.

Am 22. März 1944 bombardierten über 800 englische Flugzeuge gezielt die historische Altstadt Frankurts. Dabei brannte der gesamte Bestand an mittelalterlichen Fachwerkhäusern bis auf ein einziges nieder. Der durch den Brand angefachte Feuersturm zerstörte auch die oberen Etagen des Goethehauses.

Über 1.000 Zivilisten verloren in jener Nacht ihr Leben, zehntausende Frankfurter wurden obdachlos. Deutschland hatte diesen Krieg zwar begonnen, aber weder mit Kriegsrecht noch irgendeinem ethischen Prinzip waren und sind solche Angriffe auf Wehrlose und die Zerstörung ihres kulturellen Erbes zu rechtfertigen.

Das Goethehaus wurde nach dem Krieg gegen den Widerstand sich modern gebender Ideologen wieder aufgebaut. Heute ist das Goethehaus in vielerlei Hinsicht ein Ort der Besinnung. Es erinnert an die einstige Größe europäischer Kultur und zugleich an die kaum fassbaren Taten aller am 2. Weltkrieg beteiligten Parteien.

An die 1945 untergegangene Automarke Adler erinnern noch die eindrucksvollen Adlerwerke in Nähe des Hauptbahnhofs. Sie wurden bei dem Luftangriff im März 1944 zwar ebenfalls getroffen, aber nicht so stark zerstört wie die Altstadt.

1919: Der erste 500er Fiat wird zum Riesenerfolg

Auch wer sich nicht für alte Autos begeistert, kennt und erkennt diese drei Ikonen der Massenmotorisierung: den Volkswagen “Käfer”, den “Mini” von Austin und den 500er “Cinquecento” von Fiat. Kein Wunder, dass es von allen drei Modellen zeitgenössische “Wiedergänger” gibt.

Das nach Ansicht des Verfassers gelungenste dieser Retromobile ist der aktuelle Fiat 500, weil er von den Dimensionen dem Original recht nahe ist und in den engen Gassen italienischen Altstädten nach wie vor “bella figura” macht.

Freunde von Vorkriegsautos wissen zwar meist, dass es bereits vor dem legendären 500er, wie er von 1957-75 gebaut wurde, einen ähnlich genialen Vorgänger gab – den von 1936-57 gebauten 500er “Topolino”. Der war übrigens von demselben brillianten Kopf konstruiert worden: Dante Giacosa.

Fiat 500_Topolino_Umbrien_2016

© Fiat 500 Topolino, aufgenommen in Umbrien/Italien 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Doch bereits nach dem 1. Weltkrieg hatte Fiat einen “500er” entwickelt und zielte damit auf eine Massenmotorisierung ab, wie sie Ford in den USA bewerkstelligt hatte. Der 2-sitzige Wagen, über den nur wenig bekannt ist, tauchte 1918 im Fiat-Katalog auf, kam allerdings über das Prototypenstadium nicht hinaus.

Das lag nicht nur daran, dass die Zeit für ein solches Volksauto im industriell rückständigen Italien noch nicht reif war. Vielmehr zeichnete sich beim darüber angesiedelten, ab 1919 produzierten Modell 501 ein derartiger Erfolg ab, dass man das Konzept des kleineren 500er nicht weiter verfolgte.

In gewisser Weise wurde der Fiat 501 mit seinem für die Zeit kompakten 1,5 Liter-Motor in den 1920er Jahren das, was der 500er ab den 30ern werden sollte: ein wirtschaftliches, zuverlässiges und ungemein robustes Auto.

Folgendes Originalfoto zeigt einen solchen Fiat 501 als offenen Viersitzer mit leichtem Verdeck, damals als Phaeton oder Tourenwagen bezeichnet:

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© Fiat 501 der frühen 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Übrigens ist dieses scharfe und kontrastreiche Bild eine Ausschnittsvergrößerung einer deutlich größeren Aufnahme und lässt die technische Qualität ahnen, die Fotoapparate vor über 90 Jahren ermöglichten, wenn sie sachkundig bedient wurden.

Man mag sich fragen, wie sich dieser beliebig wirkende Tourenwagen als Fiat der 500er-Reihe identifizieren lässt. Nebenbei: die 500er-Reihe war bei Fiat ab 1918 für PKWs reserviert, 600er waren Lastwagen, 700er Traktoren und 800er Rennautos.

Um Klarheit zu gewinnen, vergrößern wir unser Foto weiter:

Fiat_501_Tourenwagen_ab_1922_Frontpartie

Mit etwas gutem Willen ist auf der Kühlerfigur bzw. dem Kühlerthermometer der Schriftzug FIAT zu erkennen. Außerdem ahnt man auf der Front der Kühlermaske eine ovale Plakette, auf der ebenfalls der Markenschriftzug angebracht war.

Nicht zuletzt ist die leicht birnenförmige Formgebung des Kühlers typisch für 500er Fiats, die nach dem 1. Weltkrieg bis zum Aufkommen der neuen klassischen Kühlerform gebaut wurden (siehe Bildbericht zum Fiat 520).

Zum Vergleich hier ein weiteres Originalfoto, bei dem auf der Rückseite die Modellbezeichnung Fiat 501, der Aufnahmeort Treviso (Venetien) und das Datum (1924) vermerkt sind:

Fiat_501_Treviso_1924_Galerie

© Fiat 501, aufgenommen bei Treviso (Oberitalien) 1924; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Unfallauto kann man die erwähnte Fiat-Markenplakette besser erkennen und die identische Kühlerform nachvollziehen.

Wer sich bei der Gelegenheit fragt: “Woher hat der Kerl solch ein Unfallfoto?”, dem sei mit einem Bonmot des Modeschöpfers, Ästheten und Sammlers Karl Lagerfeld geantwortet: “Ich suche auch das, was ich nicht suche.” An solche Kuriosa gelangt man nur durch Zufall und wie sich hier zeigt, kann man sie irgendwann gebrauchen.

Kommen wir zur Papierform des Fiat 501: Der ruhiglaufende kleine Seitenventiler leistete in der Basisversion 23 PS, war aber auch in einer stärkeren Sportversion 501S verfügbar. Mit vier Gängen – für damalige Verhältnisse sehr leicht zu schalten – und Vierradbremse (ab 1924) war der Wagen auf der Höhe der Zeit, aber keineswegs innovativ.

Die Stärke des Fiat 501 lag in seinen Nehmerqualitäten, die ihm astronomische Laufleistungen erlaubte. Die sprichwörtliche Unzerstörbarkeit der Konstruktion sprach sich rasch herum. Man fühlt sich an das Model T von Ford erinnert.

Schon 1924 wurde der Wagen außer in Italien über Niederlassungen in Deutschland, England, Polen, Spanien, der Schweiz, Rumänien, Jugoslawien, der Türkei und Argentinien vertrieben. Rund 80.000 Exemplare des Fiat 501 wurden bis 1926 gebaut. Kein deutscher Hersteller erreichte in jener Zeit solche Produktionszahlen mit ein und demselben Typ. 

Werfen wir zuletzt noch einen Blick auf die Insassen des Fiat 501 auf unserem Foto:

Fiat_501_Tourenwagen_ab_1922_Insassen

Die beiden Herren sind nach Manier der 1920er Jahre weitgehend bartlos und für damalige Verhältnisse lässig gekleidet – sie tragen kein Jackett und keine Hüte. Dennoch wirken sie seriös, weil man damals noch verstand, dass es für das Sich-Entblättern eine Grenze gibt, die heutzutage bei sommerlichen Temperaturen meist ignoriert wird.

Vom Stilgefühl der Altvorderen kann man in vielerlei Hinsicht lernen. Und zumindest der heutige Fiat 500 darf als würdiger Widerhall einer fast 100-jährigen Tradition gelten…  

Einen Fiat 501 im Renneinsatz kann man übrigens hier bewundern.

Rarität in Feldgrau: Ein Hanomag “Sturm” Cabriolet

Die PKW-Palette des Maschinenbaukonzerns Hanomag wurde in den 1930er Jahren durch das 6-Zylindermodell “Sturm” gekrönt. Damit wagten sich die stets vorsichtig agierenden Hannoveraner erstmals ins Territorum der Oberklasse vor.

Auf folgender zeitgenössischen Werbeanzeige von Hanomag steht der “Sturm” entsprechend im Vordergrund:

Hanomag_Reklame

© Hanomag-Reklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Formal ähnelte der Hanomag “Sturm” dem Mittelklasse Modell “Rekord”, von dem hier bereits einige Exemplare anhand von Originalfotos vorgestellt wurden (Bildergalerie). Die gelungene Standardkarosserie der beiden Typen stammte von Ambi-Budd in Berlin.

Äußerlich erkennbar war der “Sturm” in erster Linie am deutlich längeren Vorderbau und – gegebenenfalls – an den sechs Luftklappen in der Motorhaube (beim Rekord meist nur vier). Allerdings verfügten bei beiden Modellen einige Exemplare auch über fünf Luftklappen, was die Identifikation mitunter erschwert.

Im vorliegenden Fall verweist die lange Haube jedoch auf einen Hanomag “Sturm”:

Hanomag_Sturm_Cabrio_Ausschnitt

© Hanomag “Sturm” Cabriolet, Baujahr: 1934-39; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick könnte dies auch ein Adler “Diplomat” sein, für den Ambi-Budd dieselbe Basiskarosserie lieferte. Ein Indiz dafür liefern insbesondere die geschlossenen Scheibenfelgen (beim Hanomag sieht man meist gelochte Felgen).

Doch zwei Details sprechen für einen Hanomag “Sturm”: Zum einen der flach auslaufende Vorderkotflügel, der beim Adler “Diplomat” wuchtiger wirkt und nicht so elegant ins Trittbrett übergeht. Zum anderen entspricht das Flügellogo auf dem Kühlergrill eher demjenigen von Hanomag (beim Adler waren die Schwingen schlanker und länger).

Wer sich über die Aufnahmeperspektive und die geringe Schärfe des Fotos wundert, weiß nicht, dass dies lediglich eine Ausschnittsvergrößerung ist. Denn der Hanomag “Sturm” auf unserem Bild war nicht allein unterwegs:

Hanomag_Sturm_Cabrio_und_SdKfZ_10_Galerie

© Hanomag “Sturm” Cabriolet und SdKfz 10; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss kein Spezialist für Militärfahrzeuge sein, um den Kontext der Aufnahme zu erkennen. Das Foto wurde während des 2. Weltkriegs bei einer Einheit der deutschen Wehrmacht geschossen, in der der Hanomag vermutlich als Stabsfahrzeug diente.

Leider verrät das Umfeld wenig über den Aufnahmeort. Die soliden Ziegeldächer sprechen gegen eine Entstehung in Russland, wo auf dem Lande strohgedeckte Dächer dominierten. In Frage kommt eher ein Dorf im ab 1940 besetzten Frankreich.

Mehr sagen lässt sich zu dem Halbkettenfahrzeug, dass hinter dem Hanomag steht:

SdKfZ10_Ausschnitt

Hierbei handelt es sich um ein Sonder-Kraftfahrzeug 10 (SdKfz 10), das zu Zeiten der Weimarer Republik als Artillerie-Zugfahrzeug für die Reichswehr entwickelt worden war.

Das mit einem bis zu 100 PS starken Maybach-Motor ausgestattete Gefährt erwies sich im Krieg als leistungsfähig und zuverlässig und wurde bis 1944 von diversen Herstellern – darunter auch den Frankfurter Adler-Werken – in über 17.000 Exemplaren gefertigt.

Auf unserem Foto ist wahrscheinlich die Variante mit 2cm-Maschinenkanone zur Flugabwehr zu sehen. Markant sind die außen montierten Munitionsbehälter und die Sitzplätze für das Bedienungspersonal (bis zu 8 Mann).

Soweit erkennbar handelt es sich bei den Soldaten auf dem Foto um einfache Wehrpflichtige (zu erkennen am Gefreitenwinkel auf dem Oberarm), die sich wie die meisten Soldaten der Wehrmacht den von der Berliner Führung angezettelten Krieg und seine fatalen Folgen nicht ausgesucht haben…

Wieder kein Brezelkäfer – “nur” ein Lancia Aprilia…

Es muss einige Leute geben, die einen “Brezelkäfer” heute für eine Seltenheit halten und deshalb jedes historische Autofoto, auf der eine geteilte Rückscheibe zu sehen ist, reflexartig in diese Schublade einordnen und auf heftiges Interesse hoffen.

Dumm nur, dass die VW-Fraktion nicht anbeißt, wenn auf der Aufnahme etwas ganz anderes zu sehen ist. Für den Verfasser, der meist auf “freier Jagd” im Netz unterwegs ist, sind solche Fehlzünder dagegen interessant, zumal sie für kleines Geld zu haben sind.

So entpuppte sich vor kurzem ein aufmerksamkeitsheischend als “Brezelkäfer” titulierter Wagen als in Paris aufgenommener Peugeot 203 – keine schlechte Alternative.

Mit einem ähnlichen Fall haben wir es heute wieder zu tun:

Lancia_Aprilia_und Fiat_Topolino_Galerie

© Lancia Aprilia und Fiat 500 C in Brunnen (Schweiz), Mai 1958; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem Originalfoto sah der Anbieter ebenfalls einen “Brezelkäfer”.Dabei entging ihm nicht nur der rechts zu sehende “Volkswagen” italienischer Herkunft. Er hatte auch keine Vorstellung davon, dass das bucklige Auto mit der geteilten Heckscheibe im Unterschied zum Käfer aus Wolfsburg eine ausgesprochene Rarität darstellt.

Bei dem Wagen links handelt es sich nämlich um einen Lancia Aprilia, der von 1937 bis 1947 in weniger als 30.000 Exemplaren gebaut wurde. Trotz der niedrigen Stückzahl verdient der seinerzeit hochmoderne Typ in mehrfacher Hinsicht Anerkennung.

Werfen wir zunächst einen näheren Blick auf die Karosserie:

Lancia_Aprilia_und Fiat_Topolino_Ausschnitt.jpg

Der Wagen war erkennbar von der in den 1930er Jahren von vielen Firmen erprobten Stromlinienform geprägt und weist formale Gemeinsamkeiten mit so unterschiedlichen Typen wie dem Tatra 77, dem Crossley-Burney und dem Volkswagen auf.

Der Lancia Aprilia war das letzte Modell, das noch unter Aufsicht von Firmengründer Vincenzo Lancia entwickelt wurde. Markentypisch war der 1,5 Liter messende Vierzylinder in kompakter V-Form, der knapp 50 PS leistete. Dank im Windkanal optimierter Form erreichte der Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h.

Der Überlieferung nach war Vincenzo Lancia bei einer Mitfahrt im noch schnelleren Prototypen zunächst skeptisch. Nachdem er selbst das Steuer übernommen hatte, zeigte er sich begeistert vom Fahrverhalten des Wagens, der neben Einzelradaufhängung an der Hinterachse innenliegende Bremsen aufwies, die die ungefederten Massen reduzierten.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Viertürer, der dank fehlender Mittelsäule einen besonders bequemen Einstieg ermöglichte, praktisch unverändert weitergebaut.

Übrigens gebührt dem Lancia Aprilia das Verdienst, der einzige Zivil-PKW zu sein, der in einem am 2. Weltkrieg teilnehmenden europäischen Land durchgängig produziert wurde – wenn auch zeitweise in winzigen Stückzahlen.

Wer wissen möchte, wie der Lancia Aprilia von vorne aussah, wird in einem anderen Bildbericht auf diesem Blog fündig, in dem das Modell zufällig ebenfalls zu sehen ist

Nun noch ein Seitenblick auf den Wagen, der rechts auf unseren Bild zu sehen ist:

Lancia_Aprilia_und Fiat_Topolino_Ausschnitt2

Es handelt sich um ein Exemplar des ab 1949 gebauten Fiat 500 C – eine Weiterentwicklung des bereits 1936 vorgestellten legendären “Topolino”. Die Frontpartie erscheint eigenwillig, vermutlich war der Kühlergrill nicht serienmäßig.

Das Nummernschild mit der Buchstabenkombination “SZ” gefolgt von vier schwarzen Ziffern auf weißem Grund gab zunächst Rätsel auf. Ein aufmerksamer Leser gab den Hinweis, dass es wahrscheinlich ein schweizerisches “Kontrollzeichen” ist, wobei das Kürzel “SZ” für den Kanton Schwyz stünde. Da die laufenden Nummern damals noch recht niedrig waren, konnte die Schrift größer ausfallen als heute.

Dies passt zum Entstehungsort des Fotos. Laut umseitigem Vermerk wurde das Bild im Mai 1958 in Brunnen (Schweiz) gemacht. Das dortige Gasthaus “Ochsen” sieht heute noch fast genauso aus. Nur so attraktive Autos wird man vergeblich suchen…

Pontonform & Sportmotor: Alfa-Romeo 1900

Beim Stichwort “Ponton-Karosserie” kommt den meisten deutschen Klassikerfreunden wohl der 1953 vorgestellte Ponton-Mercedes 180 in den Sinn. Unter der behäbigen Form verbarg sich anfänglich noch Vorkriegstechnik des Typs 170 V.

Man fragt sich, weshalb man damals in Stuttgart so defensiv war. Am Können der Ingenieure bei Daimler-Benz kann es nicht gelegen haben. Diese hatten noch unter den Bedingungen des Kriegsjahrs 1944 die Leistung der Flugmotoren DB 605 und 603 für die Jäger von Messerschmitt und Focke-Wulff auf bis zu 2.000 PS gesteigert.

Die inländische Konkurrenz von Mercedes war kurz nach dem Krieg weiter. So hatte Borgward im schwer kriegsversehrten Bremen schon 1949 ein komplett neukonstruiertes Auto in moderner Pontonform vorgestellt – den Hansa 1500:

© Borgward Hansa, um 1950; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Der Borgward Hansa verfügte von Anfang an über eine angemessene Motorisierung mit zeitgemäßer Literleistung. Als Mercedes 1953 endlich den 180er vorstellte, war der zeitgleich präsentierte Hansa 1800 mit 60 PS leistungsmäßig deutlich souveräner.

Borgward-Kunden konnten den Hansa 1800 auch mit 80 PS-Sportmotor ordern, eine vergleichbar spritzige Variante suchte man beim Ponton-Mercedes bis zum Produktionsende vergeblich.

Im ebenfalls schwer vom Krieg gezeichneten Italien hatte 1949 auch Fiat einen modernen Pontonwagen mit überzeugender Leistung vorgestellt, den Typ 1400:.

© Fiat 1400 bzw. Steyr-Fiat 1400, um 1950; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Neukonstruktion war sogar in einer 6-Zylinder Variante (Fiat 1900) verfügbar, die bei Produktionsende über standfeste 80 PS verfügte.

Den Vogel in der Pontonklasse schoss allerdings ein anderer italienischer Hersteller ab, Alfa-Romeo: Beim 1950 vorgestellten, komplett neukonstruierten Alfa 1900 leistete bereits die 4-Zylinder-Basisversion 80 PS.

Der Alfa 1900 verfügte über ein echtes Sportwagentriebwerk mit zwei kettengetriebenen obenliegenden Nockenwellen. Er dürfte Anfang der 1950er Jahre außerdem der formal gelungenste Vertreter der Gattung Pontonwagen gewesen sein.

Das folgende Originalfoto unterstreicht die besondere Klasse des Alfa Romeo 1900:

Alfa-Romeo_1900_aus_Treviso_Galerie

© Alfa-Romeo 1900 in Oberitalien, Ende 1950er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Kennzeichen mit dem Kürzel “TV” verweist auf eine Zulassung des Alfa in der Provinz Treviso in der oberitalienischen Region Venetien.

Der Alfa-Romeo 1900 auf unserem Foto dürfte zum Aufnahmezeitpunkt bereits ein gut eingeführter Typ gewesen sein. Der jugendlich wirkende Besitzer war zwar erkennbar stolz darauf, doch seine figurbetont geschnittene Kleidung lässt vermuten, dass das Bild Ende der 1950er Jahre entstand, als die Produktion des ersten modernen Alfa auslief. 

Vielleicht hat sich der Besitzer bewusst eines der letzten Exemplare dieses Modells gesichert, das die Essenz der Marke bis in die 1970er Jahre definieren sollte – enorm drehfreudige Motoren mit heiserem Klang, spontane Leistungsentfaltung durch niedriges Gewicht, aus allen Perspektiven absolut perfekter Auftritt.

Nebenbei: Die stärkste Variante des Alfa Romeo 1900 – das Modell “ti Super” – war 1959 mit seinen 115 PS eine der schnellsten Serienlimousinen der Welt: Knapp 180 km/h waren mit dem auch von der Polizei geschätzten Wagen möglich…

Ein klassisch-schöner Fiat in Graz im Jahr 1927

Heute stellen wir ein außerordentliches Originalfoto eines Wagens der 1920er Jahre vor, das wir einem Leser aus Österreich zu verdanken haben. Es ist eines der ganz seltenen Beispiele, bei denen Aufnahmeort und -datum sowie die Insassen bekannt sind.

Die Identifikation des Autotyps war nicht einfach und bedurfte einiger Recherchen, doch das schöne Bild verdient solchen Aufwand. Werfen wir nun einen Blick auf die eingesandte Originalfotografie:

Fiat_503_oder_509_ 1927 in Graz_Galerie

© Fiat Tourenwagen, aufgenommen 1927 in Graz; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Thomas Frewein

Der fast 90 Jahre alte Abzug ist von technisch sehr guter Qualität, auch wenn bei der Aufnahme etwas Licht seitlich in das Kameragehäuse eingedrungen zu sein scheint. Die daraus resultierenden überbelichteten Partien ließen sich aber teilweise retuschieren.

Wie so oft auf privaten alten Autofotos mit Personen ist der Wagen von der Seite aufgenommen. So stehen die Insassen im Mittelpunkt, das Auto war eher Staffage. Uns Spätergeborenen wäre natürlich ein näherer Blick auf die Kühlerpartie lieb, die bei den Wagen der Zwischenkriegszeit am ehesten Aufschluss über den Hersteller gab.

Wir sehen die Sache sportlich und versuchen es trotzdem. Der erste Gedanke des Verfasser war, dass dieser klassisch gezeichnete offene Tourenwagen ein Steyr sein könnte. Das hätte gut zum Aufnahmeort Graz gepasst, den wir kennen.

Zwar gab es Mitte der 1920er Jahre ähnliche Wagen der österreichischen Marke Steyr, doch einige Details wollen nicht so recht passen. Beispielweise verfügten Steyr-Autos oft über filigrane Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss nach englischem Vorbild.

In den 1920er Jahren baute sonst nur ein größerer Hersteller Autos mit so klarer Formgebung: FIAT. Die Turiner Marke genoss in der Zeit bis zum 2. Weltkrieg einen hervorragenden Ruf für solide konstruierte, stilsicher gestaltete und gut verarbeitete Wagen.

Wir haben auf diesem Blog erst kürzlich ein Beispiel für die Klasse vorgestellt, in der sich Fiat damals bewegte, den Typ 519 von 1921. Dieser moderne Luxuswagen war das formale Vorbild für alle Fiats, die bis 1927 gebaut wurden:

Fiat_519_Concours_Ausschnitt

Er trug erstmals einen Kühler nach Art antiker griechischer Tempel, deren Front durch einen Dreiecksgiebel gekennzeichnet war. Dieses klassische Element prägte die Frontpartie aller Fiats jener Zeit von der Motorhaube bis zur Windschutzscheibe hin.

Schauen wir uns einen Großserien-Fiat der 1920er Jahre an, der von der Formgebung dieses damals stilbildenden “Super”-Fiat beeinflusst war. Er ist aus einer anderen Perspektive fotografiert als unser eingangs gezeigtes Originalfoto, doch es ist derselbe Typ:

Fiat_Taxi_Italien_Galerie

© Fiat Tourenwagen als Taxi, aufgenommen in Italien; Sammlung: Michael Schlenger

Markant außer der Kühlerform ist der damit korrespondierende Knick der Unterseite der Windschutzscheibe. Typisch auch die seitliche Zierleiste oberhalb der Luftschlitze in der Motorhaube.

Identisch ebenso die Montage der handbetriebenen Hupe im Scheibenrahmen und die nach vorne ausstellbare Frontscheibe. Die Rechtslenkung war noch in vielen Ländern üblich; sie stammte aus der Zeit, in der der Kutscher mit der Rechten die Pferde antrieb.

Hier zum Vergleich eine Ausschnittsvergrößerung der Frontpartie des Fiat aus Graz:

Fiat 1927 in Graz_Frontpartie

Da die Aufnahme auf 1927 datiert ist und der Wagen relativ kurz ist, dürfte das abgebildete Auto eines der beiden damals verbreiteten Vierzylindermodelle Fiat 503 oder 509 sein.

Sie verfügten über kopfgesteuerte Motoren mit 1 bzw. 1,5 Liter Hubraum, die standfeste 22 bzw. 27 PS leisteten. Das klingt nach wenig, war aber gemessen an der Literleistung deutscher Wagen bis in die frühen 1930er Jahre konkurrenzfähig.

Zudem verfügten diese Modelle über vier Gänge und Bremsen an allen Rädern – damals nicht selbstverständlich in der Mittelklasse. Kein Wunder, dass speziell der sparsame Fiat 509 der europaweit meistverkaufte italienische Wagen war, bevor der Fiat 500 herauskam.

Übrigens gab es mit identischer, nur längerer Karosserie von Fiat seinerzeit auch Sechszylinder, die in den späten 1920er Jahren bis zu 50 PS leisteten (Typen 520 und 521). Mercedes bot selbst in den 1930er Jahren in dieser Klasse nicht mehr Leistung.

Zu guter Letzt wollen wir noch einen Blick auf die Mädchen in dem eleganten Fiat werfen, die gewiss der eigentliche Anlass der 1927 entstandenen Aufnahme waren:

Fiat 1927 in Graz_Ausschnitt

Soweit wir wissen, sind die beiden fein gekleideten Kinder Schwestern und eine von ihnen hat uns über besagten Leser aus Österreich dieses Foto zur Verfügung gestellt.

Solch ein Dokument ist ganz außergewöhnlich und wir danken der Dame aus Österreich herzlich für das Privileg, dieses Bild aus ihrer Kinderzeit zusammen mit dem einst prestigeträchtigen Automobil zeigen zu dürfen. 

Wer genau hinsieht, erkennt übrigens im Hintergrund einen weiteren Wagen vermutlich desselben Typs. Heute sind die erfolgreichen Fiats der 1920er Jahre eine große Rarität und wer solch ein edles Auto besitzt, kann sich so glücklich schätzen wie damals.

Fotohalt am Mittelrhein: Ein Hanomag-PKW um 1930

Die vielleicht grandioseste Kulturlandschaft auf deutschem Boden ist das Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz. Schon vor 200 Jahren begeisterten sich romantisch veranlagte Reisende für das von Natur und Mensch geschaffene Meisterwerk.

Zum Glück hat dieses Juwel seither kaum Schaden genommen. Auch die hierzulande um sich greifende Zerstörung von Landschaften im Zuge einer weltweit einzigartig irrationalen Energiepolitik (Stichwort: Windindustrie) konnte bisher abgewehrt werden.

So können wir heute fast dieselbe Szenerie genießen, die Anfang der 1930er Jahre einige Automobilisten zum Fotohalt veranlasste:

Hanomag_3-16_oder_4-20PS_am_Rhein_bei_Kaub_Galerie

© Hanomag Limousine um 1930; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer schon einmal am Mittelrhein unterweg war, wird den Aufnahmeort erkennen. Der Fotograf nahm die oberhalb von Kaub gelegene Stauferburg Gutenfels ins Visier, deren Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.

Unterhalb davon im Rhein liegt die Burg Pfalzgrafenstein. Sie diente seit dem 14. Jahrhundert der Erzwingung von Zolleinnahmen von den Rheinschiffern, die an dieser Stelle die Grenze vom Rheingau her kommend passierten.

Auf folgender Ausschnittsvergrößerung sieht man den Turm der im Strom gelegenen Burg hervorlugen, dahinter die steilen Weinbergterrassen des gegenüberliegenden Ufers:

Hanomag_3-16_oder_4-20PS_am_Rhein_bei_Kaub_Ausschnitt Die kompakte Limousine haben wir bereits an anderer Stelle vorgestellt – es ist ein Hanomag 3/16 oder 4/20 PS, wie er von 1929-31 als Nachfolger des kuriosen “Kommissbrot gebaut wurde.

Auf dem Foto sind vier Personen zu sehen, mit dem Fotografen fünf. Sie konnten nicht alle in dem kleinen Hanomag Platz gefunden haben, der auf 3 Personen plus Kind ausgelegt war. Es dürfte also noch ein anderer Wagen mit von der Partie gewesen sein.

Das Kennzeichen des technisch anspruchslosen, aber nach Maschinenbauerart grundsoliden Hanomag mit dem Kürzel “IX” verweist auf eine Vorkriegszulassung in der Provinz Westfalen (Quelle). Sicher ist der Hanomag aus Richtung Koblenz kommend die malerische Rheinuferstraße am Loreley-Felsen vorbei gefahren.

Dass wir es mit einer Ausflugsfahrt zu tun haben, verrät das Fernglas, dass die sommerlich gekleidete Dame in der Hand hält. So bescheiden der Hanomag auch anmutet – solch eine Lustreise im Automobil war für die meisten Deutschen damals unerreichbar.

Übrigens hat die Fahrt durch das Mittelrheintal bis heute nicht an Reiz verloren, gerade für eher schwach motorisierte Vorkriegswagen ist die Strecke ideal.

Nach Oberitalien – im Mercedes 200 Cabriolet C

Kürzlich wurde auf diesem Blog der famose Sechszylinder-Mercedes 170 aus den frühen 1930er Jahren vorgestellt – nicht zu verwechseln mit dem Vierzylinder-170V, der noch einige Zeit nach dem 2. Weltkrieg weitergebaut wurde.

Nun ist dem Verfasser eine schöne Bilderserie des äußerlich ähnlichen Mercedes 200 in die Hände gefallen, die von einer Reise nach Oberitalien in den 1930er Jahren erzählt.

Die Fotos sind auf einer gefalzten Unterlage nebeneinander montiert, sodass sie nach Art eines dreiflügeligen “Altars” aufgestellt werden können. Hier hat sich jemand einst ein ganz besonderes Reiseandenken gebastelt, das auch so erhalten bleiben soll:

Mercedes_200_Italienfahrt_30er_Jahre_Galerie

© Mercedes 200 Cabriolet C, Baujahr: 1933/34; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns die drei Aufnahmen näher ansehen, einiges Wissenswertes zum Mercedes 200, der die interne Bezeichnung W21 trug und von 1933-36 gebaut wurde:

Das Modell war im Wesentlichen ein 170er mit aufgebohrtem Motor, der statt 32 PS nun 40 PS leistete, ohne dass er an Laufkultur oder Vollgasfestigkeit verlor. Damit war annähernd die prestigeträchtige Marke von 100 km/h erreichbar.

Die Aufbauten entsprachen weitgehend denjenigen des 170er. Allerdings verfügte der 200er über einen längeren Radstand und war außerdem in extralangen Versionen verfügbar, die freilich vergleichsweise schwer gerieten.

Dass der Wagen auf unseren Fotos ein 200er ist, lässt sich nicht beweisen, doch ist es sehr wahrscheinlich. Denn das Auto war offenbar mit vier Personen besetzt, sofern es kein Begleitfahrzeug gab. Selbst wenn man Minimalgepäck für ein Wochenende veranschlagt, kommt man in eine Gewichtsklasse, die eine Alpenüberquerung mit bloß 32 PS (beim 170er) abwegig erscheinen lässt.

Mercedes_200_Italienfahrt_30er_Jahre_Mitte

Das mittlere Bild könnte an der Uferstraße des Gardasees entstanden sein – bis in die Nachkriegszeit ein beliebter Fotohalt (siehe Mercedes-Bilderserie mit Karl Kappler). Heute macht man sich dort – ebenso wie am Lago Maggiore oder am Comer See – keine Freunde, wenn man das Auto dekorativ am Straßenrand parkt…

Der lederbehoste ältere Herr auf der Mauer ist ein erster Hinweis darauf, dass unser Mercedes aus Bayern stammt – allerdings ist das Nummernschild hier nicht komplett lesbar. Ein mit “B” beginnendes Kennzeichen würde auf den Zulassungsbezirk Braunschweig verweisen – das können wir nach der Lage der Dinge ausschließen.

Weiter geht’s mit dem Bild links außen:

Mercedes_200_Italienfahrt_30er_Jahre_links

Hier ist unser Mercedes 200 -offenbar ein Cabriolet C von 1933/34 – malerisch am Fuß einer mittelalterlichen Festung mit zinnenbekrönten Mauern abgestellt.

Solche Burgen säumen zahlreich die alten Verkehrswege von Norden nach Italien, doch bislang konnte der Verfasser nicht herausfinden, um welche Anlage es sich handelt. Es scheint jedenfalls keine der bekannteren Burgen rund um den Lago di Garda zu sein. Weiß ein Leser mehr?

Was es mit den im Mittelgrund am Hang stehenden vier Personen auf sich hat, lässt sich nur vermuten. Es scheinen drei Frauen und ein Mann zu sein, die dort sicher nicht zufällig herumstehen. Sollte ein zweites Fahrzeug unseren Mercedes begleitet haben?

Die Hühner im Vordergrund scheint die Anwesenheit der Touristen aus dem Norden nicht gestört zu haben. Erfahrungsgemäß zieht es diese Eindringlinge bald weiter nach Süden…

In einem südlich anmutenden Park scheint die dritte Aufnahme entstanden zu sein:

Mercedes_200_Italienfahrt_30er_Jahre_rechts

Hier sehen wir nun drei Herren nebst Hund – zusammen mit dem Fotografen wären wir damit bei den erwähnten mindestens vier Personen, die im Mercedes unterwegs waren, sofern dieser nicht von einem zweiten Wagen begleitet wurde.

Nun können wir auch das Nummernschild vollständig sehen: Die Ziffern-Buchstaben-Kombination “II B” verweist auf eine Zulassung in Oberbayern, was die These einer Alpenüberquerung Richtung Gardasee plausibel macht.

Interessant einmal mehr das Erscheinungsbild der Reisenden. Nach damaligem Empfinden korrekt gekleidet sind alle drei Herren, so unterschiedlich sie auch sind:

Die Lederhosen mit Wollsocken des Linksaußenstehenden sind “traditionell-landsmannschaftlich”, der Herr rechts mit Anzug und Hut wäre von Schweden bis Sizilien “gesellschaftsfähig” gewesen. Der jüngere, großgewachsene Mann mit Schiebermütze und Knickerbockern, Hemd und Krawatte wirkt dagegen “sportlich”.

Man kann sich von allen dreien in Sachen Stil etwas abschauen – und sei es nur, dass man auch heute in der Öffentlichkeit nicht mit zuviel blankem Fleisch und anderen nicht immer sehenswerten Privatheiten auftreten muss – erst recht nicht, wenn man mit so einem klassisch-schönen Mercedes unterwegs ist…

Literaturtipp: Mercedes-Automobile – Vom Nürburg zum 540K, von Heribert Hofer, Heel-Verlag 1998, ISBN: 3-89365-704-5

 

Ein “Supercar” der frühen 1920er Jahre von FIAT

In unseren Zeiten wird gern bei jedem neuen Elektronikgerät von Innovation gesprochen. Doch abgesehen von noch mehr Unterhaltungs- und Einkaufsmöglichkeiten im Netz ist echter Fortschritt rar geworden. Das sieht man auch an der Unfähigkeit der wenigen verbliebenen Autohersteller zu bahnbrechend neuen Lösungen.

Benzineinspritzung, Fahrwerksregelung und Airbag sind alles alte Hüte – weshalb viele Leute mit 20 Jahre alten BMWs, Mercedes oder Audis im Alltag glücklich sind. Und auch wenn uns Werbeleute – und vor allem technikferne Politiker – anderes einreden wollen, sind die systembedingten Nachteile elektrischer Autos im Wesentlichen dieselben geblieben.

Umso lehrreicher ist es, sich mit dem Innovationstempo im frühen 20. Jahrhundert zu beschäftigen. Damals gab es im Autobau binnen fünf Jahren Entwicklungssprünge, für die man heute ein Vierteljahrhundert oder länger braucht.

Marken wie Fiat oder Lancia – heute nur noch ein Schatten ihrer selbst – gehörten damals zu Speerspitze des Fortschritts. Wer etwa bei Fiat nur an (brilliante) Klein-und Mittelklassewagen denkt, darf sein Bild angesichts dieses Fahrzeugs korrigieren:

Fiat_519_Concours_Galerie

© Fiat 519 der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir einen ab 1922 in Serie gebauten Abkömmling des “Super Fiat”, den der Turiner Hersteller ein Jahr zuvor als Machbarkeitsstudie vorgestellt hatte. Der “Super Fiat” Typ 520 verfügte über einen 90 PS starken V12-Motor mit 4 Ventilen pro Zylinder (hängend), hydraulische Bremsen an allen vier Rädern und zahlreiche weitere Finessen.

Dieses technische Meisterwerk war zugleich ein gestalterisches Glanzstück. Fiat bot hier erstmals die klassisch-elegante Frontpartie, die typisch für die Marke bis in die späten 1920er Jahre bleiben sollte. Der legendäre Lancia Lambda trug ein ganz ähnliches Gesicht, kam aber erst ein Jahr später heraus.

Damit bewegte sich Fiat in jeder Hinsicht auf Augenhöhe mit Rolls-Royce, zeitweise war der Typ 520 sogar der einzige 12-Zylinder PKW weltweit.

Nach dieser eindrucksvollen Demonstration bot Fiat mit dem oben abgebildeten Typ 519 ein äußerlich fast identisches Modell an, das allerdings einen 6-Zylinder-Motor mit 2 Ventilen pro Zylinder hatte. Die knapp 80 PS Leistung erlaubten dem über 2 Tonnen schweren Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von annähernd 130 km/h.

Interessant ist der Vergleich mit den zeitgleichen Kompressor-Mercedes der Typen 6/25/40PS und 10/40/65 PS. Sie wiesen mit ihren aufgeladenen, kleinvolumigen Motoren eine ganz andere Charakteristik auf, die man im Nachhinein als Sackgasse ansehen muss.

Der enorme bauliche Aufwand der ersten Kompressor-Mercedes schlug sich letztlich in keiner den schweren Aufbauten gewachsenen Leistung nieder. Jedoch künden auch sie vom energischen Willen, nach dem 1. Weltkrieg die Grenze des Machbaren auszuloten.

Zurück zum Fiat 519: Rund 2.400 Exemplare konnten die Turiner bis 1927 von ihrem Spitzenmodell absetzen, wie damals üblich meist mit Manufakturkarosserien nach Kundenwunsch. Auf unserem etwas verwackelten Foto, das bei einem zeitgenössischen Concours d’Elegance entstand, ist ebenfalls eine spezielle Karosserie zu sehen:

Fiat_519_Concours_Ausschnitt

Diese Karosseriebauart, bei der die Passagiere über ein geschlossenen eigenes Abteil verfügen, während der Chauffeur davor im Freien sitzt, wurde in Frankreich als Coupé de Ville bezeichnet, in England als “Sedanca de Ville”. Im Deutschen gab es dafür die Bezeichnung “Außenlenker”.

Auf der Ausschnittsvergrößerung sind nicht nur die Reibungsstoßdämpfer an der Achse erkennen, sondern auch die großen, verrippten Bremstrommeln. Der Fiat 519 verfügte über dieselben hydraulischen Vierradbremsen wie der “Super Fiat” und war damit der europäischen Konkurrenz um Jahre voraus.

Heute sollen noch rund 25 Exemplare des Fiat 519 existieren – in einer auf heutige Prestigemarken fixierten Sammlerszene sind das Wagen für echte Kenner.

Literaturtipp: Fiat, von Michael Sedgwick, 1974; ISBN: 0 7134 0473 6. Das antiquarisch erhältliche Werk des englischen Automobilhistorikers widmet sich ausführlich wie wohl kein anderes Buch den Vorkriegsmodellen von Fiat. Dabei werden nicht bloß technische Charakteristika wiedergegeben, sondern die einzelnen Fiat-Typen werden in ihrem jeweiligen zeitlichen Kontext dargestellt und beurteilt – ein brilliantes Buch!

Überlebt!? Ein Hanomag “Rekord” Diesel im Jahr 1948

Auf diesem Blog ist der Mittelklasse-PKW “Rekord” des Maschinenbaukonzerns Hanomag bereits öfters in unterschiedlichen Varianten und Zuständen vorgestellt worden (siehe Hanomag-Bildergalerie).

Der von 1934-40 in weniger als 20.000 Exemplaren gebaute Wagen hat erstaunlich oft den 2. Weltkrieg überlebt – obwohl er von der Wehrmacht keineswegs verschmäht wurde (Beispielfoto).

Das spricht für die besonderes Robustheit des Wagens. Ein Maschinenbauer legt nun einmal besonderen Wert auf Zuverlässigkeit. So waren nach 1945 die übriggeblieben Fahrzeuge noch gut für einige Jahre Dienst im Wiederaufbau.

Eine der seltensten Versionen des Hanomag “Rekord”zeigt das folgende Originalfoto aus der frühen Nachkriegszeit:

Hanomag_Rekord_Diesel_1948_Galerie

© Hanomag “Rekord” Diesel, aufgenommen 1948; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Als “Opel Rekord” pries der ahnungslose Anbieter der Aufnahme den Wagen an. Das ist insofern verzeihlich, als das typische markentypische Flügelemblem fehlt und auf dem Kühlergrill nun einmal der Schriftzug “Rekord” zu sehen ist.

Zwar könnte es sich auf den ersten Blick auch um eine Nachkriegsbastellösung handeln, bei der Teile unterschiedlicher Autos kombiniert wurden. Das war in jener Zeit gar nicht so selten, als jedes motorisierte Fahrzeug einen enormen Wert repräsentierte.

Doch ein genauer Blick auf die Frontpartie bestätigt, dass es sich um einen originalen Hanomag Rekord handelt:

Hanomag_Rekord_Diesel_1948_Frontpartie

So weist die Mittelstange der Kühlermaske im oberen Drittel eine Abflachung auf – dort saß das Hanomag-Flügellogo. Vermutlich hat es in der Endphase des Kriegs ein Souvenirjäger mitgehen lassen – die von der Wehrmacht genutzten Autos wurden ja bei Kriegsende einfach irgendwo stehengelassen, wenn das letzte Benzin aufgebraucht war.

Zu einem späten Hanomag “Rekord” passt auch die Montierung der Scheinwerfer rechts und links in der Kühlermaske, frühe Modelle verfügten über eine durchgehende Querstange. Typisch sind außerdem die ausstellbaren Luftklappen in der Motorhaube.

Auch der übrige Wagen erscheint original, wenn man von der fehlenden Radkappe und der verlorengegangenen Abdeckung der Öffnung für die Anlasserkurbel absieht.

Zu einer Rarität wird dieses Fahrzeug durch die umseitige Beschriftung: “Unser Dieseler, 1948” ist dort vermerkt. Demnach haben wir es mit einem von nur rund 1.000 Diesel-Modellen des Hanomag “Rekord” zu tun, die von 1938-40 gebaut wurden.

Was viele nicht wissen: Fast zeitgleich mit Mercedes stellt Hanomag 1936 einen Dieselmotor für PKW vor – allerdings gelang den Stuttgartern die Serienproduktion vor den Hannoveranern. Erst 1938 wagte man sich bei Hanomag aus der Deckung und bot den “Rekord” bis 1940 mit einem 1,9 Liter großen und 35 PS leistenden Selbstzünder an.

Das Fahrzeug auf unserem Foto muss irgendwie den Krieg überlebt haben – vielleicht galt das Dieselmodell als zu exotisch und wurde daher nicht eingezogen.

Auf durchgehenden Privatbesitz weist hin, dass auf der Rückseite noch das Kennzeichen vor Kriegsausbruch vermerkt ist, das nach der Unabhängigkeit Österreichs wieder Nummernschildern nach der bis 1938 geltenden Konvention (weiße Schrift auf schwarzem Grund) wich.

Das Kennzeichen auf unserem Foto ist frühestens 1947 im Bundesland Niederösterreich vergeben worden. Die Aufnahme ist – wie gesagt – auf 1948 datiert und zeugt von der Wertschätzung, die der treue Hanomag damals noch genoss. Filmmaterial war kostbar und die meisten Leute hatten andere Sorgen, als ein gebrauchtes Auto zu fotografieren.

In unserem Fall war jemand erkennbar stolz auf seinen “Dieseler” und hat ihn ohne störendes Beiwerk aus einer vorteilhaften Perspektive aufgenommen. Ob dieses Auto auch die nächsten rund 70 Jahre überstanden hat – wer weiß?

Die Hanomag PKW besaßen nie besonderes Prestige, doch heute ist ein solcher “Rekord Diesel” vermutlich seltener als ein Mercedes 300 SL Flügeltürer…

Mercedes 170 Sechszylinder mit prominenter Besatzung

Wer heute noch etwas mit der Typbezeichnung Mercedes 170 anfangen kann, denkt meist an den 1936 vorgestellten Vierzylindertyp 170 V.

Er wurde auch nach dem 2. Weltkrieg trotz veralteter Form und Technik noch erstaunlich lange gebaut. Dabei gab es mit dem Peugeot 203, dem Fiat 1400 und dem Borgward Hansa 1500 bereits 1949/50 in jeder Hinsicht modernere Autos.

Interessanter als der hausbackene 170 V ist der Mercedes 170 Sechszylinder, der von 1931-36 gebaut wurde. Er war im Unterschied zum 170 V für seine Zeit ein hochmodernes Auto und rundete das Programm der Marke auf ähnlich geniale Weise nach unten ab, wie das in den 1980er Jahren mit dem 190er Mercedes gelang.

Der 6-Zylinder-Mercedes 170 zeichnete sich nicht nur durch seinen weich laufenden und vollgasfesten Motor aus. Er bot vor allem ein Fahrwerk, das dank Einzelradaufhängung und Hydraulikbremsen die volle Ausschöpfung der Leistung ermöglichte.

32 PS mögen heute dürftig klingen, doch viele stärkere Fahrzeuge ließen sich nicht so sicher und agil bewegen wie der kompakte und recht günstige Meredes.

Im Vergleich zum eher pummeligen 170 V verfügte der Mercedes 170 mit Sechszylinder über eine knackig gezeichnete Karosserie. Das attraktivste Modell war sicher der Sport-Roadster, den wir gelegentlich noch vorstellen.

Doch auch die Cabrios überzeugten durch sportlich wirkende Formen, die an englische Wagen der Zeit erinnern. Das Cabriolet C ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

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© Mercedes 170 mit Johannes Heesters und Hilde Körber; UFA-Originalfoto der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Man mag einwenden, dass von dem Auto fast gar nichts zu sehen ist. Doch ist alles auf dem Foto abgebildet, was zur Identifikation des Typs genügt.

Dass es ein Mercedes ist, verrät die Spiegelung des Sterns auf der Motorhaube am linken Bildrand. Dass das Foto nach 1933 und vor Kriegsausbruch entstanden sein muss, lässt die Hakenkreuzfahne am Gebäude links und der recht dichte Verkehr mit Autos ohne Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern erkennen.

Zweitürige Cabriolets von Mercedes gab es in jeder Zeit zwar etliche. Doch nur eines hatte Seitenscheiben mit rechtwinkligem Chromrahmen – das 170er Cabriolet. Auch beim äußerlich fast identischen 200er war der Chromrahmen hinten abgerundet. Die breite seitliche Zierleiste, der kurze Vorderbau und das Verdeckgestänge passen ebenfalls zum Mercedes 170 Werkscabriolet C.

Nun aber zu den Insassen des Wagens und der Aufnahmesituation. Dieses Foto ist ein Originalabzug der UFA-Filmgesellschaft und so finden wir auf der Rückseite zwei Schauspielernamen: Johannes Heesters und Hilde Körber. 

Hier hat man also die seltene Gelegenheit, den ewigen Grandseigneur Heesters, der erst 2011 im Alter von 108 Jahren starb, einmal als jungen Mann zu sehen. Der gebürtige Niederländer genoss bereits in den 1930er/40er Jahren hierzulande als Sänger und Schauspieler einige Populärität. Die schon 1969 verstorbene Hilde Körber dürfte weniger bekannt sein, war aber bis in die 1950er Jahre eine Größe der deutschen Filmszene.

Die Frage, wo die beiden in dem Mercedes aufgenommen wurden, ist rhetorisch: Wer sich in Berlins historischem Zentrum ein wenig auskennt, wird die baumumstandene “Neue Wache” von Friedrich Schinkel links im Mittelgrund erkennen. Der klassisch-schlichte Bau ziert seit 200 Jahren die Prachtstraße “Unter den Linden”.

Links davon ist eine Ecke der Humboldt-Universität zu sehen, in der Ferne lugt die Kuppel des Doms über dem Zeughaus hervor. Trotz der Zerstörungen durch den Bombenkrieg und den Häuserkämpfen im April/Mai 1945 kann man diese großartige Szenerie heute fast genauso genießen wie einst.

Wie es dort am Ende des 2. Weltkriegs aussah, zeigen eindrucksvolle Fotos, die ein britischer Armeeoffizier im Sommer 1945 aufnahm. Es ist interessant zu sehen, dass die solide gebauten Repräsentationsgebäude den Bombardements der Alliierten im Vergleich zu den Berliner Wohngebieten recht gut standgehalten hatten.

Das Beispiel des Berliner Schlosses lässt erkennen, dass etliche Bauten nach dem Kriegsende ohne Not aus ideologischen Gründen abgerissen wurden.

War es im sozialistischen Ostdeutschland der Hass der Machthaber auf die Überbleibsel des bürgerlichen und adligen Erbes, war es im Westen die Doktrin des Quadratisch-Praktisch-Verkehrsgünstigen, die bis in die 1970er Jahre in den historischen Zentren der Republik ihre zerstörerische Wirkung entfaltete.

Dass wenigstens im Zentrum von Berlin einige dieser Wunden wieder geheilt wurden, ist erfreulich. Einmal im Jahr “Unter den Linden” nur Vorkriegsautos verkehren zu sehen, das wäre nach des Verfassers Geschmack…

Wanderer W11 als 12/50PS Kübelwagen der Reichswehr

Wer öfters auf diesem Blog vorbeischaut weiß, dass hier nicht nur zivile Personenwagen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand von Originalfotos vorgestellt werden, sondern auch darauf basierende militärische Kübelwagen.

Enstprechende Exemplare von Adler, Horch und Stoewer wurden bereits abgehandelt. Heute geht es um die Kübelwagenvariante, die auf dem Wanderer W11 basierte. Unterscheiden lassen sich zwei Motorisierungen, doch wir beschränken uns zunächst auf die seriennahe Variante 10/50 PS, die ab 1930 für die deutsche Reichswehr gebaut wurde:

Wanderer_W11_12-50_PS_Kübelwagen_Reichswehr_Galerie

© Sammelbild der frühen 1930er Jahre, Wanderer W11 Kübelwagen Typ 10/50 PS der Reichswehr; aus Sammlung Michael Schlenger

Das Sammelbild lässt die Merkmale dieser frühen Version erkennen: Die komplette Frontpartie mit Kühler, Motorhaube und geschwungenen Schutzblechen wurde von der Zivilausführung übernommen. Den recht einheitlichen Kübelwagenaufbau besorgten dann Dritthersteller.

Anfänglich wurde auf feste Türen verzichtet, um ein schnelles Verlassen des Wagens bei Beschuss zu ermöglichen. Diese frühen Kübelwagen wurden also noch als Gefechtsfahrzeuge angesehen – eine Rolle, die später im scharfen Einsatz rasch gepanzerte Kfz übernahmen.

Interessant auf dem Sammelbild ist die mehrfarbige Tarnlackierung, die auf Vorbildern aus der Spätphase des 1. Weltkriegs basiert. Dieses Farbgebung wich vor Beginn des 2. Weltkriegs einer Einfarblackierung, wie sie auf folgendem Originalfoto zu sehen ist:

Wanderer_W11_12-50 PS_Kübelwagen_Vorkrieg_Galerie

© Wanderer W11 Kübelwagen, Typ 10/50 PS, Baujahr: 1931-35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Anschein einer Mehrfarblackierung entsteht durch unterschiedlichen Lichteinfall auf Motorhaube und Vorderschutzblechen. Tatsächlich haben wir es hier bereits mit einer Weiterentwicklung des Wanderer W11 Kübelwagens 10/50 PS zu tun. Darauf weisen die Scheibenräder mit Radkappen hin, die die anfänglichen Speichenräder ablösten.

Die seitlichen Segeltuchabdeckungen sorgten zwar für Schutz vor Verschmutzung, standen aber in Widerspruch zur ursprünglichen Kübelwagenidee. Sie wichen bei späteren Modellen festen Türen.

Der 2,5 Liter-Motor des Wanderer W11 scheint sich in Verbindung mit dem Chassis des Zivilmodells bewährt zu haben. Jedenfalls wurden bis 1937 zahlreiche Kübelwagen dieses Typs an Reichswehr bzw. Wehrmacht geliefert, die im 2. Weltkrieg eingesetzt wurden.

Für Kenner interessant sein könnte die doppelte Reihe von Luftschlitzen auf dem Foto:

Wanderer_W11_12-50 PS_Kübelwagen_Frontpartie

Weist dieses sonst nicht zu sehende Detail auf eine Sonderausführung des Wanderer W11 10/50 PS Kübelwagens hin?

Gut zu erkennen auf dem Bildausschnitt ist der Soldat mit seiner Uniformjacke des bei der Reichswehr bis 1935 gängigen Typs. Offenbar handelt es sich um einen Mannschaftsdienstgrad, der als Fahrer fungierte.

Leider wissen wir weder, welches “hohe Tier” er einst chauffiert hat, noch vor welchem eindrucksvollen Torbau im Stil antiker Triumphbögen er fotografiert wurde. Weiß ein  Leser mehr dazu?

Literatur: T. Erdmann/G. Westermann: Wanderer Automobile, hrg. vom Delius-Klasing-Verlag, 2. Auflage 2011, S. 126-160

Wanderer-Kübelwagen im Netz: Kfz der Wehrmacht

 

Fund des Monats: Stoewer F6 Limousine von 1927/28

Kaum ein Klassiker-Blog hierzulande widmet sich markenübergreifend schwerpunktmäßig der Vorkriegszeit – rühmliche Ausnahme ist Michis Oldtimer-Blog mit seinem Fokus auf Sportwagen der 1920/30er Jahre.

Im englischsprachigen Netz wird in Sachen Vorkriegsautos zwar mehr geboten: Vor allem die englische Website “Prewarcar“ist hier zu nennen. Auch bei “The Old Motor“und”Hemmings” wird einiges für Veteranenfreunde getan.

Doch Fahrzeuge aus dem deutschen Sprachraum werden dort nur selten besprochen. So besetzt dieser Blog mit seinem Fokus auf Marken aus dem einstigen Deutschen Reich und Österreich-Ungarn durchaus eine Nische.

Der Anspruch ist der, auch Kleinserienhersteller im Lauf der Zeit anhand von Originalfotos umfassend zu dokumentieren. Beispielsweise besteht von den einst so populären DKWs bereits ein fast vollständiges Bildarchiv aller bis 1945 gebauten Typen.

Bei Exotenmarken wie Stoewer aus Pommern sieht das noch anders aus, doch auch hier macht das Projekt ständig Fortschritte. Dabei muss man den Zufall walten lassen, denn gezielt nach historischen Fotos von Stoewer-Wagen zu fahnden, ist zwecklos.

Dieser Tage nahm der Verfasser ein Bild in die Hand, das er einst in der Annahme erworben hat, es könnte darauf ein Fiat oder Peugeot der frühen 1920er Jahre zu sehen sein. Tatsächlich gab es Typen der beiden Marken, die eine ähnliche Frontpartie hatten:

Stoewer_F6_Limousine_Galerie

© Stoewer F6 Sechsfenster-Limousine, späte 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gerade die Autos der 1920er Jahre unterscheiden sich in der Seitenansicht oft nur wenig und je nach Aufnahmesituation ist der meist markantere Kühler entweder verdeckt oder nur unscharf wiedergegeben.

Im vorliegenden Fall haben wir Glück. Nach umfangreichen Retuschen und Nachschärfen des Originals lieferte eine Ausschnittsvergrößerung der Kühlerpartie die Antwort auf die Frage, um was für einen Wagen es sich handelt.

Das Ergebnis fiel überraschend aus, denn wir haben es mit einer echten Rarität zu tun:

Stoewer_F6_Limousine_Frontpartie

Auf der ovalen Kühlerplakette ist in einer schwarz unterlegten rechteckigen Kartusche ein Markenname zu erahnen, der aus fünf bis sechs Buchstaben besteht und mit einem S zu beginnen scheint. Simson oder Steiger kann man schon aus stilistischen Gründen getrost ausschließen, der Schriftzug von Selve sieht anders aus.

Erst der Vergleich mit dem von 1910 bis 1927 verwendeten Kühleremblem von Stoewer liefert eine vollständige Übereinstimmung, auch die Anordnung der Schrauben ober- und unterhalb der Kartusche “passt”.

Dass dieser Wagen nicht den pommerschen Greif als Kühlerfigur trägt, hat einen einfachen Grund: erst ab 1928 wurden Stoewer-Autos damit ausgeliefert. Eher irritiert die wenig einfallsreiche Formgebung des Wagens – ein Stoewer hatte fast immer einen eigenen Stil und war etwas für Leute, die in automobiler Hinsicht keinen Standard wollten.

Das fast beliebig anmutende Aussehen des Wagens vereinfacht die Identifikation des Typs. So schlicht kam in der Stoewer-Geschichte nur der F6 daher, den die Firma von 1927-28 aus Vernunftgründen baute. Man hatte wieder einmal Ertragsprobleme und hoffte, mit einem erschwinglichen Wagen mehr Umsatz machen zu können.

Die Rechnung ging nicht auf, es fehlte wohl am Durchhaltewillen. Nach nur 800 Exemplaren beendete man die Produktion des an sich vielversprechenden 4-Zylinder-Wagens, dessen 1,6 Liter-Motor damals zeitgemäße 30 PS leistete.

Stattdessen konzentrierte man sich im Umfeld der nahenden Weltwirtschaftskrise auf den Bau neuer 8-Zylindermodelle. Dass Stoewer nicht früher an den eigenen Ambitionen unterging, sondern im Unterschied zu vielen Kleinserienherstellern bis 1945 durchhielt, grenzt an ein Wunder.

Wer fuhr damals solche Autos? Sicherlich gutsituierte Leute, die sich bewusst für eine Nischenmarke entschieden. Ein Stoewer war nie eine billige Angelegenheit und es gehörte Mut dazu, sich dem dünnen Werkstattnetz im Deutschen Reich anzuvertrauen.

Für die Herrschaften auf unserem Foto war das wohl ein geringeres Problem, denn wenn nicht alles täuscht, beginnt das Nummernschild mit “IH”, was für die Provinz Pommern stand, wo Stoewer zuhause war.

Stoewer_F6_Limousine_Besitzer

Die Kleidung der beiden Damen verweist auf die späten 1920er Jahre, als recht kurze, sackartige Kleider in Mode waren, die nicht in der Taille, sondern im Beckenbereich gegürtet waren. Diese boshaft anmutende Idee – ein früher Versuch, von der “traditionellen Silhouette” wegzukommen – verschwand zum Glück um 1930 wieder.

Damit lässt sich das Foto in die Produktionszeit des Stoewer F6 datieren, also 1927/28. Übrigens ist das Kennzeichen des Wagens ein Wechselnummernschild des Stoewer-Werks, das auch für andere Fahrzeuge verwendet wurde.

Dass das zum Aufnahmezeitpunkt vermutlich neue Auto noch existiert, können wir ausschließen. Spätestens nach der auf Anordnung der Siegermächte 1945 erfolgten Abtretung Pommerns an Polen und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung konnte in seiner einstigen Heimat niemand mehr etwas mit so einem seltenen und damals schon alten Wagen anfangen.

Heute gehören Stoewer-Wagen zu den ganz großen Raritäten aus der an Sonderwegen reichen deutschen Vorkriegsgeschichte. Nur wenig mehr als 40.000 Autos baute die einst angesehene Marke während ihres Bestehens. Die genaue Zahl ist ungewiss.

Besonderer Dank gilt Manfried Bauer vom Stoewer-Museum, ohne dessen Sachkunde und Hilfsbereitschaft dieser Artikel nicht hätte entstehen können.

Ein geheimnisvoller Austin 10 “Cambridge” der 1930er Jahre

Leser dieses Blogs werden hier zwar vorwiegend Vorkriegsfahrzeuge aus dem deutschen Sprachraum (inkl. Österreich-Ungarns) vorfinden, doch hin und wieder wird auch ein Seitenblick auf US-Wagen sowie britische, französische und italienische Fahrzeuge geworfen.

Ausgangspunkt ist meist ein historisches Originalfoto, daneben werden auch vom Verfasser geschossene Aufnahmen eingeflochten. Dank eines umfangreichen Fundus lassen sich so auch hierzulande wenig bekannte Marken und Typen illustrieren.

Heute ist ein Austin an der Reihe, den man in Deutschland wohl kaum jemals zu Gesicht bekommen wird. Sicher kennen die meisten Oldtimerfreunde den legendären Austin Seven, der einst von Dixi und kurz darauf von BMW nachgebaut wurde.

Das englische Original ist bei praktisch jeder britischen Klassikerveranstaltung zu sehen und der in Lizenz gebaute BMW “Dixi” ist auch bei uns ein gern gesehener Gast:

© Oben zwei Austin 7 beim Goodwood Revival 2015, unten ein BMW Dixi Roadster Anfang der 1930er Jahre; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Doch wer kennt die weiter oberhalb angesiedelten Austin-Modelle der Vorkriegszeit? Sie sind in England noch präsent, doch da sie auf dem Kontinent kaum verkauft wurden, sind sie im Unterschied zur Austin-Kopie von Dixi und BMW nicht im kollektiven Bewusstsein verankert.

Die größeren Austins waren technisch unauffällig, aber solide konstruiert, für englische Landstraßen ausreichend motorisiert und dank rationeller Produktion für die Mittelschicht erschwinglich.

Austins Erfolgsmodell der 1930er Jahre war der Austin Ten, der von 1932 bis 1947 rund 290.000mal gebaut wurde. Er verfügte über einen 1,1 Liter Seitenventiler mit anfänglich 20, später 30 PS und erreichte im 4. Gang knapp 100 km/h.

Nicht nur an der Technik des Austin Ten wurde laufend gefeilt  – bis hin zu hydraulischen Stoßdämpfern und 12 Volt-Elektrik – auch die Karosserien wurden wiederholt modernisiert. Eine besonders großzügig wirkende Variante wurde 1937 vorgestellt und ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

Austin_10_Cambridge_Galerie

© Austin 10 “Cambridge”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die viertürige Limousine mit sechs Seitenfenstern wurde unter der Bezeichnung “Cambridge” verkauft und ließ das Auto erwachsener wirken. Vergleichbare Lösungen fanden sich hierzulande bei zeitgleichen Wagen von Adler und Ford erst eine Klasse darüber, lediglich der 1,2 Liter Opel war auch als 6-Fenster-Limousine erhältlich.

Zu erkennen ist der Austin Ten der späten 1930er Jahre an folgenden Elementen: Lackierte und geneigte Kühlermaske, gelochte Stahlfelgen, kurzer Vorderwagen mit markanter Haube, abgerundete Dachholme, schräger Heckabschluss und angesetzter Kofferraum.

Mehr wäre zu dem Modell nicht zu sagen, wenn der Wagen auf unserem Foto nicht in einer Hinsicht merkwürdig wäre. Dazu schauen wir uns die Heckpartie genauer an:

Austin_10_Cambridge_Ausschnitt

Gut zu sehen ist hier die Lederausstattung, die in England auch in der unteren Mittelklasse gängig war, aber darum geht es an dieser Stelle nicht. Uns interessiert das hintere Nummernschild, das nicht der britischen Konvention entspricht.

Hinten montierte Kennzeichen mit oben abgeschrägten Seitenteilen sind nach Kenntnis des Verfassers typisch für in Deutschland zugelassene Vorkriegswagen. So etwas gab es auch in Frankreich, den Niederlanden und Italien nicht.

Nun dürfte der Austin Ten aber kaum offiziell nach Deutschland verkauft worden sein. In Ländern mit eigener Fahrzeugproduktion wurden zumindest in der Mittelklasse fast ausnahmslos einheimische Marken gefahren. Anders sah das in der Oberklasse und bei Lizenzproduktion (z.B. Fiat von NSU, Steyr und Simca) aus.

Zwar fielen der deutschen Wehrmacht nach dem Sieg über die alliierten Truppen in Frankreich 1940 massenhaft britische PKW in die Hände, die vom Militär genutzt wurden. Doch der hier zu sehende Wagen trägt noch die glänzende Zivillackierung und Chromausstattung. Es fehlen auch die bei Beutewagen üblichen Markierungen auf den Kotflügeln, die die Truppengattung und Divisionszugehörigkeit erkennen ließen.

Auch scheint die Aufnahme nicht während des Kriegs entstanden zu sein, da die vorgeschriebenen Tarnüberzüge über den Scheinwerfern fehlen.

Interessant ist, dass der Wagen ein Linkslenker ist. Solche Ausführungen wurden nachweislich in die Niederlande geliefert. Doch bleibt die Frage, wie der Austin an sein deutsches Nummernschild geraten ist, sofern es sich um ein solches handelt.

Auch die freundliche junge Dame mit eleganten Kostüm und feinem Schuhwerk will uns nicht mehr verraten. Vom Typ her könnte es eine Französin sein. Das Foto bleibt rätselhaft. Vielleicht erkennt ein Leser das Gebäude im Hintergrund, das im Stil des Historismus (2. Hälfte 19. Jh.) gehalten ist.

Wenigstens lässt sich sagen, wie die weitere Modellgeschichte des Austin Ten verlaufen ist. Bei Kriegsausbruch 1939 wurden neben der – karosserieseitig modifizierten – Limousine in großer Zahl auch Nutzfahrzeugvarianten für die britische Armee gebaut.

Einen Überlebenden dieser Kriegsproduktion, der von der Royal Air Force auf dem Mittelmeerstützpunkt Malta genutzt wurde, zeigt das folgende Foto:

Austin_10_Pickup_1940er_Jahre_Malta

© Austin 10 Pickup der 1940er Jahre im Aviation Museum auf Malta; Bildrechte: Michael Schlenger

Sommerurlaub in den Bergen mit DKW F7 und 20 PS

Zu den vielen Facetten der Beschäftigung mit historischer Mobilität gehört die Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit früherer Generationen.

In Zeiten, in der allerlei Unzuträglichkeiten beklagt werden, deren Zustandekommen sich die Betroffenen meist selbst zuzuschreiben haben – etwa das modische Ausgebranntsein – ist es heilsam, sich die Belastungen zu vergegenwärtigen, die noch unsere Großeltern im Alltag klaglos bewältigten.   

Zwar genossen diejenigen, die sich in der Vorkriegszeit ein kleines Auto leisten konnten und nicht mehr zu Fuß, mit der Eisenbahn oder dem Moped zur Arbeit mussten, einen Komfort und Bewegungsspielraum, der den meisten Mitbürgern verschlossen war. Mühsam blieb das Leben mit fahrbarem Untersatz und Dach über’m Kopf in vielerlei Hinsicht dennoch.

Aus heutiger Sicht – in der PS-Protzerei, Sicherheitswahn und Komfortbesessenheit  grassieren – erscheinen die meisten Vorkriegsautos für viele Klassikerfreunde hierzulande daher unattraktiv. Das muss aber nicht so sein.

Dieser Blog wirbt dafür, Autos aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einer anderen Warte zu betrachten: Es sind die einzigen funktionierenden Zeitmaschinen, mit denen wir uns in vergangene Epochen und Welten zurückversetzen können.

Ihr Reiz liegt gerade darin, dass sie uns einen anderen Rhythmus aufzwingen und ein höheres Maß an Können und Aufmerksamkeit in technischer wie fahrerischer Hinsicht abverlangen. Eine gemütliche Runde über Land nach Feierabend fährt man gerade nicht mit einem klimatisierten Automatikwagen mit Einparkhilfe und Regensensor.

Dafür nimmt man am besten ein möglichst langsames, lautes und unbequemes Fahrzeug und genießt es, wenn bei Tempo 70 die Landluft durchs offene Fenster weht und jede schwungvoll genommene Kurve ein Erlebnis ist.

Genug des Philosophierens – schauen wir uns doch eines dieser “primitiven” Gefährte an, mit dem unsere Großeltern einst sogar Fernreisen unternahmen:

DKW_F7_Cabriolimousine

© DKW F7  Cabriolimousine, aufgenommen um 1950, aus Sammlung Michael Schlenger

Der erste Eindruck ist gar nicht mal schlecht. Stilsichere Linien, wie man sie von der Luxusautoschmiede Horch kennt, geschmackvolle Zweifarblackierung, dezenter Chromeinsatz, Cabrioletverdeck, eleganter Heckabschluss (heute ganz selten).

Dabei ist das bloß ein Kleinwagen von DKW mit Zweitaktmotor und 20 PS. “Unfahrbar” wird jetzt mancher sagen. In der Tat: Für die linke Spur auf der Autobahn ist das nichts. Aber hübsch wie kaum ein anderes Auto seiner Klasse ist er schon, der Fronttriebler mit seiner kunstlederbespannten Holzkarosserie. 

“Frontantrieb? So etwas Modernes? Und dann nur eine Holzkarosserie? Das hielt doch bestimmt nicht lange.” Tat es aber, sofern man keinen Unfall baute. Unsere Aufnahme stammt aus den frühen 1950er Jahren, als der DKW schon rund 15 Jahre und einen Weltkrieg hinter sich hatte.

Der Wagen zeigt bei näherem Hinsehen deutliche Spuren seines Alters:

DKW_F7_Cabriolimousine_Frontpartie

Die unten eingedellte Tür hängt an der A-Säule schon etwas herab, auch das Spaltmaß der Motorhaube (die war aus Blech) könnte besser sein. Übrigens erlaubt dieser Bildausschnitt eine genaue Ansprache des Typs und sogar eine recht präzise Datierung.

Das auf die Motorhaube aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen in Verbindung mit der leicht nach vorn geschwungenen A-Säule und der den Schweller abdeckenden Tür spricht für einen DKW F7 (gebaut ab 1936) und das Herstellungsjahr 1938 oder 1939. Diese Information hilft uns bei der Datierung des Fotos, wie wir gleich sehen werden.

Dazu werfen wir einen genaueren Blick auf die Heckpartie:

DKW_F7_Cabriolimousine_Heckpartie

Hier kann man die makellose Linienführung studieren, die die DKWs der Vorkriegszeit auszeichnete. Dabei wirkte sich die Nähe zur Marke Horch positiv aus, die ebenfalls zum Auto-Union-Verbund gehörte. Die auf diesem Blog vorgestellten Luxus-Cabriolets auf DKW-Basis wurden sogar bei Horch entworfen und teilweise auch dort gefertigt.

Uns interessiert hier aber ein ganz anderes Detail, nämlich die Zahl der Aufkleber an der hinteren Seitenscheibe. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Reiseandenken, wie man sie früher auch auf Koffern anbrachte – übrigens ein schöner Brauch, der eine treffliche Individualisierung des Gepäcks bewirkt.

Gehen wir davon aus, dass der Besitzer des DKW einmal pro Jahr Urlaub machte und einen solchen Aufkleber als Erinnerung mitnahm, dann landen wir mit unserem Foto in den frühen 1950er Jahren. Zwischen Kauf des Wagens und Kriegsausbruch wären bloß zwei Urlaubsreisen drin gewesen. Nach dem Krieg darf man das Jahr der Währungsreform – 1948 – als das erste ansehen, in dem Gutsituierte wieder in die Ferne reisen konnten.

Dann landen wir mit den vier weiteren Aufkleber im Jahr 1951, sofern man weiterhin jedes Jahr wegfuhr und solch einen Aufkleber als Trophäe mitbrachte. Natürlich sind das nur Indizien, aber das Ergebnis würde gut zum stark gebrauchten Zustand des DKW passen, der auf jeden Fall weder vor noch während des Krieges so ausgesehen haben kann.

Wo die Aufnahme entstanden ist, wissen wir nicht. Landschaft und Architektur lassen von Bayern über Österreich und die Schweiz alles möglich erscheinen. Ein interessantes Detail ist der Strohhut, der auf dem zweiten Foto auf den Dach des DKW zu erkennen ist. Sollte das vielleicht ein Mitbringsel aus Italien sein?

Dann hätte der treue DKW seine Besitzer mit seinen gerade einmal 20 PS sogar über die Alpen gebracht. Unmöglich war das keineswegs, wie Bilder und Erzählungen von Italientouren mit noch schwächeren Fahrzeugen belegen.

Vielleicht sieht man diese einst so populären Vorkriegswagen und ihre stolzen Besitzer nun in einem anderen Lichte…

Oldtimer-Liebhaber mit Vorkriegs-Fiat im Jahr 1960

Wenn man alten Hasen aus der hiesigen Klassikerszene glauben darf, muss das Sammeln und Fahren von Vorkriegswagen bis in die 1970er Jahre bei Nachbarn, Schwiegermüttern und beim TÜV als grenzwertig bis verwerflich gegolten haben.

Man hat den Eindruck, dass der Konformitätsdruck in Frankreich, den Niederlanden und in England nicht so hoch war – kein Wunder, dass dort viel mehr richtig alte Autos überlebt haben und die Vorkriegsszene äußerst lebendig ist.

Zum Glück war es einigen Enthusiasten auch hierzulande herzlich egal, was die Zeitgenossen über die Leidenschaft für altes Blech, ölverschmierte Finger und unkomfortable Fortbewegung denken.

So einen Individualisten dürfen wir auch hinter dem äußerlich korrekt daherkommenden jungen Mann vermuten, der auf folgendem Originalfoto zu sehen ist:

Fiat_508_1000_Mai_1960_Galerie

© Fiat 508 A „Nuova Balilla“; Baujahr: 1934-37; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto ist eines der raren Dokumente, die von Oldtimer-Liebe in den 1960er Jahren künden, einer Zeit, die in formaler Hinsicht von einer bis heute fortwirkenden, zerstörerischen Sachlichkeit besessen war.

Auf der Rückseite des  Fotos ist “Mai 1960” vermerkt. Anhand des Anzugs hätte man eher auf die 1950er Jahre getippt. Der ernst zu Boden blickende Besitzer war dem Alter nach sicher ein Kriegsteilnehmer. Was ihn mit dem alten Wagen verbindet, wissen wir nicht. Doch wenn man genau hinsieht, weisen Details darauf hin, dass dieses Auto keine Verlegenheitslösung war, wie sie ein klammer Student gewählt hätte.

Schauen wir uns die Frontpartie des Wagens näher an:

Fiat_508_1000_Mai_1960_FrontpartieMan erkennt hier den Kühlergrill des Fiat 508 Nuova Balilla, der in den 1930er Jahren auch als NSU-Fiat 1000 in Deutschland gebaut wurde. Von diesem erfolgreichen Modell mit 1 Liter Hubraum gibt es auf diesem Blog bereits ein Bildporträt.

Man beachte den makellosen Zustand des filigranen Kühlergitters, die wie gemeißelt wirkenden Sicken entlang der Schutzbleche, die blitzsaubere Chromstoßstange und die glänzende Nummernschildunterlage. Auch das Vorhandensein der markanten Radkappen weist auf den hervorragenden Zustand des zum Aufnahmezeitpunkt 25 Jahre alten Autos hin.

Der Fahrer dieses aus heutiger Sicht beinahe perfekt wirkenden Wagens scheint sich nur eine kleine Freiheit erlaubt zu haben. Das Trittbrett wurde offenbar entfernt und das Ende des Vorderschutzblechs wurde mit einer Kunstlederabdeckung versehen:

Fiat_508_1000_Mai_1960_Seitenpartie

Wann dieser Eingriff erfolgte und warum, ist ungewiss. Ein Trittbrett ist kein Verschleißteil und auch nach einer Beschädigung leicht zu reparieren. Könnte diese Veränderung bereits vor dem Krieg erfolgt oder gar serienmäßig sein?

Auf jeden Fall haben wir es hier mit einem vorbildlich gepflegten Wagen zu tun, der gute Chancen hatte, bis heute zu überleben. Wer weiß etwas über diesen Fiat 508 mit Düsseldorfer Nachkriegszulassung?