Reise ohne Wiederkehr: Wanderer W35/40/45/50

Der heutige Eintrag in diesem Oldtimerblog dreht sich in vielfacher Hinsicht um das Thema Abschied und Verlust – natürlich geht es dabei wie immer um Vorkriegsautos.

Abschied nehmen heißt es von den letzten klassischen Modellen der sächsischen Traditionsmarke Wanderer, deren Wurzeln noch in die Zeit vor der Integration in den Auto-Union-Verbund zurückreichen.

Das bedeutet auch Abschied nehmen von der letzten noch von Ferdinand Porsche verantworteten Motorenkonstruktion für Wanderer.

Die Rede ist von den Wanderer-Wagen der Typen W35, 40, 45 und 50, die in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre die tragende Säule der Marke darstellten.

Bei der Gelegenheit begleiten wir Mensch und Maschine zugleich auf einer Reise ins Ungewisse, die allzuoft eine ohne Wiederkehr werden sollte.

Beginnen wir zu einer Zeit, als für die meisten Deutschen die Welt noch heil war und sich ein trügerisches Bild der Stärke und neuen Ansehens bot – im Olympiajahr 1936.

Damals brach die Gesellschaft auf folgendem Foto zu einer Reise mit unbekanntem Ziel auf:

wanderer_w40_45_vorkrieg_galerie

Immerhin können wir genau sagen, um was für einen Wagen es sich handelte. 1936 brachte Wanderer eine optisch und technisch weiterentwickelte Modellreihe heraus, deren 6-Zylindermotoren noch von Porsche entworfen worden waren.

Diese waren mit 35 bis 50 PS verfügbar – entsprechend lauteten die Typenbezeichnungen Wanderer W35 bis W50, so einfach war das damals.

Gemeinsam hatten alle Typen den neuen Kühlergrill mit senkrechten Streben; bei den Vorgängertypen W235 bis W250 wurden schräge Streben verbaut. Wichtiger war, dass die neue Modellreihe vorne nun über einzeln aufgehängte Räder verfügte.

Damit waren die Probleme der zuvor starren Vorderachse Vergangenheit. Porsche hatte übrigens schon beim Vorgänger eine Doppelkurbelachse mit querliegendem Drehstab vorgeschlagen. Die sollte später bei so unterschiedlichen Autos wie dem Auto-Union 16-Zylinder-Rennwagen und dem Volkswagen Karriere machen…

Auf die Vorderachskonstruktion der neuen Wanderer-Modelle kommen wir am Ende noch zurück. Beibehalten wurden natürlich die hydraulischen Vierradbremsen und die 12-Volt-Elektrik, damals alles andere als selbstverständlich.

Äußerlich sind die einzelnen Typen der Modellreihe schwer auseinanderzuhalten.

Den Wanderer W35 erkennt man an den schüsselförmigen Frontscheinwerfern; bei den stärkeren Modellen war das Lampengehäuse tropfenförmig – wie auf dem ersten Foto. Den W35 gab es außerdem nur als Limousine (und Lieferwagen).

Wer einen Wanderer der Modellreihe als Cabriolet haben wollte, musste sich mindestens für das Modell W40 entscheiden – das schauen wir uns weiter unten an.

Erst ist der Tourenwagen auf folgender Aufnahme (im Vordergrund) an der Reihe:

Gut zu erkennen sind hier die senkrechten Kühlerstreben, die die Modellreihe von vorne auszeichnen. Man ahnt auch das auf der Mittelstrebe angebrachte Auto-Union-Emblem mit den vier Ringen.

Alle Chromteile sind hier überlackiert wie beim dahinterstehenden Wagen – wohl ein Mercedes 170 Tourer. Dieser trägt ein Kennzeichen der deutschen Luftwaffe (WL=Wehrmacht Luftwaffe).

Vermutlich ist der Wanderer ebenfalls ein Luftwaffenauto. Dafür würde die gegenüber Heeresfahrzeugen etwas stärker glänzende Lackierung sprechen, die bei der Luftwaffe zumindest vor dem Krieg öfters zu sehen ist.

Der Länge nach zu urteilen dürfte es sich um den W50-Tourenwagen mit verlängertem Radstand handeln (3,15 m ggü. 3,00 m), wie er speziell für Behördenzwecke gebaut wurde.

Hochinteressant ist, was auf dem Foto außer dem Wanderer noch zu sehen ist – auch hier klingen wieder die Themen Reise und Abschied an:

Der Wanderer steht offenbar direkt vor einem Reisebüro, in dessen Schaufenster Plakate für Urlaub in fernen Ländern werben. In der Etage darüber hat man sich auf „Autoversicherungen und Autokredite“ spezialisiert.

Praktisch – denn die Klientel dafür war eine ähnliche. Dazu passt die mondäne Umgebung, wir befinden uns nämlich ausweislich des Schilds über der Tür am „Kärntnerring“. Dieser ist Teil der berühmten Wiener Ringstraße, liegt in Sichtweite der Staatsoper -und beherbergte luxuriöse Hotels und Geschäfte.

Dass der Wanderer tatsächlich in dieser feinen Gegend Wiens geparkt ist, beweist ein weiteres Detail auf dem Foto – die Werbung für das Photoatelier d’Ora Benda an der Gaslaterne.

Gegründet wurde dieses Atelier von Dora Kallmus, einer österreichischen Gesellschaftsfotografin. Sie führte den Künstlernamen Madame d’Ora und erlangte Bekanntheit durch Porträts zahlreicher Wiener Künstler.

1927 nahm sie Abschied von Wien, um eine noch größere Karriere in Paris zu beginnen, die durch den Einmarsch deutscher Truppen 1940 jäh beendet wurde – denn sie war jüdischer Abstimmung. In Südfrankreich fand sie zum Glück Unterschlupf.

Ihr einstiger Assistent Arthur Benda hatte unterdessen das Wiener Atelier weitergeführt. Ab 1938 residierte Benda in der Kärntnerstraße – das Atelier hieß damals d’Ora Benda wie auf dem Geschäftsschild auf dem Foto.

Somit ist nicht nur der Aufnahmeort Wien bestätigt; auch der Entstehungszeitpunkt lässt sich eingrenzen. Da die beiden Luftwaffen-Tourenwagen noch keine Tarnscheinwerfer tragen, muss das Foto 1938 oder 1939 entstanden sein.

In den folgenden Jahren waren Wanderer-Wagen in halb Europa „auf Reisen“ – im Dienst der Wehrmacht. Auch von den hier vorgestellten Modellen  finden sich zahlreiche Aufnahmen aus Kriegszeiten – oft in den unmöglichsten Gegenden:

Dieses Exemplar wurde einst irgendwo auf dem Balkan fotografiert, wahrscheinlich mit drei Offizieren der Armee des verbündeten Bulgariens an Bord.

Merkwürdig ist, dass sich der LKW hinten notdürftig gegen Erkennung aus der Luft getarnt hat, die Herrschaften vorn sich aber wie auf dem Präsentierteller zum Fototermin eingefunden haben. Man verließ sich wohl auf das Hufeisen am Kühler…

In Sicherheit wähnte sich offenbar auch dieser einfache Wehrmachtssoldat, der hier im Winter neben einem Wanderer posiert. Das 2-türige Cabriolet gab es nur bei den Typen W40 und W45 – hergestellt wurde es von der Manufaktur Gläser.

Dass es ein Wanderer ist, verraten das Flügellogo auf dem Kühler und das typische  schmale Band mit dem Luftschlitzen in der Haube.

Der Umgebung entsprechend ist der Wagen komplett weiß übertüncht, nur die laufende Nr. des Wagens (vermutlich Fzg. 3 einer Kompanie) wurde frei gelassen.

So gut genährt wie der Kamerad auf unserem Foto sahen Frontkämpfer selten aus – vermutlich haben wir es mit einem Soldaten im Hinterland der Ostfront zu tun, der sich näher an den Fleischtöpfen befand.

Die meisten dieser Kriegsfotos zeigen Soldaten in relativ sicheren Situationen – der kämpfenden Truppe stand ein größerer Anteil an Soldaten gegenüber, die mit Nachschub, Instandsetzung und Nachrichtenübermittlung befasst war.

Recht oft finden sich Aufnahmen, die Bergungs- oder Reparatursituationen zeigen. Sie verraten viel von den Herausforderungen des nur unzureichend mit Standardfahrzeugen ausgestatteten Heeresfuhrparks.

Wie beim Gegner auch wurde im 2. Weltkrieg auf Seiten der Achsenmächte so ziemlich alles an PKW und LKW eingesetzt, dessen man habhaft werden konnte.

Die 6-Zylinder-Wanderer der zweiten Hälfte der 1930er Jahre waren wie andere Wagen der Auto-Union – außer DKW – begehrte Stabsfahrzeuge. Sie wurden unter Kriegsbedingungen bis zum bitteren Ende beansprucht und verschlissen.

Hier hat es im Winter einen Wanderer des Typs W40, W45 oder W50 erwischt:

Der neben dem Wagen stehende Soldat ist gerade frisch eingezogen worden; er trägt noch nicht einmal Gefreitenwinkel. Sein Kamerad bringt gerade eine Schleppachse unter dem Vorderwagen des Wanderer an.

Solche Vorrichtungen ermöglichten das Abschleppen von Fahrzeugen, deren Vorderräder nicht mehr einsatzfähig waren.

Die Schleppachsen mussten darauf ausgelegt sein, dass etliche PKW keine starre Vorderachse hatten, die man hätte von unten abstützen können. Auch unserer Wanderer verfügte über eine Einzelradaufhängung.

Man kann hier gut die herunterhängende Querblattfeder und den abgerissenen Gelenkarm erkennen, der am unteren Teil des Achsschenkels montiert war:

Zwar wissen wir nichts über die Umstände dieses Fotos. Wir können aber davon ausgehen, dass es nach einem Unfall an der winterlichen Ostfront entstanden ist.

Dass der Wanderer danach wieder auf die Straße gekommen ist, ist zweifelhaft. Er wird wohl eher als Ersatzteilspender für andere Wagen derselben Modellreihe gedient haben – eine letzte Reise ohne Wiederkehr.

Der Nachschub aus dem Wanderer-Werk versiegte mit dem Bau der letzten Wagen Ende 1942. Nach 1945 sollte es nie wieder Automobile mit dem traditionsreichen Namen geben.  

Bemerkenswert ist, dass sich auf Fotos der Nachkriegszeit viele Vorkriegsmodelle von DKW, Hanomag, Opel und Mercedes finden, aber kaum Wanderer-PKW. Einige Exemplare haben zwar bis in unsere Tage überlebt – doch die allermeisten sind mit der Welt der Vorkriegszeit untergegangen…

1942: Ein alter Plymouth und ein junger Flieger…

Gemessen an den Leserreaktionen scheint dieser Oldtimerblog einige Freunde von Vorkriegsautos im deutschsprachigen Raum anzusprechen. Fast 2.000 Besucher sind hier im Monat durchschnittlich zu Gast – Tendenz steigend.

Die positive Resonanz auf die historischen Originalfotos von legendären oder auch in Vergessenheit geratenen Marken ist das eine, was motiviert. Das andere Element sind die unvorhergesehenen Entwicklungen, die sich daraus ergeben.

Ein schönes Beispiel für solche Überraschungen ist folgende Aufnahme:

Luftwaffenrekrut mit Plymouth PE Type, Baujahr 1934

Dieser Abzug aus Kriegszeiten schlummert schon eine ganze Weile im Fundus des Verfassers. Die Aufnahme wäre auch ohne den dunklen Wagen hinter dem feschen Soldaten ein reizvolles Zeitdokument, wie sich noch zeigen wird.

Doch gelangte das Foto in erster Linie wegen des geheimnisvollen Autos in die Sammlung des Verfassers. Solche Bilder bekommt man für symbolische Beträge, da für viele Wk2-Sammler nichts Interessantes darauf zu sehen ist.

Hier geht es aber nicht um spektakuläres Kriegsgerät oder Persönlichkeiten der Zeitgeschichte – uns interessiert das Schicksal von Vorkriegsautos in einem auch für sie lebensgefährlichen Umfeld.

Wie es der Zufall will, hilft uns einer der Wagen im letzten Blogeintrag weiter bei der Aufklärung, nämlich dieser hier:

Chrysler Series CA oder CB, Baujahr 1934

Dieser malerisch zugeschneite Wagen – aufgenommen 1940 im Libanon (!) – war nur dank der Hilfe von US-Vorkriegsspezialisten zu identifizieren, und zwar hier. Demnach handelt es sich um einen Chrysler Series CA oder CB von 1934.

Bei der Diskussion um die Identität des Wagens wurde ein weiteres Fahrzeug genannt, das Ähnlichkeiten aufweist, aber aufgrund von Details am Ende ausgeschlossen werden konnte, ein Plymouth DeLuxe (Type: PE) von 1934.

So lenkte die Beschäftigung mit obigem Winterfoto indirekt den Blick auf das Auto, das wahrscheinlich auf dem eingangs vorgestellten Abzug zu sehen ist:

So unscharf der Wagen im Hintergrund auch abgebildet ist, lassen sich doch alle typischen Elemente eines Plymouth PE von 1934 erkennen.

Da ist zunächst der nach unten vorkragende Kühlergrill mit daran anschließendem Karosserieblech – ein Detail, das hier dank fehlender Stoßstange gut zu sehen ist.

Auch die Positionierung des Emblems auf der Mittelstrebe im oberen Drittel des Kühlers passt zum Plymouth jener Zeit. Den letzten Hinweis gibt die schemenhaft erkennbare Luftklappe auf der in Fahrtrichtung rechten Motorhaubenseite – ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Chrysler.

Man mag sich fragen, warum die beiden Wagen einander so ähnlich waren. Nun, Plymouth wurde 1928 im Chrysler-Konzern als Einstiegsmarke neu geschaffen und bot bei ähnlicher Optik wie die teureren Chryslers und DeSotos erschwingliche Wagen mit schwächerer Motorisierung, aber ebenfalls hoher Qualität.

Was das hieß, verraten die technischen Daten: Der Plymouth PE von 1934 verfügte über einen 3,3 Liter großen 6-Zylindermotor konventioneller Bauart, der über 80 PS leistete, in Europa damals ein eindrucksvoller Wert.

Das eigentlich Interessante an dem Wagen ist aber die Tatsache, dass er mit einer Einzelradaufhängung vorne angeboten wurde. Deutsche Hersteller waren damals keineswegs die einzigen mit innovativen Fahrwerken!

Rund 220.000 Exemplare dieses Modells wurden 1934 gefertigt und einige davon sogar offenbar in Deutschland. Denn seit 1919 importierte die deutsche Firma HANKO amerikanische Wagen und ließ ab 1933 auch solche der Marke Plymouth hierzulande aus Einzelteilen fertigen, um Importbeschränkungen zu umgehen.

So ein Auto könnte auf dem Foto zu sehen sein. Wir kennen immerhin den Aufnahmezeitpunkt: Mai 1942. Damals schickte der blutjunge Luftwaffenrekrut auf dem Foto das Bild an seine „Flamme“.

Dass der gerade von der Schulbank weg eingezogene Bursche bei der Luftwaffe gelandet ist, verraten folgende Details:

Die Jacke ist schlichter als diejenige der Infanteristen, die aufgesetzte Taschen besaß. Auch der Luftwaffenadler auf der Brust und auf dem Schiffchen passt dazu. Ein weiterer Adler wäre auf dem Koppelschloss zu sehen, wenn es scharf abgebildet wäre.

Das Fehlen von Abzeichen – der Kamerad trägt nicht einmal Gefreitenwinkel auf dem Ärmel – belegt, dass es sich um wehrpflichtiges „Frischfleisch“ handelte, wie es millionenfach für einen Krieg eingezogen wurde, den die Mehrheit der Deutschen nicht bestellt hatte.

Das Foto ist der Architektur nach zu urteilen in einer deutschen Großstadt entstanden. Von dort verschickte unser frischgebackener Luftwaffensoldat den Abzug als Postkarte (ja, so etwas ging damals) an seine Verehrte. Er verabschiedete sich darauf mit den Worten: „Ihr Flieger Bobby“.

Das ist nun in mehrfacher Hinsicht spannend. Zunächst fällt das „Sie“ auf, eine in unseren Tagen zunehmend in Vergessenheit geratende Möglichkeit, den Grad der persönlichen Vertrautheit zu differenzieren. Merke: Man kann immer vom „Sie“ zum „Du“ gelangen, doch führt kaum ein Weg zurück…

Dann „Bobby“ – war dieser Spitzname für Robert vor dem Sieg der US-Kultur über das „alte Europa“ hierzulande bekannt? Nun: Die Mutter des deutschen Literaten Hermann Hesse nannte ihren Mann Johannes Hesse bereits um 1900 liebevoll Jonny…

Tja, so einfach sind die Dinge nicht, vor allem nicht auf deutsch. So gilt ein „Flieger“ manchen heutzutage als ein Flugzeug, doch „Flieger Bobby“ wusste nichts davon.

Für ihn waren die Verhältnisse klar: Ein „Fahrer“ fährt ein „Fahrzeug“ und ein „Flieger“ fliegt ein „Flugzeug“. Wer – bitteschön – ist irgendwann auf die Idee gekommen, einen Flugapparat so zu bezeichnen wie denjenigen, der es beherrscht?

Wer sich schlicht merken möchte, was ein Flieger ist, dem sei dies ans Herz gelegt:

https://www.youtube.com/watch?v=k3EUKczQ0tg

Quelle: Youtube, hochgeladen von Ilja Livschakoff

Schlammschlacht in Serbien 1914/15: NSU 8/24 PS

Dieser Oldtimerblog präsentiert Vorkriegsautos nicht bloß aus technischer Perspektive. Die zeitgeschichtliche Einordnung und die menschliche Komponente spielt eine ebensowichtige Rolle.

Im Unterschied zu meist steril aufbereiteten Museumsstücken unserer Tage lassen die Wagen auf historischen Fotos etwas von ihrer einstigen Rolle und einem oft harten Dasein ahnen. Ein hochglanzpoliertes, neuwertiges Gefährt ist auf alten Aufnahmen eher selten zu sehen.

Die Realität sah für Automobile und ihre Insassen vor über 100 Jahren häufig so aus:

© NSU 8/24 PS Tourenwagen, Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Postkarte aus dem Jahr 1914 oder 1915 zeigt unverblümt die „Straßen“verhältnisse, denen Soldaten und Material der Mittelmächte – also Österreich-Ungarns und des verbündeten Deutschlands – auf dem serbischen Kriegsschauplatz ausgesetzt waren.

Auf den vom Regen aufgeweichten Wegen waren Pferdegespanne die einzigen zuverlässigen Transportmittel. Sie leisteten – wie in der Frühphase des 2. Weltkriegs – den Großteil der Transportleistung abseits des Eisenbahnnetzes.

Autos dagegen gerieten unter solchen Verhältnissen rasch an ihre Grenzen. Im 1. Weltkrieg gab es noch keine auf schwieriges Gelände ausgelegten Wagen. Für die wichtige Aufgabe der raschen Nachrichtenübermittlung hinter der Front standen ausschließlich zivile Modelle zur Verfügung.

Dem Wagen auf der Postkarte begegnet man auf Fotos aus dem 1. Weltkrieg sehr oft. Es war das erfolgreichste Modell von NSU jener Zeit, der Typ 8/24 PS.

Dieses Mittelklassemodell wurde im Herbst 1911 vorgestellt und nach dem Krieg bis 1925 weitergebaut. Die hier zu sehende Ausführung mit dem geschwungenen Kühlerausschnitt wurde erstmals 1913 gefertigt.

Bis Kriegsausbruch war der Vierzylinderwagen mit 2,1 Liter Hubraum das erfolgreichste Modell der seit 1905 im Automobilbau tätigen Marke NSU. Wie damals üblich, war der 8/24 PS-Typ nicht nur als Tourenwagen erhältlich, sondern auch als Zweisitzer,  Limousine und Landaulet.

Für den Kriegseinsatz wurde der NSU 8/24 PS in großer Zahl als robuster Stabswagen, außerdem auch als Verwundetentransporter gebaut. Von den Strapazen, denen diese Autos ausgesetzt waren, lassen zeitgenössische Briefe etwas ahnen:

„Die Straßen sind schon an sich schlecht. Durch die hinter der Front verkehrenden Kolonnen sind sie grundlos geworden… Hier verkehren mehrere NSU-Fabrikate, mit denen die Fahrer sehr zufrieden sind. Wer die Verhältnisse nicht kennt, kann sich nicht vorstellen, was ein Lob über einen Wagen in unserer Gegend bedeutet“.

So schrieb ein vor über 100 Jahren im deutschen Heer eingesetzter Kraftfahrer an das Werk von NSU (Quelle: Klaus Arth, NSU Automobile, Delius-Klasing, 2015).

Der Winter kann kommen: BMW 326 Cabriolet

Wir leben in Zeiten, in denen man sich auch bei Minusgraden morgens in ein vorgewärmtes Auto setzen kann, dessen Motor sofort einen ruhigen Leerlauf hat – sofern die Batterie intakt ist.

Solcher Luxus wird für selbstverständlich genommen – und dann wird gejammert, wenn man mal keinen Parkplatz direkt vor der Haustür bekommt – es ist ja so kalt!

Da ist es heilsam, sich zu vergegenwärtigen, welchen Herausforderungen Automobilisten noch vor zwei Generationen ausgesetzt waren. Zugefrorene und beschlagende Scheiben, keine Heizung und: Anlasserorgeln, bis die Batterie leer ist.

Das folgende Originalfoto versetzt uns in diese Vergangenheit, die außerdem ein paar Härten ganz anderen Kalibers bereithielt:

© BMW 326 Cabriolet, aus Sammlung Michael Schlenger

Da liegt ja gar kein Schnee – wieso soll das Foto im Winter entstanden sein?

Nun, der Kühler des Wagens ist mit einer Kunstledermanschette abgedeckt – einst ein klassisches Zubehör bei Minusgraden. Und an der Innenseite der Frontscheibe sind Heizrahmen befestigt, auch das ein Hinweis auf die Jahreszeit.

Doch mehr als dieses Zubehör, das von etlichen Lieferanten erhältlich war, interessiert uns das Auto selbst. Es ist eines der wenigen Beispiele dafür, dass ein Vorkriegswagen auch ohne sichtbaren Kühler auf Anhieb identifizierbar ist.

Die Frontpartie weist gleich mehrere markante Elemente auf:

Die Form der seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube war typisch für die ab 1936 gebauten eleganten 2 Liter 6-Zylinder-BMW. Sie zeichneten sich zudem durch das bis auf die Stoßstange hinunterreichende Blech zwischen Vorderkotflügeln und Kühlerpartie aus. Hier kündigt sich das Ende der freistehenden Schutzbleche an.

Die doppelte Stoßstange verrät, dass wir es mit einem BMW des Typs 326 zu tun haben, der von 1936 bis 1941 gebaut wurde. Er war der erste Vertreter dieser modernen Linie, die das Bild der Vorkriegs-BMWs bis heute prägt.

Mit 50 PS, vier Gängen und hydraulischen Bremsen waren die BMWs nur sieben Jahre nach Vorstellung des ersten Autotyps der Marke erwachsen geworden. Formal stellten sie eine Klasse für sich da und genossen entsprechendes Prestige.

Der BMW 326 auf unserem Foto war ausweislich des Kennzeichens im Dienst des Heeres der deutschen Wehrmacht unterwegs (daher das Kürzel WH) und war zum Aufnahmezeitpunkt schon recht mitgenommen.

Dass es ein beschlagnahmter Privatwagen aus Vorkriegstagen war, verrät der abblätternde mattgraue Lack auf der verchromten Stoßstange. Die Anlasserkurbel lässt vermuten, dass es um Batterie und Anlasser nicht zum besten stand.

Der Soldat neben dem BMW scheint sich am stark gebrauchten Zustand des Wagens nicht gestört zu haben. Dass er wohl keinen persönlichen Bezug zu dem Heeresfahrzeug hatte, ergibt sich aus seiner Uniform:

Die Jacke ohne aufgesetzte Tasche und die Schwingen auf dem Kragen lassen erkennen, dass unser Mann zur Luftwaffe gehörte. Welche Funktion genau er dort hatte, wissen wir nicht.

Der Winkel auf dem Ärmel steht für den zweitniedrigsten Mannschaftsgrad, einen Gefreiten. Dazu will das Pistolenholster am Koppel nicht so recht passen, doch vermutlich war der Soldat am Tag der Aufnahme zum Wachdienst eingeteilt, dann wäre das plausibel.

Ansonsten deutet alles auf eine Situation fernab des Kriegsgeschehens hin. Auch der BMW trägt nicht die ab 1939 obligatorischen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern. Das Foto kann nur in einer entlegenen Gegend entstanden sein, wo Frieden herrschte – beispielsweise im besetzten Norwegen – oder in einer außerhalb des Radius gegnerischer Flugzeuge liegenden Gegend im Osten.

Leider gibt das Foto selbst keinen weiteren Hinweis. Dass es auf einem Stützpunkt irgendwo im Hinterland gemacht wurde, dafür spricht auch die schemenhaft zu erkennende Frau hinter dem Fenster im Hintergrund.

Dass dieser friedliche Moment irgendwann vor über 70 Jahren nicht von Dauer war, wissen wir. Ein Grund mehr, mit vermeintlichen Unzuträglichkeiten des modernen Daseins gelassener umzugehen…

Winter 1941: Ein Citroen Typ A an der „Heimatfront“

Vor genau 75 Jahren -Anfang Dezember 1941 – kam der deutsche Angriff auf Russland einige Kilometer vor Moskau zum Stillstand.

Bereits zuvor waren massenhaft Fahrzeuge der Wehrmacht ausgefallen, die Truppe war erschöpft und der Nachschub stockte seit Mitte November. „General Winter“ hatte das Regiment übernommen und das bekam der Angreifer nun zu spüren.

Während der Gegner auf die Verhältnisse vorbereitet war, mangelte es den deutschen Soldaten an Winterbekleidung – und das bei Frostgraden im zweistelligen Bereich.

Man ahnt die auch gegenüber den eigenen Männern rücksichtslose Kriegsführung auf diesem Foto:

© Mercedes 260 „Stuttgart“ Kübelwagen an der Ostfront, aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben sich zwei einfache Gefreite in Sommeruniform bei Schneetreiben vor ihrem Fuhrpark ablichten lassen. Was mag das Motiv dieser tristen Aufnahme gewesen sein? Wohl schlicht der Wille, den Verhältnissen zu trotzen.

Der halb zugeschneite Wagen im Vordergrund mit Decke über der Motorhaube ist übrigens ein Mercedes 260 Kübelwagen, der auf dem zivilen Modell Stuttgart 260 basierte, das von 1929-34 mit 50 PS starkem 6-Zylindermotor gebaut wurde.

Die Kübelwagenvariante wurde bis 1935 gefertigt – über 1.500 Exemplare gingen an die damalige Reichswehr und dienten der späteren Wehrmacht noch etliche Jahre.

Im Winter 1941 dürfte für viele dieser Wagen an der Ostfront die letzte Stunde  geschlagen haben. Denn ab dem 5. Dezember begann die russische Armee eine Gegenoffensive, die die überforderten deutschen Truppen weit zurückwarf.

© Zerstörter Horch 830 R Kübelwagen, aus Sammlung Michael Schlenger

Bis Anfang Januar 1942 verlor die Wehrmacht tausende Panzer, Geschütze und PKW. Geschätzt eine halbe Million Tote und Verwundete gab es allein auf deutscher Seite, jeder fünfte Ausfall war auf Erfrierungen zurückzuführen.

Im Unterschied zum Stalingrad-Debakel ein Jahr später bekamen die Deutschen an der „Heimatfront“ das volle Ausmaß des Rückschlags noch nicht mit, zumal es 1942 an der Ostfront wieder vorwärts ging.

Was mögen wohl diese im Dezember 1941 aufgenommenen Herren vom Geschehen über 2.000km weiter östlich mitbekommen haben? Ob Sie eine Vorstellung davon hatten, dass die Soldaten dort ohne Wintermäntel kämpfen mussten?

© Citroen Typ A, aufgenommen im Dezember 1941, aus Sammlung Michael Schlenger

Leider wissen wir nicht viel über die Aufnahmesituation des Bildes. Auf der Rückseite ist außer dem Datum nur „Kloster Drakenburg“ vermerkt.

Zwar existiert ein Ort gleichen Namens im niedersächsischen Kreis Nienburg an der Weser. Doch ein Kloster scheint es dort nicht gegeben zu haben. Vielleicht hat ein Leser eine Idee, wo es ein Kloster dieses Namens gibt. Der Hintergrund lässt auch auf eine Guts- oder Schlossanlage schließen.

Uns interessiert an dieser Stelle aber vor allem der Tourenwagen auf dem Foto. Wenn nicht alles täuscht, handelt es sich um einen Citroen Typ A, das erste Auto des französischen Herstellers überhaupt.

Der Erstling von Citroen besaß einen 1,3 Liter messenden Vierzlindermotor, der 18 PS leistete, was für rund 65 km/h Höchstgeschwindigkeit genügte. Trotz der bescheidenen Papierform erwies sich das Auto mit über 24.000 Exemplaren in etwas mehr als zwei Jahren Produktionsdauer für europäische Verhältnisse als Erfolg.

Der Wagen auf dem Foto war zum Aufnahmezeitpunkt mindestens 20 Jahre alt. Offenbar war er noch zivil zugelassen, was zu Kriegszeiten nur möglich war, wenn der Halter ihn für unabweisbare berufliche Zwecke brauchte.

Möglich, dass der alte Citroen einem Landarzt gehörte, der dann vermutlich einer der Herren auf dem Foto war. Drei davon weisen eine ziemliche Ähnlichkeit auf, vielleicht ein Vater und seine Söhne.

Jedenfalls muss unsere Reisegruppe über Benzin für einen winterlichen Ausflug verfügt haben. Vermutlich war noch ein weiteres Fahrzeug mit von der Partie, denn sechs Personen einschließlich des Fotografen waren im Tourer nicht unterzubringen.

Wie der Citroen wohl einst nach Deutschland gelangt ist? Die Autoproduktion der Marke auf deutschem Boden begann jedenfalls erst 1927 mit dem Modell B14, das wir hier schon einmal vorgestellt haben.

Letztlich ist das Foto eines der wenigen Zeugnisse jener Zeit, die noch einen privat genutzten PKW zeigen. Wer in diesen Tagen meint etwas frösteln zu müssen, wird beim Gedanken an die Verhältnisse im Winter vor 75 Jahren vielleicht nachdenklich…

Lohn für’s Strippenziehen: EK2 und Mercedes 230

Auf einem Oldtimerblog, der sich auf Vorkriegsautos meist deutscher Hersteller konzentriert, wird man zwangsläufig immer wieder mit dem Kriegsgeschehen von 1939-45 konfrontiert.

Seien es nun von der Wehrmacht erbeutete PKW, eingezogene Autos oder auf zivilen Modellen basierende Kübelwagen – Fotos aus dem Krieg gibt es bei manchen Typen mitunter mehr als aus Friedenszeiten.

Solange noch Filmmaterial verfügbar war, waren speziell die im Stabseinsatz verbreiteten Prestigewagen von Horch und Mercedes beliebte Motive bei den Soldaten – von denen die meisten noch nie ein Auto gefahren oder besessen hatten.

Eine Runde im Wagen des Kompaniechefs galt daher als Auszeichnung – und der junge Gefreite auf folgendem Foto scheint sich das verdient zu haben – nach militärischen Maßstäben, versteht sich:

© Mercedes-Benz 230 Cabriolet B; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Bevor wir auf die Situation kommen, in der dieses Foto einst entstand, ein paar Worte zu dem Mercedes, der auch in mattgrauer Heereslackierung noch Eleganz ausstrahlt.

Er lässt sich leicht als Typ 230 Cabriolet B mit zwei Türen und vier versenkbaren Fesntern identifizieren. Die offenen Versionen auf langem Radstand galten zurecht schon damals als gelungenste Ausführung des von 1936 bis 1941 gebauten Wagens.

Die Stoßstangen mit Hörnern und die massiven Halterungen der Frontscheinwerfer verweisen auf eine Entstehung ab Ende 1937.

Technisch basierte der 230er auf dem Modell 200, dessen 40-PS-Sechszylinder sich als unzureichend erwiesen hatte. Speziell die fast 1,5 Tonnen wiegende Limousine mit langem Radstand schaffte kaum mehr als 90km/h.

Mit nunmehr 55 Pferden war der Mercedes 230 nach wie vor kein Sportler, doch ein Dauertempo von über 100 war immerhin möglich. Kein Wunder, dass das Modell mit über 20.000 gebauten Exemplaren deutlich erfolgreicher als der 200er wurde.

Hier kann man noch einmal die Linien des Cabriolets genießen, die kaum unter der feldmäßigen Aufmachung und harten Einsatzbedingungen gelitten haben:

Nun aber zur Aufnahmesituation, die sich erstaunlich gut rekonstruieren lässt. Der junge Mannschaftsdienstgrad ist gerade mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden. Nur am Tag der Verleihung durfte diese Tapferkeitsauszeichnung wie auf dem Foto am Band getragen werden.

Wer nun meint, das müsse ein Soldat einer Kampfeinheit gewesen sein, irrt. Denn das taktische Zeichen auf dem in Fahrtrichtung linken Kotflügel verrät eindeutig, dass der Wagen zu einer Nachrichteneinheit gehörte.

Die genaue Bezeichnung ist der Abkürzung unter dem taktischen Kennzeichen zu entnehmen: Es war die 1. Kompanie des Führungs-Nachrichten-Regiments 40, einer dem Oberkommando des Heeres (OKH) unterstellten Verbindungseinheit.

Die dort eingesetzten Soldaten mussten unter oft haarsträubenden Umständen die Kommunikation zwischen den Armeekommandos an der Front und dem OKH sicherstellen. Diese „Strippenzieherei“ war nicht nur eine elementare, sondern auch gefährliche Angelegenheit im Wirkungsbereich gegnerischen Feuers.

Unser junger Soldat scheint sich dabei besonders hervorgetan zu haben, was ihm das Eiserne Kreuz und dieses Foto neben seinem Kompaniechef in dessen Mercedes 230 Cabriolet eintrug.

Das noch zivile Nummernschild des Mercedes (Zulassung: Provinz Schlesien) lässt vermuten, dass die Aufnahme in der Anfangsphase des Kriegs entstand. Aus dieser Zeit ist sogar der Name des Vorgesetzten auf dem Foto bekannt.

So wurde die 1. Kompanie des Führungs-Nachrichten-Regiments 40 bis April 1940 von einem Hauptmann Krueger geführt, danach von einem Hauptmann Hartmann. Solche Detailinformationen erhält man von Experten, die sich aus historischem Interesse mit der Geschichte der Wehrmacht befassen.

So sind wir in der Lage, auf dieser Aufnahme mehr als nur einen Mercedes irgendwo im Krieg zu sehen. Wir erfahren etwas davon, was den meist ohne ihr eigenes Zutun in das Geschehen hineingezogenen Soldaten wichtig war: sich zu bewähren und Anerkennung zu erfahren – leider für die falsche Sache, wie wir heute wissen…

In deutschem „Fronteinsatz“: Austin 8AP Tourer

Dieser Oldtimerblog ist Vorkriegsautos aus aller Herren Länder gewidmet, vom Kleinwagen bis zur Luxuskalesche.

Da die Fahrzeuge anhand alter Originalotos besprochen werden, ergibt sich ein Schwerpunkt auf Marken, die in Europa verbreitet waren. US-Wagen sind also weniger vertreten.

Geht man unvoreingenommen an das Angebot an alten Aufnahmen heran, macht man auch Funde in einer besonderen Kategorie – im Krieg beim Gegner erbeutete Wagen.

Das Kriegsgeschehen brachte es mit sich, dass auch auf dem Kontinent zuvor nicht verkaufte Typen auftauchen. Dieser Jaguar Mk IV 1.5 Litre beispielsweise diente bei einer deutschen Marineeinheit an der französischen Atlantikküste:

© Jaguar Mk IV 1.5 litre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Buchstabenkombination „WM“ auf dem Kennzeichen steht für „Wehrmacht Marine“ und die folgende Zahl gehört zum Nummernkreis des „Kommandierenden Admirals Frankreich“.

Solche Beute ging der deutschen Wehrmacht im Sommer 1940 ins Netz, nachdem sie innerhalb weniger Wochen die französische Armee und das britische Expeditionskorps geschlagen hatte.

Während die Briten einen Großteil ihrer Truppen in einer gewaltigen Anstrengung zurück über den Kanal bringen konnten, mussten sie praktisch alle schweren Waffen und Fahrzeuge in Dünkirchen am Strand zurücklassen. 

Die deutschen Truppen gliederten damals tausende von Autos französischer, englischer und amerikanischer Hersteller in ihren Bestand ein.

Viele davon haben lange durchgehalten, denn auf US-Filmaufnahmen von Wehrmachtseinheiten, die sich nach der Kapitulation im Mai 1945 aus der Tschechoslowakei zurückzogen, sind zwischen Militärlastern, Halbkettenfahrzeugen und Kübelwagen immer wieder PKW ausländischer Marken zu sehen (ab etwa 1:00 min, auch sonst sehenswert).

https://www.youtube.com/watch?v=QEzgCSuUDd4

© Videoquelle: Youtube; hochgeladen von: Petr Warry, Copyright: unsicher

Im Kriegsverlauf landeten solche Beutefahrzeuge in den unmöglichsten Regionen – in den wegelosen Weiten Russlands, in der Glut der nordafrikanischen Wüste oder hoch oben in den italienischen Apenninen.

Doch einige scheinen ein gemächliches Dasein fernab des Kriegsgeschehens geführt zu haben. Einen „Front“einsatz ganz eigener Art erlebte offenbar das Gefährt auf der folgenden Aufnahme:

Der Architektur nach zu urteilen, ist diese Aufnahme in Nordfrankreich oder Belgien an einer repräsentativen Strandpromenade entstanden.  Für den Einsatz an der „seafront“ war der kleine englische Wagen im Vordergrund ideal, während sein militärischer Wert eher gering war.

Es handelt sich um einen Austin 8AP Tourer, die offene Version des 1939 als Nachfolger des legendären „Seven“ vorgestellten Kleinwagens. Diese Variante wurde bis Mitte 1940 in über 9.000 Exemplaren für die britische Armee gefertigt.

Zivile Ausführungen davon hat es kriegsbedingt kaum gegeben. Die Militärversion wies nur geringe Unterschiede auf. Typisch sind die beiden schrägen Luftschlitze in der Motorhaube, die man auf folgender Ausschnittsvergrößerung sieht:

Was man auf dem Foto weniger gut erkennt, ist das Fehlen von Rücksitzen, ein weitere Unterschied zur Zivilversion. Beibehalten wurde der 0,9 Liter Vierzylinder mit 24 PS, bei einem Gewicht von weniger als 800 kg ausreichend.

Dieses kleine Vehikel war nur als Kurierfahrzeug hinter der Front gedacht. Dennoch gibt es erstaunlich viele Aufnahmen erbeuteter Austin 8AP im Einsatz bei der Wehrmacht noch in späteren Jahren.

Das Fahrzeug auf unserem Foto dagegen hatte es nach Übernahme in den Wehrmachtsfuhrpark wohl leichter. Es scheint vor einem deutschen Schwesternheim oder eventuell einer Erholungseinrichtung für Verwundete zu stehen.

Kurios ist das am Gebäude angebrachte Schild mit der Aufschrift „Ferien vom Du“. War das Ironie, eine Anspielung auf die legendären „Ferien vom Ich“? Vielleicht hat jemand eine zündende Idee dazu.

Was aus dem kleinen Austin 8AP Tourer nach der alliierten Invasion 1944 in Frankreich wurde, wissen wir nicht. Vermutlich ist er dort noch einmal zum Einsatz gekommen, dann weniger als „Front“-  denn als Fluchtfahrzeug.

Heute gilt die Militärversion des Austin 8AP in Großbritannien als Rarität. Die meisten davon müssen 1940 der Wehrmacht in die Hände gefallen und in den folgenden Jahren verheizt worden sein…

Vor 100 Jahren: Ein Benz mit Schnabelkühler

Die Beschäftigung mit Vorkriegsautos anhand alter Fotos, wie sie auf diesem Oldtimerblog betrieben wird, hat gegenüber anderen Hobbys mehrere Vorteile:

  • Es gibt keinen technischen Fortschritt, der einen von der eigentlichen Sache ablenkt – wie das z.B. bei Fotoamateuren der Fall ist.
  • Es gibt Material ohne Ende, das noch nicht aufgearbeitet ist – die Literatur zum Thema ist oft jahrzehntealt und lückenhaft.
  • Es gibt die Möglichkeit, Autos zu „besitzen,“ die man sich in echt schon deshalb nicht leisten könnte, weil sie nicht verfügbar sind.

Das Originalfoto, das wir uns heute vornehmen, ist ein gutes Beispiel dafür. Es war fast völlig verblasst und ließ sich trotz aller Technik nur in engen Grenzen verbessern. Wir müssen daher wie Archäologen mit dem wenigen arbeiten, das wir vorfinden.

Aber was wir haben, ist grandios und vielleicht einzigartig:

© Benz Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Naja, könnte man sagen, irgendein alter Tourenwagen irgendwo vor 100 Jahren aufgenommen, viel erkennt man da nicht.

Doch die Situation ist nicht alltäglich: Das zerstörte Backsteingebäude links verweist auf eine Entstehung zu Kriegszeiten. Der Holzverschlag im Hintergrund wirkt improvisiert und ausgerechnet davor steht ein majestätischer Tourenwagen.

Dieses Foto entstand mitten im 1. Weltkrieg, wann und wo genau wissen wir nicht. Die sieben Männer auf der Aufnahme deckt schon lange der kühle Rasen. Doch das grandiose Automobil übt auch nach 100 Jahren seine Faszination aus.

Schauen wir genauer hin, denn es lässt sich mehr zu dem Wagen sagen:

Was neben dem eindrucksvollen Radstand auffällt, ist die Frontpartie mit der langen Motorhaube, den nach hinten versetzten Luftschlitzen und dem markanten Kühler.

Der Verfasser dieses Blogs hat einige Zeit damit zugebracht, diesem Gefährt auf die Schliche zu kommen. Zunächst schien es sich um ein Modell mit Spitzkühler zu handeln, doch so ausgeprägte „Nasen“ kamen erst nach dem 1. Weltkrieg auf. Ob Horch, Opel, Presto oder Stoewer – in Deutschland huldigte man ab 1918 dieser Mode.

Wenn man noch genauer hinschaut, erkennt man jedoch, dass es sich gar nicht um ein Spitzkühlermodell handelt, denn die vorkragende Kühlermaske endet im Nichts.

Wenn nicht alles täuscht, haben wir es hier mit einem der seltenen Vertreter des „Schnabelkühlers“ zu tun. Das bedeutet, dass der Wagen einen flachen Kühlergrill besaß, die Kühlermaske aber oben vorsprang – wie der Schnabel eines Raubvogels.

Ein Schnabelkühler so ausgeprägt wie auf unserem Foto findet sich in der Literatur nur bei einer deutschen Marke: Benz. Bei Hansa und Horch gab es zeitweise ebenfalls Modelle mit Schnabelkühler, doch keines kam so aggressiv daher.

Im Standardwerk „Deutsche Autos – 1885 bis 1920“ von Halwart Schrader findet sich auf Seite 63 solch ein Wagen, ein Benz 16/40 PS mit satten 4-Liter Hubraum von 1914. Kühlerpartie, Motorhaube und Speichenräder stimmen vollkommen überein.

Der übrige Aufbau ist für die Identifikation nicht wesentlich, da er vom Baujahr bzw. vom Lieferanten der Karosserie abhing. Doch die Gesamterscheinung „passt“. Möglicherweise können Leser dieses Blogs hierzu noch Erhellendes beitragen.

Übrigens muss es einst ein kalter Tag gewesen sein, als dieses Foto mitten im 1. Weltkrieg entstand:

Der Soldat im Vordergrund, den die Fahrerbrille als Chauffeur ausweist, hat sich einen gewaltigen Schal umgebunden. Der gehörte bestimmt nicht zur Winterausstattung bei der deutsch-österreichischen Armee und war stattdessen von einer liebevoll besorgten Person in der Heimat gestrickt worden…

Solche das einstige Leben widerspiegelnde Situationen kommen bei heutigen Präsentationen der überlebenden Veteranen-Fahrzeuge hierzulande oft zu kurz.

Ein Mercedes 200 Sport Roadster auf Abwegen

Die Beschäftigung mit Vorkriegsautos anhand historischer Fotos, wie sie auf diesem Oldtimerblog betrieben wird, fördert immer wieder Überraschendes zutage. Die Literatur und die überlebenden Fahrzeuge geben nur einen Ausschnitt dessen wieder, was einst unsere Straßen bevölkerte.

Ein augenfälliges Beispiel war die Aufnahme eines Roadsters aus den 1930er Jahren, der vermutlich auf dem Mercedes-Benz 200 (W21) basierte (Bildbericht). Deshalb „vermutlich“, weil in der dem Verfasser zugänglichen Literatur keine Abbildung genau dieser Ausführung entspricht.

Nur das folgende zeitgenössische Sammelbild zeigt präzise die Linien des Zweisitzers mit dem markanten Knick in der Seitenlinie:

© Mercedes-Benz Roadster; Zigarettenbild aus Sammlung Michael Schlenger

Leider hatte bislang kein Leser dieses Blogs eine Idee, was es mit dem Unikum auf sich haben könnte. Eigentlich verwunderlich, da schon zu weit weniger populären Marken wertvolle Hinweise aus der Leserschaft kamen.

Aber das Hobby bringt es mit sich, dass man Geduld haben muss. Und wie im richtigen Leben gilt auch bei der Jagd nach interessanten alten Autofotos die Devise: „Man begegnet sich immer zweimal.“

Erstaunlich schnell aufgetaucht ist nun ein zweites Foto, das denselben Mercedes-Typ mit Roadsteraufbau zeigt wie die erste Aufnahme und das Sammelbild.

Das erschließt sich aber erst auf den zweiten Blick:

Auf der Aufnahme fällt zuerst die Frontpartie ins Auge. Sie ist typisch für den ab Ende 1932 gebauten 200er Mercedes und den ähnlichen Vorgänger Mercedes 170. Letzter ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem späteren Vierzylindermodell 170V.

Die beiden Sechszylindertypen 170 und 200 hatten dasselbe Fahrwerk, das man hier besonders gut studieren kann. So sieht man zwischen den Querblattfedern die Achsschenkel, die eine unabhängige Aufhängung der Vorderräder bewirkten.

Folgt man nun mit dem Auge der seitlichen Zierleiste von der Kühlermaske nach hinten, bleibt der Blick an dem auffallenden Knick am Ende des Türausschnitts hängen, der so bei keiner Serienversion des Mercedes 200 zu finden ist.

Wir hatten im ersten Beitrag zu dem Modell bereits vermutet, dass dieser – auf der Rückseite des Sammelbilds als „Sport-Roadster“ bezeichnete – Wagen eine in kleinen Stückzahlen gebaute Sonderversion des Mercedes 200 für den Geländeeinsatz war.

Tatsächlich sehen die vorderen Rahmenausleger und die Schutzbleche schon recht ramponiert aus, und das Reifenprofil ist stark abgenutzt. Wer nun an eine der populären Geländefahrten vor dem 2. Weltkrieg denkt, liegt dennoch falsch.

Dieser Mercedes 200 Sport-Roadster war auf einer ganz anderen Mission unterwegs, für die er gar nicht vorgesehen war. Das sieht man aber erst, wenn man das ganze Foto betrachtet:

© Mercedes-Benz 200 Sport-Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Im Hintergrund sieht man zwischen Kiefern weitere Fahrzeuge. Rechts stehen einige große Benzin- und Ölbehälter. Neben dem Mercedes schrubbt ein Soldat mit Schiffchen auf dem Kopf und schweren Stiefeln an den Füßen an Werkzeug herum.

Wer’s nicht glaubt, kann sich auf dieser Ausschnittsvergrößerung selbst vergewissern:

Dass diese Aufnahme nicht bei einer Übung in Friedenszeiten entstand, verraten die „Kampfspuren“ am Mercedes und die Tarnüberzüge an den Scheinwerfern.

Der Kiefernwald, in dem die Fahrzeuge Deckung gesucht haben, deutet auf die Zeit des deutschen Feldzugs gegen Polen 1939 oder Russland 1941 hin.

Wie war ein Exotengefährt wie unser Mercedes 200 Sport-Roadster auf solche Abwege gekommen? Genau wissen wir das nicht. Aber bekanntlich hat die Wehrmacht ihren notorischen Mangel an PKW für Stabszwecke durch Beschlagnahmung der meisten privaten Autos zu stillen versucht.

Überliefert sind auch Fälle, in denen Fahrzeugbesitzer gemeinsam mit ihren Gefährten (Auto oder Motorrad) zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Wer an die Front musste -und das war nahezu die gesamte männliche Bevölkerung – hatte keine andere Wahl, was von heutigen „Schreibtischwiderständlern“ vergessen wird.

Die hochwertigen Wagen von Mercedes, Horch und Co. genossen besonderes Prestige und wurden von Offizieren gefahren. Für einfachere Dienstgrade blieben die zahlreichen Kübelwagentypen, womit man im Einsatz besser bedient war.

Wie weit mag der Mercedes 200 Sport-Roadster im 2. Weltkrieg wohl gekommen sein? Grundsätzlich standen die Chancen angesichts der materialmordenden Verhältnisse speziell an der Ostfront schlecht.

Mit hervorragendem Fahrwerk, robustem Kastenrahmen und niedrigem Gewicht könnte der Mercedes Roadster aber länger durchgehalten haben, als man denkt, wenn er nicht einem gegnerischen Flieger- oder Artillerieangriff zum Opfer fiel.

Sollte er irgendwo in den Weiten Russlands zurückgeblieben sein – vielleicht mit bei extremem Frost geborstenem Motor – musste selbst das noch nicht das Ende bedeuten. Nach Kriegsende lag das ganze Land voller Wracks, aus denen findige Einheimische die abenteuerlichsten Gefährte zusammenbastelten.

So mancher deutsche Luxuswagen aus einstigem Wehrmachtsbestand hat – oft mit einem Fremdmotor – auf irgendeinem Bauernhof bis in unsere Tage überlebt und steht heute restauriert in einstigem Glanz da, als hätte es keinen Krieg gegeben.

Sollte es am Ende auch noch ein Exemplar dieses schönen Mercedes 200 Sport-Roadster geben? Wer etwas in dieser Richtung beitragen möchte, kann dazu gern die Kommentarfunktion nutzen.

Ein Renault Celtaquatre bei der Luftwaffe

Auf einem Oldtimerblog, der Vorkriegsautos anhand zeitgenössischer Originalfotos präsentiert, begegnen einem immer wieder Fahrzeuge, die im Krieg eingezogen, vom Gegner erbeutet wurden oder auf zivilen PKW basierende Kübelwagen waren.

Speziell beim deutschen Frankreichfeldzug im Sommer 1940 fielen der Wehrmacht in großer Zahl Autos der gegnerischen Truppen in die Hände. Da es der Armee stets an Fahrzeugen für Stabszwecke mangelte, wurden bewährte und verbreitete französische Modelle kurzerhand in den Fuhrpark eingegliedert.

Solche Beutewagen sieht man auf Privatfotos deutscher Landser aus dem 2. Weltkrieg an allen Fronten. Vor längerer Zeit hatten wir diesen Renault Celtaquatre vorgestellt, den es in deutschen Diensten nach Russland verschlagen hatte (Bericht):

© Renault Celtaquatre 1941/42 an der Ostfront; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mit der ab 1937 verfügbaren Ausführung des Renault Celtaquatre, die die Typenbezeichnung ADC2 trug, wurde das seit 1934 gebaute Modell der unteren Mittelklasse optisch an den Zeitgeschmack angepasst.

Die Kühlerform erinnert an amerikanische Modelle, denen auch der deutsche Ford Eifel nacheiferte. Unter der Motorhaube fand sich trotz der schnittigeren Front weiterhin nur ein 1,5 Liter-Vierzylindermotor mit etwas mehr als 30 PS.

Das bot schon das Vorgängermodell ADC1 des Renault Celtaquatre, das wir auf dem folgenden Foto sehen:

© Renault Celtaquatre 1940 in Frankreich; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In dieser früheren Ausführung wirkt der Renault Celtaquatre weniger dynamisch, doch bewährte Konstruktion und gute Ersatzteilversorgung machten ihn zum attraktiven Beutefahrzeug.

Ob das Auto aus französischen Armeebeständen stammte oder nach der Kapitulation Frankreichs von privaten Besitzern beschlagnahmt wurde, wissen wir nicht.

Wie es scheint, wurde der Wagen auf einem heruntergekommenen Anwesen abgestellt, das einer Einheit der deutschen Luftwaffe als Quartier diente:

Zu erkennen ist die Zugehörigkeit zur Luftwaffe am Kürzel „WL“ auf dem in Fahrtrichtung rechten Schutzblech, das für „Wehrmacht Luftwaffe“ stand.

Vermutlich ist der Wagen zum Aufnahmezeitpunkt gerade erst dem Luftwaffenfuhrpark eingegliedert worden, da die übliche Kennzeichnung der Einheit auf dem anderen Kotflügel fehlt.

Immerhin ist der Renault bereits in mattes Luftwaffenblau umgespritzt worden. Ob die Stoßstange von vornherein fehlte, ist ungewiss. Normalerweise besaß das Modell eine der Karosserielinie folgende geschwungene Stoßstange nach Vorbild des Ford V8.

Die Tarnschlitze auf den Scheinwerfer wirken behelfsmäßig, was auf eine zivile Herkunft des Renault hindeuten könnte. Möglicherweise wurde aber bei französischen Armeefahrzeugen die Tarnbeleuchtung nicht so strikt gehandhabt.

Die Identifikation des Typs ist übrigens anhand der fünf eng beieinanderliegenden Luftschlitze in der Motorhaube möglich. Dieses Detail und die leicht geneigte, nach unten schmaler werdende Kühlermaske sind typisch für den Renault Celtaquatre in der Ausführung von 1935 (Typ ADC1).

Wann und wo diese Aufnahme entstanden ist, bleibt offen. Die Umstände deuten auf Nordfrankreich hin, wo die deutsche Luftwaffe im Sommer 1940 Stützpunkte hatte, von denen aus Angriffe auf England geflogen wurden („Battle of Britain“).

Ungeklärt ist auch, um was für einen Typ es sich bei dem LKW auf unserem Foto handelt. Die Speichenfelgen sprechen für ein damals bereits veraltetes Modell. Vielleicht war auch dieses Fahrzeug bei der französischen Armee erbeutet worden:

Weiterführende Hinweise von sachkundigen Leser sind willkommen und werden in diesem Blogeintrag entsprechend berücksichtigt.

Vor 100 Jahren: Mit dem Westfalia in die Walachei…

Der Oktober des Jahres 2016 geht zuende. Dazu passend beschäftigen wir uns auf diesem Oldtimerblog heute mit einem besonderen Automobilfoto, das vor 100 Jahren entstanden ist, im Oktober 1916.

Über das Auto wissen wir nicht sehr viel – es stellt eine Rarität dar, die in den letzten 100 Jahren wahrscheinlich kaum jemand mehr zu Gesicht bekommen hat. Es handelt sich um einen Tourenwagen der Marke Westfalia.

Hersteller war die in Oelde ansässige Firma Ramesohl & Schmidt, die ab 1906 Automobile mit zugekauften Motoren baute. Ab 1909 produzierte sie Wagen mit selbstkonstruiertem Vierzylindermotor, der bei 1,6 Liter Hubraum 20 PS leistete.

1911 entstanden unter der Marke Westfalia größere Wagen mit bis zu 30 PS. Gefertigt wurden sie in einem neu geschaffenen Werk in Bielefeld. Dieses wurde allerdings schon 1913 von Hansa übernommen.

Rahmesohl & Schmidt führte die Produktion des 1,6 Liter-Modells und des 10/30-PS-Typs in Oelde noch bis 1914 weiter. Dann endete dieses Kapitel der Firmengeschichte.

Einer der letzten in Oelde gebauten Westfalia-Wagen muss bei Kriegsausbruch beim Militär gelandet sein, hier ist er zu sehen:

© Westfalia 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Identifikation dieses eindrucksvollen, vermutlich sechssitzigen Tourenwagens bereitete einige Schwierigkeiten. Mangels Markenemblem kam nur eine Zuschreibung nach dem Ausschlussverfahren in Frage.

Nach Durchsicht der dem Verfasser zugänglichen Literatur zu deutschen Automobilen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg blieb nur ein Fahrzeug übrig, das präzise diesselbe Kühlerform aufweist, ein Westfalia 10/30 PS.

Verweisen lässt sich in diesem Zusammenhang auf die Abbildung eines Westfalia-Tourenwagens im Standardwerk „Deutsche Autos 1885-1920“ von Halwart Schrader. Dort ist auf Seit 376 derselbe Wagentyp abgebildet, bloß mit einer etwas einfacheren Karosserie von 1911 und der anfänglichen Bezeichnung 10/26 PS.

Die Übereinstimmung der Kühlerpartie ist so frappierend, dass man auch das Auto auf unserem Foto als Westfalia ansprechen kann.

Vielleicht kann die Zuschreibung anhand obiger Detailaufnahme noch von dritter Seite bestätigt werden. Trotz des stark verdreckten Zustands des Wagens lassen sich Details wie Nabenkappe, Scheinwerferhalter und Rahmenausleger genau studieren.

Mehr wissen wir leider nicht über diesen Wagen. Da die Aufnahme nach umseitiger Beschriftung im Oktober 1916 „im Osten“ entstanden ist, können wir aber zumindest etwas zum möglichen Einsatzort sagen.

Folgender Exkurs führt uns hinein ins Geschehen an der Ostfront im Herbst 1916, und vermittelt eine Vorstellung davon, wohin es den vom Militär genutzten Westfalia einst verschlug:

Im Oktober 1916 beherrschte in der öffentlichen Wahrnehmung die gigantische Schlacht an der Somme in Frankreich das Geschehen. Gleichzeitig kam es an der Balkanfront zu rasanten Entwicklungen, die so gar nicht zur Vorstellung des 1. Weltkriegs als jahrelanges Stellungsgemetzel passen.

Denn zu diesem Zeitpunkt bekam Rumänien – das im Sommer 1916 in der Erwartung von Gebietsgewinnen in Siebenbürgen Deutschland und Österreich den Krieg erklärt hatte – zu spüren, was ein moderner Bewegungskrieg war.

Rumänien hatte im August mit 12-facher Übermacht die österreichisch-ungarische Grenze nach Siebenbürgen überschritten und ließ sich vom kaum vorhandenen Widerstand in falsche Sicherheit wiegen. Denn nach Besetzung mehrerer Städte verzichtete man auf weitere Aktionen und ließ sich damit die Initiative abnehmen.

Deutsche und österreichische Einheiten begannen Ende September 1916 eine Gegenoffensive, der die schlecht geführten und mangelhaft ausgerüsteten rumänischen Truppen nicht gewachsen waren. Sie wurden über den transsylvanischen Gebirgskamm zurückgetrieben und waren teilweise in Auflösung begriffen.

Ab Ende Oktober 1916 starteten die deutsch-österreichischen Truppen einen Angriff, der durch die Walachei bis zur Hauptstadt Bukarest führen sollte. Erleichtert wurde der Vorstoß durch eine gleichzeitige Offensive an der Donau, die weite Teile der verbliebenen rumänischen Armee band.

Die irrwitzige Aggression der rumänischen Führung endete mit dem Verlust der Hauptstadt und der Besetzung wichtiger Ölfelder durch den Gegner. Gleichzeitig war Rumäniens Verbündeter Russland durch vergebliche Entlastungsangriffe zusätzlich geschwächt worden. 1917 unterzeichneten die beiden restlos ausgelaugten Länder einen Friedensvertrag mit Deutschland und Österreich.

Unser Foto mit dem Westfalia stellt einen winzigen Ausschnitt aus diesem dramatischen Geschehen dar.

Was hier in wenigen Absätzen skizziert wurde, kostete Hunderttausende von Männern Leben oder Gesundheit. Sie hatten keine Wahl, als sich dem Willen ihrer politischen und militärischen Führung zu fügen. Der Einzelne war Spielball übergeordneter Interessen, die von allen Kriegsparteien rücksichtslos vertreten wurden. 

Es ist die für uns kaum vorstellbare Ausweglosigkeit, die es auch nach 100 Jahren so anrührend macht, den Männern ins Gesicht zu schauen, die damals diesem Geschehen ausgesetzt waren.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die rumänische Regierung angesichts der absehbaren Niederlage Deutschlands und Österreichs 1918 den Friedensvertrag für nichtig erklärte und erneut in den Krieg eintrat.

Dieses eiskalte Kalkül, das mit dem Blut der eigenen Bürger bezahlt wurde, wurde von den Alliierten mit umfangreichen Gebietsabtretungen von Österreich-Ungarn an Rumänien belohnt.

Auch diese Episode mag verdeutlichen, was von der im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg lange gepflegten Mär des Kampfs von „Gut und Böse“ zu halten ist. Wie bei Feindbestimmungen in unseren Tagen geht es in Wirklichkeit immer nur um politische Macht – und die Rechnung zahlen die Untertanen…

Luftwaffen-BMW 326 bei der Instandsetzung

Die Dokumentation der Vorkriegsautos von BMW anhand historischer Originalfotos auf diesem Oldtimerblog macht nach zähem Anfang Fortschritte.

Die frühen, noch vom Dixi abgeleiteten Modelle und die ersten Eigenentwicklungen (303, 309, 315, 319) waren zu selten, um in großer Zahl abgelichtet zu werden.

Zuletzt hatten wir hier den kaum bekannten und äußerst kurzlebigen BMW 329 vorgestellt, der im Gewand des neuen und weit erfolgreicheren BMW 326 daherkam. Mit dem 326 gelang BMW ein ganz großer Wurf, technisch wie formal.

Der ab 1936 gebaute 6-Zylinder-Wagen mit 50 PS war als komfortabler Reisewagen mit viel Platz konzipiert, der erstmals auch als Viertürer erhältlich war. Insofern stellte das Modell eine Abkehr von BMWs bisherige Tendenz zu leichten und relativ spritzigen Zweitürern dar.

Der großzügige und bequeme BMW 326 war nach Ausbruch des 2. Weltkriegs bei der Wehrmacht ein beliebtes Stabsfahrzeug und wurde bis 1941 gebaut. Daher findet man heuter eher Fotos des Modells aus Kriegszeiten als im zivilen Einsatz.

Folgende Originalaufnahme zeigt einen BMW 326 in der Ausführung als Cabriolimousine im Dienst der Wehrmacht:

© BMW 326 in Ahrweiler; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem hervorragenden Foto, das mit einer hochwertigen Kamera geschossen wurde, sieht man sehr gut die formalen Charakteristika des Modells:

Die markanten Doppelstoßstangen gab es nur beim 326. Kennzeichnend für die neue Linie waren außerdem die vorne weit heruntergezogenen Schutzbleche und der hoch angesetzte Übergang zur Motorhaube. Hier zeichnet sich bereits das Verschmelzen bisher klar voneinander separierter Elemente zu einem Ganzen ab.

Die bis auf einen Schlitz abgedunkelten Scheinwerfer verraten, dass wir es mit einer Aufnahme aus Kriegszeiten zu tun haben. Das Kürzel „WL“ auf dem Nummernschild steht für „Wehrmacht Luftwaffe“, womit die Truppengattung klar ist.

Der abgesehen vom verbogenen Kennzeichen gute Gesamtzustand lässt vermuten, dass dieser Wagen bislang keinen Fronteinsatz gesehen hat. Dank der umseitigen Beschriftung wissen wir, dass die Aufnahme im friedlichen Ahrweiler entstanden ist.

Wie die Gesamtsituation vermuten lässt, gab es dort eine Instandsetzungseinheit für PKW und LKW. Das zahnradförmige Symbol auf dem in Fahrtrichtung linken Kotflügel des BMW könnte auf die Zugehörigkeit zu einer solchen Einheit sprechen.

Vermutlich war der BMW also kein „Patient“ der Instandsetzungstruppe, sondern der Wagen eines Offiziers derselben. Die zwei Mechaniker neben dem BMW haben sich wohl neben dem „Wagen vom Chef“ ablichten lassen.

Was aus den beiden „Unzertrennlichen“ wurde, wie es auf der Rückseite des Fotos heißt, wissen wir nicht.

Ab 1944 kam der Krieg jedenfalls auch ins beschauliche Ahrweiler – in Form alliierter Bombenangriffe. Diese galten der perversen Doktrin des „moral bombing“ entsprechend zivilen Zielen und hatten entsprechend durchschlagenden „Erfolg“

Ungeachtet der betrüblichen Zeitumstände kehren wir noch einmal zum Ort unserer Aufnahme zurück, denn im Hintergrund sieht man ein weiteres interessantes Gefährt:

Hinter dem BMW steht mit geöffneter Motorhaube ein mittelschwerer Ford-LKW, des Mitte der 1930er Jahre in den USA entwickelten „Barrel Nose“-Typs. Der mit dem Motor des Ford V8 PKW ausgestattete Wagen wurde auch in Großbritannien, Frankreich und Deutschland gebaut, dort bis 1942.

Die deutsche Variante dieses an seinem markanten Kühlergrill gut zu erkennenden Modells wies im Unterschied zu ausländischen Versionen eine flache Windschutzscheibe auf. Daher handelt es sich bei dem LKW auf dem Foto mit Sicherheit um keinen Beutewagen aus dem Frankreichfeldzug.

Vielleicht weiß ein Leser mehr über den genauen Standort der Luftwaffen-Instandsetzungseinheit in Ahrweiler, an dem dieses Foto einst entstand.

Ein NSU-Tourenwagen in Belgien im 1. Weltkrieg

Man könnte meinen, einem Oldtimer-Blog, der sich schwerpunktmäßig Vorkriegswagen und Marken aus dem deutschen Sprachraum anhand historischer Aufnahmen widmet, geht früher oder später das Material aus.

Weit gefehlt! Fast täglich finden sich auf dem bekannten Marktplatz im Netz für symbolische Beträge Fotos antiker Automobile aus dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn. Heute stellen wir wieder einen außerordentlichen Fund vor:

© NSU Tourenwagen in Battice (Belgien) 1914/15; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme wurde einst als Postkarte vervielfältigt. Das originale Foto wurde zu Beginn des 1. Weltkriegs im belgischen Städtchen Battice geschossen.

Die Pickelhauben der berittenen Begleiter des Wagens verweisen auf eine Entstehung im Jahr 1914/15. Erst 1916 wurde bei den Truppen des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns der Stahlhelm M1916 eingeführt, dessen Form bis heute fortwirkt.

Der Tourenwagen im Vordergrund wirkt zunächst wenig individuell, sodass die Identifikation schwierig scheint. Es könnte ein Fahrzeug aus deutscher Produktion sein oder ein französischer Beutewagen. Auch belgische Marken kommen in Frage.

Zur Erinnerung: Noch in den 1920er Jahren gab es in Europa und den USA hunderte Hersteller von Serienautomobilen. Besonders vielfältig war die Markenlandschaft in Frankreich. Dort sind insgesamt über 1.000 PKW-Marken verbürgt!

Im vorliegenden Fall erlaubt ein Detail aber die Ermittlung des Herstellers:

So fällt auf, dass auf der ovalen Oberseite der Kühlermaske ein waagerechtes Element thront, auf dem wiederum der Kühlwassereinfüllstutzen montiert ist.

Dieses markante Detail fand sich bei PKW aus dem deutschen Sprachraum seinerzeit nur bei NSU. Wer hier stutzt, ist nicht alleine. Viele Klassikerfreunde verbinden NSU mit den gleichnamigen Motorrädern oder den NSU-Fiats, die ab 1934 in Heilbronn gebaut wurden.

Doch von 1906 bis zur Übernahme des Werks durch Fiat entstanden unter der Marke NSU eigenständige Mittelklassewagen. Vor dem 1. Weltkrieg fertigte man vor allem 4-Zylinder-Modelle, die zwischen 24 und 35 PS leisteten. Eines davon dürfte auf unserem Foto zu sehen sein.

Noch ein Wort zur Aufnahmesituation: Die belgische Ortschaft Battice war 1914 Schauplatz besonderer Grausamkeiten. Nachdem Freischärler das Feuer auf die Richtung Frankreich durchmarschierenden deutschen Truppen eröffneten – ohne dadurch irgendetwas erreichen zu können – „revanchierte“ sich die deutsche Führung durch Erschießung von Zivilisten und Zerstörung vieler Häuser. 

Diese als Kriegsverbrechen zu klassifizierenden Taten begründen keine „Schuld“ heutiger Generationen. Doch sie ermahnen zu einem besonders sensiblen Umgang der einst am 1. Weltkrieg beteiligten europäischen Nationen miteinander.

Die Aufnahmen aus dem 1. Weltkrieg erinnern daran, dass damals die maßgeblichen Länder Europas durch geschickt gewählte „Beistandspakte“ in jeden Konflikt hineingezogen wurden, den Österreich-Ungarn mit seinen Nachbarn haben konnte.

Aus der Ermordung des österreichischen Thronfolgers durch serbische Terroristen 1914 hätte nicht der 1. Weltkrieg entstehen müssen, wenn nicht ein halbes Dutzend europäischer Staaten auf eine solche Gelegenheit gewartet hätten.

Insofern erinnern uns alte Fotos wie dieses an die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts…

Mercedes 230 Cabriolet B im „öffentlichen Dienst“

Dieser Tage erhält der deutsche Steuerzahler für den Kauf eines Elektroautos, das nichts besser kann als ein bewährter Wagen mit Verbrennungsmotor, dafür aber mehr kostet, eine „staatliche“ Subvention, die er zuvor selbst mit seinen Abgaben finanziert hat.

Unterdessen lässt sich das Berliner Regierungspersonal unverdrossen in gepanzerten Oberklasse-Limousinen konventioneller Bauart umherkutschieren. Wer sich über soviel Arroganz aufregt, dem sei gesagt: alles schon einmal dagewesen.

Während die Deutschen in den 1930er Jahren für einen propagandistisch groß angekündigten Volkswagen Ratenzahlungen leistete, fuhren die vom Steuerzahler parallel alimentierten Eliten weiter im Mercedes umher, mit Chauffeur natürlich.

Das folgende Foto dokumentiert die Selbstbedienungsmentalität öffentlicher Amtsträger, die eine systemunabhängige Konstante zu sein scheint.

© Mercedes-Benz 230 Cabriolet B und 170V; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier warten gleich zwei schirmmützenbewehrte Fahrer an ihren Mercedes-Wagen auf die Insassen, die seinerzeit hohe Tiere bei der Wehrmacht gewesen sein müssen.

Die zivilen Kennzeichen mit dem Kürzel „IA“ für den Zulassungsbezirk Berlin lassen vermuten, dass es sich um von Privatpersonen beschlagnahmte Autos handelt. Wenn es um’s große Ganze geht, müssen persönliche Rechte schon einmal hintanstehen.

Der rechte, in mattem Wehrmachtsgrau lackierte Wagen soll uns hier weniger interessieren, es ist ein Mercedes-Benz 170V, wie er einem auf zeitgenössischen Fotos öfters begegnet (Beispiel hier).

Das linke Fahrzeug dagegen ist trotz aller Familienähnlichkeit eine Klasse oberhalb angesiedelt, es ist ein Mercedes-Benz 230, intern als W143 bezeichnet. Der deutlich luxuriöser daherkommende Wagen war der Nachfolger des Typs 200, den wir hier bereits vorgestellt haben (Beispiel hier).

Um genau zu sein, handelt es sich um ein Mercedes-Benz 230 Cabriolet B, zu erkennen an dem leicht gepfeilten Kühlergrill und den entsprechend ausgerichteten Luftschlitzen in der Motorhaube, der Stoßstange mit Hörnern, den Kotflügeln mit glatten Schürzen und dem großen Abstand vom hinteren Türanschlag zum Heckschutzblech.

Formal unschön, aber hilfreich bei der Identifikation ist die im vorderen Drittel des Trittblechs befindliche Aussparung für den Wagenheber. Geschmackvoller ist die Zweifarblackierung des eindrucksvollen Wagens, die sich an den Rädern wiederholt.

Mit 55 PS aus 6 Zylindern war der Mercedes 230 nicht gerade souverän motorisiert. In den USA hatten erschwingliche Autos deutlich mehr Leistung (Beispiel Chevrolet Eagle). Und der deutsche Opel „Super 6“ bot dieselbe Leistung wie der Mercedes weit günstiger.

Zwar scheinen das „Mercedes-Gesicht“ und die Verarbeitung einigen Käufern Grund genug gewesen zu sein, den schwäbischen Wagen zu kaufen. Nur etwas mehr als 20.000 Exemplare in vier Jahren blieben jedoch überschaubar. Da war der Mercedes-Benz  170V ein größerer Erfolg. Man sieht ihn später im Kriegseinsatz auch öfter als den 230er.

Apropos Krieg: Die beiden Wagen in ihrer gegensätzlichen Aufmachung sprechen dafür, dass zum Aufnahmezeitpunkt der deutsch-russische Angriff auf Polen und die britisch-französische Kriegserklärung im September 1939 gerade erst erfolgt waren:

Der noch im zivilen Lack glänzende Mercedes 230 trägt bereits pflichtschuldig die vorgeschriebenen Tarnscheinwerfer und das Kürzel WH für „Wehrmacht Heer“ auf dem linken Schutzblech. Dagegen ist der mattgrau lackierte 170V noch unverdrossen ohne Tarnüberzüge und mit polierten Chromteilen unterwegs.

Die gute Stimmung der – eher zivil als militärisch anmutenden Chauffeure – erweckt ebenfalls den Eindruck, dass der Kriegsalltag in der Hauptstadt noch nicht spürbar ist. Das sollte erst ab 1943 mit den verstärkten Bombenangriffen auf Berlin anders werden…

Ein rarer „Dreier“ bei der Luftwaffe: BMW 329

Etliche BMW 3er-Modelle der 1930er Jahre wurden auf diesem Blog bereits in Originalfotos vorgestellt (303, 309, 315, 319). Bei ihnen tauchte nach der Dixi-Episode erstmals der bis heute markentypische Kühlergrill in Nierenform auf.

Bekannter sind sicher die Vorkriegsmodelle 326, 327 und 328, die formal wie leistungsmäßig das Markenimage prägten. Zu dieser Familie gehörte ein weiterer Typ, den heute selbst Kenner kaum „auf dem Radar“ haben, der BMW 329.

Auch wenn man zunächst nicht viel erkennt, ist eines dieser raren Exemplare auf dem folgenden Foto aus dem 2. Weltkrieg zu sehen:

© BMW 329, Baujahr: 1936/37; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zeitgenössische Fotos des nur 1936/37 in überschaubarer Stückzahl (ca. 1.200) gebauten Modells kann man sich nicht aussuchen, daher müssen wir uns mit dieser Aufnahme begnügen. Bevor wir uns den Wagen näher anschauen, einige Details zum BMW 329:

Der Wagen verfügte über den Antrieb des seit 1935 gebauten 6-Zylinder-Modells 319. Der 1,9 Liter-Seitenventiler leistete 45 PS, was rund 110km/h Spitzengeschwindigkeit ermöglichte. Deutsche Konkurrenten boten in derselben Hubraumklasse nichts Vergleichbares. Lediglich Fiats 6-Zylindermodell 1500 konnte mit dem BMW mithalten.

Formal kam der BMW 329 im Gewand des 1936 vorgestellten Typs 326 daher, mit dem sich BMW als Hersteller feiner Automobile mit sportlicher Charakteristik etablierte. Die typischen Elemente der neuen Karosserieform sind in der Ausschnittsvergrößerung unseres Fotos zu erkennen:

Die beiden jungen Herren sind Soldaten der deutschen Luftwaffe, zu erkennen an den Schwingen auf dem Uniformkragen. Der linke ist ein Unteroffizier, der rechte ein Mannschaftsdienstgrad (Obergefreiter), dessen fehlende Kopfbedeckung eigentlich eine Rüge verdient hätte. Doch offenbar war zum Aufnahmezeitpunkt kein Vorgesetzter präsent, der auf solche Details Wert gelegt hätte…

Wann und wo genau dieses Foto geschossen wurde, wissen wir zwar nicht. Doch die Tarnüberzüge über den Scheinwerfern verraten, dass die Aufnahme nach Beginn des 2. Weltkriegs entstand:

Man sieht hier auch das Nummernschild mit dem Kürzel „WL“, das für „Wehrmacht Luftwaffe“ stand. Recht gut erkennen kann man zudem die Gestaltung der BMW-Niere, wie sie ab dem Modell 326 typisch war. Dazu passt die Form der Vorderschutzbleche mit der breiten umlaufenden Sicke und dem spitz zulaufenden Ende.

Der haubenartige Aufsatz über dem in Fahrtrichtung rechten Scheinwerfer ist übrigens ein KfZ-Nachtmarschgerät der Münchener Nova-Technik GmbH („Notek“). Es ermöglichte eine ausreichende Ausleuchtung der Strecke vor einem Fahrzeug bei gutem Schutz vor feindlicher Aufklärung.

Die Frontpartie des BMW könnte grundsätzlich auch die eines BMW 320, 321, 326 oder 327 sein. Doch die Seitenansicht zeigt ein Detail, das es so nur am Cabriolet des BMW 329 gab:

Typisch für das Modell ist die aufgesetzte Zierleiste – anstand einer Karosseriesicke – die unterhalb des hinteren Seitenfensters nach unten abbiegt. Man ahnt dort auch den wenig vorteilhaften Stummel der C-Säule. Die vorne angeschlagenen Türen „passen“ ebenfalls.

Ein weiteres Indiz sind die schlichten Scheibenräder, da die höherwertigen Typen 326 und 327 mit gelochten Stahlfelgen ausgeliefert wurden. Man kann dieses Detail auf folgendem Ausschnitt ansatzweise erkennen:

Hier sieht man auch, dass das Schutzblech schon die eine oder andere Kaltverformung hinter sich hat. Das stark abgefahrene Profil der Reifen lässt ebenfalls ahnen, dass dieser BMW 329 schon längere Zeit im Dienst der Truppe war.

Die 6-Zylinder-Cabriolets von BMW wurden im Kriegseinsatz durchaus geschätzt – weniger wegen ihrer (nicht vorhandenen) Geländegängigkeit, als um ihres Prestigewerts wegen. Die Überlebenschancen dieser Wagen waren im Fronteinsatz denkbar gering.

Heute dürfte es nur eine Handvoll überlebender Fahrzeuge dieses extrem seltenen BMW-Vorkriegstyps geben.

Dem BMW 326, von dessen Karosserieform der 329 inspiriert war, wird demnächst ein eigener Bildbericht gewidmet.

Mercedes-Benz 170V als Fotomotiv im 2. Weltkrieg

Selbst Klassikerfreunde, deren Leidenschaft den Wagen der 1950er bis 70er Jahre gilt, kennen den Mercedes-Vorkriegswagen 170V. Der Grund: Das Volumenmodell der späten 1930er Jahre wurde nach dem 2. Weltkrieg bis 1953 weitergebaut und ist auf fast jeder größeren Oldtimerveranstaltung hierzulande präsent.

Auf diesem Blog wurde der 170V bereits eingehend besprochen (Bildbericht), daher ersparen wir uns an dieser Stelle die technischen Details des grundsoliden, aber nach 1945 formal wie technisch rückständigen Wagens. Heute soll es um Momentaufnahmen aus dem Leben von Wagen des Typs 170V im 2. Weltkrieg gehen.

Wie praktisch alle Serien-PKW wurden nach Kriegsausbruch auch Mercedes-Modelle beschlagnahmt und dem Fuhrpark der Wehrmacht zugeführt. Ausgenommen blieben Fahrzeuge, die zur Aufrechterhaltung elementarer Aufgaben unverzichtbar waren, beispielsweise Autos von Landärzten.

Dieselbe Praxis findet sich übrigens bei allen europäischen Kriegsparteien. Keine Armee war für den ab 1939 stattfindenden Bewegungskrieg mit einer ausreichenden Zahl an PKW für Stabs- und Kurierzwecke ausgestattet.

So sind Kriegsfotos des zivilen Mercedes-Benz 170 V alles andere als selten:

© Mercedes Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Das Foto zeigt Wehrpflichtige in einem Waldstück vermutlich bei der Wartung ihrer Fahrzeuge. Jedenfalls ist die rechte Motorhaube des Mercedes geöffnet und der im Arbeitsanzug gekleidete Soldat links scheint gerade einen Reservekanister auf dem Baumstumpf neben ihm abgestellt zu haben.

Typisch für den Mercedes 170 V sind die der Neigung der Kühlermaske folgenden Luftschlitze in der Haube, die seitlichen Schürzen der Frontschutzbleche und die großen Radkappen mit dem Mercedes-Stern.

Dieselben Elemente finden wir auf folgendem Originalfoto, das auf der Rückseite auf 1940 datiert ist:

© Mercedes Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Szene zeigt vermutlich eine Braut – darauf deutet der Blumenstrauß in ihrer Hand hin – womöglich mit ihren Geschwistern. Der Bräutigam könnte das Foto gemacht haben.

Die beiden jungen Männer mit den hochgekrempelten Ärmeln scheinen mächtig stolz zu sein auf die sommerlich gekleidete Dame, die ihnen zu ähneln scheint –  daher die Vermutung, dass die drei Geschwister sind.

Bemerkenswert ist der auf dem Vorderschutzblech des Wagens Sitzende:

Er trägt zum offenen Hemd Schaftstiefel und Reithose, das könnte ihn als Offizier oder Offiziersanwärter auf Heimaturlaub ausweisen. Vielleicht hat er den Mercedes zum Besuch zuhause „organisiert“.

Der Wagen ist auf jeden Fall matt gespritzt, auch die sonst verchromten Radkappen mit dem Mercedes-Stern und die Scheinwerfer sind überlackiert. Es muss sich also um ein Wehrmachts-Fahrzeug handeln.

Man wüsste gern, wie genau der junge mutmaßliche Soldat den Wagen zum Besuch daheim beschafft hat. Von Zeitzeugen wissen wir, dass unter den Bedingungen des Kriegs mit etwas Phantasie und Beziehungen fast alles möglich war.

Es bleibt eine berührende Momentaufnahme, die davon erzählt, dass die von verbrecherischen Eliten in den Krieg hineingezogene deutsche Bevölkerung sich bemühte, einen Restbestand an Normalität und Würde zu bewahren.

Rarität in Feldgrau: Ein Hanomag „Sturm“ Cabriolet

Die PKW-Palette des Maschinenbaukonzerns Hanomag wurde in den 1930er Jahren durch das 6-Zylindermodell „Sturm“ gekrönt. Damit wagten sich die stets vorsichtig agierenden Hannoveraner erstmals ins Territorum der Oberklasse vor.

Auf folgender zeitgenössischen Werbeanzeige von Hanomag steht der „Sturm“ entsprechend im Vordergrund:

© Hanomag-Reklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Formal ähnelte der Hanomag „Sturm“ dem Mittelklasse Modell „Rekord“, von dem hier bereits einige Exemplare anhand von Originalfotos vorgestellt wurden (Bildergalerie). Die gelungene Standardkarosserie der beiden Typen stammte von Ambi-Budd in Berlin.

Äußerlich erkennbar war der „Sturm“ in erster Linie am deutlich längeren Vorderbau und – gegebenenfalls – an den sechs Luftklappen in der Motorhaube (beim Rekord meist nur vier). Allerdings verfügten bei beiden Modellen einige Exemplare auch über fünf Luftklappen, was die Identifikation mitunter erschwert.

Im vorliegenden Fall verweist die lange Haube jedoch auf einen Hanomag „Sturm“:

© Hanomag „Sturm“ Cabriolet, Baujahr: 1934-39; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick könnte dies auch ein Adler „Diplomat“ sein, für den Ambi-Budd dieselbe Basiskarosserie lieferte. Ein Indiz dafür liefern insbesondere die geschlossenen Scheibenfelgen (beim Hanomag sieht man meist gelochte Felgen).

Doch zwei Details sprechen für einen Hanomag „Sturm“: Zum einen der flach auslaufende Vorderkotflügel, der beim Adler „Diplomat“ wuchtiger wirkt und nicht so elegant ins Trittbrett übergeht. Zum anderen entspricht das Flügellogo auf dem Kühlergrill eher demjenigen von Hanomag (beim Adler waren die Schwingen schlanker und länger).

Wer sich über die Aufnahmeperspektive und die geringe Schärfe des Fotos wundert, weiß nicht, dass dies lediglich eine Ausschnittsvergrößerung ist. Denn der Hanomag „Sturm“ auf unserem Bild war nicht allein unterwegs:

© Hanomag „Sturm“ Cabriolet und SdKfz 10; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss kein Spezialist für Militärfahrzeuge sein, um den Kontext der Aufnahme zu erkennen. Das Foto wurde während des 2. Weltkriegs bei einer Einheit der deutschen Wehrmacht geschossen, in der der Hanomag vermutlich als Stabsfahrzeug diente.

Leider verrät das Umfeld wenig über den Aufnahmeort. Die soliden Ziegeldächer sprechen gegen eine Entstehung in Russland, wo auf dem Lande strohgedeckte Dächer dominierten. In Frage kommt eher ein Dorf im ab 1940 besetzten Frankreich.

Mehr sagen lässt sich zu dem Halbkettenfahrzeug, dass hinter dem Hanomag steht:

Hierbei handelt es sich um ein Sonder-Kraftfahrzeug 10 (SdKfz 10), das zu Zeiten der Weimarer Republik als Artillerie-Zugfahrzeug für die Reichswehr entwickelt worden war.

Das mit einem bis zu 100 PS starken Maybach-Motor ausgestattete Gefährt erwies sich im Krieg als leistungsfähig und zuverlässig und wurde bis 1944 von diversen Herstellern – darunter auch den Frankfurter Adler-Werken – in über 17.000 Exemplaren gefertigt.

Auf unserem Foto ist wahrscheinlich die Variante mit 2cm-Maschinenkanone zur Flugabwehr zu sehen. Markant sind die außen montierten Munitionsbehälter und die Sitzplätze für das Bedienungspersonal (bis zu 8 Mann).

Soweit erkennbar handelt es sich bei den Soldaten auf dem Foto um einfache Wehrpflichtige (zu erkennen am Gefreitenwinkel auf dem Oberarm), die sich wie die meisten Soldaten der Wehrmacht den von der Berliner Führung angezettelten Krieg und seine fatalen Folgen nicht ausgesucht haben…

1914: Frontbesuch im „Rolland-Pilain“-Tourer

Als Liebhaber von Vorkriegsautos, der nicht auf eine Marke festgelegt ist, kommt man an französischen Wagen nicht vorbei.

Deutsche Erfinder hatten zwar die Grundlagen für das benzingetriebene Automobil geschaffen. Doch der rasante Fortschritt bis zum 1. Weltkrieg war maßgeblich französischen Herstellern zu verdanken. 

Die meisten davon sind heute nur noch Spezialisten geläufig, dabei gab es bis zum 2. Weltkrieg über 1.000 Automarken in Frankreich. Ein schönes Beispiel für den Grad der Vervollkommung, den die Franzosen bereits kurz nach Anfang des 20. Jahrhunderts erreichten, ist auf folgenden Bildern zu sehen:

© Rolland-Pilain, Baujahr 1909; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist keine pferdelose Kutsche mehr, sondern ein Auto, wie es auch Anfang der 1920er Jahre noch Stand der Technik war, wenn man von den Scheinwerfern absieht. Nur: dieser über 100 km/h schnelle 2 Liter-Wagen wurde bereits 1909 gebaut!

Wem der Hersteller dieses Automobils – Rolland-Pilain– nichts sagt, ist nicht allein. Der Verfasser wusste auch nichts von der Marke, bis er 2014 auf der Messe Interclassics & Topmobiel in Maastricht auf dieses Prachtexemplar stieß.

Es soll hier nicht die gesamte Geschichte dieser Firma ausgebreitet werden, nur so viel: Rolland-Pilain wurde 1905 in Tours im Loire-Gebiet gegründet. Namengebend waren der Finanzier (Francois Rolland) und der technische Kopf (Emile Pilain) des Unternehmens.

Die Firma litt stets unter chronischer Kapitalknappheit, stürzte sich aber von Anfang an in ehrgeizige Vorhaben, die auch (meist erfolglose) Rennaktivitäten umfassten. Im Jahr 1910 etwa bot man neun Modelle an. Dazu gehörten neben einem ventillosen 6-Zylinder nach Knight-Patent etliche 4-Zylinder-Motoren von 1,4 bis 14 Liter Hubraum.

Mit 8-Zylinder-Rennwagen trat Rolland-Pilain in den 1920er Jahren bei diversen Grand Prix und Le-Mans-Rennen an. Diese Aktivitäten überforderten jedoch die Firma, die in der Zwischenkriegszeit lediglich mit 4-Zylinder-Wagen kommerziellen Erfolg hatte.

1927 endete die Autoprouktion nach nur 5.000 Exemplaren und 1932 erlosch auch die Firma Rolland-Pilain. Was bleibt sind die wenigen überlebenden Zeugen aus der Frühzeit der Marke und historische Fotos, die nicht minder faszinierend sind:

© Rolland-Pilain, Frankreich im Spätsommer 1914; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Originalfoto ist ein ganz außergewöhnlicher Fund und man weiß gar nicht, was darauf eindrucksvoller ist – das Auto oder die Situation, in der es aufgenommen wurde.

Beginnen wir mit dem Wagen und arbeiten uns dann weiter vor: Das Auto liegt außerhalb des Schärfebereichs der Aufnahme, doch es handelt sich mit einiger Wahrschenlichkeit um einen Rolland-Pilain, der kurz vor dem 1. Weltkrieg gebaut wurde.

Werfen wir einen näheren Blick auf das Fahrzeug, nachdem der störende Knick – vielleicht auch in Riss im Glasnegativ? -weitgehend wegretuschiert wurde.

Auf der in Fahrtrichtung linken Seite des Küherlgrills ist ein schräg nach oben laufender Schriftzug zu erkennen. Man erahnt ein großes „R“ oder „P“ als Anfangsbuchstabe, weiter hinten deutet sich ein (vermutlich) doppeltes „l“ an.

Zusammen mit der markanten Form des gemäßigten Spitzkühlers spricht dies stark für einen Rolland-Pilain. Auch die Form von Scheinwerfern und Karosserie passen zu zeitgenössischen Modellen der Marke, wenngleich diese Details nicht einzigartig sind.

Spannend ist nun die Situation, in der dieser französische Wagen abgelichtet wurde. Links davon sieht man nämlich einen Trupp deutscher Soldaten, wie an den Pickelhauben erkennbar ist.

Die mit Karabiner K98 bewaffneten Männer mit Marschgepäck blicken beobachtend der Sonne entgegen. Man sieht hier gut, welche fatale Wirkung die polierten Spitzen der Pickelhauben im offenen Gelände hatten – sie waren weithin zu erkennen.

Kein Wunder, dass bald Stoffüberzüge für den Helm und ab 1915 der unverkennbar deutsche Stahlhelm angeschafft wurde. Die Pickelhauben erlauben somit eine Datierung in die Frühphase des 1. Weltkriegs. Dies wird durch den handschriftlichen Vermerk auf der Rückseite bestätigt: „1914, bei Saint-Priel“.

Einen Ort dieses Namens sucht man zunächst vergeblich, doch nach einigen Recherchen lässt er sich lokalisieren. Es ist eine alte Flurbezeichnung in der Nähe von Moyenmoutier in den nördlichen Vogesen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen zu Kriegsbeginn im August 1914 fanden auch in dieser Gegend Kämpfe statt. In Gefallenenmeldungen auf französischer Seite aus jener Zeit wird Saint-Priel jedenfalls erwähnt.

Danach blieb es dort vergleichsweise ruhig. Im Spätsommer 1914 fand ein Truppenbesuch in der Region seitens des deutschen Kronprinzen – des Sohns Kaiser Wilhelms II. – statt. Bei dieser Gelegenheit könnte unsere Aufnahme entstanden sein, vermutlich zeigt sie eine Übung hinter der Front.

Der Rolland-Pilain war zu diesem Zeitpunkt ein deutsches Beutefahrzeug und er scheint eine entsprechende Markierung unterhalb der Windschutzscheibe zu tragen. Die Soldaten auf unserem Foto wirken übrigens nicht wie Rekruten, offenbar hat man hier ältere Wehrpflichtige eingesetzt, die abseits der Front in Nachschubeinheiten Dienst taten.

Dessenungeachtet erinnert das Bild an eine Zeit, in der die deutsche Führung – wie übrigens die französische auch – kein Problem damit hatte, Einheit auf Einheit in die Materialschlachten im Westen zu schicken, so wie man Holzscheite ins Feuer schiebt.

Nach all den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sind die Völker Europas auch heute gut beraten, hochfliegenden politischen Plänen und Utopien abgehobener Eliten auf Kosten der Mehrheit eine Absage zu erteilen. Insofern vermittelt dieses über 100 Jahre alte Foto eines Automobils eine zeitlose Botschaft…

DKW F5: Versionen „Reichsklasse“ & „Meisterklasse“

Die PKW-Palette des einst im sächsischen Zschopau angesiedelten Zweitaktspezialisten DKW ist auf diesem Blog bereits umfassend behandelt worden. Einige wenige Lücken sind aber noch zu schließen.

Heute soll das Modell F5 in den zwei DKW-typischen Ausstattungsvarianten „Reichsklasse“ und „Meisterklasse“ vorgestellt werden. Diese Bezeichnungen klangen beide nach Tradition und Solidität, sodass man sich auch für die einfachere Variante nicht genieren musste.

So gab es auch für die Reichsklasse-Modelle Überzüge für das am Heck montierte Reserverad, auf denen die Ausstattungsvariante zu lesen war. Erst die Diktatur des „Dritten Reichs“ hat es geschafft, positive Assoziationen mit dem Reichsbegriff  im offiziellen Sprachgebrauch unmöglich zu machen.

Dass es soweit kommen sollte, davon wussten die drei jungen Unteroffiziere der Luftwaffe nichts, die sich zu Friedenszeiten mit folgendem DKW F5 Reichsklasse aus dem Zulassungsbezirk Braunschweig ablichten ließen:

© DKW F5 „Reichsklasse“, Baujahr 1936; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Abzug ist ungewöhnlich klein für die Vorkriegszeit; das Foto muss mit einer der ersten Kleinbildkameras entstanden sein. Neben Leica kommt auch Contax in Frage – bis heute eine der begehrtesten Sucherkameras der 1930er Jahre.

Welche Qualität selbst ein Amateur damit produzieren konnte, lässt sich auf folgendem Ausschnitt erahnen. Nicht vergessen: das eingelesene Bild ist bald 80 Jahre alt und kein professioneller Abzug. Dennoch beeindrucken die differenzierten Tonwerte der perfekt belichteten Aufnahme. Hier war ein erfahrener Fotograf mit gutem Auge am Werk:

Zum Auto: Wir sehen hier einen DKW F5 der Ausstattungsvariante „Reichsklasse“, wie sie so nur 1936 gebaut wurde. Der DKW F5 als solcher löste 1935 den Vorgänger F4 ab, von dem er sich äußerlich vor allem durch die Türform unterschied.

Wies der F4 noch eine vorne abgerundete und über dem Schweller endende Tür auf, verlief das Vorderende der Tür beim F5 gerade. Zudem reichte die Tür bis an die Unterkante der Karosserie. Dies war durch den neuen Zentralkastenrahmen möglich.

Ein Merkmal der Basisaustattung „Reichsklasse“ war der Verzicht auf Seitenschürzen an den vorderen Schutzblechen. Auch das Fehlen einer Zierleiste entlang der Motorhaube ließ erkennen, dass es das einfache Modell mit 18 PS aus 600ccm war.

Folgendes Originalfoto zeigt nun die Seitenschürzen und die Zierleiste an der Motorhaube, die den DKW F5 „Meisterklasse“ kennzeichnen. Außerdem verfügt der Wagen über breitere seitliche Luftschlitze als das Basismodell „Reichsklasse“:

© DKW F5 „Meisterklasse“, Baujahr 1936; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Vor 1936 gebaute Wagen dieses Typs hätten sich außerdem durch verchromte statt lackierte Radkappen und komplett verchromte Scheinwerfer von der Einfachausführung unterschieden.

Ab dem Modelljahr 1936 zeichnet sich jedoch der bevorzugte Einsatz von Chrom für die Aufrüstung des Dritten Reichs ab. Chrom wurde aufgrund seiner Härte als Beschichtung für Zylinder von Militärfahrzeugen und Flugzeugen benötigt. Bei zivilen PKWs wurde der Einsatz von Chrom daher zunehmend eingschränkt, ein Kennzeichen der national-sozialistischen Planwirtschaft.

Die zunehmende Militarisierung war also schon vor Kriegsbeginn im Alltag spürbar. Das war freilich in ganz Europa der Fall, denn nach dem fatalen Versailler Vertrag war klar, dass Deutschland so oder so die angelegten Ketten abschütteln würde.

Dass zum Zeitpunkt der Aufnahme des DKW F5 „Meisterklasse“ bereits der 2. Weltkrieg tobte, ist an den vorgeschriebenen Tarnüberzügen der Scheinwerfer zu sehen. Leider kann man das Nummernschild aus dieser Perspektive nicht entziffern.

Das Foto wurde im Winter gemacht, darauf weisen der Kühlerüberzug zur Begrenzung der Luftzufuhr und der Schneehaufen im Hintergrund hin. 

Auch der Herr im mittleren Alter, der in den äußerlich schon etwas mitgenommenen DKW steigen will, ist winterlich gekleidet.

Mit Hut, langem zweireihigen Wollmantel, Schal und Handschuhen war er gut gerüstet für eine Fahrt im DKW, der über keine serienmäßige Heizung verfügte. Die Nadelstreifenhosen lassen vermuten, dass wir es mit einem höheren Angestellten oder Beamten zu tun haben. Genaues wissen wir nicht.

Im Unterschied zu den drei Luftwaffensoldaten dürfte der Krieg für ihn glimpflich ausgegangen sein. Doch Verluste zu beklagen hatte seinerzeit letztlich so gut wie jede Familie in den betroffenen Ländern, und sei es der Verlust der Heimat oder anderer elementarer Dinge wie Reise- und Redefreiheit.

Daher ist die Beschäftigung mit den Fahrzeugen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unweigerlich immer wieder eine Konfrontation mit der Zeitgeschichte.

BMW 3er mit 900ccm unterwegs mit der Eisenbahn…

Der Titel lässt zunächst einen humoristischen Beitrag erwarten – nach dem Motto: einen noch halbwüchsigen BMW transportiert man besser per Bahn, als ihn auf die Straße zu lassen. Doch der Hintergrund ist ein ernster, wie wir gleich sehen.

Besagter 3er BMW mit 900 Kubik ist der bereits präsentierte Typ 309, den BMW von 1934-36 den neuen Sechszylindermodellen 303, 315 und 319 zur Seite stellte. Mit seinem 20 PS „starken“ 4-Zylinder-Motor bot er natürlich nichts von dem sportlichen Image, das BMWs 3er Reihe der Vorkriegszeit begründen sollte. 

Aber es gab zunehmende Nachfrage in Deutschland in der Einsteigerklasse, bis dato das Revier von DKW, Hanomag und Opel. Mit seiner modernen Ganzstahlkarosserie und der markanten Frontpartie konnte der BMW 309 durchaus punkten.

Wie kommt nun ein solcher Kleinwagen auf einen Eisenbahnwaggon, wird man sich beim Anblick des folgenden Originalfotos fragen?

© BMW 309, Bj. 1935-36; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Das Foto gewährt eine ganz ungewohnte Perspektive auf das Auto. Es ist auch unter außergewöhnlichen Umständen entstanden, nämlich bei einer Truppenverlegung per Güterzug mitten im 2. Weltkrieg.

Die matte Lackierung, die Tarnabdeckungen auf den Scheinwerfern und natürlich die gesprengte Brücke sprechen für sich. Auf dem Nummernschild ist das Kürzel „WL“ zu erkennen, was für „Wehrmacht Luftwaffe“ stand.

Leider erlauben die dem Verfasser zugänglichen Quellen keine Identifikation des auf dem Schutzblech aufgemalten Zeichens, das für die Art der Einheit bzw. die Zugehörigkeit zu einem Großverband stehen kann.

Auch sonst fehlen direkte Hinweise auf Aufnahmeort und -zeitpunkt. Einige Rückschlüsse lassen sich aber aus der Gesamtsituation ziehen. Die Architektur im Hintergrund – speziell der spitze Kirchturm – spricht eher für die Westfront als für eine Gegend im Osten oder Süden. 

Wahrscheinlich ist das Foto in Belgien oder Frankreich entstanden, wo im Sommer 1940 vielerorts Brücken gesprengt wurden, um den deutschen Vormarsch zu behindern. Bekanntlich hat das nichts genützt – der Westfeldzug endete nach nur sechs Wochen mit der französischen Kapitulation.

Der Zug fährt auf unserem Foto vermutlich über eine von Pionieren errichtete Behelfsbrücke. Auch an der zerstörten Brücke nebenan sind Aufräumarbeiten im Gange. Die entspannte Atmosphäre der Aufnahme spricht für eine Situation in bereits besetztem Gebiet, in dem keine Kämpfe mehr stattfinden.

Wer genau hinsieht, kann in dem BMW mit Tourenwagenaufbau einen vergnügten Landser erkennen, der zumindest hier nichts zu befürchten hat. Wohin die Reise ging, erfuhren die Truppen erst am Ziel. Solange genoss man den vergleichsweise bequemen Bahntransport – und sei es auf dem Güterwagen.

Die Einheit, der der kleine BMW angehörte, hatte vielleicht logistische Aufgaben und verrichtete im günstigsten Fall einen eher ruhigen Dienst. In Frankreich war man auch mit einem BMW mit 20 PS ausreichend motorisiert, hier gab es kein vergleichbar schweres Gelände wie in Russland oder in Afrika zu bewältigen.

Was aus dem Wagen – sicher war es ein eingezogenes Zivilfahrzeug – und seinen zeitweiligen militärischen Besitzern wurde, wissen wir nicht. Sicher ist nur: Die ursprünglichen Eigentümer haben den BMW nie wieder gesehen.

Der Vollständigkeit halber noch ein paar Worte zur Identifizierung des Wagens als Modell 309: Vom äußerlich sonst baugleichen 303 wurden keine Tourenwagen in nennenswerter Stückzahl produziert, und beim Modell 315 waren die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube anders angeordnet. So kommt nur der 309 in Frage, und zwar der von 1935/36, wie das aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen verrät.