Fund des Monats: Endlich ein Cyklon 9/40 PS!

Beängstigend beinahe, wie die Zeit vergeht – hätte ich doch fast übersehen, dass schon wieder ein Monat (und damit das erste Halbjahr) herum ist.

Kaum weniger irritierend, dass es nun schon fast genau drei Jahre her ist, dass ich zuletzt das heutige Thema gestreift habe; ich hätte schwören können, es sei letztes Jahr gewesen.

Egal, wir wollen uns hier ja dem Dahinfliegen der Zeit und dem Vergessen nach besten Kräften entgegenstemmen – am zuverlässigsten geht das mit einer Reise in die Welt von gestern, die in den besten Momenten beinahe real wird.

Schauen wir aber erst einmal, was ich seinerzeit als Fund des Monats August 2020 ausgegraben hatte:

Dixi 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese großzügige Limousine mit dem Standard-Aufbau von Ambi-Budd (Berlin), der sich zeitgleich auch am Adler „Favorit“ bzw. „Standard 6“ fand, ist einer der raren Sechszylindertypen 9/40 PS, die ab 1927 zunächst unter dem Markennamen „Cyklon“, dann als „Dixi“ bei den Fahrzeugwerken Eisenach gebaut wurden.

Die beiden Marken gehörten ab 1922 (Cyklon) bzw. 1924 (Dixi) zum Auto-Imperium von Jacob Shapiro und wie Dixi-Spezialist Matthias Doht hier überzeugend kommentiert, wurden diese großen Wagen wahrscheinlich schon in Eisenach gebaut, als sie noch als Cyklon firmierten.

Warum man sie überhaupt anfänglich mit der vor allem durch seine Dreirad-Automobile bekanntgewordenen Firma Cyklon in Verbindung brachte, ist schwer zu erklären. Vielleicht wollte Schapiro so vor sich selbst den (Fehl)Kauf der Marke rechtfertigen.

Doch dummerweise vermochte auch der prächtig daherkommende Cyklon 9/40 PS – Deutschlands billigster Sechsyzlinder – am Markt nicht zu überzeugen. So findet man ihn vorwiegend auf zeitgenössischen Reklamen und in Büchern jener Zeit:

Cyklon 9/40 PS; Abbildung aus: Joachim Fischer, Handbuch vom Auto, 1927 (Original aus Sammlung Michael Schlenger)

Vom eingangs gezeigten Dixi 9/40 PS unterscheidet sich dieses Exemplar zum einen durch den Tourenwagenaufbau, zum anderen durch das abweichende Markenemblem. Dessen Form prägen wir uns ein, auch wenn das Firmenlogo nicht zu erkennen ist.

Vor kurzem stieß ich dann auf die Aufnahme eines Autos, das mir merkwürdig vertraut vorkam. Doch da ich die Dixi-Cyklon-Connection wieder aus dem Auge verloren hatte, wollte der Groschen eine ganze Weile nicht fallen.

Nur dass das fragliche Fahrzeug ebenfalls die typische Ambi-Budd-Karosserie besaß, wie sie vor allem für die Adlerwerke in Frankfurt/Main geliefert wurde, das war klar.

Ich befasste mich erst einmal ein Weile mit dem Beseitigen von Flecken auf dem Abzug, aber das gab ich in dem Moment auf, als mir klar wurde, was ich da vor mir hatte:

Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nehmen Sie sich etwas Zeit und vergleichen diesen Wagen mit dem Dixi 9/40 PS bzw. dem Cyklon auf obiger Buchabbildung – alles wesentliche stimmt überein und der Kühler entspricht klar dem des Cyklon.

Wenn ich damit richtig liege, ist dieses Foto das erste Original überhaupt, welches ich von einem Cyklon 9/40 PS gefunden habe. Wenn jemand ein weiteres kennt, freue ich mich natürlich dennoch über einen Hinweis.

Über den Wagen und seine Besitzer wissen wir leider nichts – außer, dass er im Raum Recklinghausen zugelassen war.

Sehr gut gefällt mir die entspannte Haltung des Paars vor dem Wagen – so gekleidet posiert man würdig vor einem derartigen Wagen. Auch das ist eine leider vergangene Facette von Stilbewusstsein (nur wenige Menschen sind so schön, dass sie sich im Alltag weitgehend entblößen können, ohne dass dies anderen Ungemach bereitet).

Datieren würde ich diesen großartigen Fund auf die frühen 1930er Jahre. Wir Nachgeborenen haben es gut und können uns daran ungeschmälert erfreuen.

Dabei wissen wir, dass sich die Welt damals in einen Höllenschlund verwandelte, weil die sogenannten Eliten in Politik, Wirtschaft und Militär glaubten, dass sie die Herren der Welt seien und die Masse hierzulande leider oft mehr mitmachte, als nötig war.

Wenn das Paar auf dem Foto den 2. Weltkrieg überlebt hat, konnte es sich glücklich schätzen, der Cyklon wird sicher früher oder später unter die Räder geraten sein. Hier bekommt er noch einmal die Bühne, die er verdient.

Übrigens sollte es (angeblich) 1929 noch einen weiteren Cyklon mit Sechszylinder geben – nun jedoch mit geringerem Hubraum (1,8 Liter) – vielleicht als Konkurrenz zum Opel 8/40 PS.

Darauf weist diese Reklame hin, deren Interpretation ich aber den Spezialisten überlasse…

Cyklon 7/40 PS; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Masse mit Klasse: Chevrolet Coupé von 1927

„Klasse statt Masse“ – so pflegen die Gourmets in so ziemlich allen Bereichen zu sagen, in denen es auf Kennertum und Exklusivität ankommt. Und wer unter uns Vorkriegsauto-Enthusiasten würde sich nicht für die meisterhaften Manufakturwagen jener Zeit begeistern?

Als Freund des „sowohl als auch“ und unverbesserlicher Kapitalismus-Sympathisant schlägt mein Herz jedoch ebenso für die industrielle Massenproduktion, welche Klasse auch der Masse zugänglich macht – was Snobs stets zuwider war und bis heute ist.

Was ist denn auch so ein kompakter Vierzylinder-Wagen mit nicht einmal 30 PS Leistung, der obendrein reichlich bieder daherkommt?

Nun, das kann ein selbst für recht gut Situierte unerschwingliches Manufakturauto aus deutscher Produktion mit banalster Technik sein – dann wird es heute dennoch gefeiert, weil es so ungeheuer selten ist (und schon zur Entstehungszeit war).

Es kann aber auch einer der von vielen geringgeschätzten US-Großserienwagen sein, die erstmals jedermann – wirklich jedermann – den Besitz eines Automobils ermöglichten.

Neben Ford war es vor allem die Marke Chevrolet, die um die Mitte der 1920er Jahre unbegrenzte Mobilität für die Masse ermöglichte.

Im Modelljahr 1927 knackte der Hersteller erstmals die Marke von 1 Millionen Fahrzeugen – keineswegs kumuliert seit dem ersten „Chevy“ von anno 1912, sondern pro Jahr!

Dass aus dieser in Europa völlig unvorstellbaren Masse durchaus Klasse werden konnte, das will ich heute anhand einiger „neuer“ alter Fotos zeigen.

Zur Auffrischung der Erinnerung aber erst einmal eine Aufnahme eines dieser 1927er Chevrolets, welche ich schon einmal präsentiert habe:

Chevrolet 4-Türer von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei dieser 4-türigen Limousine sind alle wesentlichen Details zu sehen:

Der Kühler mit dem Markenlogo und der ins Kühlernetz hineinragenden Spitze, die es nur 1927 gab, die Stahlscheibenräder mit sechs Radbolzen, die konisch geformten Scheinwerfergehäuse und die Zierleiste, die von der Motorhaube kommend die gesamte Flanke entlangläuft.

Mit solchermaßen geschärftem Blick können wir uns nun der nächsten Variante über das Thema „Masse mit Klasse“ nähern.

Hier finden wir alle erwähnten Details wieder, doch nun in Kombination mit einem nur zweitürigen geschlossenen Aufbau – in den Staaten als „Coach“ bezeichnet, während der Viertürer als „Sedan“ firmierte:

Chevrolet 2-Türer von 1927; Originalfoto aus Familienbesitz (Jochen Kruse)

Auch mit nur zwei Türen waren diese Herrschaften einst mit Klasse unterwegs – denn im Deutschland der 1920er Jahre war selbst ein solcher Chevrolet für die allermeisten Bürger ein unerschwingliches Luxusobjekt.

Klasse finde ich an diesem Exemplar nicht zuletzt, dass wir die Namen der Besitzer kennen, welche vorne sitzen: Am Steuer haben wir Lotte Engler und neben ihr Ehemann Franz. Sie waren die Großeltern von Jochen Kruse, dem wir dieses schöne Dokument verdanken.

Hinten war offenbar reichlich Platz für die Passagiere – amerikanische Serien-„Kleinwagen“ waren stets erwachsene Autos, keine mitleiderregenden Minimalmobile, wie sie so viele deutsche Phantasten in den 1920er Jahren ohne Erfolgsaussicht zu bauen versuchten.

Na, haben Sie sich schon ein wenig mit dem Konzept Masse mit Klasse vertraut gemacht?

Dann werden Sie keine Mühe haben, auch den folgenden Wagen als 1927er Chevrolet anzusprechen, obwohl die Chancen aus dieser Perspektive für gewöhnlich schlecht stehen:

Chevrolet 2-Türer von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Selbst ohne den „Chevrolet“-Schriftzug auf der Reserverradhülle ließe sich dieser Wagen identifizieren. Zwar wies das 1928er Modell noch ähnliche Details auf – doch der kurze Radstand verweist klar auf 1927.

Die beiden Damen, denen wir hier beim Einsteigen zusehen dürfen, sehen nicht so aus, als sei ihnen dieses Massenfabrikat in irgendeiner Weise peinlich – im Gegenteil werden sie gewusst haben, dass ein solcher Wagen im damaligen Deutschland der vermögenden Klasse vorbehalten war. Der Durchschnittsbürger besaß bestenfalls ein Fahrrad.

Doch selbst bei den Privilegierten, welche sich hierzulande einen Chevrolet leisten konnten, den in den Staaten jeder Arbeiter oder Bauer fuhr (wenn er nicht Ford bevorzugte) war zwecks Abgrenzung von der bloßen Masse in Sachen Klasse noch etwas drin.

Schauen Sie sich dazu einmal dieses Exemplar an – das ist doch eine Klasse für sich:

Chevrolet Sports Coupe von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für den an der Masse geschulten Blick ist der Fall klar: Auch das muss ein 1927er Chevrolet sein, aber einer mit Extra-Klasse!

Selbst die Nieten für den innenliegenden Halter des Vorderkotflügels sind an der richtigen Stelle. Oberhalb der „Gürtellinie“ ist dieses Exemplar aus deutschen Landen jedoch eigen.

Ganz offensichtlich handelt es sich um die seltene Ausführung als zweisitziges Coupe mit im Heck befindlichen „Schwiegermuttersitz“ – im Amerikanischen als „rumble seat“ bezeichnet.

Das wäre es schon fast gewesen – viel mehr muss man über diesen Vertreter des basisdemokratischen Konzepts „Masse mit Klasse“ gar nicht wissen.

Eines vielleicht aber doch: Der 1927er Chevy besaß sogar im Zylinderkopf hängende Ventile, ganz entgegen dem Standard, welcher Seitenventile bis in die 1930er Jahre vorsah.

Das und weiteres erfahren wir im folgenden Video, das einen Überlebenden genau dieses Typs zeigt, natürlich in den USA, wo noch tausende dieser prinzipiell für die Ewigkeit gemachten Wagen existieren.

Mit den Chevys und Fords der Vorkriegszeit ist auch heute für jedermann erschwingliche Vorkriegsmobilität möglich, wenn man Sinn für die Klasse eines gut abgestandenen Originals und kein Snob-Problem mit Masse hat…

Videoquelle: YouTube.com; hochgeladen von Ben Logan

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Anders reisen: Renault-Limousine von 1913/14

Gestern abend bin ich aus Umbrien zurückgekehrt – dem grünen Herzen Italiens, das als einzige Provinz des Landes nirgends ans Meer grenzt. Das mag einer von mehreren Gründen sein, weshalb die Region in Deutschland relativ wenig bekannt ist.

Man begegnet dort einer einzigartigen Mischung aus wilder Natur, Kulturlandschaft und großartigen Kunststätten, die von einem Menschenschlag belebt wird, der sich über die Jahrtausende kaum geändert hat. Eroberer zogen eher durch, als dass sie blieben, sieht man von der langobardischen Episode am Ende der Antike einmal ab.

Zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden hat sich in 2.500 Jahren nur wenig verändert. Wo schon in vorrömischer Zeit Wein, Weizen oder Oliven angebaut wurden, wird das heute noch getan, auch die Städte stammen durchweg aus jener Epoche und sind oft in den Mauern von einst geblieben.

Am bekanntesten ist wohl der Wallfahrtsort Assisi, an dem der Heilige Franziskus mit unverminderter Inbrunst verehrt wird. Man braucht keineswegs gottgläubig zu sein, um die Faszination zu verstehen, welche dieser Mann und seine Lehren bis heute ausüben.

Die atemberaubende Silhouette von Assisi wird von der Doppelkirche San Francesco beherrscht, welche sich auf einem künstlich geschaffenen Plateau befindet, das weit in die Landschaft vorragt und auf den von Norden kommenden Pilger auch nach der x-ten Begegnung überwältigend wirkt. Zu dergleichen ist die sogenannte Moderne nicht fähig.

So grandios die Schauseite Assisis auch ist, so wollen wir doch heute dem Motto „Anders reisen“ huldigen, welches einmal für eine Reihe alternativer Reiseführer stand.

Um anders zu reisen, braucht man eine andere Perspektive, eine auf den ersten Blick ungewohnte – eine, deren Reiz vielleicht spröder, aber dennoch lohnend ist. Schauen Sie, was ich Ihnen dazu aus dem Süden mitgebracht habe:

Assisi, Kirche San Francesco von Nordosten, Juni 2023; Bildrechte: Michael Schlenger

Auch hier sieht man Assisis Kirche San Francesco über dem Felsen thronend, doch nun von der anderen (nordöstlichen) Seite gesehen. Der Eindruck ist ein vollkommen anderer, zumal von der übrigen Stadt nichts zu sehen ist.

Das ist der Gewinn, wenn man anders reist, in diesem Fall auf der Strada Comunale Santa Croce in Richtung Castello di Petrata, und nach wenigen Kilometern innehält.

Anders reisen als auf konventionelle Weise, das konnte man schon immer – sofern man es sich leisten konnte. Vor rund 110 Jahren empfahlen sich dazu dem gut betuchten Automobilisten die Wagen von Renault, die damals zum Besten zählten, doch bei deren Gestaltung eigene Wege beschritten wurden.

Vielleicht erinnern sich manche von Ihnen an das spektakuläre Renault Landaulet, das ich zum Auftakt des Jahres 2023 hier präsentiert hatte.

Heute möchte ich dem Motto „Anders reisen“ folgend ein weiteres Exemplar jener Zeit vorstellen. Es hat wiederum eine ganz eigene Anmutung, auch wenn man natürlich die markentypische Motorhaube dort ebenso leicht wiedererkennt wie die Kirche San Francesco in Assisi aus unterschiedlichem Blickwinkel.

Das Vergnügen verdanken wir diesmal Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der uns an diesem grandiosen Dokument aus seiner Sammlung teilhaben lässt:

Renault Limousine von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Größer könnte der Kontrast zwischen dem vollkommen konventionellen Limousinenaufbau und dem eigenwilligen Vorderwagen kaum sein.

Dort finden sich vor der Frontscheibe terassenartig abfallend erst der Benzintank mit Einfüllstutzen, dann der Wasserkühler mit ebensolchem Stutzen, schließlich die sehr lange Motorhaube, deren vorn abgerundete Front nur ansatzweise zu sehen ist.

Die Proportionen lassen vermuten, dass sich unter dieser Haube einer der Sechszylindermotoren verbarg, welche Renault kurz vor dem 1. Weltkrieg anbot. Da der Hersteller jedoch auch Anfang der 1920er Jahre an seiner eigene Linie festhielt und der Limousinenaufbau relativ modern wirkt, ist eine spätere Entstehung oder eine Neukarossierung nach dem 1. Weltkrieg nicht auszuschließen.

So oder so ist dies ein faszinierendes Beispiel für das Konzept „Anders reisen“, welches einst ein Renault ermöglichte. Wie im Fall der Baukunst darf man über die Kreationen dieses einst so prestigeträchtigen Herstellers in der Gegenwart getrost hinweggehen.

Aber genau deshalb lesen Sie ja hier mit, nicht wahr? Um anders und unbelastet durch die Zeit zu reisen, als es möglich ist, wenn man sich den oft betrüblichen Beschränkungen des Hier und Jetzt unterwirft.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Vorkriegsautos im Nachkriegs-Capri

Auf den Titel meines heutigen Blog-Eintrags bin ich besonders stolz – denn bei wer weiß wievielen Lesern beginnt beim Stichwort „Nachkriegs-Capri“ gleich das Kopfkino und transportiert sie zurück in die 1970/80er Jahre.

Auch wenn sie damit das Thema um Längen verfehlen – eine lässliche Sünde. Gehört doch der „Capri“ aus dem Hause Ford zu den attraktivsten Nachkriegskreationen des längst auf dem absteigenden Ast befindlichen Pioniers der Massenmotorisierung.

Ich kann sogar mit eigenen Erinnerungen dazu aufwarten. Ein Klassenkamerad kaufte sich als ersten Wagen einen orangefarbenen Capri 2 mit 3 Liter-Sechszylindermotor.

Die Aussicht von innen auf die lange Motorhaube kann ich noch ebenso abrufen wie die Tatsache, dass das Gerät über eine blattgefederte Hinterachse verfügte. Für uns Vorkriegsfreunde ein vertrautes Detail – für Ford dagegen kein Ruhmesblatt.

Dennoch ist der Capri unvergessen, in meinem Fall auch deshalb weil besagter Schulkollege ihn alsbald aufs Dach legte. Ein Beifahrer hätte das nicht überlebt…

Meine zweite Capri-Erinnerung reicht rund 30 Jahre zurück. Ich hatte als Student zwar wenig Geld, aber für sündteure Italienurlaube hatte ich stets genug zusammengespart. So ging es einst im Schlafwagen über Rom nach Neapel und von dort mit dem Bummelzug „Circumvesuviana“ nach Sorrent, das der Insel Capri gegenüberliegt.

Während meiner zwei Wochen Aufenthalt in dieser himmlischen Gegend, welche die legendär schöne Amalfiküste umfasst, musste auch eine Überfahrt nach Capri sein.

Dort wollte ich damals die Reste der Villa des römischen Kaisers Tiberius besichtigen, die man zu Fuß erreichen kann. Dazu galt es freilich, den kleinen Hauptort der Insel zu durchqueren, der eigentlich immer von Touristen aus aller Welt bevölkert ist.

Dort hielt es mich nicht lange, ich nahm die berühmte „Piazetta“ mit der winzigen Kirche Santo Stefano nur am Rande wahr und wanderte weiter.

Von der Tiberiusvilla aus lässt sich die Insel übrigens auf schmalen alten Pfaden in erstaunlicher Einsamkeit umrunden – man muss nur den rechten Abzweig finden und die grandiose Küste bis zu den berühmten Faraglioni gehört einem fast allein.

Heute, viele Jahre später, bin ich wieder auf der Piazetta gewesen – im Nachkriegs-Capri anno 1950. Klingt chronologisch etwas merkwürdig, und ist in einem Vorkriegsauto-Blog zusätzlich irritierend. Aber sehen Sie selbst:

Vorkriegswagen auf Capri im Jahr 1950; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was auf den ersten Blick chaotisch wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Kleinod. Es reicht, an der eigentümlichen Kirche Santo Stefano auf der Piazetta von Capri-Stadt vorbeigehuscht zu sein, um sie auch nach langer Zeit wiederzuerkennen.

Eine kurze Bildrecherche bestätigte: Diese auf 1950 datierter Abzug aus einem Berliner Fotogeschäft erzählte von einem Aufenthalt deutscher Reisender auf Capri fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs.

Damals waren die Wunden auf beiden Seiten noch längst nicht verheilt. Italien war durch die Ausplünderung für die deutsche Kriegswirtschaft ab 1943 verarmt und zigtausende Italiener hatten Zwangsarbeit in Deutschland leisten müssen.

Und dann kamen just fünf Jahre nach Kriegsende wieder Deutsche ins Land. Nach allem, was ich weiß, überwog auf italienischer Seite der gesunde Geschäftssinn und oft wohl auch natürliche Gastfreundschaft.

Aber selbstverständlich war das nicht, dass man die Deutschen es in der Regel nicht spüren ließ, dass viele ihrer uniformierten Landsleute kurz zuvor noch Gegner und Ausbeuter waren. Rühmliche Ausnahmen gab es freilich auch und sie genießen bis heute großes Ansehen.

Zurück ins Jahr 1950 nach Capri und hinein ins chaotische Treiben, das ein Pier Paolo Pasolini damals kaum hätte besser mit der Kamera einfangen können:

Hier trifft alles zusammen: Die ältere Generation, die elegant gekleidet im Schatten flaniert, und der drahtige junge Bursche, der im Unterhemd über die sonnendurchflutete Straße schreitet – den Kopf einem großen Tourenwagen zugewandt, der fast die ganze Breite zum Wenden zu benötigen scheint.

Im Hintergrund erkennt man vage ein weiteres Auto, das ebenfalls noch in der Vorkriegszeit zu verorten ist. Was ist hier los und warum hat hier jemand genau in diesem Moment auf den Auslöser seiner Mittelformatkamera gedrückt?

Schwer zu sagen. Was uns so reizvoll an der Situation vorkommt, mag auch vor über 70 Jahren einen fähigen Fotoamateur spontan begeistert haben.

Er hat alles richtig gemacht – bis auf eines: Die Marke des Tourers hätte er schon für uns festhalten können, denn der Wagen ist kaum zu identifizieren aus dieser Perspektive.

Das Auto wirkt auf den ersten Blick so, als stamme es vom Ende der 1920er Jahre, doch die seitlichen Schürzen an den Vorderkotflügeln tauchen erst Anfang der 1930er Jahre auf.

Solche offenen Aufbauten wurden übrigens für Taxis auf Capri noch viel länger gefertigt. Das erfuhr ich bei meinem letzten Aufenthalt auf der Insel vor einigen Jahren. Denn das gerade bereitstehende Taxi, das mich damals in charmanter Begleitung in den höhergelegenen Ort Anacapri brachte, war ein Fiat der 1980er Jahre in einer Ausführung als offener Fünfsitzer!

Sie sehen: Auch im Nachkriegs-Capri hat viel Vorkriegszeit überdauert. Am besten genießen Sie das, wenn Sie Capri-Stadt links liegen lassen und hoch nach Anacapri fahren.

In dem weit ruhigeren Städtchen sollten Sie unbedingt die Villa San Michele besuchen, die sich einst der schwedische Arzt und Buchautor Axel Munthe errichten ließ.

Was er dort der Nachwelt hinterlassen hat, ist einer der magischsten Orte in Europa überhaupt. Die Zeit dort oben über den Felsen der Insel, die so viel gesehen hat, scheint stillzustehen. In der weiß gekalkten Villa und dem herrlichen Park finden sich zahllose antike Werke, die Munthe einst mit mit sicherem Geschmack zusammengetragen hat.

Wenn nicht gerade eine Reisegesellschaft dort ist, gehören Ihnen diese bis heute liebevoll bewahrten Schätze praktisch alleine.

Am äußersten Ende des Parks befindet sich ein Säulengang, der in einer Art Loggia endet. Dort schaut eine altägyptische Sphinx über das Meer und ich verspreche Ihnen: Diesen Blick über den Golf von Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund vergessen Sie nie:

Villa San Michele, Anacapri, Mai 2017; Bildrechte: Michael Schlenger

Erfahrene Leser meines Blogs wissen natürlich, was ihnen jetzt blüht: Der Autor geht auf Reisen in den Süden und so wird es für etwas mehr als eine Woche hier keine automobilen Neuigkeiten aus der wundersamen Welt von gestern geben…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Lässigkeit des Seins: Ein Pontiac Tourer 1928

Man muss sich das Leben nicht schwerer machen, als es ohnehin ist – dafür ist es zu kurz.

Also lassen Sie die Finger von verkopfter Problemliteratur wie der „Unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera – einer endlosen Beziehungsstory, die es aus mir unerfindlichen Gründen zum Bestseller geschafft hat.

Folgen Sie mir stattdessen heute auf der Suche nach der überaus erträglichen Lässigkeit des Seins. Erfreuen Sie sich am frühen Aufgang der Sonne, an der Wärme und dem bis spätabends anhaltenden Licht. Allzubald wird nämlich auch das wieder vorbei sein.

Je nach dem, wann Sie dies lesen, machen Sie es sich gemütlich bei einem Glas Weißwein oder Bier, einer Tasse Tee oder Kaffee, vergessen Sie einmal, was Sie heute geärgert hat oder was Sie noch Nerviges vor sich haben.

Sagen Sie sich einfach: Ich schaue mir jetzt ein altes Autofoto an und das macht mich im besten Fall glücklich, im schlechtesten melancholisch (die wahren Gourmets des Daseins bevorzugen vermutlich das Letztere).

Hier mein heutiges Therapieangebot:

Pontiac Tourer von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was meinen Sie? Kann es heute sommerlich-entspannter zugehen als hier?

Ein schicker amerikanischer Tourenwagen – am Indianerkopf auf dem Kühler als Pontiac zu erkennen – bietet sich hier von seiner besten Seite dar, nämlich mit montiertem Verdeck, aber ohne die üblichen seitlichen Steckscheiben.

Damit lässt sich ein strahlender Sommertag entspannt verbringen. Wem die Sonne zuviel wird, findet Schutz im Innern, wer nicht genug davon bekommen kann, macht es sich draußen bequem.

Den Fotografen kann man lässig ignorieren, stattdessen beschäftigt man sich mit dem vierbeinigen Gefährten seines Daseins. Ob mit oder Glimmstengel, darauf sei gepfiffen.

Hätte ich die Wahl, würde ich es dem Herrn auf dem Kotflügel gleichtun, der meine Sympathie genießt. Einem souverän wirkenden Mann mit ehrlich erworbenem Teint, hoher Stirn und kräftigem Haar darf man eher trauen als einem glatzköpfigem, blassen Bürokraten, oder?

Würden Sie aber auch mit ihm oder seinem Zeitgenossen am Steuer tauschen wollen? Vermutlich kaum, denn diese Aufnahme von 1935, die der Architektur nach zu urteilen irgendwo in Südosteuropa entstand, verheißt nichts Gutes.

Einer ganzen Generation war damals in Europa ein Schicksal beschieden, gegen das die Unzuträglichkeiten des Hier und Jetzt mit Lässigkeit ertragbar scheinen.

Das soll nicht heißen, dass man sich gegenwärtiger Übergriffe in das Private nicht erwehren sollte. Man sollte aber auch nicht die großartigen Möglichkeiten der inneren Emigration aus dem Auge verlieren. Die bestehen durchaus, nicht nur in der Beschäftigung mit der Lässigkeit des Seins mit Vorkriegsautomobilen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Wirklich gigantisch! Stoewer G15 Pullman-Limousine

Werbung hat mit Wirklichkeit nur entfernt zu tun – nirgends wird soviel gelogen wie im Krieg, vor den Wahlen, nach der Jagd und in Produkt-Reklamen. Das war schon immer so und die meisten Leute wissen das.

Der Mensch hört aber auch allzugern, dass etwas ganz und gar vollkommen ist, auch wenn die Lebenserfahrung dagegen spricht. Von dieser Paradoxie leben jede Menge Trittbrettfahrer – seien es Religionsstifter, Kosmetikahersteller oder Autobauer.

Heute bringe ich ein seltenes Beispiel dafür, dass Werbung bei aller fragwürdigen Fabulierlust auch vollkommen wahrhaftig sein kann:

Stoewer G15 „Gigant“ Pullman-Limousine; Originalreklame: Sammlung Michael Schlenger

Diese wahrhaft gigantische Pullman-Limousine gehörte bei ihrem Erscheinen 1928 zur „internationalen Sonderklasse“ – das zusätzliche Attribut „exklusiv“ besagt dasselbe, ist also nur Werber-Lametta.

Der „hochstehendste und erprobteste“ Achtzylinder ist nicht global verabsolutierend zu verstehen, sondern als „äußerst hochstehend und äußerst erprobt“. Wer Lateinunterricht genossen hat, kennt den Elativ „Jupiter Optimus Maximus“ – formal dem Superlativ entsprechend, aber faktisch nicht vergleichend gemeint (es gab ja nur einen Jupiter).

Auch hier können wir den Stoewer-Werbern also keinen Fehler nachweisen. Raffiniert, da unwiderlegbar ist auch die Aufforderung „Fragen Sie alle, die einen fahren„. Dazu muss man nämlich erst einmal die Stecknadel im Heuhaufen finden, bei 650 gebauten Exemplaren…

Denn auch wenn der Stoewer-Achtzylinder mit Aufbau als Pullman-Limousine als „Gigant“ verkauft wurde, blieben die Stückzahlen viel zu gering, dass man jemanden finden konnte, der ihn fuhr – erst recht „seit Jahren„.

Wir sind heute – über 90 Jahre später – zwar in der bedauernswerten Situation, dass niemand mehr Wagen dieses Kalibers baut, dennoch sind wir privilegiert: Wir können nämlich auf historisches Fotomaterial zugreifen, das genau diese Giganten zeigt.

Beginnen wir mit dieser Aufnahme einer Stoewer-Pullman-Limousine (aus meiner Sammlung), die an einem unbekannten Ort entstand:

Stoewer G15 „Gigant“ Pullman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Haben Sie Zweifel daran, dass dieses kolossale Gefährt mit seinem geräumigen Sechsfenster-Aufbau zu „internationalen Sonderklasse“ im Automobilbau gehörte?

Nein? Dann liegen Sie richtig. Denn mit seinem 4 Liter messenden und 80 PS starken 8-Zylindermotor begegnete der Stoewer „Gigant“ leistungsmäßig der Ende der 1920er Jahre extrem starken US-Konkurrenz auf Augenhöhe.

Was fehlte, war freilich die Fähigkeit der amerikanischen Hersteller zur Großserienproduktion, welche solche Wagen in den Stückzahlen und zu den Preisen verfügbar machte, die der Nachfrage am Markt entsprachen.

Es mangelte also nur an hinreichend entwickelten kapitalistischen Verhältnissen, nicht an der Konstruktionskompetenz als solcher. Auch in gestalterischer Hinsicht war die Lobeshymne der eingangs gezeigten Stoewer-Reklame in diesem Fall vollkommen berechtigt.

Dieser weit über fünf Meter lange Wagen mit 3,40 Meter Radstand und 1,95 Meter Höhe war für seine außerordentlichen Dimensionen geradezu vollkommen proportioniert.

Das wird spätestens an der zweiten Aufnahme eines Stoewer G15 „Pullman-Limousine“ deutlich, die ich heute präsentieren möchte – ich verdanke sie Matthias Schmidt (Dresden):

Stoewer G15 „Gigant“ Pullman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt

Entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten erspare ich mir (und Ihnen) eine eingehende Beschreibung der Details dieses grandiosen Fahrzeugs.

Nur eines will ich in aller Subjektivität festellen: Ich wüsste nichts, was man an dieser Erscheinung beanstanden könnte.

Für mich ist hier alles perfekt ausbalanciert, immer wieder will das Auge diesen himmlischen Längen folgen, welche durch die horizontalen Luftschlitze betont werden.

Wirklich gigantisch! Dabei könnte man es bewenden lassen.

Doch wollen wir heute den Reklameleuten von Stoewer den Raum geben, den sie verdienen – für mich verdienen sie ebenso Anerkennung wie die Konstrukteure und Gestalter des „Gigant“.

Wie genial ist beispielsweise diese Werbeabbildung, die eher am Rande einen Stoewer G15 „Gigant“ zeigt? Und: nein, das ist kein willkürlicher Bildausschnitt:

Stoewer G15 „Gigant“; Originalreklame: Sammlung Michael Schlenger

„Happy End“ trifft es zwar auf den ersten Blick – aber auch der zweite Blick kann sich lohnen.

Es musste auch Ende der 1920er Jahre nicht immer ein Paar wohlgeformter Frauenbeine sein, was den automobilen Assoziationen auf die Sprünge half.

Ein kurioses Beispiel dafür fand ich vor einiger Zeit. Es zeigt einen nackten Sportler, der entschlossen, wenn auch ein wenig missgelaunt, seinem Ziel zustrebt.

Was er mit dem Speer vorhat – wenn es einer ist – bleibt im Ungewissen. Werfen dürfte jedenfalls schwierig werden bei dieser Handhabung. Vielleicht sehen wir nur den Ausschnitt einer Lanze, was eher sinnvoll wäre. Doch sehen Sie selbst:

Stoewer G15 „Gigant“; Originalreklame: Sammlung Michael Schlenger

Kraftbewusst“ – das ist eine wahrhaft originelle Wortschöpfung eines unbekannten Werbers und sie wird einem Fahrzeug gerecht, das eines wirklich wahr: gigantisch.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Sommerfreuden – aber wo? Ein Ansaldo anno 1938

Der Sommer ist da, jedenfalls in der hessischen Wetterau, in der ich großgeworden bin und wo ich, von einem Intermezzo in Wiesbaden abgesehen, immer gewohnt habe.

Die Außentemperatur betrug heute laut Angabe meines Nachkriegsautos rund 28 Grad, das war aber im Sonnenschein. Das alte Quecksilberthermometer an der Ostwand meiner Oldtimerhalle, die immer im Schatten liegt, zeigte dagegen 24 Grad an.

Unter dem prächtigen alten Maronenbaum im Garten war die Luft auch mittags angenehm kühl – unter der endlos sengenden Sonne kam sie mir dagegen heiß vor.

Wie warm war es heute wirklich? Das kann niemand genau sagen, nur eines weiß ich: An solchen Tagen erreiche ich meine Betriebstemperatur. Und da ich noch nicht genug hatte, schwang ich mich gegen 19 Uhr auf’s Rad.

Eine Feierabendrunde mit meinem „Dixi“ der 1950er Jahre – das Markenemblem mit dem galoppierenden Kentauren ist noch lupenreine Vorkriegszeit. Die Technik ist es auch: Keine Schaltung, Stempelbremse vorne, Rücktrittbremse hinten, knallharter Ledersattel.

Meidet man Steigungen und mutet sich was zu, lässt sich so ein alter Drahtesel flott pedalieren. Bei Rückenwind waren zeitweise 35 km/h zu verzeichnen, eine Tempoanzeige innerorts zeigte 30 km/h, der Schnitt errechnete sich schließlich mit über 25 km/h.

Spätestens danach ist einem sehr sommerlich zumute, vor allem wenn man den Winter über nichts für die Fitness getan hat. Aber nach ein paar solchen Trainingsrunden wird das schon.

Zuverlässigster Anzeiger für sommerliche Verhältnisse ist ohnehin der sich einstellende Teint. Damit wären wir beim Foto, das ich Ihnen heute präsentieren möchte.

Sie erinnern sich vielleicht an diese Aufnahme eines Ansaldo-Tourers, der einst an einem Wintersportort fotografiert wurde:

Ansaldo 6B; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vergessen Sie die Jahreszeit und studieren stattdessen einige Details: die Gestaltung von Kühler, Stoßstange und Kotflügeln, auch die ungewöhnlich niedrige Seitenlinie.

Diesen adretten Tourer hatte ich seinerzeit als Ansaldo 6B von 1927/28 identifiziert. Daran bestehen aus meiner Sicht nach wie vor wenig Zweifel – wer es besser weiß, soll es uns sagen (wir lernen alle gern dazu).

Zu beanstanden habe ich hier nur die abgebildete Situation, irgendwie prosaisch. Ein technisch makelloser und gut aussehender Wagen zwar wie praktisch alle italienischen Automobile jener Zeit, nur will mir das Personal daneben nicht so recht in den heiß ersehnten Süden passen.

Das muss an der Jahreszeit und der Kleidung gelegen haben. Denn ein weitgehend identischer Ansaldo mit sommerlich gebräunten Insassen hat doch gleich eine ganz andere Anmutung, nicht wahr?

Ansaldo 6B; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein Foto ganz nach meinem Gusto und die abgebildeten Automobilisten sehen so sehr nach Sommer aus, dass man neidisch werden könnte – wenn man nicht schon selbst etwas für die gesunde Bräune getan hat.

Diese Herrschaften haben offensichtlich nicht nur Nase, Stirn und Wange der Sonne exponiert, hier wurde zweifellos viel Haut der Strahlung unseres Zentralgestirns dargeboten.

Gleichzeitig weiß man sich geschmackvoll (d.h. für die Mitmenschen erfreulich) zu kleiden. Fernglas und Rolleiflex-Kamera sehen schwer nach Reise aus.

Daran und dass es sich bei dem eleganten Tourenwagen um einen Ansaldo 6B der späten 1920er Jahre handelt, besteht wenig Zweifel, meine ich.

Aber wo genoss man einst diese Sommerfreuden? Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung anno 1938 – als der Ansaldo schon rund zehn Jahre alt war. Doch ansonsten sagt mir das Kennzeichen nichts.

Die sehr niedrige laufende Nummer spricht für einen Zwergstaat oder eventuell ein Land mit damals extrem geringem Motorisierungsgrad – eventuell ein Staat in Südosteuropa.

Wer kann uns sagen, wo dieses schöne Dokument einst entstand, das von einem prächtigen Sommer erzählt, kurz bevor in Europa das Licht der Zivilisation ausging?

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Das ist ein altes Stück! Citroen C4 oder C6 Limousine?

Kann ein Klassiker unterhaltsam sein? Oder muss das Schöne, Wahre, Gute stets mit gemessenem Schritt und großem Ernst daherkommen?

Mir fallen dazu zwei Beispiele ein – das eine aus Deutschland, das andere aus Frankreich. Beispiel Nr. 1 ist Heinrich Heine, dessen Werk von einem feinen Humor durchzogen ist wie wohl bei keinem seiner Zeitgenossen aus deutschen Landen.

Hier mein Lieblingsbeispiel – eine perfekte Parodie auf romantische Dichterseligkeit:

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.

Bei diesem alten Stück von Heine mit schön verstolpertem Versmaß am Ende triumphiert gesunder Pragmatismus über die in Deutschland oft übermächtige Gefühlsseligkeit.

Entstanden ist dieses Gedicht im Jahr 1832, im Todesjahr von Goethe und genau 100 Jahre bevor ein anderes altes Stück für die Nachwelt festgehalten wurde.

Und das ist mein Beispiel Nr. 2 für einen unterhaltsamen Klassiker, diesmal aus Frankreich:

Citroen C4 oder C6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese klassische Limousine im Stil der späten 1920er Jahre wurde 1932 am Laacher See aufgenommen – damals gab es offenbar ein harmonisches Miteinander deutscher und französischer Tradition.

Denn auch wenn der Wagen auf den ersten Blick wenig Individualität an den Tag legt, verraten der geschwungene hintere Abschluss der Motorhaube und die ganz leicht geneigten Luftschlitze in derselben, dass wir es mit einem Citroen zu tun haben, wie er damals mit vier bzw. sechs Zylindern verfügbar war.

Die beiden Modelle C4 und C6 auseinanderzuhalten, auch das ist ein altes Stück, wie langjährige Leser meines Blogs wissen. Ich überlasse das Urteil den Sachkundigeren unter Ihnen und freue mich über Hinweise in der Richtung.

Mir gefällt vor allem die lässige Inszenierung auf diesem Dokument, die bei Autofotos aus Deutschland nach meiner Erfahrung eher die Ausnahme darstellt.

Diese Leute posierten mit ihrem Citroen vor über 90 Jahren ganz entspannt und heiter – bis auf den Herrn ganz vorn, der wirkt, als ob ihn die Blase drückt.

Verzeihen Sie den kleinen Scherz unterhalb der Gürtellinie – doch auch bei den lebensfrohsten unserer deutschen Klassiker, Heine und Goethe, finden sich dergleichen Anspielungen auf Menschliches und Allzumenschliches zuhauf.

Bloß in der Schule hat man uns manches unterhaltsame alte Stück vorenthalten – doch hier im Blog holen wir das eine oder andere davon nach…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Fast ein 6er im Lotto: Adler 10/45 und 10/50 PS

Lottospielen ist eine tolle Sache – vor allem für den Ausrichter.

Kaum zufällig hat sich von jeher der Staat das Vorrecht dazu reserviert, um anstrengungslos gut berechenbare üppige Einnahmen zu erzielen. Gäbe es dagegen viele private Konkurrenten, würde das bedeuten, dass die Spieler bessere Gewinnchancen hätten.

In meinem Blog sind Sie regelmäßig Gewinner – sofern Ihnen der Sinne nach Vorkriegsautos steht – und das ganz ohne finanziellen Einsatz, sie müssen bloß ertragen, was ich dazu spontan zusammenspinne.

Heute habe ich mir das Thema „6er im Lotto“ gewählt und muss nun zusehen, wie ich es in einen Zusammenhang mit zwei Fotos bekommee, die Wagen der Traditionsmarke „Adler“ aus Frankfurt am Main zeigen.

Bei „6er“ und Adler denken die Kenner jetzt vielleicht an den „Standard 6“ der späten 1920er Jahre – doch mit Verlaub – so etwas ist mir heute schlicht zu alltäglich:

Adler „Standard 6“ Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

„Jetzt ist er verrückt geworden – das ist doch ein großartiges Dokument“, denken jetzt vielleicht die Adler-Freunde.

Aber tatsächlich ist diese Aufnahme eine von unzähligen des Sechszylindermodells, mit dem Adler Ende der 1920er Jahre den „Amerikanerwagen“ Paroli bieten wollte. Davon gibt es noch haufenweise unpublizierte Fotos – gelegentlich zeige ich einige.

Weit interessanter, weil viel seltener ist aus meiner Sicht der Vorgänger des „Standard 6“. Denn schon ab 1925 bauten die Adlerwerke ein Sechszylindermodell, das weitgehend vergessen ist – den Typ 10/45 PS (später 10/50 PS).

Wir sind diesem seltenen Typ, der noch keine Kopie amerikanischer Wagen sein sollte, bereits begegnet – unter anderem anhand dieses Fotos aus meiner Sammlung:

Adler 10/45 PS oder 10/50 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Seinerzeit hatte ich diese eindrucksvolle und makellos gezeichnete Limousine als Adler des Typs 10/45 bzw. 10/50 PS angesprochen, ohne dass mir Vergleichsfotos mit eindeutig identifizierten Wagen dieses Modells vorlagen.

Die Dokumentation der Adler-Wagen vor 1930 in Buchform und im Netz wird – man muss es leider immer noch immer sagen – der Bedeutung dieser Marke nicht annähernd gerecht. Ich weiß nicht genau, was mit den deutschen Oldtimer-Enthusiasten los ist, aber Adler ist nur eine von vielen Marken, die immer noch einer umfassenden Würdigung harren.

Ich lasse mich ja gern belehren, aber leider bin ich auf Zusendungen von Sammlerkollegen angewiesen, was Vergleichsmaterial im Fall des Adler 10/45 PS bzw. 10/50 PS angeht.

Einer davon ist Matthias Schmidt aus Dresden – ihm verdanke ich den ersten „6er“ im heutigen Adler-Lotto:

Adler 10/50 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt

Normalerweise wäre eine solche Aufnahme von der Seite nicht mein Favorit, doch hier ist sie mir hochwillkommen. Denn sie bestätigt meine Identifikation des zuvor gezeigten Adler als 6-Zylindertyp 10/45 PS oder 10/50 PS ab 1925.

Der Hauptunterschied sind die unterschiedlichen Räder, wobei die Drahtspeichenräder auf den Typ 10/50 PS zu verweisen scheinen, während der etwas schwächere 10/45 PS über Stahlspeichenräder verfügte – das ist aber nur eine Vermutung.

Die Aufnahme von Matthias Schmidt hat den Vorzug, dass man auf den Nabenkappen den Schriftzug „Adler“ erkennen kann. Ohne diesen und ohne das Fabrikschild auf dem Schweller wäre es gar nicht so einfach, diese Limousine überhaupt als Adler zu identifizieren – es hätte auch ein 6-Zylinder-Fiat jener Zeit sein können.

Tatsächlich ist hier die Rückseite des Fotos noch interessanter, denn hier findet der wahre Adler-Liebhaber alles, was sein Herz begehrt:

Adler 10/50 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt

Wer einen solchen Adler 10/50 PS als erstes Auto überhaupt besaß, muss außerordentlich gut situiert gewesen sein und einen Sinn für’s Besondere besessen haben.

Denn davon wurden nur rund 150 Wagen produziert und man darf für die hier abgebildete Pullman-Limousine einen Preis von rund 15.000 Reichsmark ansetzen – das entsprach Mitte der 1920er Jahre zehn Brutto-Jahresverdiensten eines Angestellten!

Im vorliegenden Fall ist sogar die Fahrgestellnummer überliefert, allerdings bezweifle ich, dass auch nur ein einziger dieser Wagen den 2. Weltkrieg und den „Alles Alte muss weg“-Furor im Nachkriegsdeutschland überlebt hat.

Dafür hat etwas anderes die Zeiten überdauert, was beinahe einem weiteren „6er“ im Adler-Lotto entspricht, nämlich die Aufnahme einer offenen Version des gleichen Typs:

Adler 10/45 oder 10/50 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Hier haben wir nicht nur das Glück, dass der Wagen aus idealer Perspektive zu sehen ist und man genügend Details erkennt, um ihn als 6-Zylindermodell ab 1925 ansprechen zu können (dazu zählen auch die Trittschutzbleche auf dem Schweller unterhalb der Türen).

Vielmehr ist hier eine wohl markenunabhängige Konstruktion vor dem Kühler zu sehen, die mir so noch nie begegnet ist. Ich vermute, dass das an der Scheinwerferstange angebrachte Gehäuse ein elektrisch beleuchteter Fahrtrichtungsanzeiger war.

Jedenfalls habe ich keine andere Erklärung dafür. Da viele meiner Leser weit mehr Erfahrung mit solchen Dingen habe – ich verstehe mich eher als Archivar und nehme keine besondere Sachkenntnis für mich in Anspruch – weiß bestimmt jemand Näheres dazu.

Als unverbesserlicher Ästhet will ich nicht zuletzt auf den neben dem Adler stehenden Besitzer aufmerksam machen, dessen Outfit mit präzise auf den Leib geschneidertem Mantel ebenso beeindruckt wie seine bewusst eingenommene Haltung.

Solche Dinge waren einmal wichtig, für viele sogar selbstverständlich, und nicht zuletzt die Bedeutung von „fare bella figura“, wie es die Italiener nennen, verrät uns, wie anders diese Welt von gestern war.

Ihr ein wenig näher gekommen zu sein und dabei ausgerechnet dem raren Adler 10/45 bzw. 10/50 PS begegnet zu sein, das dürfte uns dem „6er“ im Lotto zumindest näher gebracht haben als das Ausfüllen eines einschlägigen Spielscheins…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Gestern und morgen: Plymouth von 1931 und 1933

Manchmal in der Geschichte markieren nur ein, zwei Jahre die Zäsur zwischen gestern und morgen. Abrupt endet die eine Tradition, und schon kündigt sich die kommende an. Zwar im Gewand des Neuen, ist auch sie dazu bestimmt, bald Geschichte zu sein.

Das lehrt nicht nur das akademische Studium der Historie des an Umbrüchen reichen 20. Jahrhunderts. Schon die Betrachtung alter Autofotos lässt einen begreifen: nichts bleibt, wie es ist – ganz ohne eigenes Zutun verwandelt sich die Welt, ob es einem passt oder nicht.

Kürzlich erwarb ich diese Aufnahme, die eine mir anfänglich unbekannte Limousine mit offenbar deutschem Kennzeichen zeigte:

Plymouth Modelljahr 1931; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was macht man mit so einem leicht verunglückten Dokument, bei dem der Fotograf wohl vergessen hatte, dass ihm auf diese Distanz im Sucher das Motiv etwas höher präsentiert wurde, als eine Ebene drunter das Abbild durch das Objektiv auf den Film projiziert wurde?

Nun, man wartet auf eine Gelegenheit, es in einem Kontext zu zeigen, der es interessant macht. Denn für sich genommen ist das abgebildete Automobil wenig bemerkenswert.

Es handelt sich um eines der unzähligen US-Modelle, die Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre das Straßenbild in Deutschland mitprägten.

Den Schlüssel zur Identifikation lieferte die Gestaltung der Radkappe, welche auf ein amerikanisches Großserienmodell hindeutete. Nach einiger Sucherei wurde ich bei der Marke Plymouth fündig und konnte das Auto auf 1931 datieren.

Der Wagen aus dem Chrysler-Konzern konkurrierte in den Staaten mit preisgünstigen Einstiegsmodellen von Chevolet und Ford.

Sein Vierzylindermotor leistete 58 PS, womit er auch am deutschen Markt hervorragend positioniert war. Jedenfalls wüsste ich keinen direkten Konkurrenten in dieser Klasse; deutsche Autos waren Anfang der 1930er Jahre entweder weit schwächer oder weit stärker motorisiert.

Stilistisch war der 1931er Plymouth noch ganz der Tradition der 1920er Jahre verhaftet.

Blättern wir zwei Jahre weiter im Kalender und schauen, was sich in den zwei Jahren bis 1933 getan hatte.

Die Weltwirtschaft begann wieder Fahrt aufzunehmen – wovon übrigens auch die nationalen Sozialisten im Deutschen Reich profitieren sollten, obwohl sie nur schuldenfinanzierte Plan- und Kriegswirtschaft betrieben und Autobahnen für ein Volk ohne Autos bauen ließen.

Anno 1933 war in den Vereinigten Staaten wieder „Business“ angesagt – die Wirtschaft barst vor Zuversicht und auch der Durchschnittsbürger spürte, dass es aufwärtsging.

Dazu passend brachte Plymouth für 1933 ein „Business Coupe“ heraus – das war ein typischer Wagen für Handelsvertreter, hier aber offenbar bei einem Ausflug festgehalten:

Plymouth Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Schick ist er schon dieser Zweisitzer mit ausklappbarem Sitz für die Schwiegermutter im Heck, nicht wahr?

Abgesehen von den Radkappen erinnert praktisch nichts an das Plymouth-Modell von 1931 – man hatte sich von der Tradition der 1920er Jahre losgelöst und ein neues Styling entwickelt, das die 1930er Jahre über aktuell bleiben sollte.

Auch unter der Haube hatte sich einiges getan: Der Vierzylindermotor war einem etwas kleineren Sechsyzlinder gewichen, der nun aber an die 70 PS leistete – der Preis des modernisierten Plymouth entsprach ungefähr dem vierzylindrigen Billigheimer von 1931.

Der Plymouth von 1933 wurde auf Anhieb das Auto mit der dritthöchsten Verkaufszahl in den USA – was allerdings nur knapp 200.000 Fahrzeugen entsprach – das Hauptgeschäft entfiel auf Chevrolet (ca. 500.000 Wagen) und Ford (ca. 330.0000).

Für das angebliche Mutterland des Automobils – Deutschland – waren das so oder so unvorstellbare Zahlen. Ohne die Produktion der damaligen General Motors-Tochter Opel lagen die Stückzahlen auf niedrigem Niveau und blieben es bis weit in die 1950er Jahre.

In den Genuss eines soliden, gut ausgestatteten und für jedermannn erschwinglichen Wagens kam der deutsche „Volksgenosse“ vor dem 2. Weltkrieg nur durch Auswanderung.

Tatsächlich gehörte das oben gezeigte 1933er Plymouth Business Coupe deutschstämmigen Amerikanern der ersten Generation, die das Foto in die alte Heimat sandten – deutsch beschriftet.

Sie kannten noch das „gestern“, während schon ihre Kinder – als Musterbeispiele gelungener Integration – nur noch das „morgen“ kannten, amerikanisch sprachen und dachten.

Viele von ihnen kehrten als Soldaten 1944/45 in das Geburtsland ihrer Eltern zurück, wo sie zu ihrer Überraschung auf eine Welt stießen, in der modernen Autobahnen primitive Lebensverhältnisse der Landbevölkerung gegenüberstanden, welche noch mit dem Pferdegespann die Felder bestellte.

Der Sprung vom gestern ins morgen – er vollzieht sich bisweilen in irritierender Kürze wie einst Anfang der 1930er Jahre. Wenn sich die Welt abrupt verändert, bleibt dem Einzelnen keine Wahl, als dennoch darin seinen Weg zu finden…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.