Vor 100 Jahren: Mit dem Westfalia in die Walachei…

Der Oktober des Jahres 2016 geht zuende. Dazu passend beschäftigen wir uns auf diesem Oldtimerblog heute mit einem besonderen Automobilfoto, das vor 100 Jahren entstanden ist, im Oktober 1916.

Über das Auto wissen wir nicht sehr viel – es stellt eine Rarität dar, die in den letzten 100 Jahren wahrscheinlich kaum jemand mehr zu Gesicht bekommen hat. Es handelt sich um einen Tourenwagen der Marke Westfalia.

Hersteller war die in Oelde ansässige Firma Ramesohl & Schmidt, die ab 1906 Automobile mit zugekauften Motoren baute. Ab 1909 produzierte sie Wagen mit selbstkonstruiertem Vierzylindermotor, der bei 1,6 Liter Hubraum 20 PS leistete.

1911 entstanden unter der Marke Westfalia größere Wagen mit bis zu 30 PS. Gefertigt wurden sie in einem neu geschaffenen Werk in Bielefeld. Dieses wurde allerdings schon 1913 von Hansa übernommen.

Rahmesohl & Schmidt führte die Produktion des 1,6 Liter-Modells und des 10/30-PS-Typs in Oelde noch bis 1914 weiter. Dann endete dieses Kapitel der Firmengeschichte.

Einer der letzten in Oelde gebauten Westfalia-Wagen muss bei Kriegsausbruch beim Militär gelandet sein, hier ist er zu sehen:

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© Westfalia 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Identifikation dieses eindrucksvollen, vermutlich sechssitzigen Tourenwagens bereitete einige Schwierigkeiten. Mangels Markenemblem kam nur eine Zuschreibung nach dem Ausschlussverfahren in Frage.

Nach Durchsicht der dem Verfasser zugänglichen Literatur zu deutschen Automobilen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg blieb nur ein Fahrzeug übrig, das präzise diesselbe Kühlerform aufweist, ein Westfalia 10/30 PS.

Verweisen lässt sich in diesem Zusammenhang auf die Abbildung eines Westfalia-Tourenwagens im Standardwerk “Deutsche Autos 1885-1920” von Halwart Schrader. Dort ist auf Seit 376 derselbe Wagentyp abgebildet, bloß mit einer etwas einfacheren Karosserie von 1911 und der anfänglichen Bezeichnung 10/26 PS.

Die Übereinstimmung der Kühlerpartie ist so frappierend, dass man auch das Auto auf unserem Foto als Westfalia ansprechen kann.

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Vielleicht kann die Zuschreibung anhand obiger Detailaufnahme noch von dritter Seite bestätigt werden. Trotz des stark verdreckten Zustands des Wagens lassen sich Details wie Nabenkappe, Scheinwerferhalter und Rahmenausleger genau studieren.

Mehr wissen wir leider nicht über diesen Wagen. Da die Aufnahme nach umseitiger Beschriftung im Oktober 1916 “im Osten” entstanden ist, können wir aber zumindest etwas zum möglichen Einsatzort sagen.

Folgender Exkurs führt uns hinein ins Geschehen an der Ostfront im Herbst 1916, und vermittelt eine Vorstellung davon, wohin es den vom Militär genutzten Westfalia einst verschlug:

Im Oktober 1916 beherrschte in der öffentlichen Wahrnehmung die gigantische Schlacht an der Somme in Frankreich das Geschehen. Gleichzeitig kam es an der Balkanfront zu rasanten Entwicklungen, die so gar nicht zur Vorstellung des 1. Weltkriegs als jahrelanges Stellungsgemetzel passen.

Denn zu diesem Zeitpunkt bekam Rumänien – das im Sommer 1916 in der Erwartung von Gebietsgewinnen in Siebenbürgen Deutschland und Österreich den Krieg erklärt hatte – zu spüren, was ein moderner Bewegungskrieg war.

Rumänien hatte im August mit 12-facher Übermacht die österreichisch-ungarische Grenze nach Siebenbürgen überschritten und ließ sich vom kaum vorhandenen Widerstand in falsche Sicherheit wiegen. Denn nach Besetzung mehrerer Städte verzichtete man auf weitere Aktionen und ließ sich damit die Initiative abnehmen.

Deutsche und österreichische Einheiten begannen Ende September 1916 eine Gegenoffensive, der die schlecht geführten und mangelhaft ausgerüsteten rumänischen Truppen nicht gewachsen waren. Sie wurden über den transsylvanischen Gebirgskamm zurückgetrieben und waren teilweise in Auflösung begriffen.

Ab Ende Oktober 1916 starteten die deutsch-österreichischen Truppen einen Angriff, der durch die Walachei bis zur Hauptstadt Bukarest führen sollte. Erleichtert wurde der Vorstoß durch eine gleichzeitige Offensive an der Donau, die weite Teile der verbliebenen rumänischen Armee band.

Die irrwitzige Aggression der rumänischen Führung endete mit dem Verlust der Hauptstadt und der Besetzung wichtiger Ölfelder durch den Gegner. Gleichzeitig war Rumäniens Verbündeter Russland durch vergebliche Entlastungsangriffe zusätzlich geschwächt worden. 1917 unterzeichneten die beiden restlos ausgelaugten Länder einen Friedensvertrag mit Deutschland und Österreich.

Unser Foto mit dem Westfalia stellt einen winzigen Ausschnitt aus diesem dramatischen Geschehen dar.

Was hier in wenigen Absätzen skizziert wurde, kostete Hunderttausende von Männern Leben oder Gesundheit. Sie hatten keine Wahl, als sich dem Willen ihrer politischen und militärischen Führung zu fügen. Der Einzelne war Spielball übergeordneter Interessen, die von allen Kriegsparteien rücksichtslos vertreten wurden. 

Es ist die für uns kaum vorstellbare Ausweglosigkeit, die es auch nach 100 Jahren so anrührend macht, den Männern ins Gesicht zu schauen, die damals diesem Geschehen ausgesetzt waren.

westfalia_10_26_ps_10-1916_seitenpartieDer Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die rumänische Regierung angesichts der absehbaren Niederlage Deutschlands und Österreichs 1918 den Friedensvertrag für nichtig erklärte und erneut in den Krieg eintrat.

Dieses eiskalte Kalkül, das mit dem Blut der eigenen Bürger bezahlt wurde, wurde von den Alliierten mit umfangreichen Gebietsabtretungen von Österreich-Ungarn an Rumänien belohnt.

Auch diese Episode mag verdeutlichen, was von der im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg lange gepflegten Mär des Kampfs von “Gut und Böse” zu halten ist. Wie bei Feindbestimmungen in unseren Tagen geht es in Wirklichkeit immer nur um politische Macht – und die Rechnung zahlen die Untertanen…

1925: Ausflug im Vorkriegs-NAG K-Typ

Wer sich für die unerschöpfliche Vielfalt an PKW-Marken und -modellen der Vorkriegszeit begeistert, ist auf diesem Oldtimerblog genau richtig. Denn hier dreht sich alles um “wirklich alte” Autos – ohne Beschränkung auf bestimmte Hersteller.

Freunde von Vorkriegsautos gab es übrigens schon vor dem letzten Krieg – damals allerdings meist unfreiwillig. Entweder wurden nach Ende des 1. Weltkriegs 1918 die noch vorhandenen Privatwagen weitergefahren, solange sie hielten. Oder es waren von deutschen Herstellern zunächst nur Vorkriegstypen neu verfügbar.

Heute zeigen wir hier ein Originalfoto, auf das prinzipiell beides zutreffen könnte:

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© NAG Typ K; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Zu sehen ist hier ein großer sechssitziger Tourenwagen – eine einst als Doppelphaeton bezeichnete Karosserievariante. Der Wagen wurde für das Foto vor einem Steinbruch platziert, eine etwas merkwürdige Motivwahl.

Der Hersteller lässt sich ohne Weiteres als NAG aus Berlin identifizieren. Das Tochterunternehmen des AEG-Konzerns hatte sich mit Beginn der PKW-Produktion ab 1902 rasch einen Namen als Hersteller großzügiger Qualitätswagen gemacht.

Äußeres Erkennungszeichen der NAGs bis zum 1. Weltkrieg war der runde, später ovale Flachkühler. Während sich bei Hersteller wie Adler schon 1913/14 der Trend zum Spitzkühler abzeichnet, scheint NAG dieser Mode erst nach 1918 gefolgt zu sein.

Demnach dürfen wir annehmen, dass unser Foto ein Vorkriegsmodell zeigt:

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Hier kann man gerade noch den unteren Abschluss des Ovals erkennen, das die Kühlermaske bildet.

Nur zu erahnen ist das oben am Kühler montierte NAG-Emblem, das die Anfangsbuchstaben der “Nationalen Automobil-Gesellschaft” in einem weiß unterlegten Sechseck zeigt. Dabei ist jeder Buchstabe wiederum in einem Sechseck untergebracht (Beispiele).

Von der modern anmutenden doppelten Stoßstange darf man sich nicht irritieren lassen. Die hat ein geschickter Schlosser nach Vorbild von US-Wagen der 1920er Jahre nachträglich an den vorderen Rahmenauslegern angebracht.

Mit welchem Modell haben wir es hier zu tun? Nun, NAG legte 1908 eine neue Modellpalette auf, deren Typenbezeichnung mit “K” begann. Diese Wagen hatten durchgängig Kardanantrieb, worauf das “K” hinweisen könnte. Dumm nur, dass es genausogut für “Kettenantrieb” stehen könnte…

Wie auch immer, die neuen K-Modelle reichten vom kompakten NAG K2 “Darling” über die Typen K3 (22 PS), K5 (55 PS) bis hin zum mächtigen K8 (75 PS). Ein K3 bzw. K5-Modell haben wir bereits hier und ein K8-Modell hier vorgestellt.

Das stattliche Erscheinungsbild des Wagens spricht für eines der Mittelklassemodelle (K3, K4, K5). Dabei dürfte der K5 mit 3,35 m Radstand eine Nummer zu groß sein. K3 und K4 mit 3,00 m bzw. 3,20 m Radstand kommen schon eher in Frage.

Genauer lässt sich das nicht sagen, da die Literatur zu NAG (Hans-Otto-Neubauer: Autos aus Berlin: Protos und NAG, 1983) zwar viele Details zur Markengeschichte bietet, aber nur wenige verwertbare Abbildungen der einzelnen K-Typen.

Das Problem der spärlichen Literatur wird – nicht nur bei NAG – dadurch verschärft, dass oft nur historische Prospektbilder reproduziert wurden. Diese zeigen die Wagen fast immer von der Seite, die markantere Kühlerpartie bleibt also verdeckt.

Auskunft über das tatsächliche Erscheinungsbild der einzelnen Typen können aber nur historische Fotos mit aussagefähiger Perspektive geben. Hier setzt dieser Blog an, denn im NAG-Bilderarchiv sind von bestimmten Modellen bereits mehr Originalaufnahmen versammelt als in der gesamten gedruckten Literatur.

Vorerst bleibt es bei der Vermutung, dass wir es hier mit einer wohl 1914 entstandenen Version eines NAG K-Typen zu tun haben. Das recht moderne Erscheinungsbild der vorderen Schutzbleche spricht gegen eine frühere Entstehung. Denkbar ist sogar, dass der Wagen direkt nach dem Krieg gebaut wurde. Dann müsste es ein NAG K4 10/30 PS sein, da nur er bis 1919 gefertigt wurde.

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Auf eine frühe Nachkriegsversion könnten auch die elektrischen Scheinwerfer hindeuten – sie können aber ebenso nachgerüstet worden sein.

Jedenfalls war so ein NAG-Vorkriegstyp – ob 1914 oder 1919 gebaut – noch Anfang der 1920er Jahre ein repräsentatives Fahrzeug. Sei es nun mit 20 PS aus 2 Litern (Typ K3) oder 30 PS aus 2,5 Litern Hubraum (Typ K4) – für die Landstraße wäre man ausreichend motorisiert gewesen.

Man darf nicht vergessen: Die allermeisten Leute besaßen damals in Deutschland überhaupt kein motorgetriebenes Fahrzeug und der Verkehr war abseits von  Metropolen wie Berlin äußerst dünn. Dazu passt die Zulassung des NAG in der Provinz Hannover (Kürzel “IS”) sehr gut.

Und so hat der schon etliche Jahre alte NAG dieser niedersächsischen Ausflugsgesellschaft einst noch gute Dienste geleistet – das war übrigens 1925, wie auf der Rückseite des Fotos vermerkt ist.

Möglicherweise hatten die vier Damen einen angestellten Fahrer, denn er steht auf dieser Aufnahme etwas abseits und scheint andere Sorgen zu haben als einen gelungenen Schnappschuss. Vermutlich hat er ungern das Lenkrad abgegeben…

Opulente Optik für Pfennigfuchser: Hanomag 3/18 PS

Die heute kaum noch bekannten Qualitätsautos des Maschinenbauers Hanomag sind auf diesem Oldtimerblog in erstaunlicher Zahl präsent (Bildergalerie).

Nicht, dass der Verfasser eine besondere Schwäche für diese grundsoliden, aber nie sonderlich avancierten Klein- und Mittelklassewagen aus Hannover hätte. Es ist einfach so, dass man bei der Suche nach alten Fotos von Vorkriegswagen ständig über Aufnahmen mit Hanomag-PKWs stolpert.

Natürlich sind Fotos von Adler, DKW und Opel im deutschsprachigen Raum weit häufiger anzutreffen. Aber gemessen an einer Stückzahl von nur rund 80.000 bis 1941 gebauten Fahrzeugen – das kuriose Kommissbrot lassen wir dabei außen vor – überrascht doch die Häufigkeit an verfügbaren Aufnahmen von Hanomag-PKW.

Das mag damit zu tun haben, dass die Wagen möglicherweise eine längere Lebensdauer als andere Typen in ihrer Klasse hatten. Denkbar ist auch, dass sie als repräsentativer empfunden wurden als etwa die sachlich daherkommenden Modelle von Opel und entsprechend gern in Szene gesetzt wurden.

Ein schönes Beispiel dafür sehen wir auf folgendem Originalabzug – der zudem einen seltenen Hanomag-Typ zeigt, der auf diesem Blog noch nicht behandelt wurde:

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© Hanomag 3/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dieser Kleinbildaufnahme scheint zwar links etwas Licht ins Kameragehäuse eingetreten zu sein und hat zu einer teilweisen Überbelichtung geführt. Die entscheidende Partie mit dem Hanomag ist aber perfekt belichtet, kontrastreich und sehr detailreich, wie wir noch sehen werden.

Die annähernd frontale Perspektive ist ungewöhnlich und man findet in der Literatur kaum ein vergleichbares Bild, bei dem sich die Details dieses Typs so gut studieren lassen. Der Fotograf hat zielsicher die attraktivste Seite des Wagens ins Visier genommen.

Die Front ist für Hanomag-Verhältnisse geradezu raffiniert durchgestaltet. Der einstige Besitzer war offenbar von der repräsentativen Erscheinung des Wagens so angetan, dass er noch ein Stander mit Hakenkreuzfahne angebracht hat…

Wir schauen über diesen Hinweis auf die Zeitumstände hinweg und nehmen die Bugpartie näher unter die Lupe:

hanomag_3-18_ps_frontpartie Der markante Chromkühlergrill, der oben flach beginnt und nach unten hin spitz zuläuft, findet sich an diversen Hanomag-Modellen der frühen 1930er Jahre. Die Kühlerpartie allein erlaubt noch keine Identifikation des genauen Typs auf unserem Foto. Das ermöglicht erst ein weiteres Detail, zu dem wir noch kommen.

Man beachte, dass man auf diesem hervorragenden Privatfoto sogar die Waben des Kühlernetzes erkennen kann. Auch das Hanomag-Flügelemblem ist auf alten Aufnahmen selten so detailreich zu sehen.

Heutige Besitzer eines solchen Hanomags können sich hier einiger Details vergewissern, die über die Zeit oft verändert wurden oder verlorengingen. Dazu gehören der Typ der verbauten Hupe und der flexible Chromschlauch, in dem die Scheinwerferkabel verlaufen.

Hervorragend zu sehen sind auch die im Art-Deco-Stil gehaltenen Gummielemente in der Mitte und an den Enden der Stoßstange. Sie dürften heute kaum noch beschaffbar sein – man wird sie wohl “nachschnitzen” müssen. Verwiesen sei nicht zuletzt auf den Chromverschluss der Öffnung für die Anlasserkurbel.

Um den genauen Typ zu identifizieren, müssen wir genau hinsehen. Der Schlüssel findet sich neben der linken Hand der großgewachsenen Dame neben dem Hanomag ( von der Dachhöhe ausgehend muss sie an die 1,80 m groß gewesen sein):

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Wie man sieht, verläuft die Türvorderkante nicht senkrecht, sondern schräg. Die Motorhaube dagegen schließt hinten senkrecht ab. Ausweislich verfügbarer Fotos in der Literatur gab es diese Anordnung nur beim ab 1932 gebauten Modell 3/18 PS.

Zu den davon abgesehen sehr ähnlichen Hanomag-Modellen der frühen 1930er Jahre an dieser Stelle nur soviel:

Hanomag stellte 1931 als Nachfolger der noch recht kompakten Limousinen des Typs 3/16 PS und 4/20 PS erwachsener wirkende neue Wagen vor. Sie besaßen nun hydraulische Bremsen und eine Ganzstahlkarosserie.

Bezeichnet wurden diese neuen Typen nach ihren Motorisierungen 3/18 PS, 4/23 PS und 6/32 PS bzw. ab 1934 als Hanomag “Garant” und “Kurier”, die bis 1938 neben dem Hanomag “Rekord” weiterverkauft wurden.

Demnach war ausgerechnet dieser auf unserem Foto so geschickt in Szene gesetzte Wagen das schwächste Modell in der Palette! Es sprach Kunden an, die partout in der 3 PS-Steuerklasse bleiben wollten – viele waren das übrigens nicht.

Den Daten zufolge reichten die 18 PS des 900ccm kleinen Vierzylinders für 80 km/h Spitze – schneller war auch das 4/23 PS-Modell nicht. Für den Betrieb auf dem flachen Land – unser Hanomag war in Pommern zugelassen – reichte das durchaus. 

Man lernt daraus, dass heutige Maßstäbe bei der Beurteilung von Vorkriegsautos in vielerlei Hinsicht ein falsches Bild vom einstigen Nutzen dieser Wagen ergeben. Gerade in dünn besiedelten ländlichen Gebieten bot auch ein recht schwachbrüstiger Hanomag 3/18 PS einen Mobilitätsgewinn, den wir heute kaum ermessen können.

Und – seien wir ehrlich – diese Kühlerpartie macht schon was her

DKW F7 Reichsklasse? Meisterklasse? Arbeiterklasse!

Dieser Oldtimer-Blog befasst sich hauptsächlich mit Vorkriegsautos – und zwar anhand historischer Originalfotos – gleichzeitig reicht sein Horizont aber über das Kriegsende 1945 hinaus.

Oft sind nämlich auch frühe Nachkriegsfotos von Fahrzeugen der 1930er Jahre von großem Reiz. Sie lassen die Nehmerqualitäten vieler Konstruktionen erkennen und lassen erahnen, wie schwierig der Betrieb eines Automobils in den Jahren des Neubeginns nach dem “Dritten Reich” war.

Interessant wird die Beschäftigung mit solchen “Kriegsversehrten” auch dadurch, dass sie oft aus mehreren Autos entstanden sind. Ein Extrembeispiel auf diesem Blog war ein Ford Buckeltaunus auf VW-Kübel-Basis, der es sogar bis ins Clubmagazin der Alto-Ford-Freunde geschafft hat.

Heute geht es um ein weniger spektakuläres, doch im Detail ebenfalls reizvolles Fahrzeug, einen DKW F7. Von diesem von 1936 bis 1939 gebauten frontgetriebenen Modell des sächsischen Zweitaktspezialisten haben wir hier schon einige Exemplare vorgestellt (hier, hier und hier).

Nun ist folgendes Exemplar an der Reihe:

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© DKW F7; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht auf den ersten Blick nicht viel von der 2-türigen Limousine, die wohl bei einem Familienausflug ins Grüne abgelichtet wurde. Doch ist genug zu erkennen, um Typ und Baujahr recht genau einzugrenzen.

Die nähere Betrachtung wird aber auch erweisen, dass der Wagen modifiziert worden ist. Das Ergebnis ist aus einer historischen Perspektive ebenso original wie der einstige Auslieferungszustand und wäre für einen geschichtsbewussten heutigen Besitzers durchaus erhaltenswert.

Beginnen wir mit der Frontpartie des DKW:

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Dass wir einen DKW des Typs F7 vor uns sehen, verrät ein winziges Detail: Das auf die Motorhaubenseite aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen. Man sieht dessen umlaufende Sicke am linken Bein des kleinen Jungen auf der Haube glänzen.

Beim Vorgänger DKW F5 – einen Typ F6 gab es nur als internes Versuchsmodell – wie auch beim Nachfolger F8 – waren die Luftschlitze direkt in die Haube gepresst, außerdem wichen Form und Anordnung ab.

An der Kühlermaske fällt die verchromte Blende mit dem DKW-Emblem auf. Sie war nur bei der 20 PS leistenden Ausführung “Meisterklasse” erhältlich. Dort gab es auch serienmäßig verchromte Stoßstangenecken wie auf unserem Foto.

Solche Stoßstangen waren allerdings auch als Zubehör bei der 18 PS-Version “Reichsklasse” verfügbar, sie können außerdem nachträglich montiert worden sein.

Leider fehlen die Radkappen, die ein weiteres Indiz zugunsten eines “Meisterklasse”-Modells sein könnten. Dort waren sie nämlich verchromt, während die “Reichsklasse”-Ausführung mit lackierten Radkappen daherkam.

Interessant ist nun die Motorhaube: Dort fehlt die seitliche Chromleiste, die beim F7 “Meisterklasse” die Türleiste fortsetzen würde, deren Ende man auf dem Bild zu erkennen meint.

Die Basisausführung “Reichsklasse” musste auf diese Haubenleiste verzichten. Es fällt schwer zu glauben, dass eine solche Leiste verlorengehen kann – also vielleicht ist der DKW doch nur ein mit Chrommaske aufgehübschtes Reichsklasse-Modell?

Warten wir es ab.

Zunächst noch ein Blick die A-Säule hinunter. Man kann dort erahnen, dass die (hinten angeschlagene) Tür leicht offen steht. Die Türvorderkante verläuft schräg nach vorn, nicht senkrecht – dieses Detail zeichnet den DKW F7 ab 1938 aus.

Nun zum Rest des Wagens und der (mutmaßlichen) Auflösung des Rätsels:

dkw_f7_ab_1938_brandenburg_heckpartieMan sieht hier die seitliche Zierleiste in einem Bogen bis ans Wagenende laufen. Das gab es so nur bei der “Meisterklasse”-Ausführung des DKW F7. Bei der simpleren “Reichsklasse”-Variante endete die Leiste über der Mitte des hinteren Kotflügels.

Nun könnte man einwenden, dass prinzipiell auch diese Leiste nachträglich angebracht worden sein kann, so wie spätere Mercedes-Fahrer aus ihrem braven 200D durch Montage des entsprechenden Schriftzugs einen 230E gemacht haben.

Doch eine Kleinigkeit verrät bei nochmaligem Hinsehen, dass dieser DKW F7 einst als besser ausgestattetes Modell “Meisterklasse” in Zwickau vom Band lief: Das kleine Stück Chromleiste an der A-Säule! Dieses wurde beim Modell Reichsklasse nicht montiert, dort endete die seitliche Chromleiste an der Vorderkante der Tür.

Nach der Lage der Dinge können wir annehmen, dass wir es mit einem DKW F7 “Meisterklasse” zu tun haben, an dem – aus welchen Gründen auch immer – eine schmucklose Motorhaube eines “Reichsklasse”-Modells verbaut wurde. 

Eine solche Nachkriegsbastellösung ist plausibler als die Annahme, dass jemand einst ein Reichsklassemodell von vorne bis hinten mit allen Chromteilen auf “Meisterklasse” getrimmt hat und dann bei der Motorhaube aufgehört hat.

Die Leute, denen einst dieser DKW gehörte, waren sicher froh, überhaupt einen fahrbaren Untersatz zur Verfügung zu haben. Denn sie lebten in der russischen Besatzungszone “Brandenburg”, wie das Kürzel “SB” auf dem Kennzeichen verrät.

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Die “11” vor dem Querstrich steht für den Landkreis Potsdam (Quelle). Unter dem Strich ahnt man eine “48”, die nur bei 1948 ausgestellten Kennzeichen zu finden ist.

Mit etwas detektivischem Gespür haben wir nicht nur beim DKW Baujahr und Typ bestimmt – ein F7 “Meisterklasse” von 1938/39 – sondern können eingrenzen, wann das Foto entstanden ist: nicht vor 1948 und nicht nach 1953 (ab dann gab es in der DDR neue Nummernschilder).

Die Kleidung der Erwachsenen scheint ein Sammelsurium aus Vor- und Nachkriegsmode zu sein und liefert keinen näheren Datierungshinweis. Um 1950 muss diese Aufnahme jedenfalls enstanden sein. 

An sich ein schönes Foto, das kaum etwas den bedrückenden Umständen ahnen lässt. Wenn es dieser Familie nicht gelungen ist, noch vor Befestigung der innerdeutschen Grenze durch das DDR-Regime (ab 1953) bzw. vor Bau der Berliner Mauer (1961) nach Westen zu fliehen, haben die Eltern ihr ganzes und die Kinder einen Großteil ihres Lebens unter den Bedingungen des Sozialismus eingesperrt zubringen müssen.

Den vom kapitalistischen Joch befreiten “Genossen” wurden auch in den kommenden Jahrzehnten vom Ostberliner Regime meist nur schwache Zweitakter nach Vorkriegsbauart gegönnt. Von der Form her stellte dieser alte DKW F7 bereits den Gipfel dessen dar, was die “Arbeiterklasse” zu DDR-Zeiten erreichen konnte…

Insofern erzählen solche einst im Alltag aufgenommenen Bilder oft weit mehr als nur die Geschichte von alten Autos, ihrer Entwicklung, Technik und Gestaltung. Auch an die oft ausweglosen Zeitumstände zu erinnern, darum geht es in diesem Blog.

Ein NSU 5/15 PS unterwegs im Schwarzwald

Regelmäßige Leser dieses Oldtimerblogs mögen sich fragen: Warum präsentiert der Kerl hier eigentlich nur alte Fotos von Vorkriegsautos? Ist das nicht “diskriminierend” gegenüber jüngeren Fahrzeugen?

Ist der Verfasser am Ende ein reicher Schnösel mit Bugattisammlung? Ein Ewiggestriger mit Herrenhaus, Raucherzimmer und Dienstmädchen? Nun, das ist er nicht – ihm fehlen nämlich leider die Mittel dazu…

Wer seine Oldtimerkarriere mit einem VW Käfer von 1985 begonnen hat und sich dann über MGB und Innocenti-Mini in die Vorkriegszeit zurückgearbeitet hat, stellt irgendwann fest, dass die wirklich alten Autos spannender sind.

Das bemisst sich gerade nicht an der Leistung – das heute zu behandelnde Modell ist ein gutes Beispiel dafür. Es geht vielmehr um die schiere Vielfalt – noch so ein Zeitgeistbegriff, ausnahmsweise passend – die die noch junge Welt des Automobils in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausmachte.

Ob Antrieb, Karosserieformen, Ausstattungsdetails, Hersteller und Konstrukteure: In den Pionierjahren war Platz für die unglaublichsten Konzepte und Persönlichkeiten, von denen die meisten in heutigen Firmen schon beim “Global Executive Comittee” und der Gleichstellungsbeauftragten durchfallen würden.

Und da zu Nachkriegsautos und 80er Jahre-Plastikbombern (“Youngtimer”) in der deutschsprachigen Presse und im Netz genug, über Veteranenwagen aber zu wenig geboten wird, gibt es diesen meinungsstarken Blog mit starker Vorkriegs-Schlagseite und ausgeprägtem Sinn für das historische Drumherum.

Die jüngste Entdeckung schlummert schon eine Weile im Fundus, doch erst kürzlich gelang die Identfikation:

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© NSU 5/15 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der hufeisenförmige Kühler, die schmale Silhouette, die v-förmige Windschutzscheibe deuten auf ein leichtes Sportmodell der frühen 1920er Jahre hin – vielleicht ein Typ aus Frankreich?

Nun, Hersteller ähnlicher Wagen gab es dort einst rund 100! Amilcar, Rally und Salmson sind die bekanntesten Hersteller solcher Cyclecars. Doch bei näherem Hinsehen verflüchtigt sich der Eindruck.

Zum einen ist die Aufnahme in Deutschland entstanden, am einstigen Kurhaus Hundseck an der Schwarzwaldhöhenstraße. Das macht einen französischen Sportwagen kurz nach dem 1. Weltkrieg eher unwahrscheinlich.

Zum anderen ist der Wagen in Wahrheit größer, als er auf den ersten Blick wirkt. Die beiden stattlichen Herren daneben lassen den Tourer vergleichsweise kompakt wirken. Dem Auto fehlen außerdem die für Cyclecars typischen freistehenden Schutzbleche an den Vorderrädern.

Was ist das nun für ein Modell? Dazu werfen wir einen genaueren Blick auf das Auto:

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Zwar sind von dem runden Emblem auf der Kühlermaske keine Details zu erkennen. Seine Placierung und der markante wellenförmige Schwung der oberen Einfassung des Grills verraten aber, dass es sich höchstwahrscheinlich um ein Modell von NSU handelt, genauer: einen 5/15 PS Tourenwagen.

Der in Neckarsulm beheimatete Fahr- und Motorradhersteller fertigte ab 1906 selbstentwickelte Automobile an. Neben gut motorisierten Mittelklassewagen (BeispielBeispiel) bot NSU ab 1910 auch einen zunächst 10, später 15 PS leistenden Kleinwagen an.

Dieser der Papierform nach wenig eindrucksvolle, aber in Deutschland durchaus konkurrenzfähige 5/15 PS-Typ mit blitzsauber konstruiertem, laufruhigen 1,2 Liter-Vierzylinder wurde nach dem 1. Weltkrieg kaum verändert weitergebaut.

Typisch für die offene Version war schon vor dem Krieg die gepfeilte Windschutzscheibe, die wir auf dem Foto sehen. Die kleinen Scheinwerfer dürften bereits elektrisch betrieben sein und sprechen für ein Nachkriegsmodell.

Bis 1925 fand dieser attraktiv gezeichnete, wenn auch schwache NSU-Tourer Absatz. Aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre dürfte auch die hier gezeigte Aufnahme stammen.

Das im Hintergrund zu sehende, aus dem 19. Jahrhundert stammende Kurhaus Hundseck war eines von zahlreichen hochklassigen Hotels an der Schwarzwaldhöhenstraße, die damals beliebt bei Ausflüglern waren.

Im Netz finden sich etliche historische Ansichtskarten der einst beeindruckenden Anlage. Leider wurde das Gebäude 1999 bei einem Sturm stark beschädigt. Die damaligen Eigentümer hatten offenbar keinen Sinn für den Wert des historischen Baus und verzichteten auf die notwendigen Reparaturen. In der Folge wurde das Gebäude einsturzgefährdet und wurde auf öffentliches Betreiben hin abgerissen.

Warum die lokale Denkmalbehörde nicht auf eine Sicherung des noch sehr originalen Baus hinwirken konnte, soll hier nicht erörtert werden. Das Studium zeitgenössischer Presseartikels hinterlässt den Eindruck, dass das Kurhaus Hundseck nicht das einzige Gebäude seiner Art war, an dessen Erhalt der lokalen Bürokratie nicht gelegen war.

So zählt unsere Aufnahme nicht nur zu den raren Originalfotos eines NSU 5/15 PS, sondern auch zu den Dokumenten, die an die einst reiche Hotelinfrastruktur und den Erholungswert der Region erinnern.

Heute hat auch im Schwarzwald eine rabiate Ideologie die Oberhand, die zugunsten der Kapitalinteressen weniger Investoren die Zerstörung ganzer Landschaften durch Windindustrieanlagen in Kauf nimmt. Damit wären wir wieder in der Gegenwart…

Literaturtipp: Klaus Arth: NSU-Automobile, Verlag Delius Klasing, 2. Auflage, 2015; der hier gezeigte Wagen ist dort auf Seite 47 ebenfalls abgebildet!

Länge läuft: Steyr Typ VI Tourer der 1920er Jahre

Ein Oldtimerblog aus Deutschland, der sich der Dokumentation von Vorkriegsautos anhand historischer Originalfotos verschrieben hat, bildet zwangsläufig die Markenwelt ab, wie sie sich einst im deutschsprachigen Raum darstellte.

Ausländische Prestigewagen von Alfa-Romeo, Bentley, Bugatti, Delahaye und Rolls-Royce wird man hier daher nur selten antreffen. Allenfalls importierte US-Fahrzeuge sind öfters vertreten.

Dafür gibt es neben deutschen Großserienautos von Adler, BMW, DKW, Opel und Mercedes jede Menge Exoten von Firmen zu besichtigen, die heute kaum noch einer kennt: AGA, Brennabor, Dürkopp, NAG, Presto, Protos, Steiger, Wanderer usw…

In der Oldtimerpresse völlig unterbelichtet sind daneben die Wagen, die von Herstellern im österreichischen Raum (inkl. Böhmen und Mähren) gebaut wurden.

Neben Luxusmarken wie Austro-Daimler und Gräf & Stift ist vor allem Steyr zu nennen. Der Waffenhersteller baute in der Zwischenkriegszeit technisch brilliante und raffiniert geschnittene Wagen.

Der 6-Zylindertyp VII wurde hier bereits präsentiert. Sein Motor mit v-förmig angebrachten Ventilen, von einer obenliegender Nockenwelle betätigt, entfaltete sein wahres Potential jedoch im Steyr Typ VI:

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© Steyr Typ VI Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Damit bot Steyr Mitte der 1920er Jahre einen immerhin 60 PS starken 6-Zylinderwagen in Serie an. Diese über 120 km/h schnellen Autos zeichneten sich formal durch ihr schnittiges Erscheinungsbild aus.

Langer Radstand, lange Motorhaube, flache Linie, niedriger Schwerpunkt – so sieht ein sportlicher Tourenwagen der 1920er Jahre am besten aus. Lancia und Ceirano aus Italien machten das vor, einige britische Hersteller konnten das auch – Steyr ebenso!

Spitzkühlerwagen gab es nach dem 1. Weltkrieg im deutschsprachigen Raum zuhauf, aber bei kaum einem wirkt die Frontpartie so dynamisch:

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Hier wirkt der Bug wie bei einem Schnellboot, während zeitgenössische Mercedes und Benz (bis 1925 noch unabhängig) mit Spitzkühler anfangs eher wie Schlachtschiffe daherkamen.

Die Speichenräder mit Steyr-Schriftzug auf der geflügelten Nabenmutter tragen das ihre zum filigranen Erscheinungsbild teil. Auch die elegant geschwungenen Schutzbleche lassen die Frontpartie leicht und schnittig wirken.

Dagegen wirkte das zeitgleiche Mercedes-Benz K-Modell (1926-29) bei ähnlicher Grundform schwerfällig. Erst das darauf basierende Modell S wusste außer durch Kraft auch mit Eleganz zu überzeugen.

Vielleicht ist durch den Erfolg der rassigen Mercedes-Benz Tourenwagen vom Ende der 1920er Jahre die Vorreiterrolle von Steyr in Vergessenheit geraten. Diese attraktiven, auch in starken Kompressorversionen verfügbaren Sportwagen verdienen jedenfalls mehr Aufmerksamkeit, als ihnen in der einschlägigen Presse zuteil wird.

Zum Schluss noch ein Blick auf die Heckpartie des prächtigen Steyr Typ VI – nicht wegen weiterer formaler Schmankerl, sondern weil auf diesem Blog stets auch die Menschen gewürdigt werden, die einst zusammen mit den Autos unterwegs waren:

steyr_typ_vi_heckpartie

Im vorliegenden Fall haben wir es mit einer kuriosen Situation zu tun.

Einer der Passagiere ist ausgestiegen, um ein Foto des Steyr nebst Insassen zu machen. Fahrer und Beifahrerin quittieren dies mit einer abwehrenden Geste bzw. demonstrativem Wegschauen. Die Begeisterung der beiden rückwärtigen Passagiere hält sich ebenfalls in Grenzen.

Dies war kein Moment vollendeter Harmonie – irgendeine Spannung liegt in der Luft. Wann und wo genau diese Situation fotografisch dokumentiert wurde, wissen wir nicht. Vielleicht kann jemand zumindest etwas zu der Plakette oberhalb des Schwellers sagen, die vom Hersteller der Karosserie stammen könnte.

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Was bleibt, ist der Eindruck eines großartigen Tourenwagens aus Österreich, der eine Klasse für sich war. “Länge läuft”, würde ein Segler dazu sagen. Leider bekommt man solche Kaliber aus der Steyrer Waffenschmiede heute kaum noch zu sehen.

Eroberer von Stadt und Land: Opel 4 PS-Modell

Freunde von Vorkriegsautos finden auf diesem Oldtimerblog zum einen Vertreter legendärer Prestigemarken – erst gestern wurde ein Horch 8 vorgestellt – zum anderen vermeintlich unscheinbare Großserienfahrzeuge.

Dabei ist nicht nur der markenübergreifende Ansatz eine Besonderheit im deutschsprachigen Teil des Netzes, sondern auch die Art der Präsentation. Hier werden anstelle von Aufnahmen moderner Hochglanzrestaurierungen bevorzugt zeitgenössische Originalfotos aus dem Fundus des Verfassers gezeigt.

Diese historischen Bilder zeigen die Fahrzeuge im Alltag, mit oft deutlichen Benutzungsspuren, mit ihren Besitzern und Bewunderern in der Umgebung, die von einer untergegangenen Welt kündet.

Heute stellen wir Aufnahmen vor, die anhand nur eines Autotyps alles vereinen, was diese alten Fotos über die automobile Komponente hinaus so reizvoll macht.

Das Fahrzeug selbst ist denkbar unspektakulär – ein Opel 4/16 bzw 4/20 PS-Modell, mit dem die Rüsselsheimer Ende der 1920er Jahre den Durchbruch in der Großserienproduktion schafften. Den Typ als solchen nebst Vorgängern haben wir bereits ausführlich besprochen (4/14 PS, 4/16 PS, 4/20 PS).

Hier geht es daher nicht mehr um technische und formale Details des populären Opel “Laubfrosch”, sondern darum, wie er die individuelle Mobilität in Deutschland einst vorangebracht hat.

So ist auf vielen Ansichtskarten deutscher Großstädte aus der Zeit um 1930 einer der kleinen Opelwagen zu sehen. Hier ein erstes Beispiel aus Frankfurt am Main:

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© Opel 4 PS in Frankfurt/Main; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Das Auto rechts könnte ein US-Wagen sein, dafür spricht die breite Spur. Links steht aber auf jeden Fall ein zweitüriger Opel 4/16 oder 4/20 PS, zu erkennen am geschwungenen Oberteil der Kühlermaske, das man von Packard geklaut hatte.

Das herrliche spätmittelalterliche Gebäudeensemble südlich des Doms ist wie die übrige Fachwerkaltstadt beim alliierten Bombenangriff im März 1944 verbrannt.

Von diesen – wie deutsche Kriegsverbrechen verwerflichen – Aktivitäten alliierter Schreibtischtäter verschont blieben nur die historischen Zentren weit östlich gelegener Städte. Sie lagen außerhalb der Reichweite der Bomber und Begleitjäger.

Neben dem Kleinod Görlitz an der polnischen Grenze blieb auch Zittau in Sachsen unversehrt, das direkt an der Grenze zu Tschechien liegt. Die folgende Ansicht können Besucher heute nach wie vor genießen – von den Autos abgesehen:

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© Opel 4 PS in Zittau/Sachsen; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Die vorderen vier Wagen, die auf dem Marktplatz abgestellt sind, sind wahrscheinlich Opel der Typen 4 PS bzw. 10 PS (letzterer wird bei Gelegenheit vorgestellt).

Auch hier sieht man, wie die Autos von Opel einst die deutschen Groß- und Kreisstädte eroberten. Kein anderer Hersteller hierzulande verstand es, sich dem Vorbild der enorm leistungsfähigen US-Marken zumindest anzunähern.

Und so begegnen wir den 4 PS-Modellen von Opel Ende der 1920er Jahre nicht nur in Metropolen wie Frankfurt oder mittelgroßen Orten wie Zittau, sondern auch in Kleinstädten, wie folgende Ansichtskarte belegt:

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© Opel 4 PS in Iphofen/Unterfranken; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Idyll scheint wie aus einem Werk des romantischen Malers Spitzweg gefallen zu sein. Zu sehen ist das Rödelseer Tor des Orts Iphofen in Unterfranken.

So unglaublich es klingt: Von dem Opel abgesehen, bietet sich dem Flaneur dort noch heute genau dieselbe Ansicht. Selbst das Kopfsteinpflaster hat man bewahrt, das ist ohnehin die beste Entschleunigungstechnik innerorts.

Übrigens hat man hier die seltene Gelegenheit, die auffallend schmale Silhouette des Opel 4PS-Modells zu studieren:

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Gut zu erkennen ist auch der Packard-Kühler, der von 1927 bis zum Ende der Produktion des 4 PS-Modells verbaut wurde. Demnach muss es sich um einen späten Opel 4/16 PS oder einen 4/20 PS-Typ handeln.

Schön ist der Blick durch das Tor in die Landschaft, wie er vielerorts noch bis in die 1950er Jahre genießen war. Was hier verlorengegangen ist und im Zuge einer zerstörerischen Energiepolitik weiter dezimiert wird, bemerkt man erst, wenn man historische Orte im Elsass oder der Toskana durch das Stadttor verlässt: Unvermittelt steht man vor einer über Jahrhunderte kaum veränderten Kulturlandschaft.

Damit wären wir an der letzten Station unserer Reise im Opel 4 PS – auf einem Gutshof auf dem Land irgendwo in Westfalen:

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© Opel 4 PS mit Zulassung Westfalen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Von der zweitürigen Opel-Limousine sieht man nicht viel, aber genug, um sie als 4/16 oder 4/20 PS-Modell der Baujahre 1927-29 anzusprechen. Typisch ist die seitliche Zierleiste auf Höhe der Motorhaubenkante. Auch die Zweifarblackierung kündet von der Verfeinerung, die das anfangs sehr simple Modell inzwischen erfahren hatte.

Im Hintergrund erkennt man solide Ziegelsteinarchitektur und ein gefällig geformtes Hoftor – hier wohnen Leute, die auf ein gepflegtes Entree Wert legen.

Und diese Leute, die einst um 1930 so lässig und selbstsicher an ihrem Opel posierten, sind einen näheren Blick wert:

opel_4-16_oder4_20_ps_ausschnittDas sind allesamt gestandene Charaktere, die trotz Anzug mit Krawatte eine natürliche Individualität ausstrahlen. Solche echten Persönlichkeiten brauchten weder auffällige Tätowierungen, durchbohrte Ohläppchen oder sonstige Insignien einer herbeiphantasierten “Stammeszugehörigkeit”.

Von diesem großartigen Foto lässt sich einiges lernen und sei es nur, dass ein würdiges Erscheinungsbild immer noch vom einzelnen Menschen abhängt. Dazu kann dann durchaus der ein oder andere alte Opel als Zierde gehören…

Spitzentechnik brav verpackt: Horch 8 Typ 305

Die einstige Luxuswagenmanufaktur Horch aus dem sächsischen Zwickau ist auf diesem Oldtimerblog bislang nur mit wenigen Originalfotos vertreten – angesichts der geringen Gesamtproduktion zwischen 1900 und 1940 kein Wunder.

Die opulent gestalteten 8-Zylinderwagen, die Horch in den 1930er Jahren fertigten, sind zwar recht oft auf historischen Fotos zu finden. Sie waren im 2. Weltkrieg beliebte Stabsautos und wurden entsprechend häufig von Soldaten fotografiert.

Nur mit Glück gelangt man dagegen an Bilder früher Typen, die noch nicht die formale Klasse späterer Modelle erreichten. Der 10/50 PS-Vierzylinderwagen, mit dem Horch in den 1920er Jahren einigen Erfolg hatte, wurde hier bereits vorgestellt.

Heute können wir eine Aufnahme des ersten 8-Zylinder-Horch präsentieren, mit dem der Aufstieg der Marke in die automobile Spitzenklasse begann:

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© Horch 8, Typ 305; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das soll ein Horch sein? Nun, zunächst dachte der Verfasser bei diesem Foto aus der 1-Euro-Preisklasse auch an irgend ein US-Massenfabrikat der 1920er Jahre.

In der Tat kann man sich kaum eine beliebigere Karosserie als diese vorstellen. Immerhin lassen die vier Türen und sechs Seitenfenster, die man erst beim zweiten Hinschauen sieht, auf beachtliche Dimensionen schließen.

Der Aufnahmewinkel lässt den Wagen kürzer wirken, als er tatsächlich war. Das Modell, mit dem wir es hier zu tun haben, war 4,70 m lang und 1,90m hoch.

Dies lässt sich deshalb so genau sagen, weil kleine Details verraten, dass hier ein früher Horch 8 zu sehen ist – der erste deutsche Achtzlinderwagen.

horch_8_12-60ps_frontpartieWer genau hinschaut und das Markenzeichen von Horch – ein gekröntes “H” – kennt, kann ein solches auf der Front der Kühlermaske erahnen. Skeptikern sei versichert, dass dies auf dem Originalabzug recht deutlich zu erkennen ist. Der an das Adler-Emblem erinnernde dreieckige Schatten darunter täuscht.

Die arg simple Kühlerform entspricht im Wesentlichen derjenigen des Vierzylindermodells 12/50 PS. Doch im Unterschied zu diesem reichen hier die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube weit höher.

Der von Paul Daimler konstruierte Reihenachtzylinder mit 3,1 (später 3,4) Liter Hubraum erforderte deutlich mehr Kühlung. Mit leiser und präziser Ventilsteuerung über zwei königswellengetriebenen Nockenwellen unterstrich das Aggregat den Luxuswagenanspruch von Horch.

So begeistert Deutschlands erster Serien-Achtzylinder 1927 aufgenommen wurde, so einfallslos wirkte das äußere Erscheinungsbild dieses technischen Sahnestücks. Auch die Seitenpartie liefert keine Überraschungen, bloß soliden Standard:

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Immerhin erkennt man die beiden Trittschutzbleche auf dem Schweller, deren Form der beim frühen Horch 8 entspricht. Die verchromte Arretierung des Ersatzrads passt ebenfalls zu Horch-Modellen um die Mitte der 1920er Jahre.

Den verchromten Felgenrand gab es nur beim Horch 8 des etwas stärker motorisierten Typs 305, der 65 statt 60 PS leistete. Damit erreichte die knapp 2 Tonnen schwere Pullman-Limousine immerhin 100 km/h.

1928 wurden die bislang einfallslos gezeichneten Horch 8 endlich durch attraktiv gestaltete Modelle abgelöst, die bei technisch gleicher Konzeption eine großzügige Motorleistung von 80 PS boten. Ein reizvolles Originalfoto eines solchen Wagens wird hier gelegentlich veröffentlicht.

Übrigens: Im Standardwerk zu Horch von Peter Kirchberg und Jürgen Pönisch (Verlag Delius Klasing, 2011) findet man auf Seite 239 ein restauriertes Exemplar genau des Typs auf unserem Foto.

Charakterkopf der 1920er Jahre: Renault KZ 10 CV

Wirft man einen Blick in die Bildergalerien auf diesem Vorkriegs-Oldtimerblog oder erst recht in die Schlagwortwolke rechts unten, wird man auf eine Vielzahl von Marken wie wohl sonst nirgends im deutschen Sprachraum stoßen.

Wenn sich dort gewisse Schwerpunkte abzeichnen, liegt das daran, dass hier bevorzugt historische Originalfotos besprochen werden. Sie liefern ein ungefähres Abbild der einstigen Verteilung von PKW-Typen im deutschen Sprachraum.

Ausländische Hersteller, die weder auf deutschem Boden produziert noch dorthin in nennenswerten Stückzahlen exportiert haben, sind daher weniger stark vertreten.

Ab und zu findet sich dennoch Gelegenheit, Wagen aus benachbarten Ländern vorzustellen, die hierzulande kaum präsent waren. Anlass dazu gibt uns die folgende Ansichtskarte des Bahnhofs von Beauvais aus den 1920er Jahren:

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© Bahnhofsvorplatz in Beauvais um 1925; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Der harmonische Bau im Stil französischer Chateaus sieht heute noch fast genauso aus, nur die Autos davor sind inzwischen unerheblich.

Wer mit Beauvais nichts verbindet, ist nicht allein. Auch der Verfasser wurde auf einem hessischen Gymnasium einst intensiver mit den “vorbildlichen” Verhältnissen in Nicaragua vertraut gemacht als mit dem kulturellen Erbe der eigenen Nachbarn…

Daher einiges Wissenswertes in Kürze: Das in römischer Zeit gegründete Beauvais liegt in Nordfrankreich auf dem Weg von Paris nach Calais. Von seiner Bedeutung als Bischofsstadt kündet die mächtige, wenn auch nie vollendete gotische Kathedrale.

In der Neuzeit erlangte die altehrwürdige Stadt traurige Berühmtheit, als dort im Oktober 1930 das überladene britische Luftschiff R101 verunglückte und infolge einer Wasserstoffexplosion fast alle Passagiere ums Leben kamen.

Zurück zu unserer Ansichtskarte. Dort sieht man neben einem Pferdegespann ganz rechts einige Motorkutschen, von denen sich zumindest zwei aufgrund ihrer Frontpartie als Wagen von Renault ansprechen lassen.

Hier der entsprechende Bildausschnitt:

renault_kz_bahnhof_beauvais_ausschnittBeim Fahrzeug vorne links kann man auf der Frontpartie das rautenförmige Emblem der traditionsreichen Marke ahnen, das 1926 eingeführt wurde. Direkt vor dem Bahnhofseingang steht ein weiteres Auto des gleichen Typs.

Mitte der 1920er Jahre dürfte Renault der letzte Hersteller gewesen sein, der an der eigenwilligen Platzierung des Kühlers hinter dem Motor festhielt. Diese Anordnung erklärt das Fehlen eines Kühlergrills.

Stattdessen wies die Frontpartie eine nach vorn und seitlich schräg zulaufende Haube auf, die im englischen Sprachraum als “Coal Scuttle Bonnet” bezeichnet wird. Das war zwar bereits ab 1910 aus der Mode, sicherte den Renault-Wagen aber nach dem 1. Weltkrieg ein einzigartig markantes Erscheinungsbild:

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© Renault Typ KZ1 10 CV; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir es mit einem Renault des Typs KZ 10 CV zu tun, der von 1923 bis 1933 in äußerlich unterschiedlichen Versionen gebaut wurde. Technisch scheint es während der Bauzeit keine grundlegenden Änderungen gegeben zu haben.

Der Wagen hatte einen 4-Zylindermotor mit 2,1 Liter Hubraum, dessen tatsächliche Leistung interessanterweise schwer zu ermitteln ist. Vielleicht kennt ein Leser eine Quelle im Netz, die mehr als nur die Steuer-PS nennt. Viel kann es jedenfalls nicht gewesen sein, da als Höchstgeschwindigkeit 50-80 km/h angegeben werden.

Attraktiver ist ohnehin das Erscheinungsbild des Renault 10 CV, dessen Frontpartie an zeitgenössische luftgekühlte Tatras erinnert: 

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Die Gestaltung der Frontpartie mit geometrischen Elementen verweist auf die Richtung des Art Deco. Das war der letzte auf klassischer Tradition basierende Stil vor der funktionalistischen Ideologie, die sich seit über 90 Jahren als modern ausgibt. Wir sehen an dem Renault, wie raffiniert sich Technik verkleiden lässt, wenn man keiner Zwangsvorstellung wie “form follows function” anhängt.

Über die Insassen des abgebildeten Renaults wissen wir nichts. Auch das Nummernschild mit der Ziffernfolge “320” auf weißem Grund bleibt rätselhaft. Französischer oder deutscher Konvention entspricht es jedenfalls nicht.

Wohlgenährt und zufrieden schauen uns die Passagiere an, lediglich der Chauffeur des Rechtslenkers macht einen sehnigeren Eindruck:

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Es fällt schwer zu glauben, dass der leistungsschwache Renault einst als Chauffeurswagen fungierte. Doch muss er die einstigen Besitzer stolz gemacht haben, sonst hätten wir heute keinen Abzug des Fotos aus der Mitte der 1920er Jahre.

Uns trennen bloß drei Generationen von der Welt, in der diese Aufnahme entstand; und doch wirkt sie merkwürdig fremd. Die Fahrzeuge jener Zeit verraten vielleicht mehr von den seither erfolgten Umbrüchen, als uns bewusst ist…

Luftwaffen-BMW 326 bei der Instandsetzung

Die Dokumentation der Vorkriegsautos von BMW anhand historischer Originalfotos auf diesem Oldtimerblog macht nach zähem Anfang Fortschritte.

Die frühen, noch vom Dixi abgeleiteten Modelle und die ersten Eigenentwicklungen (303, 309, 315, 319) waren zu selten, um in großer Zahl abgelichtet zu werden.

Zuletzt hatten wir hier den kaum bekannten und äußerst kurzlebigen BMW 329 vorgestellt, der im Gewand des neuen und weit erfolgreicheren BMW 326 daherkam. Mit dem 326 gelang BMW ein ganz großer Wurf, technisch wie formal.

Der ab 1936 gebaute 6-Zylinder-Wagen mit 50 PS war als komfortabler Reisewagen mit viel Platz konzipiert, der erstmals auch als Viertürer erhältlich war. Insofern stellte das Modell eine Abkehr von BMWs bisherige Tendenz zu leichten und relativ spritzigen Zweitürern dar.

Der großzügige und bequeme BMW 326 war nach Ausbruch des 2. Weltkriegs bei der Wehrmacht ein beliebtes Stabsfahrzeug und wurde bis 1941 gebaut. Daher findet man heuter eher Fotos des Modells aus Kriegszeiten als im zivilen Einsatz.

Folgende Originalaufnahme zeigt einen BMW 326 in der Ausführung als Cabriolimousine im Dienst der Wehrmacht:

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© BMW 326 in Ahrweiler; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem hervorragenden Foto, das mit einer hochwertigen Kamera geschossen wurde, sieht man sehr gut die formalen Charakteristika des Modells:

Die markanten Doppelstoßstangen gab es nur beim 326. Kennzeichnend für die neue Linie waren außerdem die vorne weit heruntergezogenen Schutzbleche und der hoch angesetzte Übergang zur Motorhaube. Hier zeichnet sich bereits das Verschmelzen bisher klar voneinander separierter Elemente zu einem Ganzen ab.

Die bis auf einen Schlitz abgedunkelten Scheinwerfer verraten, dass wir es mit einer Aufnahme aus Kriegszeiten zu tun haben. Das Kürzel “WL” auf dem Nummernschild steht für “Wehrmacht Luftwaffe”, womit die Truppengattung klar ist.

Der abgesehen vom verbogenen Kennzeichen gute Gesamtzustand lässt vermuten, dass dieser Wagen bislang keinen Fronteinsatz gesehen hat. Dank der umseitigen Beschriftung wissen wir, dass die Aufnahme im friedlichen Ahrweiler entstanden ist.

Wie die Gesamtsituation vermuten lässt, gab es dort eine Instandsetzungseinheit für PKW und LKW. Das zahnradförmige Symbol auf dem in Fahrtrichtung linken Kotflügel des BMW könnte auf die Zugehörigkeit zu einer solchen Einheit sprechen.

Vermutlich war der BMW also kein “Patient” der Instandsetzungstruppe, sondern der Wagen eines Offiziers derselben. Die zwei Mechaniker neben dem BMW haben sich wohl neben dem “Wagen vom Chef” ablichten lassen.

Was aus den beiden “Unzertrennlichen” wurde, wie es auf der Rückseite des Fotos heißt, wissen wir nicht.

Ab 1944 kam der Krieg jedenfalls auch ins beschauliche Ahrweiler – in Form alliierter Bombenangriffe. Diese galten der perversen Doktrin des “moral bombing” entsprechend zivilen Zielen und hatten entsprechend durchschlagenden “Erfolg”

Ungeachtet der betrüblichen Zeitumstände kehren wir noch einmal zum Ort unserer Aufnahme zurück, denn im Hintergrund sieht man ein weiteres interessantes Gefährt:

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Hinter dem BMW steht mit geöffneter Motorhaube ein mittelschwerer Ford-LKW, des Mitte der 1930er Jahre in den USA entwickelten “Barrel Nose”-Typs. Der mit dem Motor des Ford V8 PKW ausgestattete Wagen wurde auch in Großbritannien, Frankreich und Deutschland gebaut, dort bis 1942.

Die deutsche Variante dieses an seinem markanten Kühlergrill gut zu erkennenden Modells wies im Unterschied zu ausländischen Versionen eine flache Windschutzscheibe auf. Daher handelt es sich bei dem LKW auf dem Foto mit Sicherheit um keinen Beutewagen aus dem Frankreichfeldzug.

Vielleicht weiß ein Leser mehr über den genauen Standort der Luftwaffen-Instandsetzungseinheit in Ahrweiler, an dem dieses Foto einst entstand.

Ein Mathis Roadster in “beflügelter” Gesellschaft

Wer diesen Oldtimerblog schon etwas länger verfolgt, der hat sicher bemerkt, dass sich der Verfasser außer für Vorkriegsautos aller Marken auch für historisches Fluggerät begeistern kann. Hier gilt ebenfalls: je älter desto besser.

Von besonderem Reiz ist die Kombination aus Veteranenfahr- und -flugzeugen, die man auf alten Fotos nur ganz selten findet. Ein paar solcher Raritäten befinden sich immerhin im Fundus – heute schauen wir uns eine davon an:

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© Mathis Roadster, um 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer nun die Qualität dieses Abzugs beanstanden will, hat keine Vorstellung davon, wie das Ausgangsmaterial aussah: völlig ausgeblichen, an den Rändern ausgefressen und in der Mitte durch unbeabsichtigten Lichteinfall weitgehend ruiniert.

Dass man hier überhaupt wieder etwas erkennen kann, ist zeitaufwendigen Retuschen zu verdanken. Diese ließen sich gewiss noch eine Weile fortsetzen, doch ein altes Original darf ruhig die Spuren der Zeit zeigen.

Wir erkennen immerhin einen Roadster mit Fahrer und fünf weitere Herren vor einem Eindecker-Flugzeug unter Bäumen. Diese reizvolle Szenerie war auf dem Ursprungsfoto bereits zu ahnen; allerdings war der Wagentyp nicht zu erkennen.

Nun ist es beinahe umgekehrt: Wir können das Auto näherungsweise identifizieren, doch der Flugzeugtyp bleibt im wahrsten Sinne des Wortes “nebulös”.

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Wer bei dem hübschen kleinen Roadster mit dem schmalen, oben dreiecksförmig abchließenden Kühler auf eine französische Herkunft tippt, liegt richtig.

Britische Wagen in dieser Klasse wirken stämmiger, bodenständiger. Vergleichbare Modelle deutscher Hersteller sind Mangelware. In den 1920er Jahren waren zwar von fast jeder teutonischen Marke mächtige Tourenwagen zu bekommen, aber mit dem Konzept des knackigen Roaster wurde man nicht warm.

Doch halt: Auf gewisse Weise ist das abgebildete Fahrzeug eine Ausnahme von der Regel, denn der Hersteller befand sich ursprünglich ebenfalls auf deutschem Boden. Des Rätsels Lösung: Der Wagen ist der Kühlerpartie nach zu urteilen höchstwahrscheinlich ein Modell des Straßburger Herstellers Mathis.

Hier ein vergleichbares Fahrzeug, das einst vor dem dänischen Schloss Egeskov für eine Postkarte abgelichtet wurde:

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© Mathis Roadster; Ansichtskarte von Burg Egeskov aus Sammlung Michael Schlenger

Der Größe und Form nach in Frage kommen MathisZweisitzer von Anfang bis Mitte der 1920er Jahre mit 5 bis 10 Steuer-PS.

Interessanterweise scheint bei keiner dieser Versionen ein Roadster mit rund ausgeschnittenen Türen verfügbar gewesen zu sein. Beim obigen Mathis aus Dänemark verläuft die Türoberkante ebenfalls gerade nach hinten. Das will aber nichts heißen, da Mathis auch Chassis ohne Karosserie lieferte.

Wo könnte nun unsere Aufnahme entstanden sein?

Der Mathis auf unserem Flugzeufoto scheint die Kennung IT auf dem Nummernschild zu tragen, die für die einstige Provinz Hessen-Nassau stand. Ist es wahrscheinlich, dass ein Wagen der nach dem 1. Weltkrieg französischen Marke nach Deutschland verkauft wurde?

Mag sein, dass jemand alte Beziehungen ins Elsass hatte und auch nach der Einverleibung der Region ins französische Staatsgebiet ab 1918 öfters dort war. Vielleicht mochte auch jemand den speziellen Stil der Marke und ließ sich eine Roadster-Karosserie nach seinen Vorstellungen anfertigen.

Jedenfalls waren die Herrschaften auf unserem Foto, das der Kleidung nach zu urteilen nicht vor Mitte der 1920er Jahre entstand, gut situiert. Leider erlaubt es die Qualität des Abzugs nicht mehr, die einzelnen Personen zu präsentieren.

Nur einen der Herren wollen wir zeigen, der sich auf den Motor bzw. eine Zylinder des unbekannten Flugzeugs stützt.

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Entspannte Haltung mit tief ins Gesicht gezogenem Hut, schmale Krawatte, Einstecktuch, geöffnetes Jackett, Hände in den Hosentaschen – all’ das signalisierte seinerzeit eine Lässigkeit, die amerikanischen Filmschauspielern abgeschaut war.

So weit so gut – doch wie passt das zu dem archaisch wirkenden Eindecker mit den freistehenden Zylindern?

Tja, hier müssen wir zu spekulieren beginnen. Nach dem Versailler-Vertrag, der den späteren Aufstieg der NS-Partei beschleunigte, war den Deutschen nach 1918 zunächst keinerlei Motorflug erlaubt. 

Diese Bestimmungen wurden Mitte der 1920er Jahre gelockert oder ignoriert. Jedenfalls konnten – auf welcher Grundlage auch immer – wieder motorisierte Flugzeuge betrieben werden, und seien es Oldtimer wie auf unserer Aufnahme.

Denn auf der Höhe der Zeit war dieses an Eindecker vor 1914 erinnernde Gerät in den 1920er Jahren definitiv nicht mehr. Leider wissen wir nichts Genaues über Ort, Zeitpunkt und Anlass dieser Aufnahme.

Vielleicht kann ein Leser Licht ins Dunkel bringen – sowohl hinsichtlich des Mathis Roadsters als auch im Hinblick auf das mysteriöse Fluggerät.

Veteranen in der Rush-hour: Paris um 1920

Dem Verfasser dieses Oldtimerblogs liegen Vorkriegswagen aller Marken am Herzen. Das nicht nur wegen der Fülle an Herstellern und Typen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – es sind auch die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüche jener Zeit, die faszinieren.

Wer Ende des 19. Jahrhunderts in Europa geboren wurde und das Glück hatte, alt zu werden, erlebte Weltkriege, Revolutionen, Krisen und Wohlstandsgewinne, die in unserer angeblich schnellebigen Zeit ihresgleichen suchen.

Die Beschäftigung mit der Frühgeschichte des Automobils transportiert einen direkt in eine hektische, fortschrittshungrige und spannungsreiche Zeit, der wir trotz aller Katastrophen letztlich die Grundlage unseres bequemen Daseins verdanken.

Wer nun meint, es sei vor knapp 100 Jahren in den Städten im Vergleich zum heutigen mörderischen 40h-Büroalltag beschaulich zugegangen, wird folgende Ansichtskarte aus Paris um 1920 möglicherweise überraschend finden:

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© Ansichtskarte aus Paris der 1920er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Da sind mitten in der Stadt auf vier Spuren zwischen sechs- bis zehnstöckigen Häusern zahllose PKW und Omnibusse in dichtem Verkehr unterwegs. 

Aufgenommen wurde diese Situation um 1920 auf dem Boulevard Poissonniere, einer der Verkehrsachsen auf der “Rive Droite” nördlich der Seine, die unter König Ludwig XIV. entlang dem Verlauf der einstigen Stadtmauer angelegt wurden.

Wir wollen nicht jedes der zahllosen Fahrzeuge auf dieser Aufnahme identifizieren, doch einige Wagen schauen wir uns näher an.

Beginnen wir mit folgendem Bildausschnitt:

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In der Mitte der sich im Hintergrund verlierenden Fahrzeugkolonne fallen zwei versetzt hintereinander fahrende Wagen auf. Im Unterschied zum Flachkühlermodell vorne links tragen sie vorne und zur Seite schräg abfallende Motorhauben, ein Kühlergrill ist nicht zu sehen.

Dieses markante Detail fand sich in der Frühzeit des Automobils bei etlichen Fahrzeugen, vor allem französischer Hersteller. Nach dem 1. Weltkrieg hielt nur noch Renault an dieser eigentümlichen Lösung fest.  Dabei sitzt der Kühler hinter dem Motor und die Luftzufuhr erfolgt durch seitliche Schlitze in der Haube.

Wie erstaunlich lange die Wagen von Renault diese archaisch anmutende Frontpartie aufwiesen, wird sich bei der Besprechung diverser Modelle in nächster Zeit zeigen.

Werfen wir nun einen Blick auf ein anderes – weit interessanteres – Gefährt im Vordergrund dieser Ansichtskarte, die ihren Detailreichtum der Verwendung einer großformatigen Plattenkamera verdankt:

paris_ak_bellanger-freres_ausschnitt Der Wagen mit der bulligen Kühlermaske, der links vorne durch’s Bild huscht, ist eine veritable Rarität – ein Modell der Firma Bellanger Frères.

Ein ausführliches Porträt dieser nur Spezialisten bekannten, Mitte der 1920er Jahre untergegangenen Marke gibt es auf diesem Blog bereits (hier). Daher soll an dieser Stelle nicht näher auf die Fahrzeuge des Herstellers eingegangen werden.

Bellanger ist nur ein Beispiel dafür, dass die Markenwelt der Vorkriegszeit unerschöpflich ist. Allein in Frankreich sind über 1.000 eigenständige Autohersteller dokumentiert.

Auf die Abbildung eines Wagens dieser vielen Nischenhersteller nach fast 100 Jahren zu stoßen, stellt einen Glücksfall dar. Solche Funde machen die markenübergreifeden Beschäftigung mit raren Vorkriegsautos für den historisch Interessierten ungleich spannender als die Vertiefung in Varianten ab 1945 gebauter Großserienwagen.

Zum Schluss noch ein Blick auf einen anderen Ausschnitt dieser großartigen Aufnahme aus den frühen 1920er Jahren:

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Hier stehen nicht die Automobile im Vordergrund, sondern die mächtigen gusseisernen Gaslaternen, die in der Mitte des Boulevards aufgereiht sind.

Die gestalterische Opulenz und technische Qualität der Ausführung dieser an sich rein funktionellen Objekte machen nachdenklich. Kann es sein, dass sich der in unseren Tagen so oft betonte Wohlstand hierzulande auf messbare Größen wie Durchschnittseinkommen, Zahl der Urlaubstage und Hausarztdichte beschränkt?

Vermutlich wären Planer aus beispielsweise der deutschen Hauptstadt heute nicht imstande, auch nur annähernd die Infrastruktur von Paris in der Zwischenkriegszeit zu schaffen. Gleichzeitig vermag man nicht, unhaltbare soziale Mißstände in den Vorstädten zu beseitigen und geltendes Recht durchzusetzen.

Sicher, die Luft in den Innenstädten ist – unabhängig von der von interessierter Seite befeuerten Feinstaubhysterie – weit besser als einst. Auch haben es Fußgänger heute leichter, sicher die Straße zu überqueren.

Doch nicht zufällig zieht es die Besucher intakt gebliebener europäischer Großstädte wie Paris dorthin, wo die gestalterischen und organisatorischen Leistungen einer grandiosen Vergangenheit zu bewundern sind.

Die herrlichen Boulevards, großzügigen Plätze und majestätischen Gebäude sind noch alle da. Nur die Autos auf den Straßen sind arg prosaisch geworden…

Autos aus Chemnitz: Presto-Tourer Typ D

Vorkriegsautos spielen in der Klassikerszene hierzulande kaum noch eine Rolle. Von einigen prestigeträchtigen Wagen abgesehen, ist die Vielfalt an Marken und Typen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lediglich Spezialisten geläufig.

Bei unseren europäischen Nachbarn sieht das anders aus. Dort gibt es für wirklich alte Fahrzeuge eine alle Altersgruppen umfassende Szene. So springt der Funke über!

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Dieses beim Goodwood Revival in England entstandene Foto zeigt eine britische Familie und einen alten Herrn vor einem der legendären Auto-Union Grandprix-Rennwagen der 1930er Jahre.

In Deutschland haben es viele Oldtimerbesitzer versäumt, ihre Kinder so an unser automobiles Erbe heranzuführen. Auch die verbreitete Geringschätzung des eigenen Herkommens spiegelt sich im Mangel an einschlägiger Literatur wider.

Während britische Autoren im 21. Jahrhundert frohgemut Bücher über eine ultrarare Vorkriegsmarke wie Squire verfassen, die lediglich eine handvoll Autos gebaut hat, sucht man Vergleichbares für deutsche Hersteller wie Brennabor, Dürkopp, NAG, Protos usw., die einst zehntausende Wagen fertigten, vergebens.

Sofern überhaupt ein paar Zeilen und Bilder zu diesen Marken verfügbar sind, stammen diese aus den 1970/80er Jahren von Autoren, die noch einen persönlichen Bezug dazu hatten. Eine Reaktion auf diese betrübliche Situation ist diese Website.

Hier werden schwerpunktmäßig Vorkriegsautos von Marken aus dem deutschen Sprachraum anhand originaler Fotos vorgestellt. Das sich daraus ergebende Online-Archiv bietet bei einigen Marken schon jetzt mehr Bilder als die Literatur.

Der heutige Neuzugang ist ein schönes Beispiel dafür:

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© Presto Tourenwagen der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Foto zeigt in kühner Perspektive einen Presto-Tourenwagen der frühen 1920er Jahre. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um einen D- oder E-Typ mit 2,4 Liter Vierzylindermotor, der 30 bzw. 40 PS leistete.

Ein ähnliches Fahrzeug haben wir vor einiger Zeit hier bereits präsentiert.

Gebaut wurden die Wagen von Presto in der sächsischen Industriemetropole Chemnitz, die von 1953 bis 1990 ausgerechnet den Namen des “Theoretikers der Arbeit” und notorischen Schnorrers Karl Marx tragen musste…

Ungeachtet der von Marx vom Schreibtisch aus beklagten “Ausbeutung” der Arbeiter blieb die prophezeite Revolution in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg zum Glück aus.

Die Ingenieure und Facharbeiter bei Presto machten unverdrossen dort weiter, wo sie 1914 aufgehört hatten – wohl auch, weil sie nicht wie Marx auf Alimente eines reichen Industrieerben wie Friedrich Engels hoffen konnten…

So folgten die Presto-Wagen formal noch lange nach Kriegsende der um 1914 aufgekommenen Spitzkühlermode:

presto_d_tourenwagen_3_frontpartie Die den Kühlergrill oben klar abschließende Sicke und der angedeutete “Schnabel” sind typische Merkmale der Presto-Autos jener Zeit. Für eine Entstehung in den frühen 1920er Jahren sprechen die großen Bremstrommeln vorne, die zuvor keineswegs selbstverständlich waren.

Die wenigen, nur zu erahnenden Luftschlitze in der Motorhaube künden dagegen noch von der Vorkriegszeit. Spätestens Mitte der 20er Jahre wiesen Presto-Wagen die allgemein üblich lange Reihen schmaler Luftschlitze auf.

Das Kennzeichen ist nicht genau lesbar, doch scheint es mit dem Kürzel “IM” zu beginnen, das für den Zulassungsbezirk Sachsen stand.

Die nicht markenspezifische Kühlerfigur zeigt wohl einen kleinen Hund, der dem Fahrer zugewandt ist – ein schönes zeitgenössisches Detail.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf den übrigen Wagen nebst Insassen:

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Die Seitenansicht stimmt in den wesentlichen Details mit einer Aufnahme eines Presto D-Typs in Werner Oswalds Standardwerk “Deutsche Autos 1920-1945” überein. Wir dürfen uns der Identifikation des Wagens als Presto recht sicher sein.

Die sieben Insassen lassen erkennen, wieviel Platz diese Tourer einst boten. Der achte Mann an Bord dürfte der Fotograf gewesen sein. Vermutlich entstand unser Foto einst bei einem Familienausflug, denn die weiblichen Insassen unterschiedlichen Alters weisen große Ähnlichkeit auf.

Mehr wissen wir nicht über die Besitzer des Presto sowie Ort und Anlass der Aufnahme. Von ihnen dürfte nicht viel mehr geblieben sein als dieser Abzug, der eine Situation vor rund 90 Jahren festhielt…

Andenken an die Prinz-Heinrich-Fahrt 1911

Wie gewohnt geht es auf diesem Oldtimerblog auch heute wieder um Vorkriegsautos.  Doch im Mittelpunkt steht diesmal kein spezielles Modell, sondern ein rares Objekt, das an die Prinz-Heinrich-Fahrt des Jahrs 1911 erinnert.

Zum Hintergrund einiges Wissenswertes:

Prinz Heinrich von Preußen war der technikbegeisterte Bruder des deutschen Kaisers Wilhelm II und wie dieser Enkel der englischen Königin Victoria – woran man sieht, wie eng einst die Bande zwischen Deutschland und England waren.

Nach Ausbildung bei der Kriegsmarine galt Prinz Heinrich als hervorragender Seemann, der Kommandos vom Torpedoboot bis zum Linienschiff innehatte. Technische Innovationen zu Wasser, zu Lande und in der Luft fesselten ihn.

Im Unterschied zu seinem Bruder sah er früh das Potential des Automobils – wie auch das von U-Booten und Flugzeugen – und rief zur Förderung des Innovationstempos eine nach ihm benannte Zuverlässigkeitsprüfung ins Leben.

An den von 1908 bis 1911 ausgetragenenen Prinz-Heinrich-Fahrten sollten keine Rennwagen, sondern mehrsitzige Tourenwagen teilnehmen. Bei der ersten Prinz-Heinrich-Fahrt sahen solche Autos noch eher wie motorisierte Kutschen aus:

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© Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses schöne Originalfoto zeigt einen Tourenwagen um 1905/06, der einst an einer unbekannten Sportveranstaltung teilnahm. Ähnlich darf man sich die teilnehmenden Fahrzeuge an der ersten Prinz-Heinrich-Fahrt vorstellen.

Dabei mussten über 2.000km quer durch Deutschland absolviert werden, unterbrochen von Geschwindigkeitsprüfungen. Asphaltierte Straßen gab es damals noch nicht. Dass dennoch über 100 Wagen zu dieser Herausforderung antraten, spricht für den Entwicklungsstand des noch jungen Automobils.

Bei der letzten Prinz-Heinrich-Fahrt 1911 sahen Tourenwagen schon wesentlich raffinierter aus:

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© Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Motorraum und Passagierabteil begannen damals zu einem Ganzen zu verschmelzen. Fahrzeuge wie dieser bislang ebenfalls nicht identifizierte Tourenwagen waren an der letzten Prinz-Heinrich-Fahrt beteiligt.

Im Unterschied zu den früheren Fahrten wurde 1911 nicht mehr auf Geschwindigkeit gefahren. Jetzt galt es, “Strecke zu machen”. Das Ganze wurde vom Kaiserlichen Automobil Club und dem Royal Automobile Club gemeinsam ausgerichtet.

In Bad Homburg am Taunus gingen am 4. Juli 1911 knapp 40 deutsche und fast 30 britische Wagen an den Start, die zunächst bis Koblenz fuhren, dann dem Rhein folgten und sich von Wesel aus auf den Weg nach Bremerhaven machten.

Von dort aus wurden die Autos am 7. Juli nach Southhampton verschifft. In England stand eine deutlich längere Rundtour auf dem Programm. Sie führte bis nach Schottland und endete am 20. Juli in London.

Zur Erinnerung erhielten die Teilnehmer, die das Ziel erreichten, eine Medaille, die auf der Rückseite folgende schöne Szene zeigte:

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Hier geben sich “Britannia” und “Germania” die Hand und auch das Nebeneinander von englischem und deutschen Text sowie die Embleme der beiden Automobilclubs unterstreichen das völkerverbindende Element der Veranstaltung von 1911.

Dass es nur drei Jahre später zum Krieg zwischen England und dem Deutschen Reich bzw. Österreich kommen sollte, war nicht zu ahnen.

Bleiben wir lieber noch ein wenig bei den Objekten jener Zeit, die an den friedlichen Wettbewerb der Völker vor 1914 erinnern:

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© Jugendstil-Tafelaufsatz; Bildrechte: Marcel Held

Das Foto dieses großartigen Jugendstil-Tafelaufsatzes verdanken wir Marcel Held aus Erkrath, dem auf dem Fuß die Gravur “Prinz Heinrich Fahrt 1911” aufgefallen war.

Das aufwendig gearbeitete Stück besteht aus Zinn bzw. Messing und war teilweise vergoldet. Die formale Qualität allein zeichnet das über 100 Jahre alte Objekt bereits als hervorragende Arbeit aus.

Die Gravur macht es außerdem zu einem bedeutenden historischen Zeugnis:

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© Jugendstil-Tafelaufsatz; Bildrechte: Marcel Held

Kann es sein, dass sich hier ein deutscher Teilnehmer der Prinz Heinrich Fahrt 1911 nachträglich sein ganz persönliches Souvenir hat anfertigen lassen? Die offizielle Gedenkmedaille für die erfolgreichen Teilnehmer sah ja anders aus.

Wer kann dazu etwas Gehaltvolles sagen? Der Verfasser und der Besitzer des Tafelaufsatzes sind für alle Hinweise dankbar.

Krieg und Frieden: Morris 8 und VW beim Tanken

Auf diesem Oldtimer-Blog für Vorkriegswagen geht es nicht nur um die schier unerschöpfliche Vielfalt an Marken und Typen, die einst die Straßen bevölkerten.

Soweit möglich werden die Fahrzeuge anhand zeitgenössischer Originalfotos in ihrem einstigen Kontext gezeigt, also im realen Einsatz zusammen mit den Menschen, die sie einst fuhren.  

Das liefert andere Eindrücke und Erkenntnisse als die Präsentation anhand von Werks- und Prospektfotos oder gar moderner Aufnahmen, die die überlebenden Autos oft in einem Zustand “besser als fabrikneu” zeigen.

In vielen Fällen spiegelt sich in vermeintlich unscheinbaren Privataufnahmen eindrucksvoll die Zeitgeschichte wider – mal berührend, mal bedrückend.

Heute geht es um zwei Fotos, die anhand eines Wagentyps von den Umbrüchen der 1940/50er Jahre erzählen. Das erste Bild transportiert uns mitten in den 2. Weltkrieg:

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© Morris Eight Series 1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir eine Gruppe deutscher Wehrmachtssoldaten – zwei (Unter)Offiziere und vier Mannschaftsdienstgrade – hinter einer kompakten Limousine posieren. Ein Vermerk auf der Rückseite des Fotos erwähnt als Aufnahmeort Holland.

Das Auto ist schnell als Morris Eight Series 2 identifiziert. Typisch sind der schrägstehende schmale Kühlergrill, die ebenfalls schrägen, nach hinten versetzten Luftschlitze in der Haube und die auffallend filigrane Stoßstange.

Folgender Bildausschnitt liefert weitere Details:

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Die Kühlermaske ist in Wagenfarbe lackiert, auf dem in Fahrtrichtung rechten Schutzblech ist das Kürzel “WH” für “Wehrmacht Heer” aufgemalt, während unter der Stoßstange noch ein ziviles Kennzeichen zu sehen ist.

Dass die Kühlermaske ursprünglich verchromt gewesen sein muss, verraten die Speichenfelgen. Denn die erste Serie des 1935 vorgestellten 1-Liter-Vierzylinders wurde mit Chromgrill und Speichenfelgen ausgeliefert, während bei der Serie 2 ab 1938 ein lackierter Grill und Scheibenräder kombiniert wurden.

Folgendes, 2016 beim Goodwood Revival in England auf dem Besucherparkplatz aufgenommene Foto zeigt einen Morris Eight der 1. Serie in voller Pracht:

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So technisch bodenständig der 24 PS-Wagen daherkam, wies er doch ein Detail auf, das bei deutschen Kleinwagen jener Zeit undenkbar war: Ledersitze vorne und hinten. Man sieht dies auf dem Originalfoto aus Kriegszeiten recht gut.

Der einst in Holland fotografierte Morris dürfte ein Beutewagen gewesen sein, der beim Westfeldzug 1940 dem Wehrmachtsfuhrpark einverleibt wurde. Damit kam man im Fronteinsatz nicht weit, doch wir haben es hier mit einer Einheit hinter den Linien zu tun. Die Soldaten wirken älter und dürften zum Nachschub gehört haben.

Was aus den Männern auf dem Foto wurde, wissen wir nicht. Ob man den Krieg überstand oder nicht, war spätestens ab 1944 Glückssache. In wessen Gefangenschaft die Überlebenden 1945 endeten, konnte ebenfalls über Leben und Tod entscheiden.

Der Neuanfang nach 1945 sollte nach dem Willen der Kriegsgeneration von einem friedlichen Mit- und Nebeneinander der europäischen Völker geprägt sein – vom grassierenden Gleichschaltungswahn selbstherrlicher Brüsseler Technokraten konnte damals niemand etwas ahnen.

Den Gedanken der friedlichen Koexistenz aus geteiltem Leid klug gewordener Nachbarn dokumentiert das folgende Foto auf eindrückliche Weise:

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© Morris Eight Series 1 und VW Käfer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir links wieder einen Morris Eight der 1. Serie und rechts einen Volkswagen aus dem Landkreis Springe bei Hannover. Das Foto kann ausweislich des deutschen Kennzeichens frühestens 1956 entstanden sein.

Wo aber ist dieses außergewöhnliche Foto entstanden? Dazu werfen wir einen näheren Blick auf die rechte Hälfte des Abzugs:

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So unscharf es auch erscheint, ist auf der Säule hinter dem Volkswagen das Wappen von “BP” montiert, was für “British Petroleum” steht. Auch kann man auf der Zapfsäule neben dem Käfer den Schriftzug “Petrol” ahnen.

Demnach zeigt dieses Foto sehr wahrscheinlich eine Situation an einer Tankstelle im England Ende der 1950er Jahre. Den genauen Ort kennen wir nicht, doch das Nummernschild des Morris Eight liefert zumindest ein Indiz:

morris_8_series_1_volkswagen_morris

Die Buchstabenkombination “NV” wurde von März 1931 bis Oktober 1937 in der mittelenglischen Grafschaft Northhamptonshire vergeben. Einschränkend ist zu sagen, dass Autos in Großbritannien ihr Kennzeichen auch bei einem Umzug oder Verkauf in andere Regionen behielten.

Doch die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das Foto einst in der Nähe des ursprünglichen Zulassungsorts des Morris entstand. Was dort der Besitzer des VW einst wohl verloren hatte?

Mag sein, dass eine Dienstreise eines deutschen Unternehmensvertreters der Anlass war. Oder jemand wollte alte Bekanntschaften aus der Vorkriegszeit wiederaufleben lassen. Viele Deutsche und Engländer pflegten ungeachtet der beiden Weltkriege enge persönliche Bande, man denke nur an das englische Königshaus.

Die Besitzer des alten Morris bzw. des recht neuen Volkswagens blicken hier einträchtig in die Kamera:

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Irgendetwas muss die beiden an einer englischen Tankstelle zusammengeführt haben. Ob Absicht oder Zufall – das Foto und seine Vorgeschichte mahnen uns, sich auch in Zeiten des “Brexit”-Volksentscheids” nicht von interessierten Kreisen zu einer antibritischen Stimmung verleiten zu lassen…

DKW V800: 1930 schon mit Schminkspiegel!

Auf diesem Oldtimer-Blog finden Freunde von Vorkriegsautos historische Originalfotos von Wagen aller Marken. Dabei liegt naturgemäß der Schwerpunkt auf Herstellern aus dem deutschsprachigen Raum.

Hier stößt man mal auf Luxuswagen in mondäner Umgebung – Beispiel Packard Six – mal hat man es mit einem “Brot- und-Butter”-Fahrzeug zu tun. Ihren Reiz beziehen diese alten Aufnahmen oft weniger aus dem Auto selbst als aus ungewöhnlichen Perspektiven und der Präsenz der Menschen, die mit ihnen unterwegs waren.

Heute haben wir es mit einer Situation zu tun, in der einfach alles stimmt: Ein Modell, das praktisch ausgestorben ist, noch dazu aus einem selten gewählten Blickwinkel aufgenommen und die Situation auf raffinierte Weise “belebt”:

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© DKW V800 von 1930/31; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Na ja, geht so, mag man bei oberflächlicher Betrachtung sagen. Abwarten, denn das Foto hat es in sich!

Über die Marke des schmal wirkenden Autos – DKW – muss man nicht viele Worte verlieren. Die einst so populären Modelle der sächsischen Firma sind auf diesem Blog besonders umfassend dokumentiert (DKW-Galerie).

Oldtimerfreunde verbinden mit DKW vor allem frontgetriebene 2-Zylinder-Zweitakter, von denen es heute noch etliche gibt. Das waren zwar leistungsschwache Gefährte, aber so attraktiv geformt, wie das bei Kleinwagen sonst niemand hinbekam.

DKW baute in kleinen Stückzahlen ab 1929 jedoch auch heckgetriebene Wagen mit 4-Zylinder-Zweitakter. Die rare 1-Liter-Version dieses Modells – DKW V1000 – haben wir hier bereits präsentiert, in einer ähnlich reizvollen Aufnahme übrigens.

Der nochmals seltenere Vorgänger DKW V800 ist auf unserem Foto zu sehen. Darauf weisen zwei Details in folgendem Bildausschnitt hin:

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Im Unterschied zum ab 1931 gebauten DKW V1000 trägt der äußerlich sonst nahezu identische V800 auf der Kühlermaske noch das schlichte alte DKW-Emblem, das bereits DKWs automobiler Erstling – der Typ P 15 PS – aufwies.

Der leistungsstärkere V1000 kam nicht nur mit dem neuen grün-weißen Logo daher, das bis in die Nachkriegszeit Bestand haben sollte. Bei ihm rutschte auch das “4=8”-Emblem von der Oberseite der Kühlermaske nach unten auf den Grill.

Auf unserem Bild ist das aufmerksamkeitsstarke Emblem dagegen noch als filigrane Kühlerfigur angebracht.

Zur Erinnerung: Das Motto “4=8” wies darauf hin, dass ein Zweitakter pro Kurbelwellenumdrehung doppelt so viele Arbeitstakte leistete wie ein Viertakter gleicher Zylinderzahl. DKW sprach seinen lärmenden Vierzylindern also kühn die Qualität von 8-Zylinder-Motoren zu…

Den Eignern wird der bodenständige Charakter des Aggregats unter der Motorhaube vielleicht nicht so wichtig gewesen sein. Für viele Deutsche war ein DKW einst ihr erstes Automobil – noch dazu eines, das äußerlich erwachsen wirkte.

Legt man die vielen Fotos stolzer Besitzer zugrunde, müssen die DKW-Fahrer recht glücklich mit ihrer neu erlangten Mobilität gewesen sein.

Auch unser laut Nummernschild in Schlesien entstandenes Foto zeugt davon, dass man mit der Zugehörigkeit zu den “Automobilisten” einen Schritt getan hatte, der einen in die Welt der Schönen und Reichen katapultierte, die nicht mehr an Zugfahrpläne gebunden sind:

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Entsprechend selbstbewusst setzt sich hier die – mutmaßliche – Beifahrerin des fotografierenden DKW-Besitzers in Pose. “Natürlich haben wir auch einen Schminkspiegel in unserem Automobil, mein Herr, was denken Sie?”

Zum Beweis hat unsere DKWlerin das Accessoire mit auf ihren luftigen, doch gewiss noch warmen Platz vorn auf der Motorhaube genommen. “Hut und Frisur sitzen perfekt”, scheint ihr selbstzufriedener Blick zu sagen.

Ein Foto wie dieses wäre heute kaum mehr möglich. Allein die Vorstellung, dass die Beifahrerin es sich mit hochhackigen Schuhen und Handtasche auf der Motorhaube bequem macht, dürfte Klassikerfahrern hierzulande schlaflose Nächte bereiten.

Der Grund dafür ist der, dass ihre in einen vermeintlichen Originalzustand  “restaurierten” Gefährte viel zu perfekt sind, um eine derartige Behandlung zu erlauben. Dabei sind die Wagen der Vorkriegszeit einst im Alltag genauso herangenommen worden wie ihre modernen Pendants. 

Schon nach zwei, drei Jahren Gebrauch wiesen die Fahrzeuge Beulen und Kratzer auf, die niemanden gestört zu haben scheinen, wie unzählige Fotos belegen. Auf vielen Bildern haben es sich teilweise ganze Familien auf dem Auto bequem gemacht.

Die Pedanterie der “Besser als neu”-Vertreter scheint eine der deutschen Verirrungen der Nachkriegszeit zu sein, in der man alles besser machen wollte als je zuvor. Dieses Foto eines DKW V800 von 1930/31 zeigt uns einen lässig-eleganten Umgang mit dem Automobil, der vielen Landsleuten abhanden gekommen ist.

Übrigens: Dieses Modell wurde nur in 1.700 Exemplaren gebaut und gehört damit zu den rarsten Vorkriegswagen der Marke überhaupt. Man wüsste gern, ob irgendwo noch einer existiert…

Ein rarer Dürkopp P8 Tourer um 1925

Es soll Leute geben, die sich einen seltenen Vorkriegswagen aus deutscher Produktion zulegen möchten, denen aber Kompressor-Mercedes der Zwischenkriegszeit zu gewöhnlich sind.

Dieser Oldtimerblog bietet anhand historischer Originalfotos reichlich Anregung. Im Angebot wären Tourer von Hansa, NAG, Presto oder Steiger. Aber: Zu diesen Marken gibt es Literatur und Websites von Enthusiasten – das ist nicht exklusiv genug.

Dann sollte man es mit Dürkopp aus Bielefeld versuchen. Moment, waren das nicht Massenfabrikate? Schon, aber das gilt nur für Zweiräder und Nähmaschinen. Die Autos des Bielefelder Konzerns waren dagegen schon immer Raritäten.

Für Liebhaber des Außergewöhnlichen aus deutschen Landen haben wir drei Nachrichten:

Erstens gibt es nach Kenntnis des Verfassers kein Buch über die Dürkopp-Wagen. Man darf also auf keine tiefergehenden Informationen hoffen.

Zweitens zeigt das Standardwerk über deutsche Automobile der Vorkriegszeit (Werner Oswald: “Deutsche Autos 1920-1945”, 1977 ) nur wenige (Prospekt-) Abbildungen von Dürkopp-Wagen und genaue Stückzahlen sind nicht bekannt.

Drittens: Auf diesem Blog gibt es aktuell (Stand: Oktober 2016) ein halbes Dutzend Bilder von Dürkopp-PKW – und zwar aussagefähige originale Fotografien!

Nachdem wir hier zuletzt ein großzügiges Landaulet des Typs Dürkopp P10 vorgestellt haben, ist nun folgende Abbildung an der Reihe:

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© Dürkopp Typ P8, um 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme wurde vom Verkäufer als “Mercedes” angepriesen. Man kann es ihm nicht verdenken: Die Kühlermaske der nach dem 1. Weltkrieg gebauten Dürkopp-Wagen glich auffallend derjenigen von Benz und Daimler.

Wo bei den Mercedes-Spitzkühlerautos jener Zeit der dreizackige Stern saß, befand sich bei Dürkopp ein dreieckiges Emblem mit einem geschwungenen “D”. Heute wäre das plagiatsverdächtig, doch damals stieß sich niemand daran.

durkopp_p8_fruh_frontpartie

Die relativ kurze Motorhaube und die Wahrscheinlicheit sprechen dafür, dass der abgebildete Dürkopp ein Wagen des am häufigsten gebauten kleinen Typs P8 ist.

Das Modell mit seinem 2,1 Liter messenden Vierzylindermotor basierte auf einer Vorkriegskonstruktion und wurde von 1919 bis zum Ende der Dürkopp-Autofabrikation  1927 hergestellt.

Dabei gewann der Typ P8 im Lauf der Jahre nicht nur an Motorleistung (von 24 auf 40 PS), sondern wurde auch äußerlich behutsam modernisiert. Mangels Literatur und datierter Abbildungen um Netz sind diesbezüglich nur Vermutungen möglich.

Am Anfang stand wohl eine Karosserie nach Vorkriegsmanier (“Tulpenform”) mit wenigen großen Luftschlitzen in der Haube und relativ flachem Kühler, die hier bereits vorgestellt wurde.

Nach dem 1. Weltkrieg scheint dann zunächst ein ausgeprägter Spitzkühler dominiert zu haben (Beispiel folgt). Um die Mitte der 1920er Jahre kam ein nur noch leicht V-förmiger Kühler zum Einsatz, wofür auf 1924 datierte Fotos des Dürkopp P8 auf einer Automobilausstellung in den Niederlanden sprechen.

Diese mittleren bis späteren Ausführungen besaßen eine lange Reihe schmalerer Luftschlitze wie im Fall des Wagens auf unserem Foto. Auch das elektrisch betriebene Horn spricht für eine Entstehung in den fortgeschrittenen 1920er Jahren.

Wo das Bild entstanden ist, bleibt vorerst ungewiss. Der Dürkopp mit dem frohgemuten Fahrer scheint vor einer Werkstatt oder Tankstelle entstanden zu sein:

durkopp_p8_fruh_chauffeur

Leider weist der Abzug starke Beschädigungen auf, die sich nur teilweise retuschieren ließen. Immerhin erkennt man ein Emaille-Schild im Hintergrund mit dem Schriftzug AGRIPPINA.

Dies stellt einen Bezug zu Köln am Rhein her, denn Agrippina war die 15 n. Chr. in Köln geborene Urenkelin des römischen Kaisers Augustus, Ehefrau von Kaiser Claudius und Mutter von Kaiser Nero – viel prominenter geht’s nicht.

Das Kölner Stadtwappen unter der unleserlichen zweiten Zeile auf dem Schild weist ebenfalls auf die alte Römerstadt hin. Eine Werbung für die einstige Agrippina-Versicherung scheint es nicht zu sein, aber was stattdessen?

Der Mann mit Schirmmütze und Uniform im Hintergrund gehörte übrigens zur Wach- und Schließgesellschaft, erkennbar an den gekreuzten Schlüsseln auf dem Kragen. Diesen Hinweis vedanken wir einem sachkundigen Leser dieses Blogs.

Als man noch ins Auto ein”stieg”: Ein Benz von 1912

Dieser Oldtimer-Blog ist schwerpunktmäßig Vorkriegsautos gewidmet, die anhand originaler Fotografien vorgestellt werden. Die besondere Sympathie des Verfassers gilt dabei Veteranenwagen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg.

Zwar gibt es aus jener Zeit jede Menge interessanter Aufnahmen von Automobilen. Nur die Literatur lässt bezüglich der Typen bedeutender deutscher Marken wie Adler, Brennabor, Dürkopp und Opel zu wünschen übrig.

Das macht die Identifikation deutscher Autos aus der Frühzeit der Benzinkutsche schwierig. Selbst bei der Marke Benz, zu der es solide Literatur gibt (z.B. “Benz & Cie.”, Stuttgart 1994), wird man einen Wagen wie folgenden vergeblich suchen:

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© Benz Landaulet um 1912; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses majestätische Fahrzeug ist ein Benz aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Doch keine dem Verfasser bekannte Abbildung eines Benz zeigt genau diesen Aufbau. Es handelt sich um eine Landaulet-Karosserie, bei der Passagiere in einem separaten Abteil saßen, dessen Dach bei schönem Wetter geöffnet werden konnte.

Der Chauffeur steuerte den Wagen von einer davorliegenden Sitzbank außen, die wie bei einer Kutsche anfänglich unüberdacht war (sog. Außenlenker). Später wurde der Arbeitsplatz des Fahrers ebenfalls überdacht wie auf unserem Foto.

Dass wir es mit einem Benz aus der Zeit vor 1914 zu tun haben, lässt die Frontpartie mit der markentypischen Kühlermaske vermuten, die das Firmenemblem trug:

benz_landaulet_um-_1912_kuhlerpartie

Vor dem 1. Weltkrieg dominierten noch gasbetriebene Frontscheinwerfer, erst später setzten sich dort elektrische Lampen durch. Flacher Kühler und Form der Schutzbleche sprechen ebenfalls eher für einen Benz vor 1914.

Danach kamen bei Benz die modischen Spitzkühler auf, wenngleich vereinzelt auch noch Flachkühler verbaut wurden – vielleicht weil ein Käufer einen konservativen Aufbau bevorzugte; so könnte es hier ebenfalls gewesen sein.

Der Benz auf dem Foto könnte also prinzipiell auch eine frühe Nachkriegsversion handeln. Dagegen sprechen aber die seitlichen Laternen am Fahrgastraum, die leider außerhalb des Schärfebereichs liegen:

benz_landaulet_um-_1912_fahrgastraum

Solche Positionslampen waren schon bei Fahrzeugen der Baujahre 1913/14 elektrisch beleuchtet, nur bei den Frontscheinwerfern verließ man sich noch auf Gas.

Anhand dieses Befunds und Bilder von Benz-Modellen der Vorkriegszeit lässt sich der Benz auf etwa 1912 datieren. In jenem Jahr baute die Firma in Mannheim erstmals über 3.000 Fahrzeuge, das waren rund 15 % der gesamten Automobilproduktion im Deutschen Reich.

Benz bot damals eine große Typenvielfalt, von den verfügbaren Karosserieaufbauten ganz abgesehen. Erhältlich waren Wagen mit 20, 30, 40, 55, 60, 75 und 100 PS – alles Vierzylindermodelle übrigens.

Welche Motorisierung der Benz auf unserem alten Abzug hatte, muss mangels vergleichbarer Aufnahmen offen bleiben. Der aufwendige Landaulet-Aufbau und die eindrucksvollen Dimensionen sprechen am ehesten für ein Modell mit 60 oder 75 PS aus 7,4 bzw. 8,4 Litern Hubraum.

Damit war theoretisch die 100 km/h-Marke erreichbar. Ausprobiert haben wird as aber wohl kaum ein Besitzer, dagegen sprachen schon der Zustand der Straßen und die schwachen Bremsen. Wichtiger waren souveräne Kraftentfaltung bei voller Beladung und gute Steigfähigkeit am Berg.

Der junge Mann neben dem Benz ist sichtlich stolz, einen solchen großzügigen und starken Wagen fahren zu dürfen:

benz_landaulet_um-_1912_chauffeur

Mit Lederhaube, Staubmantel und Handschuhen ist er gut für eine längere Ausfahrt über Land gerüstet, während sich die Herrschaften im dahinterliegenden Abteil um etwaige Unbilden des Wetters keine Gedanken machen müssen.

Gleichzeitig bietet das Verdeck die Möglichkeit, Sonne und frische Luft genießen zu können, ohne von Schmutz und Staub auf der Straße behelligt zu werden. Wer meint, den reduzierten Komfort des Chauffeurs anprangern zu müssen und reflexartig “Ausbeutung” wittert, sollte bedenken:

Die Position als Chauffeur bei den vermögenden Besitzern dieses Benz Landaulet wurde sicher gut bezahlt. Fähige Fahrer waren nicht an jeder Ecke zu bekommen und trugen viel Verantwortung für Fahrzeug und Insassen, zu denen sie oft ein enges Vertrauensverhältnis hatten.

Der junge Mann scheint sich seines Glücks durchaus bewusst gewesen zu sein. Die meisten seiner Altergenossen verrichteten harte Arbeit auf dem Feld oder in der Industrie. Erst der Kriegsausbruch 1914 brachte es mit sich, dass das Leben plötzlich für fast alle Männer unabhängig von ihrem Status einem Roulettespiel glich.

Denkbar ist, dass unser Foto erst kurz nach dem Krieg entstanden ist. Dann konnte sich der Fahrer dieses Benz doppelt glücklich schätzen…

Unterwegs zu acht, im Horch-Vierzylinder…

Moment, wird mancher denken – muss das nicht heißen: “Unterwegs zu viert im Horch-Achtzylinder?” Nein, muss es nicht.

Wer mit der Marke Horch aus Zwickau nur 8-Zylinder-Typen verbindet, kann auf diesem Oldtimer-Blog noch etwas dazulernen. Hier werden Wagen der Vorkriegszeit – speziell deutscher Marken – nämlich nicht nach Prestigewert vorgestellt.

Vielmehr werden Klassiker aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand von Originalfotos besprochen, die in der bekannten “Bucht” im Netz für symbolische Beträge ans Gestade gespült wurden.

Heute ist folgende Aufnahme an der Reihe, die schon eine Weile im Fundus schlummert. Zunächst ist unklar, was für ein Auto dort (kaum) zu sehen ist:

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© Horch 12/50 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Szene ist von großem Reiz, weil auf solchen Aufnahmen selten alles so perfekt passt wie hier: Bildausschnitt, Belichtung, Schärfe und vor allem interessant wirkende Menschen, die zu posieren wissen.

Hier ist kein tumber Metzgermeister oder feister Kommerzienrat nebst Gattin bei der Sonntagsausfahrt im Buick oder großen Opel zu sehen. Solche Bilder gibt es zuhauf und das ungesunde Aussehen der Leute lässt oft den schönsten Wagen fad wirken.

Die Porträtierten auf unserem Bild gehören erkennbar zur “besseren Gesellschaft” – in dem Sinne, dass sie schon länger mit gehobener Lebensart vertraut sind. Dazu passt auch die Wahl der Marke ihres Wagens.

So unglaublich es scheint: Nicht nur Hersteller und Typ, auch Motorisierung und Baujahr lassen sich angeben. Dazu braucht man zunächst eine geeignete Ausgangshypothese.

Wagen mit ähnlicher Frontpartie wurden am deutschen Markt einige verkauft: Elite, Fiat, NSU und NAG bauten in den 1920er Jahren solche Modelle. Doch der Abgleich mit der Literatur liefert keine vollkommene Übereinstimmung.

Nur ein Hersteller bleibt als Verdächtiger übrig: Die Luxuswagenmanufaktur Horch aus Zwickau in Sachsen. Es ist kein Zufall, dass Fotos von Horch-PKW auf diesem Blog bislang die Ausnahme darstellen – die Autos waren ja ebenfalls Raritäten.

Nur von den für Reichswehr und Wehrmacht in großer Zahl gebauten Horch-Kübelwagen finden sich öfters Bilder. Von den frühen PKW-Typen von Horch konnte hier bisher nur der folgende präsentiert werden:

Horch_10-50PS_1924-27 Dieses ebenfalls sehr ausdrucksstarke Foto der späten 1920er Jahre und den abgebildeten Typ Horch 12/50 PS haben wir hier bereits ausführlich besprochen. Wie sich zeigen wird, ist auf unserem Ausgangsfoto eine Pullman-Limousine desselben Typs zu sehen.

Bei der Identifikation helfen folgende Details: 1. ist bei beiden Wagen der Abstand zwischen der Oberkante der Luftschlitze in der Motorhaube und der Haubenoberseite auffallend groß; 2. sind die Räder mit sechs verchromten Radbolzen befestigt; 3. ist der senkrechte Kühlergrill vorne flach und steigt zum Wassereinfüllstutzen an.

Das sind genügend Indizien, um eine Ansprache als Horch von der Mitte der 1920er Jahre zu erlauben. Endgültige Gewissheit liefert folgender Bildausschnitt:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_kuhlerpartieSo unscharf die Vorderpartie des Wagens auch ist – für den Fotograf standen die Personen im Mittelpunkt – so kann man auf der Front der Kühlermaske doch das gekrönte “H” erahnen, dass typisch für Horch-Automobile jener Zeit war.

Der erste Horch, der dieses Emblem ab 1925 trug, war besagter Typ 10/50 PS. Er war der letzte der erfolgreichen Vierzylinderwagen, die Horch nach dem 1. Weltkrieg neu auf den Markt brachte.

Diese Fahrzeuge verfügten über kopfgesteuerte Ventile, Motorenblöcke und Kolben aus Aluminiumlegierungen sowie erstmals am deutschen Markt Vierradbremsen. Auch Getriebe (4 Gänge) und Fahrwerk waren grundlegend überarbeitet worden.

Zumindest die bis 1926 gebaute 50 PS-Version war ausreichend motorisiert. Die Pullman-Limousine auf unserem Foto wog immerhin über 2 Tonnen (ohne Insassen).

Damit wären wir bei der Zahl der Insassen in dem großzügigen Horch. Es müssen mindestens acht gewesen sein. Beginnen wir links:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_eltern_m_kind

Es wird wohl niemand der Annahme widersprechen, dass dies Eltern mit ihrer kleinen Tochter sind, die Ähnlichkeit untereinander ist einfach zu groß.

Die Kleine mit ihrem wollenen Mäntelchen sitzt offenbar auf dem Reserverrad und scheint einen Zweig in der Hand zu halten, die der Vater umfasst.

Es war wohl ein kühler Tag, an dem diese Aufnahme entstand, übrigens in der Nähe der Kinderheilanstalt Hohenlychen /Brandenburg, wie umseitige Aufschrift verrät.

Rechts neben der kleinen Familie finden sich zwei weitere (mutmaßliche) Paare:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_paare

Alle vier wirken wie echte, selbstbewusste Persönlichkeiten.

Eindrucksvoll ist der vornübergebeugt stehende Herr ganz rechts. Er muss über 1,90 m groß gewesen sein, denn er erreicht fast die Höhe des 2 Meter hohen Horch. Auch die übrigen (erwachsenen) Porträtierten waren daran gemessen keineswegs klein.

Zählt man nun zusammen, haben wir es mit sieben Insassen des Horch 12/50 PS zu tun. Wer aber ist die im Titel erwähnte Nummer 8? Das könnte der Fotograf sein, doch vielleicht hat man ja eine Kamera mit Stativ und Selbstauslöser verwendet…

Nun, eine Etage tiefer gibt es noch eine weitere Persönlichkeit, die in die Kamera schaut:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_hund

Für diesen kleinen Hund war auf jeden Fall noch Platz im Horch, selbst wenn es am Ort unserer Aufnahme auch noch einen Fotografen gegeben hat.

Es fällt auf, dass auf vielen Aufnahmen von Automobilen der Vorkriegszeit auch ein Hund zu sehen ist, der wie selbstverständlich für die Kamera posiert. Auch das scheint sich der seit Jahrtausenden treueste Begleiter des Menschen abgeschaut zu haben…

Familienzuwachs: DKW Typ P 15 PS Roadster

Eine der Marken, die auf diesem Oldtimerblog am häufigsten auftauchen, ist DKW. Kein Wunder: die Vorkriegswagen der im sächsischen Zschopau ansässigen Marke gehörten zu den populärsten Modellen im deutschen Sprachraum.

Kein anderer hiesiger Hersteller verstand es, Kleinwagen so attraktiv zu gestalten, auch wenn die im Werk in Zwickau gefertigten Karosserien überwiegend aus Sperrholz und Kunstleder bestanden.

DKW genoss bereits weltweites Ansehen als führender Hersteller von Zweitakt-Motorrädern, als man 1928 das Angebot um ein Automobil erweiterte, den Typ P 15 PS.

Dieser “Familienzuwachs” im Hause DKW wird vom folgenden Originalfoto illustriert:

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© DKW Tp P 15 PS Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Negativ dieser Aufnahme hat wohl unbeabsichtigt Licht von der Seite bekommen, doch ließ sich die ursprüngliche Situation mit einigen Retuschen annähernd wiederherstellen.

Das Foto scheint an einem regnerischen Tag entstanden zu sein, jedenfalls wirkt die Straße unter dem DKW trockener als der umgebende Asphalt.

Warum man dennoch offen unterwegs war? Nun, der abgebildete DKW P 15 PS war die Roadster-Ausführung des Wagens und verfügte ohnehin nur über ein Notverdeck. Daneben war ein Cabriolet erhältlich und später auch eine Cabrio-Limousine.

Bei leichtem Regen wird man auf die Montage der seitlichen Steckscheiben und des dünnen Verdecks verzichtet haben. Die typischen Käufer des ersten DKW-Automobils waren Motorradfahrer und waren ganz andere Härten gewöhnt.

Entscheidend war, dass man zu zweit oder zu dritt auf vier Rädern recht bequem unterwegs sein konnte. Dazu genügten die 15 PS des 2-Zylinder-Zweitakters von DKW.

Das Ganze war im Unterschied zum Hanomag Kommissbrot so verpackt, dass man sich nicht zum Gespött der Zeitgenossen machte. Tatsächlich wirkt die Karosserie des DKW Typ 15, bei der nur Motorhaube und Kotflügel aus Blech waren, durchaus erwachsen:

dkw_typ_p_15_ps_2-sitziger-roadster_familie_frontpartie

Der klassisch geformte Kühlergrill erinnerte vielleicht nicht zufällig an die auch hierzulande beliebten Fiats der Typen 503, 505 und 509.

Das Kennzeichen mit dem Kürzel “V” verrät, dass dieser DKW Typ P 15 PS in der Region Zwickau zugelassen war. Wer war einst mit diesem von 1928-31 gebauten DKW unterwegs?

Ganz klar wird die Situation nicht. Im Wagen sitzt eine junge Mutter mit Nachwuchs, der gerade über den Türrand schauen kann. Daneben steht ein deutlich älterer Mann in Ledermontur:

dkw_typ_p_15_ps_2-sitzig_familie_insassen

Der Altersunterschied spricht dagegen, dass er der Vater des Kleinkinds im DKW war. Schirmmütze, zweireihige Fliegerjacke und lederne Gamaschen über den Halbschuhen würden bei einem höherwertigen Wagen den Chauffeur auszeichnen.

Doch bei einem 2-sitzigen DKW-Kleinwagen ergibt das keinen Sinn. Auch fragt man sich, wie der Fotograf eigentlich zum Aufnahmeort gekommen ist. Im DKW Roadster jedenfalls war kein Platz, erst die ab 1929 verfügbare Cabrio-Limousine bot 3 bis 4 Sitze.

So muss offen bleiben, wer hier einst so erkennbar stolz neben dem Nachwuchs posierte. Zufrieden sein konnte jedenfalls auch DKW mit dem Erfolg seines automobilen Erstlings. Er war der Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte, die bis in die 1960er Jahre reichte