Ein griffiger Titel ist bei jedweder Publikation die halbe Miete – spontan fallen mir folgende Beispiele ein: „Freitags für Freizeit“, „Frust vom Frieren“ oder auch „Frechheit vor Freiheit“.
Wenn Sie nun glauben, ich machte es mir mit „Der klebt auf der Straße“ ebenso einfach und würde entgegen der Faktenlage eine zugkräftige Formulierung wählen, so irren Sie.
Selten war ich „der Wahrheit“ näher als heute, jedenfalls kann ich meine Behauptung schwarz auf weiß belegen. Keine Chance also für selbsternannte Faktenchecker – diese machtverliebten Hausmeistertypen der Internetära, jede Zeit hat ihre Plagen…
Wir sind ihm schon einmal begegnet – dem Hanomag des Typs 3/17 bzw. 4/23 PS von Anfang der 1930er Jahre. Er beerbte den 1930 eingeführten Vorgänger 3/16 bzw. 4/20 PS, dessen Aufbau noch etwas grobschlächtig wirkte:

Auf zwei Dinge möchte ich hier Ihr Augenmerk lenken:
Das eine ist der im Unterschied zur gewölbten Motorhaube waagerechte Verlauf des unteren Abschlusses der Windschutzscheibe, ein gestalterischer Rückfall in die Zeit vor 1920, möchte man meinen.
Die andere Sache ist der recht hochbeinige wirkende Auftritt – das Trittbrett befindet sich genau auf Höhe der Radmitte.
So, und jetzt schauen wir uns den noch 1931 eingeführten Nachfolger mit modernisierter Karosserie an:
Sehen Sie die Unterschiede? Nicht nur verfügt dieser Hanomag über eine doppelte Chromstoßstange und ebenfalls verchromter Nabenkappe – er wirkt auch insgesamt verfeinert und: etwas tiefergelegt!
Zur Verfeinerung des Erscheinungsbilds tragen folgende Details bei: dem Profil der Motorhaube folgender Scheibenabschluss, filigraner gestaltete seitliche Zierleisten und das Rad stärker umfassender hinterer Kotflügel.
In der zugehörigen Reklame von 1931 heben die Werbeleute von Hanomag allerdings andere Dinge hervor – neben Selbstverständlichkeiten vor allem technische Aspekte:
Die hydraulischen Vierradbremsen verdienen in der Tat die Betonung, während die Behauptung, es sei nur in seltenen Fällen Schalten erforderlich, eine kühne These ist.
Das gilt speziell im Fall des untermotorisierten Typs 3/17 PS, dessen Vierzylinder mit gerade einmal 800ccm Hubraum an den knapp 750 kg Leergewicht schwer zu schleppen hatte.
Noch mehr dichterische Freiheit nahm man sich bei einer weiteren zeitgleichen Werbung, die dem Hanomag Kraftreserven zuschreibt, die man nie benötige – wozu sind sie dann da?
Es war schon Frechheit, sich gar mit Wagen der 35 bis 45 PS-Klasse vergleichen zu wollen:
Sicher haben Sie bei der amüsierten Lektüre bemerkt, woher ich die Inspiration für meinen heutigen Titel bezogen habe: „…klebt förmlich an der Straße…“ heißt es da.
Begründet wird das mit dem Tiefbettrahmen, der einen niedrigen Schwerpunkt des Wagens zur Folge hatte – man kann das auf dem oben gezeigten Foto tatsächlich nachvollziehen.
Somit kann ich schwarz auf weiß belegen, was ich so kühn im Titel behaupte – es geht doch nichts über eine Expertenmeinung, auf die man sich beziehen kann.
Allerdings nehme ich für mich in Anspruch, selbst zu überlegen, ob das alles so sein kann, wie es behauptet wird und wurde. Dazu bediene ich mich einerseits der altbewährten Praxis des Selberdenkens, andererseits präsentiere ich gerne Evidenz für meine Sicht der Dinge.
Was nun die Bodenhaftung tiefergelegter Exemplare betrifft, kann ich in Sachen Hanomag 3/17 bzw. 4/23 PS sogar das ultimative Beweisfoto anführen.
Der Wagen wirkt hier aufgrund eines Steinschlagschutzes vor dem Kühler etwas anders, aber auf ihn kommt es auch gar nicht an – sehen Sie selbst:
So nah am Boden der Tatsachen wie dieser tiefergelegte selbstbewusste Hund war einst offenbar auch der Hanomag – viel günstiger konnte man damals in Deutschland jedenfalls keinen Wagen dieser Klasse bekommen, der „förmlich auf der Straße klebte“.
Vielleicht hätte die Marke aus Hannover mit so einer Aufnahme für ihren Wagen werben sollen – dann hätte sie wohl noch mehr als die knapp 7000 Exemplare an den Mann und die Frau mit Faible für Vierbeiner bringen können, welche 1931/32 entstanden…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.