Über Michael Schlenger

Ich bin gelernter Kaufmann und studierter Ökonom (Dipl-Vw.). Nach langen Jahren der Tätigkeit in der Wissenschaft und im Bereich Vermögensverwaltung arbeite ich als freiberuflicher Übersetzer und Texter mit Spezialisierung auf den Finanzsektor. Privat sammle und warte ich historische Automobile und Motorräder - je älter und patinierter, desto besser. Auf bestimmte Marken bin ich nicht festgelegt. Mein Fotoarchiv umfasst mehrere tausend historische Originalaufnahmen und sonstige Dokumente von Vorkriegsfahrzeugen. Am Herzen liegen mir außerdem historische Baudenkmäler, Musik von Renaissance bis Spätromantik sowie klassische Literatur. In allen Lebensbereichen folge ich dem Grundsatz der Aufklärung: Glaube nichts, prüfe alles, denke selbst!

Borduhr? Bei Sonne überflüssig! Horch 350 Cabriolet

Auf meinen Touren nach Italien und zurück sind vor allem zwei Instrumente an Bord wichtig: Die Geschwindigkeitsanzeige und die Uhrzeit.

Erstere, um stets gerade so weit über dem Tempolimit unterwegs zu sein, dass es im Zweifelsfall nicht teuer wird. Besonders wichtig ist das in der Schweiz – wobei mir die Fahrweise der Einheimischen im Tessin verrät, dass man das dort nicht so militant sieht wie nördlich der Alpen.

In Italien orientiert man sich ohnehin am besten an dem, was die Ortsansässigen mehrheitlich praktizieren. Abgesehen von wenigen Lokalitäten wie rund um Bologna hat das meist wenig mit den aufgestellten Schildern zu tun.

Begegnet einem unterwegs doch einmal ein Vorschriftsgläubiger, der am Wochenende durch eine inaktive Schnellstraßen-Baustelle mit 40-50 km/h fährt und eine endlose Kette an Autos hinter sich hat, ist das nach meiner Erfahrung in 99 % der Fälle ein Deutscher…

Die zweite Anzeige ist die Borduhr – bzw. um genau zu sein – die digitale Uhrzeit, die ich zusammen mit dem Tempo auf einem Zusatzinstrument angezeigt bekomme. Dieses habe ich auf dem Armaturenbrett so montiert, dass ich die Augen nicht von der Straße nehmen muss, um beide Daten jederzeit ablesen zu können.

Das dank GPS absolut präzise, vielfach einstellbare und bei jeder Beleuchtung gut ablesbare Teil stammt natürlich vom Chinamann und ist über die vielgeschmähte amazon-Plattform erhältlich. Dort gibt es aber nun einmal die unzähligen praktischen, durchdachten und günstigen Sachen, die man hierzulande verschlafen hat – wie so ziemlich alles, was Elektronik enthält, einfach zu bedienen ist und dabei oft noch schick aussieht.

Warum aber ist mir die Borduhr so wichtig? Nun, damit kann ich bei einer regelmäßig absolvierten Strecke gut abschätzen, wie ich vorwärtskomme bzw. dass ich eine Schippe drauflegen muss, wenn ich unterwegs Zeit verloren habe.

Auf dem Weg nach Italien will ich ja möglichst schnell am Ziel sein und auf dem Weg zurück werde ich von allerlei Mitbewohnern erwartet – das muss als Erklärung genügen.

Ansonsten komme ich im Alltag ganz gut ohne Uhr klar, die biologische ist erstaunlich gut. Versuchen Sie mal, ohne groß darüber nachzudenken, die Uhrzeit zu raten – auf eine Viertelstunde genau kann man es oft aus dem Bauch heraus sagen.

Dabei hilft speziell auf dem Land, wo man noch Sonne, Mond und Sterne kennt, bisweilen der Blick zum Himmel. Der war und ist auch ein verlässlicher Gehilfe, wenn man im Cabrio unterwegs ist und das Verdeck niedergelegt ist.

Genau aus diesem Grund brauchte der prächtige Horch-Achtzylinder von Ende der 1920er Jahre auf folgender Aufnahme keine Borduhr:

Horch „8“ Typ 350 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zu den heute noch begehrten 8-Zylindermodellen, die Horch damals baute – hier noch stark an das US-Vorbild Cadillac angelehnt – muss ich nicht viel sagen.

Ich habe bereits x Varianten davon vorgestellt und in meiner Horch-Galerie finden Sie mehr historische Fotos davon als in irgendeiner anderen Publikation.

Heute geht es mir vor allem um das Thema Borduhr, wobei ich mir vorstellen kann, dass die sächsische Automarke ihre Spitzenprodukte bereits in den 1920er Jahren damit austattete.

Doch – wie dargelegt – wenn man in einem Cabrio unterwegs ist und die Sonne lacht, brauchte man das eigentlich nicht. Das hier abgelichtete Horch-Exemplar illustriert das in schwer überbietbarer Weise.

Das ist eine These so steil wie die Weinberge in der prächtigen Landschaft entlang einer Flußschleife, die hier gerade von einer Fähre überquert wird:

Schön, nicht wahr? Und – was im Deutschland des 21. Jh. nicht selbstverständlich ist – diese grandiose Szenerie bietet sich einem heute noch genauso dar.

Man muss nicht einmal dagewesen sein, um zu wissen: so hochdramatisch sind die Weinberge in deutschen Landen nur an der Mosel angelegt.

Ergo brauchte ich nicht lange, um den Aufnahmeort mit der Präzision meines kleinen GPS-Instruments im Auto zu bestimmen: Der Horch hatte vor dem Ortseingang von Ürzig gehalten, das sich zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach befindet.

Jetzt mögen Sie sich fragen, weshalb ich mir so sicher bin – Moselschleifen mit Weinbau in Steillagen gibt es immerhin einige.

Nun, die Antwort findet sich auf folgendem Bildausschnitt:

Hier sehen wir nicht nur den Achtzylinder-Horch mit dem mutmaßlichen Wunschkennzeichen „8-1000“, darüber erkennt man auch die monumentale Ürziger Sonnenuhr, die dort an einer Turmruine des Mittelalters prangt.

Zwecks Bestimmung der Uhrzeit hatte der Horch dort gewiss nicht gehalten, selbst wenn er keine Borduhr besaß. Es ist schlicht eine beeindruckende Szenerie, wenngleich die heutige Bundesstraße 53 dort – wie die darauf verkehrenden Autos – etwas prosaischer erscheint.

Doch der Schönheit dieses Orts tut das keinen Abbruch. Übrigens: Schon vor 2000 Jahren bot sich auf der damaligen Römerstraße dieselbe Szenerie dar, nur ohne Achtzylinder. Auch die Weinberge gab es schon, wie die beiden unweit gelegenen römischen Kelteranlagen in der steilen Südlage „Erdener Treppchen“ beweisen.

Die wurden aber erst in den 1990er Jahren entdeckt, schlummerten also noch ihrer Wiederentdeckung entgegen, als „unser Horch“ dort einst halt machte. Wenn Sie mal in der Nähe sind, können Sie die konservierten und gut erläuterten Kelteranlagen besuchen.

Dann überlassen Sie sich der segensreichen Wirkung der Sonne und träumen Sie sich in eine Epoche ihrer Wahl zurück – vielleicht begegnet Ihnen dann ja der Horch im Tagtraum.. Jedenfalls können Sie an dem Ort Zeit vergessen – eine Borduhr braucht man dort nicht…

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Perfekt durch die Kurve(n): Buick „Coach“ von 1925

Ganz gleich wie Ihr Tag heute auch war – es gibt ja immer etwas, was schiefläuft oder einen vom Kurs abbringt – hier kriegen sie auf jeden Fall noch die Kurve(n), und zwar so, wie sich das ausgezeichnet zur Ablenkung vom korrekten Weg eignet.

Perfekt durch die Kurve – wie das im Fall des 1925er Buick mit seinem traditionellen Fahrwerk möglich gewesen sein soll, daran haben Sie womöglich leise Zweifel.

Immerhin war der Sechszylinder mit 50 PS („Standard Six“) bzw. 70 PS beim längeren Master Six achtbar motorisiert. Mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen waren das durchaus drehfreudige und effiziente Aggregate.

Doch tatsächlich: schnelle Kurvenfahrt war nicht das Metier dieser großzügig dimensionierten Wagen. Entsprechend behäbig posiert dieser Herr neben seinem Exemplar:

Buick „Sedan“ von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ob wir hier einen Standard Six oder einen Master Six vor uns haben? Sofern der Wagen 24 und nicht 27 Haubenschlitze hatte, haben wir es mit dem stärkeren Master Six zu tun (Hinweis von Eirik Bøle). Sicher ist auf jeden Fall, dass wir es mit einer 6-Fenster-Limousine mit vier Türen zu tun haben, nach amerikanischer Konvention als „Sedan“ bezeichnet.

Ja, hat denn eine Limousine nicht immer vier Türen, mag sich jetzt einer fragen? In der Nachkriegszeit war das in der Tat so – zwei Türen fanden sich nur an sportlich ausgelegten Coupés oder Cabriolets.

Doch bei Vorkriegswagen ist vieles verwirrend anders und unter anderem deshalb ist die Beschäftigung damit so faszinierend. Vor 100 Jahren war so ein Buick in Deutschland ein Luxusautomobil – eine Heizung hatte der Wagen aber serienmäßig nicht, das war damals völlig unüblich. Eine andere Welt tut sich schon in solchen Details auf.

Eine andere Welt offenbart sich auf wunderbare Weise auch auf der folgenden Aufnahme – und hier kriegen Sie wie angekündigt die Kurve(n), wenn auch vielleicht anders als erwartet:

Buick „Sedan“ von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Blick gilt hier ganz professionell den Kurven – nämlich denjenigen, welche vom hinteren Ende der Motorhaube nach oben gehen und den Übergang zur A-Säule herstellen.

Dieser kleine Kunstgriff nimmt dem Aufbau die Strenge, wie sie Mitte der 1920er Jahre bei vielen Herstellern üblich war, bevor man sich wieder auf insgesamt raffiniertere und individuellere Linien besann.

Es sind genau diese Kurven, die uns ermöglichen, das Auto überhaupt als 1925er Buick ansprechen zu können. Sie finden diese an der Limousine auf der ersten Aufnahme wieder, nicht aber bei offenen Aufbauten.

Bei der Gelegenheit werden Sie bemerkt haben, dass dieses Exemplar nur zwei Fenster pro Seite besitzt. Auch weist es nur zwei Türen auf. Wir würden das im deutschen Sprachraum als zweitürige Limousine ansprechen – für die Amis ist das ein „Coach“ – kurios nicht wahr?

Kurios waren auch die kurzem Damenkleider jener Zeit – nicht, dass ich an der Kürze etwas auszusetzen hätte, bloß die unter der Taille sitzenden Gürtel waren keine glückliche Idee.

Dementsprechend wirken die meisten Ladies von damals, die sich dieser Mode unterwarfen – ich wüsste gerne, welche hässliche Hexe sich das ausgedacht hat – wenig weiblich darin.

Eine seltene Ausnahme stellt jedoch unsere perfekt proportionierte und ebenso posierende junge Dame dar, deren Kurven hier genau die subtile Unterstützung kriegen, die man(n) sich wünscht.

Perfekt durch diese Kurve(n) finde ich das heute vorgestellte Modell, dieses zweideutige Statement kann ich mir erlauben. Denn nicht nur bin ich ein Fachmann für solche Betrachtungen, ich bin hier auch der Chef und darf alles kommentieren, wie mir das passt, mag es noch so oberflächlich erscheinen…

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Luxus serienmäßig! Zwei Adler Landaulets um 1907

Traditionell wird Luxus mit Verschwendung in Verbindung gebracht – typischerweise von Leuten, die wenig einschlägige Praxiserfahrung haben.

Das ist ähnlich wie bei Zeitgenossen, die sich für eine Besteuerung von Vermögen in die Bresche werfen – nicht etwa, weil der Fiskus so klamm wäre, sondern weil es sie stört, dass andere ihnen etwas voraus haben. Nach dem Gewinn des Jackpots im Lotto wird diese Auffassung allerdings zuverlässig eine fundamentale Korrektur erfahren…

Meine Einstellung zum Luxus ist eine uneingeschränkt positive. Nicht nur meine ich, dass jenseits alltäglicher Notwendigkeiten der Spaß am Leben erst beginnt – ich gönne mir (und Ihnen) auch selber regelmäßig einigen Luxus.

Während sich das nicht auf meinen Geschmack bei klassischen Autos im Maßstab 1:1 bezieht – dort beschränke ich mich von jeher auf das untere Preissegment – gebe ich mich in diesem Blog gern hemmungslos dem schieren Überfluss hin.

Nicht nur ist die Beschäftigung als solche bereits eine Verschwendung von Zeit und Geld, auch mit den Gegenständen der Betrachtung gehe ich fahrlässig großzügig um.

Ein besonders verwerfliches Beispiel dafür bringe ich heute – denn diesmal präsentiere ich ungeheuren Luxus aus der Frühzeit des Autos gleich in Serie.

Ich kann mir diesen Luxus nicht nur leisten, ich bin hier paradoxerweise auch von blanker Not getrieben. Denn gerade bei den Wagen der Marke Adler aus Frankfurt am Main gehe ich förmlich in sehenswerten zeitgenössischen Fotos unter.

Das gilt nicht nur für die üblichen Verdächtigen der Frontantriebs-Fraktion der 1930er Jahre („Trumpf“ und „Trumpf Junior“) oder die ebenfalls sehr zahlreich dokumentierten „Ami“-Konkurrenten der späten 1920er Jahre („Standard 6“ und „Favorit“).

Nein, auch andernorts praktisch nicht oder nur sehr dürftig vertretene Adler-Modelle der Zeit vor 1925 finden sich auf hunderten Aufnahmen aus meiner Sammlung und aus denen von Gleichgesinnten, deren Schätze ich hier ebenfalls präsentieren darf.

Warum sonst keiner etwas aus der schieren Materialfülle bei dieser einst enorm bedeutenden deutschen Marke macht? Ich weiß und verstehe es nicht. Ich bin kein Adler-Spezialist und besitze nur ein Fahrrad der Marke von ca. 1950 (in ziegelrot, sonst sprechen mich die Adler-Räder weniger an als andere jener Zeit).

Dennoch ist meine nebenher in den letzten 10 Jahren aufgebaute Adler-Galerie die weltweit größte allgemein zugängliche ihrer Art. Sie ist weder vollständig noch vollkommen, was die Ansprache speziell der frühen Modelle angeht, aber es gibt sie und sie wächst stetig.

So bin ich in der komfortablen Lage, Ihnen heute Luxus aus dem Hause Adler gleich serienmäßig nachzubringen. Den Anfang macht dieses Landaulet nebst Chauffeur:

Adler Landaulet um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser Wagen bot einst seinen sehr vermögenden Besitzern nicht nur den Luxus eines prinzipiell geschlossenen Passagierabteils, das am Heck jedoch ein zu öffnendes Verdeck für Fahrten bei schönem Wetter besaß.

Das Auto war auch mit seiner Dachreling darauf ausgelegt, Reisegepäck (und nicht nur Reservereifen) aufzunehmen. Der Chauffeur hingegen war bei allem Chic der „Uniform“ in dieser Klasse kein Luxus, sondern quasi serienmäßig, denn Selbstfahrer waren damals noch die Ausnahme.

Aber was ist denn unter diesem „damals“ zu verstehen?

Nun, bei üblicher Analyse lässt sich wie folgt vorgehen: Gasscheinwerfer bedeuten: vor 1920, rechtwinklig auf die Windschutzscheibe stoßende Haubenpartie bedeutet: vor 1910 und die hier wirklich noch passend benamten Kotflügel, die nicht direkt insTrittbrett übergehen, bedeutet ganz grob: vor 1908.

Unterstützt wird diese Datierung auf geradezu luxuriöse Weise. Denn auf der Rückseite des Originalabzugs sind Aufnahmeort und -jahr von alter Hand vermerkt: „Wandlitz 1908“.

Ist das nicht großartig? Jetzt müssen wir anhand von Vergleichsfotos „nur“ noch das frühestmögliche Baujahr dieses Wagens bestimmen. Auch das geht mit einiger Erfahrung.

Ab etwa 1906 findet sich bei Adler-Wagen diese Gestaltung der Vorderpartie – weitgehend unabhängig von der Motorisierung. Dass wir es mit einem Adler zu tun haben, verrät die Kühlerform in Verbindung mit dem damals markentypischen Einfüllstutzen (kein Witz).

Auch wenn der wohl recht großgewachsene Fahrer den Wagen eher moderat dimensioniert erscheinen lässt, deutet etwas auf einen Adler mit deutlich gehobener Leistung hin. Die Räder besitzen 12 statt nur 10 Speichen bei den schwächeren Modellen. Das ist ein HInweis auf einen stärkeren Motor, der bei dem schweren Aufbau auch ratsam war.

Ich würde hier auf ein Aggregat der 30 bis 40 PS-Klasse tippen (es gab noch weit stärkere von Adler, aber sie blieben sehr selten). Das war für einen ernstzunehmenden Reisewagen durchaus angemessen, speziell wenn man Touren in bergigen Regionen vorhatte.

Vergessen wir nicht: Wer so ein in monatelanger Handarbeit gebautes Landaulet orderte, der gab damals dafür den Gegenwert eines kleinen Hauses aus. Im Unterschied zu einem Arzt oder Geschäftsmann brauchte ein auf Repräsentation und Reisen erpichter reicher Besitzer nicht am Detail zu sparen, er konnte sich das volle Programm leisten.

Vor diesem Hintergrund mag es verwundern, dass ich heute Luxus aus dem Hause Adler „serienmäßig“ angekündigt hatte. Nun, zum einen kann ich mich herausreden, da bei einem solchen Landaulet aller erdenklicher Luxus ohnehin serienmäßig war.

Doch steckt wie immer mehr als nur ein Körnchen im Titel meines Blog-Eintrags – so ziemlich das einzige, worüber ich einen Moment nachdenke, den Rest schreibe ich meist herunter inspiriert von den Fotos selbst und in der Regel mit musikalischer Begleitung.

Tatsächlich scheint Adler diese majestätisch anmutenden Luxuswagen in gewisser Weise serienmäßig hergestellt zu haben. Darauf kam ich, nachdem ich das eingangs gezeigte Foto mit dem folgenden verglich:

Adler Landaulet um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ignorieren wir für einen Moment die mächtigen Frontscheinwerfer – die Beleuchtungsausstattung war vor dem 1. Weltkrieg hochindividuell und wurde vom Käufer oft erst nach Erwerb des Wagens selbst ergänzt.

Aber ansonsten sehen wir jede Menge Übereinstimmungen, oder? Selbst die Speichenzahl der Räder und die Gestaltung von Trittbrettkästen und Dachreling stimmt überein.

Könnte es sich um denselben Wagen handeln? Das wäre nach bisheriger Erfahrung nicht auzuschließen. Wiederholt habe ich mit erheblichem Zeitabstand Fotos erworben, die ein identisches Auto zeigen.

Im vorliegenden Fall ist die Sache aber klar: Der Adler auf dem zweiten Foto war ein anderes Fahrzeug, weil er einen auch am Heck geschlossenen Aufbau besaß – als Chauffeur-Limousine würde man diese Ausführung ansprechen.

Aufgenommen wurde das Exemplar in Hückeswagen -. einem Ort, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte. Davor präsentiert sich offenbar der stolze Besitzer – im Unterschied zum Chauffeur auf dem ersten Foto neben der Einstiegstür zum Passagierabteil.

Wir machen uns im 21. Jh. keine Vorstellung davon, wie exklusiv der Besitz eines derartigen Automobils vor bald 120 Jahren war. Auf heutige Verhältnisse übertragen entsprach ein solcher Wagen einem modernen Geschäftsflugzeug mit eher zwei Triebwerken als einem.

Man mag die ökonomischen Unterschiede der Gegenwart beklagen- sinnlos, wie ich meine, da sie eine Konstante in allen Gesellschaften sind, auch den angeblich egalitären.

Aber eines betone ich immer wieder. Mit dem Automobil für jedermann, das wir der amerikanischen Industrie verdanken, verfügen wir alle heute serienmäßig über einen Luxus, der einst Superreichen und gekrönten Häuptern vorbehalten war.

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal ihren Wagen starten, die Sitzheizung einschalten und am servounterstützten Lenkrad drehen. Vollgetankt an die tausend Kilometer Reisefreiheit – das ist der pure Luxus serienmäßig in unserer Zeit…

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Selbstgemalt oder von der Kunst gestreift? Mathis P 5CV

„Ist das jetzt Kunst oder Werk eines Amateurs?“

Diese Frage stellt sich mir nach dem Ende der klar abgegrenzten Kunstepochen nach dem 1. Weltkrieg oft, auch wenn in der Art Déco-Epoche in den 1930er/40er Jahren noch einmal erkennbar an das Formenvokabular des späten Jugendstils angeknüpft wurde.

Vielleicht lässt sich die Trennlinie heute dort ziehen, wo man noch intensive Arbeit am Werk sieht und ein ernstes Bemühen um Ausdruck menschlicher Welterfahrung erkennt.

Nur mit Farbbeuteln um sich werfen oder wild Metallschrott zusammenlöten, genügt beiden Anforderungen nicht – auch wenn das Ergebnis chaotischen Zeitgenossen zusagen mag.

Vielleicht finden sich die Künstler der Moderne eher in Nischen wie der Tätowierei, wenn mir dazu auch jeder Zugang fehlt. Auch die Kreationen mancher „Hotrod“-Handwerker scheinen mir durchaus Kunstcharakter zu haben.

Sicher bin ich mir eigentlich nur bei der Fotografie, wo auch im Digitalzeitalter besonderes handwerkliches Können und der Blick auf den Menschen und seine Schöpfungen sowie die Natur und ihre Bewohner das Banale vom Beeindruckenden scheiden.

Was aber ist davon zu halten, wenn einer mit seinem Zweisitzerauto der 1920er Jahre daherkam und die Karosserie mit farblich abgesetzten horizontalen Streifen präsentierte?

Mathis Type P 5CV; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

War das rasch nach Gusto selbst gepinselt oder ist dieses Auto zumindest in Teilen von der hehren Kunst gestreift worden?

Leser Klaas Dierks, dem wir dieses sehr gekonnte Foto verdanken, teilte mir seinerzeit mit, dass diese Art des Streifendekors auf eine Kunstrichtung der 20er Jahre zurückging, die sich auch an anderen Wagen der Zeit niederschlug.

Ich meine mich zu erinnern, dass sich auch kühne expressive Muster mit geometrischen Elementen auf einigen Karossen wiederfanden.

Vorläufer waren eventuell die oft eigenwilligen Bemalungen von Jagdflugzeugen im 1. Weltkrieg, die keiner Vorschrift folgten und die meines Erachtens ähnliche Funktion wie die Kriegsbemalung angeblich „primitiverer“ Völker hatte: Wiedererkennung im Getümmel, Verwirrung des Gegners und glückbringende Funktion für einen selbst.

Nun ist ein solcher Streifendekor nicht einfallsreicher als ein gut gemachter „Rallyestreifen“ – eine sympathische Sitte der 70/80er Jahre, die weitgehend vergessen ist – sie würde bei den meist ungeschlachten Karosserieformen der Gegenwart auch nicht „funktionieren“.

Nur bei nach 2000 entstandenen Retroautos wie dem Fiat 500 und dem Mini findet sich das bisweilen, teilweise sogar ab Werk.

Im vorliegenden Fall müssen wir es also offenlassen, ob sich hier einer von zeitgenössischen Tendenzen hat inspirieren lassen und in der Garage selbst den Pinsel schwang oder ob wir tatsächlich einen von Künstlerhand gestreiften Wagen sehen.

Der Herr am Steuer mit dem Barett wirkt selbst ein wenig so, als sei er von der Muse angehaucht worden – aber wer hier einen französischen „Artisten“ sieht, könnte am Ende enttäuscht werden.

Französisch war auf jedenfall die Herkunft des Wagens – denn es handelt sich um einen „Mathis“ aus dem seit 1919 wieder zu Frankreich gehörigen Elsass.

Jedenfalls war die Marke Mathis nach dem 1. Weltkrieg mit dem Problem konfrontiert, dass ihr einstiges Hauptabsatzgebiet mit einem Mal im Ausland lag. Letzteres, also Deutschland, hatte zur Begrenzung von Abflüssen wertvoller Devisen Importe streng reglementiert.

Für einst auf den deutschen Markt ausgerichtete, nunmehr zu Frankreich gehörige Hersteller fand man rasch Ausnahmeregelungen. So erklärt es sich, dass Mathis-Automobile bis Ende der 1920er Jahre zahlreich in deutschen Landen Absatz fanden.

Verkaufsfördernd wirkte dabei, das Mathis eine Typenvielfalt bot, die auch das Segment der damals gefragten Kleinstwagen abdeckte – sogenannte Cyclecars und Voiturettes.

Mit so einem Minimalmobil haben wir es hier zu tun – nämlich einem Mathis Type „P“ mit 5 Steuer-PS (daher 5CV). Das von 1921 bis 1925 gebaute Auto besaß einen traditonellen Vierzylindermotor mit knapp 800ccm, der gut 10 PS leistete.

Spitze 60 km/h waren das höchste der Gefühle, was erklären mag, weshalb einer seinen Mathis 5CV einst zumindest optisch schneller machen wollte. Vielleicht war der Besitzer auch der Ansicht dass der kompakte Zweisitzer (frz. „torpedo 2 places“) damit länger wirkte.

Wie dem auch sei, an den Limitierungen des zwar adrett wirkenden, aber wenig agilen Wagens ließ sich auch durch Linierungen wenig ändern.

Immerhin hatte der Fahrer das Auto dank des riesigen Lenkrads bestens im Griff und die Beleuchtung wirkt mit Hauptscheinwerfer und darunterliegenden Kurvenausleuchtern erstaunlich erwachsen:

Mathis Type P 5CV; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Aber ach, der gemutmaßte französische Künstler war offenbar gar keiner, denn dieser Mathis war im Raum München zugelassen (danke an Leser Andreas Streitberg, denn mein Kennzeichen Handbuch von Andreas Herzfeldt habe ich nicht im Reisegepäck).

Doch ein wenig frankophil wirkt der Herr hier schon, finden Sie nicht auch? Diese Baskenmütze findet sich jedenfalls unter den vielfältigen Kopfbedeckungen, mit denen unsere Altvorderen damals in ihren meist offenen Autos unterwegs waren, nur ganz selten.

So mag auch für diesen Mathis-Jünger die Frage gelten: Matisse-Freund und selber Künstler oder doch nur Motorfreak mit gesundem Abgrenzungsbedürfnis?

Vielleicht war der Herr im Krieg sogar Pilot gewesen und hatte eine Maschine mit einer solchen Bemalung geflogen. Vielleicht hatte aber auch seine kunstsinnige Frau diese Sonderlackierung bei einem mittellosen jungen Maler geordert, um mit der Zeit zu gehen.

Dass wir das alles nie mehr herausfinden werden, das gehört zu den schönen, da auf immer geheimnsvollen Seiten der Beschäftigung mit vermeintlich ordinären Gegenständen wie den Automobilen der Vorkriegszeit…

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Trotz Schnee mit Spaß mobil in Italien: Fiat 509

Wie immer trifft der Titel der heutigen Betrachtung genau das, was ich Ihnen in Sachen Vorkriegsautos auf alten Fotos präsentieren möchte.

Allerdings müssen Sie sich vorher eine Reihe zeitgenössischer Aufnahmen antun, zu denen ich heute Gelegenheit fand. „Notwendig“ wurde dies, weil mich auf meiner aktuellen Italientour mehr Schnee begleitete, als ich erwartet hatte.

War es im Tessin im Gegensatz zur nördlichen Alpenseite noch angemessen vorwinterlich, fuhr ich nach Durchmessen der Po-Ebene ab Cesena in den tiefverschneiten Apennin hinein, der schon zuvor aus weiter Ferne in der Sonne liegend das Auge verwöhnte.

Gut 10 Zentimeter weiße Pracht hatten die Landschaft mit einer himmlischen Haube überzogen, aus der nur vereinzelt prächtige Bäume mit spätherbstlichen Laub lugten – im Sonnenschein ein ungewohnter und hinreißender Anblick.

Hinreißen ließ ich mich indessen nicht zu einem Fotohalt, denn ich wollte keine Zeit auf dem Weg zu meinem Ziel in Umbrien verlieren. Das sollte sich noch auszahlen. Die Straße war vorbildlich geräumt und die Steigungen mit Taumittel satt behandelt.

Wie stets änderte sich das Mikroklima nach Eintritt in die umbrische Ebene schlagartig – hier war alles noch herrlich grün. Doch auch trugen die umlegenden Hügel und Berge bis auf etwa 700 Meter herunter feine Schneehauben.

Kurz vor dem Ziel lag Assisi herrlich am Hang im Sonnenlicht, doch mit der weißen Kuppe des dahinterliegenden, über 1000 Meter hohen Monte Subasio, bot sich ein Anblick dar, wie er noch großartiger ist.

Kurz darauf gelangte ich in meinem Eremitennest auf Zeit an, das knapp unter der Schneegrenze auf 600 Meter Höhe liegt:

Collepino (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Da ich den Wagen ohnehin noch von der Salzlauge von unterwegs befreien wollte, dachte ich mir, dass ich doch einen kleinen Umweg über den Monte Subasio nehmen könnte, der auch der Hausberg von Collepino ist.

Auf die Idee waren auch andere bereits gekommen, und so fand ich oben eine Flotte vorwiegend geländegängiger Wagen vor – vom noch sehr verbreiteten (alten) Panda 4×4 über allerlei Suzuki Jeeps und aktuelle Dacia Duster Allrad bis hinzu Toyota Landcruiser und Landrover aller Epochen.

Kinder auf dem Schlitten und Erwachsene bei der Schneeballschlacht – auch hier hat man Spaß im Schnee und ist mobil genug, um die Gelegenheit zu nutzen, die sich durchaus öfters, aber nicht immer ergibt.

Meine heutigen Impressionen habe ich im Schwarzweiß-Modus gehalten, mir gefällt das bei diesem Thema und der Übergang zum eigentlichen Fotomodell fällt nicht so abrupt aus:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Ich hatte Glück, denn die Sonne begann schon hinter neuen Wolken im Westen zu verschwinden.

Also schnell noch ein paar Schüsse mit der guten alten Nikon (immerhin schon digital) in alle Richtungen.

Hier der Blick nach Süden in Richtung Spoleto – Umbrienkenner dürften mittig das praktisch immer sonnenverwöhnte Trevi auf seinem Felssporn über der Valle Umbra erkennen:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Jetzt schwenken wir nach links und genießen die Aussicht gen Osten, wo in der Ferne noch deutlich höhere Gipfel des Appenins locken.

Man kann sich kaum vorstellen, dass dahinter die blaue Adria liegt, die nur eine gute Stunde Autofahrt entfernt ist:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Weiter gehts in Richtung Nordosten – hier ahnt man, dass das Licht am Schwinden ist – gut also. wenn man im Schnee so mobil ist, um das noch rasch einfangen zu können:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Der letzte Blick geht gen Westen, wo sich allmählich bereits die Dämmerung ankündigt. Höchste Zeit, wieder ins Tal zurückzukehren – immerhin lohnt sich nach dieser Aktion die Wagenwäsche noch mehr, als das ohnehin der Fall war.

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Natürlich sind diese quasi aus der Hüfte geschossenen konventionellen Fotos selbst kein Grund, Ihre Aufmerksamkeit von Wichtigerem abzulenken. Doch ich meine, dass sie ganz nett zu der letzten Aufnahme überleiten.

Diese zeigt den im Titel angekündigten Fiat 509 – ein auch in Deutschland gern gekauftes 1 Liter-Modell von Mitte der 1920er Jahre.

Unter der Haube fand sich ein Motor mit sportlicher Ambition, denn das Aggregat besaß eine obenliegende Nockenwelle zur Ventilsteuerung, was höhere Drehzahlen und damit größere Leistungsausbeute erlaubte.

Diese Gerät wurde nicht nur gern zu wirklich sportlichen Einsätzen genutzt, sondern offenbar auch dazu, um im italienischen Winter mobil zu bleiben:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass wir es mit einem Fiat 509 zu tun haben, das verrät uns die in den unteren Kühlerabschluss hineinragende Lichtmaschine, die direkt von der Kurbelwelle angetrieben wurde.

Um einen Dynastarter – also eine Kombination aus Dynamo und Anlasser – scheint es sich nicht zu handeln – der 509 besaß einen separaten Anlasser, der wie üblich in das Schwungrad am hinteren Motorende eingriff.

Kein anderer Fiat besaß dieses optische Detail, was insbesondere die Unterscheidung vom stärkeren 503 (1,5 Liter) erlaubt, der ansonsten sehr ähnlich aussah.

Das Kennzeichen interpretiere ich ohne spezielle Sachkennntnis als eines, das auf eine Zulassung im Raum Turin („Torino“) verweist. Für alternative Erklärungen, die immer willkommen sind, bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Tja, liebe Leser, das war’s auch schon, denn mit so einem heckgetriebenen Fiat traute man sich vor 100 Jahren in den Schnee, was nicht immer ein Vernügen war. Doch es ging, im Zweifelsfall mit Schneeketten und Zusatzgewicht auf der Heckachse.

Alles Übrige musste der Fahrer mit Erfahrung und Können bewerkstelligen. Wenn das nur Stress und kein Spaß gewesen wäre, auch im Schnee in Italien mobil zu sein, wäre ein Foto wie dieses nicht entstanden, das natürlich unzählige Pendants in Deutschland hatte, wo die Alltags-Fahrkompetenz einst ebenfalls sehr hoch gewesen sein muss…

Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein kleines Meisterwerk: Steyr Typ 50 „Baby“

Bislang war ich der Auffassung, dass die Versuche, in den 1930er Jahren im deutschsprachigen Raum einen tauglichen Kleinstwagen zu bauen, allesamt gescheitert sind.

Ob nun der Hansa 400/500 von 1933/34, der Framo Stromer bzw. Piccolo von 1933-35 oder der Standard Superior (ebenfalls 1933-35) – alle diese Konzepte krankten an denselben Problemen: zu wenig Platz für eine Familie, zu wenig Leistung für bergige Regionen und zu hoher Preis im Vergleich zu vollwertigen Autos.

Einen gewissen Achtungserfolg erzielte allenfalls der Brennabor 4/20 PS von 1931-33 – aber mit rund 2000 Exemplaren blieb auch er eine Randerscheinung. Vom späteren Volkswagen, der zumindest die Kriterien Familientauglichkeit und Steigfähigkeit erfüllte, bekam man in deutschen Landen als Zivilist vor dem Krieg keinen einzigen zu kaufen.

Das, woran im großen Deutschland alle Hersteller scheiterten, gelang indessen im kleinen Österreich. Dazu mag die außerordentlich reiche Automobiltradition beigetragen haben, aber auch ein anspruchsvoller Markt, an dem Chancen nur der hatte, der dem Terrain angemessene Fahrleistungen bot.

Vor diesem Hintergrund entstand ein kleines Meisterwerk zu einer Zeit, als die österreichische Autoindustrie ihre beste Zeiten vielleicht schon hinter sich hat.

Und genau dieses wurde einst meisterhaft auf folgendem Foto festgehalten:

Steyr Typ 50 „Baby“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer etwas Sinn für Gestaltung hat, wird mir zustimmen: Das ist ein meisterhaft aufgebautes Bild, aufgenommen mit Sinn für eine malerische Perspektive, bei der das Auge von vorne die Biegung der Straße entlang auf die Kirche im Hintergrund gelenkt wird.

Die leichte Überbelichtung am Rand – wohl einem nicht ganz dicht schließenden Kameargehäuse oder einem kurzen unbeabsichtigten Öffnen bei eingelegtem Film geschuldet – beeinträchtigt die Qualität kaum.

Der Aufnahmeort – eine hügelige Landschaft an einem Fluss – ist leider nicht überliefert. Die offenbar am Rand eines Dorfes oder außerhalb stehende Kirche scheint im Kern eine alte Wehrkirche aus romanischer Zeit mit später aufgestocktem Turm in einem sehr schlichten gotischen Stil zu sein – auch sie ein kleines Meisterwerk ihrer Zeit:

Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Foto im Süden Deutschlands entstanden ist, aber ich würde auch eine Region in Südosteuropa mit von deutschen Traditionen geprägten Orten in Betracht ziehen.

Vielleicht weiß einer von Ihnen es genauer – dann bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Sicher ist indessen eines – diese schöne Aufnahme ist nicht nur selbst ein kleines Meisterwerk, es ist darauf auch ein solches mit vier Rädern zu sehen.

Die Rede ist vom fabelhaft gelungenen Steyr Typ 50, der 1936 auf den Markt kam und von dem immerhin über 13.000 Exemplare entstanden.

Ganz billig war dieser Kleinstwagen nicht, aber ansonsten bot er alles, was sich eine Familie mit begrenztem Budget wünschen konnte: ausreichend Platz, Komfort und solide Fahrleistungen, die einen Ausflug wie den hier festgehaltenen zum Vergügen machten:

Der Zweitürer mit Ganzstahlkarosserie bot auch auf der Rückbank ordentlich Platz. Der Gepäckraum war nur von innen zugänglich – vielleicht das einzige Manko.

Ansonsten war der Steyr 50, der rasch den Spitznanmen „Baby“ erhielt, eine rundum überzeugende Konstruktion: Der wassergekühlte 1-Liter-Vierzylinder-Boxer leistete 22 PS (bei der letzten Ausführung Typ 55 mit 1,2 Liter-Motor dann 25 PS).

Wichtiger als die Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h war für österreichische Käufer die Bergtauglichkeit – hier trennte sich die Spreu vom Weizen. Das Steyr „Baby“ wurde den Anforderungen mit Bravour gerecht, auch Überhitzungsprobleme blieben aus.

Unabhäng aufgehängte Räder an Querblattfedern sorgten für zeitgemäße Straßenlage und ausreichenden Federkomfort – jedenfalls fand ich in der Literatur nichts Gegenteiliges.

Ein spektakuläres Detail ist auch auf dem heute gezeigten Foto zu sehen – das Stahlschiebedach, das sich sehr weit nach hinten schieben ließ. Das mag dazu beigetragen haben, dass der Baby-Steyr recht teuer geriet.

In Deutschland wurden dafür 2950 Mark aufgerufen. Dafür bekam man beispielsweise auch den geräumigeren Hanomag „Kurier“, der indessen in punkto Fahrleistungen unterlegen war. Ein gefährlicherer Konkurrent war der gleichteure, 27 PS starke Hansa 1100, der als schicke Cabrio-Limousine erhältlich war. Deutlich billiger war der Opel 1,2 Liter, der aber von Leistung, Fahrwerk und Anmutung nicht mithalten konnte.

Im Niedrigpreissegment machten letztlich Opel und auch die Fronttriebler von DKW das Rennen – doch wem es mehr um die Steigfähigkeit und Solidität der Konstruktion ging, für den war der Steyr Typ 50 „Baby“ die bessere Wahl.

Das unverwüstliche kleine Meisterwerk aus Österreich sollte nach dem Krieg seinen Besitzern noch eine ganze Weile Freude machen und die überlebenden Exemplare bezaubern nach bald 90 Jahren immer noch.

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Wie geht Luxus auf Hessisch? Opel 8/40 PS Limousine

Jeder weiß doch, wie Hessisch klingt – aach wenn’s des als einheidlischen Dialegd eischendlisch ned gibd.

Hier in der Wetterau babbeln die Alteingesessenen schon von Dorf zu Dorf anders – woran man ablesen kann, dass viele kaum aus der Sichtweite des Kirchturms herauskamen – es sei denn, sie wurden von ihrem Landesherrn einst als Soldaten nach Übersee vertickt.

Gemeinsam ist der Fülle an Idiomen nur dies: Harte Konsonanten werden schön weichgespült, einige auch ganz ausgelassen, Zischlaute finden sich allerorten, selbst an Stellen, wo man sie nicht erwarten würde. Mancherorts wird das „r“ gerollt wie in Texas.

So wird aus der altehrwürdigen Freien Reichsstadt mit römischen Wurzeln namens Friedberg, wo ich zur Schule ging, schlicht „Frribbursch“. Und Bad Nauheim, wo ich seit rund 35 Jahren in wechselnden Stadtteilen residiere, wird brachial auf „Naum“ verkürzt.

Es gibt aber Begriffe, bei denen das nicht funktioniert, hauptsächlich solche, die der Hesse einst nicht kannte. Vermutlich deshalb ging Bad Nauheim im Dialekt des „Bads“ verlustig.

Ein weiteres Beispiel für der Lebenswirklichkeit der historischen Hessen nicht zugehörige Wörter ist „Luxus“. Das eigentliche Hessen nördlich der Mainlinie war bitterarm. Das lag aber nicht an der Ungunst der Natur – speziell die Region zwischen Frankfurt und Gießen ist eine der fruchtbarsten in deutschen Landen und auch klimatisch begünstigt.

Hier wurden vor rund 7500 Jahren die ersten Menschen auf dem Boden des späteren Deutschlands sesshaft und hier genehmigten die stets pragmatisch denkenden Römer ihrer Reichsgrenze (Limes) einen exaltierten Schlenker, der präzise das hervorragende Ackerland der Wetterau umschloss, in deren Herz ich lebe.

Die damit verbundene knapp 200-jährige Blüte fand nie wieder Nachfolger. Der bis in die Neuzeit anhaltende Feudalismus mit der Erbteilung unter den Nachkommen verhinderte, dass einer mehr werden konnte als ein armer Bauer mit immer kleineren Grundstücken.

Das Ergebnis wirkt trotz einiger Flurbereinigungen bis heute fort – das Hessische ist aus der Luft betrachtet ein Flickenteppich aus teils absurd dimensionierten Feldern. Der Mentalität der Einheimischen war das nicht zuträglich, nur ganz allmählich kommen jüngere Landwirte auf die Idee, über Zusammenlegung von Flächen ihre Betriebe zu skalieren.

So, jetzt wissen Sie warum Luxus auf Hessisch nicht geht – der Begriff bleibt wie die Sache selbst ein Fremdkörper. Wenn dann doch mal Luxus angesagt war in der Region – wie bei der Sonderausführung des Opel 8/40 PS ab 1929 – sah das so aus:

Opel 8/40 Luxus-Limousine; Originalfoto:: Sammlung Michael Schlenger

Puuh, das wirkt ziemlich trist, mag jetzt mancher denken. Stimmt, das ist aber auch der November-Kulisse geschuldet, in der es schwerfällt, einer solchen Szene besonderen Glanz abzugewinnen.

Dieser im Raum Berlin zugelassene Opel lässt sich anhand der Scheibenräder mit vier Radbolzen und Radkappen sowie der nach Vorbild des Ford A mittig etwas nach unten schwingenden Kühlermaske als die späte Ausführung des 1927 eingeführten kleinen Sechszylindermodells der Rüsselsheimer identifizieren.

Ganz allmählich sammeln sich einige Fotos dieses zwar solide konstruierten, aber wenig markanten und nur mäßig erfolgreichen Modells in meiner Opel-Galerie an.

Die späte Variante mit 40 statt 34 PS und mit neuer Kühlergestaltung wirkte zwar moderner als der Vorgänger, aber einen Schönheitspreis hätte man dafür nicht vergeben.

Immerhin boten die sonst so frugalen Hessen bei Bedarf eine „Luxusvariante“, die sich durch einige zusätzliche Austattungsdetails auszeichnete.

Eines diese Luxusaccessoires waren die seitlich hinter dem Ende der Motorhaube angebrachten Parkleuchten – die in den USA jeder Brot- und Butter-Wagen besaß.

Doch in Rüsselsheim am Main war man der Auffassung, dass man damit dem Käufer bereits ein Abgrenzungsmerkmal bot, für das man einen Aufpreis verlangen konnte – so war es der „Luxus“-Ausstattung vorbehalten.

Was sonst noch zu diesen Extras zählte, welche die Luxuslimousine des Opel 8/40 PS von der Standardvariante unterschied, das wissen markenkundige Leser sicher besser als ich. Denn als gebürtiger Hesse liegt mir der Luxus denkbar fern (kleiner Scherz).

An dieser Stelle muss ich abbrechen, denn meine vierbeinige Gefährtin Ellie ist gerade aus der Kälte hereingekommen. Nach opulentem Nachtmahl, welches der Ausbildung ihres luxuriösen Winterpelzes dient, verlangt sie nun auf dem Schreibtisch neben der dank altmodischer Glühbirnen warmen Luxuslampe sitzend meine ganze Aufmerksamkeit…

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Das richtige Modell für den Winter? Mannesmann 5/20 PS

Vor rund einer Woche wurde in den Wetternachrichten von frühlingshaften Temperaturen bis 20 Grad fabuliert – immerhin zwei Tage mit Sonnenschein und 12-15 Grad wurden dann daraus.

Ganz vergessen vor Begeisterung hatte man indessen, dass wir dem Winter entgegengehen. So fielen die Temperaturen vor zwei Tagen in der Wetterau mit ihrem historisch milden Mikroklima unter null und gestern früh fiel der erste Schnee.

Ich hatte ich die anrückende Kälte gerochen, doch die „Wettermodelle“ wussten nichts davon. Erst spät wurden die Computerszenarien von echten Wetterfröschen korrigiert.

Das kommt davon, wenn „vergessen“ wird, die üblichen frühen Winteranklänge im November einzuprogrammieren. Alternativ könnte man sich auf die altbewährten Methoden verlassen oder ab und zu einfach vor die Tür gehen.

Jedenfalls fällt mir seit Jahren auf, dass die Wettervorhersage immer unzuverlässiger wird. Ich bin der letzte, der etwas gegen Computermodelle hat, man sollte sie nur nicht mit der stets komplexeren Realität verwechseln – speziell bei Phänomenen mit chaotischem Charakter wie dem Wetter.

Nachdem ich Platz für die empfindlichen englischen Geranien vor der Haustür und in den Blumenkästen an der alten Backsteinhalle geschaffen hatte, in der meine Altmetallbestände frostsicher und trocken residieren, machte ich mir heute abend Gedanken darüber, welches Modell eher den Tatbeständen des Winters gerecht sein könnte.

Da fiel mein Blick auf folgendes Foto, das mir Leser Klaas Dierks in digitaler Kopie hat zukommen lassen und dessen Zeit nun gekommen zu sein scheint:

Mannesmann Typ WII 5/20 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Als ich meinen Blog vor rund 10 Jahren begann, hätte mich dieses Modell noch vor Probleme gestellt – aber nicht wegen der fehlenden Vorderradbremsen oder des Schnees.

Damals hatte ich noch keine Ahnung davon, welche Vielfalt an vergessenen Automarken auf solchen historischen Fotos (und manchmal nur dort) fortlebt.

So hätte ich im Unterschied zu heute nicht sofort erkannt, dass wir es mit einem Wagen der deutschen Mannesmann-Werke aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre zu tun haben.

Inzwischen ist meine Online-Fotodokumentation von Vorkriegswagen soweit gediehen, dass ich für Vergleichszwecke nicht mehr die gerade bei einheimischen Nischenherstellern oft dürftige Literatur konsultieren muss.

Im Fall eines als exotisch anzusehenden Herstellers wie Mannesmann befinde ich mich in der komfortablen Situation, inzwischen in der eigenen Markengalerie mehr Referenzmaterial vorzufinden als sonst irgendwo.

So bestätigte sich meine Vermutung, dass wir es mit einem Typ W2 5/20 PS zu tun haben durch Vergleich mit dem folgenden Exemplar (Foto aus Sammlung Matthias Schmidt, Dresden), das ich bereits vorgestellt habe:

Mannesmann Typ WII 5/20 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung: Matthias Schmidt (Dresden)

Aus dieser Perspektive ist das Kühleremblem von Mannesmann besser zu erkennen – in den meisten Fällen ist es das einzige Detail, was die Identifkation des Herstellers erlaubt.

Lassen Sie sich nicht von dem Fahrtrichtungsanzeiger am Scheibenrahmen oder dem im Fond sitzenden Hund ablenken – wir haben es mit dem gleichen Modell WII 5/20 PS zu tun, das ab 1923 gebaut wurde.

Bemerkenswert waren an den Mannesmann-Wagen eigentlich nur die gelungenen Roadster-Versionen, ansonsten waren sie vollkommen konventionell wie Dutzende andere deutsche Fabrikate, denen erwartungsgemäß ein größerer Erfolg versagt blieb.

Man sieht: Auch ohne Computermodelle kann man danebenliegen, wenn man nicht den praktischen Hausverstand aktiviert und sich fragt, weshalb ein Auto erfolgreich sein soll, das keinen Vorteil gegenüber dem Stand der Technik aufweist und teurer ist als die Konkurrenz.

Aber vielleicht weiß ein Leser zumindest zu sagen, ob so ein leichter 20 PS Tourer mit schmalen Reifen und Heckantrieb vom fehlenden Komfort abgesehen ein geeignetes Modell für den Winter war, sofern die Reifen noch ordentlich Profil besaßen.

Ich würde sagen: mit etwas Geschick und Erfahrung ließ sich so ein Gerät durchaus auch im Schnee gut und vor allem vergnüglich bewegen. Bei der Gelegenheit wage ich die modellunabhängige Prognose, dass dieser Winter wieder etwas strammer wird…

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Von Playboys und Playmates: Ein „Jordan“ von 1923

Keine Sorge, auch heute geht es völlig jugendfrei zu (wobei ich meine Zweifel habe, dass dies noch jemanden interessiert). Selbst wenn man das von 1953 bis 2020 erschienene US-Magazin Playboy zugrundelegt, war dort nie etwas zu finden, was „anstößiger“ wäre als der Besuch in einem Museum für antike Kunst mit nackten Helden und Göttinnen.

Sich für den Playboy zu entblättern und sich von Fotografen der obersten Hubraumklasse ablichten zu lassen, galt über Jahrzehnte als Mittel der Wahl für prominente Damen, die sich auf diese Weise für eine maximales Publikum vorteilhaft verewigen lassen wollten und nebenher üppige Gagen einstreichen konnten.

Wie kommt der Blogwart nur auf dieses Thema? Nun, gewiss nicht durch den heute bekannt gewordenen Freitod der deutschen Kessler-Zwillinge, die sich in den 70er Jahren ebenfalls im Playboy herzeigten.

Nein, schuld ist ein Leser meiner Facebook-Gruppe für Vorkriegswagen auf alten Fotos, in der ich nicht nur die Aufnahmen aus diesem Blog spiegele, sondern bisweilen auch Aufnahmen zur Diskussion stelle, die mir Rätsel aufgeben.

Speziell bei US-Fabrikaten liegt die Lösung meist innerhalb weniger Stunden vor, doch bei diesem Beispiel lagen die US-Kommentatoren ausnahmsweise daneben:

Jordan „Playboy“ von 1923 (links); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der geduckt dastehende Wagen links mit nach unten breiter werdendem Kühler war weder ein Nash, noch ein Studebaker oder Chrysler, wie einige vorschlugen.

Könnte es sich um einen Jordan handeln?„, fragte indessen Claus Wulff aus Berlin mit schwer überbietbarem Understatement. Denn als „der“ Spezialist für Kühlerembleme hatte er sich nicht von den Herr- und Frauschaften nebst Bierkrügen ablenken lassen, sondern zielsicher das schemenhaft erkennbare Markenemblem anvisiert.

Tatsächlich findet sich in seiner online vorbildlich zugänglichen Sammlung von Kühleremblemen auch eines der erst 1916 von Ned Jordan gegründeten US-Marke.

Durch geschickte Heirat hatte sich Jordan in die komfortable Lage versetzt, Werbechef beim Autohersteller Jefferey zu werden. Dort sammelte er die Erfahrung und Kontakte, die ihm bei der Gründung seiner eigenen Marke zupass werden sollten.

Jordan verfocht die Ansicht, dass der technische „State of the Art“ in den Staaten so hoch war, dass man sich als Hersteller vor allem auf das Styling konzentrieren sollte. So bestanden seine Autos hauptsächlich aus zugekauften Komponenten bewährter Konstruktion und Qualität – verbunden mit sportlicher Anmutung.

Das Rezept brachte ihm schon im ersten Jahr einen Absatz von rund 1800 Wagen ein. Zwar blieb Jordan mit seinen recht teuren Automobilen stets ein Nischenhersteller, doch seine Werbekampagnen sorgten stets für Furore.

Direkt nach dem 1. Weltkrieg brachte Jordan den durchaus passend benamten „Playboy“ heraus. 1923 sah der offene Zweisitzer dann genauso aus wie auf unserem heutigen Foto:

Mit seinem vier Liter großem Sechszylinder (von Continental), der 55 PS leistete und dank des Hubraums einen enorm souveränen Antritt gehabt haben dürfte, machte der „Playboy“ gute Figur, speziell in Verbindung mit dem Aufbau als Roadster.

Sollten Sie Zweifel an diesem Playboy hegen, schauen Sie sich ganz unverklemmt die übrigen „Aktfotos“ auf der verlinkten Seite an – speziell in der Frontansicht erkennt man explizite Details wie die Kühlerform und die Gestaltung des unteren Abschlusses der ab 1923 einteiligen Windschutzscheibe wieder.

Fast 7.000 Exemplare des 1923er Jordan „Playboy“ entstanden, sodass der Typ nicht als wirklich selten anzusehen ist – sonst hätte ich ihn eher als Fund des Monats präsentiert. Ebenfalls nicht in die Kategorie passen würden die ab 1925 gebauten Achtzylinder der Marke, die auch in Deutschland vermarktet wurden.

Nur die 1930 angebotene sportliche Variante Speedway Ace, die selbst mit Limousinenaufbau 150 km/h schnell war, wäre dem wahren Playboy Anlass gewesen, sich damit ausgiebiger zu vergnügen. Dem setzte die Wirtschaftskrise jedoch ein Ende und 1931 war es mit Ned Jordans Firma ebenso vorbei wie 2020 mit dem Playboy-Magazin…

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DAS muss Liebe sein! Ein DKW „Sonderklasse“

Warum verbringt einer seine knappe Zeit damit, irgendwelche Vorkriegsautos auf alten Fotos zu identifizieren und mitunter ausschweifend zu besprechen?

Nun, die Erklärung ist zweigeteilt:

Erstens verschwende ich meine Zeit nicht mit Fernsehen. Ich kenne die Flimmerkiste seit meiner Studenten-WG vor 35 Jahren nur als Bildschirm, auf dem sich nach Wunsch Videos und später DVDs schauen lassen, die man sich selbst ausgesucht hat.

Was dagegen in Endlosschleife zur Belehrung oder Sedierung des Publikums gesendet wird, davon habe ich keine Ahnung und es interessiert mich auch nicht.

Sich nicht über fremdgesteuerte Bilder und Geschichten beeinflussen zu lassen, hatte schon immer den Vorteil, dass man sich ein auf Fakten, Erfahrungen und eigenen Überlegungen basiertes Urteil bilden muss, was mühsam sein kann.

Zweitens: Es muss einfach Liebe sein, wenn man etwas tut, was nicht nützlich ist, Geld und jede Menge Zeit kostet – aber einem schlicht ein Bedürfnis und Belohnung zugleich ist.

Das muss für heute als Einleitung genügen. Die Aufnahme, die ich zur IIlustration meiner Behauptung „DAS muss Liebe sein“ heute zeige, war bis gestern noch ein Kandidat für meine Rubrik „Fotorätsel des Monats“.

Doch bei nochmaliger Betrachtung fiel plötzlich der Euro-Cent. Ich hatte zuvor x-mal versucht, der folgenden Aufnahme ihr Geheimnis zu entlocken, hatte trotz einiger Übereinstimmungen Aspiranten wie den Hanomag „Kurier“ und den Fiat 508 verworfen.

Na, was sagen Sie hierzu? Ist hier der Wagen nicht völlig zweitrangig?

Wie sich dieses nicht mehr ganz jugendfrische Paar in die Augen schaut, die Anwesenheit einer Kamera ebenso vergisst wie die unbequeme Sitzunterlage – DAS muss Liebe sein!

Das Automobil als das Vehikel, das uns die Menschen der Vorkriegszeit so nahebringt, als seien sie direkt vor uns – das Auto als Ausdruck von besonderer Lebensart, Individualität und tiefer Zuneigung – selten habe ich ein Foto gesehen, das dies so perfekt transportiert.

Ich will die Messe nicht weiter stören, trage nur rasch noch ein paar Fakten nach. Das abgebildete Auto war ein DKW des Typs Sonderklasse – ein konventionelles Modell der sonst für ihre agilen kleinen Fronttriebler berühmten sächsischen Marke.

Hier ein Vergleichsfoto mit den gängigeren Drahtspeichenrädern:

DKW Typ 1001 Sonderklasse; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nur etwas mehr als rund 5.000 Exemplare dieses Heckantriebmodells mit Vierzylinder-Zweitakter (26 PS) entstanden von Anfang 1933 bis Frühjahr 1935.

Das auf dem eingangs gezeigten Foto abgelichtete Exemplar war im hessischen Kreis Friedberg zugelassen, also vor meiner Haustür. Der Aufnahmeort könnte ein Gutshof mit Herrenhaus in der Wetterau gewesen sein, dafür kommt dummerweise einiges in Frage.

Vielleicht haben wir es mit einer Dependance meiner Nachbarn zu tun – den von Löws, die außer in Bad Nauheim-Steinfurth auch in Florstadt und Staden solche Anwesen besaßen.

Vielleicht frage ich Christoph Freiherr von Löw einfach selbst, ob ihm der Aufnahmeort etwas sagt. Seit einigen Jahren kümmert er sich um die heruntergekommene Domäne seiner Vorfahren nebenan und man muss auch hier sagen: DAS muss Liebe sein…

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Fotorätsel des Monats: Dreimal X gleich DUX?

Nachdem wir das Fotorätsel des Vormonats nicht lösen konnten, dachte ich mir, dass wir die Chancen auf Erfolg vergrößern, indem wir gleich drei Kandidaten ins Schaufenster stellen.

Nein, das stimmt gar nicht, das habe ich mir bloß so zurechtgelegt, nachdem ich die für heute eigentlich anvisierte Aufnahme nochmals studiert habe und dann binnen weniger Minuten die Lösung fand, nach der ich über die Jahre immer wieder gesucht habe.

Interessant daran ist, dass ich dazu auf gar keine neuen Informationen oder Erfahrungen zugreifen brauchte – die Sache klärte sich mit einem Mal mit erstaunlicher Leichtigkeit. Das Ergebnis folgt schon bald.

Nun bestand die Herausforderung darin, etwas Neues aus dem Hut zu zaubern. Das gelang geschwind mittels einer Technik, die mir in vielen Situationen gute Dienste leistet.

Nicht angestrengt über etwas grübeln, das produziert nur unnütze Stirnfalten. Stattdessen macht man sich noch einmal die Fragestellung bewusst und konfrontiert sich dann direkt und ohne nachzudenken mit dem Material, indem man das Gesuchte vermutet.

Die uns nicht bewusst werdende Arbeitsebene unseres Gehirns erledigt den Job für uns. Das läuft im Fall meiner noch nicht besprochenen Autofotos so: Ich lasse einfach die Augen über die Bildvorschau hunderter Kandidaten sausen, und meist findet sich mit dieser Methode das Gesuchte – oft etwas, das ich längst vergessen hatte.

Im heutigen Fall fanden sich gleich drei perfekt passende Aufnahmen, die genau die gesuchten Eigenschaften haben: Sie lassen etwas ahnen, geben aber nicht genügend preis, um mit Sicherheit sagen zu können, was genau darauf zu sehen ist.

Hier haben wir Nr. 1:

DUX (mutmaßlich), ca. 1910-12; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ist das denn kein NAG aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg?“ – Ja, das dachte ich beim Erwerb auch zuerst. Denn die Kühlergestaltung mit dem ovalen Innenbereich entspricht durchaus den Verhältnissen bei der bekannten Berliner Marke.

Doch zwei Dinge machen hier stutzig: das eine ist das trapezförmige Emblem oben auf dem Kühlergehäuse – das passt nicht zu NAG. Das andere ist der Schriftzug auf dem Kühlernetz selbst. Man sieht nur ein winziges Stück davon unterhalb des Scheinwerfers – aber ein „N“ ist da nicht zu sehen – eher ein Teil eines „D“, oder?

Jetzt kommt Nr. 2 ins Spiel, trotz ganz anderer Perspektive ein sehr ähnliches Fahrzeug:

DUX (mutmaßlich), ca. 1910-12; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sieht man einmal von dem etwas höheren Kühlwasserstutzen ab, sehe ich hier keine relevanten Unterschiede zu dem ersten Kandidaten.

Dafür meine ich nun auf dem Kühlernetz einen mit „x“ endenden Schriftzug zu erkennen. Der Buchstabe davor zeichnet sich weniger klar ab. Erst dachte ich, dass es ein „y“ sein könnte, dann hätten wir es mit der ebenfalls deutschen Marke Oryx zu tun.

Doch die markante Kühlerform findet sich meines Erachtens so an keinem Oryx (siehe meine Fotogalerie). Auch meine ich, die erwähnte Trapezform des Kühleremblems wiederzuerkennen.

Könnnten wir es mit Exemplaren der deutschen Marke „DUX“ zu tun haben, die von den Leipziger Polyphon-Werken gebaut wurden. Folgendes Dokument deutet daraufhin:

Dux 6/12 PS von 1909/10; Postkarte aus Sammlung von Robert Rozemann (Niederlande)

Dieser Dux von ca. 1908 weist die erwähnte NAG-ähnliche Kühlergestaltung auf und lässt keine Zweifel an seiner Identität, wenn auch hier der Markenname nicht kursiv gehalten ist.

Spätere DUX-Wagen (m.E. ab 1913/14) besaßen ein auffallendes Kühleremblem, das sich auf den heute gezeigten Wagen nicht findet (siehe Claus Wulffs fabelhafte Website).

An dieser Stelle hat Kandidat Nr. 3 seinen Auftritt – und zwar in Form dieses Konterfeis von ganz hervorragender Qualität:

DUX (mutmaßlich), ca. 1910-12; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ist dieses Zeitzeugnis nicht großartig? Weit über 100 Jahre trennen uns von der Szene und doch meinen wir, diese gerade selbst zu erleben.

Nach dem Gesagten werden Sie Ihre eigenen Schlüsse ziehen können was die Identität dieses Wagens angeht. Tatsächlich habe ich diese Aufnahme unabhängig von der ersten erworben, obwohl sie ausweislich des Kennzeichens denselben Wagen zeigt.

Dieses Foto könnte für sich selber stehen und eine ganz eigene Betrachtung rechtfertigen, wenn man nur genau wüsste, womit man es zu tun hat.

Ich bin mir in zwei Punkten sicher: Weder NAG noch Oryx kommen hier in Frage und der wahrscheinlichste Kandidat für mich ist auf allen drei heute neu vorgestellten Fotos DUX.

Das wäre doch mal ein hübsches Stück Mathematik: Dreimal X macht keineswegs nix, sondern addiert sich auf wunderbare Weise zu DUX.

So, jetzt sind Sie dran, liebe Leser. Lassen Sie mich wissen, was Sie hier sehen und lassen Sie sich nicht beeinflussen von dem, was ich erzähle, denn ich kann völlig danebenliegen…

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The Winner Takes It All: „Neues“ vom BMW 326

Der Blogwart steht womöglich bei einigen Mitlesern dieses automobilen Online-Tagebuchs im Ruf, einen elitären Musikgeschmack zu haben, mit dem er gern hausieren geht.

Das stimmt, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Nachdem er in der Werkstatt auf der Leiter turnend seine Malerarbeiten von amerikanischem Blues der 40er und 50er Jahre begleiten ließ – nebenbei eine endlos reizvolle Variation über das Thema des “ Verlassenwerdens und Verlassenwordenseins“ – läuft nun am Abend Beethovens letzte Klaviersonate Nr. 32.

Diese steht wie die von mir geschätzten Fugen und Kantaten von Bach im Ruf, schwere Kost zu sein – auch das stimmt, aber auch das ist nur eine Seite der Medaille.

Ausgerechnet Beethovens Nr. 32 bietet in der ewig langen Arietta immer wieder Passagen, in denen man meinen könnte, dass es sich um eine versonnene Improvisation eines Jazzers mit ausgeprägter Swing-Veranlagung handelt.

Ich erzähle das deshalb, weil für mich entscheidend ist, ob ein Musikstück handwerklich gut gemacht, intelligent strukturiert und auch nach dem hundertsten Mal noch ergreifend ist. Wie alt das Ganze ist, wie vermeintlich abgehoben oder wie populär – das ist mir völlig egal.

Zum Beweis bringe ich heute etwas, das dies in vielleicht überraschender Form illustrieren soll. Dazu müssen Sie sich nach längerer Pause allerdings erst auf den fatalsten Part der deutschen Geschichte einlassen – die Zeit des 2. Weltkriegs.

Ironischerweise stammen aus dieser Zeit jede Menge Autofotos, auf denen nur wenig auf die Zeitumstände hindeutet. Ganz gleich wie die Beteiligten zu der Sache standen, mussten sie ihr Leben bewältigen, gute Miene machen – ein Entkommen gab es ja nicht mehr.

Manch einer hatte etwas mehr Glück als andere und musste nicht als Frontsoldat dienen oder ausländische Arbeitssklaven beaufsichtigen wie etwa in den Frankfurter Adlerwerken – nebenbei ein verstörendes Beispiel dafür, dass die abartige Behandlung unterworfener Menschen nicht auf die Unglücklichen in den Todeslagern im Osten beschränkt war.

Einer der in dieser Zeit einigermaßen unbeschadet durchkam, soweit ich weiß, ist dieser freundliche junge Mann, der im Krieg als Fahrer eines hohen Wehrmachtsoffiziers (Generalmajor Dippolt) fungierte:

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Frank-Alexander Krämer)

Die Tarnblenden auf den serienmäßigen Scheinwerfern und der ergänzte „Notek“-Tarnscheinwerfer sind untrügliche Zeichen dafür, dass diese Aufnahme nach Beginn des 2. Weltkriegs entstanden sein muss.

Die Stander auf den Kotflügeln verwiesen auf die Funktion bzw. den Rang des Insassen, welcher den Wagen nutzte – im zivilen Betrieb waren sie verdeckt. Das war insbesondere dann der Fall, wenn der zuständige Fahrer „sein“ Auto privat nutzte, wie hier zu sehen.

Was der Anlass dafür war – Heimaturlaub oder eine heimatnahe Dienstfahrt, die man zu einem Besuch der Familie nutzte – das ist mir nicht bekannt. Wohl aber weiß ich, dass es sich um den Großvater von Frank-Alexander Krämer aus Landau in der Pfalz handelt.

Frank – seines Zeichens Archäologe und Mitinhaber einer Grabungsfirma – ist wie sein Großvater ein großer Autoenthusiast und seine diesbezüglichen Interessen (und Schrauberobjekte) reichen von der Vorkriegszeit bis in die 1960er Jahre.

Er hat mir neben der eingangs gezeigten Aufnahme auch das folgende schöne Foto zur Verfügung gestellt, das seine Großmutter zeigt – vermutlich am selben Tag:

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Frank-Alexander Krämer)

Diese sympathischen Zeugnisse sollen über nichts von dem hinwegtäuschen, was in jener Zeit in deutschem Namen und leider mit erheblicher Begeisterung vieler Beteiligter geschah.

Doch diese Bilder stehen in ihrer puren Menschlichkeit für sich und wie immer genießen die darauf abgebildeten Personen den „Benefit of the Doubt“ – für sie gilt also erst einmal die Unschuldsvermutung wie für uns selbst, wären wir damals an ihrer Stelle gewesen.

„Benefit of the Doubt“ wäre zwar ein perfekter Songtitel, aber ganz so weit sind wir noch nicht. Erst einmal müssen wir klären, dass der vom Militär beschlagnahmte Wagen, den Frank-Alexander Krämers Großvater steuerte, ein BMW des Typs 326 war.

Das war der ab 1936 gebaute optimierte 6-Zylinder BMW mit nun für einen Wagen dieses Kalibers adäquaten 50 PS aus 2 Litern Hubraum und Spitze 115 km/h. Bis 1941 blieb er im Programm, doch das Exemplar wurde ausweislich der zivilen Zulassung noch vor Kriegsbeginn gefertigt.

Hier sehen wir (rechts) ein letztes Mal den von Franks Großvater gesteuerten BMW irgendwo im Niemandsland am Ende des Winters:

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Frank-Alexander Krämer)

Franks Großvater wurde 1943 an der Ostfront verwundet, zerschossenes Knie, was ihm wohl das Leben rettete. Nach dem Krieg gründete er eine Fahrschule in Landau, der wer weiß wieviele Ortsansässige ihren Führerschein verdankten.

Doch was aus dem schönen BMW 326 Cabriolet wurde, für das er eine zeitlang verantwortlich war, das wissen wir nicht. In einem anderen Fall wissen wir allerdings sehr genau, was daraus wurde.

Und damit wären wir schon fast am Ende – des 2. Weltkriegs, als galt: „The Winner Takes it All“. Im Osten war das die Rote Armee, im Westen vor allem die US-Armee.

Zwei Angehörige der letztgenannten posieren hier mehr oder weniger lässig neben einem BMW 326, der kurz zuvor noch einem deutschen Zivilisten gehört hatte:

BMW 326 im Jahr 1945; Originalfoto: Sammlung Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf)

Dieses bemerkenswerte Foto, das kurz nach Kriegsende entstanden sein muss, hat mir mir in digitaler Kopie Leser und Oldtimer-Pionier Helmut Kasimirowicz zur Verfügung gestellt.

Die beiden herrlich unkorrekt zurechtgemachten GIs auf dieser Aufnahme hatten offenbar einen solchen BMW einkassiert, den ein unbekannter Besitzer aus Württemberg über den Krieg gerettet hatte.

Tja, am Ende gilt: „The Winner Takes it All“ – ob es einem gefällt oder nicht. Im vorliegenden Fall gefällt mir das Dokument ganz ausgezeichnet.

Dass der von den Nationalsozialisten entfachte Furor Teutonicus unter aberwitzigen Opfern letztlich auch auf deutscher Seite von den Alliierten beendet wurde, ist im Einzelfall erschütternd, war aber im Ganzen betrachtet notwendig.

Am Ende hilft nur eines: Sich mit „The Winner Takes It All“ anzufreunden. Das tun wir, indem wir nun noch ein wenig der leichten Muse frönen. Denn mit genau diesem Titel landete 1980 die schwedische Gruppe ABBA einen ihrer vielen legendären Hits.

Es mag Sie überraschen, aber ich fand es schon immer großartig, was die vier aus dem hohen Norden ablieferten – Musik, Text und Inszenierung waren immer von einer Perfektion, die bis heute ihresgleichen sucht.

Fast 5 Minuten Lyrik und persönliches Drama – das ist ein Beispiel für ein Können, das mich über alle Zeiten hinweg inspiriert…

Nachtrag vom 15.11.2025: Anni-Frid Lyngstad – für mich die Interessantere der beiden Abba-Frontfrauen – ist die Tochter eines deutschen Wehrmachtssoldaten und einer Norwegerin. Heute wird sie 80 Jahre alt. So vergeht die Zeit, doch die Magie von einst bleibt bestehen, nicht nur im Hinblick auf die automobile Welt von gestern…

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„Mehr Monarchie“-Wagen! Ein Chrysler von 1926/27

Ich war erst einige Monate alt, kann mich also nicht mehr daran erinnern, dennoch weiß ich, dass im Jahr 1969 die SPD-Bundesregierung unter Willy Brandt mit dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ in die neue Legislaturperiode startete.

Mit diesem Konzept und dem Personal von damals wäre der einst ehrwürdige Arbeiterverein heute wohl nicht da, wo er sich von den Zustimmungswerten in unseren Tagen befindet – aber lassen wir das.

Auch wenn ich der Ansicht bin, dass wir in existenziellen Fragen mehr (direkte) Demokratie brauchen, möchte ich die heutige Betrachtung unter das scheinbar abwegige Motto „Mehr Monarchie“-Wagen stellen.

Tatsächlich halte ich die Monarchie für eine großartige Sache – vorausgesetzt ihre Vertreter haben nur repräsentative Aufgaben und ansonsten nichts zu melden.

Als formal oberste (und teuerste) Angestellte des Staats wären die hohen Herrschaften strikt dazu verpflichtet, dem Volk gehobene Lebensart vorzuleben – also ein Vorbild in Sachen Stil und Umgangsformen zu sein – und gleichzeitig das niedere Bedürfnis der Masse nach Sensationen und Skandalen laufend zu bedienen.

Vorbildlich in beiderlei Hinsicht sind auf dem Sektor bekanntlich die Briten und daher gibt es auf der Insel keine ernsthaften Versuche, der zugkräftigen Show der Royals den Strom abzustellen.

Was läge näher, das auf deutsche Verhältnisse zu übertragen?

Immerhin gibt es Familienbande zwischen dem britischen Haus Windsor und den Bewohnern der Immobilie, welche auf dem folgenden Foto im Hintergrund zu sehen ist.

Chrysler „Four“ von 1926/27; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was sagen Sie? Kann man es wagen, sich ein perfekteres Autofoto vorzustellen? Ich meine hier ist alles auf’s Glücklichste versammelt:

Die uralte Niststätte der deutschen Monarchie in Form der Hohenzollernburg, dann ein Wagen aus den Vereinigten Staaten, ohne deren Kriegseintritt 1917 das erste demokratische Experiment in deutschen Landen wohl nicht zustandegekommen wäre, sowie sympathisch wirkende Monarchie-Touristen, die genau wissen, wie man sich in der Öffentlichkeit zur Freude der Mitmenschen präsentiert und selbst Spaß dabei hat.

Man stelle sich eine auf unsere Zeit übertragene Variante davor: eine Familienkutsche von Kia vor dem Sichtbeton des Kanzleramts und ein in buntem Funktionsfummel posierendes Paar mit schlecht gelaunt dreinschauender Tochter mit Piercing und orange gefärbten Haaren (wahlweise zu ersetzen durch Ihre private Horrorvorstellung).

Sie sehen, was ich meine, wenn ich die Variante „Mehr Monarchie“-Wagen bevorzuge…

Apropos Wagen: Von diesem durchaus repräsentativ wirkenden Modell – einem Chrysler „Four“ von 1926/27 – sind uns schon einige mit deutscher Zulassung begegnet. Bereits vor der großen 6-Zylinder-Offensive der US-Hersteller Ende der 1920er Jahre fanden amerikanische Vierzylinderwagen beachtlichen Absatz in Deutschland.

Die praktisch in beliebigen Stückzahlen herzustellenden US-Großserienmodelle mit solider Motorisierung und der am Heimatmarkt erforderlichen robusten Ausführung stießen in die Lücke, die sich zwischen der stetig wachsenden Nachfrage und der kaum steigerbaren Produktion der deutschen Manufakturhersteller auftat.

Zeitweise erreichte die Dominanz von US-Fabrikaten in der gehobenen Klasse in Deutschland an Monarchie grenzende Ausmaße.

Das im Raum Stuttgart zugelassene Exemplar auf dem heute präsentierten Foto war also keineswegs ein Exot auf deutschen Straßen. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen, wenn man die Markenauswahl bei „Oldtimer“-Veranstaltungen hierzulande in unseren Tagen Revue passieren lässt.

Die in den 1920er und noch frühen 1930er Jahren allgegegenwärtigen „Amerikanerwagen“ sind nahezu ganz verschwunden. Selbst die öfters anzutreffenden Ford Model A sind fast immer neuzeitliche Importe (häufig aus europäischen Ländern).

Nur im Osten der Republik haben einige der einst so gängigen US-Wagen überlebt – vielleicht weiß ja jemand sogar von einem solchen Chrysler „Four“, der noch existiert.

Jedenfalls werden Sie mir (hoffentlich) zustimmen, wenn ich (linguistisch etwas fragwürdig) sage: In der Form, wie ich sie auf dem heutigen Foto zeigen durfte, möchte man durchaus mehr „Monarchie“-Wagen…

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Das Leben offenbart sich im Kleinen: NAG-Protos 14/70 PS

Wer das auf Schlagzeilen und Bilder reduzierte Geschehen in der großen weiten Welt mit der Wirklichkeit verwechselt, verpasst das eigentliche Leben.

Dieses vollzieht sich nicht im Scheinwerferglanz auf internationalem Parkett, in abgeschirmten Kongressen selbsternannter Eliten oder in Inszenierungen vorgestriger, mit ihren Konsumenten alt und bedeutungslos werdender Traditionsmedien.

Das Leben ist das, was dem Einzelnen täglich widerfährt und das ist von seltenen Ausnahmen abgesehen das Geschehen vor Ort, im privaten Umfeld, auf der Arbeit – also in der Welt des Kleinen, letztlich dessen, aus dem sich das große Ganze zusammensetzt.

Wer wie ich auf dem Lande lebt, dem offenbart sich das Leben im Kleinen jeden Tag: das Herbstlaub, das die schmale Gasse hinauf in den Hof hineingeweht wird, der schwere Geruch der allmählich vergehenden Äpfel vom Nachbargrundstück, die Musik, die abends von ebendort herüberweht, wenn sich der Hausherr an den verstimmten alten Flügel setzt und ein wenig improvisiert.

Das Leben im Kleinen zeigt sich auch im allabendlichen Rascheln im Carport unter dem unter seiner Haube schlummernden Innocenti Mini Traveller. Ein Igel hat sich dort eingenistet und da er noch recht klein war, füttern wir ihn seit Herbstanfang, damit er genug Gewicht für den Winter ansetzt, der diesmal streng werden dürfte.

Die Freude am Detail, die Zuneigung zum Leben im Verborgenen, das Dasein im Kleinen – das ist etwas, was den Menschen von jeher auszeichnet. Die phänomenale Genauigkeit der frühesten Höhlenmalereien unserer altsteinzeitlichen Vorfahren zeugt ebenso davon wie das, was sich auf den Autofotos unserer Altvorderen offenbart.

Ein hübsches Beispiel dafür habe ich heute für Sie ausgewählt.

Doch zuvor eine Rückblende, um den rechten Vergleichsmaßstab zu haben. Hier haben wir ein Foto des beeindruckend dimensionierten NAG-Protos 14/70 PS von Ende der 1920er Jahre – dem Kennzeichen nach zu urteilen aufgenommen im Raum Hirschberg (Schlesien):

NAG-Protos Typ 14/70 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser 5 Meter messende Koloss mit 3,6 Liter Sechszylinder war eines der letzten Modelle der einst hochbedeutenden Berliner Automobilfirma NAG. Wie so oft, markiert das Wuchern ins Gigantische den bevorstehenden Niedergang.

Doch auch im Größenwahn finden sich noch sympathische Anzeichen der Liebe zum Detail – hier etwa in Form der Eichel nebst Eichenblatt auf dem Kühlergrill. Das war Ergebnis eines Versuchs am Ende der 1920er Jahre, deutsche Fabrikate (übrigens auch Zweiräder) als solche zu markieren – wobei die Herkunft doch offensichtlich war.

Ein weiteres Detail, auf das ich Ihren Blick lenken möchte – neben den in zwei Blöcken angeordneten horizontalen Luftschlitzen in der Motorhaube – sind die großen Chromradkappen. Alles weitere zum obigen Exemplar finden Sie hier.

Nun zum eigentlichen Gegenstand der heutigen Betrachtung. Ihn finden wir aus identischer Perspektive, doch in ganz anderem Umfeld aufgenommen auf dem folgenden Foto:

NAG-Protos Typ 14/70 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass wir es hier mit demselben Typ zu tun haben, liegt auf der Hand, nicht wahr?

Die Stuttgarter Zulassung würde ich noch nicht als wesentliche Abweichung im Detail werten – ebenso nicht die Abwesenheit von Radkappen.

Was uns letztlich dazu veranlasst, diesem weitgehend identischen NAG-Protos 14/70 PS besondere Aufmerksamkeit zu schenken, ist auch nicht das Emblem des DDAC, in dem sich ab 1933 nach dem Willen des totalitären NS-Regimes alle bis dato unabhängigen deutschen Autoclubs zusammenzufinden hatten.

Zentralisieren. Vereinheitlichen. Kontrollieren. Das sind Merkmale politischer Systeme, die Individualität, Wettbewerb, Eigeninitiative als Bedrohung empfinden. Man sollte nicht glauben, dass diese Tendenz nur den kollektivistischen Ideologien des 20. Jh. zueigen war.

Zum Glück können wir diesem unschönen Thema im vorliegenden Fall ausweichen. Denn im wahrhaft Kleinen offenbart sich auf dieser Aufnahme gleich in doppelter Hinsicht das Leben in seiner wunderbar naiven Ausprägung – in Form des Buben hinter der Windschutzscheibe und des Schoßhunds auf dem Kotflügel, der uns anschaut:

Der Wille zum Leben offenbart sich im Kleinen, im Individuum, das sich voller Selbstbewusstsein zeigt – das war eigentlich alles, was ich heute illustrieren wollte.

Den NAG-Protos 14/70 PS kennen Sie ja schon. Einem Original werden Sie jenseits alter Fotos wohl nicht mehr begegnen, aber auch deshalb treffen wir uns hier…

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Ziemlich alte Bekannte: Von Benz über Horch bis Mercedes

Die einst ruhmreichen deutschen Autoindustrie hat ziemlich Federn gelassen. Die wenigen verbliebenen Marken befinden sich in der Absatzkrise – teils wegen einseitiger Ausrichtung auf nicht massenmarktfähige Elektromodelle (noch dazu ohne eigene Wettbewerbsvorteile) , teils im Zuge des allgemeinen Niedergangs der Industrie hierzulande, deren Produktion entgegen dem internationalen Trend seit etlichen Jahren rückläufig ist.

Neben einer ausufernden Staatsquote (>50 % vs. 35 % in der Schweiz) ist es vor allem die irrationale Energiepolitik, welche der Industrie hierzulande immer stärker die Grundlage entzieht. Die Reaktion darauf sind Standortschließungen und Verlagerungen ins Ausland.

Ein Kurswechsel ist nicht annähernd in Sicht, von der aus meiner Sicht dringend gebotenen Kettensäge ganz zu schweigen. Da es deprimierend ist zuzuschauen, wie ein Land vor die Hunde geht, zumal das offenbar mehrheitsfähig ist, hilft nur der Blick zurück in eine Zeit, die in vielerlei Hinsicht ihre Schattenseiten hatte – aber in einem grandios war, nämlich in punkto automobiler Vielfalt und Größe.

Zur Illustration möchte ich heute diese Aufnahme aus deutschen Landen vorstellen, die frühestens 1930 entstanden sein kann:

Horch, Mercedes und Benz-Automobile; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Versammelt sind hier Vertreter der Marken, die einst das A und O des Serien-Automobilbaus in Deutschland markierten, so lässt sich mit einer gewissen Berechtigung sagen, wenngleich Nischenhersteller wie etwa Audi, Stoewer, Röhr und Maybach ähnliche Niveaus erreichten.

Am Anfang steht natürlich Benz, das Fabrikat welches am Anfang des Verbrennerautos stand, nicht zuletzt dank der Tat von Bertha Benz, die das ewige Tüfteln ihres Gatten satt hatte und der zeitlos zutreffenden Meinung war, dass ein innovatives Produkt kein Selbstzweck ist, sondern auf den Markt gehört. Eine realistische Frau, die ihre Mitgift im ziellosen Tun des Gatten dahinschmelzen sah.

Kommt Ihnen nun das Exemplar der Marke links auf diesem Bildausschnitt bekannt vor?

Ich hoffe doch, denn denselben Wagen hatte ich kürzlich hier bereits als Benz der frühen 1920er Jahre identifiziert, bevor ich das heute präsentierte Foto erwarb – ein merkwürdiger Zufall wie so vieles, das einem im Leben widerfährt.

Aus dieser Perspektive bin ich mir erst recht sicher, was die Markenidentität angeht, wenngleich das Benz-Emblem auch hier nicht klar lesbar ist.

Den Wagen in der Mitte – ein Horch ab 1930 – kommentieren wir noch später. Nur auf den enormen Unterschied in der Größe der Räder und speziell der Reifen möchte ich hinweisen. Hier sehen wir, was sich von Anfang der 1920er Jahre bis etwa 1930 getan hatte.

Die einstigen Ballonreifen, die bei Niederdruck erheblichen Komfort boten, aber auch eine wenig präzise Straßenlage mit sich brachten, waren kleineren Reifen gewichen. Denn inzwischen waren die Fahrwerke verbessert worden und mit geringerem Reifenquerschnitt bei höherem Druck hatte der Fahrer ein besseres Gefühl dafür, wie der Wagen auf der Straße lag.

Ganz rechts schließlich sehen wir, was aus dem Benz nach dem Zusammenschluss mit Daimler anno 1926 wurde – ein Mercedes-Benz mit ganz ähnlicher Proportion, aber dem nun gängigeren Flachkühler.

Doch wollen wir Daimler nicht einfach anhand dieses etwas brav wirkenden Gewächses abhandeln. Immerhin hatte der Hersteller 1902 mit seinem Modell „Mercedes“ einst den Auftakt zum eigentlich modernen Automobil gegeben, nachdem französische Hersteller das Auto vom Kuriosum zum alltagstauglichen Fahrzeug entwickelt hatten.

Nein, der Ruhm von Mercedes lässt sich doch weit besser anhand der beeindruckenden Limousine des 80 PS starken Typ „Nürburg“ (ab 1928) illustrieren, die wir hier auf der rechten Seite sehen:

Dieses Gerät war zum Aufnahmezeitpunkt zwar stilistisch nicht mehr auf der Höhe, stellte aber mit seiner enormen Präsenz selbst den Horch links daneben in den Schatten. Selbiger war ebenfalls ein Vertreter der luxuriösen 8-Zylinder-Fraktion, der wie der Mercedes mit 80 PS aufwartete, aber eine ganz neue Fahrzeuggeneration repräsentierte.

Der üppige Chromschmuck und die schrägstehende Frontscheibe stand in starkem Kontrast zu Strenge der 1920er Jahre – dabei lagen bloß zwei, drei Jahre zwischen den beiden Wagen.

Horch war damals neben Daimler der einzige deutsche Hersteller in der Luxusklasse, der größere Serien zustandebrachte – dabei rangierten die Sachsen dank ihrer frühzeitigen Offensive im 8-Zylindersegment sogar über den meist konservativen Stuttgartern.

Mit der Pracht und Größe dieser Schöpfungen aus den Häusern Horch und Daimler lässt sich heute nichts mehr vergleichen. Kurioserweise verschlief Audi die Gelegenheit, die einstige Schwestermarke Horch mit einem Produkt der absoluten Spitzenklasse zu ehren.

Stattdessen fabrizierte man eine Weile ohne großen Erfolg den kurios benamten „Phaeton“ – ein Oberklassefahrzeug ausgerechnet auf Volkswagen-Basis, das kaum noch einer mehr kennt. Auch Daimler griff mit seiner S-Klassen-Karikatur „Maybach“ gründlich daneben.

Man könnte meinen: Die Uhr ist auch in der Oberklasse abgelaufen für die deutsche Autoindustrie. Die Zukunft wird ohnehin in Asien definiert, wo der größte Teil der Menschheit lebt. Dort nabelt man sich gerade vom als arrogant und zunehmend inkompetenten wahrgenommenen Westen ab und ist wie einst Japan längst über das Stadium des Studierens und Kopierens hinaus. Selbst Porsche ist dort inzwischen abgemeldet.

Ob im Jahr 2125 ein Wiedergänger meinerselbst noch mit derselben Faszination auf die deutschen Autos der Gegenwart zurückschauen wird, wie wir heute auf von Benz über Horch bis Mercedes, das darf bezweifelt werden…

So lassen wir es für heute beim Studium und stillen Genuss dieser einstigen Kronen automobiler Schöpfung in Deutschland. Die Begegnung mit ziemlich alten Bekannten ist ohnehin irgendwann mit das Beste, was einem passieren kann.

Zum Glück gibt es noch jede Menge davon mit vier Rädern – weniger in natura, aber dafür auf alten Fotos. Mögen auch die Lichter im deutschen Autosektor der Gegenwart allmählich schwächer brennen und irgendwann ganz ausgehen – das großartige Material in Sachen Vorkriegsautos geht mir ganz gewiss nicht aus.

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Endlich Mantelwetter! 1929er Cadillac vor Burg Drachenfels

Wunderlich sind die Wege, die das Dasein nimmt – die besten Dinge darin geschehen ungeplant, meine ich. Das gilt im Großen, also im Maßstab 1:1, wie auch im Kleinen, also im Fotoformat von anno dazumal, in dem sich die Welt von gestern in Teilen erhalten hat.

Nur ausnahmsweise wähle ich für meinen Blog ein altes Autofoto bewusst aus – das ist eigentlich nur bei meinen regelmäßigen Formaten wie dem Fund des Monats der Fall.

Ansonsten lasse ich mich spontan von dem Material inspirieren, das in der digitalen Wiedervorlage schlummert oder noch im analogen Original ungeordnet auf dem Schreibtisch herumliegt und von meiner Katze Ellie als Unterlage geschätzt wird.

Oder es gibt einen äußeren Anlass in Form eines Erlebnisses im Alltag, einer Tagesparole irgendwelcher Welterklärer, Volkserzieher und Gesellschaftsklempner oder einfach dem, was sich im Postfach findet.

Letzteres war heute der Fall. So titelte der Herrenmode-Katalog von „Mey & Edlich“ autoritär: „Endlich Mantelwetter!“. Meine Beziehung zur Traditionsfirma Mey & Edlich ist die, dass ich in grauer Vorzeit in deren Dependance im Steinweg in Frankfurt am Main ein- und auszugehen pflegte, um dort Krawatten und Hemden zu kaufen.

Das war während des Abschnitts meiner Berufslaufbahn, den ich im Finanzsektor der Mainmetropole verbrachte – eine Zeit, die heute unendlich weit entfernt scheint.

Den Herrenausstatter Mey & Edlich im Frankfurter Steinweg gibt es schon lange nicht mehr, doch der Firmenname Mey & Edlich besteht bis heute fort, bloß wird er längst von einem Modeversand genutzt, dessen Angebot kaum etwas mit dem von einst zu tun hat. Nur aus heraus werfe ich den Katalog nicht gleich fort, wenngleich ich selten etwas darin finde.

Die Männermode von heute sagt mir nichts, ich bleibe im Äußeren den Klassikern treu, wenn ich aus meinem ländlichen Idyll herauskomme und nicht nur zum Baumarkt fahre.

Auch deshalb liebe ich die Autoaufnahmen der Vorkriegszeit, als nicht nur die Wagen ganz anderen Gestaltungsgesetzen unterlagen, sondern auch in der Öffentlichkeit ein aufwendiger und für das Selbstbild wichtiger Kleidungsstil gepflegt wurde.

Nachdem die Macher von Mey & Edlich „Mantelwetter“ angeordnet hatten und sich der November präzise daran hält, was Temperaturen und Luftfeuchte angeht, dachte ich spontan, dass sich etwas dazu passendes finden lassen muss.

Und genau so verfiel ich darauf, endlich diese hübsche Aufnahme zu zeigen:

Cadillac von 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Lachen Sie nicht – so steht Mann halt da, wenn man Knickerbocker mit Kniestrümpfen trägt und darüber einen Mantel in adäquater Länge.

Die Damen wissen natürlich auch heute, dass man an den Unterschenkeln selten friert, aber für die Buben ist’s eher ungewöhlich, dass man in der Öffentlichkeit die bestrumpften Waderln herzeigt – wobei ich das entschieden jeder kurzen Hose vorziehe.

Sehenswertes Männergebein ist ja abseits antiker Skulpturen, Wettkampfschwimmern und Rennradlern in aller Regel nicht anzutreffen, also findet dieser Herr mit seiner Wahl meine unbedingte Zustimmung.

Selbiges gilt auch für den Wagen, vor dem er sich hat ablichten lassen – offenbar ein Cadillac des Modelljahrs 1929. Die auf zwei Drittel der Motorhaube beschränkten Luftschlitze in Verbindung mit den Werkzeugfächern in der Schwellerpartie sind typisch.

Die sächsische Firma Horch hat diesen Stil bis auf besagte Fächer beim Achtzylindertyp 375 recht genau kopiert, allerdings geadelt mit prächtigen Radkappen und mit Kühlerfigur.

Für ein Luxusautomobil kam der Cadillac äußerlich beinahe konventionell daher – man mied gestalterische Extravaganzen und verließ sich auf die Anziehungskaft des bärenstarken V8 mit 5,6 Litern Hubraum und 90 PS sowie die exklusive Innenausstattung.

Angesichts des kaum nachstehenden Angebots von Horch fanden sich nur wenige deutsch Käufer des US-„Originals“ – doch hier haben wir immerhin ein Exemplar davon.

Nachdem wir das mit der Mantelzeit und die Identität des Wagens geklärt hätten, gibt eine Sache noch Rätsel auf. Auf der Rückseite des Fotos ist vermerkt „1934, Burg Drachenfels“.

Die einzige Burg Drachenfels, die ich kenne, befindet sich im Siebengebirge im Mittelrheintal. Ich habe einige Zeit mit dem Versuch zugebracht, die Ansicht der Burg auf unserem Cadillac-Foto mit dem heutigen Erscheinungsbild der Burg Drachenfels zur Deckung zu bringen – doch ohne Erfolg.

In dieser Hinsicht setze ich auf die Ortskenntnis von Ihnen, liebe Leser. Denn nicht nur kann es sein, dass ich es bloß nicht hinbekommen habe, sondern möglich ist auch, dass wir es mit einer fehlerhaften Beschriftung zu tun haben – was bei privaten Fotos öfters vorkommt.

Vielleicht kennt aber auch jemand eine andere Burg Drachenfels, die weniger geläufig ist – denn die Botanik in deutschen Landen steht ja voll mit diesen Hinterlassenschaften des Mittelalters, und nicht jede davon hat es ins breite Bewusstsein geschafft.

Dann wäre ja die fragwürdige heutige Jubelparole „Endlich Mantelwetter“ letztlich doch für etwas mehr gut als „nur“ einen 1929er Cadillac vor schaurig-schöner November-Kulisse…

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Elitärer Einstieg inklusive: Dürkopp P8 Sport-Tourer

Ein Blog ist nicht darauf angelegt, dass der Verfasser darin spezielle Wünsche von Lesern berücksichtigt. Doch jüngstes Feedback eines Users – so die einst fachchinesische, heute gängige Formulierung für „Leserkommentar“ – veranlasst mich ausnahmsweise dazu.

Kurioserweise passt der thematisierte Aspekt ausgezeichnet zu dem, was ich mir ohnehin bereits ausgedacht hatte. Einen „exklusiven“ Einstieg ins Wochenende hatte ich vorgesehen – dabei bleibt es auch, bloß mit einem kleiner Anpassung des „Wording“.

Aus „exklusiv“ wird „elitär“ – sonst ändert sich nix so sehr. Denn ob exklusiv oder elitär, die ganze Veranstaltung hier ist schon aufgrund des Themas eine ebensolche.

Hier begegnen einem nicht nur automobile Zeugen der Vorkriegszeit, auch am einschlägigen Vokabular von damals kommt man schwerlich vorbei. Es begegnen einem Begriffe, die sonst kein Mensch im Alltag verwendet:

Ob Windlauf, Kühlermaske oder Scheinwerferstange, ob Tulpenkarosserie, Landaulet oder Business Coupe, ob Seitenventiler, Getriebebremse oder Bergstütze – ständig wird man mit Neuem konfrontiert, das doch uralt ist.

Das kann man sich ebenso nebenbei aneignen, wie man das selbstverständlich mit anderem Vokabular macht – ob notwendig oder nicht.

Bei Konsumgütern geht das bemerkenswert leicht von der Hand. Unsere Eltern konnten mit Begriffen wie Laptop, Smartphone oder 2-Faktor-Authentifizierung nichts anfangen. Heute wirft jeder lässig damit um sich, geht selbstverständlich „online“, verschiebt „Spam“-Nachrichten in den Papierkorb, erstellt „Prompts“ in einer KI usw.

Was ich sagen will: Sprache entwickelt sich laufend weiter und wir müssen zusehen, dass wir damit Schritt halten. Das ist Alltag und oft bemerkt man kaum, wie sich das vollzieht.

Meist ist das von purer Bequemlichkeit getrieben. Denn fast immer handelt es sich um aus dem Englischen bzw. Amerikanischen entlehnte Termini, die schwer zu (üb)ersetzen sind. Mitunter gibt es deutsche Entsprechungen, aber sie sind selten so knapp und eingängig.

Diese englischen Einsprengsel in unserer Sprache erfüllen denselben Zweck wie früher die dem Lateinischen und Griechischen entlehnten Begriffe. Auch dort gibt es eingängigeres und weniger eingängigeres Vokabular. Mit einer „Renovierung“ kommt jeder früher oder später in Berührung – bei einer „Restaurierung“ sieht das schon anders aus. Das wird einem erst zugemutet, wenn man sich auf die elitäre Beschäftigung mit Antiquitäten einlässt – in der Alltagswirklichkeit der meisten kommt wo etwas nicht vor..

So ist es kaum zu vermeiden, dass man bei der Auseinandersetzung damit ein weites sprachliches Spektrum verwendet. Dabei kann es auch vorkommen, dass man in ironischer Absicht und unbeabsichtigt entlegen erscheinende Vokabeln verwendet.

Man mag eine Sprache, die einem bisweilen Rätsel aufgibt, als „elitär“ empfinden, doch das ist auch der Fall, wenn man einem Kunstexperten lauscht, der einen Vortrag über – sagen wir: – Pointillismus hält. Aber nur so lernt man hinzu.

Ich meine auch, dass sich die Qualität, mit der sich auseinanderzusetzen lohnt, zwangsläufig in elitären Gefilden findet. Der Begriff ist für mich grundsätzlich positiv belegt, unterstellend, dass mit Elite tatsächlich eine Bestenauswahl verbunden ist.

Ob das in unseren Tagen in allen Bereichen – Wirtschaft, Politik, Kunst, Garten- und Landschaftsbau durchweg gegeben ist, sei dahingestellt. Ich meine nur, dass wahre Qualität immer eine exklusive Angelegenheit ist.

Wer in meinem Blog mitliest, ist eingeladen, sich auf Dinge einzulassen, die ihm neu sind – ganz gleich, wie alt sie erscheinen. Der exklusive Einstieg in die Welt der Eliten von einst ist hier inklusive – also nehmen wir das Angebot dieser Dame an und steigen ein!

Na, werden Sie hier für den elend langen Vorspann ausreichend kompensiert?

Besser als das Ergebnis nach der Lektüre eines ellenlangen Auto-Bordbuchs unserer Tage voller kryptischem Vokabular ist das allemal, meine ich.

Tatsächlich ist der Einstieg in die Wunderwelt des Vorkriegsautomobils nicht ganz so einfach, wie es hier erscheint.

Es sind bei näherem Hinsehen in Wahrheit doch einige reale Hürden zu nehmen, doch gerade das macht den Reiz der Sache aus:

Dürkopp Typ P8; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Diese Aufnahme aus Deutschland von Anfang der 1920er Jahre verdanke ich kurioserweise einem Australier – Jason Palmer.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass man seinen Horizont gar nicht weit genug fassen kann, auch wenn es dabei bisweilen einiger Anstrengung bedarf und sei es nur, dass man Sprachbarrieren durch Übung und immer wieder Übung überwindet.

Belohnt wird man durch so exklusive – von mir aus auch elitäre – Erlebnisse wie die Begegnung mit diesem Sport-Tourer des Typs P8 aus dem deutschen Hause Dürkopp.

Diese Wagen wurden ohne sonderliches Profitinteresse neben dem banalen Hauptgeschäft des Herstellers – Schreibmaschinen und Fahrräder – gefertigt.

Sie waren wunderbares Ergebnis ausgesprochen elitärer Betätigung und gaben ihren Besitzern einst Gelegenheit, sich auf sympathische Weise einem exklusiven Publikum zu präsentieren. Letzteres sind heute Sie, liebe Leser, und ich kann Sie nur ermuntern, Ihre elitären Neigungen weiterzuverfolgen – es lohnt sich.

Denn der Dürkopp P8 auf dem Foto von Jason Palmer ist uns hier schon einmal begegnet:

Dürkopp Typ P8; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

In diesem Sinne wünsche ich einen möglichst exklusiven Einstieg ins Wochenende!

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Hatte Pech, doch fuhr’er: Ein Puch-Tourer von 1913/14

Am Ende des Arbeitstags wartet auf viele nach kurzer Exegese des Weltgeschehens in den Nachrichten bestenfalls noch seichte Unterhaltung in der Flimmerkiste.

Zumindest letzteres können Sie auch hier bekommen, zwar nicht im bewegten bunten Bild, doch in Form erbaulicher Eindrücke in Schwarz-Weiß.

Hier befassen wir uns anhand des Vorkriegsautomobils oberflächlich mit Daseinsfragen, machen uns lustig über Konterfeis von Zeitgenossen, die sich nicht mehr wehren können, geben uns der Verehrung mancher Diva hin, die sich einst kunstvoll vor dem Wagen präsentierte, nutzen die Gelegenheit zu Scherzen, entkleiden vermeintliche Auto-ritäten…

Sie sehen – ich bin heute abend nicht auf ernsthafte Betrachtungen aus. Die Hauptarbeit ist erledigt, mit dem kalauernden Titel bin ich zufrieden, der Rest ist gepflegte Routine.

Zur beschwingten inneren Verfassung trägt Georg Philipps Telemanns Trompetenkonzert in D-Dur bei, vorgetragen von der Academy of Ancient Music unter Leitung von Christopher Hogwood – allesamt Bewohner meines privaten Olymps, seit ich vor über 40 Jahren die klassische Musik und Hifi-Technik für mich entdeckt habe.

Etwas Nachhilfe in der Richtung bekam ich von meiner Mutter – die ehrwürdige Augustinerschule in Friedberg/Hessen war auch diesbezüglich ein Ausfall (ich kann mich nur an den Karl-Marx-Bart des Musiklehrers erinnern) – doch die eigentliche Entdeckungsarbeit muss man im Leben schon selbst leisten.

Niemand hat mir je nahegelegt, mich mit der Welt des Vorkriegsautomobils auseinanderzusetzen – den Zugang zu ihr habe ich selbst gefunden.

Und so bin ich ich heute bar jedes akademischen Expertentums imstande, einen solchen auf den ersten Blick beliebig wirkenden Tourer ziemlich präzise anzusprechen:

Puch Tourenwagen von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Wichtigste zuerst: In diesen Fotozeugnissen von einst begegnen wir uns selbst, denn mehr als solche Bilddokumente werden von uns über kurz oder lang nicht übrigbleiben. Das ist ein heilsamer Gedanke für alle die, welche meinen, sich für Firma, Volk und Vaterland oder sonst einen außer ihnen selbst liegenden Zweck meinen aufopfern zu müssen.

Der Einzelne ist in einer Milliardenpopulation völlig irrelevant und genau darin liegt seine persönliche Freiheit und seine Würde, nur für beides sollte er sich unbedingt einsetzen.

Freiheit und Würde – das scheint mir zumindest oberflächlich auch in diesem schönen Foto aufzuscheinen. Und das, obwohl hier einiges Pech im Spiel war.

Nicht nur war der Originalabzug in stark angegriffenem Zustand, ich konnte nur ansatzweise seine ursprüngliche Qualität wiederherstellen. Hinzu kam auch, dass der abgebildete Wagen schon zum Aufnahmezeitpunkt einige Blessuren aufwies, etwa in Form einer großen Delle am hinteren Kotflügel.

Dergleichen sieht man auf zeitgenössischen Fotos von Vorkriegsautos so oft, dass man vermuten darf: Es war den Besitzern gleichgültig, wieder etwas, von dem sich lernen lässt.

Sie sehen spätestens jetzt, was mich zu dem fragwürdigen Titel inspirierte: „Hatte Pech, doch fuhr’er – ein Puch Tourer…“

Dass wir hier tatsächlich einen Puch aus dem schönen, doch von historischem Pech verfolgten Österreich vor uns haben, das verrät vor allem das Kühleremblem, welches dem auf der folgenden Aufnahme gleicht:

Puch Tourenwagen von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese starke Aufnahme habe ich vor Jahren schon einmal vorgestellt und Sie werden den zugehörigen Blog-Eintrag sicher finden, wenn Sie mögen, denn die Marke Puch gehörte bisher zu den eher seltenen Gästen.

Ebenso sicher werden Sie bemerken, dass sich die Kühlergestaltung der beiden Puch-Wagen im oberen Teil unterscheidet.

Ich dachte zunächst, dass dies auf eine unterschiedliche Entstehungszeit hindeutet. So hätte ich den eingangs gezeigten Tourer etwas früher (ca. 1912) datiert. Doch die Einführung von Drahtspeichenrädern bei Puch fand laut Literatur erst 1913 statt, ebenso findet sich das Kühleremblem so erst 1913/14.

Mag sein, dass die schwächeren Puch-Modelle einen etwas anders gestalteten Kühler aufwiesen – dann käme hier der Typ 10/30 PS in Frage. Dazu würden auch die leichten Vorderkotflügel passen, die man an stärkeren Modellen nicht findet.

Zwei Dinge sind aber stets gefährlich: 1. sich von Bildern beeinflussen zu lassen und 2. zu glauben, was Autoritäten selbstbewusst verlauten lassen.

Die Bildevidenz in Sachen Puch-Automobilen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist auch im Standardwerk „Puch Automobile 1900-1990“ von Friedrich Ehm ziemlich dünn, zudem spiegelt das Buch den Stand von vor über 35 Jahren wieder.

Denkbar ist auch, dass an Puch-Automobilen schon früher als 1913 auf Kundenwunsch Drahtspeichenräder verbaut wurden und es wäre nicht das erste Mal, dass ein später eingeführtes Kühleremblem nachträglich angebracht worden wäre.

In dem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die heute „neu“ vorgestellte Aufnahme um 1920 entstand – darauf deutet die Kleidung der Damen in dem Puch hin. Gleichzeitig verraten die Scheinwerferhalter, dass dieses Fahrzeug ursprünglich noch Gasbeleuchtung besaß und mithin vor Ende des 1. Weltkriegs entstanden war.

Was soll man angesichts so vieler Defekte und Unklarheiten am Ende dazu sagen? Nun, ganz einfach: „Trotz allem Pech fuhr’er: der Puch-Tour-er“.

In diesem Sinne nehmen wir die Dinge, wie sie sind: unvollkommen, meist nicht wirklich wichtig, aber im besten Falle dies: unterhaltsam und mitunter ein wenig lehrreich.

Mit gelassener Heiterkeit und gesundem Halbwissen lässt sich das geheimnisvolle Abenteuer des Daseins schon irgendwie bestreiten, meine ich…

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Für mich „der“ Favorit: Adler Standard 6 Cabriolet

In der Überschrift der heutigen Betrachtung verbirgt sich ein tieferer Sinn, speziell für die Freunde der Marke Adler aus Frankfurt am Main. Aber keine Sorge – tiefsinnig wird es heute deshalb jedoch nicht.

Im Gegenteil bleiben wir schön oberflächlich – und wer hätte schon etwas gegen schöne Oberfläche, speziell wenn die inneren Werte gesichert rechtschaffen sind. Dass sich unter dem äußeren Erscheinungsbild eines Adler „Standard 6“ stets ehrliche Qualität verbarg, das war bei diesem Hersteller nämlich so selbstverständlich, dass nicht viel dazu zu sagen ist.

Das galt auch für das vierzylindrige Schwestermodell „Favorit“, das ein Jahr nach dem 1927 eingeführten „Standard 6“ debütierte. Bei Gelegenheit will ich wieder einige Fotos dieses Modells zeigen, das meist als Limousine mit Ganzstahlaufbau von Ambi-Budd gefahren wurde.

Diesmal beschränke ich mich aber aus einem speziellen Grund auf das 2-Fenster Cabrio, von dem wir gleich eine frühe Reklame sehen. Vielleicht nie wieder hat ein deutsches Auto so perfekt amerikanisch ausgesehen wir hier:

Adler „Favorit“-Reklame von 1928/29; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die frühen Exemplare des Favorit hatten mit dem stärkeren Standard 6 die in zwei Gruppen angeordneten horizontalen Haubenschlitze ebenso gemeinsam wie das ins Kühlernetz hineinragende dreieckige „Adler“-Emblem.

Äußerlich waren die beiden Modelle aber an der unterschiedlichen Zahl der Radbolzen zu unterscheiden. Das änderte sich im Zuge der Modellpflege ab 1930.

So wanderte das Adler-Emblem nach oben, die markanten horizontalen Luftschlitze in der Motorhaube wichen traditionellen senkrechten und die Zahl der Radbolzen wurde auf fünf vereinheitlicht.

Genau diese Details lassen sich bei diesem Zweifenster-Cabriolet studieren, das auf einem Foto aus der Sammlung von Thomas Ulrich (Berlin) festgehalten ist:

Adler „Favorit“ oder Standard 6, 2-Fenster-Cabriolet (Karosserie: Weinsberg), Baujahr: 1930/31; Originalfoto: Archiv Thomas Ulrich

Ob das nun ein „Favorit“ oder Standard 6 war – das lässt sich nicht genau sagen.

Man kann allerdings annehmen, dass Besitzer, die sich statt der Großserienkarosserie einen traditionellen Manufakturbau in Holz-Blech-Ausführung gönnten, eher zum besser motorisierten Sechszylinder mit 50 PS griffen.

Das ist aber für die heutige Betrachtung einerlei, denn was ich Ihnen heute präsentiere, bleibt auch dann (m)ein Favorit, wenn es sich um einen Standard 6 handelte.

Diese „Logik“ geht folgendermaßen: Das obige Zweifenster-Cabrio hat sich schon ein ganzes Stück von den US-Vorbildern wegbewegt, die sich noch in der eingangs gezeigten frühen Cabrio-Reklame widerspiegeln.

Während man sich mit der geschwungenen „Bauchlinie“ etwas traute, verließ die Gestalter bei der Frontscheibe wieder der Mut – sie stellt sich wie eh und je störrisch dem Wind entgegen.

Dass auf Adler-Basis zur selben Zeit entschieden elegantere Cabrios entstanden, das belegt folgende Aufnahme, wenngleich hier eine vierfenstrige Ausführung zu sehen ist.

Adler „Favorit“ oder Standard 6, Vierfenster-Cabriolet, Baujahr: 1930/31; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Hier ist die Windschutzscheibe niedriger und schräggestellt, was sich im hinteren Haubenabschluss fortsetzt. Dadurch entsteht der Eindruck einer längeren Frontpartie, hier glaubt man gern, dass sich ein Sechszylinder darunter verbirgt, obwohl das nicht garantiert ist.

Diese Frage ist – wie gesagt – auch zweitrangig, denn heute geht es um den Beweis, dass ein solches Adler-Cabriolet ab 1930 auch dann (m)ein Favorit sein kann, wenn es sich eigentlich um einen Standard 6 handelt.

Das nötige Anschauungsmaterial finden wir auf dieser prächtigen Szene, die ich irgendwo in Nordhessen, eventuell auch Thüringen verorten worden – das Fachwerk kommt mir jedenfalls sehr vertraut vor:

Adler „Favorit“ oder Standard 6, Zweifenster-Cabriolet, Baujahr: 1930/31; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns den Adler näher ansehen, möchte ich den Blick auf die Schönheit dieser Fachwerkidylle lenken.

Offenbar ist die Aufnahme am Ortsrand auf einer Brücke über einen Bach entstanden, der sich rechts fortsetzt. Links sehen wir freilaufende Hühner – Sprossenfenster und Fensterläden vervollkommen den Anblick eines solchen dörflichen Anwesens.

Während man in England sicher sein darf, dass es in einem solchen Dorf heute noch genauso aussieht – und das nicht etwa weil die Leute arm wären – ist hier im Hessischen nach dem Krieg viel Originalsubstanz der Dummheit der Besitzer zum Opfer gefallen.

Jede Nachkriegsgeneration hat eine neue Lage an „modernen“ Materialien verbaut – erst Eternitplatten, dann Fliesen und zuletzt hat man die Holzkonstruktionen verputzt oder gar unter Dämmstoffen verborgen – was über kurz das Raumklima und über lang das Holz ruiniert.

Ich weiß, wovon ich rede, ich wohne selbst in so einem Haus und sehe jedes Jahr das Zerstörungswerk in der Nachbarschaft voranschreiten.

Genug davon, nehmen wir nun das 2-Fenster-Cabriolet von Adler in den Blick, das hier so trefflich festgehalten ist:

Die prächtige Kühlerfigur lässt keinen Zweifel an der Marke aufkommen. Erstaunlich jedoch, wie vollkommen anders dieser Adler nun wirkt.

Hier stimmt mit einem Male alles: Das Auto vereint die besten Elemente der beiden zuvor gezeigten Ausführungen, wirkt aber besser ausbalanciert – weil es sich um eine Zweifensterversion handelt, welcher die voluminöse Heckpartie der vierfenstrigen Ausführung fehlt.

Hier kommt auch das Zusammenspiel der vielen geschwungenen Linien zur Geltung, die dem Karosseriekörper Spannung und eine gewisse Leichtigkeit verleihen. Mit dem 2-Fenster-Cabrio auf der Reklame von 1928/29 hat dieser Wagen nichts mehr gemein – außer der Zahl von fünf Radbolzen. Wir sehen hier eine eigene Linie im deutschen Karosseriebau entstehen, die ihre Vervollkommnung in den nächsten Jahren erfuhr.

Jetzt wissen Sie, was ich mit (m)einem Favorit meinte, der vielleicht ein „Standard 6“ war – aber in diesem Fall so offenkundig perfekter Oberflächlichkeit sind mir die inneren Werte ausnahmsweise vollkommen schnuppe…

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Fund des Monats: Ein Gräf & Stift SR3 der „Holzklasse“

Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich meine, mit Holzklasse bezeichnete man in grauer Vorzeit die dritte Klasse der Eisenbahn, weil die hölzernen Sitzbänke dort keine Polsterung besaßen.

Das war für die dort versammelten Passagiere umso bedauerlicher, als sie in der Regel über kein üppiges Polster am verlängerten Rücken verfügt haben dürften, wie das bei den Angehörigen der höheren Klassen ernährungsbedingt des öfteren der Fall war.

Doch darf man nicht reflexartig die Maßstäbe von heute anlegen und im Fall der Holzklasse gleich himmelschreiende Ungerechtigkeit vermuten.

Denn so wie das erste eigene Automobil mit zwei Zylindern und ohne Heizung damals ein unerhörter Luxus für die Besitzer war, der ihnen eine bis dato undenkbare Reisefreiheit erlaubte, so war der einfachste Eisenbahnwaggon ein kolossaler Fortschritt gegenüber den Verhältnissen, denen der Normalsterbliche über Jahrtausende ausgesetzt war.

Halten wir also fest: Gegen die Holzklasse ist nichts einzuwenden, speziell nicht in Verbindung mit der sprichwörtlichen Verlässlichkeit der Bahn von gestern…

Der Verbindung aus Holz und Klasse lassen sich aber noch ganz andere Seiten abgewinnen – etwa in der Seitenansicht dieses Automobils von Klasse, an dem sich der eigentliche Charme des Einsatzes von Holz sichtbar entfaltet:

Gräf & Stift Typ SR3; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auch wenn ich Ihnen diese Aufnahme heute als Fund des Monats nahebringe, liegt sie mir schon lange vor – Leser Matthias Schmidt hat sie mir vor Jahren in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt.

So schlummerte sie bereits eine Weile weitgehend unbemerkt in meiner leider überschaubaren Gräf&Stift-Galerie. Von dort fand sie aber immerhin den Weg in die „Coachbuild“-Online-Enzyklopädie, konkret unter dem Namen des Karosseriebauers Armbruster aus Wien.

Dieses Traditionshaus, das schon vor dem 1. Weltkrieg zu den führenden Östereichs zählte, ist jedenfalls als Erbauer der Karosserie des abgebildeten Gräf & Stift überliefert – und als Aufnahmeort Reichenberg in Böhmen (heute: Liberec in Tschechien).

Die Ansprache als Typ SR3 stammt von mir – es kommt angesichts der Dimensionen der Motorhaube auch wenig anderes in Betracht als das 1924 eingeführte Spitzenmodell von Gräf & Stift mit seinem mächtigen 7,8 Liter-Sechszylindermotor:

Das Fehlen von Vorderradbremsen spricht dafür, dass wir es mit einem Exemplar aus dem ersten Produktionsjahr zu tun haben. Wie bei anderen Herstellern im deutschsprachigen Raum auch, dürfte zwar 1924 bereits eine Vierradbremse auf Wunsch verfügbar gewesen sein – als Branchenstandard taucht sie aber erst 1925 auf.

Immerhin war der markentypische Löwe als Kühlerfigur serienmäßig, denn die Firmenplakette ist auf alten Fotos von Gräf & Stift-Wagen mit solchen Spitzkühler nur selten im Detail erkennbar. Die Gestaltung des Kühlers und der Haubenschlitze ist aber ebenfalls hinreichend spezifisch, sodass an der Marke kein Zweifel besteht.

Ein unscheinbares Detail sei bei der Gelegenheit noch erwähnt: die schmale Stoßstange, ein nachträglich montiertes Zubehörteil. Werksseitige und dann auch effektvoll gestaltete Stoßstangen sollten erst die US-Hersteller ab Mitte der 1920er Jahre anbieten.

Was ist aber nun mit der versprochenen Verbindung aus Holz und Klasse? Nun, bei den Manufakturautos jener Zeit war ja eher die Verbindung aus Holz und Metall gängig – fast immer waren die Blechteile des Aufbaus auf einem Holzrahmen angebracht.

Im Fall „unseres“ Gräf & Stift kam Holz jedoch nicht nur unsichtbar als Träger zum Einsatz, sondern wurde bewusst in die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes einbezogen – nämlich in Form feiner Planken nach Bootsbauermanier:

So ganz begeistert bin ich nicht von dieser automobilen Luxusvariante der guten alten Holzklasse, aber das mag auch daran liegen, dass der Effekt auf einem Schwarz-Weiß-Foto kaum zum Tragen kommt.

Der Reiz ist ja der, dass die mehrfach lackierten Holzplanken ihre Maserung als lebendiges Element einbringen, das mit dem Gleichmaß des toten Blechs kontrastiert. Dahinter mag man tiefenpsychologisch den Wunsch des Städters nach einem Stück Natur in seiner künstlichen Lebensumfeld vermuten – aber vielleicht war es auch nur eine Mode, wenngleich eine an uralte Instinkt anknüpfende.

Der moderne Mensch ist ja überhaupt in vielem noch seinen Vorfahren ähnlich, die sich schon mit der Höhlenmalerei ein Stück lebendiger Natur ins „Haus“ zu holen versuchten. Und Edelholz am Armaturenbrett ist bis in unsere Tage durchaus begehrt – erst kürzlich sah ich ein spektakuläres Beispiel an einem aktuellen Aston-Martin.

Wer täglich draußen ist und sich Bau- oder Feuerholz selbst zurechtmacht, der hat freilich weniger das Bedürfnis, sich mit dem Material auch noch im Auto zu umgeben.

Der Wunsch nach der geglückten Verbindung von Holz und Klasse scheint einst und heute eher eines derer zu sein, die im großbürgerlichen Dasein die „Holzklasse“ der einfachen Leute hinter sich gelassen haben und nun vielleicht einen sympathischen Drang zurück zu den Wurzeln unseres Herkommens verspüren…

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