Nichts gegen Nadelstreifen! Ein 1929er DeSoto im Schnee

Wer schon länger in deutschen Landen residiert, kennt die sprichwörtlichen „Nieten in Nadelstreifen“ – großspurig auftretende Manager, die durch krasse Fehlentscheidungen von sich reden machen. Es gab Anfang der 1990er Jahre sogar ein Buch mit dem Titel.

Ich konnte der Tatbestandsbeschreibung nie viel abgewinnen – aber nicht, weil ein Nadelstreifenanzug über Jahre zu meiner beruflichen Uniform gehörte und ich nie ein grundsätzliches Problem mit Leuten hatte, die sich eine Krawatte binden können.

MIch lehrte die Lebenserfahrung, dass es Versager, Blender und sogar Kriminelle in allen Berufständen gibt – bei Ärzten, Bankern, Gewerkschaftlern, Lehrern, Pfarrern, Autohändlern oder Malermeistern.

Nur einen Berufstand – oder sollte ich sagen: eine Klasse? – will ich ausnehmen: vom Volk gewählte Politiker. Diese hegen durchweg edle Absichten, sind selbstlos und machen alles richtig – sonst wären sie ja nicht an der Macht oder blieben nicht lange an derselben.

Ich hoffe, mich hier korrekt ausgedrückt zu haben, denn ich stehe nur ungern früh auf.

Nun zum eigentlichen Thema – am Ende werden Sie übrigens zumindest einem speziellen Nadelstreifenträger mit Sympathie begegnen. Hier begegnet er uns das erste Mal:

DeSoto von 1929; Originalfoto Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme entstand offenbar unweit des Millstättersees im österreichischen Kärnten – darauf lässt das Schild im Hintergrund schließen.

Sicher verbindet der eine oder andere Leser etwas mit der Region, mir dagegen war die Gegend unbekannt. Aber was lernt man nicht alles beim Studium von Vorkriegsfotos auf alten Fotos – und deshalb versammeln wir uns hier ja auch beinahe täglich, nicht wahr?

Also: Der Herr im Nadelstreifenanzug rechts sowie die Dame in der Mitte und der Knickerbockerträger links scheuen sich nicht, ihr feines Schuhwerk dem Schneematsch auszusetzen. Das tun sie sicher nicht aus Vergnügen.

Meine Vermutung ist die, dass die beiden Herren die mit feinem Profil ausgestatteten Räder behelfsmäßig gegen eine Rutschpartie zu sichern versuchen – wohl mit Abschnitten eines Seils. An gängige Schneeketten hatten die Herrschaften (m/w/d) wohl nicht gedacht.

Dennoch verbietet sich hier das Votum „Nieten in Nadelstreifen“ ganz klar – denn wer selbst nicht nur von der Teppichetage aus abstrakte Arbeitsanweisungen geben kann, sondern auch selbst Hand anzulegen weiß, wenn Not am Mann ist, der verdient unsere Sympathie.

Hier haben wir unseren Nadelstreifler mit einem Mal in gebückter Position und im gemeinsamen Einsatz mit weiteren Ortskräften (kleiner Scherz) und diese Aufnahme sieht nicht gestellt aus. Der Mann wusste wirklich anzupacken:

DeSoto von 1929; Originalfoto Sammlung Michael Schlenger

Wir sehen, was passiert ist: Die paar Seile an den Rädern haben nicht viel geholfen – oder zumindest nicht verhindert, dass der Wagen – eine große Sechsfenster-Limousine – von der Fahrbahn in den Straßengraben gerutscht ist.

Kenner der Materie werden sofort erkennen, dass das Auto aus München stammte.

Sicher ist es unangebracht, den Bayern eine generelle Distanz zum Automobil zuzuschreiben. Mir ist nur aufgefallen, dass zur genialsten Erfindung vor dem Personal Computer und dem Internet die Bajuwaren vor dem Krieg fast nichts beigetragen haben.

Selbst BMW musste das Handwerk bekanntlich mit Hilfe der „Dixi“-Leute im thüringischen Eisenach lernen. Aber lassen wir das und gehen der Frage nach, was das für ein Wagen war, der hier mit Vertretern der Münchener Schickeria auf Abwege gekommen war.

Gewohnheitsmäßige Konsumenten meines Blogs werden nun lässig aus der Hüfte schießen: „Irgendein Ami-Importwagen von Ende der 1920er Jahre.“ – Treffer!

Auch wenn alle deutschen Hersteller – mit Ausnahme von Daimler-Benz – dem dominierenden US-Stil jener Zeit nacheiferten, traf ihn keiner 100%ig und das war wohl auch die Absicht. Optischen Plagiaten sehr nahe kamen teilweise Opel und zeitweilig Horch.

Ein US-Fabrikat der 1920er Jahre lässt sich immer als solches erkennen, das ist auch hier der Fall. Vielleicht erinnern Sie sich an meinen Blog-Eintrag vom Sommer 2024, in dem ich dieses schöne Foto mit nachdenklichen Bezügen zur Gegenwart verband:

DeSoto Roadster, Modelljahr 1929/30; Originalfoto: Schenkung von Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf)

Auch wenn wir es hier mit einem leichten Aufbau als Zweisitzer-Cabriolet (nach US-Diktion „Roadster“) zu tun haben, stimmt doch die Kühler- und Haubenpartie überein.

In beiden Fällen handelte es sich um einen DeSoto des Modelljahrs 1929/30. Nach US-Maßstäben war das ein bodenständiger Wagen der unteren Mittelklasse, ausgestattet mit 55 PS leistendem Sechszylindermotor.

Die Marke war überhaupt erst 1929 vom Chrysler-Konzern geschaffen worden und es beeindruckt, wie schnell man dieses völlig neue Fahrzeug auch am deutschen Markt verkaufen konnte. Für mich ein neueliches Indiz für die enorme Angebotslücke heimischer Hersteller, die von Importeuren aus den USA, Italien und Frankreich gefüllt wurde.

Die einmalige logistische Kompetenz der amerikanischen Industrie änderte aber nichts daran, dass auch ein DeSoto bei winterlichen Verhältnissen besondere Fahrkompetenz verlangte.

Sofern es daran im vorliegenden Fall gemangelt haben mag, erweist sich der am Desaster beteiligte oder gar schuldige Nadelstreifenträger aber immerhin als fähig, den Kahn in gemeinsamer Anstrengung wieder auf Kurs zu bringen.

Solches beherztes Handeln wünscht sich in unseren Tagen auch mancher von den Industriekapitänen hierzulande. Dazu muss aber erst an ganz anderer Stelle das Ruder herumgeworfen werden. Ob das geschieht, bleibt freilich abzuwarten…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ken aus Kansas – Fahrt ins Ungewisse: DeSoto von 1929

Eigentlich ist die letzte Folge der Beckmann-Spurensuche fällig, welche ich gemeinsam mit Christian Börner seit letztem Jahr in monatlicher Folge unternehme.

Doch zum einen fehlte mir die Zeit zur Aufbereitung des Materials – und es soll ja auch ein würdiger Abschluss sein. Zum anderen hat mich den heutigen Tag über etwas anderes bewegt.

Schuld daran ist ein Leser und geschätzter Oldtimer-Kamerad. Er schrieb morgens auf Facebook, das heute vor genau 80 Jahren sein Vater bei den Kämpfen nach der alliierten Landung in der Normandie in Gefangenschaft geriet. Erst 1946 kehrte er nach Deutschland zurück – unterdessen mussten sich Frau und Kinder alleine durchschlagen.

Doch bei alledem hat er viel Glück gehabt. Ganz anders war das Schicksal so vieler anderer in den letzten beiden Kriegsjahren. So weiß ich, dass der Vater einer Leserin während der Abwehrkämpfe in Frankreich umkam – sie hat ihn nie kennengelernt.

Das sind nur zwei zufällige Beispiele unter wahrscheinlich zahllosen alleine in meiner Leserschaft – von Kalifornien bis nach Sibirien hinein, von Norwegen bis hinunter nach Sizilien sind sich die Familien noch heute der Opfer ihrer Vorfahren im Weltkrieg bewusst.

Das sollte uns Mahnung sein, uns nicht leichtfertig in kriegerische Auseinandersetzungen hineinziehen zu lassen – vor allem nicht von Wehrdienstverweigerern und Kinderlosen, wie sie sich in auffallender Zahl an den Schaltstellen der Macht hierzulande finden und selbst nicht von den Folgen ihres Tuns betroffen wären.

Mir fiel unvermittelt ein Foto ein, das mir kürzlich der eingangs genannte Leser vermacht hat. Der Wagen darauf war schnell identifiziert, doch es war der Bub auf dem Kotflügel, der mich ins Grübeln brachte. Er stammte aus dem US-Bundesstaat Kansas und ich nenne ihn der Einfachheit halber Ken – ein Allerweltsname:

DeSoto von 1929/30; Orignalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Eltern des kleinen Ken fuhren offenbar einen hübschen DeSoto Roadster des Modelljahrs 1929/30. Das war ein solider, wenn auch unspektakulärer Mittelklassewagen aus dem Chrysler-Konzern mit 55 PS starkem Sechszylinder und Hydraulikbremsen.

Was damals in Deutschland der schiere Luxus war, war in den Staaten ohne weiteres der breiten Mittelschicht zugänglich. Der kleine Ken hatte also gute Chancen auf einen gelungenen Start ins Leben und mit seiner Latzhose und den Lederstiefelchen wirkt er schon fast wie ein typischer Farmbesitzer im Kleinformat.

Gleichwohl markiert diese schöne Aufnahme den Beginn einer Fahrt ins Ungewisse.

Denn angenommen, der kleine Ken war zum Zeitpunkt der Aufnahme (1930, siehe Nummernschild) vier Jahre alt, dann gehörte er mit 18 zur Generation der jungen US-Soldaten, die anno 1944 in der Normandie und anderswo ins Feuer geschickt wurden, um zusammen mit Briten, Australiern und Kanadiern sowie den Russen den halb Europa verheerenden deutschen Militärapparat niederzukämpfen.

Ungeachtet der Tatsache, dass sich die wenigsten auf deutscher Seite ihre Rolle ausgesucht hatten, war es ein notwendiges Übel – so schwer es fällt, das angesichts eigener Opfer in der Familie oder auch alliierter Kriegsverbrechen anzuerkennen.

Der kleine Ken aus Kansas, der einst ahnungslos auf dem leicht eingedellten DeSoto seiner Eltern thronte, steht damit stellvertretend und ohne jede Wertung für alle die seiner Generation, welche vor 80 Jahren einem ungewissen Schicksal entgegensahen…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Neu entdeckt: DeSoto „Series SC Six“ von 1932

Zur Beschäftigung mit Vorkriegsautos gehört die Entdeckerfreude, zu der es bei jüngeren Fahrzeugen nur noch selten Anlass gibt.

Das liegt schon an der ungeheuren Anzahl der Hersteller und Modelle, um die es geht: Allein in den USA zählt man über 5.000 Fabrikate – wobei die meisten rasch eingegangen sind, teilweise nur einen Prototypen gebaut oder nur einen Prospekt gedruckt haben.

Dennoch geht selbst die Zahl der Autobauer, die einst zumindest eine Weile am Markt aktiv waren, weltweit in die Tausende.

Die Größenordnung der beteiligten Erfinder und Unternehmer ist ein wesentlicher Faktor bei dem rasanten Entwicklungstempo in der automobilen Frühzeit. Fünf Jahre entsprachen bis in die 1930er Jahre einer ganzen Autogeneration.

Vorzüglich illustrieren lässt sich dies anhand eines Beispielfotos, das mir Leser Klaas Dierks schon vor längerem zugesandt hat, das ich aber erst kürzlich neu entdeckt habe. Es zeigt einen Wagen, der vor gut 90 Jahren entstand – anno 1932.

Was sehen Sie vor dem geistigen Auge, wenn Sie sich ein Automobil jener Zeit vorstellen? Ich meine damit keine bestimmte Marke oder ein spezielles Modell, sondern allgemein das Erscheinungsbild. Vielleicht etwas in dieser Art?

DeSoto Series CF Eight von 1930/31; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Klar, so sieht ein typischer „Oldtimer“ aus, würden die meisten Zeitgenossen wohl sagen. Vielleicht würden sie dabei auf die späten 1920er Jahre tippen, was stilistisch auch passt.

Tatsächlich war diese repräsentative Limousine mit sechs Seitenfenstern erst 1929 entwickelt worden – für eine im selben Jahr neu geschaffene Marke des amerikanischen Chrysler-Konzerns.

Für deren Namen hatte man in den Marketing-Etagen in Detroit einen spanischen Eroberer neu entdeckt: „Hernan DeSoto“, mit dem man in den Staaten vermutlich nicht mehr verband als die Entdeckung des Mississippi.

In den politisch hyperkorrekten Zeiten von heute wäre das ein absolutes Unding – das wäre so, als ob man ein Lastenrad nach Francisco Pizarro benamte, weil es halt exotisch klingt.

Der „DeSoto“ dagegen schlug ein am Markt wie – ja wie ein Eroberer! Bis dato war es keiner neuen Automarke in den USA gelungen, im ersten Jahr über 80.000 Autos abzusetzen. Soviel zum Thema Dynamik in der damaligen Autoindustrie.

Allerdings muss ich zugeben, dass ich DeSoto nach Vorstellung des einst in Hessen zugelassenen Achtzylinder-Wagens der Marke ein wenig aus den Augen verloren habe. Nur sporadisch werden Sie in meinem Blog Spuren davon finden.

Dieser Tage jedoch habe ich DeSoto neu entdeckt – kurioserweise bei der Recherche nach einem mutmaßlich belgischen Automobil aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg.

Beim Durchblättern des Standardwerks „Le Grand Livre de l’Automobile Belge“ von Kupélian/Sirtaine begegnete mir ein Fahrzeug, das mich spontan an dasjenige auf diesem Foto von Leser Klaas Dierks erinnerte:

DeSoto Series SC Six; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Was meinen Sie, von wann dieses Auto stammt? Mitte bis Ende der 1930er Jahre?

Leider daneben. Dieser DeSoto entstand praktisch direkt nach dem konservativ daherkommenden Achtzylinder-Wagen auf dem eingangs gezeigten Foto.

1932 brachte man ein neues Modell heraus, das zwar „nur“ einen Sechszylinder besaß, der aber mit nunmehr 75 PS stärker war als der Achtzylinder. Äußerlich das hervorstechendste Merkmal war freilich der Rundkühler, der bis Ende der 1930er Jahre modern bleiben sollte.

Diesen hatte man sich laut Literatur beim legendären Miller-Rennwagen der 1920er Jahre abgeschaut – einem in den USA enorm erfolgreichen Monoposto. Im alten Europa findet sich eine sehr ähnliche Kühlergestaltung bei der belgischen Marke PM im Jahr 1925.

Das erklärt, weshalb ich bei meiner Recherche nach einem belgischen Fabrikat nebenbei den DeSoto neu entdeckt hatte – die Abbildung des PM erinnerte mich daran.

Zu dem DeSoto auf dem Foto von Klaas Dierks ist noch zu sagen, dass dieser das Modelljahr 1932 repräsentiert:

Schon im Jahr darauf gab es nicht nur äußerlich Änderungen gegenüber dem 1932 eingeführten Modell , auch unter der Haube sollte sich noch einiges tun: Der Motor leistete nun über 90 PS aus 3,6 Litern Hubraum. Der Achtzylinder war zwischenzeitlich eingestellt worden.

Erwähnenswert sind des weiteren das vollsynchronisierte Getriebe mit geräuscharmen schrägverzahnten Zahnrädern, die Startautomatik sowie optionale Heizung und Radio.

Hydraulische Bremsen und ebensolche Stoßdämpfer, gummigelagerter Motor und Ganzstahlkarosserie rundeten das Bild eines zeitgemäßen US-Wagens ab. Leider liegt mir bislang noch kein Foto der Version von 1933 vor.

Vielleicht geht ja nochmals jemand seinen Fotofundus durch, sodass auch die überarbeitete Fassung dieses bemerkenswerte Fahrzeug hier „neu entdeckt“ werden kann!

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Hier stimmt doch etwas nicht: Ein 1937er „DeSoto“

„Hier stimmt doch etwas nicht“ – das ist der Wahlspruch aller Skeptiker, die dem schönen Schein und selbst dem geschriebenen Wort nicht trauen.

Mit kritischem Blick und eigenem Urteil liegt man oft genug richtig – nicht nur bei den Biografien deutscher Politiker, unter denen sich immer mehr Berufslose, Studienversager, Promotionsvortäuscher und Kompetenzsimulanten zu tummeln scheinen.

Dass etwas mit dem scheinbaren Format nicht stimmt, trifft auch auf manches historische Vehikel zu, welches sich bei näherer Betrachtung als Mogelpackung erweist.

Auf folgendem Foto deutet auf den ersten Blick alles auf eine Herkunft aus dem Kölner Fordwerk hin – doch hinter der Fassade des fröhlichen Rheinländers verbirgt sich ein schlichter Charakter:

Ford „Taunus“ auf VW Kübelwagen-Chassis; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Hier stimmt doch etwas nicht“ – sagt der kritische Betrachter, der sich von der zeitgemäß wirkenden Oberfläche mit internationalem Touch nicht blenden lässt.

Dieser vermeintliche Ford-Buckeltaunus rollte nämlich einst auf der Ruine eines Wehrmachts-Kübelwagens. Jemand hatte das Chassis, welches sonst niemand mehr wollte, nach 1945 mit einem zeitgemäß wirkenden Aufbau versehen.

In diesem Fall von „Mehr Schein als Sein“ verweist die nachträglich angesetzte Ansaughutze am Hinterteil auf einen Heckmotor und die volkswagentypischen Felgen bestätigen die Resteverwertung aus Heeresbestand.

Anerkennung verdient freilich die Kreativität, mit der diese an sich unmögliche Kombination kurz nach Kriegsende zum Leben erweckt wurde und einen dankbaren Abnehmer fand.

Einige Jahre früher anzusiedeln ist eine andere Aufnahme, die ich erst kürzlich für sehr kleines Geld erwarb, da hiermit wohl die wenigsten Sammler etwas anfangen können:

DeSoto Exportversion von 1937; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ich bin mir sicher, dass auch abgebrühte Vorkriegs-Enthusiasten keine Vorstellung davon haben, was für ein Wagen hier abgelichtet ist. Insofern ist der skeptische Blick des Sanitätsunteroffiziers der deutschen Luftwaffe neben dem Auto geradezu symptomatisch.

Sicher werden die meisten noch auf ein US-Modell tippen, das den deutschen Streitkräften im Zuge des Westfeldzugs ab 1940 in die Hände gefallen war und welches dem eigenen Kraftfahrzeugpark einverleibt wurde.

Bestätigt wird dies ja auch durch den Schriftzug der amerikanischen Marke „DeSoto“, der sich gleich zweimal am Vorderwagen findet – einmal vertikal zwischen den beiden Hälften des Kühlergrills und einmal horizontal auf den seitlichen Luftschlitzen.

„Hier stimmt doch etwas nicht“, stellt man jedoch alsbald fest, wenn man nach einem entsprechenden Wagen dieser Marke aus dem Chrysler-Konzern sucht.

Keiner der im Netz oder in der Literatur abgebildeten DeSoto-Typen der 1930er Jahre scheint einen solchen, sich über die volle Höhe des Vorderwagens erstreckenden und oben abgerundeten Kühler aufzuweisen.

Der Skeptiker und Selberdenker wird jedoch irgendwann für seine Zweifel belohnt, nämlich dann, wenn er die eigentliche Substanz dessen erfasst, was ihm als Blendwerk vorkommt.

Im vorliegenden Fall haben wir es nämlich mit einer speziellen Exportversion für Europa zu tun, die im Modelljahr 1937 vom Chrysler-Konzern unter der gehobenen Marke DeSoto hergestellt wurde, hinter der sich aber im wesentlichen ein braver Plymouth verbarg.

Dieser DeSoto SP „Six“ verfügte über den seitengesteuerten 3,3 Liter-Motor des Plymouth P3 bzw. P4, welcher rund 80 PS leistete. Interessant an dem Modell sind neuartige Sicherheitselemente für die Passgiere sowie das erstmalig verbaute Ganzstahldach.

Was mag unser Luftwaffensoldat einst von diesem Beutefahrzeug gehalten haben? Sein Blick ist jedenfalls skeptisch:

„Tolles Auto, das ich jetzt für den Staffelführer in Schuss halten darf. Aber hier stimmt doch etwas nicht – wie können die dekadenten Amerikaner bloß soviele hervorragende Wagen bauen und auch noch haufenweise für den Export nach Europa übrighaben?“

Tatsächlich entstanden 1937 „nur“ rund 75.000 DeSotos, aber die Schwesterfirma Plymouth brachte es im selben Jahr auf eine halbe Million PKW. Die seinerzeit einzigartige Leistungsfähigkeit der US-Industrie sollte wenige Jahre später kriegsentscheidend sein.

Dass das einst – je nach Perspektive – weltweit geachtete oder gefürchtete Deutschland seinen Zenit längst überschritten hat, das wird dem skeptischen Zeitgenossen auch in unseren Tagen an mehreren Fronten vor Augen geführt.

„Hier stimmt doch etwas nicht“, mag man denken, was Anspruch und Wirklichkeit im „reichen Deutschland“ angeht, ob Bildungswesen, Infrastruktur, Vermögen der Bürger, innere Sicherheit oder – ganz aktuell – Krisenbewältigungskompetenz…

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Flensburger DeSoto von 1929/30 am Ostseestrand

Was haben der spanische Eroberer Hernando de Soto und die Verkehrssünderdatei des deutschen Kraftfahrtbundesamts gemeinsam?

Zwar liegen über 400 Jahre und tausende Kilometer zwischen den beiden. Doch auf einem über 80 Jahre alten Foto finden beide zusammen. Das ist das Thema des heutigen Eintrags in diesem Blog für Vorkriegsautos.

Spektakuläre Fahrzeuge wird es dabei nicht zu sehen geben, aber überraschende Einblicke in die vielfältige Autolandschaft im Deutschland der 1930er Jahre.

Dabei werden speziell die Freunde historischer Automobilfotos im hohen Norden unseres Landes auf ihre Kosten kommen. Am Ende ist für sie vielleicht der Aufnahmeort reizvoller als der Wagen, der dort einst unterwegs war.

Fangen wir ganz klein an – mit einer Ausschnittsvergrößerung aus einer großzügig bemessenen Panoramaaufnahme:

DeSoto Six von 1929/30; Ausschnitt eines Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Näher rangehen können wir leider nicht – mehr gibt die Auflösung des alten Abzugs nicht her. Wir werden noch sehen warum – an der Aufnahmetechnik lag es nicht.

Der Vorkriegsautokenner wird hier auf ein US-Modell der späten 1920er Jahre tippen – die breite Spur und die Doppelstoßstange sprechen dafür.

Der wenig eigenständig wirkende Wagen wäre ein schwieriger bis unlösbarer Fall, würde man nicht einen geschwungenen Schriftzug auf dem Kühlergrill erkennen. Ein großes „D“ und ein großes „S“ sind dort zu sehen, gefolgt von nur wenigen Buchstaben.

Damit wären wir beim Nachnamen des eingangs erwähnten Konquistadoren – De Soto – der zu den übelsten Protagonisten der spanischen Kolonialgeschichte gehört.

Weil er bei einem Feldzug 1541 durch die späteren Südstaaten der USA nebenbei den Mississippi entdeckte, war sein Name dort einst positiv behaftet. Jedenfalls schuf der Chrysler-Konzern 1929 die nach ihm benannte neue Marke DeSoto.

Während Hernando De Sotos Expeditionen katastrophal endeten, gelang Chrysler mit den nach ihm benannten Wagen ein Coup: Bis dato konnte keine neue Marke im ersten Jahr mehr Fahrzeuge absetzen – über 81.000 DeSotos wurden 1929 verkauft.   

Chrysler hatte bei der neuen Konzernmarke alles richtig gemacht: Ein gummigelagerter 6-Zylinder mit 55 PS und hydraulische Vierradbremsen, robuste Verarbeitung und ein günstiger Preis – das überzeugte die Käufer auf Anhieb.

Auch in Deutschland fanden sich seinerzeit offenbar Käufer für diesen US-Wagen. Ein solcher DeSoto Six von 1929/30 (die Wagen der beiden Modelljahre glichen sich äußerlich weitgehend) hielt nämlich einst spätnachmittags am Ostseestrand:

Den langen Schatten nach zu urteilen, wird dieses malerische Foto am späten Nachmittag oder Abend (je nach Jahreszeit) entstanden sein. Auf der Rückseite des Abzugs findet sich eine Beschriftung von alter Hand: „bei Flensburg“.

Dazu passt das Kennzeichen „IP 35692“ des Wagens perfekt. Der genaue Aufnahmeort ist zwar nicht auf dem Abzug vermerkt, lässt sich aber mit einiger Wahrscheinlichkeit eingrenzen:

  • Den Schatten nach ist die Wasserseite dem Osten oder Nordosten zugewandt.
  • Die Küstenlinie vollzieht einen weiten Bogen gen Norden.
  • Bewaldete Partien und Felder oder Wiesen wechseln sich ab.
  • Nur abschnittsweise ist Sandstrand vorhanden.

Genau diese Situation findet sich an der Flensburger Förde in der Nähe des Ortes Steinberghaff. Von dort geht derselbe Blick in Richtung Geltinger Birk.

Vielleicht kann ein ortskundiger Leser diese Lokalisierung bestätigen oder auch korrigieren. Schön, wenn sich dann noch jemand fände, der das Foto mit einem Vorkriegsauto wiederholt – es muss ja kein De Soto Six sein.

Ob sich der Herr, der hier auf einem Kahn am Strand sitzend in die Ferne schaut, das einst hat träumen lassen, dass er nach 80 Jahren soviel Aufmerksamkeit erfährt?

Wir wissen nicht, ob es sich um einen der Insassen des Wagens handelt, wahrscheinlich ist es aber schon.

Diese Aufnahme ist jedenfalls einst sorgfältig komponiert worden und bezieht einen alten Baum, das Auto und den einsam am Strand Sitzenden bewusst ein. Möglich, dass ein Spaziergänger mit Kamera die Situation malerisch fand und sie für uns festhielt

Hier haben wir zum Abschluss die Orignalaufnahme in voller Pracht:

De Soto Six; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Amerikaner in Hessen: DeSoto „Eight“ von 1930

Amis in Hessen  – da denkt der eingeborene oder auch vor längerem zugereiste Landsmann zuerst an Soldaten der US-Besatzungsmacht, die über 50 Jahre lang in Orten wie Hanau, Friedberg oder Butzbach präsent waren.

Nebenbei: Die Standorte der US-Kasernen in Hessen fielen in den meisten Fällen mit einstigen römischen Militärstützpunkten zusammen – die strategische Bedeutung eines Orts bleibt oft über Jahrtausende dieselbe.

Die US-Militärs sind längst wieder aus Hessen abgezogen. Doch in Straßennamen und neu besiedelten „Housing Areas“ sind sie nach wie vor präsent – so wie heute etliche Verkehrsverbindungen in der Region noch römischen Straßen folgen.

Der Heimatort des Verfassers – Bad Nauheim – ist ein Beispiel dafür, dass die US-Soldaten in der Wetterau unvergessen sind, zumindest einer davon: Elvis Presley, der seinen Wehrdienst einst in Friedberg ableistete und in der benachbarten Kurstadt Bad Nauheim residierte, und zwar hier.

Genug davon, dieser Oldtimerblog befasst sich ja mit Vorkriegsautomobilen. Davon waren aber einst etliche hierzulande ebenfalls amerikanischer Herkunft, z.B. dieser:

DeSoto „Eight“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein Foto von beachtlicher Qualität. Hier stimmen nicht nur die technischen Dimensionen wie Belichtung, Tiefenschärfe und Kontrast.

Es ist zugleich eine Aufnahme, die zum Nachdenken anregt. Das geringere Problem stellt das eindrucksvolle Automobil dar, eine Sechsfensterlimousine der 1929 gegründeten Chrysler-Tochter „DeSoto“.

Zwei Fragen wirft dieses Foto auf: Wann genau entstand dieses Modell und – weit schwieriger – worin liest der auf dem Trittbrett sitzende Chauffeur?

Der Schriftzug auf dem Kühlergrill verrät, dass wir es mit einem der 1930 erstmals vorgestellten 8-Zylindertypen der Marke zu tun haben. 70 PS leistete der konventionelle Reihenmotor bei 3.400 Umdrehungen pro Minute.

Der DeSoto „Eight“ galt damals als billigster Achtzylinderwagen in den USA. Rund 20.000 Exemplare wurden davon 1930/31 produziert, knapp die Hälfte entfiel auf die Limousine, die wir auf unserem Foto sehen.

Ein umwerfender Erfolg war der DeSoto „Eight“ nach US-Maßstäben nicht, doch am europäischen Markt bot das Modell die Möglichkeit, sich mit dem repräsentativ wirkenden und gut ausgestatteten Wagen abzuheben.

Details wie Drahtspeichenräder und hydraulische Stoßdämpfer ließen erkennen, dass man es mit einem hochwertigen Automobil zu tun hatte.

Wieviel davon wohl einst nach Deutschland gelangten? Mehr als einige Dutzend werden es kaum gewesen sein. Man begegnet auf historischen Fotos nur äußerst selten einem Vorkriegs-DeSoto mit deutscher Zulassung. 

Unklar ist wie gesagt auch, in welche Lektüre der auf dem Trittbrett sitzende junge Mann vertieft ist:

Das Betriebshandbuch des Wagens wird es wohl kaum gewesen sein. Denn den DeSoto wird unser „Trittbrettfahrer“ wie aus seiner Westentasche gekannt haben, wenn man das stark abgefahrene Ersatzrad als Indikator dafür nimmt.

Dass wir es bei dem stattlichen Burschen mit dem Chauffeur zu tun haben, lässt die zweireihige Uniform vermuten – vermutlich waren die gutsituierten Eigner des Autos schon ältere Leute und nicht im Besitz eines Führerscheins.

Über die Aufnahmesituation wissen wir nur, dass das Foto 1934 entstand. Das Nummernschild mit der Kombination aus der römischen Ziffer „I“ und dem Buchstaben „T“ weist auf eine Zulassung in der Provinz Hessen-Nassau hin.

Wie so oft bei Fotos mit „Amerikaner“-Wagen, die vor dem Krieg in Deutschland liefen, fragt man sich: „Wo sind sie geblieben?“

Natürlich gibt es Kenner hierzulande, die die Qualitäten der US-Großserienautos der späten 1920er und frühen 1930er Jahre auch heute zu schätzen wissen.

Diese Wagen sind nicht ganz billig, ihre Preise sind aber weit entfernt von den Summen, die für massenhaft gebaute Nachkriegsautos aufgerufen und bezahlt werden.

Wer heute in Deutschland einen „Big Six“ oder „Eight“ aus einstiger US-Produktion fährt, hat das Auto meist aus den Vereinigten Staaten importiert, mitunter auch aus der Schweiz oder Schweden, wo sie zahlreich vertreten waren.

Doch gibt es heute noch überlebende US-Autos jener Epoche, die einst für den deutschen Markt produziert oder gar sogar hier gefertigt wurden?

Über entsprechende Hinweise würde sich der Verfasser freuen. Eine gut dokumentierte Historie und aussagefähige Bilder vorausgesetzt könnte man auch einen eigenen Blogeintrag daraus machen.

Es muss auch nicht unbedingt ein Amerikaner aus Hessen sein…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.