„Kennst Du das Land?“ Über die Alpen im Fiat 514…

Wer die letzten Einträge in diesem Blog für Vorkriegsautos auf alten Fotos verfolgt hat, wird vielleicht feststellen: „Ziemlich viele Ami-Wagen werden hier besprochen – und immer wieder Fiats – vielleicht nicht ganz ideal für deutsche Leser“.

Tja, meine Damen und Herren, so sahen aber die Verhältnisse im deutschsprachigen Raum vor allem in der Zwischenkriegszeit aus: Jede Menge importierte oder hierzulande fabrizierte US-Wagen und auch Fiats allerorten.

Folgende Postkarte aus Berlin, die im März 1941 Matrose Josef Beyreder versandte, kündet bei genauem Hinsehen davon:

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Postkarte aus Berlin, Feldpostnr. 35628, März 1941; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Wer sich der Mühe unterzieht, wird neben einem Fiat 1100 und einigen US-Wagen auch die Vertretung der amerikanischen Reederei United States Lines erkennen, was einiges über die damalige Präsenz von US-Unternehmen in Europa verrät.

Im Unterschied zu vielen deutschen Herstellern hatten die Turiner bereits nach dem 1. Weltkrieg ihre Lehren aus der überlegenen Industrieproduktion in den Vereinigten Staaten gezogen und ihre Wagen von vornherein auf Großserie getrimmt.

Da im damals bitterarmen Italien nur begrenzte Absatzmöglichkeiten bestanden, zielte man auf den internationalen Markt ab und war mit sorgfältig konstruierten und enorm robusten Wagen weltweit erfolgreich.

Geholfen hat dabei, dass Fiat-Wagen auf die Bewältigung extremer Anforderungen ausgelegt waren, wie man sie im topographisch vielfältigen Italien antrifft.

Ob bei extremer Hitze im tiefen Süden, auf kaum befestigten Pisten des Appenin, endlosen Geraden in der Po-Ebene oder unter schwierigsten Verhältnissen in der Alpenregion – ein Fiat hatte sich zuallererst in der Heimat zu bewähren.

Dann war natürlich auch eine Alpenüberquerung im Rahmen des Möglichen:

Fiat 514 auf einem Alpenpass; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Verfasser verfügt über keine sonderliche Kenntnis der zahlreichen Alpenpässe. Lediglich den Gotthard hat er vor rund 20 Jahren mit einem 34 PS-Volkswagen auf der Paßstraße überquert, um die öde Tunneldurchfahrt zu vermeiden.

Sicher kann ein Leser sagen, welchen Alpenpass wir auf dieser schönen Aufnahme sehen – die parallele Eisenbahnlinie und die ältere Trasse im Talgrund könnten Aufschluss geben.

Unterdessen konzentrieren wir uns auf den unscheinbar wirkenden Wagen, der auf einer ansteigenden Straßenpartie gehalten hat:

Aus dieser Perspektive scheint es kaum möglich, den Wagen zu identifizieren. Dennoch ist es gelungen, nachdem sich die Hypothese „US-Fabrikat“ nicht bestätigt hatte.

Hier sehen wir einen Fiat des von 1929-32 gebauten Vierzylindertyps 514. Der nur 1,4 Liter „große“ Motor leistete knapp 30 PS – für damalige Verhältnisse beachtlich.

Aus geringen Hubräumen maximale standfeste Leistung herauszuquetschen, war seit den frühen 1920er Jahren eine Spezialität von Fiat. 

Fast 37.000 Stück dieses Typs baute Fiat von diesem bodenständigen Mittelklassewagen. Doch wie erkennt man eigentlich das Modell auf der Aufnahme?

Nun, dazu muss man wie so oft ganz genau hinschauen. Die Haubenpartie gibt dabei die entscheidenden Hinweise. Sie ist seitlich und mittig abgetreppt gestaltet, was sich im Verlauf der Chromleiste am hinterem Haubenende widerspiegelt.

Das klingt zugegebenermaßen abstrakt, daher hier ein Anschauungsobjekt aus entgegengesetzter doch kaum minder ungewöhnlicher Perspektive:

Fiat 514 Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir sowohl den ausgeprägten Mittelsteg in der Motorhaube als auch den stufenartigen Übergang zur Haubenseite – besagte Chromleiste folgt dieser Linie präzise und ist auch auf der ersten Aufnahme nachzuvollziehen.

Zusammen mit den – bei der zweiten Aufnahme nicht zu sehenden – nach innen geschüsselten Scheibenrädern mit verchromter Nabenkappe spricht alles für einen Fiat 514 als zweitürige Limousine.

Wohin genau einst Anfang der 1930er Jahre die Reise im Fiat ging, dazu hätten wir gern die fesche Dame befragt, die hier kühn die Richtung vorzugeben scheint:

Vielleicht hätte sie frei nach Altmeister Goethe geantwortet:

Du kennst das Land, wo die Zitronen blühn,

im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

Ein sanfter Wind vom Himmel weht,

Die Myrte hoch und still der Lorbeer steht,

Du kennst es wohl.

Dahin! Dahin

Möcht‘ ich mit meinem Fiat ziehn.

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Vor 95 Jahren: Pfingstausflug im Fiat 505 Tourer

Wie haben die Leser dieses Blogs das Pfingstwochenende 2018 verbracht? Hoffentlich in angenehmer Gesellschaft, vielleicht mit einer Ausfahrt im klassischen Automobil.

Dabei dürfte den wenigsten die ursprüngliche Bedeutung des Pfingstfestes noch bewusst sein. Man muss kein gläubiger Christ sein, um die Bedeutung dieser Tradition für unsere europäische Kultur zu schätzen oder zumindest zu respektieren.

So wird an Pfingsten die enge Verbundenheit von jüdischer und christlicher Tradition besonders deutlich.

  • Die Spanne von 50 Tagen zwischen dem Osterfest – der Auferstehung von Jesus Christus  – und dem Pfingstfest, an dem den Gläubigen der Heilige Geist zuteil wird – war gewissermaßen die christliche Neuinterpretation einer jüdischen Tradition.
  • Dem Osterfest entspricht das jüdische Pessah-Fest, das die Befreiung der Juden aus der ägyptischen Knechtschaft feiert. 50 Tage danach folgte das Schawout-Fest, mit dem die Offenbarung der Tora an das Volk Israel begangen wird.

Aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts nehmen solche religiösen Überlieferungen nicht mehr wörtlich, eine eminent wichtige Errungenschaft unserer Zivilisation.

Das Pfingstfest dennoch zur inneren Einkehr zu nutzen und würdevoll zu begehen, ohne seine Mitmenschen zur Nachahmung zu nötigen, das ist eine ebenso schöne Tradition wie den Feiertag schlicht zum bewussten Genuss des Daseins zu nutzen:

Fiat 505, Pfingsten 1923; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese fein herausgeputzte Gesellschaft hat jedenfalls an Pfingsten 1923 – also vor 95 Jahren – den Feiertag auf besondere Weise begangen.

Gläubige Leser werden die Analogie verzeihen, doch diese Autoinsassen empfanden an Pfingsten möglicherweise die Befreiung aus Kutsch- und Eisenbahnabteilen und den Empfang des Heiligen Geistes der Neuzeit – der technischen Anwendung nüchterner Wissenschaft.

Wem das zu hochgegriffen erscheint, hat nicht bedacht, welche befreiende Wirkung die Anwendung menschlichen Forschergeistes in den letzten 120 Jahren hatte.

Man denke sich banale Alltagshelfer wie Waschmaschine, Gefrierschrank, Geschirrspüler und Staubsauger weg – schon landet man unweigerlich in den Verhältnissen des 19. Jahrhunderts, die speziell für die Frauen bedrückend waren.

Die Erfindung des Automobils muss auf unsere Vorfahren ganz ähnlichen Eindruck gemacht haben – auf einmal standen dem Individuum regelrechte Zauberkräfte zu Gebote, die die selbstbestimmte Überwindung von Raum und Zeit ermöglichten.

Genug davon, bestimmt will mancher Leser an dieser Stelle bloß erfahren, wie man den sechssitzigen Tourenwagen identifiziert, der an Pfingsten 1923 irgendwo in Deutschland zum Einsatz kam. Dabei hilft ein Blick auf die Frontpartie:

Die birnenförmige, in Wagenfarbe lackierte Kühlermaske war ein Erkennungszeichen der Fiats in der Zeit direkt nach dem 1. Weltkrieg. Auch die Form des hier nicht lesbaren Markenemblems passt zu der Turiner Marke.

Man denkt spontan an das Modell 501, mit dem Fiat ab 1919 einen internationalen Erfolg landete wie kaum ein anderer europäischer Hersteller. Das über 80.000mal gebaute Modell fand auch in Deutschland viele Käufer (Bildbericht).

Der fast horizontale Verlauf der Vorderschutzbleche verweist jedoch auf das parallel verfügbare Schwestermodell Fiat 505, das einen größeren Radstand aufwies und dessen 2,3 Liter messender Vierzylinder 33 statt 23 PS leistete.

Fast 18.000 Stück wurden bis 1925 von diesem Modell gefertigt, das wie der kleine Bruder im Ruf stand, praktisch unzerstörbar zu sein. Ab 1924 waren sogar Vorderradbremsen verfügbar, damals noch eine Seltenheit.

Dem Foto zufolge erlebten die älteren Insassen auf der Rückbank des Fiat damals ihr persönliches Pfingstwunder:

Sie waren noch tief im 19. Jahrhundert geboren und waren in einer Zeit großgeworden, in der Pferdekutschen wie seit Jahrtausenden dominierten.

Und an Pfingsten 1923 saßen sie auf ihre alten Tage auf einmal in einer dieser wunderbaren pferdelosen Kutschen, die sich bis dato nur ganz wenige Leute überhaupt leisten konnten.

Mit an Bord die jüngere Generation, für die Automobile zumindest keine Neuigkeit mehr darstellten, aber alles andere als alltäglich waren.

Der Herr am Steuer mit dem flotten Hut und sein vierbeiniger Beifahrer werden bloß gedacht haben: „Gottseidank ist heut‘ ein freier Tag, da gönnen wir uns etwas. Gerade überkommt’s mich mächtig und ich möchte einfach lossausen mit meinem Fiat und den himmlischen Fahrtwind genießen…“.

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Italiener mit „6-Appeal“: Ein Fiat 521 aus Stettin

Selbst Fiat-Freunde kennen kaum die erfolgreichen Vorgänger des legendären Fiat 500 „Topolino“ – die Vierzylindertypen 501, 503, 505, 507 und 509 der 1920er Jahre.

Dabei waren diese kaum kleinzukriegenden Modelle einst auch auf deutschen Straßen sehr präsent, wie etliche schöne Aufnahmen in diesem Blog zeigen.

Hier haben wir stellvertretend ein Foto eines Fiat 503 oder 509 mit klassisch klaren Linien, wie sie typisch für italienische Wagen jener Zeit waren:

Fiat 503 oder 509; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Für echte Überraschung wird bei manchem Oldtimerfreund aber die Erkenntnis sorgen, dass es außerdem in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre auch großzügige Sechsyzlinderwagen der Turiner Marke gab.

Im Unterschied zu entsprechenden Versuchen der Nachkriegszeit hatte Fiat damals eine wesentlich sichere Hand und brachte zwischen 1926 und 1931 rund 50.000 Exemplare seiner Sechszylindertypen (512, 520, 521, 525) an den Mann.

Kein deutscher Hersteller war damals in der von US-Herstellern dominierten Sechszylinderklasse annähernd so erfolgreich. Konsequente Ausrichtung auf industrielle Fertigung schon kurz nach dem 1. Weltkrieg schuf bei Fiat die Basis dazu.

So sehen wir auf folgender Aufnahme aus dem Raum Stettin keinen Adler, Brennabor, Opel oder sonstigen deutschen Sechszylinder, sondern einen Fiat 521:

Fiat 521; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese stattliche Sechsfensterlimousine folgte bis auf die Fiat-typische Kühlermaske in Form einer antiken Tempelfront perfekt der von den damals formal wie technisch führenden US-Herstellern entwickelten Linie.

Details wie die Höhe der Motorhaube mit 29 Luftschlitzen, die Scheibenräder sowie die eindrucksvollen Dimensionen lassen darauf schließen, dass wir hier tatsächlich einen 6-Zylinder-Fiat vor uns haben.

Dabei spricht der Radstand eher für das kleine Modell 521 mit 50 PS starkem 2,5 Liter-Motor als für den größeren Fiat 525 mit knapp 70 PS aus 3,7 Liter, der zudem weit seltener war.

Die Kennung „IH-20“ auf dem Nummernschild verweist auf eine Zulassung in der Provinz Preussen (römisch „I“) und dort im Regierungsbezirk Stettin („H“), der bis 1945 zu Pommern gehörte.

Wie auf folgendem Ausschnitt zu erkennen ist, besaß der Fiat 521 Linkslenkung, wie das bereits beim Vorgängertyp 520 ab 1927 der Fall war:

Auf diesem Ausschnitt ist zwar nichts Typspezifisches zu sehen, doch fesselt den Betrachter der selbstsichere Blick des jungen Mannes, der an der Mütze als Chauffeur zu erkennen ist.

Mit der kurzen zweireihigen Jacke über Pullover und Hemd hat er etwas Sportlich-Maritimes an sich – individuell und zugleich korrekt nach damaligem Maßstab.

Weil er nicht so affektiert posiert wie der im selben Jahr – 1932 – abgelichtete Besitzer des im letzten Blogeintrag vorgestellten Pontiac „Six“, würde man ihm wohl eher Vertrauen schenken und sich seinen Fahrkünsten anvertrauen.

Man darf nicht vergessen: Viele Autobesitzer hierzulande besaßen keinen Führerschein und waren auf versierte und manierliche Fahrer angewiesen.

Als Fahrer in einem gutsituierten Haushalt hatte man einst eine verantwortungsvolle, respektable Position inne – gemessen an den meisten Altersgenossen, die in Landwirtschaft und Industrie harte Arbeit verrichten mussten.

Doch der Wandel in der Zwischenkriegszeit sollte auch den Beruf des Fahrers bald überflüssig machen – immer mehr Autobesitzer wollten und konnten ihren Wagen selbst fahren und genossen die Unabhängigkeit auf Reisen.

Dann posierte statt des angestellten Fahrers der Eigentümer selbst vor dem Gefährt, das damals einen heute kaum vorstellbaren Luxus darstellte:

Fiat 521; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz einiger Unterschiede wie Stahlspeichenräder statt Scheibenräder und fehlende Positionsleuchten haben wir hier wohl ebenfalls einen Fiat-Sechszylinder des Typs 521 vor uns – eventuell ist es auch ein Typ 520 mit etwas kleinerem Motor.

Natürlich war man auch in einem so mächtigen Wagen trotz serienmäßiger Vierradbremsen nicht risikofrei unterwegs. Die oft schlechten Straßenverhältnisse oder unerwartet auftauchende Hindernisse konnten gerade auf dem Land Folgen haben:

Fiat 521; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier ist ein Fiat 521 auf gerader Landstraße von der Fahrbahn abgekommen und an einen Baum geprallt. Die Sache scheint zum Glück glimpflich ausgegangen zu sein – die vollständige Geschichte ist hier zu lesen…

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Bella figura – nicht nur am Gardasee: Fiat 509 Zweisitzer

Wenn heute noch irgendeines der zahlreichen und meist hervorragend konstruierten Vorkriegsautos der Turiner Traditionsmarke Fiat bekannt ist, dann ist es der legendäre Typ 500 „Topolino“.

Zwar hatte Fiat bereits Anfang der 1920er Jahre mit dem Typ 501 einen internationalen Erfolg gelandet, doch dieses frühe Beispiel für Großserienfertigung ist heute außerhalb Italiens weitgehend vergessen.

Mit der gestalterischen Raffinesse des 1936 vorgestellten „Topolino“ konnte es allerdings auch kaum ein anderer Wagen in der Einsteigerklasse aufnehmen:

Fiat 500 „Topolino“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nie zuvor – und nach Meinung des Verfassers nie wieder danach – ist es gelungen, eine dermaßen kompakte Karosserie so gefällig zu gestalten – da kommt auch die so beliebte Nachkriegsversion des Fiat 500 nicht mit.

Bevor Fiat ab Mitte der 1930er Jahre bei seinen Typen 500, 1100 und 1500 die fließenden Formen der Stromlinie adaptierte, hatte man Karosserien gefertigt, wie sie klassischer kaum sein konnten.

Vor allem die Frontpartie mit dem Kühler in Form einer antiken Tempelfassade war typisch für die Turiner Produkte der zweiten Hälfte der 1920er Jahre.

Von diesen Wagen aller Größenklassen mit ihren wie gemeißelt wirkenden Frontpartien haben wir schon etliche in historischen Originalfotos vorgestellt, doch tauchen immer wieder „neue“ reizvolle Beispiele dafür auf.

Eines davon versteckt sich auf dieser alten Postkarte vom Gardasee, die im September 1932 den Weg nach Deutschland fand:

Fiat 509 Zweisitzer; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Kommt hier nicht spontan Urlaubsstimmung auf? Was gäbe man dafür, die meisterhaft angelegten Straßen rund um den Gardasee heute so ungestört genießen zu können?

Die Demokratisierung der Automobilität hat nun einmal ihren Preis und in jeder Zeit gibt es Licht und Schatten – dafür mag die obige Aufnahme mit ihrem fast schmerzhaften Kontrast sinnbildlich stehen.

Schauen wir uns genauer an, was da für ein Wagen an der Böschungsmauer hoch über dem Seeufer haltgemacht hat:

Wenn nicht alles täuscht, muss das ein 2-sitziges Cabriolet des Typs Fiat 509 sein. Typisch für die Fiats in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war die Fortsetzung des giebelartigen Kühleroberteils in der Motorhaube bis hin zur Schottwand.

Die kompakten Abmessungen deuten auf das Basismodell 509 mit 20 PS leistendem 1 Liter-Vierzylinder hin, während der stärkere (1,5 Liter, 25 PS) Typ 503 etwa größer ausfiel.

Die aus heutiger Sicht moderat erscheinenden Leistungen täuschen über zweierlei hinweg: Zum einen wogen diese Wagen zumindest in der offenen Ausführung nicht viel, zum anderen besaßen sie außerordentlich drehfreudige und zugleich standfeste Aggregate – schon damals eine Spezialität von Fiat.

Die kopfgesteuerten Motoren dieser braven Volumenmodelle lieferten auch die Basis für hochgezüchtete Sportwagen, was ihre Qualitäten unterstreicht.

Kein Wunder, dass die kleinen, aber feinen Fiat-Modelle jener Zeit auch in Deutschland etliche Liebhaber fanden – hier haben wir einen 509 in genau der Ausführung als offener Zweisitzer wie auf der Postkarte vom Gardasee:

Fiat 509, 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Aufnahme entstand im März 1929, also vor beinahe 90 Jahren. Die drei wie aus dem Ei gepellten Herren machen hier mindestens ebenso „bella figura“ wie der kleine Fiat, auf dessen Trittbrett sie posieren.

Dass man mit heutigen Autos solche Fotos nicht mehr machen kann, unterstreicht den formalen Reiz von Vorkriegsautos.

Sie sind grundlegend anders als alles, was in späterer Zeit folgte und deshalb fallen sie inmitten der herrlichsten Nachkriegswagen sofort auf, ganz gleich welche bescheidene Rolle sie in der Autohierarchie zur Zeit ihrer Produktion einnahmen.

Gleichzeitig hat hier mancher sein Aha-Erlebnis, wer klare, konzentrierte Formen für ein Privileg der 1960er Jahre hält. Schon die Autos der 1920er Jahre weisen eine Sachlichkeit der Linienführung auf, die mitunter ins Belanglose abgleitet.

Doch bei den italienischen Wagen jener Zeit – nicht nur Fiat, sondern auch Ansaldo, Ceirano und O.M. – finden wir eine blitzsaubere klassische Formgebung, die nichts zu wünschen übrig lässt:

Diese Seitenansicht würde bereits genügen, um den Wagen als Fiat der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zu identifizieren – die wie mit dem Lineal geführte, leicht ansteigende Linie vom Kühler, die bis zur Frontscheibe reicht, ist unverwechselbar.

Typisch für die Modelle 509 und 503 ist außerdem die Proportion der Haube mit den eher niedrig angebrachten Luftschlitzen und der breiten Seitenleiste darüber.

Bei den größeren Modellen erzwang der Platzbedarf etwas andere Abmessungen, die nicht mehr ganz so harmonisch wirken. Ein Beispiel dafür – oder besser: zwei – sind die nächsten Fiat-Kandidaten in diesem Blog. Das werden dann zur Abwechslung einmal richtig große Wagen sein!

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Mercedes-Konkurrent mit Brezelfenster: NSU-Fiat 1500

Der Titel des heutigen Blog-Eintrags mag verwegen klingen, doch beschreibt er präzise das Fahrzeug, dem wir uns aus ungewöhnlicher Perspektive nähern.

Aufgenommmen wurde es einst an einem sonnigen Vorfrühlingstag in den späten 1930er Jahren in der damaligen Provinz Hessen-Nassau:

NSU-Fiat 1500; Originafoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wohl als erstes fällt das zweigeteilte Rückfenster auf, das nach dem Krieg noch eine Weile den Volkswagen zierte und bis heute als „Brezelfenster“ bekannt ist.

In den 1930er Jahren besaßen viele Wagen mit stromlinienförmig gerundeter Heckpartie solche geteilten Scheiben, die kostengünstiger herzustellen waren als ein der Karosserieform angepasstes durchgehend gewölbtess Fenster.

Auf historischen Aufnahmen von Vorkriegsautos bekommt man dieses Detail indessen selten zu sehen, weil die Heckansicht meist nicht die repräsentativste war.

Wenige Limousinen jener Zeit besaßen ein so harmonisch gestaltetes Hinterteil wie der Wagen auf dem Foto. Zusätzlich betont werden die fließenden Formen durch die Zweifarblackierung .

Die außergewöhnliche Eleganz der Heckpartie ist ein erster Hinweis auf die Herkunft des Entwurfs, man möchte beispielsweise an ein französisches Auto denken. Am Ende werden wir – wenn auch auf Umwegen – dennoch in Deutschland landen.

Wie geht man nun in einem solchen Fall vor, wenn selbst die Detailvergrößerung kein Markenemblem und keine Typbezeichnung erkennen lässt?

Die gewölbten Radkappen scheinen völlig glatt zu sein, keine Sicke, kein Schriftzug – auch hier besticht eine Schlichtheit, die dennoch gefällig wirkt.

Sehr raffiniert ist die verchromte Einfassung des im Heck eingelassenen Reserverads – das dadurch weniger wuchtig wirkt. Die beiden kleinen Elemente unterhalb der Scheibe dürften mit einem Chromring eingefasste Entlüftungsschlitze sein.

An der Seitenpartie überwiegt ebenfalls der Eindruck konzentrierter Klarheit bei zugleich spannungsreicher Linienführung, die die Gerade vollkommen meidet.

Sehr dezent untergebracht sind die senkrechten Chromgriffe der beiden Türen, die gegenläufig angeschlagen sind. Sie geben den entscheidenden Hinweis auf die Herkunft der Limousine.

Den Versuch, die Türgriffe in der Außenhaut der Karosserie möglichst verschwinden zu lassen, kennt man vor allem von italienischen Autos der Nachkriegszeit. Tatsächlich taucht dieses Detail schon bei Fiats der 1930er Jahre auf:

Fiat 500 „Topolino“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser stimmungsvollen Nachkriegsaufnahme – einer aus einer ganzen Reihe, die wir noch vorstellen werden – erkennt man in verkleinerter und vereinfachter Form viele Details des Wagens von dem ersten Foto wieder.

Die Scheibenräder mit den schlichten Radkappen sind nahezu identisch, wenn auch die Seiten- und Heckpartie weniger elegant und reduzierter wirkt.

Dieser Fiat 500 „Topolino“ , wie er ab 1936 mit enormem Erfolg gebaut wurde – übrigens auch im alten NSU-Werk in Heilbronn – besitzt außerdem ganz ähnliche, senkrecht angebrachte Türgriffe.

Vom Fiat 500 war es dann kein weiter Weg mehr bis zu Identifikation des mysteriösen Wagens als Fiat 1500, der nahezu zeitgleich auf den Markt kam und ebenfalls in Deutschland gefertigt wurde.

Mit diesem technisch wie formal hochmodernen Modell hatte Fiat ein Auto im Programm, das selbst einem Mercedes 170 Konkurrenz machte.

Wer das für übertrieben hält, dem sei zugutegehalten, dass der Fiat 1500 hierzulande in der Veteranenszene keine Rolle spielt und von der Presse ebenfalls ignoriert wird.

Hier haben wir eine Seitenansicht des Modells, die den starken Einfluss der Stromlinie auf die Gestaltung deutlich macht:

Fiat 1500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch technisch hatte der „große“ Fiat einiges zu bieten:

Statt eines schwachbrüstigen Vierzylinders wie beim Mercedes 170, der aus 1,7 Liter Hubraum gerade einmal 38 PS herausholte, verbaute man in Turin einen Sechszylinder, der aus nur 1,5 Liter standfeste 45 PS quetschte.

Schon früh hatte sich das Talent der Italiener abgezeichnet, auch bei kleinen Hubräumen hohe Dauerleistungen zu erzielen. Dazu trugen die strömungsgünstig im Zylinderkopf hängenden Ventile bei, während der Mercedes 170 ein braver Seitenventiler war.

Bei ähnlichem Wagengewicht war der Fiat etwas schneller als der Mercedes (115 km/h ggü. 110 km/h) – sein Benzinverbrauch (12 Liter) war nur unwesentlich höher.

Wie der Mercedes 170 verfügte der Fiat 1500 über hydraulische Vierradbremsen; mit seiner hinteren Starrachse war er allerdings im Nachteil und teurer war er auch.

Raffiniert war, dass der Fiat 1500 keine Mittelsäule hatte, was in Verbindung mit den gegenläufig angeschlagenen Türen einen besonders komfortablen Einstieg erlaubte.

Mit so einem Fiat 1500 konnte man sich Ende der 1930er hierzulande durchaus sehen lassen – sofern man auf das Prestige des Mercedes-Kühlers verzichten konnte:

Fiat 1500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Herrschaften scheinen jedenfalls mit ihrer Wahl recht glücklich gewesen zu sein.

Dass der Fiat 1500 einst in Deutschland als ausgezeichnete Konstruktion wahrgenommen wurde, verrät die Tatsache, dass er nach Kriegsausbruch weitergebaut wurde. Erst 1941 endete im NSU-Werk in Heilbronn die Produktion.

Wo sind diese leistungsfähigen und eleganten Wagen geblieben? Auf einer hiesigen Klassikerveranstaltung hat der Verfasser jedenfalls noch nie einen gesehen…

Nachtrag von August 2018: Inzwischen können wir die Entdeckung eines wundervollen Fiat 1500 bei den Classic Days auf Schloss Dyck vermelden.

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Auto mit vielen Gesichtern: NSU-Fiat 1100

„Dies alles fuhr auf unseren Straßen“, so lautet der Titel eines Autobuchs von Paul Simsa, das der einstige U-Boot-Fahrer, Philosoph und Journalist im Jahr 1969 veröffentlichte – dem Geburtsjahr des Verfassers dieses Blogs.

Es wäre auch ein passender Titel für dieses Online-Projekt. Denn Ziel ist eine umfassende Dokumentation der Vorkriegsautos, die einst im deutschsprachigen Raum unterwegs waren – und zwar anhand zeitgenössischer Originalfotos. 

Da macht man immer wieder erstaunliche Entdeckungen, die einem bei der Lektüre gedruckter Oldtimer-Magazine hierzulande meist verwehrt bleiben.

Wann hat man dort zuletzt etwa von den Fiats der Typen 501, 503, 509, 512 oder 525 gelesen, die in der Zwischenkriegszeit in deutschen Landen verbreitet waren?

Speziell mit dem rund 90.000mal gebauten 1 Liter-Typ 509 hatte sich Fiat einen guten Namen in der Einsteigerklasse gemacht. So findet man den 20 PS-Wagen mit seiner klassisch gezeichneten Frontpartie immer wieder in deutschen Fotoalben:

Fiat 509; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Später wurden Vorkriegs-Fiats sogar in Deutschland gefertigt, im alten NSU-Automobilwerk in Heilbronn. Dabei handelte es sich um beachtliche Stückzahlen – rund 20.000 Exemplare verschiedener Typen verließen bis 1941 das Heilbronner Werk.

Zuvor waren bereits in überschaubarer Zahl bei den Karosseriewerken Weinsberg Chassis diverser Fiat-Typen mit Aufbauten versehen worden.

Ob der folgende Fiat 508 Balilla „Spider“ der frühen 1930er Jahre eines dieser in Deutschland eingekleideten Autos war, wissen wir nicht –  überlebt hat der flott gezeichnete Fiat jedenfalls hierzulande, wie das Besatzungskennzeichen verrät:

Fiat 508 Balilla „Spider“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch das 1934 vorgestellte Nachfolgemodell Fiat 508 „Nuova Balilla“ ist uns hier bereits begegnet. Es sollte der erste Fiat werden, der in größeren Zahlen in Deutschland gebaut werden sollte – mit rasch zunehmendem Anteil heimischer Fertigung.

Das formal ansprechende und trotz des kleinen Motors markentypisch robuste Fahrzeug erfreute sich einiger Beliebtheit.

Wie im Fall der einst verbreiteten Fiats der 1920er Jahre haben sich zahlreiche Fotos erhalten, die das in Deutschland als Fiat 1000 vermarktete Modell in entspannten Situationen wie dieser zeigen:

Fiat/NSU 1000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das war nun ein ziemlich langer – hoffentlich nicht langweiliger – Vorspann. Doch die hierzulande wenig bekannten Fiat-Vorkriegstypen liegen dem Verfasser am Herzen, es sind attraktive Wagen, die relativ günstig zu haben sind – wenn man einen findet.

Jetzt aber zum eigentlichen Star des heutigen Blog-Eintrags, dem Fiat 1100, der ab 1938 als Nachfolger des Fiat 508 Nuova Balilla bzw. NSU/Fiat 1000 angeboten wurde.

Der Wagen war gründlich modernisiert worden: Die Leistung des kleinen Vierzylinders mit hängenden Ventilen betrug nun 32 PS, die Vorderräder waren einzeln aufgehängt. Mit 105 km/h Spitzentempo waren auch Reisen über die Autobahn in den Süden drin:

Diese schöne Aufnahme ist im Sommer 1939 auf einer Urlaubsreise irgendwo in Italien entstanden – erkennt jemand die Ansicht?

Der Fiat 1100 ist hier bei tiefstehender Sonne von seiner Schokoladenseite aufgenommen worden – die windschnittig gestaltete Kühlerpartie kommt gut zur Geltung.

Der Verfasser wüsste keinen zeitgenössischen Wagen eines deutschen Herstellers in dieser Hubraumklasse, der so modern und zugleich harmonisch gestaltet war.

Kein Wunder, dass man sich neben so einem attraktiven Gefährt gern ablichten ließ.

Fiat 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass man bald andere Sorgen haben würde, war den meisten „Volksgenossen“ nicht bewusst, auch der junge Luftwaffensoldat in Ausgehuniform dürfte nicht geahnt haben, was auf ihn zukommt.

Entstanden ist obige Aufnahme im Winter 1938 in Österreich – das Kennzeichen verweist auf eine Zulassung des Fiat in Wien.

Hier kommt die behutsame Annäherung an die Stromlinie sehr gut zur Geltung, die Fiat beim Typ 1500 noch perfektionieren sollte.

Auch wenn folgende Aufnahme vom Ausschnitt her alles andere als ideal ist, kommen die fließenden Formen des Fiat 1100 hier gut zur Geltung:

NSU/Fiat 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Sehr reizvoll ist hier auch die Aufnahmesituation:

Auf der Motorhaube liegt ein Blumenstrauß, darüber erahnt man hinter der Windschutzscheibe das Profil einer Dame mit Hut, die sich der Beifahrerin mit Kostüm und Kopftuch zuwendet, um ihren Reisekoffer auf der Rückbank unterzubringen.

Man muss schon genau hinsehen, aber das lohnt sich bei diesen wunderbaren Zeugnissen einer untergegangenen Welt. Und davon haben wir noch ein weiteres.

Doch zuvor – soviel historische Genauigkeit muss sein – ein anderes Dokument, das eine der vielen Facetten des Fiat/NSU 1100 der Vorkriegszeit vermittelt:

Fiat/NSU 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir wieder einen Fiat/NSU 1100, doch die Tarnscheinwerfer verraten, dass zum Aufnahmezeitpunkt Krieg herrscht. Der Zufall will es, dass es erneut ein Luftwaffensoldat ist, der allerdings diesmal auf dem Auto posiert.

Der Winkel auf dem Ärmel weist ihn als Gefreiten auf – noch ein Wehrpflichtiger, der bloße Verfügungsmasse im Ringen der Mächtigen während des 2. Weltkriegs war.

Es ist leider so: Bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos kommt man an den Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht vorbei. Doch reizt immer wieder die Frage: Was, wenn die Geschichte eine andere Wendung genommen hätte?

Wieviel Heiterkeit sehen wir auf folgender zauberhaften Aufnahme eines Fiat 1100, die 1938/39 irgendwo in Schlesien entstand:

NSU/Fiat 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein NSU/Fiat 1100 in reizvoller Zweifarblackierung – aber Hand auf’s Herz: Hier ist das Auto doch bloße Staffage.

Wir wissen nicht, wer einst vor rund 80 Jahren dieses nahezu vollkommene Foto schoss – es ist wirklich eine Privataufnahme, kein Werbebild.

Da hatte jemand in jeder Hinsicht vollendeten Geschmack: ein modernes Auto, eine flotte junge Dame im schicken Anzug mit Krawatte, nur der mittlere Knopf der Jacke zugeknöpft, die Hände kokett auf die Scheinwerfer gestützt.

Das will so gar nicht dem Klischee jener Zeit entsprechen – viele Dinge waren eben nicht so eindeutig, wie uns die Schwarzweiß-Fotos im nachhinein suggerieren.

Vielleicht hilft eine Aufnahme wie diese, nicht jedes Dokument aus dem Deutschland der 1930er Jahre reflexartig aus politischer Perspektive zu bewerten.

Dass junge Deutsche der Vorkriegsszene – sei es in Bezug auf Autos, Motorräder oder Flugzeuge – heute skeptischer gegenüberstehen als junge Briten, Franzosen oder Niederländer, hat auch damit zu tun, dass das Geschehen vor 1945 hierzulande umso mehr als „vermintes Gelände“ gilt, je länger es zurückliegt.

Dabei können wir heute mit dem Abstand von zwei Generationen Lehren aus der Vergangenheit ziehen und dennoch positive Anknüpfungspunkte zur Vorkriegsgeschichte unseres Landes finden, die nicht ausschließlich durch das Hakenkreuz stigmatisiert ist.

Im 21. Jahrhundert können wir die Schöpfungen der 1930er Jahre mit kritischem Abstand betrachten, dürfen aber auch rückhaltlos das genießen, was verdient, genossen zu werden.

Das mag die Botschaft einer weiteren Aufnahme sein, welche die uns schon bekannte flotte Fiat-Besitzerin ganz ohne Auto zeigt:

Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Glück – das war einst ein großer Fiat Tourenwagen…

1927 – vor 90 Jahren also – kam in Deutschland ein Auto auf 170 Einwohner. Das ist dem Monumentalwerk „Die deutsche Automobilindustrie“ von Hans C. von Seher-Thoss (1. Auflage 1974) zu entnehmen.

Anders gesagt besaßen damals rund 0,5 % der Deutschen ein Automobil. Im selben Jahr baute in den USA allein Chevrolet über eine Million Fahrzeuge…

Während sich in den Staaten praktisch jeder ein Auto leisten konnte, blieb dies in Deutschland ein exklusives Vergnügen. 

Man kann das im Wesentlichen mit dem verlorenen 1. Weltkrieg – oder besser gesagt – den erdrosselnden Auflagen der Siegermächte erklären:

  • Elsass und Lothringen wurden von Frankreich annektiert, Saarland und Ruhrgebiet besetzt bzw. wirtschaftlich durch Frankreich genutzt; das Industriezentrum Oberschlesiens ging an Polen,
  • alle überseeische Gebiete mussten abgetreten und der Großteil der Handelsflotte den Alliierten übergeben werden,
  • 1921 wurden Deutschland im Nachgang zum Versailler Vertrag Reparationen in Höhe von 132 Milliarden Goldmark auferlegt, abzustottern bis 1987,
  • mehr als ein Viertel der Exporteinnahmen waren an die Alliierten abzuliefern.

Das waren die Rahmenbedingungen (Quelle), die erklären helfen, weshalb Deutschland in den 1920er Jahren in Sachen individueller Mobilität hoffnungslos in Rückstand geriet – von den politischen Folgen ganz abgesehen.

So entschieden sich viele derer, die sich hierzulande überhaupt ein Automobil leisten konnten, für ausländische Fahrzeuge.

Neben US-Produkten waren in den 1920er Jahren vor allem die Modelle von Fiat erfolgreich im deutschsprachigen Raum, so auch dieses hier:

Fiat 507 oder 512 Tourenwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Mal ehrlich: Wer verbindet heute mit einem so großzügigen Wagen die Marke Fiat? So ändern sich die Zeiten und nicht in jeder Hinsicht nur zum Besseren…

In der Zwischenkriegszeit gehörten die Turiner Automobile zu den weltweit populärsten Fahrzeugen aus europäischer Produktion. Die Typen 501, 509 und 503, die wir hier bereits mehrfach besprochen haben, wurden ein Welterfolg.

Weniger bekannt sind die darüber angesiedelten Modelle 507 bzw. 512. Dabei handelte sich um ab 1926 gebaute Vier- und Sechszylindermodelle mit 2,3 bzw. 3,5 Liter Hubraum, die 35 bzw. 46 PS leisteten.

Mit insgesamt nur etwas mehr als 6.000 Exemplaren gehören sie zu den raren Fiat-Modellen jener Zeit. Zum Vergleich: Etliche deutsche Marken erzielten während ihres gesamten Bestehens nicht solche Stückzahlen.

Woran erkennt man aber diese gehobenen Fiat-Typen? Dazu schauen wir uns die Frontpartie des Wagens auf unserem Foto genauer an:

Über das Fiat-Emblem auf der mit klassisch geformtem Dreiecksgiebel versehenen Kühlermaske muss man keine Worte verlieren.

Interessanter wird es weiter unten: Die seitliche Verkleidung der Partie unterhalb des Rahmens und das ebenso weit hinunterreichende Abdeckblech unter dem Kühler sind typisch für die „großen“ Fiat-Modelle 507 und 512.

Das Tückische ist, dass sich die Versionen sonst äußerlich kaum unterschieden. Der Sechszylindertyp 512 wies gegenüber dem Vierzylindermodell 507 einen längeren Radstand auf, der dem längeren Motorblock geschuldet war.

Auf einer Aufnahme wie der hier vorgestellten lassen sich solche Unterschiede in den Proportionen kaum nachvollziehen.

Letztlich blieben beide Modelle gegenüber den kleinen Fiats jener Zeit sehr exklusiv. Umso erfreulicher, so einer Rarität und ihren erkennbar glücklichen Insassen auf einer historischen Aufnahme zu begegnen:

Mit so einem sechssitzigen Tourenwagen aus dem Hause Fiat konnte man sich Ende der 1920er Jahre wahrhaft glücklich schätzen. Wir können heute kaum ermessen, wie bescheiden es bei 99 % der Deutschen damals zuging.

Die Insassen dieses Wagens wussten sicher, dass sie zu den „happy few“ gehörten, die in ihrer Freizeit eine solche Ausfahrt unternehmen konnten.

Dem Kennzeichen nach zu urteilen, scheinen unser glücklichen Fiat-Insassen einst in Südtirol gelebt zu haben, das 1918 an Italien fiel – ein Thema für sich…

Wir freuen uns mit ihnen an dem Fiat-Tourenwagen, der damals ein Prestige bot, von dem nichts geblieben ist außer dieser Aufnahme. Doch Oldtimer-Liebhaber können sich auch an längst vergangenem Glück erfreuen…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

 

 

 

ein auto

Urlaubsstimmung inklusive: NSU-Fiat 1000 Cabriolet

Kenner der Fiat-Historie könnten im Titel des heutigen Eintrags in diesem Oldtimerblog einen Tippfehler vermuten: Müsste es nicht „Fiat 1100“ heißen?

Nein, muss es nicht, auch wenn südlich der Alpen vermutlich niemand einen Fiat mit der Modellbezeichnung „1000“ kennt. Aber hier ist ja auch von einem NSU-Fiat die Rede, und da gelten eigene Gesetze.

Wer sich darüber wundert, dass NSU einst auch Fiat-Modelle fabrizierte, kennt wahrscheinlich nur die Motorradhistorie der Marke. Noch komplizierter: Strenggenommen hat NSU nie Fiats gebaut.

Tatsächlich hatte Fiat 1929 nur die Heilbronner Fabrikanlagen der NSU AG übernommen, die die Autoproduktion mangels Erfolg aufgegeben hatte. NSU sollte erst in den 1960er Jahren wieder Autos unter eigenem Namen bauen.

Fiat hatte sich die Nutzung der am deutschen Markt gut eingeführten Marke NSU ausbedungen und baute in der Folge seine Modelle mit einem rasch steigenden Anteil deutscher Wertschöpfung.

Der erste Erfolg in Deutschland war ab 1934 der NSU/Fiat 1000, der ein verkappter Fiat 508 A „Balilla“ war. Ihn haben wir bereits in mehreren Exemplaren vorgestellt, darunter als Limousine, als Spyder und als Sport Spyder.

Heute zeigen wir eine weitere Variante, die es nur in Deutschland zu kaufen gab:

NSU/Fiat 1000 Cabriolet; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick sieht es fast so aus, als würde hier ein Bauer mit seinem Gespann einen liegengebliebenen Wagen abschleppen. Entsprechende Fotos aus der Vorkriegszeit gibt es tatsächlich – die bringen wir bei Gelegenheit.

Doch diese Situation war bloß ein Zufall, und der Fotograf drückte intuitiv im richtigen Moment auf den Auslöser. Entstanden ist die Aufnahme unweit von Leermoos in Österreich in Sichtweite des Zugspitzmassivs.

Zumindest das wissen wir dank der umseitigen Beschriftung des Abzugs.

Das Entstehungsjahr lässt sich nur grob eingrenzen. Gebaut wurde der Wagen ab 1934, das Nummernschild verweist auf eine Vorkriegszulassung in Oberbayern. Ab Kriegsbeginn 1939 war eine Tarnbeleuchtung vorgeschrieben, die hier fehlt.

Für die Identifikation des Wagentyps eignet sich die zweite Aufnahme besser, die kurz vor oder nach dem ersten Foto entstand:

NSU/Fiat 1000; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man nicht nur mehr von dem Wagen, sondern auch vom Zugspitzmassiv, wie es sich von der österreichischen Seite darstellt. Wer sich lokal auskennt, wird den einstigen Standort des Autos wohl exakt bestimmen können.

Die über Millionen Jahre entstandene Szenerie scheint bis heute von Entstellungen durch menschliche Aktivität – wie etwa Windrotoren, die in Deutschland ganze Landschaften zum Industriegebiet machen – verschont geblieben zu sein.

Konzentrieren wir uns nun auf den genauen Wagentyp; dazu nehmen wir das Auto näher ins Visier:

Als NSU/Fiat 1000 gibt sich der Wagen anhand folgender Details zu erkennen: dem herzförmigen, leicht geneigten Kühlergrill, der profilierten und am Ende stark einwärts gebogenen Stoßstange sowie den markant geformten Chromradkappen.

Auch die mit der Neigung der Kühlerpartie und der Frontscheibe korrespondierenden Luftschlitze in der Motorhaube „passen“.

In technischer Hinsicht kam der NSU/Fiat 1000 zeitgemäß daher: Der konventionelle Vierzylinder mit 995 ccm leistete 24 PS, was für 85 km/h Höchstgeschwindigkeit reichte.

Das Vierganggetriebe war zwar noch unsychronisiert, doch immerhin gab es von Anfang an eine hydraulische Vierradbremse; bemerkenswert auch die leistungsstarke 12-Volt-Elektrik.

Da kamen ein Adler Trumpf Junior oder ein Opel 1,2 Liter einfach nicht mit. Wieso deutsche Hersteller damals meinten, ihre Kunden mit funzliger 6-Volt-Beleuchtung und häufig Seilzugbremsen abspeisen zu müssen, bleibt rätselhaft.

Kein Wunder, dass die Fiats der 1930er Jahre mit ihrem hervorragenden Leistungsgewicht und moderner Ausstattung international guten Absatz fanden – wie schon ihre Vorgänger in den 1920er Jahren (Typen 501, 503 und 509) .

Vom NSU/Fiat 1000 gab es ein zweitüriges Cabriolet, das in der Regel wie die Limousine vom Karosseriewerk Weinsberg gefertigt wurde.

Ein solches Cabriolet auf Basis des NSU/Fiat 1000 ist auf unserem Foto zu sehen. Wieviele davon gebaut wurden, ließ sich bislang nicht ermitteln. Doch viel mehr als einige hundert Exemplare werden nicht entstanden sein.

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Auch die Schwiegermutter hat Platz: Fiat 501 Roadster

Selbst Leute, die sich nicht sehr für Autos interessieren, werden bei der Frage nach einem Modell von Fiat wohl den 500er nennen. Und auch Kennern wird außer dem „Cinquecento“ auf Anhieb kaum ein weiterer aktueller Typ einfallen.

So weit ist es mit der Marke aus Turin gekommen, dass sie ihr Renommee aus einem einzigen Modell bezieht. Dabei war man von Fiat einst über Jahrzehnte gewohnt, ein Erfolgsauto nach dem anderen präsentiert zu bekommen.

Die Klassikerfreunde denken an große Würfe wie den 1100er („Millecento“) oder den Fiat 124 – selbst der Panda der 1980er Jahre verdient Erwähnung.

Geblieben ist von alledem der 500er, der offenbar die Sehnsucht der Käufer nach den Autopersönlichkeiten von gestern anspricht. Gleichzeitig sind in Italien noch tausende Exemplare des unverwüstlichen Vorbilds im Alltag unterwegs.

Was den wenigsten bewusst ist: Die Geschichte des 500er als einfacher Wagen für’s Volk geht weit bis in die Vorkriegszeit zurück. Gemeint ist hier aber nicht der Fiat Topolino der 1930er Jahre, den manche noch kennen.

Nein, der erste Fiat mit einer 500er-Modellbezeichnung entstand bereits 1919 und nahm einiges von den Qualitäten der späteren Typen vorweg. Die Rede ist vom Fiat 501, der auf Anhieb ein Riesenerfolg wurde.

Bis 1926 entstanden rund 80.000 Exemplare, die sich auf der ganzen Welt hervorragend verkauften – dabei war das Modewort der Globalisierung noch unbekannt. Kein anderer Hersteller in Europa vermochte nach dem 1. Weltkrieg derartige Stückzahlen zu produzieren und international zu vertreiben.

Wir haben das 4-Zylinder-Modell mit seinem nur 1,5 Liter messenden und 23 PS leistenden Motor schon in einigen Varianten vorgestellt. Zur Erinnerung hier ein weiteres Originalfoto der besonders häufig gebauten Tourenwagenversion:

Fiat 501 Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Typisch für den Fiat 501 wie auch sein leistungsstärkeres Schwestermodell 505 ist die birnenförmige Kühlermaske, die anfänglich noch lackiert war.

Die Stoßstange an dem hier gezeigten Wagen ist nachträglich montiert worden. Selbst Oberklasseautos mussten in den frühen 1920er Jahren meist ohne dieses Zubehör auskommen. Der Autoverkehr war in Europa noch sehr dünn, Gelegenheit für Rempeleien gab es kaum.

Ansonsten kommt dieser Fiat 501 unauffällig daher. Das Kennzeichen verweist auf eine Zulassung im Raum Bozen (Südtirol), auch der Aufnahmeort liegt in Oberitalien.

Nun aber zu einem weit interessanteren Foto, das zum einen vom Exporterfolg von Fiat zeugt und zum anderen eine weit seltenere Karosserievariante zeigt:

Hier haben wir in hervorragender technischer Qualität abgelichtet einen Fiat 501 mit – grundsätzlich – zweisitziger Roadsterkarosserie.

Da war jemand am Werk, der in punkto Bildaufbau, Belichtung und Schärfentiefe alles richtig gemacht hat. Das geht auch mit heutiger Technik nicht besser.

Bei solcher Qualität schauen wir gern etwas genauer hin. Vielleicht findet sich ja das eine andere interessante Detail. Beginnen wir mit der Frontpartie:

Gegenüber der Aufnahme des Tourenwagen finden sich eine ganze Reihe Unterschiede. Am augenfälligsten ist die Doppelstoßstange im Stil amerikanischer Wagen. Sie wirkt sehr stimmig und könnte ein Originalzubehör von Fiat sein.

Die Kühlermaske ist zwar der Form nach unverändert, ist nun aber komplett verchromt. Auf eine spätere Ausführung des Modells 501 verweisen außerdem die Positionsleuchten auf den Vorderschutzblechen.

Die Scheinwerfer könnten von Bosch stammen, bei Importwagen wurden ja oft lokale Anbauteile verbaut. Ausweislich des Kennzeichens mit dem Kürzel „I A“ war dieser Fiat im Raum Berlin zugelassen. Demnach fanden die Turiner Wagen auch in der deutschen Hauptstadt Absatz.

Bei genauem Hinsehen erkennt man außerdem an den Vorderrädern Bremstrommeln. Diese gab es beim Fiat 501 ab dem Baujahr 1924 serienmäßig.

Anhand dieser Details lässt sich das Entstehungsdatum dieses schönen Fotos auf Mitte bis Ende der 1920er Jahre eingrenzen. Dazu passen auch die Kleidung der Passagiere bzw. des jungen Herrn mit dem strengen Haarschnitt:

Was man hier sehr gut wie sonst nur selten sieht, ist zweierlei: Zum einen gibt es hier einen vollbesetzten Notsitz, der dem Volksmund nach bevorzugt der Schwiegermutter zugewiesen wurde…

Dazu befand sich eine ausklappbare, knapp bemessene und zugige Rückbank hinter dem Verdeck des Roadsters.  Die Amerikaner nennen einen solchen Aufbau „rumble seat roadster“, die Briten bevorzugen die Bezeichnung „dickey seat“.

Zum anderen wird hier die „Architektur“ der frühen Automobile nachvollziehbar:

Jedes funktionale Element stellt ein separates Bauteil dar: Der auf den Rahmen montierte Passagierraum, der daran anschließende Kofferraum (hier mit Notsitz), die angesetzten Schutzbleche, das Trittbrett entlang des Schwellers usw.

Das gleiche Bild einer von der Funktion bestimmten Struktur findet sich vorn:

Der Motor ist von einer schützenden Haube umfasst, daran schließt sich ein separates Blech an, das zur Windschutzscheibe überleitet – der sogenannte Windlauf.

Auch hier umfassen freistehende Bleche die Räder, deren Form noch weitgehend von ihrer profanen Funktion bestimmt wird, die in unserem Wort Kotflügel (englisch: „mudguard“) bis heute nachklingt.

Diese strenge Art der Karosseriekonstruktion, die kaum gestalterische Eigenheiten zuließ, war typisch für die Zeit von etwa 1910 bis Ende der 1920er Jahre. Formal war der Fiat 501 also durch und durch konservativ.

Erst ab 1930 beginnt die Epoche der bewussten, das Funktionelle hinter sich lassenden und in den besten Beispielen ans Bildhauerische grenzenden Karosseriegestaltung, die bis in die frühen 1970er Jahre fortdauern sollte.

Das war die große Zeit des klassischen Automobilbaus, in der die Formgebung eine eigenständige Kunst darstellte, vielleicht die letzte gestalterische Leistung der Neuzeit, die diesen Namen verdient…

Die Magie historischer Fahrzeuge wurzelt nicht zuletzt im Willen ihrer Schöpfer, einem wohldefinierten Schönheitsideal nahezukommen. Davon kann heute in der Mehrzahl der Fälle und vor allem bei Massenfabrikaten keine Rede mehr sein.

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Alpentour mit Hindernissen: Fiat 505 & Co.

Heutzutage kommt man sich schon kühn vor, wenn man beim Überqueren der Alpen nicht den Tunnel, sondern die Paßstraße nimmt.

Nebenbei: Wenn man kein völliger Sklave des Effizienzdenkens ist, ist der „Umweg“ durch die Bergwelt zumindest bei schönem Wetter eindeutig vorzuziehen.

Das geht auch mit einem eher schwach motorisierten Oldtimer. Der Verfasser kann sich noch gut daran erinnern, wie er vor einem knappen Vierteljahrhundert den Gotthardpass bezwang –  im 1200er Volkswagen mit 34 PS.

In einer ähnlichen Leistungsklasse bewegte sich das Fahrzeug auf folgender historischen Aufnahme:

Fiat 505; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir die typische Szenerie einer Reifenpanne: Einer arbeitet und drei andere stehen herum oder tun anderweitig beschäftigt.

Nun, dank des hydraulischen Stempelwagenhebers und geeigneten Werkzeugs war die Sache wohl schnell und komplikationslos erledigt. Vorausschauende Fahrer hatten auf schlechten Pisten oft gleich zwei Reservereifen dabei.

Unsere Reisenden wird der kleine Zwischenfall kaum gestört haben – immerhin hatten sie sich bewusst für das Abenteuer eines Ausflugs ins Hochgebirge entschieden. Woher wir das wissen? Dazu gleich mehr.

Erst wollen wir uns noch ein wenig mit dem Auto beschäftigen:

Das großflächige Emblem auf der Kühlermaske ist zwar nicht lesbar, doch die leicht birnenförmige Form des Kühlerausschnitts sagt alles: Das ist einer der Fiat-Typen, die nach dem 1. Weltkrieg auf den Markt kamen.

Neben dem äußerst erfolgreichen Fiat 501 – von dem ab 1919 rund 80.000 Exemplare gebaut wurden – gab es ein etwas größeres Modell: den Typ 505.

Dieser unterschied sich äußerlich nur wenig von seinem kleinen Bruder. Nur an der Größe und den vorne fast gerade abgeschnittenen Schutzblechen – wie beim Wagen auf unserem Foto – konnte man ihn erkennen (siehe auch Fiat-Galerie).

Dass wir es mit einem Fiat 505 zu tun haben, lässt auch die Aufnahmesitutation vermuten: Mit den 23 PS des Fiat 501 hätte man im Gebirge seine liebe Mühe gehabt.

Der 505 dagegen schöpfte aus seinem 2,3 Liter großen Vierzylinder 33 PS. Einen deutschen Großserienwagen mit vergleichbarer standfester Literleistung suchte man in dieser Klasse Anfang der 1920er Jahre vergeblich.

Kein Wunder, dass sich auch der Fiat 505 gut verkaufte: über 17.000 Stück setzten die Turiner davon international ab.

Jetzt aber zur Aufnahmesituation. Zum Glück haben wir zwei weitere Fotos von demselben Ausflug. Dieses hier sagt wohl alles über die Örtlichkeit:

Tourenwagen der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Selbst Absolventen hessischer Erziehungsanstalten, in denen man seit den 1970er Jahren auch mit scheunentorgroßen Wissenslücken brilliante Schulabschlüsse erwerben kann, werden hier wohl auf die Dolomiten tippen.

Ob es nun die berühmten drei Zinnen oder deren Nachbarn sind – das zu klären, sei den Hochgebirgsspezialisten überlassen. Wir Altautofreunde interessieren uns auch eher für die drei Wagen auf dem großartigen Bild.

Wer hier nur zwei sieht, möge sich folgenden Bildaussschnitt genauer ansehen:

Ganz links am Bildrand lugt vor der unscharf abgebildeten Person im hellen Mantel ein Schutzblech hervor – der Form nach würde es zum Fiat passen.

Das Nummernschild des Wagens rechts verweist ebenso wie das des oben gezeigten Fiat auf eine Zulassung in Bozen, der Hauptstadt von Südtirol, das sich Italien nach dem 1. Weltkrieg einverleibt hatte.

Wer übrigens eine Idee hat, was die Herren auf obiger Aufnahme treiben, darf dies gern über die Kommentarfunktion mitteilen.

Unterdessen werfen wir noch einen Blick auf das dritte Foto dieser Serie:

Tourenwagen der 1920er Jahre; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz der verwackelten Aufnahme, die vom Rücksitz des vorausfahrenden Wagens aus entstand, bekommt man einen Eindruck davon, auf was für Schotterpisten und in welch grandioser Landschaft die Autos unterwegs waren.

Man wünscht sich, dass es dort heute nicht anders aussieht – der Fortschritt darf ruhig an ein paar Orten unseres bereits arg zugebauten Kontinents innehalten.

Wagen wir trotz der mäßigen Qualität des Abzugs auch hier einen näheren Blick:

Der vordere Wagen ist wahrscheinlich ein Steyr, dafür spricht der Spitzkühler mit dem mittig angebrachten Emblem und das markant geknickte Blech zwischen den beiden Rahmenauslegern.

Auch dieser Wagen würde gut in die Region passen, da österreichische Wagen in Südtirol auch nach dem 1. Weltkrieg gern gefahren wurden.

Hand auf’s Herz: Wer bekäme angesichts dieser um 1925 entstandenen Bilder keine Lust, ebenfalls auf solchen Pisten mit Wagen jener Zeit unterwegs zu sein?

Wer nun sagt, dass ihm sein restauriertes Schätzchen dafür zu schade ist, bringt sich nicht nur um das Vergnügen, sondern vergisst auch, dass die Autos vor 90 Jahren auch einmal neu waren – aber nur für kurze Zeit…

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Fiat 509 macht „bella figura“ auch bei feinen Leuten

Den meisten Oldtimerfreunden hierzulande fällt bei Vorkriegsautos von Fiat allenfalls der „Topolino“ ein – der kleine Fiat 500 also, der nach dem Krieg als „Cinquecento“ ganz groß herauskam.

Betrachtet man die Fülle der erhaltenen Fotos von Fiats aus der Vorkriegszeit, ergibt sich jedoch ein weit vielfältigeres Bild.

Neben dem Mittelklassemodell 508 mit 1 bzw. 1,1 Liter Hubraum, das auch in Deutschland im alten NSU-Werk in Heilbronn gebaut wurde (Beispiel), taucht auf alten Abzügen immer wieder der Fiat 509 auf.

Kurioserweise wurde der 509 vor dem 508 gebaut – und zwar in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Gemeinsam hatten die beiden Modelle außer dem Hubraum von knapp 1 Liter nicht viel – außer dass sie in großen Stückzahlen gebaut wurden.

Der 1925 vorgestellte Fiat 509 leistete zwar auch nur rund 20 PS. Sein obengesteuerter Motor gehörte aber zum Feinsten, was es seinerzeit in dieser Klasse zu kaufen gab. Auf dieser Basis entstanden einige heiße Sportversionen.

Doch auch die zahme Basisversion, die bis 1929 in über 90.000 Exemplare gebaut wurde – kein deutscher Hersteller außer Opel bekam damals solche Stückzahlen eines Typs hin – scheint durchaus gesellschaftsfähig gewesen zu sein:

Fiat 509, Bauzeit: 1925-29, Zulassung Mailand

Hier posiert ein schick gekleidetes Pärchen aus Mailand neben seinem Fiat 509 Zweisitzer. Wie der spätere Volkswagen und der Cinquecento war Fiats Volumenmodell schon in den 1920er Jahren klassenlos.

Das mag auch an der knackigen Linienführung gelegen haben, die auf vielen historischen Fotos nicht so recht zur Geltung kommt, weil dort die Wagen meist von der Seite wiedergegeben werden.

Wie markant der kleine Fiat 509 tatsächlich daherkam, vermittelt die folgende außergewöhnliche Aufnahme, zufälligerweise wieder mit feinen Leuten aus Milano:

Fiat 509, Bauzeit: 1925-29, Zulassung Mailand

Wir schauen uns den Wagen gleich näher an. Die Situation als solche verdient aber ebenso gewürdigt zu werden.

Hier hatte jemand nicht nur einen geschulten  – man möchte sagen: malerischen – Blick für gekonnten Bildaufbau. Wer auch immer dieses Foto vor rund 90 Jahren schoss, besaß offenbar auch eine ausgezeichnete Kamera.

Obiges Bild ist bloß ein Ausschnitt des originalen Abzugs, der wiederum bloß ein umgekehrtes Abbild des längst verschollenen Negativs ist.

Welche feinen Details und Tonwertabstufungen mit der damaligen Technik möglich waren, wenn jemand richtig fokussierte und belichtete, beindruckt bis heute.

Gehen wir noch näher heran. Was auf dem Abzug auf wenigen Quadratzentimetern scharf und plastisch erhalten geblieben ist, das ist ganz wunderbar!

Hier haben wir endlich einmal ein Foto, das den Fiat 509 genau von vorne zeigt – in diesem Fall außerdem mit dem eher seltenen Limousinenaufbau. 

Sehr schön lässt sich der klassische Kühleraufbau studieren, dessen Silhouette sich in der Motorhaube bis an die Schottwand fortsetzt.

Das Kennzeichen, nicht nur dieses Wagens, sondern auch der beiden anderen im Hintergrund, verweist auf Mailand (italienisch „Milano“). Wir können daher davon ausgehen, dass diese schöne Aufnahme einst im Umland der Hauptstadt der Lombardei entstand. Erkennt jemand die markante Kirche im Hintergrund?

Das fein gekleidete Paar neben dem Fiat macht einen gutsituierten Eindruck und scheint es gewohnt zu sein, für Fotografien zu posieren. Diese Leute hatten Stilbewusstsein und gehörten der aufstrebenden Mittelschicht an.

Mit einem Fiat 509 war man damals im bitterarmen Italien privilegiert. Es sollte noch eine Generation dauern, bis kleine Fiats den letzten Winkel jedes Dörfchens Italiens erobert hatten.

In den 1920er Jahren dagegen ließ sich mit dem Typ 509 auf dem Lande „bella figura“ machen. Das würde vermutlich auch heute gelingen.

Denn während die „Cinquecentos“ der Nachkriegszeit im ländlichen Italien bis heute im Alltag präsent sind, stellen ihre Vorgänger aus den 1920er Jahren eine Rarität dar.

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1961 noch ein heißer Feger: Fiat 508 S Sport Spyder

Wer bei der Jahreszahl im Titel zusammenzuckt, kann beruhigt sein – dieser Oldtimerblog bleibt ganz der wunderbaren Welt der Vorkriegswagen treu.

Allerdings: Das Weiterleben von Veteranen nach dem Krieg – bevor sie als Sammelobjekt entdeckt wurden – gehört auf jeden Fall mit zum Thema.

Mal sind es aus der Not geborene Nachkriegsumbauten, die auf ihre Weise das Attribut „original“ verdienen. Ein anderes Mal sind es Exoten, mit denen man kaum gerechnet hätte. Genau so ein Exemplar haben wir hier:

Fiat 508 S Sport Spyder, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein perfider Zufall will es, dass der Fahrer dieses kleinen Sportwagens an Erich Honecker erinnert, den letzten Leiter des Großgefängnisses namens „DDR“.

Im März 1961, als dieses Foto entstand, war Genosse Honecker aber anderweitig  beschäftigt: Als „Sicherheitssekretär“ des Regimes war er mit der Vorbereitung des Baus der Berliner Mauer ausgelastet, die dem Schutz der DDR-Insassen diente…

Nein, der ältere Herr am Volant dieses flotten Roadsters wird kaum zu den linientreuen Genossen gehört haben – am Ende könnte sein Wagen gar als Fluchtfahrzeug gedient haben, wer weiß?

Dazu wäre das Auto jedenfalls hervorragend geeignet gewesen. Denn was hier wie ein Spielzeug wirkt, war in den 1930er Jahren das heißeste Gerät der 1-Liter-Klasse, das man als Volksgenosse im damals noch braunen Sozialismus erwerben konnte.

Für Kenner der auch im deutschen Sprachraum populären Fiat-Wagen jener Zeit gibt die Frontpartie bereits genug Aufschluss, um den Typ zu identifizieren:

Speichenfelgen und langgestreckte Vorderschutzbleche gab es auch bei Roadstern von DKW oder Adler. Doch der Kühlergrill mit der markanten Chromnase findet sich nur bei Fiats des Typs 508.

Eine Limousine des Fiat 508 A, die im Westdeutschland jener Jahre unterwegs war, haben wir vor einiger Zeit vorgestellt (Bildbericht), außerdem einen wunderschönen 508 Spider, der in Ostdeutschland überlebt hat.

Gewissheit darüber, dass wir es mit einer besonderen Variante des von 1932-37 gebauten Turiner Erfolgmodells 508 zu tun haben, gibt die markante Heckpartie:

Die Rückenfinne, die respektlose Zeitgenossen als Entenbürzel ansprechen werden, ist klarer Hinweis auf den Fiat 508 S Sport Spyder, eine ab Werk verfügbare „heißgemachte“ Version.

Wer sich heute nicht unter 150 PS auf die Landstraße traut – um dort dann oft mit 70 km/h herumzuzockeln – wird diesen genialen Giftzwerg von der Papierform her unterschätzen.

Zunächst sei angemerkt, dass das Gefährt gerade einmal 600 kg wog.

In Zeiten des“Downsizings“, bei dem der eine oder andere der Laufkultur zuträgliche Zylinder auf der Strecke bleibt, dürfte auch das überraschen: Fiat quetschte vor über 80 Jahren standfeste 36 PS aus einem 995 ccm „großen“ Vierzylinder.

Das Triebwerk war dank hängender Ventile enorm drehfreudig. Außer BMW bot in Deutschland niemand Seriensportwagen solcher Charakteristik an. Auch Lenkung und Straßenlage galten als herausragend.

Abgespeckte Varianten des Fiat 508 S waren schon 1933 bei der Mille Miglia kaum langsamer als zweieinhalbmal so starke MGs und erreichten über die Gesamtstrecke ein Durchschnittstempo von fast 90 km/h – auf öffentlichen Straßen wohlgemerkt.

Wer nicht glaubt, dass solch ein heißer Feger aus dem Hause Fiat heute noch Freude machen kann, wird bei folgender Bergprüfung im Elsass eines Besseren belehrt:

© Videoquelle YouTube; Urheberrecht: Christian Lesueur

Man muss das Video nicht bis zum Ende ansehen – schon kurz nach dem Start wird deutlich, wie gern das Motörchen gedreht werden will, wie gut es beim Schalten des 4-Gang-Getriebes das Gas annimmt und wie kerngesund es klingt.

Tja, liebe Fiat-Freunde: Bis in die 1970er Jahre hielt man in Turin an dieser Tradition straßentauglicher Rabauken mit sportlichem Charakter fest. Auch für diese gar nicht so weit entfernte Zeit gilt heute: Tempi passati…

Was mag aus dem Fiat 508 S Sport Spyder auf unserem Foto geworden sein? Schwer zu sagen – einige Modifikationen hatte er zum Aufnahmezeitpunkt schon hinter sich:

Woher wohl die stattliche Seitenscheibe stammt? Und wieviel Spachtelmasse der hintere Kotflügel bereits mit sich herumschleppt? Vom Verdeck dagegen ist nur noch das Gestänge übrig, das spart Gewicht…

Und was wurde aus dem Besitzer? Wenn er nicht 1961 die letzte Chance zur Flucht aus dem Arbeiter- und Bauernparadies genutzt hat, musste er noch 28 Jahre warten, bis er endlich einmal das Land besuchen durfte, in dem einst sein Fiat gebaut worden war.

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Fiat 503 der 1920er Jahre vor klassischer Kulisse

Beim Stichwort Fiat 500 denken Oldtimerfreunde erst einmal an den legendären Cinquecento der Nachkriegszeit:

© Fiat 500 in Spoleto (Umbrien), Bildrechte: Michael Schlenger

Wer öfters in Italien unterwegs ist, weiß: Nach den kleinen 500ern muss man auch über 40 Jahre nach Produktionsende nicht eigens suchen – in den engen Gassen der Altstädte sind sie nach wie vor präsent.

Obiges Foto, das 2016 in Umbrien entstand, lässt auch erkennen, warum: Die alten Fiats verstopfen nicht die Straßen wie die monströsen Brocken der Gegenwart und finden immer einen Parkplatz. Ein schöner Anblick sind sie außerdem.

Freunde von Vorkriegswagen wissen, dass der Cinquecento einen Vorläufer in den 1930er Jahren hatte – den Topolino. Er war von ebenso rundlicher Erscheinung wie der spätere 500er und lässt heute noch die Herzen schmelzen.

Doch kaum noch jemand kennt die 500er-Modelle von Fiat aus den 1920er Jahren. Sie werden in der hiesigen „Klassiker“-Presse stiefmütterlich behandelt, obwohl sie die ersten Welterfolge der Turiner Marke überhaupt waren.

Ob Fiat 501, 505 oder 509 – die ausgezeichnet konstruierten, robusten Klein- und Mittelklassewagen der 1920er Jahre von Fiat findet man auf alten Fotos immer wieder. Sie waren auch in Deutschland verbreitet, siehe Fiat-Bildergalerie.

Doch diese frühen 500er Fiats hatten eine ganz andere Anmutung – sie waren schlicht und streng gestaltet – im besten Sinne „klassisch“. Diese Wagen beziehen sich mit ihrer Formensprache auf eine jahrtausendealte europäische Tradition.

Um das anschaulich zu machen, kann man sich kaum eine bessere Aufnahme vorstellen als diese:

© Fiat 503 vor dem Pantheon in Rom, Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Man nimmt hier kaum den Wagen im Vordergrund wahrso sehr bestimmt das Bauwerk dahinter das Bild. Kein Wunder, handelt es sich doch um das besterhaltene und grandioseste Gebäude aus der Römerzeit überhaupt – das Pantheon in Rom.

Wer in Rom Zeit für die Besichtigung nur eines historischen Gebäudes hat, dem wird im Pantheon das Können der Baumeister, Ingenieure und Handwerker der Antike offenbart wie nirgends sonst.

Die Granitsäulen des Vorbaus wiegen über 50 Tonnen pro Stück – sie wurden in Ägypten angefertigt und über See herangeschafft. Geht man durch die sechs Meter hohen Flügeltüren aus Bronze, betritt man einen Raum ohnegleichen.

Über der erhaltenen Marmoraustattung des runden Innenraums wölbt sich die bis heute größte freitragende Kuppel der Welt. Sie überspannt über 40 Meter, und das ohne Stahlträger – römischer Beton bedurfte solcher rostenden Zutaten nicht…

Uns interessiert hier vor allem die Giebelpartie dieses Wunderwerks:

Auf den Säulen mit korinthischen Kapitellen ruht ein Dreiecksgiebel, wie ihn die Baumeister der griechischen Klassik über fünf Jahrhunderte zuvor ersonnen hatten.

Das Giebelfeld war der Hintergrund für Götterfiguren, von denen hier nur die Befestigungslöcher geblieben sind. Denn die Umwandlung des Pantheons in eine Kirche im Frühmittelalter rettet zwar den Bau als solchen. Doch die marmornen Statuen endeten wie tausende andere – zu Kalk verbrannt im Ofen.

Die kahlen Giebel antiker Tempel waren es, die Architekten späterer Zeiten bis ins 19. Jahrhundert immer wieder zur Nachahmung oder auch Abwandlung inspirierten.

Im frühen 20. Jahrhundert wählte Rolls-Royce die klassische Tempelfront mit Dreiecksgiebel als Vorbild für die Kühlerpartie seiner Wagen. In Italien folgten renommierte Automobilhersteller wie Ansaldo, Ceirano und Lancia dem Vorbild.

Fiat stattete Mitte der 1920er Jahre seine Großserienmodelle 509 und 503 ebenfalls mit einem klassischen Kühler aus und ließ auch sonst gestalterische Strenge walten:

Hier ist gut zu sehen, wie Fiat die Kühlermaske die antiken Tempelfassaden zitiert. Die Dreiecksform des oberen Abschlusses setzt sich bis zur Windschutzscheibe fort – ein Detail, das typisch für die Fiats jener Zeit ist. In diesem Fall ist es ein Typ 503, ein 1,5 Liter-Vierzylinderwagen mit 27 PS, der den Typ 501 ablöste.

Autobauer aus dem deutschsprachigen Raum wie Steyr, Hansa und NSU kopierten Mitte der 1920er Jahre eine Weile das italienische Vorbild. Doch wie so oft ist das Original durch nichts zu überbieten.

So verhält es sich auch mit dem Pantheon in Rom. Es inspirierte über die Jahrhunderte Baumeister in ganz Europa zu ähnlichen Bauten. Doch kommt davon keiner an das Vorbild heran, das den Besucher bis heute sprachlos macht.

Die Liebe zu alten Autos und zu klassischen Gebäuden hat wohl dieselbe Wurzel: Es ist der Eindruck, das uns etwas an visionärer Kraft, gestalterischer Magie und Vertrauen auf das technische Können verlorengangen ist…

Unterschätzter Klassiker der 1920er Jahre: Fiat 509

Verfolgt man bei der Beschäftigung mit dem alten Blech einen „antiquarischen“ Ansatz wie auf diesem Blog, kommt man zu ganz anderen Ergebnissen als die hiesige Oldtimerpresse, der zum Thema Vorkriegsautos oft nicht viel mehr einfällt als Bentley, Mercedes und MG.

Geht man einfach vom überlieferten Fotomaterial aus, eröffnet sich eine unendlich facettenreiche Welt mit Marken, Typen und Modellen, wie man sie in einschlägigen Klassikermagazinen selten bis nie zu Gesicht bekommt. Der Verfasser darf sich dieses Urteil erlauben, hat er doch schon als Schüler die Motor-Klassik regelmäßig am Bahnhofskiosk erstanden, die einst so manche Zugverspätung erträglich gestaltete…

Dennoch sollte es drei Jahrzehnte dauern, bis er auf ein Volumenmodell wie den Fiat 503 bzw. 509 stieß, der in den 1920er Jahren auch im deutschsprachigen Raum stark verbreitet war. Die Turiner Marke landete mit diesem Modell ihren zweiten großen Erfolg nach dem Fiat 501.

Dazu trug nicht nur der kompakte drehfreudige Motor mit Ventilsteuerung über eine obenliegende Nockenwelle bei. Auch die klassisch-schlichte Form, die von anderen italienischen Marken wie Ansaldo, Ceirano und Lancia inspiriert war, traf den Geschmack der Zeitgenossen:

© Fiat 509 (evtl. auch 503); Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser schönen Aufnahme wird ein Fiat 509 oder 503 – genau lässt sich das nicht sagen – von einer Familie bewundert, die einen Ausflug im Wienerwald zum „Schöpfl-Schutzhaus“ gemacht hat, wie umseitig vermerkt ist.

Was es wohl mit dem improvisiert angebrachten Nummernschild auf sich hat? Jedenfalls kann man hier die Vorderansicht des meist als Tourer verkauften Modells gut wie sonst selten studieren. Schön zu erkennen ist, wie sich die klassische Giebelform der Kühlermaske in der Form der Motorhaube fortsetzt.

Porträts des Fiat 503 bzw. 509 finden sich auf diesem Blog bereits hier und hier. Daher soll an dieser Stelle nicht näher auf technische Einzelheiten des Serienmodells eingegangen werden.

Stattdessen wenden wir uns einer „frisierten“ Version des Fiat 509 zu. Solche konnten Sportfahrer in unterschiedlichen Versionen kaufen, außerdem gab es vom Werk eingesetzte, nochmals schärfere Ausführungen wie diese hier:

© Fiat 509 S.M.; Werksfoto von Fiat aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses originale Werksfoto von Fiat zeigt sehr wahrscheinlich das Modell 509 SM „Targa Florio“ in seiner ganzen Pracht. Dabei handelte es sich um eine auf mindestestens 35 PS leistungsgesteigerte Rennversion des zivilen 509.

Wer über die Leistung lächelt, dem sei gesagt, dass 35 PS aus knapp 1 Liter Hubraum vor 90 Jahren einen hervorragenden Wert darstellten. Noch 30 Jahre später galt der erste Porsche 356 mit 40 PS aus 1,1 Liter Hubraum ebenfalls als Sportwagen.

Im Unterschied zu zeitgenössischen Sportwagenherstellern, die den einfacheren Weg der Hubraumvergrößerung wählten, entschied sich Fiat für eine Bearbeitung des Zylinderkopfs zwecks Optimierung des Gaswechsels. Giftige kleinvolumige Motoren sollten bis in die 1970er Jahre die Spezialität der Turiner bleiben.

Bei einem Straßenrennen wie der Targa Florio auf Sizilien, die meist aus kurvenreichen Abschnitten bestand, war ein wenige hundert Kilogramm wiegender Sportwagen mit tiefem Schwerpunkt auch mit moderater Leistung konkurrenzfähig und die heißgemachten Fiats galten in ihrer Klasse als „echte Waffe“.

Eine originale Sportversion des Fiat 509 wurde übrigens während der Classic Days 2016 auf Schloss Dyck vom Auktionshaus Coys angeboten (Bildbericht). Nach einiger Verzögerung (November 2016) sind die Ergebnisse der Versteigerung publik gemacht worden – offenbar hat der rassige Fiat keinen neuen Besitzer gefunden.

Vielleicht wäre das Ergebnis anders ausgefallen, würden die einschlägigen Oldtimer-Gazetten hierzulande nicht ständig die üblichen Spekulationsobjekte anpreisen, sondern breiter aus der unerschöpflichen Welt der Vorkriegssportwagen berichten…

Fiat 505: Ein „Außenlenker“ der frühen 1920 Jahre

Leser dieses Oldtimer-Blogs bekommen einen Einblick in die faszinierende Welt der Vorkriegsautos nicht nur anhand von Fotos längst vergessener Marken und Typen – auch spezielle Karosserietypen werden hier eingängig präsentiert.

Beim heutigen Beispiel ist die Marke zwar noch existent  – Fiat aus Turin – doch Modell und der Aufbau sind alles andere als Großserienstandard.

Kurze Rückblende: Fiat war nach dem 1. Weltkrieg mit dem Typ 501 sein erster Massenerfolg gelungen. Der wie die Fords jener Zeit unerhört robuste Wagen wurde auf der ganzen Welt verkauft – tja, Globalisierung ist ein ziemlich alter Hut.

Der Fiat 501 erhielt noch 1919 einen großen Bruder, den Typ 505:

© Fiat 505 Außenlenker; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Sein 2,3 Liter großer Vierzylinder leistete immerhin 33 PS. Zum Vergleich: Volkswagen übertraf diesen Wert erst 1960 knapp, als die Exportversionen einen 34 PS-Motor erhielt.

Der gegenüber dem Fiat 501 von 2,65m auf 3,05m verlängerte Radstand des Typs 505 erlaubte großzügigere Aufbauten. Auf unserem Foto sehen wir ein schönes Beispiel dafür.

Vor einer geschlossenen Passagierkabine sitzt der Fahrer im Freien. Dieser noch aus der Kutschbauzeit stammende Aufbau trug außerhalb des deutschsprachigen Raums mondäne Bezeichnungen wie „Coupe de Ville“ oder „Sedanca de Ville“.

Im Deutschen bezeichnete man diese wenig arbeitnehmerfreundliche Variante sachlich als „Außenlenker“. Demgegenüber saß der Fahrer bei einer Limousine im Trockenen, daher die früher gängige Bezeichnung „Innenlenker“. Später gab es ähnliche Aufbauten, bei denen Fahrer wenigstens einen Regenschutz über dem Kopf hatte.

Man mag das heute alles belächeln, doch das Automobil konnte nicht vom ersten Tag an mit Airbag, Sitzheizung und WLAN für alle daherkommen. Über den heutigen Stand der Technik würde man in 90 Jahren ebenfalls den Kopf schütteln, wenn es beim früheren  Entwicklungstempo bliebe – hier sind allerdings Zweifel angezeigt.

Eine verbreitete Anwendung des Außenlenkers war neben privaten Chauffeurwagen das Großstadtaxi. Vielleicht war der Fiat 505 mit Zulassung im Rheinland (Kennung: „IZ“) auf unserem Foto ebenfalls ein solches. Typisch für das Modell waren übrigens die fast waagerecht über den Vorderrädern auslaufenden Kotflügel.

Gleich zwei solcher Fiats des Typs 505 sehen wir auf der folgenden Originalaufnahme, die einst vor dem Dom in Mailand entstand:

© Fiat 505 Taxis in Mailand; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man ahnt hier, dass es zwischen Auto- und Fußgängerverkehr noch keine strikte Trennung gab – auch das wollte erst erarbeitet sein. Jedenfalls scheinen sich die Flaneure zwischen den wenigen Wagen noch recht wohl gefühlt haben.

Natürlich werfen wir bei diesem schönen Foto einen genaueren Blick auf die Menschen, die an einem sonnigen Tag vor über 90 Jahren auf der heute verkehrsberuhigten Piazza del Duomo unterwegs waren:

Man sieht hier links und rechts der beiden Fiats elegant gekleidete Damen und Herren spazieren, die allesamt „bella figura“ machen, wie es die Italiener bei ansehnlichen und selbstsicheren Menschen zu sagen pflegen.

Bei der Gelegenheit erkennt man auch, dass der vordere der beiden Fiats eine Landaulet-Karosserie aufweist. Dort sitzen die Passagiere ebenfalls in einer separaten Kabine hinter dem – hier überdachten – Fahrerraum. Zusätzlich gibt es ein Verdeck über der hinteren Sitzreihe, sodass die Insassen bei schönem Wetter im Freien sitzen können.

Im Süden pflegt man allerdings an warmen und sonnigen Tagen eher den Schatten zu suchen, weshalb das Verdeck hier geschlossen ist. Touristen aus Ländern nördlich der Alpen hätten es vermutlich vorgezogen, sich einen ersten Sonnenbrand zu holen…

So unterscheiden sich die Lebensumstände und Sitten der Völker – und in genau solchen Unterschieden entdeckt der Reisende eine reizende Vielfalt, nicht in einem beliebig durchmischten Einheitsbrei…

Geteiltes Schicksal: Zwei Fiat 508 A im Nachkriegs-Berlin

Das Schicksal von Vorkriegsautos wird auf diesem Oldtimer-Blog anhand historischer Fotos bis in die 1950/60er Jahre nachverfolgt. So lange waren viele Fahrzeuge, die den 2. Weltkrieg überstanden hatten, hierzulande noch im Alltag unterwegs.

Ihr Erscheinungsbild unter den Bedingungen der deutschen Teilung war oft weit vom einstigen Auslieferungszustand entfernt. Entscheidend war, dass sie funktionierten – nicht selten unter abenteuerlichen Bedingungen.

Zu den Überlebenden der Vorkriegszeit gehörten nicht nur Wagen deutscher Hersteller, sondern auch in Deutschland gebaute Fremdfabrikate. Besonders verbreitet waren in den 1930er Jahren die Fiat-Typen, die im alten NSU-Werk in Heilbronn gefertigt wurden.

Vor dem populären 500er „Topolino“ und dem 1100er „Millecento“ wurde schon das Modell 508 „Nuova Balilla“ in Deutschland gebaut und als NSU/Fiat 1000 verkauft. Leser dieses Blogs sind ihm auf diesem Blog hier und hier und hier und hier begegnet.

Heute präsentieren wir zwei Exemplare dieses von 1934-38 gebauten NSU-Fiats, die im Nachkriegs-Berlin bewegt wurden. Beginnen wir mit einem Exemplar, das im Westen der Reichshaupstadt die Wirren des Kriegsendes überstanden haben muss:

© Fiat 508 A bzw. NSU-Fiat 1000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Typ als solcher ist am schrägen Kühlergrill in Herzform zu erkennen. Auch die Radkappen wurden so nur beim Fiat 508 Nuova Balilla bzw. NSU-Fiat 1000 verbaut, zumindest zeitweise. Lack und Stoßstangen scheinen die Zeit gut überstanden zu haben.

Dass das Auto in Berlin zugelassen war, verrät das Nummernschild mit der Buchstabenkombination „KB“, die nach dem Krieg von den Besatzungsbehörden dort ausgegeben wurde; sie steht für „Kommandantur Berlin“.

Der Brezelkäfer im Hintergrund deutet auf eine Entstehung im Westen der geteilten Stadt hin. Kleidung und Frisur der beiden Personen am Fiat entsprechen den späten 1940er Jahren. Im Hintergrund stehen Häuser der 1920/30er Jahre.

Erkennbar ist dieser Vorkriegsfiat auch in schweren Zeiten geschätzt und gepflegt wurde. Dennoch dürfte der Wagen spätestens um 1960 auf den Schrott gewandert sein.

Im Osten Deutschlands wurden solche Vorkriegsautos noch länger in nennenswerter Stückzahl gefahren – nicht aus Nostalgie, sondern weil die sozialistische Mangelwirtschaft unfähig war, die benötigten Güter und Produkte bereitzustellen.

Im einstigen Arbeiter- und Bauernparadies, in Wahrheit eine alle Lebensbereiche erfassende Diktatur, sah das Straßenbild um 1960 Jahre aus:

© Vor- und Nachkriegswagen im Umland von Berlin; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was aus heutiger Sicht wie eine Oldtimerparade aussieht, ist eine ganz normale Situation im Umland von Ostberlin. Die Nummernschilder entsprechen der 1953 in der Deutschen „Demokratischen“ Republik (kurz: DDR) eingeführten Konvention.

Die Buchstaben „IA“, „DP“ und „DK“ auf den Nummernschildern verweisen auf Zulassungsbezirke in und um Ostberlin. Das Umfeld mit Kiefern auf sandige Boden macht eine Entstehung des Fotos im Raum Berlin-Brandenburg wahrscheinlich.

Uns soll vor allem der Wagen ganz vorne interessieren:

Wir sehen hier den herzförmigen Kühlergrill eines Fiat 508 A Nuova Balilla oder auch eines NSU-Fiat 1000. Die Chromumrandung wurde offenbar überlackiert.

Stoßstangen und Radkappen weichen vom Fiat 1000 auf obigem Foto ab, aber das will nicht viel heißen. In der Bauzeit gab es einige Änderungen und die in Deutschland gefertigten Exemplare wichen im Detail vom italienischen Original ab. Außerdem wurde nach dem 2. Weltkrieg an überlebenden Wagen der 1930er Jahre alles Mögliche verbaut.

Bemerkenswert ist der Dachgepäckträger auf dem Fiat. Er wurde wohl nachträglich nach Gutdünken auf der Dachpartie verschraubt. Das Auto wurde trotz seines Alters offenbar für Reisen eingesetzt, bei denen für das Gepäck der Insassen sonst kein Platz war.

Schauen wir uns der Vollständigkeit halber die übrigen Wagen auf dem Foto an:

Hinter dem Fiat steht ein IFA F9, ein vor dem 2. Weltkrieg als Nachfolger des DKW-IFA F8 entwickeltes Fahrzeug, das 1948 vorgestellt wurde. Bis zur Serienproduktion brauchte man noch ein wenig Zeit, erst ab 1950 war das Modell lieferbar.

Die nach dem Krieg in Westdeutschland neugegründete Auto-Union baute ab 1950 übrigens ein äußerlich sehr ähnliches Modell, den Typ F89 „Meisterklasse“.

Interessanter ist der hinter dem IFA F9 zu sehende Ford „Eifel“, der ab 1935 gebaut wurde. Der Wagen auf dem Foto dürfte eines der formschönen 2-sitzigen Cabriolets sein, die 1936/37 von der Dresdener Karosseriemanufaktur Gläser gefertigt wurden.

Auffallend an diesem Wagen sind die in die Vorderschutzbleche integrierten Frontscheinwerfer. Das hat es so bei den Serienfahrzeugen nicht gegeben, vermutlich ist es eine der verbreiteten Nachkriegs-Bastellösungen.

Nicht unerwähnt bleiben soll der Kombi ganz links auf dem Foto. Das muss ein ab 1955 gefertigter Sachsenring P70 sein. Der in Zwickau im alten Horch- bzw. Audi-Werk gefertigte Wagen verfügte über den Motor des DKW-IFA F8, hatte aber eine Pontonkarosserie, bei der ein Holzgerippe mit Kunststoffteilen beplankt wurde. Dieses Fahrzeug gilt als einer der Vorläufer des Trabants.

Zum Zeitpunkt unserer Aufnahme war nicht absehbar, dass das 22 PS schwache Gefährt am Ende der Kolonne Vorbote der Bescheidenheit war, die den „Genossen“ in der DDR in den nächsten 30 Jahren von der wohlmeinenden Partei verordnet wurde.

Manch einer zog dieser traurigen Errungenschaft der staatlich gelenkten Industrie bis in die 1970er Jahre größere und stärkere Vorkriegsautos vor…

Fiat-Werksrennwagen der 1920er Jahre in Monza

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gehörte Fiat nicht nur zu den bedeutendsten Großserienherstellern von PKW in Europa (Typen 501 und 509), sondern war eine ganze Weile auch im internationalen Rennsport ausgesprochen erfolgreich.

Für ehrgeizige Amateure gab es „heißgemachte“ Versionen von Serienwagen wie zum Beispiel den kürzlich vorgestellten Fiat 509 S.M. Bis Mitte der 1920er waren außerdem bei der Targa Florio auf Sizilien – aber auch bei Grand-Prixs – immer wieder Fiat-Werksrenner auf den ersten Rängen zu finden.

Die folgende Orignalaufnahme, die einst als Postkarte verschickt wurde, zeigt eine malerische Szene mit dem Fiat-Rennteam aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre:

© Fiat Rennteam in Monza ca. 1922/23; Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Den nur teilweise erkennbaren Fiat-Rennwagen zu identifizieren, stellt eine Herausforderung dar. Hier wird sich vorerst nur ein Indizienbeweis führen lassen, der Weg dorthin ist aber nicht ohne Reiz.

Immerhin wissen wir aus der Beschriftung der Karte bereits, dass es sich um das Fiat-Rennteam („Equipe Fiat“) handelt und dass die Aufnahme in Italien entstand. Darauf weist jedenfalls der links unten eingeprägte Stempel hin.

Die feste Tribüne im Hintergrund verrät uns, dass die Aufnahme nicht bei einem Straßenrennen (Targa Florio, Parma-Poggio di Berceto usw.) entstand, sondern auf einem eigens geschaffenen Rundkurs. Davon gab es nach dem 1. Weltkrieg nur ganz wenige.

In Italien entstand 1922 als erster der „Autodromo di Monza“ im Park der gleichnamigen Stadt nordöstlich von Mailand. Die folgende zeitgenössische Aufnahme zeigt die Start-und Zielgerade des Rundkurses:

© Grand Prix in Monza Mitte der 1920er Jahre; Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Die Beschriftung „Circuito di Milano“ verweist auf den Großen Preis von Mailand, der auf der Rennstrecke in Monza ausgetragen wurde. Die Tribünen im Hintergrund entsprechen genau derjenigen auf der Aufnahme mit dem Fiat-Werksrennteam.

Da die Rennstrecke in Monza erst im Herbst 1922 eingeweiht wurde, kann unser Foto frühestens zu diesem Zeitpunkt entstanden sein. Betrachten wir nun den dort abgebildeten Fiat näher, erkennen wir einige markante Details, die eine Ansprache als Rennwagen vor Mitte der 1920er Jahre erlauben:

Die Kühlermaske wirkt ausgesprochen bullig und weist eine größere Tiefe auf als bei späteren Modellen (insbesondere 805 und 806). Die Luftschlitze in der Haube liegen recht weit auseinander, darunter deutet eine Wölbung auf ein recht hoch liegendes Auspuffrohr hin. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang natürlich eine Identifikation der drei Männer im hellen Overall mit Fahrerbrille um den Hals.

Interessant ist auch der folgende Ausschnitt, der das Cockpit von der Seite zeigt. Man erkennt hier auf der Fahrerseite (rechts) ein Luftleitblech, das noch nicht wie bei späteren Modellen organisch aus der Karosserie herausgearbeitet ist sondern auf die waagerecht verlaufende Frontpartie aufgesetzt wurde.

Solche Details finden sich beim Fiat Tipo 801/402, der 1921/22 bei Rennen eingesetzt wurde. Der moderne Wagen verfügte über einen 2,8 Liter messenden 8-Zylinder-Reihenmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Seine Leistung von 120 PS ermöglichte ein Spitzentempo von 160 km/h.

Nicht auszuschließen ist daneben, dass es sich bei dem abgebildeten Wagen um einen Fiat Tipo 804 handelt, der beim Grand Prix in Monza 1923 siegreich war. Er besaß einen aufgeladenen 6-Zylindermotor mit knapp 2 Liter Hubraum und war der erste Kompressorwagen, der ein großes Rennen gewann.

Zweiter wurde übrigens ein Fiat desselben Typs. Auf dem Foto mit dem Fiat-Rennteam in Monza sieht man ebenfalls einen zweiten Wagen, der aber eine andere Kühlerpartie zu haben scheint:

Die Gesamtsituation würde zu einem solchen Doppelsieg passen. Doch ob wir es tatsächlich mit einer Aufnahme nach jenem denkwürdigen Rennen zu tun haben, muss bis auf Weiteres offen bleiben.

Auf jeden Fall ist es ein eindrucksvolles Dokument aus einer Zeit, in der Siege noch bescheidener gefeiert wurden – vielleicht weil der Sport oft genug tödlich verlief und der Verlust von Kameraden wie Konkurrenten die Stimmung drückte…

Zur Abkühlung auf den Gotthardpass im Fiat 525

Der August 2016 neigt sich seinem Ende zu und zieht noch einmal alle Register. In der Wetterau – der alten Kulturlandschaft zwischen Taunus und Vogelsberg –  sind die Felder abgeerntet. Nachts liegt ein unvergleichlicher Duft über dem Land.

Nach einem eher mäßigen Juni und Juli zeigt sich nun der Hochsommer von seiner schönsten Seite. Am Tage sonnendurchglühter blauer Himmel, gefolgt von warmen Nächten mit Grillenzirpen – so soll es sein.

Die Eissalons haben Hochkonjunktur und dazu passt das folgende historische Foto, das im Frühsommer Anfang der 1930er Jahre aufgenommen wurde:

© Fiat 525; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben sommerlich gekleidete Herrschaften offenbar ebenfalls den Wunsch nach Abkühlung verspürt. Die umseitige Notiz verrät, dass das Foto einst auf dem Gotthardpass in der Schweiz entstand.

Im Frühjahr und selbst im Sommer kann es passieren, dass der über 2.000 Meter hoch gelegene Gotthardpass noch oder wieder verschneit ist. Im Mai 2016 war dies ebenfalls der Fall, wie der Verfasser aus eigener Anschauung weiß.

Als es den Gotthardtunnel noch nicht gab, sah man zu, dass man den wichtigen Pass nach Oberitalien so weit freihielt, dass der Verkehr nicht völlig zum Erliegen kam. Dazu setzte man ab den 1920er Jahren motorgetriebene Schneepflüge ein.

Unser Foto zeigt so eine Situation, in der die Fahrbahn freigeräumt worden ist, links und rechts aber noch meterhohe Schneewände stehengeblieben sind. Uns interessiert vor allem das Auto. Zur Identifikation werfen wir einen Blick auf die Frontpartie:

Das Emblem auf der Kühlermaske verrät bereits, dass es ein Fiat sein muss. Die Doppelstoßstange nach amerikanischem Vorbild, die großdimensionierten Scheinwerfer und die verchromte Verbindungsstange sprechen dagegen, dass dies bloß eines der verbreiteten Mittelklassemodelle vom Typ Fiat 509 ist.

Stattdessen haben wir es sehr wahrscheinlich mit einem 6-Zylinderwagen des Typs Fiat 525 zu tun, der von 1928-31 gebaut wurde. Das 3,7 Liter große Aggregat leistete knapp 70 PS und verfügte damit über ausreichend Reserven für Passfahrten.

Wer beim Stichwort „Fiat 6-Zylinder“ stutzt, sei daran erinnert, dass die Turiner Marke vor dem 2. Weltkrieg keineswegs nur brave 4-Zylinderwagen wie den Typ 501 baute. Auch die 6-Zylindermodelle 52o und 521 waren recht erfolgreich.

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung im schweizerischen Kanton Tessin (italienisch: „Ticino“). Von dort dürfte auch die Reisegesellschaft stammen:

Wir sehen hier sieben Personen im bzw. am Fiat. Zusammen mit dem Fotografen wären es acht Insassen, die auf eine große Ausführung des Wagens schließen lassen. Dies unterstützt die Annahme, dass das Auto ein Fiat 525 mit langem Radstand und nicht lediglich ein äußerlich ähnlicher, aber deutlich kürzerer Typ 521 ist.

Viel mehr ist nicht zu der Reisegesellschaft zu sagen, die mit Fiat und Chauffeur einst über den Gotthardpass fuhr und die Schneemassen neben der Fahrbahn nicht fürchtete.

Passend dazu läuft bis Oktober 2016 eine sehenswerte Ausstellung im Baseler Automuseum „Pantheon“, die der Geschichte des Gotthardpasses gewidmet ist und zahlreiche außergewöhnliche Zeitzeugen präsentiert.

Endstation Apfelbaum: Ein Fiat 521 in Österreich

In den 1920er Jahren landete Fiat mit seinen Vierzylindermodellen 501 und 509 einen für europäische Verhältnisse großen Erfolg – auch in Deutschland.

Weniger Glück hatten die Turiner anfänglich mit ihren Sechszylindertypen. Der relativ großvolumige Fiat 512 wurde nur rund 2.500mal gebaut. Doch der mit geringerem Hubraum, aber gleicher Leistung daherkommende Typ 520 fand ab 1927 guten Absatz.

Noch besser verkaufte sich dann der von 1928-31 gefertigte Fiat 521, mit dem wir es auf folgendem Foto zu tun haben:

© Fiat 521 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser äußerlich an amerikanischen Vorbildern jener Zeit orientierte Wagen verfügte über einen Hubraum von nur 2,5 Litern, leistete nun aber bereits 50 PS. Damit war er dem „Standard 6“ der Frankfurter Adlerwerke ebenbürtig. Wie dieser verfügte der Fiat über hydraulische Bremsen, ab 1930 gab es außerdem Öldruckstoßdämpfer.

Gelobt wurden seinerzeit der ruhige Motorlauf und die ausgewogenen Fahreigenschaften des Fiat 521. Wie fast alle Fiats der Vorkriegszeit eignete sich die Konstruktion auch für den sportlichen Einsatz. 1930 wurde ein frisierter Fiat 521 immerhin Fünfter bei der Rallye Monte Carlo.

Dass der Wagen auf dem Foto tatsächlich ein Fiat 521 ist, wäre ohne die schräg verlaufende Typenbezeichung auf dem Kühlergrill schwer zu erraten:

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung in Wien bis 1930 (1. Buchstabe „A“). Erst danach kamen in Österreich Kennzeichen mit weißen Buchstaben auf schwarzem Grund auf. Umseitig ist das Foto beschriftet: „Unser Fiat bei St. Pölten“.

Auffallend sind auf obiger Ausschnittsvergrößerung die gusseisernen Speichenfelgen. Meist sieht man auf alten Bildern des Fiat 521 stattdessen Scheibenräder. Denkbar ist, dass es sich bei dem Fiat um ein Fahrzeug aus deutscher (NSU-Fiat) oder tschechischer (Walter) Produktion handelt, das ab Werk mit anderen Rädern ausgestattet wurde.

Wer sich damals einen solchen Fiat-Sechszylinder leisten konnte, musste  wohlhabend sein. Bei gutsituierten Leuten wurde auch nicht am Essen gespart, was wie heute oft genug ein unerfreuliches Breitenwachstum nach sich zog. Im vorliegenden Fall scheint sich aber eine gesunde Ernährung segensreich ausgewirkt zu haben:

Die junge Dame vor dem Fiat scheint nämlich – auch unter Berücksichtigung des Aufnahmewinkels – mindestens so groß wie der Wagen gewesen zu sein, und das sind immerhin 1,75 Meter.

Im Fonds des Fiat sitzt eine weitere Person, wohl eine gelockte Dame mit Hut – eventuell die Mutter. Über die näheren Umstände des Fotos ist nichts bekannt, vielleicht war man auf Urlaubsfahrt oder auf Verwandtenbesuch.

Wohl wissen wir aber, wie diese oder eine andere Fahrt endete, und zwar ausweislich der Beschriftung des nächsten Fotos an einem Apfelbaum:

© Fiat 521 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vermutlich kam der Wagen bei einem Ausweichmanöver von der Straße ab. Dabei scheint den Insassen nichts Ernstes passiert zu sein, sonst hätte man das Ergebnis wohl kaum so malerisch festgehalten.

Doch für den Fiat könnte der Kontakt mit dem Baumstamm das Ende bedeutet haben. So scheint es nicht nur Stoßstange und Schutzblech erwischt zu haben, sondern den rechten Teil der Vorderachse. Dies lässt weitere Schäden am Chassis vermuten.

Vielleicht ging die Sache aber auch glimpflicher ab, ein massiver Leiterrahmen kann einiges wegstecken.

Jedenfalls sieht man hier besser als auf dem ersten Foto die Typbezeichnung „521“ auf dem Kühlergrill. Das Kennzeichen wirkt stärker abgenutzt, sodass zwischen den beiden Aufnahmen wohl ein gewisser Abstand lag. Die Aufnahme des Fiat am Apfelbaum ist auf 1930 datiert, das erste Foto wird ebenfalls um diese Zeit entstanden sein.

Solche Momentaufnahmen aus einem Autoleben und dem Dasein ihrer einstigen Besitzer haben eine ganz eigene Magie. Man meint, in den langen Schatten und im hellen Licht der beiden Fotos noch etwas vom Sommer vor über 80 Jahren zu spüren…

Nachtrag: Ein weiteres Foto desselben Wagens (Nummernschild!) hat den Weg in die Sammlung von Raoul Rainer aus Stuttgart gefunden (siehe hier).

Fiat 509 S.M. Rennwagen von 1926 – rar und original

Fiat landete in den 1930er Jahren mit den Modellen 500 „Topolino“ und 508 „Balilla“ einen internationalen Erfolg, der sich nach dem 2. Weltkrieg mit den Nachfolgern 500 „Cinquecento“ und 1100 „Millecento“ noch eindrucksvoller fortsetzen sollte.

Doch schon in den 1920er Jahren zeigte die Turiner Marke, dass sie zu Massenproduktion auf hohem Niveau fähig war, was in Deutschland in dieser Größenordnung damals noch keinem Hersteller gelang.

Vorgestellt wurden auf diesem Blog bereits der Fiat 501, der von 1919-26 rund 80.000mal verkauft wurde, und der darauffolgende Fiat 509, der noch erfolgreicher war.

Historische Originalfotos des Fiat 509 finden sich zuhauf, auch im deutschsprachigen Raum, allerdings sind es meist konventionelle Modelle mit der Basismotorisierung von 20 PS aus 1 Liter Hubraum:

© Fiat 509 (evtl. auch 503); Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Die Serien-Fiats des Typs 509 waren Autos, die auch heute noch ein Lächeln auf das Gesicht des Betrachters zaubern. Was der Besitz eines solchen aus heutiger Sicht untermotorisierten Wagens einst bedeutete, davon erzählen diese alten Fotos.

Wer sich nicht vorstellen kann, dass ein 20 PS-Auto Freude auf Landstraßen machen kann, und nach mehr Sportlichkeit verlangt, dem kann geholfen werden.

Dazu muss man nicht einmal die Marke wechseln. Die Fiat-Motoren der 1920er und 30er Jahre waren bekannt dafür, dass sie eine heftige Leistungssteigerung vertrugen, ohne dass dafür der Hubraum vergrößert werden musste.

Im Fall des Fiat 509 bedurfte es auch nicht der Montage eines anderen Zylinderkopfs. Denn so unglaublich es klingt: Bereits die Serienausführung des 1-Liter-Aggregats verfügte über eine obenliegende Nockenwelle und bot damit gute Voraussetzungen für eine weitere Leistungssteigerung, die eine drehzahlfreudige Auslegung voraussetzte.

Höhere Verdichtung und modifizierte Vergaser sowie Feinarbeit im Ansaugtrakt waren die Rezepte für eine höhere Leistungsausbeute, die Fiat ab Werk in unterschiedlichen Stufen anbot:

Der sportliche Basistyp 509 S verfügte über 27 PS und wurde mit Bootsheck-Karosserie gebaut. Darüber gab es den 509 S.M., der 30 PS leistete und echte Rennwagenoptik bot. Mit ähnlichem Aufbau angeboten wurde außerdem der 509 S.M. „Coppa Florio“ mit 35 PS.

Ein originaler Fiat 509 S.M. mit recht gut dokumentierter Historie wurde bei den Classic Days 2016 auf Schloss Dyck vom britischen Auktionshaus Coys angeboten:

© Fiat 509 S.M. bei den Classic Days auf Schloss Dyck, 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Wer sich ein wenig mit dem Fiat 509 S.M. beschäftigt, wird schnell feststellen, dass zu diesem Modell wenig verlässliche Informationen im Netz verfügbar sind. Oft heißt es, dass das Kürzel „S.M.“ für „Sport Monza“ stehe. Doch das „S“ bedeutet tatsächlich „spinto“- was im Italienischen „frisiert“ oder neudeutsch „getunt“ bedeutet.

Unklar ist, wann der von Coys im August 2016 angebotene Fiat 509 S.M. gebaut wurde. Auf dem Heck des Wagens steht „Targa Florio 1926“, während Coys als Baujahr 1928 angibt. Die Diskrepanz ist damit zu erklären, dass es erst ab 1928 eine Zulassung des Wagens nachweisbar ist. Gebaut wurde das Chassis aber wohl schon 1926.

Offenbar wurde zwischenzeitlich die Montage eines Kompressors durch den Fiat-Händler Orselli im südfranzösischen Cannes erwogen. Doch wegen der Sorge um die Zuverlässigkeit einer solchen Konstruktion ließ man am Ende die Finger davon.

Ob der hier gezeigte Fiat 509 S.M. tatsächlich einmal an der „Targa Florio“ auf Sizilien teilgenommen hat, ist unsicher. Denkbar ist es, da in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre etliche Fiat 509 S.M. bei dem legendären Rennen in der Klasse bis 1100ccm antraten.

Jedenfalls gilt dieser prächtige Fiat 509 S.M. als einer der wenigen originalen ab Werk „frisierten“ Fiat 509, die noch existieren.

© Fiat 509 S.M. bei den Classic Days auf Schloss Dyck, 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Bei anderen heutigen Fiat 509 S.M. dürfte es sich um Specials aus späterer Zeit oder moderne Nachempfindungen handeln.

Daneben gibt es Fiat 509 Specials, die zwar nicht vom Werk in Turin, aber bereits in der Vorkriegszeit von zeitgenössischen Enthusiasten geschaffen wurden und natürlich ebenso authentisch sind. Der bekannteste und am besten dokumentierte historische Fiat 509 Special hierzulande dürfte der Fiat Adams Special von Michael Buller sein.