Wunderbar: Wanderer W11 „Gläser“-Cabrio von 1931

Im heutigen Blog-Eintrag geht es um einen alten Bekannten – zumindest für Leser, die meiner Dokumentation von Vorkriegswagen im deutschen Sprachraum schon eine Weile folgen.

Es geht um den von 1928 bis 1932 gebauten Typ W11 von Wanderer, mit dem die bis dato auf brave Vierzylinder spezialisierte sächsische Marke erstmals in die prestigeträchtige Sechszylinderklasse vorstieß.

Nach etwas bieder geratenem Beginn verpasste man dem 50 PS starken, großzügig dimensionierten Wagen ab 1929 ein angemessenes Erscheinungsbild.

Das lässt sich anhand einiger Originalfotos nachvollziehen, die ich bereits besprochen habe, darunter auch solche von Lesern (Dank an: Marcus Bengsch, Martin Möbus und Klaas Dierks):

Schnell zeigt sich, dass kaum einer dieser imposanten Wanderer-Wagen des Typs W11 wie der andere aussah.

Kein Wunder – Wanderer stellte den Karosseriebau beginnend im Jahr 1929 ein, und rund ein Dutzend Karosseriehersteller lieferten von da an Aufbauten für das Modell.

Nur die Frontpartie folgte den gestalterischen Vorgaben des Werks. Und genau dort vollzogen sich Änderungen, die das Erscheinungsbild entscheidend beeinflussten.

In den Modelljahren 1929 und 1930 präsentierte sich die Kühlerpartie des Wanderer W11 wie auf diesem Bildausschnitt:

Wanderer_W11_1929-30_Harzburg_Pfingsten_1932_Sammlung_Bengsch_Frontpartie

Wanderer W11 10/50 PS; Ausschnitt aus Originalfoto von Marcus Bengsch

Man beachte zum einen das traditionelle Wanderer-Emblem im oberen Teil der Kühlereinfassung, deren Unterseite markant geschwungen und stark profiliert ausgeführt war. Typisch ist zum anderen die optisch zweigeteilte Ausführung der Vorderschutzbleche mit ausgeprägten Sicken.

Das Fehlen der damals Wanderer-typischen Fahrtrichtungsleuchten auf den Kotflügeln ist ein Beleg für die oft individuelle Ausführung dieser Wagen (siehe das Porträt dieses Wagens hier) bzw. die spätere Nachrüstung von Winkern.

1931 kam es beim Wanderer W11 zu einer optischen Überarbeitung, die dem Wagen beinahe ein neues Gesicht gab:

Wanderer W11 10/50 PS; Originalffoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was hat sich hier getan? Im Wesentlichen zwei Dinge:

  • Die Kühlereinfassung wurde oben schlichter – d.h. „geradliniger“ – gestaltet und das altvertraute Wanderer-Emblem wich einem neuen Logo.
  • Die bis dato markant profilierten Vorderschutzbleche wichen glattflächigen Kotflügeln, die wie aus einem Guss wirken.

Beibehalten wurden die Wanderer-Kühlerfigur, die Doppelstoßstangen und die Scheinwerferstange.

Erstaunlich, welchen Effekt diese überschaubaren Veränderungen bewirkten. Denn der Wanderer W11 auf obigem Foto, das um 1970 bei einer Veteranenveranstaltung in Ostdeutschland entstand, könnte glatt für einen Cadillac durchgehen.

Wer das für übertrieben hält, studiere die folgende Aufnahme, die bei derselben Gelegenheit entstand (Zufälle gibt es…):

Cadillac von 1930; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Abgesehen vom unteren Kühlerabschluss wirkt dieser Wagen dem Wanderer wie aus dem Gesicht geschnitten.

Tatsächlich verhält es sich umgekehrt, denn diese zweite Aufnahme zeigt einen Cadillac von 1930. An dessen Äußerem hatte man bei Wanderer offenbar Maß genommen – ein Hinweis auf das Selbstbewusstsein, das man entwickelt hatte, aber auch auf die Vorbildwirkung von US-Automobilen noch in den frühen 1930er Jahren.

Nebenbei sind diese beiden Aufnahmen Zeugen der schon sehr früh lebendigen Vorkriegsautoszene im sich damals ausdrücklich „demokratisch“ nennenden Teil Deutschlands. Merke: Was besonders betont werden muss, ist meist nicht gegeben.

Was in Ostdeutschland unter den Bedingungen des Sozialismus an Vorkriegsautovielfalt erhalten worden ist, verdient Bewunderung und Dank.

Es mag damit zu tun haben, dass „die Partei“, deren Nachfolgeorganisation heute beschämenderweise im Bundestag sitzt, den „Genossen“ nur Fahrzeuge primitiver Bauart zubilligte (sofern sie verfügbar waren).

Einen Sechs- oder gar Achtzylinderwagen aus der Vorkriegszeit zu besitzen, muss da auf unerschrockene Charaktere magische Anziehungskraft gehabt haben.

Solchen Luxus im „Arbeiter- und Bauernstaat“, der unerlaubt in den kapitalistischen Westen ausreisende Insassen hinterrücks erschießen ließ, am Leben zu halten, mag bei manchem ein Akt der inneren Emigration gewesen sein.

Heute können wir uns so über eine Vielzahl herrlicher Vorkriegswagen freuen, die im Westen weitgehend verschwunden sind. Sicher wird der wunderbare Wanderer W11, den ich hier in der Ausführung als Cabriolet von „Gläser“ zeigen durfte, noch existieren.

Übrigens werde ich dem prächtigen Cadillac von 1930 gelegentlich ebenfalls noch meine Aufwartung machen…

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Ganz schön verwegen: Ein Fiat 518 „Ardita“ 2000

Zu den überraschenden Seiten der Beschäftigung mit Vorkriegsautos im deutschsprachigen Raum gehört die enorme Bedeutung ausländischer Marken in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren.

Dass US-Fahrzeuge seinerzeit einen heute unvorstellbaren Marktanteil besaßen – übrigens auch in Skandinavien sowie in Ost- und Südosteuropa – wird den meisten Kennern geläufig sein.

Vielleicht weniger bekannt ist, dass auch Fiat aus Turin noch vor dem Erfolg des 500er „Topolino“ Ende der 1930er Jahre längst eine allgegenwärtige Marke war.

Schon kurz nach dem 1. Weltkrieg fanden die Modelle 501 und 505, ab Mitte der 1920er dann die Typen 509 und 503 reißenden Absatz in deutschen Landen. Ihnen gemeinsam waren kompakte, zugleich drehfreudige und kaum zerstörbare Motoren.

Die parallel verfügbaren größeren Sechszylindertypen von Fiat blieben dagegen eher selten, wenngleich sie ebenfalls in meinem Blog vertreten sind. Ähnliches gilt für das Modell, das ich heute anhand eines besonders verwegenen Fotos vorstelle:

Fiat 518C „Ardita“ 2000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Naja, mag man jetzt denken – ein schönes Foto aus günstiger Perspektive, aber was soll an dieser konventionell wirkenden Limousine schon verwegen sein?

Eine ganze Menge, das fängt schon bei der Typbezeichnung an. Denn der Beiname des 1933 von Fiat in Mailand vorgestellten Vierzylindermodells „Ardita“ bedeutet soviel wie „die Kühne“, „die Mutige“, „die Kecke“ oder auch: „die Verwegene“.

Dabei sei daran erinnert, dass das Auto im Italienischen weiblichen Geschlechts ist– so heißt es „la macchina“ oder (kaum noch gebräuchlich) „l’autovettura“. Und so sehen wie hier „una Fiat cinquecento-diciotto Ardita duemila“ – soviel Zeit muss sein.

Die Identifikation des Wagens ist denkbar einfach, steht doch die Typbezeichnung in „verwegener“ Schrift auf dem Kühlergrill: „Ardita 2000“. Dennoch birgt dieses Auto eine ganze Reihe Überraschungen, wie wir sehen werden.

Der Fiat 518 Ardita markiert den Übergang von der konventionellen Bauweise der späten 1920er Jahre hin zu den hochmodernen Modellen, die die Turiner gegen Mitte der 1930er Jahre anboten.

Traditioneller Bauart waren folgende Details:

  • seitengesteuerter Vierzylinder mit 1,8 oder 2,0 Liter Hubraum (40 bzw. 45 PS)
  • blattgefederte Starrachsen vorne und hinten
  • Aufbau nach US-Vorbild mit nur mäßiger Windschnittigkeit

Moderne Elemente waren dagegen:

  • synchronisiertes 4-Gang-Getriebe
  • hydraulische Vierradbremsen und Stoßdämpfer
  • Ganzstahlkarosserie ohne Holzgerippe

Damit vereinte der Fiat 518 Ardita aus Sicht konservativer Käufer das beste aus zwei Welten.

Er bot eine klassische Karosserie mit viel Platz, großer Stabilität und geringem Gewicht (1.185 kg bei kurzem Radstand). Gleichzeitig waren zeitgemäße Fahrleistungen möglich (Spitze: 105 km/h), die diejenigen der Mercedes-Modelle 170 und 200 (W15 bzw. W21) übertrafen.

Attraktiv war das Fehlen eines Mittelpfostens, der einen bequemen Einstieg erlaubte, wie ihn heute aufgrund des Diktats der Stromlinie selbst Luxuswagen kaum noch bieten.

Dennoch hielt sich der Erfolg des Fiat 518 Ardita mit nur rund 7.500 Exemplaren in Grenzen. In den Schatten gestellt wurden die Qualitäten des Wagens recht bald durch die konsequent modernen Fiat-Modelle „1100“ und „1500“.

Umso überraschender ist es daher, einem dieser eher raren Fiat-Modelle ausgerechnet in Deutschland zu begegnen:

Das Kennzeichen verrät, dass dieser Fiat nach dem 2. Weltkrieg in der britischen Besatzungszone Rheinland zugelassen war, die Ziffernfolge 42 verweist auf Iserlohn.

Kurios ist, dass der Wagen immer noch einen „Notek“-Tarnscheinwerfer auf der Verbindungsstange zwischen den Hauptscheinwerfern trägt, wie er während des Kriegs bei Wehrmachtfahrzeugen, aber auch bei Zivil-PKW, üblich war.

Ein Grund für die Beibehaltung dieses Relikts aus Kriegszeiten fällt mir beim besten Willen nicht ein – hat ein Leser eine Idee dazu?

Von ein paar Dellen abgesehen scheint der Fiat das Kriegsgeschehen recht gut überstanden zu haben. Die beiden Hupen und der Nebelscheinwerfer könnten schon vor Kriegsbeginn montiertes Zubehör gewesen sein.

Man könnte sagen, dass dieser Fiat Ardita – hier als viertürige Limousine auf kurzem Fahrgestell (518C) – den Zeitumständen nach zu urteilen ganz gut dasteht.

Doch so kann man sich täuschen, denn der Fiat steht keineswegs auf dem Boden der Tatsachen:

Fiat 518C „Ardita“ 2000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier wird deutlich, aus welch „verwegener“ Perspektive dieser schöne Fiat 518 Ardita tatsächlich aufgenommen wurde, nämlich vom Dach einer Halle oder Garage aus, von der aus sich der Blick auf ein Werkstattgelände öffnet.

Während der Fiat auf einer hydraulischen Hebebühne schwebt, genießen drei nicht mehr ganz junge Männer einen Schluck zum Feierabend (?), während die junge Dame rechts am Bildrand die Situation zu genießen scheint.

Was mag der Anlass für dieses außerordentliche Foto gewesen sein? Vielleicht die erfolgreiche Inbetriebnahme der frisch montierten Hebebühne? Darauf würde das Umfeld mit allerlei Baumaterial deuten.

Auch hier sind Ideen von Lesern hochwillkommen, vielleicht erkennt jemand sogar das zweistöckige Fabrikgebäude im Hintergrund mit dem markanten Mittelbau, der aus den frühen 1920er Jahren stammen dürfte.

Das Foto ist zwar in der Nachkriegszeit entstanden, doch vom Besatzungskennzeichen abgesehen ist darauf nichts zu erkennen, was es nicht schon vor dem Krieg gab. Auch der Opel Blitz-Lastwagen im Hintergrund passt perfekt.

Nun liegt auch diese Szene schon wieder rund 70 Jahre zurück, und die Zeitzeugen werden immer weniger.

Umso mehr sind jüngere Generationen gefragt, wenn es um die Bewahrung unseres technologischen Erbes und die Dokumentation der Vorkriegszeit geht, von der bald nur noch die überlebenden Fahrzeuge und Fotos wie dieses übrig sein werden.

Mein Blog soll einen Beitrag dazu leisten – ich hoffe, das klingt nicht zu verwegen…

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Von Stettin nach Ladenburg: Ein Stoewer D9 von 1924

Auf den ersten Blick fällt es schwer, eine Verbindung herzustellen zwischen Stettin – der mittelalterlichen Hansestadt in Pommern – und Ladenburg – einer uralten Siedlung nahe Heidelberg, die 98 n. Chr. unter Kaiser Trajan zur römischen Stadt („civitas“) erhoben wurde.

Nicht nur viele Jahrhunderte unterschiedlicher Einflüsse und Geschehnisse trennen die beiden Städte – auch mehr als 800 km Wegstrecke. Die Geschichte, die ich heute erzähle, führt zwar auf erstaunlich gerader Linie von der Ostsee an den Neckar, wie wir noch sehen werden. Sie nimmt aber einige Jahrzehnte in Anspruch…

Als Ausgangspunkt stehen zur Auswahl: Stettin 1924, Gera um 1965 und Ladenburg 2017. Aus allen drei Perspektiven ließe sich die Geschichte erzählen.

Die Wahl fällt schwer, daher blenden wir kurzerhand zurück – ins Jahr 1908! Denn dort überschneiden sich die historischen Linien erstmals, die ich heute verfolge. 1908 verließen die ersten Automobile der Marke C. Benz Söhne eine kurz zuvor am Ortsrand von Ladenburg errichtete Backsteinfabrik mit großen Fensterflächen.

Mit dem Typ 8/18 PS verfolgten Carl Benz und seine Sprösslinge damals nach dem Ausscheiden aus der ursprünglichen Firma eigene Wege. Unterdessen begrüßte Stoewer in Pommern seine Kunden mit dieser Reklame zum Beginn des Jahres 1908:

Reklame für den Stoewer Typ G4 4/12 PS von 1908; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar bot Stoewer damals bereits Wagen mit 20 bis 50 PS an, doch mit dem hier stilisiert dargestellten kleinen Typ G4 durchbrachen die Stettiner erstmals die Marke von 1.000 Exemplaren.

Aus der Ladenburger Fabrik rollten dagegen bis zum Ende der Automobilproduktion 1924 zwar insgesamt nur einige hundert Wagen der Marke „C. Benz Söhne“. Doch wichtiger für den Fortgang unserer Geschichte ist, dass die Produktionshallen auf wundersame Weise die Zeiten bis ins 21. Jh. überdauert haben.

Wir verweilen noch einen Moment im Jahr 1924, als in Ladenburg die letzten beiden „C. Benz Söhne“ Wagen fertiggestellt wurden – sie blieben im Besitz der Familie. Im selben Jahr rollte in Stettin ein nagelneuer Stoewer des Typs D9 aus der Fabrik.

Der Stoewer D9 9/32 PS war der Nachfolger des seit 1920 gebauten Typs D3 8/24 PS, von dem ich in meinem Blog bereits etliche Exemplare vorstellen konnte:

 

 

 

Äußerlich sind der D3 und der stärkere D9 nicht immer leicht auseinanderzuhalten.

Mein Eindruck ist, dass eine gepfeilte Frontscheibe eher auf einen D3 verweist als auf den Nachfolger D9, wenngleich der D3 auch mit flacher Scheibe gebaut wurde.

Desgleichen ist m.E. der noch auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg verweisende oben eingezogene Abschluss der Karosserie beim Tourenwagen nur beim D3 zu finden, nicht mehr beim jüngeren D9.

Außerdem dürfte der D9 aufgrund des stärkeren Motors mehr Abwärme produziert und daher mehr oder größere Luftschlitze in der Haube aufgewiesen haben. Leider liefern die mir bisher vorliegenden Fotos noch keine eindeutige Evidenz in dieser Hinsicht und die Literatur schweigt ganz über solche formalen Details.

Immerhin eines ist sicher: Die ab 1925 gebauten Stoewer D9 unterschieden sich vom D3 (wie auch vom D9 der Vorjahre 1923/24) durch ein markantes Element, das hier zu sehen ist – Vorderradbremsen!

Stoewer D9V oder D12V; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In der Typbezeichnung schlug sich dies durch den Zusatz „V“ nieder, also D9V. Ebenso wurde der parallel mit Sechszylinder gebaute D12 in D12V umbenannt. Aus der Frontperspektive sind beide Motorenvarianten übrigens kaum zu unterscheiden.

Jedenfalls lässt das Fehlen der mächtigen Bremstrommeln an den Vorderrädern erkennen, dass man einen Stoewer D9 von 1923/24 (oder ggf. einen älteren D3…) vor sich hat.

Was schließen wir nun daraus, wenn wir diese Aufnahme betrachten?

Stoewer Typ D 9 9/32 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nun, folgende Elemente weckten – zusammengenommen – in mir den Verdacht, dass es eher ein D9 9/32 PS als der Vorgänger D3 8/24 PS sein dürfte:

  • flache Frontscheibe
  • gerade abgeschnittene Oberseite der Karosserieflanke
  • geschätzt 12 Luftschlitze in der Haube
  • in stumpfem Winkel auf das Trittbrett stoßendes Vorderschutzblech

Zu dieser Vermutung kam auch noch Glück dazu, als die Gelegenheit hatte, einen ausgewiesenen Stoewer-Kenner zu befragen – Jürgen Lüttgen aus Düsseldorf.

Er konnte mir nicht nur bestätigen, dass es sich um einen Stoewer D9 von 1924 handelt, sondern wusste auch, dass dieses Mitte der 1960er Jahre in Gera ( Stempel des örtlichen Fotogeschäfts) aufgenommene Fahrzeug noch existiert!

Kurze Zeit später erhielt ich von ihm Post zur gesamten Geschichte des Stoewer, aus der ich bei aller gebotenen Diskretion folgendes wiedergeben kann:

  • Der Stoewer wurde höchstwahrscheinlich 1924 in Stettin fertiggestellt und anschließend direkt per Eisenbahn ins thüringische Gera transportiert.
  • Dort wurde der Stoewer vom Fahrzeughaus Mornhinweg verkauft – die ersten vier bekannten Besitzer stammten allesamt aus Gera.
  • Zwischenzeitlich erhielt der Stoewer einen Aufsatz, mit dem sich der Tourenwagen in eine Limousine verwandeln ließ. Hersteller war die Peter Sackl Wagen- und Karosserie-Fabrik in Gera (erwähnt u.a. in „Der Motorwagen“ von 1922, online verfügbar hier).
  • In dieser Ausführung überlebte der Stoewer den 2. Weltkrieg und die Beutezüge der Sowjets. 1962 restaurierte der letzte Geraer Besitzer den Wagen als Tourenwagen. In diesem Zustand wurde er danach von einem unbekannten Enthusiasten fotografiert, dessen Abzug in meiner Sammlung landete.
  • Anfang der 70er Jahre setzte der Stoewer seinen Weg fort, nachdem er über 45 Jahre in Gera auf halbem Weg Zwischenstation gemacht hatte. Dabei ging es erstaunlich geradlinig vorwärts, betrachtet man die bisherige Route von Stettin.
  • Der nächste Halt war schon ganz in der Nähe des Ziels, nämlich in Heidelberg, wo der Stoewer nach kurzzeitigem Aufenthalt in der Sammlung von Motorsportjournalist und Rennfahrer Richard von Frankenberg einen neuen Besitzer mit alten Bezügen zu Stoewer aus Vorkriegstagen fand.

Nach vielen Jahren liebevoller Zuwendung wechselte der Stoewer nach dem Tod des Heidelberger Marken-Enthusiasten nochmals den Besitzer.

Diesmal hatte er es jedoch nicht weit – eigentlich hätte er die bisher letzte Etappe seiner Zeitreise auf eigener Achse zurücklegen können. Denn nun fand der Zeitzeuge aus dem fernen Pommern freundliches Asyl im nahegelegenen Ladenburg.

Kenner der deutschen Vorkriegsszene wissen natürlich, wo der Stoewer D9, von dem diese Geschichte berichtet, heute als einer der letzten seiner Art zu bewundern ist – im ehemaligen Werk von „C. Benz Söhne“ (heute: Automuseum Carl Benz).

Da steht nun der Stoewer D9 von 1924 genau an dem Ort, wo im Jahr seiner Entstehung die letzten beiden Automobile der Marke „C. Benz Söhne“ montiert wurden.

Die Arbeiter, die damals dem Ende des PKW-Baus in Ladenburg beiwohnten, konnten sich nicht vorstellen, dass „ihre Fabrik“ über 90 Jahre später noch existiert und dort Fahrzeuge der Vorkriegszeit der Nachwelt von einstigem Können künden.

Mich zog bei meinem ersten Besuch in den lichten Ladenburger Produktionshallen der Spitzkühler eines Stoewer besonders in den Bann:

Stoewer D9 9/32 PS von 1924 im Automuseum C. Benz, Ladenburg; Bildrechte: Michael Schlenger

Damals nahm ich gar nicht wahr, was auf der Typentafel neben dem Stoewer geschrieben stand – ich war fasziniert von dieser Frontpartie, die einer längst untergegangenen Welt entstammte, und dachte:

„Dieser Spitzkühler hat einst die frische Ostseeluft geteilt am Tag, als der Stoewer das Werk in Stettin verließ. Was mag er seither alles erlebt haben?“

Dass aus dem stolzen Stettin im fernen Pommern ein ziemlich direkter – wenn auch gemächlicher – Weg durch 90 Jahre deutscher Geschichte ins beschauliche Ladenburg und in die Gegenwart führen würde, das konnte ich damals nicht wissen.

Dass ich, ebenfalls ohne es zu wissen – zwischenzeitlich ein Dokument des langen Daseins dieses Stoewer im thüringischen Gera auflesen konnte, gehört ebenso zu den Freuden des Sammlers wie der Kontakt zu Kennern, denen ich viel Wissen und erzählenswerte Geschichten wie diese verdanke…

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Ein Traum wird wahr: Im 3er BMW nach Italien

Bis Mitte der 1950er Jahre waren Vorkriegsautos in Deutschland allgegenwärtig.

Zwar hatte der Krieg den Fahrzeugbestand gewaltig dezimiert. Doch die wenigen Privatwagen und zahlreiche bei Kriegsende mit leerem Tank irgendwo gestrandeten Zivil-PKW der Wehrmacht liefen mangels Alternativen weiter.

Wer wenige Jahre nach der Kapitulation in einem von der Kriegsfurie weitgehend verheerten Land ein Automobil sein eigen nannte, konnte sich glücklich schätzen. Noch glücklicher, wer sich damals einen Urlaub im sonnigen Süden leisten konnte.

Hier haben wir ein Foto, das von einer Italienfahrt im Vorkriegs-BMW Anfang der 1950er Jahre erzählt, mit der sich wohl jemand einen alten Traum wahr machte:

BMW der 3er Serie; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die an den markanten Doppelnieren als BMW erkennbare Limousine trägt noch ein Besatzungskennzeichen aus der amerikanischen Zone Bayern (AB). Die Kennung „68“ verrät, dass der Wagen einst im Städtchen Wolfratshausen zugelassen war.

Bevor uns mit der Identifikation des genauen Typs befassen: Woher wissen wir, dass diese Aufnahme in Italien entstand?

Nun, das verrät uns das Hinweisschild mit dem Kürzel A.C.I. hinter dem BMW:

Wer in der Schule Lateinunterricht genossen hat, mag mit A.C.I. zunächst den „Accusativus cum infinitivo“ verbinden – kurz Aci. Doch handelt es sich nicht um die von unaufmerksamen Schülern gefürchtete, sprachlich logische Konstruktion.

In entlegenen Regionen Italiens stößt man bisweilen noch auf das gleiche Schild mit dem verstellbaren Schraubenschlüssel, der hierzulande als „Engländer“ bekannt war, obwohl es ihn in gleicher Ausführung auch in Frankreich und Deutschland gab.

A.C.I. steht für „Automobile Club Italiano“ -im weitesten Sinne der italienische ADAC. Leider sind die näheren Angaben auf dem Schild nicht lesbar, sonst könnten wir den Aufnahmeort wohl recht genau bestimmen.

So wissen wir nur, dass dieser BMW einst auf einer der Nebenstraßen haltmachte, die ab den 1930er Jahren das bis dato kaum erschlossene ländliche Italien zugänglich machte.

Was lässt sich aber zu dem BMW auf diesem sommerlichen Foto sagen?

So detailreich die Aufnahme auf den ersten Blick auch erscheint, erweist sich der Fall als schwierig.

Halten wir fest: Kühlergrill mit Doppelniere wie an den Typen

  • 303 (Bj. 1933-34),
  • 309 (Bj. 1934-36),
  • 315 (Bj. 1934-37),
  • 319 (Bj. 1935-37).

Die unterschiedlich motorisierten BMWs waren äußerlich an Details auseinanderzuhalten, die aus dieser Perspektive nicht erkennbar sind.

Versuchen wir dennoch eine Annäherung. Beginnen wir mit der spätesten und stärksten in Frage kommenden Variante, dem Sechszylindertyp BMW 319:

Hier scheint alles übereinzustimmen – Kühler, Scheinwerfer, Stoßstange, Rahmen der unten ausstellbaren Frontscheibe. Nur die drei Chromleisten auf den horizontalen Luftschlitzen in der Motorhaube sind auf dem Ausgangsfoto nicht zu sehen.

Zudem verfügt der BMW 319 auf obigem Foto über zwei Scheibenwischer – nicht bloß einen wie der in Italien aufgenommene Wagen. Wie bei DKW dürfte dieses Detail jedoch nur ausstattungsabhängig gewesen zu sein.

Auf ein Detail macht jedoch Leser Andreas Moskart aufmerksam: die umlaufende Sicke an den Vorderschutzblechen – achten wir bei den nächsten Bildern darauf.

Werfen wir einen Blick auf den Vorgänger des BMW 319 – den ebenfalls mit 6-Zylinder-Motor ausgestatteten Typ 315:

Wesentliches Unterscheidungsmerkmal sind hier die auf mehrere Felder verteilten kleineren Luftschlitze mit jeweils einer waagerechten Zierleiste. Auf unserem Ausgangsfoto ist die entsprechende Partie leider verschattet.

Übrigens besitzt auch der BMW auf dem zuletzt gezeigten Foto einen verchromten Windschutzscheibenrahmen und zwei Scheibenwischer. Besagte Sicke an den Frontschutzblechen fehlt.

Dass es bei sonst identischer Karosserie auch anders ging, zeigt folgende Aufnahme:

BMW 309; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Hier ist nur ein Scheibenwischer auf der Fahrerseite und ein in Wagenfarbe lackierter Scheibenrahmen zu sehen.

Diesen BMW auf einem Foto von Leser Marcus Bengsch konnten wir (hier) als kleinen Vierzylindertyp 309 identifizieren, der ab 1934 gebaut wurde. Möglich war die Ansprache nur aufgrund der Anordnung der Luftschlitze in der Motorhaube. 

Auch hier ist die erwähnte umlaufende Sicke an den Vorderkotflügeln nicht zu sehen

Um die Verwirrung vollständig zu machen, zeigen wir noch eine Aufnahme des ersten BMWs, den die charakteristische Doppelniere zierte:

Hier haben wir einen BMW des Sechszylindertyps 303 vor uns, der im Jahr 1933 vorgestellt wurde.

Er war der erste BMW, der die Doppelniere am Kühler trug und unterschied sich vom ein Jahr später eingeführten 309 äußerlich nur durch die direkt ins Blech eingestanzten und etwas weiter oben endenden Luftschlitze in der Haube.

Da wir auch hier den lackierten Frontscheibenrahmen und nur einen Scheibenwischer sehen, scheidet die Hypothese aus, dass diese Details Merkmale von Vierzylindertypen waren.

Leider ist dem Verfasser keine Literatur bekannt, die sich ähnlich akribisch mit den BMW-Vorkriegsmodellen beschäftigt, wie das beispielsweise bei den einstigen Marken des Auto-Union-Verbunds (Audi, DKW, Horch, Wanderer) der Fall ist.

Von daher muss bis auf weiteres offen bleiben, welcher BMW-Typ genau da in der frühen Nachkriegszeit irgendwo in Italien unterwegs war. Nur den Typ 319 können wir dank des Hinweises von Leser Andreas Moskart ausschließen.

Klar ist: Hier verwirklichte sich einst jemand einen Traum vom Süden, den der Verfasser sehr gut nachvollziehen kann. Im eigenen Wagen über die Alpen nach Italien zu fahren, das ist ein besonderes Erlebnis, ob mit 22, 30 oder 34 PS.

Das waren die Höchstleistungen, die die 3er BMWs in den frühen 1930er Jahren boten. So ändern sich die Zeiten – nur Italien bleibt, was es schon immer war: ein Traum…

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Metamorphosen: Vom Audi Front „UW“ zum Typ 225

Beim Stichwort Metamorphosen denkt man wohl nicht unmittelbar an Automobile der Vorkriegszeit.

Doch führt ein Weg von der gleichnamigen Sammlung mythischer Verwandlungsgeschichten des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr.-17 n. Chr.) dorthin:

  • Ovid erzählt in Buch 2 seiner Metamorphosen die Geschichte des Sohnes des Sonnengottes Helios.
  • Der Sprössling – offenbar ein Freund exklusiver Fortbewegung – leiht sich den Wagen des Vaters aus, mit dem die Sonne ihren Weg über das Firmament nimmt.
  • Der übermütige Sohn verliert die Kontrolle über das Gefährt, wodurch die Erde in Flammen gerät.
  • Am Ende der katastrophalen Ausfahrt stürzt der Draufgänger in den Tod.

Der Name des tragischen Helden, der Großes versuchte und an Selbstüberschätzung scheiterte, lautete „Phaeton“…

In Anlehnung an den mythischen Sonnenwagen wurde „Phaeton“ im klassisch gebildeten 19. Jahrhundert die Bezeichnung für eine leichte offene Kutsche.

Bei Aufkommen der ersten Automobile nannte man dann Wagen mit einfachem offenen Aufbau ebenfalls Phaeton:

NAG Typ N2 6/12 PS „Puck“, Reklame von 1908/09

Wie diese Originalreklame von NAG aus Berlin deutlich macht, wird „Phaeton“ nicht „Fäton“ ausgesprochen, sondern „Fa-eton“. Später löste die Bezeichnung Tourenwagen den archaisch klingenden Namen Phaeton ab.

Damit hätten wir im Unterschied zum Sohn des Sonnengottes noch die Kurve gekriegt und können uns endlich den Verwandlungen des Audi Front Typ „UW“ widmen.

Teilweise erzählt hatten wir die Geschichte dieses ab 1933 gebauten Fronttrieblers bereits vor einiger Zeit. Doch nun ist ein Foto aufgetaucht, mit dem wir die einzelnen Stadien der Verwandlung des Typs genauer illustrieren können.

Audi verfolgte wie viele deutsche Hersteller der späten 1920er Jahre eine heillos verfehlte Modellpolitik. Während im übrigen Europa – selbst im armen Italien –  längst die Großserienproduktion nach US-Vorbild eingesetzt hatte, meinten unzählige Marken hierzulande, ihr Glück im Oberklassesegment versuchen zu müssen.

Dieser ans Irrationale grenzende Ansatz brach auch Audi fast das Genick. Rettung kam jedoch in Form der Übernahme durch DKW-Chef Rasmussen, der im Zwickauer Audi-Werk die Chance zur Massenproduktion sah.

Erst einmal leistete sich DKW allerdings den Fehlschlag mit der Fertigung amerikanischer Rickenbacker-Motoren für Audi Modelle.

Doch bei den DKW-Kleinwagen hatten die Zwickauer gezeigt, wie attraktiv man Fronttriebler verpacken konnte und wie gut sie sich verkaufen ließen, wenn man über ausreichende Produktionskapazitäten verfügte.

So plante man für die einverleibte Marke Audi eine neue Karriere als Hersteller frontgetriebener Wagen, die oberhalb der kleinen DKWs angesiedelt waren. 1933 war es soweit – der erste Audi Front wurde präsentiert:

Audi Front Typ „UW“ 8/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Im Audi Front kam ein Wanderer-Sechszylindermotor mit 40 PS zum Einsatz.

Hintergrund: In der Zwischenzeit war auf Betreiben der Gläubigerbanken DKW nebst Tochter Audi mit Horch in der Auto Union zusammengefasst worden, zu der sich noch Wanderer aus Chemnitz gesellte.

Man erkennt die ganz frühen Exemplare des Audi Front übrigens am Fehlen seitlicher „Schürzen“ an den vorderen Schutzblechen wie auf obiger Aufnahme.

Doch schon ab Herbst 1933 wurden am Audi Front Vorderschutzbleche mit seitlichen Schürzen verbaut. Vorerst beibehalten wurden die großen Luftklappen in der Haube:

Audi Front Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man mag jetzt die Qualität des Fotos beanstanden, doch ist zu bedenken, dass von diesem Modell nur einige hundert Exemplare gefertigt wurden. Jede Originalaufnahme darf man daher beinahe als Rarität ansehen.

Nachdem diese Ausführung des Audi Front im Herbst 1933 auf den Markt gekommen war, wich sie schon im Frühjahr 1934 einer modellgepflegten Version. Diese ist am Übergang zu schrägstehenden Luftschlitzen in der Motorhaube zu erkennen.

Audi Front Typ UW Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man mag kaum glauben, dass unter der Haube dieses eindrucksvollen, 1,3 Tonnen schweren Oberklassefahrzeugs nach wie vor derselbe 40 PS-Sechszylinder arbeitete.

Selbst die in der gehobenen Mittelklasse angesiedelten Hanomag-Sechszylinder des Typs „Sturm“ leisteten 1934 bereits 50 PS.

Die miserablen Absatzzahlen des formal so gelungenen Audis resultierten 1935 im Einbau eines 2,25 Liter großen Sechszylinders mit nun 50 PS. Äußerlich ist dieser Audi Front 225 kaum vom oben gezeigten späten Audi Front Typ UW zu unterscheiden.

Woher wissen wir also, dass die Heckansicht des Wagens (eine weitere Rarität) nicht ebenfalls den motorenseitig modernisierten Audi Front 225 zeigt?

Nun, auf der Rückseite des zu „DDR“-Zeiten in Ostdeutschland entstandenen Fotos wurde einst fein säuberlich von Hand vermerkt:

Audi Typ UW Zyl. 6, Hub 2000, PS 40, Baujahr 1934

Solche zeitgenössischen oder später aus dem Gedächtnis festgehaltenen Angaben müssen nicht immer richtig sein, doch der Detaillierungsgrad lässt vermuten, dass sich der Fotograf mit dem Besitzer unterhalten oder Angaben am Fahrzeug selbst notiert hat.

Eine letzte Metamorphose des Audi Front erfolgte 1936, als das leistungsgesteigerte und formal verfeinerte Modell „Front 225 Luxus“ auf den Markt kam:

Audi Front Typ 225 Luxus; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Doch damit wären wir am Ende dieser „Metamorphosen“ angelangt. Die Fortsetzung ist Gegenstand gleich mehrerer eigener Blogeinträge (hier, und hier).

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Elegantes Intermezzo: Adler „Favorit“ Weinsberg

Zu den bedeutenden deutschen Automarken, die aus kaum verständlichen Gründen immer noch einer zeitgemäßen Aufarbeitung der Typengeschichte harren, gehört Adler aus Frankfurt am Main.

Sicher, es gibt das Standardwerk von Werner Oswald „Adler Automobile 1900-1945“, doch diese Darstellung ist bald vierzig Jahre alt und ist speziell für die Zeit vor 1925 ziemlich lückenhaft, was das Bildmaterial angeht.

Selbst die Adler-Galerie dieses Blogs, der gerade einmal seit 2015 besteht, enthält wesentlich mehr Originalfotos ganz früher Adler-Wagen (und im Fundus des Verfassers schlummert noch einmal mindestens die gleiche Zahl).

Einigermaßen vollständig und zuverlässig ist das Oswaldsche Opus hingegen, was die ab 1925 gebauten Typen angeht – Lücken fallen freilich auch dort ins Auge.

Immerhin zeichnet das Werk die Geschichte des Wagentyps gut nach, um den es heute (wieder einmal) geht. Die Rede ist vom Vierzylindermodell „Favorit“ 8/35 PS, der ab 1928 parallel zum Standard 6 und dem noch größeren Standard 8 angeboten wurde.

Allgemein lassen sich zwei Entwicklungsstufen dieses Typs unterscheiden – hier der erste, dem wir bereits ein ausführliches Porträt gewidmet haben:

Adler „Favorit“, Bauzeit: 1928-30; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Erkennen lässt sich die erste Generation des Adler „Favorit“ an folgenden Details:

  • fünf Radbolzen (Standard 6 und Standard 8 besaßen sieben davon),
  • zweiteilige Vorderschutzbleche mit starker umlaufender Profilierung,
  • zwei Reihen horizontaler Luftschlitze,
  • Kühlermaske mit in das Kühlernetz hineinragendem Adler-Emblem.

Zum Einprägen nachfolgend die genannten Details in der Ausschnittsvergrößerung:

Übrigens wurde diese Ganzstahlkarosserie nach amerikanischem Vorbild vom Presswerk Ambi-Budd in Berlin bezogen und entsprach weitestgehend der des Adler Standard 6 (Radstand und Reifengröße unterschieden sich allerdings).

Auch bei der zweiten Modellgeneration des Adler „Favorit“ lieferte Ambi-Budd die behutsam modernisierten Karosserien.

Zur Illustration dieser Generation des Adler „Favorit“ zeigen wir eine bisher unveröffentlichte Aufnahme aus der Nachkriegszeit:

Da hatte doch tatsächlich ein Adler „Favorit“ in der Ostzone überlebt – von den Kommunisten zynisch als Deutsche Demokratische Republik (DDR) tituliert.

Der Herr neben dem gut erhaltenen Adler war vermutlich nicht der Besitzer, wusste aber offenbar zu schätzen, was im Zentrum einer unbekannten ostdeutschen Stadt parkte.

Im Hintergrund sehen wir einen Lebensmittelladen der staatlichen Handelsorganisation („HO“) und ein Geschäft für Güter des täglichen Bedarfs, das von einer Konsumgenossenschaft betrieben wurde, daher die Bezeichnung „Konsum“.

An dem stattlichen Adler, der in fast jeder Hinsicht alles übertraf, was die sozialistische Mangelwirtschaft an fahrbaren Untersätzen zustandebrachte, lässt sich das Erscheinungsbild der zweiten Generation des „Favorit“ studieren:

Folgende Elemente zeichnen diese ab 1931 montierten Aufbauten aus:

  • Einteilige Vorderschutzbleche ohne Profilierung, vorne gerundet
  • eine durchgehende Reihe senkrechter Luftschlitze in der Motorhaube
  • in das Oberteil der Kühlermaske intgeriertes Adler-Emblem

Nach wie vor besaß der Adler „Favorit“ fünf Radbolzen, doch damit unterschied er sich nun nicht mehr vom Standard 6. Der war fast nur noch an der von einer Raute eingeschlossenen „6“ vor dem Kühler zu erkennen.

An dieser Stelle würde eines der gedruckten „Oldtimer“-Magazine wohl abbrechen  man braucht schließlich noch Platz für die vierseitige Besprechung des VW Golf III von 1991-1997, der garantiert ein Klassiker der Zukunft wird (Ironie aus).

Dieses Beispiel stammt übrigens aus der „Oldtimer-Praxis“, Ausgabe 10-2018, in der kein einziges Vorkriegsauto besprochen wird (der Mercedes 170 von 1950 zählt nicht). Wenigstens widmet man sich am Schluss dem famosen Motor des Ford Model T…

Zurück zum Adler „Favorit“, mit dem wir noch lange nicht fertig sind, denn natürlich gab es in der Vorkriegszeit stets mehr als nur die Standardtypen von Serienwagen, auch bei Adler. Einige Spezialversionen wollen da noch vorgestellt werden.

So gab es beim grundsoliden Adler „Favorit“ Abweichungen von der Norm, die für den Vorkriegsenthusiasten das Salz in der Suppe sind. Nehmen wir dieses Cabriolet etwa:

Adler „Favorit“ Cabriolet, Baujahr: 1930/31; Originalfoto aus Archiv Thomas Ulrich

Diese reizvolle Aufnahme verdanken wir Thomas Ulrich, der sich unter anderem auf Vorkriegsfahrzeuge aus seiner Heimatstadt Berlin spezialisiert hat und zu den rührigen Mitgliedern der deutschen Automobilhistorischen Gesellschaft (AHG) gehört.

Als Erstes fällt an dem Adler auf, dass ihm die Erdenschwere der Limousine fehlt – das liegt nicht nur an dem luftigen Aufbau als zweitüriges Cabriolet, sondern auch am raffinierten Schwung des Karosserieabschlusses oberhalb des Schwellers.

Die Vemeidung der öden Geraden ist es häufig, die Vorkriegsautos davor bewahrt, so sachlich daherzukommen wie ein beliebiges Industrieprodukt. Was fällt außerdem noch auf an diesem eleganten Adler? Schauen wir näher hin:

Hier gibt es Bemerkenswertes festzuhalten:

  • Die zweiteiligen, profilierten Vorderschutzbleche entsprechen noch der ersten Modellgeneration,
  • Anordnung und Ausführung der Haubenschlitze verweisen auf die zweite Generation
  • Das Adler-Emblem auf der Kühlermaske ist nach oben gewandert, doch scheint der obere Abschluss des Kühlerausschnitts noch gewölbt zu sein.

Dieses Nebeneinander von Elementen der ersten und der zweiten Generation des Adler „Favorit“ findet sich ähnlich in Werner Oswalds Adler-Standardwerk auf S. 53.

Dort ist das Foto einer Limousine abgebildet, deren Karosserie genau in der Übergangszeit zwischen den beiden Generationen des Adler „Favorit“ angesiedelt ist. Geliefert wurde sie vom Karosseriewerk Weinsberg aus der Region Heilbronn.

Altmeister Werner Oswald liefert uns noch eine Information dazu, und zwar in seinem weiteren Standardwerk „Deutsche Autos 1920-45“.

Dort heißt es, dass die Karosseriewerke Weinsberg 1930/31 rund 100 solcher Zwitter-Aufbauten für den Adler Favorit gefertigt hätten. Allerdings spricht er nur von Limousinen.

Nun stellt sich die Frage: Bauten die Karosseriewerke Weinsberg im Zuge dieses Intermezzos auch offene Versionen wie auf dem Foto von Thomas Ulrich? Denkbar ist natürlich alles, zumal die Firma Weinsberg in Manufaktur arbeitete.

Wie so oft ist es bedauerlich, dass wir nur die alten Aufnahmen als Zeugen solcher Spezialaufbauten haben, die einstigen Besitzer uns aber nichts mehr dazu sagen können:

Die beiden Insassen, die uns hier über einen Abstand von über 85 Jahren selbstzufrieden anschauen, hätten wohl einiges zu den Besonderheiten ihres Adler-Cabriolet zu berichten gewusst.

Leider ist von dem Wagen wie von seinen Besitzern wohl nichts geblieben als dieser alte Abzug aus den frühen 1930er Jahren. Oder kann jemand doch noch etwas mehr zu diesem raren Adler-Cabriolet aus mutmaßlicher Weinsberg-Produktion sagen?

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Der kolossale Reiz des Kapitalismus: Packard von 1927

Wenn Auktionshäuser heutzutage Vorkriegsautos anbieten, dann meist mit Fotos, die die Fahrzeuge in möglichst neuwertigem Zustand in einer Umgebung zeigen, die wenig mit der Welt zu tun hat, in der sie einst unterwegs waren.

Die Autos sollen makellos erscheinen, Bezüge zur Vergangenheit werden vermieden, besonders hierzulande, wo man sich gern fortschrittlich gibt.

Ganz anders ist das Bild, das historische Automobilfotos zeichnen. Dort kommt man an den zeittypischen Gegebenheiten nicht vorbei.

So begegnet man Vorkriegswagen im deutschsprachigen Raum oft im Kontext des aufstrebenden nationalsozialistischen Regimes oder im Inferno des 2. Weltkriegs.

Später trifft man sie wieder als Überlebende in der frühen Bundesrepublik oder als Relikte in der zweiten sozialistischen Diktatur auf deutschem Boden, der DDR.

Dabei ergeben sich erstaunliche Konstellationen wie die auf folgendem Foto, das in den 1960er Jahren in Ostdeutschland entstand:

Packard „Eight“ von 1927; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir zwei „Genossinnen“, wie sie im sozialistischen Jargon von „der Partei“ angesprochen wurden – einige Jahre zuvor hätten sie „der Partei“ noch als Volksgenossinnen gegolten…

Jedenfalls sind die beiden in der DDR in den 1960er Jahren neben einem Luxuswagen abgelichtet worden, den Offizielle des braunen wie des roten sozialistischen Regimes ganz klar als amerikanisches Kapitalistenauto gebrandmarkt hätten…

Dieser dicke Brocken ist tatsächlich ein veritables Kapitalistengefährt – ein Packard von 1927 mit Reihenachtyzlinder und über 100 PS Leistung.

Identifikation und Datierung des Typs sind anhand der Kühlerform (typisch Packard), den seitlichen Luftklappen in der Haube, den trommelförmigen Scheinwerfern, den vorn abgerundeten Kotflügeln und den schüsselförmigen Scheibenrädern mit acht Bolzen möglich.

Somit bewegten sich die beiden jungen DDR-Untertanen auf dem Foto einst ganz klar in den gefährlichen Gefilden des kapitalistischen Klassenfeinds:

Eine solche mächtige Sechsfenster-Limousine war so ziemlich das Letzte, was „der Partei“ für die Genoss/innen vorschwebte. Für die allwissenden Parteivertreter galten natürlich andere Regeln…

Dass jemand unter den bescheidenen Bedingungen des „real existierenden Sozialismus“ offenbar einen dicken Dampfer wie diesen Packard aus dem Jahr 1927 am Laufen hielt, das verdient höchste Anerkennung.

Viel kaputtgehen konnte allerdings an dem Wagen auch nicht viel. Neun Kurbelwellenlager und 6,3 Liter Hubraum sorgten für ein langes Motorenleben.

Die mechanischen Vierradbremsen dürften ebenfalls kaum für Kopfzerbrechen gesorgt haben, so etwas lässt sich auch ohne Originalersatzteile in Betrieb halten.

Vermutlich existiert dieses grandiose Auto heute noch. Statten wir bei der Gelegenheit Dank ab bei unseren ostdeutschen Landsleuten, denen wir das Überleben so vieler eindrucksvoller automobiler Zeugen der Vergangenheit verdanken.

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Alter Bekannter: Ein Brennabor Typ S 6/20 PS Tourer

Heute ist ein alter Bekannter an der Reihe, den wir vor längerer Zeit schon einmal hier vorgestellt haben – der Typ S 6/20 PS der Marke Brennabor aus Brandenburg an der Havel.

Wer mit dem Hersteller bislang nur Zweiräder und Kinderwagen verbindet, wird überrascht zur Kenntnis nehmen, dass Brennabor nach dem 1. Weltkrieg zeitweilig Deutschlands größter Autohersteller war.

Hier eine aufwendig gestaltete Reklame aus dem Jahr 1919, die vom Selbstbewusstsein der Marke als Autohersteller kündet:

Originalreklame aus der Zeitschrift „Motor“ (1919), aus Sammlung Michael Schlenger

Wie Konkurrent Opel, der später davonzog, hatte man in Brandenburg die Zeichen der Zeit erkannt und setzte auf Fließbandfertigung nach amerikanischem Vorbild.

Die daraus resultierenden Stückzahlen blieben gegenüber US-Marken aber auch den europäischen Herstellern Citroen und Austin zwar vergleichsweise gering.

Gemessen an den Verhältnissen des weit weniger entwickelten deutschen Markts waren die fünfstelligen Stückzahlen, die Brennabor mit den Typen P 8/24 PS und R 6/25 PS zuwegebrachte, blieb der von 1922-25 gebaute Typ S 6/20 PS recht selten.

Einen der wenigen überlebenden Wagen dieses Typs konnten wir bereits anhand eines Fotos der späten 1960er Jahre präsentieren:

Brennabor Typ S 6/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme entstand in Ostberlin anlässlich eines Oldtimertreffens und – wie es scheint – lichtete bei dieser Gelegenheit ein Brennabor-Freund seine mutmaßlich bessere Hälfte neben dem Auto ab.

Unterdessen ist eine zweite Aufnahme desselben Autos aufgetaucht, die sehr wahrscheinlich am selben Tag, jedoch aus etwas anderer Perspektive entstanden ist.

Der Zustand des Brennabor ist praktisch identisch – man beachte beispielsweise die abgefahrenen Reifen, außerdem scheint auch er das Sonderkennzeichen „510“ zu tragen, das den Wagen nach DDR-Usus als historisches Kraftfahrzeug auswies.

Die Bodenbeschaffenheit sowie der Maschendrahtzaun im Hintergrund sprechen ebenfalls für eine identische Aufnahmesituation.

Etwas besser als auf dem ersten Foto sieht man hier die wahrscheinlich nicht originalen Scheinwerfer, die eine Spur zu groß sind. Zudem sitzt nun auf einmal auf der Rückbank ein gelangweilt – oder entrückt – wirkendes Mädchen.

Ob sich bei ihr später doch eine Beziehung zu dem Brennabor der Familie eingestellt hat?

Nun, da der Wagen sicher noch existiert und angesichts der geringen Zahl der überlebenden Exemplare in der Szene bekannt sein dürfte, wird sich vielleicht klären lassen, wer die junge Dame ist – vielleicht gehört ihr das Auto ja sogar heute…

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Pannenhilfe für den Klassenfeind: Chrysler von 1927

Es gibt Freunde von Vorkriegsautos, die mit US-Fabrikaten wenig anfangen können. Dabei spielt eine Rolle, dass praktisch alle bekannten amerikanischen Hersteller Massenware produzierten – was soll dabei schon Interessantes herauskommen?

Doch wird bei dieser Sichtweise folgendes übersehen:

  • Es war das Vorbild der amerikanischen Industrie, das nach dem 1. Weltkrieg in Europa zur Konstruktion von Fahrzeugen führte, die kein Luxus mehr waren.
  • Zudem waren die Amerikanerwagen, wie sie damals in Deutschland genannt wurden, auch in gestalterischer Hinsicht absolut tonangebend.
  • Schließlich ermöglichte die Massenproduktion eine Vielzahl an Karosserievarianten ohne Inanspruchnahme von Manufakturbetrieben.

Kein Wunder, dass die ab Mitte der 1920er Jahre von den wenigen deutschen Großserienherstellern – Adler, Brennabor und Opel – angebotenen Mittelklassewagen, formal bis ins Detail zeitgenössischen US-Modellen folgten.

Dass die damals lange Zeit selbstzufriedene und auf Nischenfahrzeuge konzentrierte deutsche Autoindustrie doch noch die Kurve bekam, ist letztlich der Konkurrenz der ausgereiften, robusten und modernen US-Importmodelle zu verdanken.

Deren enorme Präsenz im deutschen Straßenbild können wir uns heute kaum noch vorstellen. Umso bedeutender für das Verständnis der Rolle der amerikanischen Großserienwagen sind die erhaltenen historischen Aufnahmen.

Hier haben wir erst einmal ein sehr typisches Beispiel aus Niedersachsen:

Chrysler „Four“ von 1926/27; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese sechsfenstrige Limousine von Chrysler mag banal wirken – genau so sah der typische Wagen der späten 1920er Jahre aus. Ohne den Kühler wäre der Hersteller kaum zu identifizieren.

Anhand einiger Details lässt sich dieser Chrysler als Vierzylindertyp F-58 bzw. F-50 „Four“ ansprechen, wie er 1926/27 mit nur wenigen Änderungen zehntausendfach produziert wurde.

Faktisch handelte es sich bei dem Modell um einen überarbeiteten Maxwell – neben Chalmers eine der Keimzellen der 1924 neu am Markt auftretenden Marke Chrysler.

Mit seinem 38 PS-Motor war der Chrysler-Vierzylinder unspektakulär. Doch entscheidend für den Erfolg war, dass er sich wirtschaftlich in Großserie fertigen und damit preisgünstig absetzen ließ.

Mehr gibt es zu diesem Chrysler kaum zu sagen – bloß die Frontpartie behalten wir im Hinterkopf. Zugelassen war der Wagen übrigens im Landkreis Dannenberg:

Dass es von dem bodenständigen Chrysler weit attraktivere Varianten gab, werden wir gleich sehen.

Schon seit 1925 bot Chrysler das fast 70 PS leistende Sechszylindermodell B-70 „Six“ an, das serienmäßige hydraulische Vierradbremsen besaß. 1927 wurde ergänzend ein noch größerer Sechszylinder mit über 90 PS ins Angebot aufgenommen.

Für uns interessanter sind aber die 12 unterschiedlichen Karosserieversionen, die für die Sechszylindertypen verfügbar waren. Beim Vierzylindermodell konnte man immerhin zwischen fünf (1926), später acht (1927) Varianten wählen.

Dabei handelte es sich durchweg um Werkskarosserien – die höchste Fertigungsstandards erfüllten und weit billiger als Spezialaufbauten waren.

Aus Sicht des Verfassers besonders reizvoll war die typisch amerikanische Ausführung als Rumbleseat-Roadster, also als offener Zweisitzer mit ausklappbarer Notsitzbank im Heck. Diese Ausführung wirkte besonders sportlich und war zugleich preisgünstig.

So einen Chrysler Roadster des Baujahrs 1927 können wir heute auf einem Foto bestaunen, das wir (wieder einmal) Designer Matthias Kraus aus Halle verdanken:

Chrysler 70 „Six“ von 1927; Originalfoto mit freundlicher Genehmigung von Matthias Kraus

Hier hat ein DDR-Pannendienst mit einem Barkas (wenn nicht alles täuscht) doch tatsächlich einen Wagen des „Klassenfeinds“ aus Übersee huckepack genommen!

Wie kam es zu dieser kuriosen Situation, bei der Autos aus zwei Welten und einander feindlichen Gesellschaftssystemen in friedlicher Symbiose vereint waren?

Nun, dieser schöne Schnappschuss entstand 1979 anlässlich des 750-jährigen Jubiläums des Fachwerkkleinods Wernigerode (Sachsen-Anhalt).

Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, präsentierten sich die Wernigeroder „Genossen & Genossinnen“ anlässlich eines Festumzugs von ihrer besten Seite.

Dazu zählte der ortsansässige PGH-Autoservice, der sicher so manchem zweitaktenden Autofahrer einst aus der Patsche geholfen hat.

Außerdem präsentierte man auch eines der Vorkriegsschätzchen, die unter den von stetigem Mangel geprägten Verhältnissen der DDR hingebungsvoll gepflegt wurden:

Dieses Prachtexemplar lässt sich anhand der Vorderpartie zuverlässig als Chrysler identifizieren.

Die Datierung auf 1927 basiert auf der Zierleiste an der Tür auf Höhe des Griffs. Wenn nicht alles täuscht, gab es dieses Detail nur am „kleinen“ Sechszylindertyp 70. 

Aus dieser Perspektive erscheint der Chrysler komplett original und makellos erhalten. Auch wenn er mit durstigem Motor und miserabler Ersatzteillage im Alltag nicht mehr zu bewegen war, muss ihn jemand sehr geliebt haben.

Vielleicht war es ein Auto, das einst den Eltern gehörte; eines, das auf vielen Fotos im Familienalbum abgebildet war und für das genügend Platz auf dem Anwesen war, wo man ab und zu eine Runde damit fuhr.

Vielleicht repräsentierte dieser Wagen auch den sonst kaum erfüllbaren Traum von Schönheit, souveräner Leistung und Prestige – das Gegenteil dessen, was die Ostberliner Führung für den sozialistischen Untertan vorgesehen hatte.

Man stelle sich das vor: ein amerikanisches Massenprodukt aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ist noch über 50 Jahre später ein Objekt, auf das sich Sehnsüchte projizieren ließen oder das Erinnerungen aus vorsozialistischen Zeiten wachrief.

Im richtigen Kontext betrachtet wird so ein US-Großserienautomobil der gehobenen Mittelklasse mit einem Mal zu etwas ganz Besonderen.

Um solche überraschenden – durchaus persönlichen – Perspektiven bei Vorkriegsautos geht es dem Verfasser…

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Sieg der Moderne: Ein Plymouth P8 von 1939 in Essen

Moderner als im heutigen Eintrag wird es auf diesem Blog für Vorkriegsautos nur selten zugehen – und das ist gut so.

Denn so sehr der Verfasser die automobilen Klassiker der 1950/60er Jahre schätzt – von denen er selber welche besitzt – so sehr schmerzt ihn die Zäsur des 2. Weltkriegs, mit der das alte Europa in mehr als nur formaler Hinsicht untergegangen ist.

Daran mitgewirkt haben nicht nur die faschistischen und kommunistischen Diktaturen, die den Krieg 1939 angezettelt haben, sondern auch der mit zunehmender Kriegsdauer zur Routine werdende Vernichtungswille der alliierten Militärführung.

Die Ergebnisse dieses vielfachen Zivilisationsbruchs sind nicht nur an den Stätten deutscher Kriegsverbrechen und Massenmorde zu besichtigen, sondern auch in den vom alliierten „Moral Bombing“ verheerten Altstädten.

Das folgende, auf den ersten Blick unbeschwert erscheinende Foto konfrontiert uns bei näherer Betrachtung mit diesem tragischen Geschehen und kündet zugleich vom Sieg der Moderne auch in der Gestaltung des Automobils:

Plymouth P8 Convertible Sedan; Originlafoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das viertürige Cabriolet ließ sich mit einigem Aufwand als Plymouth P8 des Modelljahrs 1939 identifizieren.

An dem Sechsyzlinderwagen mit über 80 PS Leistung, Schwingachsen und hydraulischen Bremsen kann man die Kinderstube des Nachkriegsautos mit Pontonkarosserie studieren:

  • Die Vorderkotflügel sind als Radhäuser ausgeführt und beginnen mit der Haubenpartie zu verschmelzen.
  • Die Scheinwerfer sind in den Schutzblechen integriert und nicht mehr aufgesetzt.
  • Der Kühler tritt zugunsten eines Ensembles aus Zierleisten in den Hintergrund, die die ursprüngliche Form dieses funktionellen Elements nur noch andeuten.
  • Die Motorhaube stellt formal eine Übergangslösung zwischen zwei seitlich aufzuklappenden Flügeln und einem nach oben zu öffnenden Deckel dar

Die Seiten- und Heckpartie steht dagegen noch ganz in der Tradition der 1930er Jahre. Für das Modelljahr 1939 hatte man bei Plymouth lediglich die Frontpartie überarbeitet, der Rest entspricht weitgehend den Typen ab etwa 1935.

Bemerkenswert ist, dass das viertürige Cabriolet des Plymouth P8 seinerzeit der einzige offene Wagen im Programm des General Motors-Konzerns war.

Auch in der Präferenz für geschlossene Aufbauten kündigt sich die Neuzeit an, in der offene Wagen lange überwiegend als exotisch galten und entsprechend teuer waren.

Als unser Foto entstand, wirkte der Plymouth auf den ersten Blick zwar noch modern, doch hatte sich bei den progressiveren Herstellern auch hierzulande die Pontonform durchgesetzt – Borgward wäre hier an erster Stelle zu nennen.

Aber wann und wo ist dieses Foto überhaupt geschossen worden? Nun, zum Glück liefert der Originalabzug etwas mehr Informationen als obiger Bildausschnitt:

Die Reklamen für die „Neue Ruhr Zeitung“ und „Eick Söhne“ liefern nach kurzer Recherche als Aufnahmeort die Essener Innenstadt, um genau zu sein: die Kettwiger Straße mit dem im Kern aus dem Jahr 1915 stammenden Eickhaus.

Die alliierten Bombardements der Essener Altstadt – der letzte Großangriff mit über 1.000 Flugzeugen fand im März 1945 statt – ließen von der historischen Bausubstanz des Geschäftshauses und der umliegenden Bauten nicht viel übrig.

Wer genau hinsieht, erkennt am Erdgeschoss des noch heute in verstümmelter Form existierenden Gebäudes Spuren der vier Wochen vor Einmarsch von US-Einheiten ohne militärischen Zweck abgeworfenen über 4.000 Tonnen Sprengbomben.

Als unser Foto entstand, war das Grauen des gezielten Bombenkriegs gegen die deutsche Zivilbevölkerung ebenso vorbei wie das industrielle Morden in den unter deutscher Aufsicht stehenden Konzentrationslagern.

Dass man nach diesen Exzessen, die im Kriegsverlauf auf allen Seiten eine für überwunden gehaltene Bestialität zutageförderte, wieder zu einem zivilisierten Miteinander zurückfand, muss uns Nachgeborene mit Dankbarkeit erfüllen.

Von Glück sagen konnten auch die beiden jungen Essener Damen, die sich irgendwann in den frühen 1950er Jahren mit dem damals schon angejahrten Plymouth eines Angehörigen der amerikanischen Besatzungsmacht umherfahren ließen:

Damen aus Essen, frühe 1950er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Modisch betrachtet hätten die beiden auch in den späten 1930er und 40er Jahren gute Figur gemacht. Ob Wellenfrisur, hochgeschlossenes Kostüm oder feine Lederhandschuhe – hier lebte noch ganz der Stil der Vorkriegszeit.

Dass sie damit formal einer untergegangenen Welt wie der Plymouth P8 von 1939 angehörten, wird ihnen kaum bewusst gewesen sein. Die Moderne brauchte einige Zeit, um nach Kriegsende in den weitgehend zerstörten Städten Deutschlands Fuß zu fassen.

Nur wenige Jahre später jedoch finden sich in deutschen Fotoalben Zeugnisse ganz anderer Art. Autos, Mode und Lebensstil der angeblich so verklemmten 1950er Jahre lassen auf einmal einen frischen Wind erkennen:

Fiat 1400 in Triest; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In der Sehnsucht nach Neuanfang und Genuss des Daseins wurde jedoch leider auch manches kostbare Erbe und manche zeitlose Gewissheit ein für allemal abgewickelt.

Was der Kriegsgeneration an Stilempfinden, Umgangsformen und Lebensklugheit in den Wirtschaftswunderjahren verlorenging, wird vielleicht erst dem Spätergeborenen bei der Betrachtung historischer Aufnahmen bewusst…

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4 Räder und ein Dach über’m Kopf: BMW 3/15 Zweisitzer

Ein „Dreier“-BMW mit 15 PS – das muss ein Scherz sein! Fehlt da nicht irgendwo eine Null? Das mag sich ein von Dreier-BMWs der Neuzeit verwöhnter Enthusiast fragen.

Doch nein, liebe BMW-Freunde, so brav begann die rasante Automobilentwicklung bei dem – auf diesem Gebiet – Spätzünder aus Bayern.

Dabei liegen die Ursprünge nicht einmal im Land der Bajuwaren, sondern im thüringischen Eisenach. Dort wurde ab Ende 1927 der Dixi DA1 gebaut, der nach Übernahme der Fahrzeugwerke Eisenach die Basis für das erste BMW-Auto wurde.

Der dem Vorbild Austin „Seven“ entsprechende Dixi DA1 wurde unter BMW-Leitung zunächst unverändert weiterproduziert. Im Frühjahr 1929 verließen dann die ersten Wagen des von BMW modifizierten Typs DA2 die Werkshallen – in Berlin!

Man sieht: Die Frühzeit der BMW-Automobile war ziemlich kompliziert. Im Prachtband „Die Entwicklungsgeschichte der BMW-Automobile“ von Simons/Zeichner ist diese Phase zum Glück akribisch dokumentiert.

Nicht einfacher wird die Angelegenheit durch die Vielfalt an Aufbauten, die es auf Grundlage des ersten BMWs gab. In dieser Hinsicht lässt die Website von „Dixi“-Papst Helmut Kasimirowicz kaum Wünsche offen.

Doch tauchen immer noch Varianten auf, die möglicherweise nirgends festgehalten sind:

BMW 3/15 Typ DA2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Naja, mag man denken – einer von vielen BMWs des Typs DA2, die nach dem Krieg noch eine Weile im Alltag bewegt wurden – hier offenbar in der „DDR“, wie das Kennzeichen aus dem Kreis Bautzen im Bezirk Dresden verrät.

Der Verfasser dachte ebenfalls, dass sich dieser BMW schnell identifizieren lasse. Doch bei näherer Betrachtung ergaben sich einige Unstimmigkeiten. Klar ist, dass wir es mit einem BMW 3/15 PS des Typs DA2 zu tun haben, der von 1929-31 gebaut wurde.

Hauptunterscheidungsmerkmale gegenüber dem Vorläufer Dixi 3/15 PS Typ DA1 sind die in drei Gruppen angeordneten seitlichen Haubenschlitze und die Vierradbremsen des BMW 3/15 Typ DA2.

Beide Details erkennt man auch auf der Ausschnittsvergrößerung:

Doch dann beginnen die Probleme. Was für eine Karosserieausführung haben wir vor uns?

Den viersitzigen Tourer oder das Kabriolett wohl kaum, die abfallende Heckpartie bzw. die Ausführung der Seitenscheibe sprechen dagegen.

Könnte es einer der kompakten Sport-Zweisitzer sein, die nach dem Klassensieg von BMW in der knüppelharten Alpenfahrt 1929 produziert wurden?

Die Heckpartie würde dazu passen. Doch die Literatur liefert bei dieser Ausführung nur eine Steckscheibe an der Seite, die auf den ersten Blick nicht einmal über die gesamte Türlänge reicht:

BMW 3/15 Typ DA2; Originalfoto von Trude Bucher (Bad Nauheim)

Diese Aufnahme aus dem Besitz einer alten Bad Nauheimer Dame zeigt einen BMW 3/15 Sport-Zweisitzer auf der Kaiserstraße in Friedberg/Hessen, wo der Verfasser in den 1980er Jahren zur Schule ging.

Trotz der Unterschiede im Detail – man beachte auch die Zierleiste zwischen Haube und A-Säule des BMWs aus DDR-Zeiten sowie die Lackierung des breiten Bandes an Türoberseite und Heckpartie in Wagenfarbe – überwiegen die Übereinstimmungen.

Kenner der  frühen BMW-Automobile werden es womöglich besser wissen, doch für’s erste ist dieser Wagen als nach dem Krieg modifizierter Typ 3/15 DA2 anzusprechen.

Zu der abweichenden Gestaltung der Seitenscheibe konnte Leser Renè Förschner folgendes beitragen:

„Die auf dem Bild des BMW in Friedberg vermeintlich nur bis zur Hälfte der Tür reichenden Steckscheiben sind in dem Fall aufgeklappt.

Die Steckscheiben bei DA2 und auch schon beim Dixi DA1 sind nämlich vertikal geteilt, mit kleinen Scharnieren in der Teilung. Somit konnte man den hinteren Teil der Scheibe nach vorn klappen, um aus dem Fenster zu greifen oder sich Frischluft zu verschaffen.

Die Zelluloidscheiben lagen dann doppelt übereinander, ähnlich wie später beim Citroen 2CV (bloß dort horizontal geteilt). Das brachte bei fortgeschrittenem Alter des vormals transparenten Kunststoffs weniger und weniger Durchblick.

Dies war vermutlich der Grund, weshalb der Bautzner DA2 irgendwann ein paar neue Steck- (oder vielleicht Kurbel-)scheiben bekam, die sogar mit einem Aluprofil gefasst wurden.“

Außerdem scheint es, als habe der Besitzer seinem Wagen der Optik halber nachträglich ein Trittbrett verpasst. Merkwürdig hoch angesetzt – fast wie beim Dixi 3/15 DA1 – erscheint auch der untere Türabschluss.

Oder befindet sich dort lediglich eine weitere nachträglich angebrachte Zierleiste?

Unterdessen gehen wir der Frage nach, wieso eigentlich so ein 15 PS-Gefährt einst überhaupt Absatz fand. Nun, ein Verkaufsschlager war das Modell gewiss nicht, trotz beachtlicher Reklamebemühungen.

Nur etwas mehr als 15.000 Käufer ließen sich davon überzeugen, dass ein Derivat des Austin „Seven“ auch fast zehn Jahre nach dessen Erscheinen noch ein gutes Auto sei.

Vergessen dürfen wir aber nicht: Die inländische Konkurrenz – ob DKW, Hanomag oder Opel – hatte im Einsteigersegment ebenfalls kaum mehr zu bieten.

Entscheidend war vor allem eines, was wir auf unserem Foto dokumentiert sehen. Der typische Käufer eines solchen BMW 3/15 PS Typ DA1 kam vom Motorrad und hatte mit zwei Rädern und ohne Dach über’m Kopf im ganzjährigen Betrieb seine Last.

So schön das Gespann von EMW und die MZ RT 125 (vermutlich) auch scheinen – damals fuhr man Motorrad nur im Ausnahmefall zum reinen Vergnügen.

In den 1930er Jahren war das motorisierte Zweirad für viele „Volksgenossen“ im deutschen Reich ebenso ein Mittel, um zur Arbeit zu gelangen, wie das für die „Genossen“ der im Osten unseres Landes folgenden zweiten Diktatur der Fall war.

Es galt bei Wind und Wetter, ob’s stürmt oder schneit, an die Arbeits“front“ zu gelangen – so etwas Kuscheliges wie „Homeoffice“ gab’s ja noch nicht…

So gesehen war ein vierrädriger Begleiter mit einem simplen Verdeck wie der BMW 3/15 PS Typ DA2 selbst in der Ausführung als Sportzweisitzer ein großer Fortschritt.

Und ausgerechnet heute, wo das Automobil in punkto Sicherheit, Bequemlichkeit und Umweltverträglichkeit einen kaum fassbaren Grad der Vollkommenheit erlangt hat, wird mit einem Mal von Fanatikern hierzulande Krieg dagegen geführt…

Wollen wir im Alltag zurück in jene Zeiten, in denen nur eine Minderheit der Bevölkerung Zugang zu autonomer Mobilität hatten und Politiker das Privileg gepanzerter Fahrzeuge genossen?

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Unterwegs in bewegten Zeiten: Ford „Eifel“

Der letzte Ford, mit dem wir uns befasst haben, war das Modell „Köln“ 4/21 PS, mit dem Anfang der 1930er Jahre wenig Staat zu machen war. So bot man bereits ein Ende vor  dessen Produktionsende einen erwachseneren Nachfolger an.

Auch dieser 1935 vorgestellte Typ – der Ford „Eifel“ 5/34 PS – basierte auf einem Modell der britischen Ford-Werke – dem „Ten Junior“. 

Mit seinem 1,2 Liter-Motor und 34 PS war der Ford „Eifel“ in der unteren Mittelklasse angemessen motorisiert – ein Spitzentempo von 100 km/h war kurzzeitig möglich.

Nur das Fahrwerk mit Starrachsen vorne und hinten sowie Seilzugbremsen war damals bereits überholt. Selbst der schwachbrüstige und durstige Opel 1,3 Liter bot in dieser Hinsicht das modernere Konzept für weniger Geld.

Möglicherweise gab die markantere Gestaltung der Frontpartie des Ford bei den Käufern den Ausschlag:

Ford „Eifel“ Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mit dem gefällig gerundeten Kühler, dem auf einen leistungsstärkeren Motor hinweisenden Seitengrill und den feinen Stahlspeichenrädern wirkte der Ford Eifel schon in der von 1935 bis Anfang 1937 gebauten ersten Version ansprechend.

Diese Ausführung ist in der Literatur gut dokumentiert – die zweitürige Cabriolimousine auf dem Foto scheint aber erst ab 1936 verfügbar gewesen zu sein. Nebenbei: Hat jemand eine Idee, was auf dem Luftballon zu lesen ist?

Interessanterweise fand sich im Fotofundus des Verfassers eine Aufnahme eines weiteren Ford „Eifel“, der mit dem ersten Wagen übereinzustimmen scheint – bis auf die seitlichen Luftschlitze:

Ford „Eifel“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der erste Gedanke war der, dass es sich um das englische Vorbild handeln könnte – der junge Mann mit Nadelstreifenanzug und sein Hund könnten auch als Bewohner der britischen Inseln durchgehen.

Doch Linkslenkung und das deutsche Kennzeichen sprechen dagegen – auch besaß der englische Ford „Ten Junior“ keine fünf Chromleisten in der Flanke der Motorhaube.

Frage an die Altford-Freunde: Haben wir es hier mit einer Karosserie eines speziellen Herstellers zu tun? Entsprechende Hinweise werden gern berücksichtigt.

Sicher ist, dass der Ford „Eifel“ Anfang 1937 eine gründlich modernisierte Karosserie erhielt. Neben dem keilförmigen Kühler gehört die andere Gestaltung des seitlichen Luftauslasses zu den Hauptunterscheidungsmerkmalen.

Hier hätten wir zunächst eine Aufnahme der schnittigen neuen Frontpartie:

An den Tarnscheinwerfern erkennen wir: der 2. Weltkrieg hat begonnen.

Dennoch hatten der junge Feldwebel (links) und sein vorgesetzter Offizier offenbar Gelegenheit, eine Dienstreise in die Reichshauptstadt mit einem Zwischenhalt am Berliner Olympiastadion zu verbinden.

Ein Rätsel stellt für den Verfasser das Kennzeichen „K-905“ dar. Wer kann etwas dazu sagen? Klar ist nur, dass wir ein Wehrmachts-Fahrzeug vor uns haben (Kennung WH=Wehrmacht Heer).

Praktisch die gleiche Ausführung des Ford „Eifel“ sehen wir auf der folgenden Aufnahme – hier ist die Gestaltung des seitlichen Luftauslasses besser zu erkennen:

Ford „Eifel“ Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer genau hinschaut, erkennt neben einem gut aufgelegten Oberfeldwebel in Ausgehuniform (und evtl. mit EK2-Ordensband) einen weiteren Insassen – einen jungen Dackel, vielleicht das Kompanie-Maskottchen.

Der Vergleich der Türinnenverkleidung mit derjenigen auf dem zweiten Foto lässt nur geringe Unterschiede erkennen: Eine Kartentasche ist hinzugekommen und man sieht deutlich die Befestigungsknöpfe der Verkleidung.

Auch die nächste Aufnahme stammt aus dem 2. Weltkrieg – der „Ford Eifel“ scheint bei der Wehrmacht recht verbreitet gewesen zu sein – nun kommen wir dem Frontgeschehen dramatisch näher:

Ford „Eifel“ Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier posieren im Sommer 1940 vier Mannschaftsdienstgrade und zwei Unteroffiziere (zu erkennen an den hell eingefassten Schulterklappen) vor „ihrem“ Ford.

Stahlhelme, Karabiner und Magazintaschen am Koppel deuten darauf hin, dass die Front in unmittelbarer Nähe ist. Was die teils nicht mehr ganz jungen Herren an diesem Tag erlebt haben oder noch erleben sollten, wissen wir nicht.

Wir können aufgrund der Beschriftung des Abzugs aber davon ausgehen, dass sie mit dem Ford „Eifel“ am Feldzug gegen Frankreich teilnahmen, der überraschend schnell mit einem Sieg der Wehrmacht endete.

Nach der Kapitulation Frankreichs ist vermutlich das folgende Foto entstanden, das wiederum einen Ford „Eifel“ zeigt – nun in der kalten Jahreszeit, wie die Kunstledermanschette um den Kühler verrät, die den Luftdurchlass reguliert:

Ford „Eifel“ Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die stählerne Kastenbrücke könnte prinzipiell überall in Europa zu finden sein, doch die Ausführung der seitlichen Säulen im Stil des „Art Nouveau“ deutet auf Frankreich hin. Erkennt ein Leser vielleicht den Aufnahmeort?

Neben dem Ford „Eifel“, der hier bei tiefstehender Wintersonne aufgenommen wurde, sehen wir in beide Richtungen weitere deutsche Heeresfahrzeuge fahren.

Die große Limousine hinter dem Ford ist wahrscheinlich ein Mercedes-Benz, während uns auf der Gegenfahrbahn ein Opel das Hinterteil zeigt – eventuell ein 2-Liter-Modell oder ein „Super 6“.

Weiter geht unsere Reise im Ford „Eifel“ durch wahrhaft bewegte Zeiten:

Ford „Eifel“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir gleich drei Wagen des Typs Ford „Eifel“ – wiederum mit Kühlermanschetten, weshalb die Frontpartie filigraner wirkt als sie tatsächlich ist.

Wo genau dieser Schnappschuss eines deutschen Landsers entstanden ist, wissen wir nicht. Die Nadelbäume, unter denen die Wagen abgestellt worden sind, deuten auf Osteuropa hin.

Eindeutig ist das taktische Zeichen auf dem in Fahrtrichtung rechten Vorderschutzblech  der beiden mittleren Wagen – es steht für einen mobilen Hauptverbandsplatz, wir haben es also mit Autos einer Sanitätseinheit zu tun.

Offenbar besitzen die beiden mittleren Ford „Eifel“ ähnliche Nummernschilder, bei denen die Ziffernfolge mit „127“ beginnt – Zufall? Jedenfalls handelt es sich um beschlagnahmte Privatwagen, der vordere stammt aus dem Rheinland (Kennung „IZ“).

Vermutlich im Hinterland der Ostfront entstand einst dieses Aufnahme, die von der Überforderung von Mensch und Material kündet:

Ford „Eifel“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Bilder erzählen davon, wie hochfliegende Pläne abgehobener Eliten auf dem Rücken der schweigenden und sich leider allzuwillig fügenden Mehrheit ausgetragen wurden – ein durchaus aktuelles Thema.

Nach 1945 mussten die Leute zusehen, wie sie in dem Scherbenhaufen zurechtkamen, den Politiker mit „Visionen“ und ihr Gefolge angerichtet hatten. Im günstigsten Fall konnte man wieder an zeitlosen Gewissheiten der Vorkriegswelt anknüpfen.

In automobiler Hinsicht war man mit einem grundsoliden Ford „Eifel“ bereits privilegiert, auch wenn er erkennbar die Spuren eines bewegten Daseins trug:

Ford „Eifel“ Limousine;  Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir so einen Überlebenden des Infernos, der vermutlich bei irgendeiner Wehrmachtseinheit gedient hat. Die meisten Chromteile sind überlackiert, die verlorengegangene originale Stoßstange wurde durch ein Fremdteil „ersetzt“.

Wie man nach dem Krieg als Zivilist an ein solches Fahrzeug aus Armeebeständen geriet und es zugelassen bekam, das ist ein Thema, über das bisher nichts Verlässliches in Erfahrung zu bringen ist – oder doch?

Jedenfalls war es irgendwann in den späten 1940er und frühen 50er Jahren wieder möglich, den Besitz eines alten Ford „Eifel“ so unbeschwert zu genießen wie hier:

Ford „Eifel“ Roadster; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses zauberhafte Dokument eines glücklichen Tags irgendwo am Nordseestrand verdanken wir einmal mehr Leser und Vintagefotosammler Klaas Dierks.

Hier begeistert nicht nur die lässige Situation, die von einem Ausflug an die See erzählt, vielleicht von ein paar sonnigen Urlaubstagen. Hier haben wir zugleich eine der schönsten Versionen des Ford „Eifel“ vor uns.

Wenn nicht alles täuscht, ist der Wagen mit dem Kennzeichen aus Niedersachsen in der britischen Besatzungszone (Kennung „BN“) ein Roadster in der 1938/39 gebauten Ausführung mit geschwungenem oberen Abschluss des Frontscheibenrahmens.

Ein praktisch identisches Fahrzeug war 2013 bei den Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein zu bewundern:

Ford „Eifel“ Roadster; Bildrechte: Michael Schlenger

Deutet das Kennzeichen auf eine Entstehung des Wagens bereits 1937 hin? Oder handelt es sich um denselben Typ – und möglicherweise um dasselbe Fahrzeug?

Viele dieser wunderbaren offenen Versionen des Ford „Eifel“ werden es nach dermaßen bewegten Zeiten nicht in unsere Tage geschafft haben…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Ist das noch ein DKW? Vierzylindertyp „Sonderklasse“

Was verbinden Freunde deutscher Vorkriegswagen typischerweise mit einem DKW?

Nun, in technischer Hinsicht einen 2-Zylinder-Zweitakter, Frontantrieb und mechanische Bremsen. Das Ganze verpackt in ansehnliche, doch wenig robuste Karosserien aus Holz und Kunstleder.

In der Regel liegt man mit diesem Schema richtig. Doch neben den kleinen, aber enorm erfolgreichen Fronttrieblern bot DKW auch erwachsener wirkende Wagen an.

Sie verfügten über einen komplexen V4-Zylinder-Zweitakter mit je einer Ladepumpe pro Zylinderbank, Heckantrieb und hydraulische Bremsen. Sie waren nicht ganz so unverwechselbar gestaltet, boten aber mehr Platz und eine besseres Ausstattung.

Ein Exemplar dieser „großen“ DKWs – den Typ V1001 Sonderklasse – haben wir vor längerem schon einmal zeigen können (Bildbericht):

DKW V1001 Sonderklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das repräsentativere Erscheinungsbild bezahlte der Käufer mit gegenüber den kleineren Zweiyzlindermodellen drastisch erhöhtem Verbrauch an Kraftstoff.

DKW bekam die Trunksucht des V4-Motors nie in den Griff. Da es dennoch eine gewisse Nachfrage nach dem gehobenen Modell gab (rund jeder zehnte DKW-Käufer entschied sich dafür) beschränkte man sich auf formale Überarbeitungen.

Nicht jede dieser optischen Modellpflegemaßnahmen glückte. Auf den klassisch schönen DKW V1001 Sonderklasse auf dem ersten Foto folgte 1934 die Version „Schwebeklasse“, die vom Ideal der Stromlinie beeinflusst war (Bildbericht):

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Gefährt – daraüber kann die hübsche Beifahrerin nicht hinwegtäuschen – wirkt so unharmonisch wie ein Eigenbau aus Teilen verschiedener Spenderwagen.

Rustikal wie hier die einzelnen Elemente zusammengesetzt sind, war die „Schwebeklasse“ kein Ruhmesblatt der verantwortlichen Gestalter.

Zum Glück besann man sich bei DKW anschließend wieder klassischer Tugenden und brachte die Sonderklasse 1937 mit abermals neuer Karosserie heraus – das Ergebnis sah dann so schnittig aus wie auf dieser Aufnahme:

DKW „Sonderklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch dieser Wagen wurde wie sein Vorgänger auf dem vorangegangenen Aufnahme nach dem 2. Weltkrieg aufgenommen – im März 1950 bei Bamberg.

Abgesehen von dem verlorengegangenen Auto-Union-Emblem – normalerweise an der Miittelstrebe des Kühlergrills angebracht – scheint der Wagen den Krieg recht gut überstanden zu haben. Die Stoßstangenhälften entsprechen dem Original, sind hier aber wohl silbern lackiert statt ursprünglich verchromt.

Die sehr gelungene Frontpartie erinnert an zwei andere zeitgenössische Wagen. Der eine ist der elegante Fiat 1100, der seinerzeit auch in Deutschland gefertigt wurde. Hier haben wir eine Aufnahme dieses Typs, die wir bislang noch nicht gezeigt haben:

Fiat 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer eine Idee zur Bedeutung des merkwürdigen Kennzeichens hat, möge dazu die Kommentarfunktion nutzen.

Wir wenden uns unterdessen dem tatsächlichen Vorbild für die harmonische Karosserie des DKW Sonderklasse zu, dem Wanderer W 24.

Dieser Typ der ebenfalls zum Auto-Union-Verbund gehörende Traditionsmarke spendete nicht nur den Aufbau, sondern auch das Chassis. Damit erhielt die DKW Sonderklasse erstmals eine Blechkarosserie und einen klassischen Rahmen als Unterbau.

Äußerlicher Hauptunterschied des Wanderer W24 gegenüber dem DKW war die weniger fließend gestaltete, dafür markantere Kühlerpartie:

Wanderer W24; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme eines Wanderer W24 entstand übrigens 1939 kurz nach Kriegsausbruch – daher die vorgeschriebenen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern.

Ob diese schöne viertürige Limousine und ihr Besitzer auch später dem Einsatz bei der Wehrmacht entgangen ist, wissen wir nicht. Nicht völlig auszuschließen ist, dass der Wagen mit der Zulassung im Kreis Dresden-Bautzen noch existiert.

Überlebende der äußerlich an den Wanderer W24 angelehnten DKW „Sonderklasse“ dürften dagegen seltener sein, ihre unwirtschaftlichen Motoren waren nach dem Krieg erst recht ein Problem. Mit Schönheit allein war kein Staat mehr zu machen…

Ein ausführliches Porträt des Wanderer W 24 und seiner weitverzweigten Verwandschaft folgt gelegentlich…

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Ford Model C aus Köln: Porträt des Typs „Rheinland“

Klar, das Model A von Ford ist Freunden von Vorkriegsautos so geläufig wie das legendäre Model T – sie waren Beispiele für echte Volkswagen, als Automobile in Deutschland nur für einen winzigen Teil der Bevölkerung erschwinglich waren.

Beide Typen wurden ab 1926 auch hierzulande montiert, vom Model A entstanden bis 1932 fast 20.000 Stück – bis 1931 in Berlin übrigens. Hier haben wir eines davon:

Ford Model A Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch schon der Nachfolger des Model A dürfte heute kaum noch jemandem etwas sagen. Dieses Model B war ein Übergangstyp, das etwas mehr Leistung und eine modernere Karosserie bot.

Fotos eines Ford Model B aus Deutschland sind sehr selten – keine 2.000 Stück davon entstanden hierzulande. Einem Leser verdanken wir die folgende Originalaufnahme aus dem Nachlass der Aachener Unternehmerfamilie Faensen-Löwe:

Auf dem Foto sehen wir Peter-Josef Faensen, den wir vor einiger Zeit bereits als stolzen Insassen eines Dixi G1 6/18 PS kennenlernen durften.

Zwischen jener Aufnahme und der obigen von 1932 liegen rund zehn Jahre. Inzwischen hatte Peter-Josef Faensen eine Familie gegründet. Neben ihm seine Frau Katarina und Tochter Maritta, ganz links vermutlich seine Schwester Leni.

Der Ford B mit der abgerundeten Kühlerpartie und den lackierten Stahlspeichenrädern muss damals so gut wie neu gewesen sein. 1932 wurden in Köln die ersten 600 Exemplare des Typs gefertigt.

Ob es sich um die gegenüber dem Model A leistungsgesteigerte Variante 13/50 PS mit 3,3 Liter Hubraum oder den Typ 8/40 PS mit 2-Liter-Motor handelt, ist von außen nicht zu erkennen. Die auf dem europäischen Markt angebotene schwächere Ausführung scheint ansonsten mit der stärkeren identisch gewesen zu sein.

Bereits nach zwei Jahren erhielt das Ford Model B einen vor allem optisch abermals überarbeiteten Nachfolger – um dieses Model C geht es heute.

In Deutschland wurde der Wagen – der übrigens immer noch das 3,3 Liter-Aggregat des Model A besaß – als Typ 13/50 PS „Rheinland“ angeboten. Gegenüber dem parallel angebotenen etwas mickrigen Ford 4/21 PS „Köln“ war das ein großzügiges Auto.

Hier sehen wir eines davon in der Frontalansicht:

Natürlich ist nicht die Rede von dem Opel 2 Liter, der rechts vorbeifährt – besagter Ford Rheinland ist links am Bordstein geparkt. Das Brandenburger Tor im Hintergrund sagt alles über Ort und Zeitpunkt der Aufnahme.

Was macht uns so sicher, dass wir es mit einem Ford Rheinland in Berlin zu tun haben? Nun, die mittig nach unten geschwungene Stoßstange verweist schon einmal auf den Stil amerikanischer Wagen jener Zeit.

Die leicht herzförmig gestaltetete, schrägstehende Kühlermaske ist ein Erkennungsmerkmal von Ford-Wagen zur Mitte der 1930er Jahre. Man findet sie sogar bei Nutzfahrzeugen der Marke wie diesem bulligen 3-Tonner:

Diese Aufnahme aus Siebenbürgen aus einem privaten Familienalbum hätte es normalerweise nicht in diesen auf Personenwagen beschränkten Blog geschafft, würde sie nicht so gut die „Familienähnlichkeit“ im Ford-Programm illustrieren.

Man sieht hier, dass Lastwagen häufig aus besonders robusten PKW-Typen entwickelt wurden und entsprechend moderate Dimensionen aufwiesen. Interessant auch das Erscheinungsbild der Arbeiter, die hier wohl im Straßenbau tätig waren.

Zurück zu unserem Ford „Rheinland“: Auf einer weiteren Aufnahme, die nach dem 2. Weltkrieg entstand, sehen wir ein Exemplar aus fast identischer Perspektive:

Ford „Rheinland“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Oberhalb der improvisiert wirkenden Kühlermanschette, die in der kalten Jahreszeit für eine ausreichende Betriebstemperatur des Motors sorgte, kann man immerhin Teile des Namenszugs lesen: „…einland“

Ob die zweite Hupe verlorengegangen ist oder nur als Extra verfügbar war, wissen wir nicht. Die Altford-Freunde können dazu sicher etwas sagen.

Unklar ist auch, ob die Verchromung am Frontscheibenrahmen abgeblättert ist, oder ob diese unter einer ehemaligen Tarnlackierung wieder hervorgekommen  ist – was für einen einstigen Wehrmachtswagen sprechen würde. Allerdings würde man dann ähnliche Spuren an Stoßstange und Scheinwerfern erwarten.

Wie dem auch sei, dieser Ford Rheinland hat zumindest bis in das Jahr 1948 überlebt – die kaum lesbare Zahl am unteren Rand des Besatzungskennzeichens verrät es.

Der Rest des „Rheinland“-Schriftzugs auf dem Kühler findet sich auf einer anderen Aufnahme, die uns wieder in die Vorkriegszeit zurückführt:

Ford „Rheinland“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Allzuviel ist nicht zu sehen von dem Wagen, dessen Besitzer wenig begeistert von den zu entfernenden Schneemengen zu sein scheint.

Gerechnet hatte er wohl nicht mehr mit dem weißen Segen, sonst hätte er die Kühlermanschette montiert gelassen. Kein Wunder, denn „An Ostern“ steht lapidar auf der Rückseite des Abzugs…

Für uns ein Glück, denn so können wir den sonst verdeckten Schriftzug einwandfrei lesen. Spätetens mit diesem Vergleichsexemplar dürfte die Identifikation des ersten Wagens aus Berlin gesichert sein.

Einziger Unterschied ist der Aufbau – zunächst als Cabriolet (vermutlich von Drauz) und zuletzt als Limousine (wohl Ambi-Budd, Berlin).

Besonders das wohlproportionierte Cabriolet war ein durchaus elegantes Gefährt, das über die konservative Technik hinwegsehen ließ. Dass ein solcher Vorkriegsford heute eine außerordentliche Rarität darstellt, wer hätte das gedacht?

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Noch 1950 der bessere Volkswagen: Hanomag 1,3 Liter

Die Idee eines „Volkswagens“ lag bereits im Deutschland der 1920er Jahre in der Luft. In der Presse und am Stammtisch waren die unterschiedlichsten Konzepte Gegenstand hitziger Debatten – praktische Konsequenzen blieben jedoch lange aus.

Während bei den Amerikanern die Volksmotorisierung dank industrieller Massenproduktion längst in vollem Gange war, verzettelten sich deutsche Hersteller mit abwegigen Konzepten wie dem Hanomag „Kommissbrot“.

Später bekam der Maschinenbaukonzern aus Hannover aber noch die Kurve und baute auch „richtige“ Autos, die sich für deutsche Verhältnisse recht gut verkauften. Der krönende Abschluss sollte der 1939 vorgestellte Hanomag 1,3 Liter sein.

Dieses moderne Modell haben wir zwar bereits hier ausführlich vorgestellt, doch fehlte bislang noch eine Aufnahme der besonders gelungenen Heckpartie. Das ändert sich mit folgendem Originalfoto, das der Verfasser kürzlich erstand:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Selten ist die Heckansicht eines Autos so harmonisch wie auf diesem Foto von 1950. Natürlich fühlt man sich gleich an den Volkswagen aus Wolfsburg erinnert, der ähnliche Linien aufwies, aber damals noch ein Nischendasein führte.

Mit dem Hanomag war man auch wenige Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs – der Wagen trägt ein Kennzeichen aus der britischen Besatzungszone – angemessen motorisiert.

Der wassergekühlte Vierzylinder des Hanomag 1,3 Liter leistete 32 PS, womit eine Spitzengeschwindigkeit von 115 km/h möglich war. Der VW mit luftgekühltem Boxermotor bot 1950 lediglich 25 PS und kam knapp über Marke von 100 km/h.

Während der Hanomag 1,3 Liter bereits 1938 über hydraulische Bremsen verfügte, stattete Volkswagen 1950 nur das Exportmodell damit aus. Mit 12-Volt-Elektrik war der Hanomag auch in dieser Hinsicht besser gerüstet.

Dann war da noch das großzügige Platzangebot, das einen geräumigen Kofferraum umfasste:

Hier sehen wir überhaupt einige interessante Details: die außenliegenden Scharniere der Kofferraumhaube – merkwürdig inkonsequent beim offenkundigen Bemühen um eine strömungsgünstige Linienführung.

In der rechten unteren Hälfte der Heckklappe erkennt man den „Hanomag“-Schriftzug mit dem markentypischen Flügelemblem – irgendwelche künstlichen Typbezeichnungen brauchten die markanten Autos der 1930er Jahre noch nicht.

Selten so gut zu erkennen ist die Gestaltung der Radkappen – sie waren ursprünglich verchromt, sind hier aber lackiert und die Sicken sind mit weißer Farbe ausgefüllt.

Auch die Stoßstangen sind dunkel lackiert –  möglicherweise hatte der Hanomag den Krieg bei der Wehrmacht zugebracht und geriet nach 1945 in neue Hände.

Die Besitzer konnten sich mit diesem Wagen im Jahr 1950 jedenfalls glücklich schätzen und wussten wohl, was sie an dem robusten und nach wie vor modernen Auto hatten.

Fünf Jahre nach Kriegsende ging es noch sehr bescheiden zu in Deutschland, selbst wenn man das Glück hatte, ein eigenes Auto zu besitzen.

Vom Überfluss der Wirtschaftswunderzeit war man noch weit entfernt, die Taille und das praktische Schuhwerk der verhalten lächelnden jungen Dame sprechen für sich.

Doch besaß man einen Fotoapparat und hatte Gelegenheit für diese schöne Aufnahme des damals immer noch eindrucksvollen Hanomag – wir können den damaligen Wert eines solchen Fahrzeugs nicht annähernd ermessen.

Heute fristen die attraktiven Automobile von Hanomag nur ein Nischendasein, ihnen fehlt das Prestige der großen Marken, dabei waren es einst echte Qualitätswagen. Das war auch ihr Problem – sie waren schlicht zu teuer, um größeren Erfolg zu haben.

So ist ein Hanomag 1,3 Liter 80 Jahre nach seiner Vorstellung seltener als ein zeitgenössischer Adler, Mercedes oder Opel – dabei hatte er einst das Zeug zum Volkswagen, wenn er mit über 3.000 Reichsmark nicht so teuer gewesen wäre…

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Aus dem Familienalbum: BMW 320 Cabriolet

Heute bringen wir eine hübsche Reihe zusammengehöriger Fotos eines BMW 320 Cabriolets, das den 2. Weltkrieg im Rheinland überlebt hatte und das von seinen Besitzern noch einige Jahre lang zu Ausflügen eingesetzt wurde.

Die Aufnahmen sind keine Meisterwerke, vermitteln aber etwas von der Wertschätzung eines treuen alten Familienmitglieds auf vier Rädern in der Nachkriegszeit.

Das darin dokumentierte BMW-Modell ist für die Geschichte der Marke von Bedeutung, spiegelt es doch die neue Linie wider, die ab 1936 mit dem Typ 326 definiert wurde:

BMW 326 der Luftwaffe in Ahrweiler; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mit den fast schon mit der Karosserie verschmelzenden Schutzblechen, der Knickscheibe und der dynamischen Gestaltung der seitlichen Luftschlitze war der Typ 326 wohl stilprägender als jeder bis dahin erschienene BMW.

Mit dieser unverkennbaren Optik ließ BMW die Vorgängermodelle weit hinter sich, die zwar schon die Doppelniere trugen, ansonsten aber wenig eigenständig erschienen:

BMW 319; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese BMW-Limousine des Typs 319 haben wir hier vorgestellt, auch sie übrigens auch ein Überlebender des 2. Weltkriegs.

Der Nachfolger dieses brav anmutenden 6-Zylinder-Modells mit 45 PS brachte zwar technisch wenig Neues mit sich, wirkte aber mit der vom BMW 326 inspirierten Karosserie wie ein Vertreter einer neuen Generation.

Hier haben wir den ab 1937 gebauten BMW 320 als Cabriolet – das Foto ist zugleich der Auftakt zu einem reizvollen Ausflug, den uns die Fotos aus einem längst zerfledderten Familienalbum ermöglichen:

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer sich fragt, wie man dieses Fahrzeug vom BMW 326 oder 321 oder 329 unterscheiden soll, sei auf die Position des Türgriffs verwiesen. Nur beim BMW 320 waren die Türen wie heute üblich vorn „angeschlagen“.

Auf obiger Aufnahme fällt ansonsten auf, dass der Wagen Scheibenräder und nicht – wie an sich zu erwarten – gegossene Stahlspeichenräder besitzt. Möglicherweise stammen sie von einem anderen Fahrzeug.

Die glänzenden Radkappen verweisen zudem auf eine intakte Verchromung, was auf den folgenden Fotos anders aussieht.

Hier haben wir nun dasselbe Auto bei einem Ausflug auf ländlichen Nebenstraßen irgendwo im deutschen Mittelgebirge:

BMW 320 Cabriolet; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wie man bei genauer Betrachtung erkennt, scheute man sich seinerzeit nicht, auf unbefestigten Wegen die Landschaft zu „erfahren“.

Der Fotograf ging für diese Aufnahme in die Hocke und hat wohl einige Gräser im Vordergrund übersehen, die die dritte Person neben dem BMW verdecken. Wer wäre bei dieser Ansicht darauf gekommen, dass man einen BMW 320 vor sich hat?

Auf folgendem Foto sieht man immerhin die vorn angeschlagene Tür wieder, sodass man zusammen mit den schemenhaft erkennbaren Luftschlitzen in der Motorhaube auf den BMW 320 kommen könnte:

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch diese Aufnahme lässt erkennen, dass man einst beim „Autowandern“ auch vor Schotterpisten nicht zurückschreckte.

Außerdem zeichnet sich hier das Besatzungskennzeichen mit dem Kürzel „BR“ für „Britische Besatzungszone Rheinland“ ab.

Interessant ist die nächste Aufnahme aus derselben Reihe. Sie zeigt ebenfalls einen BMW aus der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, aber mit anderer – nicht originaler – Lackierung und abweichendem (Besatzungs-)Kennzeichen:

BMW 320 (?) Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Eventuell zeigt das Foto denselben Wagen zu einem anderen Zeitpunkt und mit (umzugsbedingt) abweichendem Nummernschild.

Von der Optik her könnte es auch ein BMW 329 oder 326 sein. Wo mag diese Aufnahme entstanden sein? Vielleicht in der Eifel?

Wie auch immer – hier haben wir wieder „unseren“ BMW 320 mit bereits dokumentierten Insassen, nun mit interessantem Einblick in den Innenraum:

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was hat die Dame auf der Rückbank in der Hand? Ein Teil einer Kamera? Überzeugende Erklärungen werden gern in den Blog-Eintrag aufgenommen.

Auch die folgende Aufnahme zeigt den BMW 320 mit der Kennung „735 458“ auf dem Kennzeichen der britischen Besatzungszone Rheinland.

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bemerkenswert ist hier das Fehlen des Nebelscheinwerfers auf dem gebogenen Halter oberhalb der Stoßstange. Auf dem vorletzten Foto sahen wir einen solchen Halter mit Scheinwerfer – ein Hinweis darauf, dass es ein und dasselbe Auto ist?

Nun folgt eine Aufnahme aus dieser Reihe, die für regelmäßige Leser dieses Blogs einen gewissen Wiedererkennungswert haben dürfte. Denn dieses Foto entstand wenige Jahre nach Kriegsende vor dem unversehrt geblieben Hauptportal des Kölner Doms:

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer auch immer diese Aufnahme gemacht hat, fing gezielt den Teil der Westfassade der Kathedrale ein, die zum Glück kaum Schaden während der alliierten Bombardements der Kölner Altstadt nahm.

Nur ganz links außen sieht man einige Figuren, die ob des irrsinnigen Kriegsgeschehens den Kopf verloren hatten… Die im unbeholfenen Stil der frühen 1950er Jahre improvisierten Portale sind zum Glück später wieder korrigiert worden.

Unklar ist, wo das letzte Foto des BMW 320 Cabriolets aus dieser Reihe entstand:

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier passt der Erhaltungszustand des Abzugs sehr gut zum Motiv: ein ziemlich mitgenommener BMW 320 vor einer von Granateinschlägen oder Sprengbomben schwer gezeichneten barocken Kirchenfassade.

Weiß ein Leser, wo diese Aufnahme wenige Jahre nach Kriegsende entstanden ist?

Damit endet unser Ausflug im BMW 320 Cabriolet, der irgendwann in der frühen Nachkriegszeit begann und der Wahrscheinlichkeit nach zu urteilen auf einem Schrottplatz der 1950/60er Jahre endete.

Für uns Betrachter im 21. Jahrhundert, für die jeder Weltwinkel mühelos erreichbar ist, mögen die kleinen Fluchten aus dem Alltag, die so ein Wagen ermöglichte, bescheiden anmuten – doch damals war so etwas für die meisten Deutschen ein unerreichbarer Luxus.

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Abgesang einer PKW-Marke: Hanomag 1,3 Liter von 1939

Mit dem heutigen Blogeintrag setzen wir gewissermaßen den Schlußstein in der Dokumentation der einstigen PKW-Produktion von Hanomag.

Dann haben wir jedes Modell des Maschinenbauers aus Hannover mindestens einmal – in vielen Fällen öfters – anhand zeitgenössischer Originalfotos vorgestellt. Keine Sorge: Es wird immer wieder Gelegenheit geben, besonders reizvolle weitere Exemplare zu zeigen, darunter echte Exoten.

Die meisten Vorkriegsautofreunde mögen bei Hanomag-PKW an das possierliche „Kommissbrot“ denken, mit dem 1925 versucht wurde, einen deutschen „Volkswagen“ zu kreieren.

Der Versuch darf angesichts einer Produktion von etwas mehr als 15.000 Exemplaren in drei Jahren als gescheitert gelten.

Das Hanomag „Kommissbrot“ ist ein Beispiel für die Sonderwege, die der deutsche Automobilbau seinerzeit beschritt, während in England mit dem Austin 7 und in Frankreich mit dem Citroen 5 CV längst massenmarkttaugliche Konzepte existierten – von den USA ganz zu schweigen.

Doch für den heutigen Betrachter sind solche Sackgassen oft von großem Reiz – dafür mag dieses Foto eines Hanomag „Kommissbrot“ Cabriolet stellvertretend stehen:

Wenn der „rasende Kohlenkasten“, wie der Volksmund den Hanomag 2/10 PS auch titulierte, hier so modern wirkt, hat das zwei Gründe:

Zum einen kommt hier die Pontonkarosserie gut zur Geltung, die wohl erste in der Geschichte des Serienautomobils. Zum anderen hat der Besitzer des Wägelchens, vermutlich der Fotograf, sein Kommissbrot mit einer Stoßstange eines späteren Hanomag-Modells „aktualisiert“.

Die markant profilierte Stoßstange findet sich auch am erfolgreichsten Hanomag-PKW wieder, der in diesem Blog ein besonders häufiger Gast ist, dem Modell „Rekord“.

Leser Michael Mennigen verdanken wir diese schöne Aufnahme, die den Hanomag „Rekord“ seiner Eltern zeigt:

Im Unterschied zum Kommissbrot war das ein hochwertiger, leistungsfähiger und stilsicher gestalteter Mittelklassewagen – damit konnte man sich sehen lassen, das vermittelt diese Aufnahme sehr gut.

Der klassisch geformte Rekord wurde bis 1938 gebaut und wurde dann von einem völlig neu konzipierten Modell abgelöst, mit dem Hanomag der Anschluss an die damalige Mode der Stromlinienform gelang.

Damit waren trotz kleineren Motors (1300 statt 1500 ccm und 32 statt 35 PS) dennoch bessere Fahrleistungen möglich. Kurzzeitig waren an die 115 km/h drin, als Dauertempo wurden 100 km/h angegeben.

Die hochmoderne Karosserie war vielleicht nicht sonderlich elegant, brachte aber die Autobahntauglichkeit durchaus wirksam zum Ausdruck:

Hanomag 1,3 Liter; Orignalfoto aus  Sammlung Michael Schlenger

Die Frontpartie findet sich ähnlich am Ford Buckeltaunus, ist hier aber geschmeidiger und weniger „amerikanisch“ ausgeführt. Die Gestaltung der Fahrgastzelle erinnert zwar an den Volkswagen, doch besaß der Hanomag einen größeren Innenraum.

Mit 12 Volt-Elektrik und hydraulischen Bremsen war der Hanomag dem „KdF“-Wagen auch sonst überlegen und im Unterschied zu diesem verfügbar. Entsprechend selbstbewusst priesen die Werbeleute in Hannover das Modell an:

Hanomag-Originalreklame von 1939 aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz aller Meriten – der Hinweis „großer Kofferraum“ dürfte wohl auf VW abgezielt haben – war der Hanomag 1,3 Liter mit über 3.000 Mark für die meisten „Volksgenossen“ schlicht unerschwinglich.

Immerhin wurden noch mehr als 9.000 Exemplare ausgeliefert, bevor Hanomag die Produktion kriegsbedingt ganz auf Rüstungsgüter umstellen musste.

Wohl noch vor Kriegsausbruch ließ sich dieser Luftwaffensoldat auf Heimaturlaub mit einem Hanomag 1,3 Liter ablichten, der in ländlicher Umgebung intensiv genutzt wurde:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto aus  Sammlung Michael Schlenger

Wie die meisten privaten PKW wurden auch die Hanomag 1,3 Liter Wagen im Krieg entschädigungslos vom Staat beschlagnahmt und landeten im Militäreinsatz oft in Situationen, für die sie nicht gemacht waren.

Man darf davon ausgehen, dass sie sich dank robuster Machart dennoch ähnlich bewährt haben wie die zahlreichen Exemplare des Vorgängertyps Hanomag „Rekord“, die nach Kriegsende ihren meist neuen Besitzern noch treue Dienste leisteten.

Ein Beispiel für einen überlebenden Hanomag 1,3 Liter sehen wir hier:

Dieser Wagen besitzt sogar noch seine Chromradkappen – vermutlich war er nie in Wehrmachtsdiensten, sondern gehörte einem der wenigen Besitzer, die dank unabweisbaren Bedarfs ihr motorisiertes Eigentum den Krieg über behalten durften.

Woher aber wissen wir, dass diese eine Nachkriegsaufnahme ist? Nun, die Szene ist ein Ausschnitt einer Postkarte, die jemand im September 1949 aus dem zerbombten Köln verschickte.

So ziemlich das einzige Postkartenmotiv aus der Domstadt war damals die glimpflich davongekommene gotische Kathedrale. Zwar wurde auch sie von zahllosen den umliegenden Wohngebieten zugedachten Bomben getroffen. Die offene Konstruktion mit großen Fenstern und die Stabilität der Strebepfeiler milderten aber die Wirkung der Sprengbomben ab, die ansonsten zuverlässig ganze Wohnblöcke einebneten.

Auch der Einsatz der Männer der Dombauhütte, die während der Bombenangriffe auf den Dächern ausharrten und so Brände frühzeitig löschen konnten, hat zur Rettung dieses mittelalterlichen Meisterwerks beigetragen.

So stellte sich das Westportal des Kölner Doms nach dem Krieg einigermaßen intakt dar:

Postkarte aus Köln von 1949 aus Sammlung Michael Schlenge

Diese Aufnahme ist auch deshalb interessant, da sie eine der wenigen ist, auf denen man einen direkten Vergleich zwischen dem Hanomag 1,3 Liter und dem später so erfolgreichen Volkswagen ziehen kann.

Auch wenn der VW hier als Behelfslieferwagen daherkommt – für sich genommen schon wieder etwas besonderes – ahnt man den Größenunterschied, speziell was den Innenraum angeht.

Auch fällt die dynamischere Linienführung des Hanomag auf, während der Volkswagen bodenständiger erscheint.

Der Verfasser, der lange Zeit selbst einen 1200er Käfer im Alltag mit Vergnügen gefahren ist (u.a., weil er sich um die Funktionsfähigkeit der an sich leistungsfähigen Heizung kümmerte) würde aus heutiger Sicht dem erwachseneren Hanomag 1,3 Liter den Vorzug geben, auch wenn dessen Benzinverbrauch etwas höher war.

Leider gelang Hanomag jedoch wie vielen deutschen Herstellern mit überzeugenden Fahrzeugkonzepten eines nicht: der Sprung in die Großserienproduktion. So blieb es nach dem Krieg bei einem halbherzigen Versuch, mit dem 1951 vorgestellten Prototyp des Hanomag „Partner“ nochmals einen PKW zu bauen.

Wie im Fall von Adler fragt man sich, was gewesen wäre, wenn man nach dem Krieg wieder in den Automobilbau eingestiegen wäre. Aber diese Frage stellt man sich bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos ohnehin ständig: Was wäre gewesen, wenn?

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Fund des Monats: Bugatti T49 mit „gläserner“ Historie

Wo bleibt denn der „Fund des Monats“? Das mag sich der eine oder andere Leser dieses Vorkriegs-Oldtimerblogs gefragt haben, während das Ende des Jahres 2017 naht.

In der Tat, Silvester steht vor der Tür, und da zünden wir einen Kracher ganz eigenen Kalibers – der auch der Kategorie „Fund des Jahres“ würdig wäre, wenn es sie gäbe.

Für den Verfasser ist der heutige Beitrag ein besonderes Vergnügen, musste er doch weder Geld für ein (im vorliegenden Fall unschätzbares) historisches Originalfoto ausgeben, noch selbst nennenswerte Zeit für die Recherche investieren.

Die Aufnahme, um die es heute geht, ist ein Beispiel dafür, wie dank Internet Enthusiasten, die sich nie gesehen haben, auf’s Schönste zusammenarbeiten, wobei jeder seinen ganz eigenen Blickwinkel hat.

Die Geschichte beginnt mit der Zusendung einer digitalen Kopie folgender Aufnahme durch Vintage-Fotosammler und Blogleser Klaas Dierks, von dessen besonderem Blick für Qualität wir hier schon öfters profitiert haben:

Bugatti T49; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Viel Vorder- und Hintergrund, aber wenig Auto, ist vielleicht der erste Gedanke. Doch gemach, die Aufnahme hat es in sich und zumindest für den Hintergrund müssen wir dankbar sein.

Das Format des Abzugs verrät, dass der unbekannte Auto-Enthusiast, der hier einst auf den Auslöser drückte, eine Kamera mit großformatigem Rollfilm verwendete – vielleicht einer der damals verbreiteten Zeiss Ikon 6×9 cm-Apparate.

Jedenfalls hat er – abgesehen vom Bildausschnitt – damals alles richtig gemacht und die Qualität der Aufnahme erlaubt eine Ausschnittsvergrößerung für unsere Zwecke:

Klar, das ist ein Bugatti – soviel verrät der hufeisenförmige Kühler mit dem ovalen Markenemblem. Doch ansonsten wirkt der Wagen wenig vertraut.

Das hat zum einen damit zu tun, dass man auf einschlägigen Veranstaltungen oft bloß Nachbauten des legendären Typs 35 zu Gesicht bekommt, die als moderne Spielzeuge eitler Zeitgenossen natürlich nichts bei Veteranentreffen zu suchen haben, weil sie exakt null Geschichte haben.

Die vielen anderen Renn- und Sporttypen der Manufaktur aus dem elsässischen Molsheim sind meist nicht so bekannt wie der ikonische Bugatti T35 (daher werden sie auch nicht für hochstaplerisch veranlagte Zeitgenossen nachgebaut).

Der Besitzer des Fotos tippte zunächst auf einen Typ 55 Roadster. Auf den ersten Blick besteht in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit, zumindest wenn man kein Bugatti-Experte ist (gilt übrigens auch für den Verfasser).

Doch bei näherem Hinsehen fanden sich – abgesehen vom roadstertypischen Türausschnitt zuviele Abweichungen. Vor allem die ungewöhnlichen Felgen wollten so gar nicht passen – nicht nur zum Typ 55, sondern generell zu Bugatti:

Doch so eigenwillig diese Räder mit den an Turbinenflügel erinnernden „Speichen“ wirken, stammen sie von Bugatti und waren letztlich der Schlüssel zur Identifikation – sie gehören zu einem Typ 49.

Von diesem Straßensportwagen entstanden zwischen 1930 und 1934 rund 470 Exemplare. Sie vereinten Laufruhe und Komfort mit damals beachtlichem Leistungsvermögen.

Der 3,3 Liter große Reihenachtzylinder des Bugatti T49 verfügte über 3 Ventile pro Zylinder, die von einer obenliegenden Nockenwelle betätigt wurden – außergewöhnlich, wenn auch damals keine Spitzentechnologie mehr.

Die Höchstleistung von gut 100 PS (die Angaben dazu variieren) ermöglichte beachtliche Geschwindigkeiten, wobei Elastizität und Drehfreude des Motors im sportlichen Einsatz wichtiger waren.

So weit so gut – an dieser Stelle könnte man sich zufrieden zurücklehnen, sich an dem schönen Fund erfreuen und allenfalls beklagen, dass man nicht mehr zur Aufnahmesituation und dem abgebildeten Wagen sagen kann.

An dieser Stelle tritt jedoch Bugatti-Enthusiast Michael Müller aus den Niederlanden auf den Plan. Da wir uns nicht mit fremden Lorbeern schmücken wollen, lassen wir ihn kurzerhand selbst zu Wort kommen:

„Das Auto gehörte einst dem Privatfahrer Emil Bremme, der erst mit einem T35 und dann einem T35B Rennen fuhr. Er hörte 1928 damit auf und leistete sich nach einem Intermezzo mit einem T44 irgendwann diesen wunderschönen T49 Roadster mit Gläser-Aufbau.“

Da ist man erst einmal sprachlos, denn wahrscheinlich ist dies der einzige Bugatti, den die Dresdener Manufaktur Gläser in sinnlich geformtes Blech kleidete. Und dann noch den Namen eines prominenten Besitzers zu erfahren, was will man mehr?

Nun, es kommt noch mehr. Auch dem Bugatti-Club Deutschland ist dieser Bugatti T49 mit der Fahrgestellnummer 49421 bekannt.

Der Wagen gehörte zuerst wohl dem Dresdener Bugatti-Händler Emil Rothmann, später einem Herrn Voss aus Wuppertal.

Von ihm scheint Rennfahrer Emil Bremme – der Besitzer der gleichnamigen Wuppertaler Brauerei – den Bugatti übernommen zu haben. Die Bugatti-Begeisterung schlug sich sogar im Emblem der Brauerei nieder:

Bierkutsche der Brauerei Bremme; Originalfoto aus Stadtarchiv Wuppertal

Angeblich hat Emil Bremme sich diesen Spaß von Ettore Bugatti, mit dem er gut bekannt war, persönlich genehmigen lassen.

Michael Müller hat die Fahrgestell-Nr. des Bremme-Bugatti mit ihm zugänglichen Originalunterlagen anderer Bugatti T49 abgeglichen und kam zum Ergebnis, dass der Wagen auf dem Foto von Klaas Dierks irgendwann Ende 1931/Anfang 1932 entstand.

Bisweilen genannte anderslautende Angaben (z.B. Baujahr 1928) müssen unzutreffend sein, der Bugatti Typ 49 wurde definitiv erst ab 1930 gefertigt.

Nun wüsste man gern, wo der Bugatti T49 von Emil Bremme einst abgelichtet wurde. Auch hier weiß Michael Müller Bescheid – wobei folgender Bildausschnitt half:

„Jetzt zum Ort der Aufnahme, da hat es sofort „klick“ gemacht. Oben auf dem Banner ist genug erkennbar. Hohnstein-Bergrennen bei Dresden, dazu passt auch der Lieferwagen der  Firma Mittag & Co. in der Dresdner Feldgasse. Das Datum muss der 17. oder 18. September 1932 gewesen sein.“

Verfüßten wir bloß für andere historische Originalfotos von Vorkriegswagen über solches Spezialistenwissen – und die Bereitschaft, es zu teilen ! Dabei sind wir im vorliegenden Fall immer noch nicht am Ende.

Der Bugatti T49 von Emil Bremme (1888-1975) wechselte später einige Male den Besitzer. Beim britischen Bugatti-Trust hat der Verfasser hier ein Nachkriegsfoto des Autos ausfindig gemacht.

Hierzu nochmals Michael Müller:

„Cajus von Engelmann muss es in den 1950/1960er Jahren wiederaufgebaut haben, wobei Teile eines Bugatti T44 eingeflossen sind. Der heutige Besitzer würde sich bestimmt über das Foto wahnsinnig freuen. Ich kenne kein anderes dieses Wagens aus der Vorkriegszeit“.

Damit wären wir am vorläufigen Ende dieser tollen Geschichte angelangt. Nun muss nur noch der heutige Besitzer von dem bislang einzigen Vorkriegsfoto seines Bugatti erfahren. Das bekommen wir auch noch hin…

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25 PS genügten einst zum Glück: Brennabor Typ Z

Hand auf’s Herz: In was für Autos sieht man heute noch glückliche Menschen sitzen?

In einem der PS-Monster, die im Dauerstau auf deutschen Autobahnen die linke Spur plattstehen? Oder in einem der „SUVs“, die mit ihrem Spähpanzerformat Dorfstraßen verstopfen, die jahrzehntelang ausreichend dimensioniert waren?

Mal abgesehen von der Verlotterung der Sitten im Straßenverkehr – Verzicht auf Blinken, Missachten der Vorfahrt, ständiges Schielen auf’s Mobilgerät usw. – ist zu beklagen, dass die Leute kaum noch Freude am Fahren haben.

Wie anders war und ist das im historischen Automobil:

„Classic Days“ auf Schloss Dyck 2014; Bildrechte: Michael Schlenger

Dieser mit einer Digitalknipse entstandene Schnappschuss – die Dinger wollen auf solche Situationen eingestellt werden, wofür hier keine Zeit war – ist zwar nicht preisverdächtig, drückt aber das aus, worum es heute geht: Freude am Fahren.

In den 1920er Jahren stellte sich selbige hierzulande fast automatisch ein, wenn man sich einen vierrädrigen Untersatz mit Verbrennungsmotor leisten konnte – egal wie unvollkommen er war.

Auch vor 90 Jahren fuhren Bus und Bahn keineswegs jedes Dorf an – schon gar nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit, wenn es vielleicht gerade besonders pressierte.

Unsere Vorfahren waren auf dem Land noch auf Pferdefuhrwerke oder Schusters Rappen angewiesen. Wer ein Fahrrad oder Moped besaß, war schon „privilegiert“, wie das Leuten bezeichnen, denen es nicht passt, wenn nicht alle gleich arm sind.

Was in den Vereinigten Staaten damals selbstverständlich war – dass sich fast jeder Farmer oder Fabrikarbeiter ein Automobil leisten konnte, war im Deutschland der Zwischenkriegszeit undenkbar.

Das erklärt, weshalb sich damals bei uns Leute oft vor fremden Wagen ablichten ließen, um sich wenigstens einmal als „Autobesitzer“ geben zu können. Wie sich die wenigen echten Automobilisten gefühlt haben, drückt folgendes Foto besonders schön aus:

Brennabor Typ Z 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Lebendiger und sympathischer könnte so ein altes Autofoto kaum sein – man weiß gar nicht, was einem besser gefallen soll: der Wagen oder das bestens gelaunte Besitzerpaar.

Auch regelmäßige Leser dieses Blogs für Vorkriegsoldtimer werden das Modell vermutlich nicht direkt ansprechen können – obwohl es einst keineswegs selten war.

Immerhin haben wir uns mit dem identisch motorisierten Vorgänger bereits beschäftigt. Das war der Typ R der Firma Brennabor aus Brandenburg an der Havel:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese reizvolle Aufnahme aus dem Rheinland haben wir hier ausführlich besprochen.

Der abgebildete Wagen weist abgesehen vom „B“ auf der Kühlermaske äußerlich keine Ähnlichkeit mit „unserem Brennabor“ auf. Doch unter der Haube beider Fahrzeuge befand sich derselbe Vierzylindermotor mit 1,6 Liter Hubraum und 25 PS.

Mit dem Nachfolgertyp Z sorgte man bei Brennabor ab 1928 für ein zeitgemäßes Erscheinungsbild, technisch blieb aber alles beim alten. Offenbar scheint den Käufern die Leistung von 25 PS damals genügt zu haben.

Damit wären eigentlich ohne weiteres 90 km/h Spitze möglich gewesen, doch laut Literatur begrenzte man bei Brennabor die Höchstgeschwindigkeit auf 70-75 km/h. Vergessen wir nicht: Damals gab es noch kein Autobahnnetz, und auf dem Land fährt man auch heute im Schnitt kaum schneller.

Trotz der kurzen Bauzeit (1928-29) unterscheiden sich Brennabor-Wagen des Typ Z mitunter in einigen Details:

Brennabor Typ Z aus „Die Motorfahrzeuge“ von Paul Wolfram, 1928

Hier fallen vor allem der Lufteinlass im Seitenteil hinter der Motorhaube und die nach vorne schwungvoll auslaufende A-Säule auf – beides Elemente, die bei dem Wagen auf unserem Foto fehlen.

Ansonsten stimmt alles überein: zwei Paare waagerechte Luftschlitze in der Haube, trommelförmige Scheinwerfer und flach gehaltene Scheibenräder.

Das merkwürdige Gerät auf dem Batteriekasten auf unserem Brennabor-Foto ist lediglich eine dort abgestellte Mittelformatkamera mit ausklappbarem Balgen:

Der Verfasser vermutet, dass die oben erwähnten Karosseriedetails bei den späten, also 1929 gebauten Exemplaren des Brennabor Typ Z wegfielen – vielleicht weiß ein Leser Genaueres.

Auf das eichelförmige Emblem im unteren Bereich des Kühlernetzes gehen wir irgendwann näher ein – es ist nicht markenspezifisch und durchaus interessant.

Übrigens können wir auch mit einer raren historischen Aufnahme der Heckpartie des Brennabor Typ Z aufwarten:

Diese Aufnahme, auf der man schön die konzentrischen Zierlinien auf den Felgen erkennen kann, versandte einst der sächsische Besitzer als Postkarte an einen Herrn von Hartmann im Seebad Zoppot bei Danzig (heute zu Polen gehörig).

Hier ist gut nachvollziehbar, wie wenig eigenständig die Heckansichten von Autos vor 1930 waren – sie folgten noch ganz klassischen Kutschenaufbauten.

Einen in die Karosserie integrierten Kofferraum kannte man damals noch nicht. Stattdessen gab es einen häufig demontierbaren separaten Gepäckkoffer, der mit Kunstleder bespannt oder auch ganz in Blech ausgeführt war.

Auch das ist ein Detail, das erkennen lässt, wie grundlegend anders und spannend Vorkriegsautos aus heutiger Sicht sind. Leider haben von den einst so verbreiteten Brennabor-Wagen nicht sehr viele überlebt.

Hier haben wir eine Aufnahme eines Brennabor Typ Z aus Zeiten der „Deutschen Demokratischen Republik“ – entstanden wohl um 1960:

Brennabor Typ Z 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses bis auf die Felgen mit „unserem“ Brennabor identische Fahrzeug hatte in Ostdeutschland das nationalsozialistische „tausendjährige Reich“ überstanden – damit besaß es gute Chancen, auch dessen rotlackierte Fortsetzung ab 1945 zu überdauern.

Mit etwas Glück existiert das Auto noch heute – es sollte sich anhand des speziellen Kennzeichens für historische Fahrzeuge aus DDR-Zeiten identifizieren lassen.

Apropos Glück –  hier noch ein Blick auf das Besitzerpaar des eingangs gezeigten Brennabor Typ Z:

So sahen einst glückliche Autofahrer aus – und zugleich sympathische Persönlichkeiten, die in einer zeitgenössischen Werbung gute Figur gemacht hätten.

Die beiden scheinen nebenbei recht groß gewachsen gewesen zu sein – zum Vergleich: für den Brennabor Typ Z ist eine Höhe von 1,75 m überliefert.  

Wer damals in Deutschland ein Automobil besaß, hatte es auch sonst zumindest in materieller Hinsicht überdurchschnittlich gut getroffen. Das war und ist kein Garant von Glück – aber angenehmer leben ließ und lässt es sich mit so einem Wagen schon…

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Ganz schön von oben herab: Hanomag „Sturm“ Cabrio

Treue Leser dieses Oldtimerblogs für Vorkriegsautos werden sich an das eine odere Foto des 1934 vorgestellten Spitzenmodells „Sturm“ des deutschen Maschinenbaukonzerns Hanomag erinnern.

Zuletzt hatten wir hier einen Bericht mit drei Fotos des Modells mit Limousinenaufbau gebracht. Cabrio-Versionen wurden hier und hier vorgestellt.

So gesehen stellt der Wagen, um den es heute geht, keine Neuigkeit dar – was nach über 80 Jahren auch keiner ernsthaft erwarten wird. Bemerkenswert ist aber der Blickwinkel, aus dem wir uns dem Fahrzeug nähern.

„Ganz schön von oben herab“ ist nicht zufällig der Titel des heutigen Blog-Eintrags, er passt hervorragend zur Werbung von Hanomag für das „Sturm“-Cabriolet:

Hanomag-Reklame aus Westermanns Monatsheften ab 1937; Original aus Sammlung Michael Schlenger

„Besonders schnell und lebendig“ soll der Hanomag „Sturm“ demnach gewesen sein. Die Rede ist von der ab 1937 verfügbaren Version mit 55 statt zuvor 50 PS aus dem 2,3 Liter großen Sechszylinder.

Damit war eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 115 km/h drin – mehr als genug für die Autobahn, aber besonders schnell war das schon damals nicht.

Der BMW 319 beispielsweise schaffte das mit seinem nur 1,9 Liter „großen“ Sechszylinder mit gerade einmal 45 PS auch. Ebenfalls mithalten konnte der von Kennern geschätzte Fiat 1500, dessen Sechszylinder sogar noch kompakter ausfiel.

Der Hanomag „Sturm“ war dagegen ein ziemlich dicker Brocken mit wenig strömungsgünstiger Karosserie – in dieser Hinsicht war vor allem der modernere Fiat 1500 klar im Vorteil, der auch in Deutschland gebaut wurde.

Dank kurzen Radstands und relativ leichtem Aufbau war das Cabriolet etwas agiler als die Limousine, doch letztlich ließ der aus dem Vierzylinder des „Rekord“ abgeleitete Seitenventiler des Hanomag „Sturm“ mit nur einem Vergaser keine sportliche Charakteristik erwarten.

Insofern haben die Reklameleute von Hanomag damals ganz schön dick aufgetragen, aber das war ja auch ihre Aufgabe. Von Kundenbeschwerden über mangelnde Sportlichkeit des „Sturm“ ist jedenfalls nichts überliefert.

Wer in den 1930er Jahren einen Hanomag kaufte, erwartete vor allem die Zuverlässigkeit eines Maschinenbauerprodukts.

Zudem bot das Modell „Sturm“ mit seinen eindrucksvollen Dimensionen sicher ein gewisses Prestige vor allem in Kreisen, in denen ein „großer Wagen“ mehr zählte als technische Raffinesse.

Ganz gleich wie das Image des in weniger als 5.000 Exemplaren gebauten Hanomag „Sturm“ einst war, heute wäre einem mit dem großzügigen Wagen wohl mehr Aufmerksamkeit sicher als mit manchem hochgejazzten „Garagengold“.

Die Besitzer eines der wenigen Überlebenden dieser Spezies dürfen sich jedenfalls glücklich schätzen. Mit einem so nobel daherkommenden Auto verträgt sich eine Perspektive „ganz schön von oben herab“ nämlich vorzüglich:

Hanomag „Sturm“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein solcher Blick auf die Cabriolet-Ausführung des Hanomag „Sturm“ dürfte Seltenheitswert besitzen.

Dabei gilt es zu bedenken: Zum einen wurde nur ein Teil der „Sturm“-Modelle mit offenem Aufbau ausgeliefert. Zum anderen wurden viele der robusten Hanomags im 2. Weltkrieg im Einsatz bei der Wehrmacht verschlissen.

„Unser“ Hanomag scheint eines der wenigen Exemplare gewesen zu sein, die das Inferno überstanden haben. Er trägt nämlich vorne ein Besatzungskennzeichen, dem „B“ nach zu urteilen, wurde es in der britischen Zone ausgestellt:

Leider ist der zweite Buchstabe unter dem „B“ nicht lesbar, der eine nähere Identifikation der Stadt oder des Kreises ermöglichen würde. Vielleicht kann dennoch ein sachkundiger Leser eine Lösung liefern.

Interessant sind für uns auf jeden Fall – neben dem Hanomag-Flügelemblem und den „Sturm“-typischen fünf Luftklappen – die Scheibenräder. Sie verweisen auf ein Baujahr bis 1936, danach wurden gelochte Räder verbaut.

Zum Aufnahmezeitpunkt, ca. 1950, hatte der Hanomag schon einiges „erlebt“. Dasselbe gilt sicher für den Herrn, der uns auf dieser ungewöhnlichen Aufnahme den Rücken zukehrt:

Sein Trachtenjanker mag nicht zu einer Zulassung des Hanomag in der britischen Besatzungszone passen, aber er ist wahrscheinlich nur ein Passagier.

Wenn nicht alles täuscht, sitzt jemand hinter dem Lenkrad, das dürfte der damalige Besitzer dieses schönen Hanomag „Sturm“ Cabriolets gewesen sein.

Ob es dieses Auto noch gibt, fragt man sich natürlich.

Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass ein solch großzügiges und seltenes Automobil, nachdem es den Krieg überstanden und seinen Besitzern noch einige Jahre treue Dienste geleistet hatte, irgendwann verschrottet wurde.

Leider spricht die Wahrscheinlichkeit dafür. Dem Modernisierungswahn sollten im kriegsversehrten Deutschland noch ganz andere Schätze zum Opfer fallen,  historische Gebäude und Möbel, in jüngerer Zeit auch bewährte Bildungsstandards.

Während in England und Frankreich alte Wagen oft genug einfach abgestellt wurden, was ihnen eine Überlebenschance bot, wurde und wird hierzulande ohne Not ein Schlusstrich auch unter Hervorbringungen der Vergangenheit gezogen, die nichts dafür konnten, im falschen politischen System entstanden zu sein.

Ein wohlfeiles Urteil aus bequemer Perspektive „ganz schön von oben herab“.

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