Schloss Dyck 2015: Rückblende in Analogtechnik

Die Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein müssen nicht mit vielen Worten angepriesen werden. Wer einmal dort war, ist süchtig nach Deutschlands schönster Klassikerparty. Das Warten auf die nächste Ausgabe des Spektakels lässt sich vielleicht mit einigen Bildern aus dem Jahr 2015 erträglicher gestalten.

Der Verfasser hat von dort Aufnahmen mitgebracht, die nach alter Väter Sitte in Analogtechnik entstanden sind. Auf einer Klassikerveranstaltung, bei der historische Technik gefeiert wird, liegt es nahe, auch eine Kamera einzusetzen, an der ebenfalls alles manuell eingestellt werden muss.

Hier ein erster Vorgeschmack, die Brücke über den Wassergraben von Schloss Dyck:

Schlosspark

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger 

Ja, aber gibt es für die alten Kameras überhaupt noch Filme? Sicher, so wie es auch noch Kerzen und handgefertigte Schuhe gibt. Bei allem Fortschritt überleben die meisten alten Handwerke und Technologien in einer Nische – zur Freude von Individualisten. Und so entdecken heute selbst Leute, die mit der Digitaltechnik großgeworden sind, den Reiz der klassischen, auf Chemie basierenden Fotografie wieder.

Die Beschränkung auf 36 Aufnahmen pro Film erzieht dazu, über jedes Bild nachzudenken. Mangels Programmen muss der Fotograf den Prozess der Bildentstehung verstehen – und kann ihn daher auch bewusst steuern. Letztlich liefert die auf Chemie basierende klassische Fotografie andere Ergebnisse als die digitale.

Man sieht das den folgenden Bildern an – auch wenn es sich um datenreduzierte Digitalscans handelt; die Negative liefern natürlich weit mehr Details. Beginnen wir mit Cyclecars und kompakten Sportwagen der 1920/30er Jahre:

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger 

Zu sehen waren hier ein Cyclecar der französischen Marke Amilcar, ein MG-Roadster und ein Bugatti-Rennwagen – alles feingliedrige Sportfahrzeuge, die einst viele Erfolge feierten.

Eine ganz andere Dimension stellen die Bentleys der Zwischenkriegszeit dar. Sie sind groß, schwer und selten elegant. Doch sind sie so opulent motorisiert, dass sich damit heute noch auf der Autobahn mithalten lässt. Von diesem Potential machen die Mitglieder des Londoner Benjafield’s Racing Club Gebrauch, die jährlich zu den Classic Days auf Schloss Dyck auf eigener Achse anreisen. Hier eine Auswahl dieser mächtigen  Vehikel:

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger 

In der Bentley-Liga treten stets auch „Specials“ auf, also umgebaute Fahrzeuge auf Basis von Werkschassis. Das können im Idealfall zeitgenössische Wagen sein, aber ebenso Kreationen der Nachkriegszeit, bei der jemand aus einem Wrack etwas Eigenes gezaubert hat. Heute noch dienen kaum restaurierungswürdige Limousinen von Marken wie Alvis oder Riley als Basis für solche Sportgeräte. Das Resultat ist oft sehr ansehnlich – und selbst aus einem braven Austin Seven lässt sich ein Sportwagen machen!

Natürlich ist auch die Klasse der Luxuswagen der Vorkriegszeit auf Schloss Dyck stets mit großartigen Exemplaren vertreten. Hier sind majestätische Limousinen, Roadster und Tourer von Marken wie Mercedes, Lagonda und Rolls-Royce in Bewegung unter freiem Himmel zu sehen. Diese Fahrzeuge muss man außerhalb eines Museums erlebt haben, um ihre phänomenale Präsenz zu begreifen. Eine kleine Auswahl davon:

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger 

Doch auch Klein- und Mittelklassewagen der 1930er Jahre kommen auf Schloss Dyck zu ihrem Recht. Dabei sind neben Werkskarosserien auch Sonderanfertigungen zu sehen, die etwa aus einem kleinen Tatra ein mondänes Gefährt machen. Zu sehen gibt es auch seltene Transporter-Ausführungen wie im Fall des Lancia Aprilia:

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger 

Zum Schluss noch einige Leckerbissen für die Freunde klassischer Wagen der 1950er und 60er Jahre. Hier gibt es traumhafte GTs von Marken wie Lancia oder Maserati zu sehen, die einen von der verlorengegangenen Schönheit im Automobilbau träumen lassen. Jedes Jahr wird außerdem ein besonderer Marken- oder Typenakzent gesetzt. 2015 wurden beispielsweise herausragende Exemplare der britischen Marke Bristol präsentiert:

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger 

Last but not least sei erwähnt, dass man bei den Classic Days stets auch ein glückliches Händchen hat, was die Auswahl des begleitenden Showprogramms angeht. Diese jungen Damen etwa begeisterten mit einem perfekten Auftritt im Stil der 1940er Jahre:

© Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Ein Mercedes aus Mannheim zu Besuch in Friedberg

Taucht man in die Automobilgeschichte ein, wird man auch mit dem Wandel der Lebensumstände konfrontiert. So gab es eine Zeit, da ließ sich eine längere Autobahnfahrt mit Kindern problemlos bewältigen, obwohl es im Auto weder Spielekonsolen noch Bildschirme oder gar eine Internetverbindung gab. Der Verfasser erinnert sich, dass er sich als Kind in den 1970/80er Jahren gut selbst beschäftigen konnte – und sei es mit dem Blick aus dem Seitenfenster des elterlichen Wagens.

Was gab es da alles zu entdecken! Mit etwas Glück einen Opel Admiral, einen NSU Ro 80 oder eine DS von Citroen. Etwas häufiger war ein Ford Capri mit seiner endlosen Haube. Ein SL von Mercedes war dagegen rarer als auf heutigen Oldtimerveranstaltungen. Exotenstatus genoss auch ein Alfa GTV oder ein Jaguar XJ.

Wagen der 1930er bis 1950er Jahre allerdings waren schon in den 1970er Jahren ausgestorben. Und ein Autobahnidyll wie auf der folgenden Originalaufnahme war mit dem Wirtschaftswunder endgültig Geschichte. Das Bild zeigt die von Göttingen kommende A7 kurz vor Hedemünden an der hessisch-niedersächsischen Landesgrenze:

© Autobahn A7 vor Hedemünden; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Eine Autobahn mit so wenig Verkehr und diesen Autos haben nur noch die Älteren unter uns erlebt. Sicher: Es ging in vielem weit bescheidener zu als heute, aber das Bild erzählt uns auch davon, was seither verlorengegangen ist. Der Streckenverlauf ist zwar noch derselbe, doch das Tal rund um Hedemünden ist zugebaut und auf der Straße fährt man unförmigen Autos mit Kunstnamen wie Duster, Koleos oder Twingo hinterher.

Autos mit Charakter brauchten einst solche Verrenkungen nicht – oft sorgte schon der Volksmund für eine passende Bezeichnung: Käfer, Ente, Bulli, Nasenbär, Pagode usw. Und wenn es ab Werk einen Namen für ein Modell gab, dann fand man diesen, ohne eine Marketingagentur damit zu beauftragen: Isabella, Kadett, Taunus sind einige Beispiele.

Noch einfacher machte es sich Mercedes-Benz in den 1920er Jahren. Sofern man mehr als eine an PS oder Hubraum anknüpfende Modellbezeichnung für nötig hielt, entschied man sich schlicht für den Produktionsort. Ein Mercedes „Mannheim“ oder „Stuttgart“ sollte also keine Urlaubsassoziationen wie später „Ascona“ oder „Capri“ wecken.

Solch ein in den alten Benz-Werken in Mannheim-Waldhof gebauter Mercedes „Mannheim“ ist auf folgender Aufnahme zu sehen:

© Mercedes-Benz 350 Mannheim Pullman-Limousine in Friedberg/Hessen, Mitte der 1930er Jahre; Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Entstanden ist die Aufnahme in Friedberg/Hessen auf halbem Weg zwischen Frankfurt/Main und Gießen. Im Herz der Wetterau gelegen, war Friedberg lange Zeit eine stolze Kaufmannsstadt, deren Wurzeln sich bis in die Römerzeit zurückverfolgen lassen. Die hier zu sehende Kaiserstraße ist bis heute die Hauptschlagader der Stadt. Sie folgt der Ausfallstraße des römischen Kastells, das sich unter der mittelalterlichen Burganlage befindet. Ein Beispiel für historische Kontinuität über die Jahrtausende, aus dem Friedberg leider keinerlei touristisches Kapital zu schlagen weiß.

Die Häuser links und rechts der Kaiserstraße reichen teilweise bis ins Zeitalter der Gotik zurück, als die Stadtkirche entstand, deren Spitze im Hintergrund zu sehen ist. Die Keller dieser Gebäude stammen oft noch aus der Römerzeit, als sich hier die Zivilsiedlung des Kastells mit 1.000 Mann Besatzung befand.

Nun aber ein näherer Blick auf den Wagen, der auf der Aufnahme zu sehen ist:

Das eindrucksvolle Gefährt ist eine Mercedes-Benz „Mannheim“ Pullman-Limousine. Der auf einer Konstruktion von Ferdinand Porsche basierende 6-Zylinder-Motor leistete in der 3,5 Liter-Version rund 60 PS.

Wer heute auf ein theoretisch erreichbares Höchsttempo fixiert ist, wird nicht begreifen, dass der Mercedes Mannheim damals als großzügig motorisiert galt. Wichtiger als Endgeschwindigkeit war nämlich die Fähigkeit, ohne häufiges Schalten des unsynchronisierten Getriebes auch Steigungen absolvieren zu können.

Auch die 12 Volt-Elektrik des bis 1930 gebauten Wagens lässt ahnen, dass der Käufer mit dem Mercedes-Benz „Mannheim“ ein leistungsfähiges Oberklassefahrzeug erhielt. Die Werkskarosserien von Mercedes waren allerdings damals auffallend schlicht. Wäre da nicht die typische Kühlermaske, ließ sich der Wagen wohl kaum identifizieren.

Kommen wir zur Datierung der Aufnahme: Der Mercedes selbst deutet auf die späten 1920er oder frühen 1930er Jahre hin. Doch wirft man einen Blick auf die Kleidung der Passanten auf dem Foto, darf man eher von der Mitte der 1930er Jahre ausgehen. Erst damals waren die Röcke der Damen so kurz wie hier zu sehen.

Unterstützt wird diese Annahme durch die Beschriftung der Karte in Sütterlinschrift. Diese bereits vor dem 1. Weltkrieg entwickelte und gebräuchliche Schreibschrift wurde 1935 zur offiziellen „Deutschen Volksschrift“. Seitdem wurde sie auch außerhalb privater Korrespondenz vermehrt genutzt. Leider sind auf dem Bild keine anderen Autos zu sehen, die zur Datierung beitragen könnten. In der Wetterau – die bis heute ländlich geprägt ist – waren in der Vorkriegszeit Automobile noch sehr selten.

So fragt man sich: Was hatte diese teure Mercedes-Benz „Mannheim“ Pullman-Limousine seinerzeit in Friedberg verloren? Leider ist das Kennzeichen auch auf dem Originalfoto nicht lesbar. Vielleicht ein Verwandtenbesuch, oder war hier jemand einfach nur auf der Durchreise nach Norden und hat bloß ein paar Einkäufe getätigt?

Die Friedberger Geschäftswelt war damals noch vielfältig, solider Einzelhandel dominierte die Kaiserstraße bis in die 1990er Jahre. Seither ist die Stadt in vielfacher Hinsicht heruntergekommen – im Elsass, in England oder Italien wäre eine Stadt mit einer derartigen Geschichte und Substanz dagegen zum Juwel herausgeputzt. Alte Bilder wie das hier gezeigte erinnern daran, wie verächtlich hierzulande vielerorts mit unserem architektonischen Erbe umgegangen wird. Und das gilt nicht nur vom Krieg verheerte Städte wie Mannheim…

Mercedes-Wagenwäsche vor 100 Jahren

Während heutzutage „Feinstaub“ herhalten muss, um ständig neue Umweltauflagen zu rechtfertigen, und in Großstädten wie Frankfurt auf mehrspurigen Ringstraßen Tempo 30 verordnet wird (der „Red Flag Act“ lässt grüßen), ist es hilfreich, sich die Ökostandards vor 100 Jahren zu vergegenwärtigen.

Damals war es eine Errungenschaft, dass jede Kleinstadt im Deutschen Reich an das Eisenbahnnetz angeschlossen war, das freilich auf Dampfbetrieb beruhte. In den Industriemetropolen qualmten die Schornsteine Tag und Nacht. Damals wurden die Grundlagen des Wohlstands geschaffen, den wir heute wie selbstverständlich genießen.

Automobile setzten sich nach Jahren der Anfeindung als sinnvolle und begehrenswerte Schöpfungen durch. Für die damit verbundenen Vorteile – individuelle Mobilität für berufliche und private Zwecke – war jedoch ein Preis zu zahlen, der schon bald deutlich wurde.

Die Unfallgefahren waren hoch, für Insassen und sonstige Verkehrsteilnehmer gleichermaßen. Die Abgas- und Lärmbelästigung durch das Automobil wurde bereits früh angeprangert. Elektro- und Dampfwagen waren entsprechend populär, solange Reichweite und Gewicht weniger wichtig waren.

Kein Thema war dagegen lange Zeit die Belastung von Gewässern und Boden durch Öl und sonstige Schmierstoffe. Als Beispiel mag das folgende Originalfoto dienen, das Soldaten bei der Wagenwäsche im 1. Weltkrieg zeigt.

© Originalfoto Mercedes in Serbien, wohl 1914/15; Sammlung: Michael Schlenger 

Laut umseitiger Beschriftung wurde das Bild an der Morawa aufgenommen, einem serbischen Zufluss der Donau. Der Wagen – wohl ein Stabsfahrzeug – trägt unter der Windschutzscheibe ein militärisches Nummernschild und die Bezeichnung der Truppeneinheit, einer Jäger-Kompanie.

Es handelt es sich um einen Mercedes der Daimler-Werke, doch das genaue Modell ist bislang unbekannt. Die simple Form der Schutzbleche verweist auf ein Exemplar um 1910, während der Übergang der Motorhaube zur Schottwand und die integrierten Leuchten auf eine spätere Entstehung hindeuten.

Kurios ist das Erscheinungsbild der Drei, die den Mercedes im Fluss waschen. Der Soldat rechts posiert vorschriftsmäßig im Arbeitsanzug mit „Knobelbechern“ und Schirmmütze. Sein Kamerad in der Mitte ist an Kopfbedeckung und Brille immerhin noch als Fahrer zu erkennen. Doch er hat sich schon eine „Anzugerleichterung“ erlaubt. Der Soldat links trägt nur eine Schirmmütze – ansonsten ein Handtuch als Lendenschurz.

Wer meint, das sei ein Privatfoto unter Kameraden, liegt falsch. Es handelt sich ausweislich der Beschriftung auf der Rückseite um eine offizielle Aufnahme, die vom Stellvertretenden Generalstab zur Veröffentlichung freigegeben war. Offenbar wollte man zeigen, dass es an der Front mitunter fidel und freizügig zugeht. Aus dem 2. Weltkrieg gibt es ähnliche Aufnahmen, die es bis in die Deutsche Wochenschau geschafft haben. So verklemmt, wie man heute meint, waren unsere Ahnen nicht.

Nur der Umweltschutz hatte damals noch keine Priorität. In Zeiten hervorragender Luft- und Wasserqualität hierzulande ist das ein Anlass, heutige Weltuntergangsszenarien etwas gelassener zu sehen.

Vorfreude auf die Classic Days 2016 auf Schloss Dyck

2015 wurden auf dem herrlichen Areal von Schloss Dyck unweit von Düsseldorf zum zehnten Mal die fabelhaften Classic Days zelebriert.

Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie glatt erfinden, denn eine zweite Klassikerveranstaltung dieser Größenordnung, in der das Umfeld sowie die Vielfalt und Qualität des Gebotenen zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen, gibt es in Deutschland kein zweites Mal.

© Impressionen von den Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier kommen nicht nur die Freunde klassischer Fahrzeuge der 1950er bis 60er Jahre auf ihre Kosten – auch die Vorkriegsfraktion ist stets mit einer erlesenen Auswahl an seltenen und eindrucksvollen Gefährten vertreten.

Besonders charmant: Man kann einen Großteil der Autos in Aktion erleben, denn auf einer eigens abgesperrten Rundstrecke treten die ganze Veranstaltung über die unterschiedlichsten Felder an.

Zwar wird überwiegend gemächlich gefahren, doch beim Start der Motoren im Fahrerlager und beim Einnehmen der Startaufstellung kommt durchaus Rennatmosphäre auf. Viele Besucher genießen das Treiben bei einem entspannten Picknick.

© Impressionen von den Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Übrigens lohnt es sich, bereits am Freitagnachmittag über das weitläufige Gelände zu flanieren. Ein Großteil der Fahrzeuge steht dann schon an seinem Platz oder trifft nach und nach ein. Gleichzeitig ist die Besucherzahl noch überschaubar und man kann ungestört fotografieren.

Neben den obigen Bildern der Classic Days 2015 soll auch der folgende Film Appetit auf die Neuauflage am 5. bis 7. August 2016 machen. Er nimmt sich viel Zeit für die Veranstaltung und gibt die Atmosphäre in allen ihre Facetten wieder.

© Videoquelle: Vimeo; Urheberrecht: Guido Marx

Mit dem Film lassen sich auch Zeitgenossen für die Classic Days gewinnen, die sich bisher nicht für altes Blech und laute Motoren erwärmen konnten. Der Magie des Ortes und der prachtvollen Vehikel kann man sich jedenfalls kaum entziehen.

Auf ein Wiedersehen im Sommer 2016!

1933: Im Mercedes 200 von Berlin nach Monte-Carlo

Vor dem 2. Weltkrieg war beim Auto die Höchstgeschwindigkeit im Alltag weniger wichtig – sie war durch die Straßenverhältnisse, die Qualität der Reifen und das Bremsvermögen ohnehin begrenzt.

Was zählte, war Zuverlässigkeit – gerade in Europa, wo die Besteuerung nach Hubraum zu kleinvolumigen Motoren führte, die ständig hoch belastet wurden.

Daher unternahmen die Hersteller bei neuen Modellen oft publikumswirksame Langstreckenfahrten, um die Qualität der Konstruktion unter Beweis zu stellen. Hierbei setzte man gern Rennfahrer als Tester ein.

In Deutschland gehörte Karl Kappler zu den Rennsportgrößen, die sich begeistert für solche Aktionen hergaben. Er hatte 1930 nach vielen Erfolgen auf Benz, Bugatti, Mercedes und Simson seine offizielle Karriere beendet und verlegte sich auf Ausdauertests.

Eine seiner spektakulärsten Aktionen dieser Art fand im April 1933 statt. Mercedes-Benz hatte gerade den neuer 200er vorgestellt, der das Modell 8/38 PS „Stuttgart“ ablöste.

Mit seinem 40 PS starken 6-Zylinder war der Mercedes 200 nicht gerade temperamentvoll. Doch mit Einzelradaufhängung vorne, Pendelachse hinten und hydraulischen Bremsen war er fahrwerksseitig hochmodern.

Über eine 1.700 km lange Strecke von Berlin nach Monte Carlo sollte sich der Mercedes bewähren. Hier ein originales Pressefoto, das den Wagen mit Kappler am Lenkrad beim Start in Berlin zeigt.

© Mercedes 200 beim Start zur Rekordfahrt von Berlin nach Monte-Carlo, April 1933; Sammlung: Michael Schlenger

1933 gab es in Deutschland trotz bereits laufender Planungen noch kein Autobahnnetz. Die Fahrt führte also über Landstraßen, was die gegenüber der heutigen Route größere Entfernung erklärt.

Von Berlin ging es über Leipzig und Nürnberg nach Innsbruck. Dann stand die Überquerung der Alpen an. Hier sieht man den Mercedes bei einem Halt auf italienischer Seite.

© Mercedes 200 am Castel Toblino (Trentino), April 1933; Sammlung: Michael Schlenger

Der Ort, an dem das Foto entstand, lässt sich genau lokalisieren. Es handelt sich um eine Biegung der SS45bis zwischen Trento und dem Nordzipfel des Gardasees. Von hier aus eröffnet sich der Blick nach Südwesten auf das malerisch gelegene Castel Toblino. Die Stelle sieht heute noch genauso aus.

Die weitere Strecke führte durch die Po-Ebene Richtung Ligurien. Von Genua aus ging es dann an der Küste entlang bis nach Monte Carlo. Hier sieht man den Mercedes kurz vor Erreichen des Ziels oberhalb der Stadt mit ihrem schon damals berühmten Hafen.

© Mercedes 200 oberhalb von Monte-Carlo, April 1933; Sammlung: Michael Schlenger

Nach 24 Stunden und 50 Minuten Fahrzeit erreichte Kappler mit seinen Begleitern das Spielcasino von Monte-Carlo. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug fast 70 km/h. Dies war möglich, weil Kappler den Mercedes dank guten Wetters voll ausfahren konnte.

Das spektakuläre Resultat sorgte seinerzeit für viel Aufsehen. Kappler wurde vom Automobilclub von Monaco für seine Leistung geehrt. Bei der Gelegenheit besuchte er seinen Rennkameraden Rudolf Caracciola, der damals in Monte-Carlo residierte.

Hier das abschließende Bild aus der damals für die Presse angefertigten Fotoserie. Es zeigt den erkennbar mitgenommenen Mercedes am Ziel.

© Mercedes 200 in Monte-Carlo, April 1933; Sammlung: Michael Schlenger

Ein Porträt des einst so populären „Charlie“ Kappler findet sich hier. Er war schon bei seinem Tod im Jahr 1962 zu Unrecht in Vergessenheit geraten.

Buchtipp:

„Im Donner der Motoren. Karl Kappler.“ von Martin Walter, hrsg. im Wartberg Verlag, 2004, 79 Seiten, viele zeitgenössische Fotos

ISBN: 3-8313-1101-3; neuwertig erhältlich bei http://www.ebay.de

Klassiker der 1930er Jahre in Wiesbaden

Während moderne Autos in historischen Innenstädten störend wirken, ergänzen Vorkriegsfahrzeuge eher das Idyll. Der Grund: Ihre Formensprache knüpfte noch an über Jahrhunderte gültige gestalterische Prinzipien an.

Anschaulich macht dies die Kühlermaske von Rolls-Royce, die sich an griechischen Tempelfassaden mit Säulen und Dreiecksgiebel orientiert. Ein solcher Wagen wirkte auch vor dem Eingangsportal eines 200 Jahre alten Herrenhauses harmonisch.

© Rolls-Royce 20HP, Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Es ist interessant zu sehen, wie die klassische Formensprache, die seit der Antike immer wieder Neuinterpretationen erfahren hat, sich vor dem 2. Weltkrieg schleichend aus dem Alltag zu verabschieden beginnt.

Am augenfälligsten war dies in der Architektur der Fall. Vom Neoklassizismus öffentlicher Bauten jener Zeit abgesehen finden sich ab den 1920er Jahren vermehrt Gebäude, die in ihrer Freudlosigkeit auch in der Nachkriegszeit hätten entstehen können. Die funktionalistische Bauhaus-ldeologie begann ihre Wirkung zu entfalten.

Genau in dieser Zeit ist folgendes Privatfoto entstanden, das Zeuge des sich abzeichnenden ästhetischen Umbruchs ist. Es zeigt die nach klassischem Vorbild gestaltete Fassade des Kurhauses der Stadt Wiesbaden, die in der Römerzeit den Namen AQUIS MATTIACIS trug.

© Kurhaus Wiesbaden, Originalfoto der 1930er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Der Fotograf hat die Szene mit malerischem Blick eingefangen: Links oben ragen Zweige ins Bild, der Vordergrund ist bewusst einbezogen. So gewinnt das Bild eine schöne Tiefenstaffelung – ein Beispiel für gelungenen Bildaufbau.

Für Klassikerfreunde sind natürlich die Wagen im Vordergrund besonders interessant. Der oberflächliche Betrachter sieht dort bloß drei Vorkriegsautos, doch tatsächlich sind es höchst unterschiedliche Typen. Der Zufall hat dort Fahrzeuge platziert, die drei Generationen von Automobilen repräsentieren.

Das mittlere Modell ist das älteste – ein Mercedes-Benz 8/38 PS (Baureihe W02). Der Wagen war das erste seit der Fusion von Daimler und Benz 1926 in Serie gefertigte Auto. Konstrukteur war Ferdinand Porsche, damals bei Daimler-Benz angestellt.

Neben dem schwachen 2-Liter-Sechszylinder gab es später ein äußerlich gleiches 2,6-Liter-Modell (10/50 PS, Baureihe W11). Nach dem Weggang Porsches wurden die nicht ausgereiften Wagen verbessert und als Stuttgart 200 bzw. 260 bis 1934 weitergebaut, optisch leicht modernisiert (siehe Sammelbild).

© Originales Sammelbild der 1930er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Der Mercedes auf dem Foto lässt noch deutlich die Ableitung des Automobils aus der Kutsche erkennen. Die Frontscheibe steht senkrecht, die Motorhaube stößt übergangslos auf die Schottwand. Der Kühlergrill besitzt keine Neigung, aerodynamische Elemente fehlen. Auch die Gußspeichenräder mit den großen Reifen verweisen auf die automobile Frühzeit, ebenso die dekorativen Sicken in den Frontkotflügeln.

Der Wagen rechts – ein Wanderer W22 – gehörte in die gleiche Klasse wie der Mercedes, war aber formal eine Generation weiter. Die Gemeinsamkeiten mit dem Mercedes beschränken sich auf die Motorisierung (2 Liter, 6 Zylinder, 40 PS) und die Entwicklung durch das Konstruktionsbüro Porsche.

© Originales Sammelbild der 1930er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Gebaut wurde der Wanderer von 1933 bis 1938. Schnittig sind die schräge Frontscheibe und die von Aerodynamikwagen inspirierte Kühlermaske. Die Motorhaube geht harmonisch in die Fahrgastzelle über, eine Schottwand ist von außen nicht mehr sichtbar. Die Reifen sind auf Scheibenfelgen montiert.

Links der formal modernste Wagen – ein Opel 1,3 Liter (Bj. 1934-35). Er war in der unteren Mittelklasse angesiedelt und mit 24 PS noch schwächer als der Mercedes und der Wanderer. Doch mit tropfenförmigen Scheinwerfern, aerodynamisch anmutenden Kotflügeln und breiter Fahrgastzelle ohne Trittbretter verwies der Opel weit in die Zukunft.

© Originales Sammelbild der 1930er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Entstehungszeitpunkt des Bildes; Die drei Wagen können frühestens 1934 zusammen abgelichtet worden sein. Der Lack des nur 1934/1935 hergestellten Opel verrät, dass er nicht mehr ganz taufrisch war.

Somit dürfte das Bild in der zweiten Hälfte der 30er Jahre entstanden sein. Gegen eine frühere Entstehung spricht auch, dass der seltene Wanderer vorher kaum Verbreitung gefunden hatte.

Die späteste Datierung ist 1939. Danach wäre kriegsbedingt die nächtliche Beleuchtung des Kurhauses nicht mehr möglich gewesen. Nach 1945 hätten die Wagen keine Nummernschilder des Deutschen Reichs mehr getragen.

Das zeitgemäßeste der drei Autos war der Opel, doch einen Schönheitspreis hätte er schon damals nicht gewonnen. Der Wanderer wirkt rassig, allerdings halten seine Leistungsdaten nicht annähernd, was die Form verspricht.

Der Ehrlichste im Bunde ist der Mercedes Sport-Zweisitzer. Seine Form repräsentiert die harmonische Linie der 1920er Jahre, die der konservative Hersteller erfolgreich bis in die 30er Jahre beibehielt. Vor dem antikisierenden Portal des Kurhauses in Wiesbaden wirkt der Mercedes am zeitlosesten – eben klassisch.

Rasanz 2015: Automobile der Messingära in Aktion

Zu den wenigen Rallyes für Autos der Messingära – also Wagen bis etwa 1920 – hierzulande gehört die Kronprinz Wilhelm Rasanz am Niederrhein. Initiator ist Marcus Herfort, der mit den Classic Days auf Schloss Dyck Deutschlands wohl schönste Oldtimer-Party ins Leben gerufen hat.

Im Mai 2015 fand die Rasanz zum dritten Mal statt – mit gesteigerter Teilnehmerzahl und Wagen aus mehreren europäischen Ländern. Der Verfasser hatte das Vergnügen, als Gast mit von der Partie zu sein, und ließ sich in einem eindrucksvollen Cadillac 30 von 1912 chauffieren. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an die Besitzer!

© Cadillac 30 von 1912 bei der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Eins vorab: Wer ein über 100 Jahre altes Auto besitzt und bewegt, muss ein Enthusiast sein. So etwas hat man nicht, weil es gerade chic ist, einen Oldtimer zu fahren, oder weil man auf Spekulationsgewinne aus ist.

Den Freunden der Messingära geht es um die Sache, sie wollen diese urigen und doch leistungsfähigen Gefährte mit all‘ ihren Unzulänglichkeiten. Die Besitzer sind durchweg gestandene, sympathische Zeitgenossen. Sie sind so individuell wie ihre Fahrzeuge, verstehen sich aber untereinander blendend.

Die zweitägige Ausfahrt führte von Schloss Krickenbeck aus über meist ruhige Nebenstraßen und war trotz teils widrigen Wetters ein großartiges Erlebnis. Für den Zuschauer sind bereits Ankunft und Ausladen der Fahrzeuge eine spannende Sache – jeder Teilnehmer hat hier seine eigene Transportlösung.

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Wer einmal diese Zeugen aus der Frühzeit des Automobils in Aktion erlebt hat, versteht den Sinn solcher Veteranen-Rallyes: Es geht darum, sie der Öffentlichkeit als lebendige Boten aus einer untergegangenen Welt zu präsentieren und ihr Überleben zu sichern. Diese Fahrzeuge dürfen nicht nur in Museen ihr Dasein fristen, sie gehören auf die Straße.

Man vergisst oft, dass vor 100 Jahren die wesentlichen Bauteile des Automobils bereits erfunden waren. Jedoch wurden die Wagen noch in Handarbeit gefertigt, was mit einer Material- und Verarbeitungsqualität einhergeht, die heute unvorstellbar ist.

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Der ästhetische Genuss der Fahrzeuge als Produkte von Erfindergeist und Handwerkskunst ist das eine – mit ihnen bei Wind und Wetter fahren ist das andere. Wer einmal Gelegenheit dazu hatte, für den ist die Reise in einem über 100 Jahre alten Automobil ein alle Sinne forderndes Erlebnis.

Vielleicht gerade weil das Wetter bei der Rasanz 2015 nicht perfekt war, dürfte die Veranstaltung den Teilnehmern in Erinnerung bleiben. Denn genau so haben unsere Vorfahren diese Wagen im Alltag erlebt, waren stolz auf das Erreichte und nahmen Härten in Kauf, die in Zeiten klimatisierter Wagen mit Servolenkung und Einparkhilfe inakzeptabel wären.

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Die Bilder lassen erkennen, dass dies keine gemütliche Ausfahrt bei Sonnenschein war. Dem Sportsgeist der Teilnehmer tat das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Das gemeinsam Erlebte, das reizvolle Programm und die ausgezeichnete Organisation durch das Veranstalter-Team wogen alle Unannehmlichkeiten auf.

Es bleibt zu hoffen, dass die Rasanz eine Neuauflage im Jahr 2016 erfährt oder eine ähnliche Veranstaltung am Niederrhein ihre Nachfolge antritt. Wer sich über die Rasanz informieren möchte, kann dies auf der Website „Anno 1907″ tun. Dort gibt es auch Filmmaterial der bisherigen Veranstaltungen.

Für die Freunde der analogen Fotografie hier noch ein paar Impressionen in schwarz-weiß (Kamera: Nikon FM).

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Rarer Mercedes-Benz 130 in Friedberg

Wer sich mit allen Facetten historischer Mobilität beschäftigt, macht immer wieder überraschende Funde. Das eine Mal stößt man über eine alte Reklame auf ein eigentümliches Flugzeug aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg – die Taube von Igo Etrich.

Ein anderes Mal findet man bei eBay ein Filmnegativ der Vorkriegszeit, das außer der vertrauten Burg in Friedberg in der Wetterau wenig erkennen lässt. Was man zumindest ahnt, ist ein Fahrzeug ohne Kühlergrill im Vordergrund. Ein Tatra vielleicht?

© Negativ mit Mercedes 130 in Friedberg/Hessen; Sammlung Michael Schlenger

Das Negativ kostet nur ein paar Euro und landet nach ein paar Tagen wohlbehalten in der Post. Es hat das vor dem Krieg gebräuchliche 6×9 cm-Format, das auch bei mäßiger Optik ordentliche Ergebnisse erwarten lässt.

Mangels eigener Möglichkeit zur Anfertigung eines Abzugs wird das Negativ kurzerhand eingescannt und mit einem Bildbearbeitungsprogramm in ein Positiv verwandelt. Ein Knopfdruck und auf einmal sieht man die Szene vor dem Friedberger Burgtor, so wie sie sich vor rund 80 Jahren darbot:

© Mercedes-Benz 130 in Friedberg/Hessen; Sammlung Michael Schlenger

Jetzt wird auch erkennbar, um was für ein Auto es sich handelt – eine echte Rarität! Denn was dort so gedrungen neben dem stattlichen Herrn steht, ist einer der seltenen Heckmotorwagen von Mercedes-Benz, genauer gesagt ein Modell 130.

Das Fahrzeug fügt sich ein in die Bemühungen vieler Hersteller jener Zeit, mit aerodynamisch optimierter Karosserie und Heckantrieb neue Wege zu beschreiten.

Im Unterschied zu Vorläufern wie Burney in England, Briggs in den USA und Tatra in Tschechien setzte man hierzulande jedoch nicht auf 8-Zylindermotoren und großzügige Karosserien. Vielmehr sah man Potential im Kleinwagensektor und beschränkte sich entsprechend auf 4-Zylinder-Aggregate.

Dabei war Mercedes in Sachen Motorleistung ähnlich defensiv wie später VW: So leistete die längs eingebaute wassergekühlte Reihenmaschine mit 1,3 Liter gerade einmal 26 PS. Bei einem Wagengewicht von fast 1.000 kg war das arg wenig, weshalb die Höchstgeschwindigkeit nur knapp über 90 km/h betrug.

Dennoch kommt Mercedes das Verdienst zu, den ersten Serienwagen dieser Art in Deutschland zustandegebracht zu haben. Von 1934 bis 1936 wurden rund 4.300 Exemplare gefertigt. Hier eine zeitgenössische Reklame mit geschönter Karosserieform und unfreiwillig komischem Verweis auf die „überraschenden Fahreigenschaften“:

© Reklame der 1930er Jahre; Reproduktion in der MVC-Depesche 4/1999; Sammlung Michael Schlenger

Zwar wurden das Platzangebot im Innenraum und die Ausstattung – u.a. hydraulische Bremsen, 4-Gang-Getriebe und zwei Scheibenwischer – gelobt. Doch die für einen Mercedes ungewohnte Form und das heckmotortypische Übersteuern setzten der Verbreitung des hochwertig verarbeiteten Wagens enge Grenzen. Zudem machten der zu geringe Platz für Gepäck und der kleine Tank den 130er ungeeignet für längere Fahrten.

So dürfte das Exemplar auf dem Foto bereits damals Exotenstatus genossen haben. Wie das Nummernschild verrät, handelt es sich um ein in Württemberg (Jagstkreis) zugelassenes Fahrzeug (siehe Ausschnittsvergrößerung). Wie es scheint, verfügt der Wagen noch nicht über die ab 1935 serienmäßige Zweifarblackierung.

© Mercedes-Benz 130 in Friedberg/Hessen (Ausschnittsvergrößerung); Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme muss zwischen 1934 und Kriegsende entstanden sein. Da der Mercedes 130 wie andere schwach motorisierte Fahrzeuge nicht von der Wehrmacht eingezogen wurde, haben relativ viele Exemplare den Krieg überlebt. Dafür sind sie dann in den folgenden Jahren meist restlos aufgebraucht worden.

Heute sind gute Exemplare des Heckmotor-Mercedes äußerst rar und sehr begehrt. Ein historisches Foto dieses interessanten Modells, noch dazu vor unserer Haustür, ist für den Liebhaber solcher Dinge ein außergewöhnlicher Fund.

Interessant ist, dass der 130er offenbar auch als Rechtslenker für den Export gebaut wurde. Dafür spricht jedenfalls das folgende Video eines Exemplars, das in Indien (!) überlebt hat.

© Videoquelle: Youtube; Urheberrecht: Prithvi Tagore

Einen Bildbericht über das konzeptionell ähnliche, aber leistungsstärkere Nachfolgermodell 170H gibt es hier.

Weitere Entdeckungen vor dem Friedberger Burgtor gibt es übrigens hier und hier.

Archivaufnahmen vom Grand Prix in Livorno 1937

Von den meisten Rennen der Grand Prix-Saison 1937 sind hochwertige Filmaufnahmen erhalten. Dies gilt für die Rennen in Tripolis, auf der Berliner AVUS, am Nürburgring und in Donington Park in England. Zum letzten Mal kamen damals die über 500 PS starken Rennwagen der 750kg-Formel zum Einsatz.

Die Kämpfe zwischen Mercedes-Benz, Auto Union und Alfa Romeo und zugleich zwischen den deutschen, englischen und italienischen Fahrern sorgten beim Publikum für ungeheure Begeisterung. Zu den spannenden Rennen der 1937er Saison gehörte der Gran Premio d’Italia, der auf dem Stadtkurs im toskanischen Livorno abgehalten wurde.

Leider gibt es vom Grand Prix in Livorno 1937 nur wenige Filmszenen – in mäßiger Qualität. Doch selbst diese vermitteln einen Eindruck vom Tempo, das auf dem Stadtkurs (7,2 km) erreicht wurde. Sehenswert sind die folgenden Sequenzen auch wegen der Schwenks ins Publikum.

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Zum Start gemeldet waren fünf Mercedes-Benz W125 mit 8-Zylinder-Reihenmotor, vier Auto Union Typ C mit 16-V-Maschine und fünf Alfa-Romeo 12-Zylinder der Scuderia Ferrari. Alfa selbst trat nur mit einem Fahrzeug an.

Das Training hatte für die italienischen Fahrer Tazio Nuvolari (Alfa-Romeo) und Achille Varzi (Auto-Union) vielversprechend begonnen. Am Ende belegten jedoch die deutschen Fahrer Caracciola, Lang und Rosemeyer auf Mercedes-Benz und Auto Union die ersten drei Plätze.

Hier ein Originalfoto von Bernd Rosemeyer im Auto Union Typ C auf dem Stadtkurs von Livorno beim GP 1937.

© Bernd Rosemeyer, Livorno 1937; Sammlung Michael Schlenger

1937 sollte die letzte Rennsaison von Bernd Rosemeyer sein – im Januar 1938 kam er beim Rekordversuch auf der Autobahn zwischen Frankfurt und Darmstadt ums Leben.