Sollten Sie den Titel des heutigen Blog-Eintrags irgendwie frivol finden, ist das allein Ihr Problem – denn bei „Lack und Leder“ denkt der anständige Liebhaber des Klassischen natürlich nur an vierrädrige Leidenschaften.
Mir kommt da etwa mein 1974er MGB GT in den Sinn – einer der allerletzten vor Einführung des „Gummiboots“, also der ungeliebten Variante mit Plastikfront und -heck.
Äußerlich ist der ursprünglich in die Schweiz gelieferte Wagen völlig original – auch der Motor mit inzwischen weit über 200.000 km auf der Uhr ist noch der ursprüngliche.
MGB GT von 1974 in Bad Nauheim; Bildrechte: Michael Schlenger
Doch beim Interieur hatte sich bereits der Vorbesitzer ein geschmackvolles Luxus-Upgrade erlaubt – schöne Ledersitze im klassischen Stil. Leider ahnt man das hier allenfalls – daher ist mir bewusst, dass ich in Sachen „Lack & Leder“ noch liefern muss.
Das tue ich mit Vergnügen anhand eines heute vergessenen, aber einst verbreiteten deutschen Automobils der 1920er Jahre – des Protos C1 10/45 PS aus Berlin.
Das war der Nachfolger des Typs C10/30 – zusammen mit dem Brennabor 8/24 PS, dem NAG C4 10/30 PS, und dem Presto D 9/30 PS eines der meistgebauten deutschen Fabrikate der Mittelklasse zu Beginn der 1920er Jahre.
Neben der auf 45 PS gesteigerten Motorleistung und den serienmäßigen Vierradbremesn war es vor allem die andere Gestaltung der Motorhaube mit zweimal fünf hohen Luftschlitzen, was den Typ C1 vom Vorgänger unterschied.
Hier haben wir ein bisher noch nicht gezeigtes Foto mit einem solchen Exemplar in Landaulet-Ausführung – eventuell ein Taxi:
Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Von der bei Chauffeuren damals verbreiteten Ledermontur ist hier leider so wenig zu sehen wie von den Ledersitzen meines MG in originaler „Blaze-orange“-Lackierung.
Doch seien Sie unbesorgt – am Ende bekomme ich wie immer die Kurve – als Autoenthusiast ist man ein paar Umwegen gegenüber doch nicht abgeneigt.
Immerhin Leder-Knobelbecher neben auf Hochglanz poliertem Lack gibt es auf der nächsten Aufnahme von 1928 zu sehen. Sie zeigt Soldaten der Reichswehr – also der Armee der Weimarer Republik – neben ihrem prächtigen Tourenwagen:
Die Fotos aus dem Fundus von Leser Matthias Schmidt aus Dresden sind normalerweise schwer zu übertreffen – doch heute kann ich eine Ausnahme präsentieren.
Das liegt aber nicht nur an der noch überzeugenderen Darbietung in Sachen Lack & Leder, sondern auch daran, dass wir beim folgenden Beispiel wissen, was es für ein Fahrzeug war.
Diesen Umstand wie das Foto selbst verdanke ich Wolfgang Kuessner aus Kiel, der im Netz eine beeindruckende Sammlung an historischen Aufnahmen zur Kieler Geschichte nach Themen sortiert aufgebaut hat.
Er wollte von mir den Hersteller des Fahrzeugs wissen, über das nach seinen Informationen einst der Kommandant der Marinestation Kiel dienstlich verfügte und das 1926 aufgenommen wurde:
Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Wolfgang Kuessner (Kiel)
Sie können sich vorstellen, dass ich mit Vergnügen die Bestimmung dieser repräsentativen Limousine vornahm. Das Foto wäre indessen – bei allen Qualitäten des Wagens – nur halb so reizvoll, würde nicht der Fahrer in voller Ledermontur davor posieren.
Damals waren die doppelreihige Lederjacke und Schaftstiefel längst bewährter Standard unter Chauffeuren – das war keineswegs dem militärischen Bereich vorbehalten, es handelte sich schlicht um eine ideale Bekleidung bei rauhem Wetter.
Hier hat unser Fahrer allerdings ganz vom Leder gezogen und posiert auch mit entsprechender Hose vor dem tiefschwarzen Lack der Limousine.
Wenn einem jetzt die Phantasie durchgeht und er sich vielleicht noch eine passend mit Reiterhosen, strenger Bluse und burschikoser Krawatte zurechtgemachte Dame hinzuwünscht, dann ist das nicht meine Schuld.
Wenn jemandem DAS fehlt, ist er selbst verantwortlich, das bei Bedarf zu ändern. Es soll ja entsprechende glückliche Paarungen auf diesem Sektor geben…
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Was wie ein banales Sprichwort klingt, ist in Wahrheit eine tiefe Weisheit. Das Lachen bewahrt uns davor, uns von Zuständen, die wie nicht ändern können, das Leben ruinieren zu lassen. Wir haben nämlich nur eines, das noch dazu jederzeit zuende sein kann.
Meinen mitunter unangemessen erscheinenden Humor habe ich über beide Elternteile geerbt, wenn auch nicht unbedingt direkt. Oft findet man ja Eigenschaften, die man bei sich beobachtet, in prächtigster Weise ausgebildet in der Großelterngeneration.
Mütterlicherseits gab es die Großtante „Käthe“, die zeitlebens Hedonistin war, wie man heute fachmännisch sagen würde. Anstatt wie die Schwestern schlechte Ehen einzugehen, blieb sie unverheiratet, machte Karriere beim Max-Planck-Institut und lebte ein paar Jahre in wilder Beziehung auf Capri – so die Überlieferung.
Sie war zuständig für die gute Laune in der Familie und war die Lieblingstante meiner Mutter, die einen Gutteil ihrer Neigungen geerbt hatte, bloß in der Praxis trotz guter Anfänge hinter dem Vorbild zurückblieb. Eine Spötterin blieb sie immerhin zeitlebens.
Väterlicherseits ist mein Großonkel Ferdinand zu erwähnen, der mich mehr erzogen hat als sein Neffe. Wie so viele seiner Generation fand er sich in einer Zeit wieder, deren Zwängen man sich kaum entziehen konnte – auch er war Soldat im 2. Weltkrieg.
Davon hat er mir nur eine einzige Episode erzählt, obwohl ich viel Zeit in den Ferien bei ihm verbracht habe. Die ging so:
Gegen Kriegsende befand er sich als Spähtruppführer in einem Waldgelände und in dem Moment, als er eine Lichtung betrat, erblickte er auf der anderen Seite einen britischen Soldaten. Beide rissen ihre Maschinenpistolen hoch – doch beide hatten Ladehemmung.
Vielleicht waren auch beide zu aufgeregt und entsicherten ihre Waffen nicht korrekt. Jedenfalls blickten sie sich kurz an und zogen sich zurück. An diesem Tag ist mein Großonkel dem Tod von der Schippe gesprungen und sein Opponent ebenfalls.
Nach dem Krieg blieb er sein Leben lang den „Tommies“ zugeneigt, wie er die Briten nannte, die in seiner Heimatstadt Paderborn eine Garnison unterhielten und im Alltag präsent waren.
Er baute sein von einer Fliegerbombe getroffenes schönes Haus wieder auf – genau so, wie es vorher war, ohne moderne Zutaten. Er heiratete, doch seine Frau Lene starb jung. Ich sehe ihr feines Porträt in Schwarz-Weiß, das im Flur hing, noch heute vor mir.
Bei alledem blieb er ein heiterer Mensch. Eine beim Paderborner Bistum beschäftigte Freundin hatte er und ich habe den Verdacht, dass er auch seiner propperen Haushälterin zugetan war. Er war kein Mensch mit herunterhängenden Mundwinkeln..
Warum erzähle ich das alles?
Nun, von meinem Großonkel habe ich die Überzeugung ererbt oder übernommen, dass man sich im Leben den Spaß nicht nehmen darf.
„Die gehen doch zum Lachen in den Keller„, pflegte er zu sagen, wenn er griesgrämiger Zeitgenossen wie dieser ansichtig wurde:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
So ein großartiges Foto in allerbester technischer Qualität und einer der meistverkauften deutschen Qualitätswagen der frühen 1920er Jahre – ein Protos Typ C 10/30 PS – und keine der darum versammelten Personen bekommt den Anflug eines Lächelns hin.
Dass dies kein Zufall gewesen sein kann, sondern dass dieses beeindruckende Auto mit seinem unverwechselbaren Kühler und den auf zwei Gruppen zu je vier verteilten Luftschlitzen irgendwo eine Spaßbremse eingebaut haben musste, das lässt leider die Betrachtung einer ganzen Reihe solcher ansonsten großartiger Dokumente vermuten.
War es das überwiegend schlechte Wetter in deutschen Landen oder schlug das vielerorts ungesunde Essen in Germanien auf den Magen? Das gibt’s doch gar nicht, dass diese vom schieren materiellen Glück umgebenen Zeitgenossen alle so wenig Spaß daran hatten!
Immerhin diesem Exemplar darf man zugutehalten, dass er „auf Arbeit“ abgelichtet wurde, denn er fungierte als Chauffeur einer weiteren Limousine des Typs Protos C 10/30 PS:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Ihm lassen wir gern den ernsten Blick durchgehen, denn er trug als Fahrer des teuren Wagens einer gut situierten Familie große Verantwortung.
Aber was lässt die privilegierten Besitzer eines derartigen Luxusgegenstands selbst so dermaßen frustiert aussehen?
Die können doch nicht alle gleichzeitig Zahnschmerzen gehabt oder gerade schlechte Nachrichten über ihr Wertpapierdepot erhalten haben, oder?
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Meine Güte, was für fantastische Fotos – die wir nebenbei Leser Matthias Schmidt aus Dresden verdanken – und dann Gesichter wie beinahe auf einer Beerdigung.
So lange waren die Belichtungszeiten damals auch nicht mehr – schon gar nicht bei solchen Lichtverhältnissen – und es gibt genügend andere Beispiele aus den frühen 1920er Jahren, bei denen die abgelichteten Personen ganz entspannt oder freundlich dreinschauen.
Was war das für eine Spaßbremse, die bei diesem so markanten und für seine Zeit (in Deutschland) konkurrenzfähigen Wagen die Gesichtszüge dermaßen nach unten zog?
Gewiss, hart erarbeitet war das Geld, welches zum Erwerb eines solchermaßen aufwendigen Manufakturautomobils im großen Format zu bezahlen war.
Die Tourenwagenversion sollte doch Anlass zu einem wenigstens für einen Moment gelösten bis zufriedenen Gesichtsausdruck Anlass geben. Hier scheint die Spaßbremse immerhin etwas weniger angezogen zu sein:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Ist das nicht schade, wie hier ein Foto des Protos Typ C 10/30 PS nach dem anderen quasi verschwendet wird?
Langjährige Leser kennen mich und wissen genau, dass ich mich bei Bedarf in den Details auch nur eines einzigen Fotos eines Vorkriegsautos verlieren kann.
Doch hier fällt mir einfach nichts ein – so ein schöner Wagen und so viele Gesichter, doch nur ganz wenigen möchte man mehr Aufmerksamkeit widmen.
Wieder erwische ich mich bei dem Gedanken, dass dies der Zeit geschuldet sein mag, die auch den Wohlhabenden alles abverlangte. Doch einige Jahre der Bloggerei (und etwas eigene Lebenserfahrung) erlauben mir die Feststellung, dass die Umstände nicht für alles verantwortlich gemacht werden können.
Als Gegenbild mag diese hier vorgestellte Aufnahme dienen, die einen unmittelbaren Konkurrenten des Protos Typ C 10/30 PS zeigt, den Presto Typ D 9/30 PS:
Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der Unterschied ist augenfällig – der sächsische Presto Typ 9/30 PS scheint über keine eingebaute Spaßbremse verfügt zu haben wie der in Berlin gebaute Protos Typ C 10/30 PS.
Doch wollen wir dem einst so streng daherkommenden Protos am Ende die Gelegenheit geben, die Spaßbremse ein wenig zu lockern und sich von seiner lässigeren Seite zu zeigen.
Ansätze dazu sind auf dieser Aufnahme zu erahnen:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Das geht doch schon einmal in die richtige Richtung, meine ich.
Gut gefällt mir hier der spöttisch dreinschauende Herr ganz links, aber auch die beiden Damen lassen Spaß-„Potential“ erkennen, wenngleich die ganz rechts schlechte Karten zu haben scheint – sie ist wohl schon in festen Händen eines verklemmten Schreibtischtypen (ich darf das behaupten, bin ja selber einer…)
Wer bis hier durchgehalten hat, dürfte zumindest eines bis ans Ende seines Lebens nicht vergessen, nämlich wie ein Protos Typ C 10/30 PS ausgesehen hat, der von 1918-24 in etlichen tausend Exemplaren gebaut wurde.
„Ja gut, das ist jetzt klar„, mögen Sie denken, und etliche von Ihnen wissen das schon längst. Doch bleibt die Frage, ob der Protos Typ C 10/30 PS wirklich eine eingebaute Spaßbremse besaß oder nicht, die sich nur unterschiedlich stark anziehen ließ.
Ich will es ihnen verraten: Sie war vermutlich auf Wunsch als Zubehör erhältlich, denn wer die Basisversion ohne solche orderte, der schaute vollkommen glücklich und zufrieden drein:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Jörg Bauermeister
Dieses Exemplar mit den beiden freundlich in die Kamera schauenden Damen wurde einst irgendwo im Kreis Liegnitz in Schlesien (seit 1945 zu Polen gehörig) aufgenommen.
Meine von dort stammende Mutter scheint Anfang 1945 neben ihrem Koffer auch die Befähigung zum Humor mitgenommen zu haben, als sie mit 13 Jahren gen Westen floh.
Vielleicht versetzt einen die Erfahrung, alles zu verlieren und sich alles neu erarbeiten zu müssen, in die Lage, die nötige Distanz zum Dasein zu gewinnen, um in jeder Situation über alles lachen – oder noch besser: – spotten zu können…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute sind Sie wieder einmal besonders gefragt, liebe Leser.
So willkommen mir auch sonst alle fundierten Kommentare sind (die unterhaltsam geschriebenen mag ich auch), meist habe ich den Anspruch, selbst die Rätsel auf den alten Autofotos zu knacken, die ich hier präsentiere (falls es überhaupt welche sind).
Diesmal brauche ich aber wirklich Verstärkung, denn meine detektivischen Fähigkeiten haben sich bereits mit der Identifikation des folgenden Fahrzeugs erschöpft (für heute):
Protos Typ G2 um 1912; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die alten Hasen und Häsinnen (so viel Spaß muss sein) unter meinen Lesern mögen diesen Tourenwagen für einen klaren Fall halten. Ich befasse mich aber überhaupt erst seit 2015 mit Vorkriegsautos und war daher lange ziemlich ratlos.
Natürlich bin ich selbst schuld daran, denn ich kaufe systematisch Fotos der 5 Euro-Klasse, die nicht auf Anhieb erkennen lassen, was darauf zu sehen ist. Wenn man sonst keine Probleme hat, macht man sich halt welche.
Zum Glück habe ich während meiner kurzen Karriere bereits etliche Gleichgesinnte kennen- und schätzengelernt, die schon etwas länger solche Sachen sammeln und studieren. Einer davon konnte mir wieder einmal helfen, ohne es zu wissen.
Aber der Reihe nach: Schauen wir doch erst einmal, was sich im vorliegenden Fall mit „Bordmitteln“ erreichen lässt. Dazu werfen wir einen genaueren Blick auf die bei Vorkriegsautos in der Regel alles entscheidende Vorderpartie:
Frontscheinwerfer und Positionslampen (vor der Windschutzscheibe) sind noch gasbetrieben – ein klarer Hinweis auf eine Entstehung vor dem 1. Weltkrieg, und zwar noch vor 1913/14.
An die fast waagerecht verlaufende Motorhaube schließt sich übergangslos ein stärker nach oben ansteigendes Blech an, der sogenannte Windlauf. Dieser hielt bei Serienautos im deutschen Sprachraum 1910 Einzug auf breiter Front.
Frühe Ausführungen wirken noch wie nachträglich aufgesetzt – das waren sie oft auch – während spätere (1913/14) meist mit der Motorhaube eine harmonische Linie bilden. Die Situation auf meinem Foto entspricht etwa dem Zwischenstand von 1912.
Was lässt sich sonst noch festhalten?
Je drei in zwei Gruppen zusammengefasste Luftschlitze in der Motorhaube, klar erkennbare Nietenreihen entlang der Haubenkanten und der Verstärkung dienende Sicken am vorderen und hinteren Ende der Haube.
Hilft das irgendwie weiter? Nur dann, wenn man ein zweites Foto mit denselben Details findet, bei dem der Hersteller identifizierbar ist. Genau damit konnte mein Dresdener Sammlerkollege Matthias Schmidt aufwarten, der schon etwas länger „im Geschäft“ ist.
Denn vor einiger Zeit „versorgte“ er mich mit der folgenden Aufnahme aus seinem Fundus, die den Hersteller klar erkennen lässt: Protos aus Berlin!
Protos Typ G2 um 1912; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmid (Dresden)
Dieses hervorragende Foto ist eines von unzähligen, die von der Selbstverständlichkeit zeugen, mit der unsere Altvorderen auch im Winter mit ihren damals fahrwerksseitig noch unvollkommenen Wagen unterwegs waren.
Schmale Räder mit großem Durchmesser und mit Schneketten versehen sind bei solchem Untergrund allerdings durchaus geeignet, um für Traktion zu sorgen. Schnell gefahren wurde ohnehin unter diesen Bedingungen nicht und Gegenverkehr gab es kaum.
Für die Schneeflöckchen unserer Tage, die bereits als Knirpse auf dem Laufrad Helm tragen müssen (gerade kürzlich wieder gesehen), wäre freilich bereits die Aussicht auf eine winterliche Ausfahrt ohne Verdeck und ohne Gesichtsmaske das Grauen pur.
Lassen Sie sich nicht vom elektrischen Standlicht dieses Wagens im Windlauf irritieren, so etwas gab es als Option bereits vor elektrischen Frontscheinwerfern, als ab etwa 1912.
Dieses Auto besitzt sogar letztere, das wird aber damit zu tun haben, dass die Aufnahme auf 1928 datiert ist und der Wagen nach dem 1. Weltkrieg eine komplette elektrische Anlage von Bosch erhalten haben muss:
Ansonsten entspricht die Gestaltung des Tourers vollkommen derjenigen des eingangs gezeigten Exemplars. Bloß sehen wir hier die Kühlergestaltung eines „Protos“, die unverwechselbar ist.
Aus meiner Sicht haben wir es hier mit einem Wagen des Vierzylindertyps G2 8/22 PS zu tun, der recht gut dokumentiert ist (siehe auch meine Protos-Galerie).
Den Vergleich der weiter oben aufgezählten Details der Haubenpartie überlasse ich Ihnen. Aus meiner Sicht ergeben sich hinreichende Übereinstimmungen – beide Fotos zeigen offenbar einen Protos dieses G-Typs aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg.
Rätselhaft bleibt aus meiner Sicht bloß dies:
Nachdem uns bei dem Protos auf dem zweiten Foto eine komplette Bosch-Lichtanlage begegnet ist, was hat es mit der „Bosch“-Villa im Hintergrund auf dem ersten Foto auf sich?
Die bekannte Villa der Familie Bosch sieht ganz anders aus und auch die Bosch-Villa in Radolfzell scheint nicht zu passen.
Nachdem ich mit der Identifikation des Protos-Tourers meine Schuldigkeit getan habe, sind nun Sie an der Reihe, dieses Rätsel zu lösen…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Vier Automodelle waren nach meinem Eindruck in der ersten Hälfte der 1920er Jahre besonders häufig auf deutschen Straßen anzutreffen: Brennabor Typ P 8/24 PS, NAG Typ C4 10/30 PS, Presto Typ D 9/30 PS und Protos Typ C 10/30 PS.
Durchweg handelte es sich um bewährte, technisch konventionelle Konstruktionen mit seitengesteuerten Vierzylindermotoren im Hubraumbereich zwischen und 2,1 und 2,6 Litern.
Während der Brennabor in gestalterischer Hinsicht dermaßen eigenschaftslos daherkam, dass er dadurch schon wieder hervorsticht, wiesen die Wagen der drei anderen Hersteller zumindest am Vorderwagen markante Charakteristika auf.
Speziell der Protos hatte sich ein einzigartiges Ornament am Kühler aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg bewahrt, welches auf diesem Foto sofort ins Auge fällt:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Als dieser stilbewusste Herr neben dem im Raum Hamburg zugelassenen Protos posierte – im Jahr 1934 – war der Wagen schon mindestens zehn Jahre alt. Damals entsprach das gestalterisch wie technologisch zwei Autogenerationen!
Dennoch wurde der Tourer immer noch geschätzt, zumindest von Zeitgenossen, denen Stilfragen wichtig waren.
Von der Leistung her war der Protos freilich von gestern. In seiner Hubraumklasse waren inzwischen 6 Zylinder, 50 PS und 100 km/h Spitze sowie Hydraulikbremsen Standard (Beispiele: Wanderer WII 10/50 PS, Hanomag „Sturm“ oder NSU/Fiat 10/52 PS).
Der Protos bot nur mechanische Hinterradbremsen und Höchsttempo 75 km/h, war also nichts für die gerade im Entstehen befindliche Autobahn.
Doch so ein Wagen war ein Frage des Stils und ich würde ihn aufgrund seiner Optik jedem der oben genannten vorziehen. Das Outfit mit Knickerbockerhosen und Ballonmütze ist übrigens bereits vorhanden.
Bleibt die Frage, für welche Karosserieversion man sich beim Protos C 10/30 PS entscheiden würde, wenn es heute noch eine entsprechende Auswahl gäbe. Schauen wir uns unverbindlich an, welche Ausführungen einst erhältlich waren – denn das war eine Frage des Stils:
Den Anfang macht diese Ausführung mit festem Verdeckkasten und ausgeprägter „Schulter“ an der Flanke:
Protos Typ C 10/30 PS Tourer; Originalfoto aus Sammlung Jörg Bauermeister
Obiges Exemplar war nach Angaben des Besitzers der Aufnahme im Raum Liegnitz (Schlesien, seit 1945 zu Polen gehörig) zugelassen.
Besagte Schulter ist der nach außen abgeschrägte obere Abschluss der Seitenpartie hinter der Windschutzscheibe. Diese gestalterische Lösung taucht direkt nach Ende des 1. Weltkriegs auf und wird Ernst Neumann-Neander zugeschrieben – einem einflussreichen Jugenstilkünstler und passionierten Kraftfahrer.
Man sieht hier schön, wie die Flanke nach hinten ansteigt und die „Schulter“ an Volumen gewinnt, was der Seitenpartie eine gewisse Spannung verleiht. Auch die dadurch bewirkte Lichtreflektion wirkt sich merklich auf das Erscheinungsbild aus.
Das andere Extrem – eine nicht vorhandene „Schulter“ – finden wir auf folgender Aufnahme:
Protos Typ C 10/30 PS Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Auto wirkt ganz anders, obwohl die Frontpartie mit den typischen acht Luftschlitzen in zwei Gruppen und der unverkennbare Kühler ganz klar auf den Protos Typ C verweist.
Doch der völlig gerade Verlauf der Linien entlang der Flanke lässt jede Spannung auf der ziemlich großen Fläche vermissen, die für eine Gestaltung zur Verfügung steht.
Nicht nur fehlt der Anstieg der Gürtellinie, zum Eindruck der Belanglosigkeit tragen auch die nahezu quadratischen Türen und der Heckabschluss mit dem nach unten gezogenen Hinterkotflügel bei (vergleichen Sie noch einmal mit der vorherigen Aufnahme).
Zum Glück gibt es aber mehr Auswahl in dieser Hinsicht. Einen anderen Weg beschritt man nämlich beim Aufbau des folgenden Protos Typ C 10/30 PS, der vor der großartigen Kulisse des Neuen Museums in Berlin abgelichtet wurde:
Protos Typ C 10/30 PS Tourer; Originalfoto aus Sammlung Jason Palmer (Australien)
Dieses Dokument verdanken wir dem australischen Vorkriegssammler Jason Palmer, der mir schon manches Foto zur Verwendung im Blog zur Verfügung gestellt hat.
Zwei Dinge möchte ich an diesem Wagen hervorheben:
Da wäre zum einen die moderat ausgeprägte „Schulter“, die einen Mittelweg zwischen den beiden zuvor gezeigten Ausführungen repräsentiert.
Zum anderen wirkt der nach hinten gestreckte Abschluss des Heckkotflügels dem Eindruck eines abrupten Endes des Fahrzeugs entgegen – man sieht förmlich den Staub der Landstraße horizontal davonstieben.
Nicht zuletzt ist hier zu erahnen, wie die nach hinten schlanker werdende Taille dazu führt, dass die hintere Tür nicht einfach wie eine gestanzte Wiederholung der vorderen wirkt, sondern stärker geneigt und gewölbt ist.
Zwar ist heute Weihnachten, doch wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es diese Version ohne das „Lametta“, mit dem der Protos – warum auch immer – behängt wurde.
Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen und so darf ich den Protos Typ C 10/30 PS in präzise der Ausführung präsentieren, die mir in stilistischer Hinsicht am besten gefällt:
Protos Typ C 10/30 PS Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Genauso wie auf diesem Foto von 1923 wäre ich mit Vergnügen nach einer Ausfahrt vor Karl Scheuringers Gastwirtschaft vorgefahren, wo auch immer diese sich befand.
Auch das Outfit hätte ich entsprechend gewählt – eine doppelreihige Lederjacke mit breitem Revers, darunter Hemd und Krawatte sieht auch heute noch gut aus zu einem klassischen Tourer. Bloß das Milchbärtchen hätte ich mir gespart.
Bliebe für 2023 nur noch der Wunsch, nach genau 100 Jahren ebendiesem Protos in natura wiederzubegegnen.
Leider stehen die Chancen dafür schlecht, aber zum Glück sind uns mehr als genug solcher Aufnahmen erhalten gebliebe, anhand derer wir solchen Fragen des Stils auch im Neuen Jahr zumindest gedanklich genüsslich nachgehen dürfen.
Keine Sorge: Das war noch nicht der letzte Blogeintrag im Jahr 2022, aber die Stimmung schwingt sich doch allmählich auf den Jahreswechsel ein – zu dem ich hier gewohnheitsmäßig einen ganz besonderen Blick zurückwerfe…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wer in den 1980er Jahren Insasse eines hessischen Gymnasiums war, wurde in Sachen klassische Bildung nach meiner Erfahrung reichlich kurz gehalten.
Im Kunst- und Musikunterricht wurde uns wenig bis nichts vermittelt, was die grandiosen europäischen Traditionen angeht. Unstrukturiert und uninspiriert sprang miserables Lehrpersonal durch die Geschichte und biss sich an mediokren Zeitgeistphänomen wie „Elektronikmusik der 70er“ oder „Industrial Design“ fest.
In zweierlei Hinsicht denke ich aber gern an meine Zeit auf der altehrwürdigen Friedberger Augustinerschule zurück:
In Latein bekam ich die komplette Grammatik dieser Sprache systematisch beigebracht und noch heute profitiere ich von dem Verständnis der Linguistik, das ich damit nebenbei erwarb – für mich als professionellen Übersetzer von unschätzbarem Wert.
Dann gab es einen an sich mittelmäßigen Englischunterricht, in dem man wenig lernte, was einen auf alltägliche Situationen in Urlaub und Beruf vorbereitete und der von einem morgens verschlafen einlaufenden Lehrer abgehalten wurde.
Doch der ließ uns – vielleicht aus Bequemlichkeit, vielleicht aus Leidenschaft – den kompletten „Hamlet“ von William Shakespeare im Originaltext des frühen 17. Jahrhunderts lesen und zwar wie im Theater in verteilten Rollen. Dafür danke ich ihm noch heute.
Der sprachlichen Klasse von Meister Shakespeare entspricht die Komplexität der von ihm erschaffenen Personen. Im Fall von Hamlet handelt es sich um eine Figur, von der man wenig Gesichertes erfährt und das ganze Drama über hat man den Eindruck, dass er selbst nicht weiß, wer er eigentlich ist und was sein Daseinszweck ist.
Damit bekomme ich endlich die Kurve zu dem Foto, das ich heute zeigen will:
Protos Tourenwagen um 1913; Originalfoto via Uffe Mortensen (Dänemark)
Diese schwer zu übertreffende Aufnahme verdanke ich Leser Uffe Mortensen aus Dänemark. Er lebt in Helsingør auf der Schweden vorgelagerten dänischen Insel Seeland.
Dort entstand nicht nur dieses Foto, dort spielt auch der fiktive „Hamlet“ von Shakespeare – auf Schloss Kronborg, um genau zu sein (im Drama „Elsinore“).
So geheimnisvoll und schwer zu greifen wie der Charakter des dänischen Königssohns, der sich mit dem Mörder seines Vaters auf dem Thron konfrontiert sieht und auf Rache sinnt, um am Ende selbst unterzugehen, so schwer ist es, diesen Protos näher anzusprechen.
In einer anderen europäischen Kulturnation wäre es undenkbar, doch Protos ist eine der vielen einst international hochbedeutenden deutschen Automarken, zu denen es bis heute keine ernstzunehmende Gesamtdarstellung gibt.
Einige der Modelle aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sind zwar recht gut dokumentiert – speziell die Modelle G1 6/14 PS und G2 6/18 PS. Die meisten Abbildungen davon finden sich allerdings in meiner Protos-Galerie und sich selbst zu zitieren, ist nicht die beste Idee.
Dennoch bleibt mir als Laien nichts anderes, als eigene Vermutungen in Sachen Protos anzustellen. So findet sich in meinem Fundus ein ähnlicher Wagen wie auf dem Foto aus Helsingør:
Protos G-Typ: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Neben etlichen Übereinstimmungen finden sich hier jedoch auch einige abweichende Details: So weist der in Dänemark abgelichtete Protos 12 statt 10 Radspeichen auf, was auf eine stärkere Motorisierung hindeutet.
Ein weiterer Unterschied betrifft das Kühleremblem, welches bei Protos vor dem 1. Weltkrieg öfters geändert wurde. Jedenfalls würde ich den zuletzt gezeigten Wagen, der im 1. Weltkrieg in Küstrin aufgenommen wurde, auch aufgrund der Proportionen als eines der kleineren G-Modelle ansprechen, die bis 1914 gebaut wurden.
Bei dem Protos in Helsingør könnte es sich um eines der nur sporadisch dokumentierten Modelle F 18/45 PS oder eventuell ein Modell C 10/30 PS handeln, das erst 1913 eingeführt wurde und die Basis für das erfolgreiche Protos-Nachkriegsmodell bildete.
Dazu würde auch die Kühlergestaltung passen, die sich kurz vor dem 1. Weltkrieg nochmals geändert zu haben scheint. So wurde das stärker ornamentale Oberteil durch ein schlichtes ovales Feld mit dem Markenschriftzug ersetzt:
Vielleicht kennt ein Leser ja die Chronologie der Protos-Kühlerembleme – mir ist bislang keine solche Darstellung bekannt.
Unterdessen gehört meine Sympathie auf diesem Dokument auch den Individuen, die sich stolz mit dem Protos haben ablichten lassen, vermutlich am Bahnhof von Helsingør.
Diese Arbeiter waren wohl für die Dänischen Staatsbahnen tätig, welche den Protos transportiert hatten – vielleicht anlässlich einer Auslandsreise, die einen Bahntransfer nahelegte.
Dafür, dass der Wagen frisch aus Berlin angeliefert worden wäre, sieht er zu stark gebraucht aus, wenngleich ein leeres deutsches Nummernschild montiert zu sein scheint, was an sich für einen Neuwagen sprechen würde.
Man sieht: Der Charakter dieses Wagens ist mindestens so schillernd wie der von Prinz Hamlet in Shakespeares Drama. Auch dort begegnen einem übrigens etliche reizvolle Nebendarsteller – wie auf diesem Foto:
Geheimnisvoll mutet hier nicht nur die Person am Steuer an, auch die beiden Mädchen auf der Rückbank entziehen sich der Einordung, das eine scheint es sogar darauf anzulegen, ganz unerkannt zu bleiben – vermutlich blendete es aber bloß die Sonne.
Am Heck sehen wir einen weiteren selbstbewusst posierenden Arbeiter – was abermals die Frage nach der Situation aufwirft, die hier fotografisch festgehalten wurde.
Wie in Shakespeares Werken ist es die Liebe zu den scheinbar nebensächlichen Figuren, welche die Qualität des Ganzen ausmacht.
Im vorliegenden Fall hat sich noch jemand hineingemogelt, der bei der Komposition des Ganzen gar nicht vorgesehen war, aber zum rechten Zeitpunkt seinen Auftritt hatte: die Person am geöffneten Fenster im zweiten Stock des Backsteinhauses im Hintergrund!
Details wie diese gehören zur Schönheit solcher alten Momentaufnahmen und sie lassen uns darüber hinwegsehen, dass wir vielleicht nie genau erfahren, was für ein Charakter genau uns hier begegnet – ganz wie der auf ewig mysteriöse Prinz Hamlet…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wir schreiben das Jahr 2021. Ein politisch unbedeutender Zwergstaat in Mitteleuropa träumt von einstiger Größe und möchte gern die Welt belehren – in punkto Bürgerrechte (die gerade im eigenen Land abgeräumt werden), in punkto „Klimarettung“ (wofür das Land selbst irrelevant ist) und in punkto Geopolitik (obwohl das Land keinerlei Machtmittel hat).
Sie ahnen es: Die Rede ist von Deutschland.
Im dreizehneinhalb Flugstunden von Berlin entfernten Tianjin hat man für deutsche Ambitionen vermutlich nur ein Lächeln übrig. Die Millionenstadt gehört zu den wohlhabendsten in China und über den Hafen läuft ein Großteil der Exporte, von denen die Bundesrepublik längst so abhängig ist wie ein Drogensüchtiger.
Vor etwas mehr als 100 Jahren sah die Welt ganz anders aus. Die Großmächte Europas – England, Frankreich, das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn – besaßen exklusive Handelskonzessionen im seinerzeit noch Tientsin genannten Umschlagplatz.
Damit konnte das rückständige China mit Waren aller Art versorgt werden, für deren Herstellung dort das technologische Wissen und die Fachleute fehlten.
Zur Wahrnehmung der Handelsinteressen gab es damals eine kleine deutschsprachige Gemeinde in Tientsin, die über alle Annehmlichkeiten der Moderne verfügte. Dazu konnte auch ein Automobil wie dieses gehören:
Protos von ca. 1912 in Tientsin; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Datiert ist dieser Abzug, den mir Matthias Schmidt (Dresden) zur Verfügung gestellt hat, auf November 1915. Neben dem Datum ist lediglich der Ort auf der Rückseite vermerkt.
Zur Identifikation des Wagens fehlen hier alle Anhaltspunkte. Der Aufbau als Landaulet mit halboffenem Chauffeurabteil ist in keiner Weise markentypisch – er konnte prinzipiell zu allen möglichen Automobilen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg gehören.
Immerhin verrät der harmonische Übergang von der Motorhaube zur Frontscheibe – als Windlauf, Windkappe, bisweilen auch Torpedo bezeichnet – dass dieser Wagen frühestens 1910 entstanden sein kann. Vorher stieß die Haube nämlich stumpf auf die Scheibenpartie.
Während links vor der Motorhaube der chinesische Fahrer steht – damals sicher einer der ersten seiner Profession in China – sieht man im Heck zumindest einen Teil der deutschen Familie, der dieser Wagen gehörte:
Mitten in der Fremde lebte man so europäisch, wie das nur irgendmöglich war – auf die Idee, sich an chinesischen Sitten zu orientieren, wäre kaum jemand gekommen.
Das einzige Feld, auf dem man den Chinesen nicht überlegen war – die Bevölkerungszahl – wurde damals von weitsichtigen Zeitgenossen zwar bereits thematisiert, war aber weit davon entfernt, irgendeine Relevanz außer der Größe des Absatzmarkts zu besitzen.
Was für einen Wagen wird diese deutsche Familie im Fernen Osten gefahren haben? Nun, sofern man aus der Hauptstadt stammte, war es Ehrensache, dass man auch einer Berliner Marke treu blieb.
In Frage kämen dann in erster Linie die Hersteller NAG und Protos, die auch über ein internationales Exportnetz verfügten. Im vorliegenden Fall bestätigt sich die Vermutung, denn zum Glück gibt es ein weiteres Foto aus derselben Quelle, welches den Wagen von vorne zeigt – bloß etwas früher aufgenommen, nämlich im Oktober 1913:
Protos von ca. 1912 in Tientsin; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Hier ist alles Wesentliche zu sehen, denn das opulente Jugendstilornament auf dem Kühler würde auch ohne den Schriftzug auf dem Kühlergitter klar auf die Marke Protos verweisen.
Sehr gut zu erkennen ist hier übrigens, dass der erwähnte Windlauf noch vergleichsweise steil aufragt. Dies spricht für eine Datierung bis etwa 1912, da kurz vor dem 1. Weltkrieg allgemein die Haubenoberseite und der Windlauf bereits eine Linie bildeten.
Schwierig zu beantworten ist die Frage, um was für einen Typ es sich bei diesem Protos handelt. Ausschließen darf man den zwar verbreiteten, aber recht kleinen Vierzylindertyp G2 mit lediglich 18 (später: 22) PS.
Die Spitzenmodelle E1 und E2 mit sehr leistungsfähigen Vier- bzw. Sechszylindermotoren (4,6 bzw. 6,8 LIter Hubraum) kommen meines Erachtens ebenfalls nicht in Betracht. Sie besaßen meist auch kräftiger ausgeführte Vorderkotflügel.
So dürften wir es am ehesten mit einem der mittleren Typen 10/22 und 12/26 PS (zuletzt 30 PS) zu tun haben, die bis 1912 gebaut wurden.
Immerhin sind die Vornamen der beiden Insassen auf der zweiten Aufnahme bekannt: Eduard und Lulu. Das gibt diesem schönen Foto noch eine zusätzliche persönliche Note, die ich bei solchen Dokumenten immer schätze.
Was aus diesen Mitgliedern der kleinen deutschen „Kommune“ in Tientsin während des 1. Weltkriegs und danach wurde, darüber ist leider nichts bekannt. Es kann gut sein, dass sie ihre einstige privilegierte Stellung verloren wie so viele ihrer Zeitgenossen.
Insofern mahnen diese beiden Fotos uns Nachgeborene, unsere heutige Lage realistisch einzuschätzen und dem wirtschaftlichen und technologischen Giganten China mit Respekt und Demut zu begegnen, denn Europas große Zeit ist definitiv vorbei.
Wer in meinem Blog schon eine Weile mitliest, weiß: Mir sind die historischen Fotos von Vorkriegsautos die liebsten, die Automobile im Gebrauchtzustand und zusammen mit den Menschen zeigen, die sie einst besaßen, bewunderten oder umgaben.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist für mich nichts fader als ein gerade fertiggestelltes Automobil, das ein mehr oder minder begabter Werksfotograf in belangloser Umgebung zu Dokumentationszwecken ablichtete.
Doch darauf bezieht sich der Titel meines heutigen Blog-Eintrags „Ein Kind von Traurigkeit“ nicht direkt. Tatsächlich können selbst professionelle Fabrikaufnahmen großartige Dokumente vergangenen Lebens sein wie dieses hier:
Protos Typ G1 oder G2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Fotografie entstand einst (vermutlich) in der sogenannten Fertigmacherei – der Abteilung, in der die letzten Arbeiten an neuen Automobilen erledigt wurden, bevor sie auf den Weg zum Käufer gingen.
Wie die Gestaltung der Kühlerpartie verrät, haben wir es mit Wagen der Berliner Marke Protos zu tun, die auf etwa 1912 zu datieren sind. Protos stellte damals in diesem kompakten Format die Vierzylindertypen G1 und G2 mit 18 bzw. 21 PS her.
Dass es sich um eher frühe Exemplaren dieser bis 1914 gebauten Modelle handelt, mache ich am steilen Anstieg des Windlaufs zwischen Motorhaube und Frontscheibe sowie an den noch recht filigranen Vorderkotflügeln fest.
Gegen eine Entstehung bereits im ersten Baujahr des Typs G1 bzw. G2 (1910) sprechen meines Erachtens die elektrischen Positionsleuchten im Windlauf, sie tauchen erst später auf. Das Foto habe ich übrigens bereits vor einigen Jahren ausführlich besprochen (hier).
Heute möchte ich eine Aufnahme vorstellen, die einen ganz ähnlichen Protos zeigt, der jedoch noch keine elektrischen Positionsleuchten, sondern gasbetriebene besaß. Dabei spielt der Wagen jedoch nur eine Nebenrolle, weit interessanter ist die Gesamtsituation:
Protos Typ G um 1911; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme ist zwar gestochen scharf, doch bleibt für mich ein wenig rätselhaft, was darauf festgehalten ist – und genau das macht sie so faszinierend.
Der halb ins Bild hineinragende Protos G-Typ ist so raffiniert integriert, wie ich das bei einem derartig frühen Foto kaum je gesehen habe. Die exaltiert gestalteten Gaslampen an der Front sowie beiderseits des Windlaufs deuten eher auf ein sehr frühes Exemplar von 1910/11 hin als ein späteres.
Auszuschließen ist freilich nicht, dass die Beleuchtungsausstattung Kundenwünsche widerspiegelte, zumal dabei auf zugelieferte Teile zurückgegriffen wurde. Ab Werk wurden die Wagen vor dem 1. Weltkrieg bisweilen noch ganz ohne Scheinwerfer ausgeliefert.
Spannender ist indessen die Frage, wann und bei welcher Gelegenheit die Aufnahme entstand. Die Rotkreuzfahne an dem Wagen spricht für eine militärische Verwendung des Autos, wahrscheinlich als Arztwagen.
Leser Klaas Dierks (nebenbei in militärischer Hinsicht bewandert, speziell, was den 1. Weltkrieg angeht), vermutet, dass wir hier eine Manöversituation im Raum Berlin/Brandenburg um 1911 vor uns haben, bei der Teilnehmer zivilen Besuch empfangen konnten.
Es scheint so, dass man illustrieren wollte, dass Verwundete mit mehr als nur improvisierter Versorgung rechnen konnten und dass dafür auch private Automobile (insbesondere von Mitgliedern des Kaiserlichen Automobil-Clubs) eingesetzt würden.
Die tatsächlichen Verhältnisse an der Front, die vom massenhaften Einsatz von Maschinenwaffen und Artillerie geprägt war, konnte man den Leuten nicht zumuten.
Die beiden Soldaten waren Unteroffiziere (vermutlich eines Garde-Regiments mit Standort im Raum Berlin). Die umgehängten Ferngläser deuten daraufhin, dass diese Männer im Manöver Beobachtungsaufgaben wahrnahmen:
Was mich an diesem Foto berührt – und ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen, werte Leser, ebenso geht – ist das kleine Mädchen, das zwischen den beiden ernst dreinschauenden Soldaten zu sehen ist.
Natürlich sieht man selten auf dermaßen frühen Fotografien bewegte Gesichter – je nach Lichtverhältnissen galt es einige Sekunden stillzuhalten und nur wenigen Menschen ist es gegeben, über eine solche Zeitspanne spontan und gut aufgelegt zu wirken.
Doch meinen Sie nicht auch, dass dieses Mädchen ein „Kind von Traurigkeit“ repräsentiert, so als schaue sie in die Zukunft und sehe nicht als das blanke Grauen?
Zum Zeitpunkt der Aufnahme mag sie gerade die Grundschule besucht haben und vielleicht waren die Soldaten sogar Verwandte von ihr, welche die Familie anlässlich einer Übung mit dem eigenen Automobil besucht hatte.
Gut zwanzig Jahre später mag sie im Zweiten Weltkrieg als junge Frau eine der Rotkreuz-Schwestern gewesen sein, die dann das Elend der Verwundeten nach Kräften zu lindern suchten. Tat sie an diesem Tag vielleicht einen Blick in ihre eigene Zukunft?
Gerade gestern erst habe ich einen typischen deutschen Tourenwagen der ersten Hälfte der 1920er mit Spitzkühler vorgestellt – einen Mercedes „Knight“ 16/45 PS.
Wenn heute ein weiteres Spitzkühlermodell folgt, lasse ich dennoch die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg hinter mir, die im deutschsprachigen Raum von sehr konservativer Gestaltung bei Automobilen geprägt war.
Ab Mitte der 1920er Jahre verschwand bei den meisten Herstellern der noch aus der Vorkriegszeit stammende Spitzkühler – zumindest in seiner ausgeprägtesten Form, zugleich kam eine sehr nüchterne, mitunter gesichtslose Gestaltung auf.
Eine markante Ausnahme von diesem Trend, der das Diktat des Funktionalismus widerspiegelte, welcher sich speziell in der neuen Architektur bemerkbar machte, waren die Wagen der alterwürdigen Berliner Marke Protos.
Nicht nur hielt man auch über das Jahr 1925 hinaus noch am Spitzkühler fest – man beließ es auch bei dem einzigartigen Ornament an dessen Oberteil, das Einflüssen des Jugendstils folgte. Damit erhielten Protos-Wagen ein unverwechselbares Gesicht:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Prachtexemplar habe ich schon vorgestellt – es handelt sich um den 1924 eingeführten Nachfolger des Protos Typ C 10/30 PS – das Modell C1 10/45 PS.
Dessen beträchtliche Mehrleistung war unter anderem einem neuen Zylinderkopf mit über den Zylindern hängend angebrachten Ventilen zu verdanken. Ab 1926 besaß dieses verbesserte Modell außerdem Vierradbremsen.
Äußerlich zu unterscheiden war der Protos C1 10/45 PS vom Vorgänger nur anhand der nunmehr zehn statt acht Luftschlitze pro Haubenseite, die zudem deutlich höher waren.
Auf obigem Foto sind die genannten Details sehr gut zu erkennen, die den Protos zu einem unverwechselbaren Anblick machten – nicht selbstverständlich zu jener Zeit. Konventionell blieben unterdessen die Aufbauten als offener Tourenwagen oder wie hier als Limousine.
Die geschlossene Karosserie verwandelte den Protos in eine kolossale Erscheinung, die den Tourer deutlich in den Schatten stellte.
Nun könnte man einwenden, dass der Aufbau auf obigem Foto nur deshalb so opulent wirkt, da der Fahrer wie die meisten Menschen in der Vorkriegszeit deutlich kleiner war als unsereins im 21. Jahrhundert.
Diese Annahme lässt sich leicht widerlegen – und zwar anhand eines weiteren großartigen Fotos einer ganz ähnlichen Limousine auf Basis des Protos C1 10/45 PS, das ich Matthias Schmidt aus Dresden verdanke:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Bis auf ein Detail scheint dieser Protos vollkommen mit dem Wagen auf dem ersten Foto übereinzustimmen.
Hier ist der ausgeprägte Spitzkühler jedoch einer stark abgeschwächten Variante gewichen, die typisch für die späte Ausführung des Protos C1 10/45 PS war, die 1926/27 gebaut wurde.
Bemerkenswert ist hier, dass der Kühler wie meist bei den Protos-Wagen der 1920er Jahre in Wagenfarbe lackiert war. Nur vereinzelt finden sich Abbildungen, die einen glänzenden Messingkühler zeigen.
Das ist merkwürdig, da der Trend damals allgemein zu vermehrtem Einsatz von vernickelten und später verchromten Glanzteilen an Automobilen ging. Zudem ist die expressive Kühlergestaltung in der unlackierten Version weit wirkungsvoller.
Das lässt sich anhand dieser Aufnahme des Vorgängertyps Protos C 10/30 PS nachvollziehen, die ebenfalls die Sammlung von Matthias Schmidt ziert:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt
Wie es scheint, konnte der Käufer zwischen einer polierten Messingausführung und einem lackierten Kühlergehäuse wählen – wobei letztere der Standard gewesen zu scheint.
Vielleicht lenkte aus Sicht vieler Käufern die hochglänzende Ausführung den Blick zu sehr auf den nach modischen Maßstäben nicht mehr zeitgemäß gestalteten Kühler, weshalb man die lackierte Version bevorzugte.
Für mich wäre dagegen die Wahl zugunsten der Messingvariante ausgefallen, auch wenn sie zusätzlichen Putzaufwand bedeutet hätte, da das Metall rasch anzulaufen pflegt. Vielleicht bot Protos aber bereits auch eine Vernickelung an, die unempfindlicher war.
Der Besitzer der Protos-Limousine des Typs C1 10/45 PS auf dem Foto von Matthias Schmidt hatte sich indessen für die lackierte Variante entschieden, vielleicht weil er ein zu Nüchternheit tendierender Charakter war:
Dass wir hier wohl den Besitzer des Wagens sehen, dafür spricht das Fehlen der typischen Fahrermütze und einer zünftigen Lederjacke, die Schutz vor Regen und Öl bei Pannen bot.
Die lässige – bewusst falsche – Knöpfung der Anzugjacke findet man häufig bei betuchten Herren der Vorkriegszeit auch in Deutschland, obwohl sie vor allem in England gängig war.
Der entschlossene Blick dieses Protos-Besitzers geht in eine unbestimmte Ferne, während ein leichtes Lächeln die Mundwinkel umspielt. Leider wissen wir nichts über den Herrn und die Basis seines unübersehbaren Wohlstands.
Für die Limousinen-Ausführung des Typs C1 10/45 PS waren 13.000 Reichsmark aufzubringen – das entsprach 1926 dem achtfachen Jahresgehalt eines durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers im Deutschen Reich!
Heute verdient ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer im Schnitt 41.541 EUR pro Jahr – das Achtfache davon beträgt über 330.000 EUR. Dies mag trotz veränderter Preise von Inputfaktoren und gestiegener Produktivität den sozialen Rang veranschaulichen, der mit dem Besitz eines solchen Wagens verbunden war.
Kolossal war aber nicht nur der Preis dieses Wagens, auch seine Dimensionen entsprachen der Konfektionsgröße XXL. Denn der mit sich und der Welt zufriedene Protos-Eigner war keineswegs klein, er dürfte an die 1,80 m gemessen haben. Bloß sein Automobil überragte ihn mit in der Literatur überlieferten 2,10 m Höhe um Haupteslänge.
Dagegen sind selbst die in unseren Tagen bei einigen – längst nicht den meisten – Käufern so beliebten SUVs noch fast moderat dimensioniert. Ich selbst bevorzuge zwar bei Nachkriegsfahrzeugen die niedrige Silhouette, finde aber bei Vorkriegsmodellen die gänzlich anderen, teilweise ehrfuchtgebietenden Proportionen vollkommen angemessen.
Wie müssen diese Fahrzeuge erst auf Zeitgenossen gewirkt haben, die seinerzeit selbst meist kein XXL-Format aufwiesen, sondern eher klein und schmächtig waren?
Sie dürften sich ganz klein gefühlt haben neben diesen mächtigen Maschinen – so wie dieser junge Mann neben einem deutschen Tourer, den ich noch nicht identifizieren konnte:
Eine gekonnte Frisur war noch nie so wertvoll wie unseren Tagen. Leider habe ich den rechten Zeitpunkt für einen Haarschnitt verpasst, obwohl der harte Lockdown seit Wochen zu riechen war – doch die Arbeit geht nun einmal vor, auch der Fiskus ist hungrig.
Dass der Staat den Untertanen aus „hygienischen Gründen“ den Friseurbesuch verbietet, während die arbeitende Bevölkerung weiter täglich in öffentlichen Verkehrsmitteln zusammengepfercht ist und die „Eliten“ in Talkshows eng zusammenhocken, um über Kritiker ihres Treibens herzuziehen, wäre beispielsweise 1968 unvorstellbar gewesen.
1968 standen für Medien und Politik ganz andere Themen als die „Volksgesundheit“ im Vordergrund, obwohl damals ein Virus namens A/H3N2 massenhaft seinen Tribut forderte. Ältere Semester werden sich erinnern, dass das Leben damals natürlich weiterging.
Schauen wir, wie lange die Obrigkeit diesmal die „Zügel angezogen“ hält. Im Wissen um das verminte Gelände, das sich hier auftut, wende ich mich dem Thema Frisur an einem unverdächtigen Beispiel zu, das uns über 90 Jahre zurück in dieVergangenheit transportiert und eine ganz wunderbare Ablenkung darstellt:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Diese Prachtaufnahme, die mir Leser Matthias Schmidt aus Dresden zur Verfügung gestellt hat, gibt zur Abwechslung zwar keine Rätsel auf, eignet sich aber hervorragend für eine nähere Betrachtung.
Der einzigartige, ganz leicht spitz zulaufende Kühler mit dem prächtigen Ornament im oberen Bereich lässt diese Limousine als Produkt der Berliner Protos GmbH erkennen, deren Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.
Die auf zwei Gruppen verteilten, insgesamt zehn Haubenschlitze sind Merkmal des Modells C1 10/45 PS, das von 1924-27 gebaut wurde. Da hier noch keine Vorderradbremsen zu sehen sind, ist dieser Wagen nicht später als 1925 entstanden.
Von der größeren Motorleistung abgesehen, die für erhöhten Kühlbedarf sorgte, unterschied sich der Protos Typ C1 10/45 PS kaum vom Vorgängermodell C 10/30 PS, das wir hier mit ganz ähnlichem Aufbau sehen (Foto ebenfalls von Matthias Schmidt):
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Optisch ins Auge fällt – abgesehen von der geringeren Zahl an Luftschlitzen – lediglich der stärker zugespitzte und prachtvoll vernickelte Kühler des seit 1918 gebauten Modells C.
Dass der Nachfolgetyp C1 nunmehr über 45 statt 30 PS Leistung verfügte, war Ergebnis einer gekonnten Frisur. So hatten die Protos-Leute dem nach wie vor 2,6 Liter großen Vierzylinder einen neuen Zylinderkopf verpasst, in dem die Ventile hängend angebracht waren, was eine wesentlich bessere Leistungsausbeute ermöglichte.
Solche Methoden gehörten lange Zeit ebenso zum klassischen Frisieren, wie die Optimierung von Ansaugtrakt und Auspuffanlage, das Vergrößern von Ventilen, geänderte Steuerzeiten und Feinwuchten der Kurbelwelle zwecks höherer Drehzahlfestigkeit.
Was davon die Friseure bei Protos neben dem neuen Zylinderkopf noch unternahmen, um dem Modell C1 zu einer Leistungssteigerung von satten 50 % zu verhelfen, ist mir nicht bekannt. Die eine oder andere handwerkliche Finesse wird schon dabeigewesen sein.
Von klassischem Zuschnitt ist der Aufbau als großzügige 6-Fenster-Limousine mit viel Glas, das heute unvorstellbare Verletzungsgefahren barg. Aber die Lebensrisiken waren generell weit höher als heute – hätte man deshalb die ganze Gesellschaft stillegen sollen?
Sicher bewegten den mutmaßlichen Besitzers dieses Protos einst ganz andere Fragen. Frisurtechnisch hat dieser Mann aber auch aus heutiger Sicht alles richtig gemacht, und das nicht nur um Hinblick auf den Motor seines Wagens:
Zwar zeigt sich auf dem nachdenklichen Haupt noch eine störrische Locke, doch mit dem militärischen „Undercut“ – bei Teilen der Jugend wieder schwer in Mode – wäre dieser Herr bestens gewappnet für einen längeren Lockdown…
Heute geht es über 100 Jahre zurück in die Vergangenheit – eine, die von einem völligen Zivilisationsverlust geprägt war und zugleich die Bühne für Charaktere bot, denen etwas Unwirkliches anhaftet, als sei das Ganze nur großes Theater gewesen.
Der breiten Masse an Soldaten, die im 1. Weltkriegvon allen Parteien mit derselben Gleichgültigkeit an die Front verfrachtet wurden, so wie man Holzscheite ins Feuer schiebt, fehlte für eine solche heroische Selbstinszenierung die Gelegenheit.
Doch finden sich inmitten dieses Schlachtens immer wieder Dokumente, die vom Willen Einzelner künden, dem Rendezvous mit dem Tod eine Bedeutung für sich abzuringen.
Diesen morbiden Luxus, den Ernst Jünger in seinem autobiografischen Werk „In Stahlgewittern“ anklingen ließ, konnte man sich am ehesten leisten, wenn man nicht zum reinen Kanonenfutter zählte, da man mit Führungsaufgaben betraut war.
Doch bei den Kampfeinheiten war auch das Leben als Truppführer oder OffiziereinVabanque-Spiel, denn auf deutscher Seite wurde oft von vorne geführt. Und mit einer solchen draufgängerischen Persönlichkeit haben wir es heute vielleicht zu tun.
„Was für ein Typ!“ möchte man ausrufen, aber zugleich fragt man sich „Was war das für ein Typ?“ und beides bezieht sich auf das folgende Bild aus dem 1. Weltkrieg, das Matthias Schmidt (Dresden) aus seinem Fotofundus beigesteuert hat:
Protos G-Modell im 1. Weltkrieg; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt
Das Auto, das wir auf dieser heftigen Ausschnittsvergrößerung des Originalabzugs sehen, ist unschwer als Protos aus Berlin zu identifizieren.
Nur wenige Hersteller hierzulande statteten ihre Wagen seinerzeit mit einem dermaßen markanten Kühler aus, in dessen Gestaltung sich noch die Formenfreude des Jugendstils widerspiegelt.
Das ovale Emblem mit dem hier nicht leserlichen Firmennamen mag an das bekannte Opel-Auge erinnern, doch die übrigen Formen sprechen eine eindeutige Sprache:
Während die „1“ auf der Motorhaube vermutlich die laufende Nummer des Protos in der zugehörigen Einheit war und einem hochrangigen Offizier zugeordnet war, bleibt die Aufschrift „J.K.D.8. 19017“ für mich mysteriös.
Hier setze ich auf sachkundige Leser, die von diesem Kürzel auf eine bestimmte Armee-Einheit und vielleicht sogar auf einen konkreten Einsatzort schließen können.
Was nun den Protos selbst angeht, finden sich die drei recht weit auseinanderliegenden Luftschlitze in der Motorhaube bei den beiden Vierzylindertypen G1 und G2, die von 1910-1914 gebaut wurden.
Ihre Leistung wuchs im Lauf der Zeit auf zuletzt 18 PS (Typ G1) bzw. 22 PS (Typ G2). Dummerweise gibt es in der – dürftigen – Literatur zu Protos auch eine Abbildung, die das stärkere Vierzylindermodell E1 18/35 PS mit identisch gestalteter Motorhaube zeigt.
So muss die Frage „Was für ein Typ?vorerst offenbleiben, wenngleich ich zu einem der Protos G-Modelle tendiere, die damals wohl die verbreitetsten des Herstellers waren.
Kommen wir zum Ausruf „Was für ein Typ!“aus dem Titel. Dieser gilt dem herrlich arrogant dreinschauenden Herrn mit pelzbesetztem Mantel und Fahrerbrille über der Schirmmütze:
Man beachte die leicht nach oben gezogene Augenbraue und die verächtlich nach unten gezogenen Mundwinkel, während der Militär seinen Nachbarn fixiert, der ihm gerade eine Mitteilung zu machen scheint, die auf Unglauben stößt:
„Die Amerikaner haben uns den Krieg erklärt? Das ist doch nicht wahr, Ernst! Warum sollten die den Engländern – ihren Herren von einst – den Allerwertesten retten? … Ach sooo, die Kriegskredite an die britische Krone sind in Gefahr! Ja, das ist natürlich ein Grund…“
So könnte ein Dialog zwischen den beiden Herren auf der Rückbank im Frühjahr 1917 gelautet haben. Das Datum der Aufnahme ist zwar nicht überliefert, doch die gertenschlanken Figuren der Protagonisten lassen auf eine prekäre Versorgungslage auch bei höheren Chargen an der Front schließen, wie sie ab 1917 gegeben war.
Mir kommt die gesamte Situation aber irgendwie „spanisch“ vor. Man beachte die gesunde Gesichtsfarbe sämtlicher Soldaten – bis auf den blassen (geschminkten?) Schnurrbartträger, der hier im Mittelpunkt steht.
Könnte das eine professionelle Aufnahme sein, die für eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift in der Heimat vorgesehen war? Handelte es sich bei dem hier perfekt für den Fototermin hergerichtete Heros am Ende um eine berühmte Persönlichkeit?
Damit sind wir aber noch nicht ganz am Ende. Denn der Originalabzug trägt auf der Vorderseite einen Besitzerstempel, der den Eindruck einer theatralischen Inszenierung unterstützt: „Max Mathieu, Türkismühle“ ist dort zu lesen.
Den Ort Türkismühle gibt es tatsächlich – man lernt nie aus – und zwar im Saarland, dem wir von jeher einige bemerkenswerte Gestalten des öffentlichen Lebens verdanken.
Aber „Max Mathieu“, so heißt doch niemand, oder? Künstlername oder nicht, passt irgendwie zu einem Typ, der einfach nicht zu fassen ist…
Es gibt wenige Automobiltypen der 1920er Jahre, die sich so einfach identifizieren lassen wie das Modell, mit dem ich mich heute befasse. Regelmäßige Leser kennen den Wagen aus diversen Blog-Einträgen, die ich mit Fotos aus dem eigenen Fundus und von Lesern illustriert habe.
Bei der letzten Gelegenheit konnte ich gleich drei Aufnahmen ein und desselben Typs zeigen (hier), der einst alles andere als selten war – aber heute eine Rarität darstellt.
Beginnen möchte ich mit einem schönen Foto aus der Sammlung von Matthias Schmidt (Dresden), das 1927 am Wolfgangssee in Österreich entstand:
Protos Typ C1 10/45 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Trotz einiger technischer Unvollkommenheiten hat hier jemand mit malerischem Blick eine Szene komponiert, die durch den Blick auf das im Dunst liegende gegenüberliegende Ufer mit der Silhouette von St. Wolfgang bezaubert.
Die beiden großen Tourenwagen liegen zwar außerhalb des Schärfebereichs, sind aber klar als Protos des Typs C1 10 /45 PS (1924-27) anzusprechen. Die in zwei Gruppen angeordneten zehn Luftschlitze pro Haubenseite sprechen eine eindeutige Sprache.
Letzte Gewissheit gibt der markante Spitzkühler mit dem einzigartigen, noch aus der Jugendstilepoche stammenden Dekor am Oberteil:
Wir werden der unverwechselbaren Kühlerpartie gleich in wünschenswerter Deutlichkeit wiederbegegnen.
Das von Matthias Schmidt bereitgestellte Foto soll aber illustrieren, dass sich mit etwas Glück auch Vorkriegswagen identifizieren lassen, wenn die Bedingungen nicht ideal sind.
Nahe am Ideal ist dagegen die folgende Aufnahme, die auf einer Postkarte aus meiner Sammlung wiedergegeben ist.
Dabei wird sich zeigen, dass wir es nicht mit irgendeinem Protos C1 10/45 PS zu tun haben, sondern mit dem wohl prominentesten Exemplar dieses Typs:
Protos Typ C1 10/45 PS; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger
Auf den ersten Blick wirft dieses Foto der Nachkriegszeit keine Probleme auf. Der expressiv gestaltete leicht gepfeilte Kühler und die zehn Luftschlitze sagen alles.
Das Kennzeichen „M-HR 135“ erinnert an die Schlichtheit der Nummernschilder der alten Bundesrepublik. Diese „mussten“ leider einem angeblichen Euro-Kennzeichen weichen, das ich in Nachbarländern wie Italien, Belgien und Frankreich so bisher vergeblich gesucht habe – denn natürlich kocht dort jeder weiter sein eigenes Süppchen…
Zurück zum Protos C1/10/45 PS. Dass wir es hier nicht mit irgendeinem Tourenwagen dieses Typs zu tun haben, verrät schon die hohe und senkrecht stehende Frontscheibe, die ich nur von geschlossenen Aufbauten kenne (siehe meine Protos-Galerie).
Dieses Detail dürfte mit der Historie des Wagens zusammenhängen, der die Zeiten überdauert hat. Erzählt wird sie hier vom Besitzer des Protos – Ruprecht von Siemens.
Demnach wurde der Wagen bis in die 1950er Jahre in Hamburg von einem Gemüsehändler gefahren, bevor er in den Besitz Ruprecht von Siemens‘ gelangte. Der mochte den Lieferwagenaufbau nicht und ließ den Protos wieder in einen Tourenwagen zurückverwandeln.
Ich könnte mir vorstellen, dass dabei die Frontscheibe als Erinnerung an die Historie des Wagens beibehalten wurde – eine Einstellung, die ich sympathisch finde. Man darf einem so alten Auto ansehen, dass es während seines langen Lebens ganz unterschiedlichen Zwecken diente und so oder so seinen Besitzern treue Dienste leistete.
Damit könnte ich es bewenden lassen und meinen Lesern empfehlen, das oben verlinkte Video mit Ruprecht von Siemens zu genießen. Doch war da nicht die Rede von einem Luxusproblem?
Gewiss, und das findet sich auf der Rückseite der Postkarte aus meiner Sammlung, auf der der Protos C1 10/45 PS von Ruprecht von Siemens abgebildet ist:
Von Ruprecht v. Siemens verfasste Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger
Die Sütterlinschrift, in der der Text auf der Rückseite der Postkarte mit dem Protos von Ruprecht v. Siemens verfasst ist, habe ich zwar nie gelernt. Man kann sich aber mit etwas Geduld darin einlesen, sodass man das Wesentliche erfasst.
Im vorliegenden Fall konnte ich den Text fast vollständig entziffern, nur die ersten drei Wörter wollen keinen rechten Sinn ergeben (Ergänzungen von mir in Klammern):
(fuhr ein?)…nalwagen von Benz mit (,) der für diese Fahrt extra aus einem Museum in London nach München gebracht wurde.
Das Protosverdeck hat ein Original-Golde-Gestell, das mein Karosseriebauer zufällig noch hatte.
Mit besten Grüßen
Ihr Ruprecht v. Siemens
Ganz offenbar ist mir da eine von Ruprecht v. Siemens selbst verfasste Postkarte ins Netz gegangen, deren Adressat mir leider unbekannt ist. Wie es scheint, berichtete er darauf (und vermutlich auf einer zweiten Karte) von einer Oldtimer-Ausfahrt im München der Nachkriegszeit, als sein Protos bereits wieder als Tourenwagen hergerichtet war.
Und nun habe ich folgendes Luxusproblem: Wie könnte der erste Teil der Nachricht gelautet haben, an den die Karte aus meiner Sammlung anknüpft? Kann hier ein Leser weiterhelfen? Oder gar Ruprecht von Siemens selbst?
Wie so oft ist der Titel meines heutigen Blog-Eintrags mit einem Augenzwinkern zu verstehen – der „Ernstfall“, um den es geht, war ein vergleichsweise harmloser.
Und wie so oft gehe ich dabei spielerisch mit vorhandenem bzw. neu eingetroffenem Bildmaterial um – in einem Blog lässt sich das leichter bewerkstelligen als in statischen und ernsthafteren Formaten wie Buchpublikationen oder Magazinbeiträgen.
Insofern verstehe ich mein Vorgehen nicht als Konkurrenz zu seriöser Automobilliteratur, aber durchaus als Ermutigung, Buchprojekte voranzutreiben und auch einmal fertigzustellen, obwohl es immer neue Erkenntnisse gibt.
Die Marke, um die es geht, wartet ebenfalls noch auf ein umfassendes und attraktiv bebildertes Standardwerk – es handelt sich um die Siemens-Tochter Protos aus Berlin.
Ein Blick in die Schlagwortwolke meines Blogs (rechts unten auf der Startseite) verrät, wie bedeutend die Firma einst war – zumindest bis Mitte der 1920er Jahre. Je zahlreicher die Blogeinträge zu einer Marke sind, desto größer ist deren Name wiedergegeben.
Tatsächlich gehörten Protos-Automobile vor dem 1. Weltkrieg zu den renommiertesten aus deutscher Produktion, auch international. Die folgende Reklame für das Spitzenmodell E2 37/65 PS sagt eigentlich alles über den Rang der Marke:
Protos Typ E2 27/65 PS ab ca. 1912; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger
Protos-Wagen scheinen sich aber nicht nur in adligen Kreisen, sondern auch generell beim Militär großer Beliebtheit erfreut zu haben.
Das hohe Ansehen der Marke in militärischen Kreisen sollte auch nach dem 1. Weltkrieg anhalten. Ein Beispiel dafür habe ich bereits vor längerer Zeit besprochen. Dabei handelte es sich um einen Typ C1 10/45 PS – das letzte Protos-Modell, das gebaut wurde.
Vom Vorgängertyp C 10/30 PS (1918-24) unterschied sich der C1 10/45 PS durch einen beträchtlich stärkeren Motor. Ob die Leistungssteigerung um 50 % nur durch einen neuen Zylinderkopf mit nunmehr hängenden Ventilen erreicht wurde, ist nicht ganz klar.
Teile der Literatur geben für beide Typen einen identischen Hubraum an, andere Quellen (H. von Fersen: Autos in Deutschland 1920-39) einen unterschiedlichen Hubraum bei identischen Abmessungen und wiederum andere (Gränz/Kirchberg: Ahnen unserer Autos) einen geringeren (!) Hubraum des C1 10/45 PS bei größeren Abmessungen als beim C1 10/30 PS – offenbar ist auf keine dieser Angaben Verlass.
Das ist einer von den Fällen, wo nur der Zugriff auf Originalprospekte weiterhelfen würde, die bei einer herausragenden Marke wie Protos sicher noch in Sammlerhand existieren. Leider herrscht online diesbezüglich Fehlanzeige wie bei vielen deutschen Herstellern.
Lassen wir dieses traurige Kapitel sinnlosen Hortens ohne Nutzen für interessierte Kreise und bleiben wir bei den zahlreich vorhandenen Originalaufnahmen wie dieser:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diesen Wagen hatte ich hier als Protos Typ C1 10/45 PS von 1925 angesprochen. Dabei hatte ich mich außer von den zehn (acht beim Typ C 10/30 PS) seitlichen Luftschlitzen vom Nebeneinander von abgeflachtem Kühler, Vorderradbremse und Rechtslenkung leiten lassen.
Zugelassen war das Auto seinerzeit bei der deutschen Reichswehr, worauf nicht nur die drei Soldaten in dem Wagen hindeuten, sondern auch das „W“ auf dem Nummernschild, das nur zur Kennung „RW“ (für Reichswehr) gehört haben kann.
Die Doppelstoßstange nach US-Vorbild war nachträglich angebracht worden, so etwas gab es werksseitig nicht.
Eine weitere Aufnahme eines ganz ähnlichen Wagens verdanke ich Matthias Schmidt aus Dresden, der wie andere regelmäßige Bildlieferanten die Allgemeinheit kostenlos an seinen Schätzen teilhaben lässt:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Dieser Protos stimmt fast vollständig mit dem zuvor gezeigten Reichswehr-Wagen überein – nur die Vorderradbremsen fehlen ihm noch. Offenbar fielen die Einführung des abgeflachten Kühlers und der Vierradbremse zeitlich auseinander.
Auf der Rückseite des Abzugs ist vermerkt, dass dieses Auto ein Fahrschulfahrzeug war, das bei der Kriegsmarine eingesetzt wurde. Möglicherweise wurde damit der „Ernstfall“ geprobt, von dem eingangs die Rede war.
Denn solche Autos dienten dem Transport hoher Offiziere und prominenter Besucher von Militäreinrichtungen oder Manövern.
Bei solchen Gelegenheiten wollte man sich keine Fehler leisten, sodass wohl nur ausgesuchte Fahrer mit perfekter Beherrschung des Wagens und angemessenen Manieren eine Chance hatten, Vorgesetzte oder Besucher umherzukutschieren.
Den Test auf den Ernstfall bestanden hatten ganz offenbar die beiden Fahrer, die auf folgender Aufnahme zwei Protos-Wagen des Typs C1 10/45PS chauffierten:
Protos Typ C1 10/45 PS mit Reichspräsident von Hindenburg und Admiral Zenker; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Auf diesem Foto aus der Sammlung von Klaas Dierks ist einige Prominenz versammelt.
Auf der Rückbank des linken Protos sitzt unverkennbar Paul von Hindenburg – Generalfeldmarschall des 1.Weltkriegs und ab 1925 Reichspräsident. Im Fond des rechten Protos sieht man Admiral Hans Zenker, dem von 1924 bis 1928 die Führung der deutschen Kriegsmarine oblag.
Für diesen protokollarischen „Ernstfall“ hatten die zuständigen Organisatoren nicht nur absolut zuverlässige Autos aus dem lokalen Wagenpark ausgesucht – zwei Protos des Typs C1 10/45 PS – sondern wohl auch handverlesene Fahrer bestimmt.
Wir können davon ausgehen, dass die Chauffeure im einfachen Mannschaftsrang ihre „Feuertaufe“ bestanden so wie die braven Protos-Wagen ebenfalls, die man wohl nicht zufällig so oft im Dienst des Militärs im Krieg wie im Frieden sah…
Taxifahrten gehören für mich zu den seltenen Gelegenheiten, bei denen ich mit modernen Autos in Kontakt komme – das jüngste meiner Fahrzeuge ist 35 Jahre alt.
Das klassische Taxi ist aus meiner Sicht eine Mercedes-Limousine und auch wenn die Materialien im Innenraum in den letzten Jahrzehnten Qualitätseinbußen erlitten haben, ist es immer noch ein erhebendes Gefühl, hinten rechts sitzend chauffiert zu werden.
Voraussetzung: Man ist nicht einem derjenigen Fahrer aus Frankfurt/Main in die Hände gefallen, denen ich einige traumatische Erlebnnisse verdanke und bei denen man sich fragt, wie sie die Prüfung bestanden haben (es gibt freilich Erklärungen dafür…).
Jedenfalls am Fahrkomfort gibt es bei einer klassischen Mercedes-Limousine nichts zu beanstanden, das gehört quasi zum Markenstandard. Mit Erschütterung durfte ich dagegen feststellen, wie klapperig Taxis von Marken wie Opel und VW sein können.
Viel schlechter kann der Fahrkomfort vor über 90 Jahren nicht gewesen sein – und da hatte man immerhin die Wahl, offen oder geschlossen unterwegs zu sein.
Für die offene Variante steht stellvertretend diese Droschke, die ich vor längerer Zeit schon einmal gezeigt habe:
Protos Typ C 10/30 PS, Taxi mit Tourenwagenaufbau; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Exemplar habe ich ausgewählt, weil es eine Taxiausführung des Typs C 10/30 PS von Protos ist, der ich heute eine geschlossene Variante gegenüberstellen kann.
Die bis ins 19. Jh. zurückreichende Berliner AutomarkeProtos beschränkte sich wie einige deutsche Hersteller nach dem 1. Weltkrieg auf ein einziges Serienmodell.
Der bis 1924 gebaute Protos-Einheitstyp C 10/30 PS bot in technischer Hinsicht nur soliden Standard, hob sich aber mit seiner prächtigen Kühlergestaltung und den auf zwei Gruppen verteilten schmalen Luftschlitzen optisch von der Konkurrenz ab.
Bereits das obige Foto des Taxis mit Tourenwagenaufbau vermittelt eine Ahnung von der Großzügigkeit des Protos C 10/30 PS – immerhin sieben Personen fanden darin Platz.
Dass man sich einst anlässlich einer Taxifahrt ablichten ließ, mutet heute zwar merkwürdig an. Doch scheinen die Passagiere einen speziellen Grund gehabt haben, ihren Ausflug fotografisch festzuhalten – wahrscheinlich hat er mit dem Banner im Hintergrund zu tun:
„Radfahrer-Verein Stern Storkow“ meine ich dort zu lesen. Das würde dafür sprechen, dass die Aufnahme im brandenburgischen Städtchen Storkow entstand.
Dann hätten wir es hier wohl mit wackeren Radsportlern zu tun, die sich aus welchem Anlass auch immer eine wadenschonende Spritztour im offenen Automobil gönnten.
Wir können sie nur zu der Wahl des Protos-Taxis beglückwünschen, das an jenem Tag sicher ein erquickliches Freiluftvergnügen bot. Bis zu 75 km/h Spitzentempo waren damit auf den staubigen Pisten des Umlandes drin, davon konnten Radler nur träumen.
Was aber, wenn das Wetter nach mehr Schutz verlangte und man auch nicht wie auf dem Präsentierteller umherkutschiert werden wollte?
Dann war natürlich ein Protos-Taxi des Typs C 10/30 PS in geschlossener Ausführung die erste Wahl – so kam man mit dem heute undenkbaren Komfort eines rollenden Salons zu Freunden, ins Theater oder in die Oper.
Genau ein solches Fahrzeug kann ich dank Matthias Schmidt aus Dresden heute zeigen:
Protos Typ C 10/30 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Ist das nicht eine beeindruckende Aufnahme? Vermutlich hat sie der Fahrer von einem professionellen Fotografen aufnehmen lassen.
Die Perspektive ist ungewöhnlich für die Zeit und verrät, dass der Mann hinter der Kamera ein unabhängig denkender Kopf war.
So dynamisch findet man deutsche Wagen damals fast nie in offiziellen Verkaufsunterlagen. Vielmehr überwiegen in den Prospekten der frühen 1920er Jahre immer noch statische und unbelebte Seitenaufnahmen – ein Grund, weshalb manche Modelle jener Zeit schwer zu identifzieren sind, da aussagefähige Fotos Mangelware sind.
Und wie so oft ist es der Mensch, der letztlich mehr fasziniert als das Auto, so markant es auch sein mag – hier mit dem unverwechselbaren Jugendstil-Dekor am Kühler:
Das ist eine der Aufnahmen der Vorkriegszeit, wo man sich bei aller grafischen Wirkung der Schwarz-Weiß-Wiedergabe doch etwas Farbe wünschen würde.
Hier stellt man sich gern vor, dass der entschlossen in die Ferne schauende Fahrer stechend-blaue Augen hat. Auch fragt man sich, ob die schwere doppelreihige Jacke nun dunkelbraun oder grau war – schwarz kann man mit Blick auf die dunkleren Knöpfe und den tiefglänzenden Lack des Protos wohl ausschließen. Reizvoll auch die Überlegung, ob die Krawatte eine gedeckte Farbe aufwies oder einen bunten Akzent lieferte.
Wie sich diese Szene vor über 90 Jahren in natura darstellte, das überlasse ich dem „Kopfkino“ des Betrachters. So oder so ist das ein Dokument, bei dem man sich fragt, wie man einen solchen majestätischen Protos verschrotten kann und ein dermaßen stilvolles Outfit gegen das tauschen kann, was heute bei vielen Taxifahrern üblich ist…
Großes Kino – das sind für mich Filmklassiker wie „North by Northwest“ mit Cary Grant und Eva-Marie Saint, „Das Mädchen und der Kommissar“ mit Michel Piccoli und Romy Schneider, „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ mit Steve McQueen und Faye Dunaway.
Danach kommt für meinen Geschmack nicht mehr viel…
Umso mehr begeistern mich dafür die Klassiker der Vorkriegszeit, die auch im nicht-bewegten Bild oft großes Kino bieten. Hier haben wir beispielsweise ein Mercedes-Benz 170 Cabriolet C mit dem Schauspielerpaar Johannes Heesters und Hilde Körber:
Mercedes-Benz 170 (W15) Cabriolet C; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Neben solchen offiziellen Werbeaufnahmen gibt es auch immer wieder private Fotos, auf denen Automobile zusammen mit Charakteren abgelichtet wurden, die auch auf der Leinwand oder der Theaterbühne gute Figur gemacht hätten.
Ein schönes Beispiel dafür möchte ich heute vorstellen – anhand eines Wagens, von dem ich mittlerweile mehr als ein Dutzend historischer Aufnahmen zusammentragen konnte.
Die Rede ist vom Protos Typ C 10/30 PS, den der angesehene Berliner Hersteller nach dem 1. Weltkrieg als einziges Fahrzeugmodell produzierte.
Selbst auf schlecht erhaltenen Fotografien wie der folgenden ist er auf Anhieb zu erkennen:
Protos Typ C 10/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Spitzkühler mit dem expressiven Ornament am Oberteil und die zweimal vier Entlüftungsschlitze in der Motorhaube – hier nur teilweise sichtbar – sind Merkmale des in einigen tausend Exemplaren gebauten Typs C mit konventionellem Vierzylindermotor.
Fast immer ist dieser für seine Robustheit und Zuverlässigkeit geschätzte Wagen in der Ausführung als Phaeton zu finden – also als offener Fünf- bis Sechssitzer mit ungefüttertem Verdeck und seitlichen Steckscheiben.
Daneben gab es einen äußerst seltenen Sport-Zweisitzer (Porträt hier) und eine recht rare Limousinenausführung. Der geschlossene Aufbau war weit teurer als die offenen Versionen, weshalb letztere in Deutschland bis die Mitte der 1920er Jahre überwogen.
Dennoch ist mir mittlerweile auch eine Limousine des Protos Typ C 10/30 PS ins Netz gegangen – und dann noch auf einem Foto, das keine Wünsche offen lässt:
Protos Typ C 10/30 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Vom Vorderwagen sieht man genug, um den Typ identifizieren zu können:
Oberhalb des Schutzblechs ist gerade noch der Abschluss der vier vorderen Luftschlitze zu erkennen, die den Protos Typ C 10/30 PS vom Nachfolger C1 10/45 PS (mit zweimal fünf solchen Schlitzen) unterscheiden.
So rar der Anblick eines Protos C 10/30 PS mit geschlossenem Aufbau auch ist – nach meiner Fotostatistik war allenfalls jeder zehnte Protos dieses Typs damit ausgestattet – sind für mich die ihn „bevölkernden“ Zeitgenossen noch faszinierender.
Hier sind einige Persönlichkeiten versammelt, über deren Charakter und Lebensweg man gern erfahren hätte. Nehmen wir etwa diesen selbstbewusst und zuversichtlich in die Kamera schauenden Herrn:
Man könnte ihn glatt für den jungen Wernher von Braun halten – den späteren Raketentechniker und charismatischen Leiter des amerikanischen Apollo-Projekts – einer Großtat, an die sich nie wieder jemand herangetraut hat.
Er steht zum Zeitpunkt der Aufnahme – etwa 1925 – für eine aufstrebende Generation, die aus der vom Versailler-„Vertrag“ aufgenötigten Misere für sich das Beste zu machen gedachte und sich dabei auch an ausländischen Vorbildern orientierte.
In den USA hätte sich ein aufstrebender Geschäftsmann kaum anders gegeben. Wer weiß, vielleicht ist er nicht viel später ausgewandert, bevor Deutschland in den erbitterten Konflikt zwischen roten und braunen Sozialisten geriet.
Als nächster ist der Fahrer des Protos an der Reihe – erkennbar an der typischen Schirmmütze und der Jacke mit doppelter Knopfleiste:
Er schaut uns zurückhaltend, aber nicht unfreundlich an. Man kann sich gut vorstellen, dass er noch wenige Jahre zuvor – während des 1. Weltkriegs und mit einem eindrucksvollen Schnauzbart ausgestattet – irgendein „hohes Tier“ an einer der zahlreichen Fronten umherkutschierte.
Mag sein, dass er aus jener Zeit die Tradition eines vierbeinigen Maskottchens fortführte – jedenfalls fällt auf, dass er sich für den jungen Hund zuständig fühlt, der vertrauensvoll in seinem Arm liegt.
Weniger sympathisch wirkt auf mich dagegen der junge Brillenträger, der etwas zu bemüht auf dem vorderen Schutzblech des Protos posiert:
Aus dem Bauchgefühl heraus – mit dem uns die Evolution nicht völlig grundlos ausgestattet hat – würde ich diesem Herrn nichts Gutes zutrauen, zumindest nicht im Sinne einer produktiven Tätigkeit zugunsten der Allgemeinheit.
Irgendwoher müssen die furchtbaren Juristen, Denunzianten, Gesinnungsprüfer und Verhaltenskontrolleure ja hergekommen sein, die ab 1933 in Deutschland zu großer Form aufliefen – leider ein auch in unseren Tagen unausrottbarer Menschenschlag.
Was von den Herrschaften auf folgendem Ausschnitt zu halten ist, fällt mir schwerer zu sagen:
Im Rahmen einer Filmbesetzung würden sie vermutlich eher zwielichtige Rollen besetzen. Vielleicht tut man ihnen aber unrecht, denn natürlich gibt es zahlreiche Gründe dafür, auf einer solchermaßen inszenierten Aufnahme nicht das beste Bild abzugeben.
Die Bandbreite reicht dabei von A wie Alltagssorgen bis Z wie Zahnschmerzen. Auch die offenbar grelle Sonne mag den einen oder die andere hier belästigt haben.
Zum Schluss möchte ich den Blick auf die weißhaarige Dame lenken, die versonnen und gelassen in die Ferne schaut:
Sie steht noch für die Generation der im 19. Jahrhundert Geborenen, die mit Pferdekutschen und Ochsengespannen aufwuchsen, für die das Dampfross aber schon Normalität war.
Das Aufkommen des Automobils wird diese ältere Dame aus eigener Anschauung erlebt haben, wobei es in Deutschland erst in den 1920er Jahren nennenswerte Verbreitung fand.
Ihre schlichte Hochsteckfrisur und der recht hohe Kragen stehen im Kontrast zur aufwendigen Wellenfrisur und dem großzügigeren Ausschnitt der jungen Dame neben ihr, die ihre Tochter sein könnte.
Doch die alte Dame schaut an ihr vorbei und denkt viellecht zufrieden daran, dass das Streben und die Sorgen der Jüngeren sie nichts mehr angeht – das Privileg des Alters…
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Leidenschaft für das historische Automobil: Warum sich heute mit den „Entertainment-Funktionen“ eines banalen Alltagsgefährts abgeben, wenn es die weit unterhaltsamere und vielfältigere Welt tausender Marken von gestern gibt?
Beinahe kommt es mir wie gestern vor, dass ich einen Blog-Eintrag zum G-Typ der einstigen Berliner Marke Protos gemacht habe (hier). Tatsächlich war das bereits im Frühjahr 2018 – nun haben wir Herbst 2019…
Doch war es ganz sicher heute, dass mich eine Nachricht zu genau diesem Vierzylindermodell erreichte, das 1910-14 in zwei Varianten erhältlich war: als Typ G1 6/18 PS mit 1,6 Liter bzw. Typ G2 8/21 PS mit 2,1 Liter Hubraum.
Wie bei fast allen deutschen Marken ist die Dokumentation bei Modellen vor dem 1. Weltkrieg auch bei Protos äußerst dünn – eines der Motive, die zur Entstehung dieses Blogs und der umfangreichen Bildergalerien beigetragen haben.
Mittlerweile sind hier mehr originale Dokumente zum Protos G-Typ versammelt als in der gesamten Literatur. Das ist freilich keine Kunst – es gibt kaum etwas zur frühen PKW-Produktion dieser 1899 gegründeten und 1908 von Siemens weitergeführten Marke von einst internationalem Rang.
So konnte ich zu den formalen Unterschieden zwischen den beiden G-Typen von Protos bislang nicht mehr in Erfahrung bringen, dass sie in den Dimensionen voneinander und ebenso von den noch größeren Sechszylindermodellen abwichen.
Dadurch ist es ausgesprochen schwer, einen Protos der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg ohne Größenmaßstab einem bestimmten Typ zuzuordnen. Das gilt auch für dieses Dokument, das kürzlich Eingang in meine Sammlung gefunden hat:
Originaler Zeitschriftenausschnitt aus Sammlung Michael Schlenger
Aus der Bezeichnung als „leichte“ Wagen kann man zwar ableiten, dass es sich wahrscheinlich um einen der Vierzylindertypen handelte und nicht um einen der großen Sechszylinder, wie ihn u.a. der deutsche Kronprinz fuhr.
Aber ob hier der G1 oder sein – bei gleicher Grundkonstruktion – etwas längerer und stärkerer Bruder G2 zum Einsatz kam, ist offen. Vielleicht habe ich aber Glück und einer der in Sachen Wettbewerb versierten Leser meines Blogs weiß mehr.
Auch wenn es auf den ersten Blick wie eine Startnummer aussieht, stand die Zahl auf dem Protos G-Typ auf folgender Aufnahme sicher für etwas anderes:
Protos Typ G1 oder G2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier haben sich deutsche Soldaten im 1. Weltkrieg eine Pause gegönnt und sich von einem entsprechend bewaffneten „Kamera“den ablichten lassen.
Zwei tragen am oberen Knopf der Uniformjacke ein Band, das sie als Träger des Eisernen Kreuzes ausweist – ein klarer Hinweis darauf, dass wir hier keine Manöversituation zu Friedenszeiten mehr vor uns haben.
So berührend solche Details sind – noch heute kündet jeder Dorffriedhof hierzulande und bei den einstigen Gegnern von den Opfern, die der 1. Weltkrieg forderte – steht für uns doch der Tourenwagen mit dem unverkennbaren Protos-Kühler im Mittelpunkt, der im Hintergrund auf einem Waldweg wartet:
Dass der Protos hier sehr kompakt wirkt, ist der Aufnahmeperspektive und dem Abstand zum Objektiv der Kamera zuzuschreiben.
Doch darf man einen der großen und seltenen Sechszylindertypen ausschließen und hier einen Protos G-Typ annehmen. Dem Nummernschild nach zu urteilen, gehörte er zur VI. Armee aus Bayern und war dort Wagen 106 im Fuhrpark.
Die VI. Armee war ab 1914 an der Westfront eingesetzt und blieb bis 1918 in Frankreich. Wo genau die Aufnahme entstanden ist, wird sich nicht mehr klären lassen. Das ist das Schicksal solcher Fotos, wenn die Alben der längst verstorbenen Kriegsteilnehmer, aus denen sie stammen, heute zerfleddert werden.
Die groß aufgemalte Ziffer 3 dürfte auf eine Untereinheit verweisen, deren Erkennbarkeit aus irgendwelchen Gründen wichtig war. Vielleicht kann ein sachkundiger Leser mehr dazu sagen.
Bemerkenswert ist nebenbei die Präzision, mit der dieser weit im Hintergrund stehende Protos auf dem über 100 Jahre alten Abzug festgehalten ist:
Dass der Protos hier noch im Schärfebereich liegt, die beiden gutgelaunten Soldaten im Vordergrund aber nicht, war wohl kaum beabsichtigt, kommt uns aber entgegen.
Selbst die feinen Strukturen der Kühlerwaben sind hier zu erkennen, außerdem natürlich der einzigartige Protos-Kühler mit seinem vom Jugendstil inspirierten, exotisch wirkenden Ornament auf der Oberseite.
Einen Datierungshinweis geben die beiden elektrischen Positionsleuchten im Windlauf – also dem ansteigenden Blech zwischen Motorhaube und Frontscheibe. Sie waren bei deutschen Wagen in der Regel kaum vor 1914 verbreitet.
Der übrige Aufbau weist keine marken- oder typspezifischen Details auf – so sahen praktisch alle Tourenwagen etablierter Hersteller im deutschsprachigen Raum aus.
Dennoch zählt bei den schlecht dokumentierten Wagen aus der Frühzeit von Protos jedes Originalfoto. Möglicherweise bergen diese Aufnahmen doch winzige Details, die irgendwann bei der genauen Typansprache und Chronologie helfen.
Nach diesem Ausflug ins Gestern, das unseren Vorfahren unvorstellbare Härten zumutete und die alle von verwöhnten Nachkriegsgenerationen beklagten Probleme als Lappalien erscheinen lässt, ist es ausgerechnet ein Dokument aus dem Heute, das uns die tatsächliche Schönheit dieser Wagen wirklich begreifen lässt.
Lässt man sich auf die reiche Formenwelt des ausgehenden Jugenstils ein – nach der Renaissance die facettenreichste und phantasievollste Kunstepoche (für mich zudem die letzte überhaupt) – und sieht dann einen überlebenden Wagen jener Zeit im Original, weicht der erste Eindruck der Fremdartigkeit dem Begreifen der Harmonie dieser am Vorbild der Natur geschulten geschwungenen Linien:
Protos Typ G2; Originalfoto von Rajmund Engwer (Polen)
Dieses wunderbare Automobil gehört Rajmund Engwer aus Polen und ist seiner Aussage nach der einzige noch existierende Protos-Wagen des Typs G2 weltweit.
Hier begreift man, wo die bei den Blechkisten der Gegenwart, die oft keiner erkennbaren Gestaltungslogik mehr folgen, immer noch verwendete Vokabel Kot“flügel“ ihren einst berechtigten Ursprung hat.
Formal wie handwerklich ein Genuss sind selbst rein technische Elemente wie die hinteren Blattfedern, die keineswegs kaschiert wurden, sondern wie nahezu alle Teile des Wagens klar in ihrer Funktion hervortreten – nicht seelenlos aus der Stanze gefallen, sondern erkennbar von Könnerhand entworfen und geformt.
Ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal die Zeit zu nehmen, um solch ein Manufakturautomobil aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg näher in Augenschein zu nehmen.
Die schiere Präsenz und Opulenz dieser Zeugen einer untergegangenen Welt ist unbeschreiblich und das Können der wenigen, die so etwas heute wieder in alter Pracht auferstehen lassen können, verdient Hochachtung.
Übrigens will der Eigner dieses wunderschönen Protos Typs G2 demnächst einen Artikel zu dem Modell in einer polnischen Klassikerzeitschrift verfassen – garniert mit Originaldokumenten aus diesem Blog.
Der Begriff des Oldtimers ist der englischen Sprache entlehnt, meint dort aber nicht wie im Deutschen ein altes Automobil, sondern vielmehr jemanden, der im positiven Sinne „von gestern“ ist – also ein Zeuge längst vergangener Zeiten.
Auch jemand, der schon lange eine bestimmte Position innehat oder etwas schon seit langem betreibt, wird im Englischen als „old-timer“ bezeichnet. Alte Autos dagegen werden von den Briten je nach Epoche unterschiedlich angesprochen, z.B. ancestor, pioneer, vintage, post-vintage oder classic car.
Heute stelle ich ein Fahrzeug nebst Insassen vor, für die auch nach englischem Sprachgebrauch die Ansprache als „Old-timer“ angebracht ist – im Deutschen sowieso.
Zum Einstieg habe ich ein Foto aus meiner Sammlung ausgewählt, das ich hier bereits vor einiger Zeit besprochen habe – es zeigt mehrere Wagen der Berliner Marke Protos kurz vor der Fertigstellung im Werk:
Protos G-Typen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ich hatte diese Fahrzeuge seinerzeit als Typ G mit Motorisierung 6/18 bzw. 8/21 PS identifiziert. Datieren lassen sie sich meines Erachtens auf „circa 1912“.
Zwei Dinge sind es, die man sich auf dieser schönen Aufnahme einprägen sollte:
die jeweils in zwei Gruppen zusammengefassten Luftschlitze in der Haube
die Kühlermaske mit der vom Jugendstil inspirierten Verzierung am oberen Ende.
Zwar sollte sich das Erscheinungsbild der Protos-Wagen nach dem 1. Weltkrieg deutlich ändern, doch die beiden genannten Elemente blieben erhalten:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Protos des Nachkriegstyps C 10/30 PS kam nun mit dem seit 1914 in Deutschland modischen Spitzkühler daher, behielt aber das markante Dekor am Bug bei – hier sogar noch wirksamer gestaltet als in der Flachkühlerversion.
Der stärkeren Motorisierung entsprechend hatte sich die Zahl der Luftschlitze von sechs auf acht pro Haubenseite erhöht, erhalten blieb jedoch die typische Anordnung in zwei Gruppen.
Der übrige Tourenwagenaufbau ist von großer Sachlichkeit, um die Wertung „einfallslos“ zu vermeiden. Hier machen sich Gestaltungsprinzipien aus der Bauhaus-Szene bemerkbar, die in radikalem Gegensatz zur übrigen Architekturtendenz der 1920er Jahre stand.
Ohne den aus der Vorkriegszeit hinübergeretteten Kühler wäre dieser Wagen ein funktionelles Vehikel ohne Persönlichkeitund Charme geblieben – ein Glück, dass man sich bei Protos für das Individuelle und Gefällige entschied.
Auch beim 1924 vorgestellten Nachfolgetyp C1 10/45 PS mit stärkerem Motor und (ab 1925) Vorderradbremsen hielt Protos am grundsätzlichen Erscheinungsbild fest:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wiederum war die Zahl der Luftschlitze gestiegen, um dem größeren Kühlungsbedarf des stärkeren Motors Rechnung zu tragen. Doch wie vor dem 1. Weltkrieg waren die nunmehr zehn Schlitze übersichtlich in zwei Gruppen angeordnet.
Der Kühler war nicht mehr so spitz wie zuvor, aber auch nicht ganz flach. Erhalten blieb der typische Dekor am Oberteil der Kühlermaske. Ein Zubehör, das jedoch eher störend wirkt, ist die Doppelstoßstange nach Vorbild zeitgenössischer US-Wagen.
Ich vermute, dass dieser bei der Reichswehr eingesetzte Protos von 1925 stammt. Dafür sprechen zum einen die Vorderradbremsen, die es bei Einführung 1924 noch nicht in Serie gab. Zum anderen besitzt dieser Protos noch Rechtslenkung, was gegen eine Entstehung nach 1925 spricht.
Sollte diese Einschätzung zu treffen, ließe sich auch das Aufkommen des abgeflachten Spitzkühlers ebenfalls auf 1925 festlegen. Denn bei Einführung des Typs C1 10/45 PS im Jahr 1924 muss anfänglich noch der ausgeprägte Spitzkühler des Vorgängers C 10/30 PS montiert worden sein.
Das legt jedenfalls die folgende Aufnahme aus meiner Sammlung nahe:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser prächtige Protos besitzt noch keine Vorderradbremsen und muss daher vor 1925 entstanden sein, wenn die Angaben in der Literatur zutreffen. Zudem erfolgte Ende 1925 der Wechsel von Rechts- auf Linkslenkung.
Da der zuvor gezeigte, von der Reichswehr verwendete Protos ebenfalls noch Rechtslenkung aufwies, aber schon Vorderradbremsen, bedeutet dies, dass der an dem Wagen montierte abgeflachte Spitzkühler ebenfalls bereits 1925 eingeführt wurde.
Die Literatur (hier: „Deutsche Autos 1920-45“ von Werner Oswald, Ausgabe 2001) suggeriert jedoch anhand dort abgedruckter Bildbeschreibungen, dass der abgeflachte Kühler erst 1926/27 verbaut wurde.
Doch zurück zu dem heute neu vorgestellten Protos Typ C1 10/45 PS: Nicht nur der schnittige Spitzkühler war hier ein Relikt aus vergangenen Zeiten, auch der Aufbau als Chauffeur-Limousine mit seitlich offenem Fahrerabteil war „von gestern“.
Einen eigenen Fahrer konnte und wollte sich Mitte der 1920er Jahre kaum noch jemand leisten. Der Betrieb eines Automobils war keine Geheimwissenschaft mehr, sondern von jedermann rasch erlernbar.
Wer noch einen Fahrer beschäftigte, was selbst vermutlich ein „Old-Timer“, der sich um den Fortschritt nicht groß scherte. So waren zwar Schalt- und Bremshebel von außen nach innen gewandert, dennoch wurde hier ein Aufbau wie aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg geordert, bei dem der Fahrer halb im Freien saß:
Auch die Anordnung der Ersatzräder fast mittig auf dem Trittbrett war Mitte der 1920er Jahre bereits altmodisch. Der Fahrer musste demnach auf der anderen Seite aussteigen.
Den wackeren Chauffeur scheint dies nicht verdrossen zu haben – jedenfalls nicht am Tag dieser Aufnahme, die 1925 irgendwo in der Eifel entstand.
Vermutlich war er mit seiner Anstellung und dem „Old-Timer“ aus dem Hause Protos ganz zufrieden, er selbst stammte ja noch aus der Welt der Vorkriegszeit, als dieser Typ Wagen und das Dekor seines Kühlers zeitgemäß gewesen waren.
Dennoch dürfen wir davon ausgehen, dass ihm die Konfrontation mit der Moderne in seinem weiteren Leben nicht erspart blieb. Hoffen wir, dass er gut durch die Umbrüche und Katastrophen gekommen ist, die die nächsten Jahre bereithielten.
Gewiss waren die 1920er Jahre eine schwere Zeit für die meisten Zeitgenossen hierzulande. Doch hätten sie vielleicht gern auf das Rendezvous mit der Moderne verzichtet, hätten sie gewusst, was ihnen dabei bevorstand.
Mancher wäre vermutlich lieber nach und nach zum „Old-Timer“ herangereift und würde einfach das Dasein der Vorkriegszeit weiterpflegen – die ist jedoch leider untergegangen, und uns Menschen der Moderne bleiben nur die großartigen Autos jener Zeit als Erinnerung, die wir bewahren sollten…
Auch wenn es angesichts des desolaten wirtschaftlichen Zustands Berlins heute schwer vorstellbar erscheint – die einstige Reichshauptstadt war in der Vorkriegszeit eines der Zentren des deutschen Automobilbaus.
Hier hatten nicht nur heimische Hersteller wie AGA, Bergmann, Dinos, Ego, Lindcar, NAG, Protos, Rumpler und Szawe ihren Sitz, sondern auch diverse ausländische Produzenten.
Neben einigen US-Marken ist vor allem die Berliner Austin-Seven-Lizenzproduktion von Willys-Overland-Crossley zu nennen. Dazu sei die Publikation „Austin und Willys aus Berlin“ von Klaus Gebhardt (2013) empfohlen – eines der wenigen Beispiele für ein rundherum überzeugendes deutsches Vorkriegsautobuch der jüngeren Zeit.
Ich will heute aber bei einer der in Berlin ansässigen deutschen Marken der zweiten Reihe bleiben: Protos. Hier eine Originalreklame von 1905, die erkennen lässt, dass man bei Protos ursprünglich in allen PS-Klassen kompetent sein wollte:
Protos-Reklame von 1905; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Die Wagen der 1908 von Siemens übernommenen Protos Motorenfabrik sind auf den ersten Blick gut dokumentiert. Das Standardwerk von Otto Neubauer „Autos aus Berlin: Protos und NAG“ zeigt Dutzende Abbildungen von Autotypen der Marke.
Allerdings handelt es sich in etlichen Fällen um Prospektdarstellungen oder Bilder aus Druckwerken mit geringer Auflösung. Kein Wunder, dass 35 Jahre nach dieser Publikation mittlerweile mehr und besseres Material vorhanden ist.
Allein in der Protos-Galeriemeines erst seit 2015 existierenden Blogs für Vorkriegsautos auf alten Fotos finden sich etliche Originalaufnahmen, die sich für eine zeitgemäße Neupublikation zu Protos eignen würden.
Nachfolgend ein Beispiel für eine sonst bislang nirgends dokumentierte Zweisitzer-Variante des Standardtyps Protos C 10/30 PS, der von 1918 bis 1924 tausendfach gebaut wurde (Porträt hier):
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Mit dem ab 1924 gebauten Nachfolger dieses Modells befasst sich mein heutiger Blogeintrag. Dabei handelt es sich im Grunde um einen alten Bekannten.
Denn – wie gesagt: zeitgenössische Originaldokumente zu Protos sind keineswegs selten. Auch wenn man nicht ausdrücklich danach sucht, gehen einem nebenbei Funde wie dieser ins Netz:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier haben wir besagten Nachfolger des Protos Typ C 10/35 PS – den stärkeren Protos C1 10/45 PS (Porträt). Er unterschied sich vom Vorgänger technisch vor allem, was den Ventiltrieb angeht.
Die Verwendung strömungsgünstig im Zylinderkopf hängender Ein- und Auslassventile statt der bis dato üblichen seitlich neben dem Zylinder stehenden Ventile sowie ein anders abgestimmter Vergaser ermöglichten bei unverändertem Hubraum von 2,6 Litern eine Leistungssteigerung um satte 50 % auf 45 PS.
Damit war trotz des hohen Wagengewichts (1,6 Tonnen in der offenen Ausführung) ein Spitzentempo von 85 km/h möglich. Ab 1926 gab es dazu standesgemäße Vierradbremsen.
Äußerlich unterschied sich der Protos C1 10/45 PS vom Vorgänger nur in den höheren und zahlreicheren Luftschlitzen in der Motorhaube – zehn statt zuvor acht an der Zahl.
Wie es der Zufall will, zeigt das „neue“ Foto eines solchen Protos C1 10/45 PS wiederum einen Wagen im Dienst der Reichswehr:
Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die im Zuge des fatalen Versailler Vertrags auf eine symbolische 100.000 Mann-Armee geschrumpften Streitkräfte der Weimarer Republik konnten sich zwar sonst nicht viel leisten, doch für Protos-Tourenwagen reichte offenbar das Geld.
Dabei scheinen hier nicht einmal Offiziere unterwegs gewesen zu sein, wenn ich das Fehlen entsprechender Schulterklappen richtig interpretiere, sondern einfache Mannschaftsdienstgrade (evtl. Unteroffiziersanwärter?).
Klar ist jedenfalls, dass wir einen Protos des Typs C1 10/45 PS vor uns haben. Das lassen die auf zwei Gruppen à fünf verteilten hohen Luftschlitze erkennen:
Wie beim Militär üblich waren alle glänzenden Metallteile matt überlackiert worden, also Kühlermaske, Scheinwerferringe, Frontscheibenrahmen und Nabenkappen.
Ansonsten waren die an die Reichswehr gelieferten Protos-Tourenwagen wohl weitgehend identisch mit den zivilen Ausführungen – speziell auf den militärischen Bedarf ausgerichtete Autos waren in den 1920er Jahren noch unüblich.
Dabei hatte man bereits im 1. Weltkrieg einschlägige Erfahrungen gemacht, was die Einsatzgrenzen auf Zivilmodellen basierender PKW angeht. Während sich die großen und schweren Tourenwagen von Prestigemarken gern auf unbefestigten Wegen festfuhren, hatten sich leichtere Kleinwagenmodelle besser bewährt.
Doch so wie heute Politiker schwere Limousinen den kompakten Elektromobilen vorziehen, die sie dem Untertan für die Fahrt zur täglichen Arbeit empfehlen, spielte einst beim deutschen Militär das Prestige eine im Zweifelsfalle größere Rolle:
„Volltanken, Kamerad!“, wird wohl der Fahrer des Protos dem Soldaten an der Zapfsäule zugerufen haben.
Der „Tankwart“ scheint es gerade zu genießen, möglicherweise für irgendeine Illustrierte aufgenommen zu werden, und hält pflichtschuldigst die Zapfpistole in der Hand, während er freundlich in die Kamera schaut.
Die übrigen Insassen des Protos scheinen von diesem wahrscheinlich inszenierten Fototermin weniger begeistert zu sein – nur der Fahrer schaut entspannt ins Objektiv.
Tja, das wäre es beinahe gewesen für heute, was den Protos Typ C1 10/45 PS angeht – übrigens das letzte Automobil, das unter der Marke entstand.
1927, rund ein Jahr nach der Übernahme durch die ebenfalls in Berlin ansässige AEG-Tochter NAG, endete die Produktion der Wagen mit dem markanten „Gesicht“.
Immerhin scheinen die Protos-Wagen der 1920er Jahre im kollektiven Bewusstsein so präsent gewesen zu sein, dass sie selbst bei einer Reklame des renommierten Lampen-Herstellers Osram als Hintergrund dienten:
Osram-Reklame mit Protos C1 10/45 PS; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Haben Sie den Wagen im Hintergrund erkannt? Ja, da hatte der Grafiker, der 1926 diese schöne Werbung zeichnete, einen Protos Typ C1 10/45 PS im Sinn.
Ob man ihm das eigens aufgetragen hatte oder ob es seine eigene Idee war, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Jedenfalls ist das ein Dokument, das man im Kontext mit Protos schwerlich findet, schon gar nicht in der zwar verdienstvollen, doch überholungsbedürftigen Literatur der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Man sieht daran: Unpubliziertes Material zu diesen einstigen deutschen Marken der zweiten Reihe gibt es jede Menge – man muss nur etwas daraus machen wollen…
Es ist schwer zu verstehen, wieviele bedeutende deutsche Automobilhersteller der Vorkriegszeit im 21. Jahrhundert auf eine angemessene Gesamtwürdigung warten.
Da gibt es beachtliche Einzelleistungen wie M. Schicks Standardwerk zu den sportlichen Steiger-Wagen aus Burgrieden, die Abhandlung von K.U. Merz zu den markanten AGA-Wagen, die Ausarbeitung von K. Gebhardt zu Austin und Willys aus Berlin, nicht zuletzt W. Schollenbergers „Bibel“ über die raren Röhr-Automobile.
Doch bedeutendere Marken wie Apollo, Brennabor, NAG, Phänomen, Presto und Protos harren bis heute einer wirklich umfassenden Abhandlung unter Berücksichtigung des verfügbaren Bildmaterials – und davon gibt es jede Menge.
Als Beispiel für von Deutschlands Automobilhistorikern ungehobene Schätze mag das Standardmodell dienen, das die Siemens-Tochter Protos in Berlin nach dem 1. Weltkrieg fertigte – der Typ C 10/30 PS.
Für den Fall, dass jemand Protos-Wagen für unbeachtlich hält, sei ohne weiteren Kommentar auf folgende, über 100 Jahre alte Reklame verwiesen:
Protos Typ 27/65 PS um 1912 aus kaiserlichem Fuhrpark; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger
Was hat die bisherige Literatur zum Typ C 10/30 PS von Protos zu bieten, der immerhin von 1918 bis 1924 gebaut wurde?
Nun, in Heinrich von Fersens Standardwerk „Autos in Deutschland 1920-39“ aus den 1970er Jahren findet sich genau eine Abbildung. Das darauf fußende Nachfolgewerk von Werner Oswald „Deutsche Autos 1920-1945“ bietet immerhin vier weitere Fotos von Protos-Wagen des Typs C 10/30 PS.
In der Protos-Fotogalerie dieses Blogs finden sich aktuell ein Dutzend (!) weitere, andernorts noch nicht dokumentierter C-Typen von Protos.
Auf dieser Grundlage unternehmen wir heute den Versuch einer groben zeitlichen Einordnung der verfügbaren Aufnahmen dieses Modells anhand formaler Elemente – die bisherige Literatur bietet leider nichts dergleichen.
Als frühes Modell – um 1920 – ließe sich wohl dieser sportliche Zweisitzer ansprechen:
Protos Typ C 10/30 PS Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Für eine vergleichsweise frühe Datierung spricht aus Sicht des Verfassers die v-förmig geteilte Frontscheibe, die bei späteren Protos-Typen nicht mehr auftaucht.
Die sportliche Windschutzscheibe war keineswegs dem Zweisitzer vorbehalten – der nebenbei bemerkt in der Literatur überhaupt nicht dokumentiert ist.
Auf 1921 datiert ist im von Fersen’schen Werk „Autos in Deutschland 1920-39“ auch ein Protos-Tourenwagen mit geteilter Frontscheibe. Allerdings sind viele Angaben in dem Buch mit Vorsicht zu genießen, obwohl von Fersen noch Kontakt zu Zeitzeugen hatte.
Als nächste formale Entwicklungsstufe des Protos Typ C 10/30 PS bietet sich dieser Tourenwagen an:
Protos Typ 10/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Zwei Elemente sprechen für die frühen 1920er Jahre:
die seitlich weit auskragende „Tulpenkarosserie“ mit organisch angesetztem Kasten für die Unterbringung des Verdecks
die nach vorne umlegbare Frontscheibe, deren Unterseite noch nicht der Kontur des Vorderwagens folgt
Alle übrigen Elemente – vor allem die in zwei Gruppen zu je vier angeordneten Haubenschlitze – finden sich auch auf anderen Abbildungen des Protos Typ C.
Kommen wir zur nächsten – mutmaßlichen – Entwicklungsstufe des Protos Typ C, die wir auf folgendem 1928 in Bad Nenndorf entstandenen Foto sehen:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
An der Frontpartie fallen die trommelförmigen Scheinwerfer auf, die gegen Mitte der 1920er Jahre zeitweilig in Mode waren.
Dieses Detail sollte man nicht überbewerten – vielleicht gefiel dem Besitzer diese Ausführung besser als die üblichen schüsselförmigen Scheinwerfer.
Die glatte Windschutzscheibe ist nach wie vor verstellbar, doch zeichnet ihre Unterkante nun die Kontur dess Vorderwagens nach. Dem Suchscheinwerfer auf der in Fahrtrichtung rechten Seite hat sich ein Fahrtrichtungsanzeiger links zugesellt.
Auffallend ist, dass das niedergelegte Verdeck des Tourenwagens nicht mehr in einem zur Karosserie gehörenden Kasten untergebracht ist, sondern außenliegt und mit einem kunstledernen Überzug geschützt ist.
Abgesehen vom entfallenen Verdeckkasten sieht man aber nach wie vor eine traditionelle Tulpenkarosserie. Das änderte sich in der nächsten Entwicklungsstufe:
Protos Typ C 10/30 PS, Taxi-Ausführung; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch hier folgt die Unterseite der flachen Frontscheibe der Kontur des Vorderwagens, dennoch ist sie mittig unterteilt – auf der Fahrerseite ist die Oberseite ausklappbar. Dies mag ein für Taxi-Ausführungen typisches Detail sein.
Interessanter ist der mit einem Mal streng sachliche Aufbau des Passagierabteils, dem die organische Spannung der traditionellen „Tulpenkarosserie“ fehlt. Selbst die Verdeckhülle scheint einer minimalistischen Version gewichen zu sein.
Der vereinfachten Form des Aufbaus entsprechend sind auch die Türausschnitte simpler gestaltet – der dynamische Schwung der Seiten-und Heckpartie ist dahin.
Diese Nüchternheit findet sich im deutschen Automobilbau ab Mitte der 1920er Jahre fast durchgängig.
Damit wären wir – vorläufig – am Ende dieses Parforceritts durch sechs Jahre Bauzeit des Protos Typ C 10/30 PS. Vieles an diesem Blog-Eintrag ist Mutmaßung, basierend auf den Originalfotos, die dem Verfasser vorliegen.
Gern werden Korrekturen und Ergänzungen von sachkundiger Seite berücksichtigt. Ebensogern stellt der Verfasser seine Originalfotos von Protoswagen des Typs C 10/30 PS für kompentente Veröffentlichungen aller Art zur Verfügung.
Bei Vorkriegsautos kann man sich nie sicher sein, schon alles gesehen zu haben – selbst bei einst gängigen und auf den ersten Blick halbwegs gut dokumentierten Marken.
Im Fall eines bis in die 1920er Jahre bedeutenden Autobauers wie der Siemens-Tochter Protos sollte man davon ausgehen, dass die Typenlandschaft in der Literatur umfassend beschrieben ist.
Dem ist leider nicht so und die Leidenschaft zur Dokumentation deutscher Vorkriegshersteller scheint – von wenigen Ausnahmen (AGA, Auto-Union, Steiger) abgesehen – in den letzten Jahrzehnten eher nachgelassen zu haben.
Während in England, Frankreich und Italien ein Buch nach dem anderen selbst zu obskuren Marken erscheint, scheint man hierzulande wildentschlossen, die Vorkriegszeit ein für allemal Vergangenheit sein zu lassen.
Zu dieser radikalen Geschichtsvergessenheit passt der deutsche Glaube anplanwirtschaftliche Absurditäten wie „1 Million Elektroautos bis 2020“.
Nicht nur im Hinblick auf die über 120 Jahre alte Technologie des elektrisch betriebenen Automobils schafft die Beschäftigung mit der Historie heilsamen Abstand zu den trügerischen Utopien des Hier und Jetzt.
Umso lieber lassen wir uns auf die alten Dokumente ein, die von einer Zeit künden, als es wirklichen Fortschritt in automobiler Hinsicht gab. Diese Herren beispielsweise waren einst Zeugen einer rasanten Entwicklung:
Protos Typ C 10/30 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Der stark angegriffene Abzug zeigt einen Protos des bereits vor dem 1. Weltkrieg vorgestellten Typs 10/30 PS, der jedoch erst in der Nachkriegszeit in größeren Stückzahlen gefertigt wurde.
Die elektrisch betriebenen Scheinwerfer gehören zu den Innovationen jener Zeit, sie lösten die bis dato gängigen Acetylenleuchten ab. Zwar war elektrische Beleuchtung vereinzelt schon vor dem 1. Weltkrieg verfügbar, doch setzte sie sich erst ab 1919 durch.
Auch das Erscheinungsbild der fünf Herren, die im und um den Protos posieren, verweist auf die Zeit nach Kriegsende, die in Deutschland von Sachlichkeit geprägt war.
Nur die dem Jugendstil entstammende opulent verzierte Kühlermaske erinnert noch an die Kaiserzeit – sie machte die Protos-Wagen unverwechselbar. Einige tausend Tourenwagen und Limousinen dieses Typs entstanden bis Mitte der 1920er Jahre.
Etliche davon haben wir bereits anhand von Originalfotos vorgestellt – doch auf keinem davon war ein Aufbau wie dieser hier zu sehen:
Protos Typ C 10/30 PS Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser Ausschnitt ist Teil eines größeren, ovalen Abzugs, der einen weiteren Wagen zeigt, den wir bislang noch nicht identifizieren konnten.
Auf den ersten Blick wirkt die Vorderpartie des Wagens so wie bei anderen Vertretern des Tys C 10/30 PS von Protos auch: Neben dem charakteristischen Kühler verweisen die zweimal vier Luftschlitze in der Motorhaube auf das Modell.
Die Rechtslenkung ist typisch für die Zeit, als Schalt- und Bremshebel außerhalb des Innenraums lagen. Die meisten Menschen sind nun einmal Rechtshänder und da schon der Kutscher einst mit der Rechten die Peitsche schwang, war die Sitzposition rechts ganz natürlich, zumal so der Straßengraben besser im Blick blieb.
Im Vergleich zu anderen Fotos von Protos-Wagen des Typs C 10/30 PS ist hier jedoch die V-förmig geteilte und recht niedrige Windschutzscheibe außergewöhnlich.
Außerdem fällt die Karosserielinie hinter den Vordersitzen ab, was nicht zu dem seinerzeit gängigen Tourenwagenaufbau passt. Offenbar haben wir es hier mit einem offenen Zweisitzer mit sportlicher Anmutung zu tun.
In der Literatur findet sich nirgends ein Hinweis auf diese Ausführung und doch hat es sie einst gegeben. Die Auftraggeber dieses speziellen Modells hatten sicher nicht nur eine sportliche Optik im Sinn, sondern zielten auch auf Gewichtsersparnis ab.
Die serienmäßige Tourenwagenausführung brachte nämlich über 1,5 Tonnen auf die Waage, weshalb der 2,6 Liter große Vierzylinder mit dem Protos seine Last hatte.
Gut möglich, dass auf Kundenwunsch bei den Sportmodellen die Spitzenleistung erhöht wurde. Dafür spricht, dass Protos ab 1924 den Typ C bei unverändertem Hubraum mit um 50 % gesteigerter Leistung als 10/45 PS-Modell anbot.
Weiß ein Leser vielleicht mehr über diese bislang nicht dokumentierte Sportausführung des braven Protos Typ C 10/30 PS?
Oldtimer – das sind alte Autos aus längst vergangenen Zeiten und keine bloßen Gebrauchtwagen, die noch zahlreich umherfahren wie der Mercedes 190 aus den 1980er Jahren.
Das ist zumindest die Ansicht des Verfassers dieses Blogs für Vorkriegswagen, womit nebenbei nichts gegen die Qualitäten des 190er Mercedes gesagt sein soll.
Richtig alte Wagen sind aber spannender, weil sie einen in eine hochproduktive Epoche entführen, in der noch alles offen und alles möglich war, was Automobilität angeht.
Außerdem bringen sie einem das Geschehen und die Menschen einer Zeit nahe, die in vielem radikal anders war und dennoch die Grundlage für unser modernes Dasein schuf.
Springen wir mehr als 100 Jahre zurück und lassen die folgende Aufnahme auf uns wirken, die einst ein Hoffotograf Georg Schoppmeyer aus Küstrin an der Oder machte:
Protos Typ G, Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Man sieht gleich, dass hier jemand über hervorragendes Material verfügte und sein Handwerk beherrschte.
Außerdem wusste Meister Schoppmeyer, wie man ein Automobil und seine Insassen am wirkungsvollsten inszeniert – während die Hersteller selbst oft noch öde Seitenansichten in ihren Prospekten zeigten.
So ist auch die Ansprache der Marke so einfach wie selten bei Autos der Frühzeit – es handelt sich um einen Wagen der seit 1908 zum Siemens-Konzern gehörenden Motoren-Fabrik Protos.
Hier eine Originalreklame von 1905, als die 1899 von Alfred Sternberg gegründete Firma Protos noch unabhängig war:
Protos-Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger
Der in der Anzeige erwähnte 100 PS-Motor war damals bloß eine theoretische Option, verbaut wurde dieses Aggregat nach heutigem Kenntnisstand nicht.
Selbst beim 1907 im Taunus ausgetragenen Gordon Bennett-Rennen kam nur ein weitgehend serienmäßiger Wagen mit 45 PS zum Einsatz, der immerhin das Ziel erreichte, was bereits eine Auszeichnung für sich darstellte.
Die markante Optik der Kühlerpartie sollten die Protos-Wagen erst nach der Übernahme durch Siemens im Jahr 1908 erhalten:
Kein anderes Auto eines deutschen Herstellers besaß eine derartig durchgestaltete Kühlermaske – man sieht hier den Einfluss des Jugendstils, auch wenn der Rest des Wagens konventionell daherkommt.
Die expressive Frontpartie sollte noch den Protos Typ C 10/30 PS der Nachkriegszeit bis Mitte der 1920er Jahre schmücken.
Um was für ein Modell handelt es sich aber bei dem Protos auf dem Foto? Nun, ganz eindeutig lässt sich das vorerst nicht beantworten, dafür gibt es in der Literatur zuwenig Bildmaterial mit zuverlässigen Angaben zu Typ und Baujahr.
Immerhin lässt sich sagen, dass der Protos auf unserem Foto nicht vor 1910 entstanden sein kann, da er über einen vollausgebildeten Windlauf zwischen Motorhaube und Schottwand verfügt.
Zu den zwischen 1910 und 1914 verfügbaren Protos-Typen gibt es widersprüchliche Angaben in der Literatur. Sicher ist nur, dass es neben den zwei großvolumigen Vier- bzw. Sechszylindermodellen E1 und E2 zwei kleinere Typen G1 und G2 gab.
Die beiden Vierzylinder 6/18 PS mit 1,6 Liter bzw. 8/21 PS mit 2,2 Liter Hubraum kann man sich jedenfalls gut unter der Haube des Protos aus Küstrin vorstellen. Der versonnen in die Ferne schauende Fahrer wusste es genau, aber ihn können wir nicht mehr befragen:
Er war wie sein Kamerad neben dem Wagen ein Soldat eines Kraftwagen-Korps, das im 1. Weltkrieg eingesetzt wurde. Die Kennung „MK III 251“ verweist nach Angabe sachkundiger Leser auf das III. Armeekorps mit Sitz in Berlin.
Die beiden stolzen Kraftfahrer tragen die für Angehörige von Kraftfahrerkorps damals typische zweireihige Lederjacke, die zuverlässig vor Wind und Regen schützt.
Interessant sind die Schulterstücke mit einem stilisierten „K“ und die Kragenspiegel mit der Silhouette eines Automobils. Bei dem vergnügt in die Kamera schauenden Beifahrer sind diese Details gut zu erkennen:
Wann genau diese schöne Aufnahme entstanden ist und was aus den beiden Männern und ihrem Protos-Tourenwagen wurde, wissen wir wie so oft nicht.
Über einen Abstand von gut 100 Jahren erhalten wir aber für einen kurzen Moment Einblick in eine untergegangene Welt, von der heute nur noch verblassende Fotos, ein paar Orden und Uniformstücke sowie einige wenige überlebende Fahrzeuge erinnern.
Auch von Küstrin – dem Ort an der Oder, wo einst diese Aufnahme entstand – sind nur Fragmente geblieben. Die alte Festungsstadt wurde in den letzten Wochen des 2. Weltkriegs zerstört und die Häuser später bis auf die Grundmauern abgetragen:
Auch diese Konfrontation mit einem Geschehen, von dem uns bald kein Zeitzeuge mehr erzählen kann, gehört zu den Besonderheiten, die nur die frühen Automobile bieten…