Typ mit dem gewissen Etwas: Graham-Paige von 1929

Heute werden auf den ersten Blick Frauenwünsche wahr – denn wer von den Damen suchte nicht (meist vergebens) nach einem „Typ mit dem gewissen Etwas“?

Was genau das ist, weiß von jeher niemand genau zu sagen. Die unzureichende Definition, was das gewisse Etwas ausmacht, könnte dazu beitragen, warum so viele Ladies in Beziehungen verharren, die ihnen schaden. So jedenfalls meine Wahrnehmung.

Mag sein, dass sich das in der Menschheitsgeschichte überwiegend als vorteilhaft erwiesen hat, da es in der Natur nicht darum geht, dass die aktuelle Generation glücklich ist, sondern dass sie sich idealerweise für die nächste aufopfert.

So bleibt der Wunsch nach dem Typ mit dem gewissen Etwas meist auf der Strecke. Besser haben es die Buben – jedenfalls gilt das heute für die männlichen Leser meines Blogs, die ich ohne besondere Kühnheit zu beanspruchen, in der Überzahl wähne.

Denn den Herren mit Vorliebe für gediegene Vorkriegs-Limousinen mit reichlich Platz für Kind und Kegel kann ich heute ein Beispiel dafür präsentieren, was einen Typ mit dem gewissen Etwas ganz konkret auszeichnet.

Um die Sache anschaulich zu machen, beginnen wir mit einem Typ, dem das gewisse Etwas ohne Zweifel abgeht, so solide und freundlich er auch zu wirken sich bemüht:

Graham-Paige Sedan-Cabriolet von 1929; aufgenommen in Berlin „Unter den Linden“ vor der Humboldt-Universität; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diesen etwas kastig-unbeholfen wirkenden Typ habe ich bereits vor Jahren identifiziert – jedenfalls was das Auto betrifft.

Die Gestaltung der Hauben und Kühlerpartie findet sich so beim 1929er Modell der erst 1928 gegründeten US-Marke Graham-Paige.

Der Hersteller war, wie das bei den meisterhaft organisierten Ami-Fabrikaten die Regel war, sofort auch in Europa präsent, insbesondere in Deutschland, wo Ende der 1920er Jahre ausländische Fabrikate ein Viertel des Gesamtmarkts abdeckten.

Erst recht in der deutschen Hauptstadt Berlin war ein Graham-Paige kein Exot – dort entfiel damals sogar ein Drittel der Neuzulassungen auf nicht-deutsche Hersteller.

Der Hintergrund der obigen Aufnahme passt perfekt dazu – als einstmals Berlin-Begeisterter erkannte ich auf Anhieb das Universitätsgebäude „Unter den Linden“ lange bevor ich herausfand, was für ein Wagen dort abgelichtet wurde.

Für das Folgende prägen Sie sich bitte die schroff wirkende Frontscheibe und die banalen Scheibenräder ein – und die Haubengestaltung natürlich.

Schon etwas besser als das wuchtige Sedan-Cabrio aus Berlin wirkt der folgende Graham-Paige mit nur zweitürigem Cabrio-Aufbau, den Holszpeichenrädern und dem deutlich geschmeidiger wirkenden Typen davor:

Graham-Paige Cabriolet von 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was auch immer der ein wenig zu charmant dreinblickende Herr vor dem Auto in seiner Hosentasche zu suchen hatte – er hatte sich die Unsitte wohl einem Filmstar abgeschaut – es war noch nicht das gewisse Etwas, das ich in Aussicht gestellt habe.

Nein, das gewisse Extra, das einen sonst eher konventionellen Typ in einen faszinierenden Charakter verwandelt, das war nicht auf so billige Weise zu bekommen.

Zwar musste man dafür ebenfalls tief in die Tasche greifen, aber nun bekam man eine wahrlich stattliche Erscheinung präsentiert, welche das vollendete Auftreten des Gentleman mit den verführerischen Accessoires des Lebemanns verband.

Genug der zweifelhaften Andeutungen – hier ist er dank Leser Matthias Schmidt (Dresden) – der Typ aus dem Hause Graham-Paige mit dem gewissen Etwas:

Graham-Paige Limousine von 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer die Qualitäten dieses Typs nicht auf Anhieb erkennt, dem empfehle ich, noch einmal kurz zum ersten Foto zurückzukehren.

Na, sehen Sie jetzt, was ich meine?

Trotz des massigen Aufbaus als 6-Fenster-Limousine, lassen die Drahtspeichenräder den Wagen, der standesgemäß mit potenten 6- und 8-Zylindermotoren verkauft wurde, dennoch leichter erscheinen als die eingangs gezeigte viertürige Cabrioletversion.

Für mich ist das gewisse Etwas an diesem Typ aber etwas anderes. Fällt Ihnen auf, wie spannungsreich die Dachpartie gestaltet ist? Nichts wäre öder gewesen als eine Dachlinie, die parallel der Gürtellinie folgt.

Verfechter des Funktionalismus – in meinen Augen bedauernswerte Zeitgenossen ohne Sinn für unser an der Natur geschultes Formverständnis – mögen jetzt als „Erklärung“ anbringen, dass bei so einer Pullman-Limousine hinten ja die feinen Herrschaften mit hoch aufragenden Zylinderhüten und aufwendigem Kopfputz saßen, während vorne der Chauffeur mit Schirmmütze platziert war – ergo konnte die Dachlinie nach vorn abfallen.

Das ist natürlich Unsinn, man hätte die Dachlinie ja trotzdem waagerecht verlaufen lassen können – Maß nehmend an den „großkopfeten“ rückwärtigen Passagieren.

Nein, hier waren allein ästhetische Prinzipien ausschlaggebend – eine spannende Spiegelung waren nebenbei die späteren Dachlinien von Pinin-Farina, die allein um der Wirkung willen nach hinten abfielen. Noch mein 1974er MGB GT profitierte davon…

Ohnehin ist beim heutigen Typ mit dem gewissen Etwas ein weiteres Element weit wichtiger für den Effekt dieser so auffallend gefällig daherkommenden Limousine:

Sehen Sie hier, was ich meine?

Ist das nicht genial, wie die Halterung der nachgerüsteten Sonnnenblende Bezug nimmt auf die nach oben schießende Zierlinie vor dem vorderen Fensterpfosten?

Selbige Linie endet bei den anderen gezeigten Versionen im Nichts. Hier aber wird sie wie ein Staffelstab aufgenommen und sie führt den Schwung übermütig nach oben wie ein Flugzeug, das zum Looping ansetzt.

Auch die Sonnenblende selbst, welche die nach vorne abfallende Dachlinie fortsetzt und sich mit feinen Zierlinien der übrigen Gestaltung der Karosserie anpasst, ist ein kleines Meisterwerk.

Ob nun Werksextra oder ein außergewöhnlich stimmiges Zubehör – es ist dieses Teil, welches die oben erwähnte schroffe Scheibenpartie förmlich verwandelt.

Ganz genau kann ich es nicht beschreiben – es grenzt an Magie, was hier einst jemand vollbrachte, um diesem Typ das gewisse Etwas hinzuzuzaubern, was eine Standard-Limousine aus Großserienproduktion in einen attraktiven Charakter verwandelte…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Neues Motto: Mehr für’s Auge! Citroen Traction Avant

Die regelmäßigen Leser werden bemerkt haben, dass ich mir eine kurze Pause in meinem Blog gegönnt habe.

Das war zum einen der Arbeit geschuldet, die mich in den letzten Tagen mehr als sonst absorbiert hat – da schien mir noch mehr Bildschirmzeit zuviel. Mehr für’s Auge tun, das wird früher oder später zu einem Motto, mag man sich sonst noch jung fühlen.

Zum anderen schien mir der Augenblick gerade recht, um einen Blick auf das in den letzten 10 Jahren Bloggerei Erreichte zu werfen – sowie Pläne dafür zu machen, wie es weitergeht.

„Er hat das Titelbild geändert, wo wir uns doch so daran gewöhnt hatten.“ – Ja liebe Leser, das schmerzt den Konservativen, wenn schon so viel anderes den Bach hinuntergeht.

Doch halte ich es mit dem paradoxen Ausspruch, wonach sich alles ändern muss, damit es so bleiben kann, wie es ist. So drückt es der sizilianische Adlige Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957) in seinem Roman „Il Gattopardo“ aus – welcher 1963 mit hinreißender Besetzung verfilmt wurde.

Also habe ich mich beim neuen Titelbild des Blogs für ein Foto aus meinem Fundus entschieden, das noch besser die Bandbreite meines Anspruchs abdeckt:

Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Harmonisch nebeneinander stehen hier die exotischen, oft schwer zu identifizierenden Automobile der Zeit bis 1920, die populären Kleinwagen und Nischenfahrzeuge der Zwischenkriegszeit und die in gigantischen Stückzahlen gebauten Wagen der US-Hersteller.

Nur die in der heutigen Klassikerszene so präsenten deutschen Luxusfabrikate sucht man auf dieser Aufnahme vergeblich. Sie waren damals viel zu selten und fanden gewiss nicht den Weg ins beschauliche Blaubeuren, wo obiges Foto im April 1930 entstand.

Nachdem wir also geklärt hätten, dass im Wesentlichen alles bleibt, wie es ist, kommen wir zu dem, was sich ändert. Ich will hier aus persönlichen Motiven, aber auch weil ich meine, ein Bedürfrnis bei anderen dafür zu sehen, künftig „mehr für’s Auge tun“.

Das bedeutet zweierlei: Von den Kategorien „Fotorätsel des Monats“ am 15. und „Fund des Monats“ am Monatsletzten abgesehen, wird es hier künftig weniger ins rein sachliche Detail gehen – jedenfalls nicht, soweit allgemeine Quellen verfügbar sind.

Im Vordergrund soll vielmehr die Ästhetik stehen und damit meine ich nicht nur die formale Gestaltung eines Wagens, sondern auch seine Inszenierung und Wirkung, also seine Bedeutung als Ausdruck von Zeitgeist und Selbstverständnis der Besitzer.

Damit einher geht der weitgehende Verzicht auf Aufnahmen, die rein dokumentarische Qualitäten haben. Kandidaten wie Adler „Favorit“, Brennabor P 8/25 PS, Horch 10/50 PS, Mercedes 8/32 PS oder auch Fiat 509 und Chevrolet „International“, landen fürderhin direkt in den einschlägigen Markengalerien, sofern sie nicht „mehr für’s Auge“ bieten.

Damit wir uns recht verstehen: Auch künftig spielen hier nicht die Prachtkarossen von Meisterhand nicht erste Geige, welche einst den „happy few“ gehörten und die heutzutage überrepräsentiert sind. Auch ein brilliant in Szene gesetzter DKW mit sympathischem Personal drumrum kommt weiterhin in die Auswahl.

Fotos mäßiger Qualität, die unerbauliche Situationen mit unangenehmen Charakteren zeigen, will ich nicht mehr bringen – wobei es Ausnahmen geben kann. Ein erfreuliches Gegenbild zum Alltag soll hier gezeichnet werden – auch das ein Fazit nach 10 Jahren.

Zwar bin ich selbst in der glücklichen Lage, dass sich meine persönlichen Verhältnisse immer weiter verbessert und verschönert haben. Aber mir ist auch sehr bewusst, dass für die breite Masse der Bürger in Deutschland sich seit 2015 praktisch nichts zum Positiven entwickelt hat, um es vorsichtig auszudrücken.

Deshalb wird auch weiterhin alles, was ich hier tue, für meine Leser völlig kostenlos und werbefrei sein. Der einzige Preis, den Sie zahlen müssen, ist der meiner persönlichen Sicht und Assoziationen beim Betrachten der Fotos, um die es geht.

Wie sich das im Fall des heute erstmals präsentierten Citroen „Traction Avant“ darstellt, werden Sie im Folgenden erfahren – los geht’s:

Fiat 1100 und Citroen Traction Avant in Mailand; Postkartenausschnitt, Original aus Sammlung Michael Schlenger

Bei der Aufnahme klingt gleich ein Thema an, das mir am Herzen liegt und das ich weiterhin verfolge – das Vorkriegsauto und seine Wirkung im Stadtbild.

Hier wird die streng klassischen Vorbilder der Antike folgende Fassade der im 19. Jh,. errichteten Kirche San Carlo in Mailand in willkommener Weise durch die Präsenz von zwei Automobilen der 1930er Jahre gemildert – die Szene bezieht ihr gesamtes Leben daraus.

Dergleichen dürte mit Autos der Gegenwart nur noch in selten Fällen gelingen. Die Vorkriegsgestaltung folgte dagegen noch Prinzipien, die nicht in offenem Widerspruch zur über Jahrhunderte gewachsenen Architektur standen.

Geradezu brav erscheint hier der für seine Zeit durchaus moderne Fiat 1100 links – Ende der 30er Jahre eines der besten Autos seiner Klasse und ein gern gesehener Gast in meinem Blog, zumal er auch in Deutschland gebaut wurde.

Doch wirkt er beinahe bieder gegen den wie eine sprungbereite Raubkatze geduckt danebenstehenden Citroen des 1934 eingeführten Typs „Traction Avant“.

Der aufregend klingende Namenszusatz verwies schlicht auf den Frontantrieb, der damals von etlichen europäischen Herstellern (Adler, Audi, DKW, Stoewer) als zukunftsweisend erkannt und in teils beachtlichen Stückzahlen realisiert wurde.

Die eigentliche Neuerung beim „Traction Avant“ war die Kombination mit einer selbsttragenden Karosserie und niedrigem Schwerpunkt, was dem Wagen eine einzigartige Straßenlage ermöglichte.

Je nach Motorisierung (vier bzw. sechs Zylinder) boten die Franzosen damals echte Autobahngeschwindigkeiten von 120-140 km/h, die beim selbsternannten Erfinder der Autobahn rechts Rheines rare Ausnahmen blieben. Das Potenzial des Fahrwerks unterstrich ein geplanter noch stärkerer 8-Zylindermotor, der aber nicht mehr zum Serieneinsatz kam.

Jenseits der in seiner Hubraumklasse weit überdurchschnittlichen Fahrleistungen war und ist für viele Autogourmets aber die Karosserieform des Citroen die eigentliche Sensation.

Der Gestalter – Flaminio Bertoni (übrigens auch der Designer der späteren Ente und der DS von Citroen) – war von Hause aus Bildhauer und ihm gelang eine geradezu skulpturenhafte Interpretation der klassischen Formen der 30er Jahre. Kein Wunder, dass Citroen bis Ende der 1950er Jahre daran festhielt.

Auf der folgenden Aufnahme verweisen nur die Luftschlitze in der Haube (statt Klappen) und die gerade Stoßstange auf die ansonsten unveränderte Nachkriegsversion:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsversion; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die phänomenalen Qualitäten des Fronttrieblers von Citroen – je nach Motorisierung als 7 CV, 11 CV oder 15 CV angeboten – sprachen sich nicht nur bei französischen Gangstern herum, die damit der Polizei mühelos entkommen konnten.

Der Wagen fand auch bei einer anderen unerwünschten Klientel großen Zuspruch, dem deutschen Militär, das im Sommer 1940 Frankreich angriff und weitgehend besetzte.

Die trotz großer Klappe an chronischer Knappheit leidende Wehrmacht kassierte alle Exemplare dieses Typs, derer sie habhaft werden konnte.

Die bisweilen angeführte Abneigung der deutschen Truppen gegenüber Frontantriebsautos muss sich auf Schreibtischtäter im schon damals ineffizienten Beschaffungswesen beschränkt haben – an der Front wusste man es nämlich besser:

Citroen „Traction Avant“, Beutwagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir einen frisch erbeuteten Citroen, aufgenommen 1940 zwischen Troyes und Nancy, so ist umseitig überliefert. Die Uniformjacke eines deutschen Soldaten – wohl mit Ek2 und Infanterie-Sturmabzeichen – sagt alles über die neuen Besitzverhältnisse.

Der Lack ist noch der zivile, doch trägt der Wagen schon die seit 1939 obligatorischen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfer. Mit offenbar wenig haltbarer Farbe hat jemand „WH“ (für „Wehrmacht Heer“) auf den Kotflügel gemalt.

Wenig vorschriftsmäßig das Ganze, aber auch deshalb interessant und würdig, gezeigt zu werden.

Gemäß meinem neuen Motto „Mehr für’s Auge“ nicht mehr eigens präsentieren, sondern gleich in die Markengalerie verschieben würde ich dagegen künftig beliebige Aufnahmen ähnlicher Situationen wie diese:

Citroen „Traction Avant“, Beutewagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie werden mir beipflichten, dass man darauf gut verzichten kann – nicht wegen des unerfreulichen Kontexts, sondern schlicht weil das Foto ästhetisch nichts hergibt.

Anders sieht das beim nächsten Beispiel aus – auch wenn wir uns hier immer noch im selben Umfeld bewegen.

Mich erinnert die Aufnahme an den scherzhaften Spruch eines amerikanischen Mitglieds meiner internationalen Facebook-Gruppe zum Thema Vorkriegsautos auf alten Fotos: „The Germans should have won the war – they had the cooler cars and smarter uniforms„.

Die Amis haben gut lachen, die dürfen das als eine der Siegermächte des 2. Weltkriegs sagen und wissen gut zu trennen zwischen den verwerflichen Aktivitäten der Wehrmacht einerseits und ihrer für viele historisch Interessierte bis heute faszinierenden Ausrüstung:

Citroen „Traction Avant“, Beutewagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Im vorliegenden Fall haben diese Herren, die ich bei der deutschen Luftwaffe verorten würde, nur ihre schneidigen Uniformen mitgebracht, auf die man auf deutscher Seite so auffallenden Wert legte.

Den schicken Wagen dagegen hatten sie französischen Zivilisten abgenommen, welche ihre Autos in aller Regel nie wieder sahen, obwohl einige dieser Citroens noch bei der Kapitulation der Wehrmacht vor 80 Jahren zum deutschen Fuhrpark gehörten.

Mir ist bewusst, dass solche Aufnahmen bei meinen Lesern nicht nur Freunde finden, aber sie illustrieren nun einmal einen wichtigen Teil der Geschichte des Citroen „Traction Avant“.

Aus derselben Zeit kann ich bei der Gelegenheit ein Aufnahme zeigen, die auf jeden Fall in die Kategorie „Mehr für’s Auge“ passt, auch wenn das Foto im Oktober 1940 als Feldpostkarte aus Paris nach Deutschland gesandt wurde:

Citroen „Traction Avant“ Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So betörend dieses Postkartenmotiv auch ist, sollten wir immerhin kurz erwähnen, dass es sich bei dem nur in Teilen sichtbaren Auto ebenfalls um einen Citroen „Traction Avant“ handelt – hier eine der eher seltenen Ausführungen als zweisitziges Cabriolet.

Lediglich die Gestaltung der Luftklappe in der Motorhaube brachte mich auf die Spur dieses raren Exemplars.

Mit dem nächsten Foto verlassen wir die unselige Kriegszeit, bewegen uns aber noch in einem Umfeld, in dem im weitgehend kriegsverheerten Europa Mangel an so ziemlich allem herrschte – und das sieht man dieser Szene deutlich an:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer mein neues Motto „Mehr für’s Auge“ bereits verinnerlicht hat, mag hier die Augenbraue heben – was sollte hier schon besonders sehenswert sein?

Nun nach streng ästhetischen Maßstäben wenig, auch wenn vielleicht die Damen den schlanken großgewachsenen Herrn nicht unsympathisch finden könnten.

Aber für’s Auge gib es auch an dem mitgenommmenden Citroen einiges zu sehen – oder auch nicht zu sehen, denn manches fehlt (wie das große Markensignet auf dem Kühler und die vordere Radkappe) oder wurde verändert (wie die Stoßstange).

Vor allem aber brauche ich hier jemandes scharfes Auge, was das Nummernschild betrifft: Erkennt jemand, wo dieses Exemplar einst zugelassen war?

Kurioserweise präsentiert sich ein weiteres Exemplar kurz nach dem Krieg wesentlich besser, obwohl es dem Nummernschild nach zu urteilen in Berlin beheimatet war:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen scheint den Krieg trotz kleinerer Modifikationen etwas besser überstanden zu haben, auch der Hintergrund sieht intakt aus – wobei es 100 Meter weiter schon wieder ganz anders aussehen konnte.

Da der Citroen „Traction Avant“ auch im Kölner Werk produziert worden war, könnte es sich hier um ein überlebendes Exemplar aus deutschem Besitz gehandelt haben – offenbar von jemandem, dessen Tätigkeit es erforderte, dass er den Wagen nicht auf Nimmerwiedersehen ans Militär abliefern musste.

Die junge Dame neben dem Auto, dessen schlichte und doch spannungsreiche seitliche Linien hier gut zu studieren sind, trägt ein Kostüm, wie es typisch für die späten 40er Jahre ist. Viele Unterschiede gab es da noch nicht zur Vorkriegszeit.

Dass eine gut gekleidete und gekonnt posierende Dame immer noch die perfekte Ergänzung eines schönen Automobils darstellt, mag nach den bedauernswerten Maßstäben einiger heutiger Zeitgenossen zwar eine unangemessene Feststellung sein.

Ich weiß aber im Unterschied zu den fixen Ideen irgendwelcher trübseligen Theoretiker mit unwerfendem Belegmaterial für meine Behauptung aufzuwarten.

Das schlagendste Argument ist und bleibt der Bildbeweis – jedenfalls sofern man noch auf analoge Originale wie dieses zugreifen kann:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie werden nach hinreichender Würdigung der erschrocken in die Zukunft schauenden Dame im Leopardenjäckchen sicher auch bemerkt haben, dass wir hier wieder eine Nachkriegsversion des Traction von Citroen vor uns haben.

Das Zusammenspiel der schönen Erscheinung auf vier Rädern und auf zwei Beinen wird hier noch so perfekt illustriert wie vor dem Krieg – so als wäre nichts gewesen.

Solche Erkenntnisse sind es vor allem, auf ich mit dem neuen Motto „Mehr für’s Auge“ verstärkt abziele.

Wem bei dem Ansatz die Technik und der Zahlensalat zu kurz kommen, dem kann ich kurzfristig nicht helfen – das bleibt jetzt nämlich aus auto-therapeutischen Gründen die nächsten zehn Jahre so. Vielleicht haben wir dann wieder bessere Zeiten…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Muss man doch mögen! Hanomag 2/10 PS Cabriolet

Nanu, wird der Blog-Wart nach 10 Jahren Kommentierung von Vorkriegsautos auf alten Fotos doch noch milde und kann dem 1925 eingeführten Minimal-Automobil von Hanomag – im Volksmund unter anderem als „Kommissbrot“ bekannt – etwas abgewinnen?

Ja und nein, lautet die differenzierte Antwort. Oder auch: Es kommt darauf an.

Was das Gefährt selbst angeht, bleibe ich hart: Wer im angeblichen Mutterland des Automobils anno 1925 noch mit einem 10 PS-Einzylinder-Vehikel ohne elektrischen Anlasser und mit Platz für ein kinderloses Paar aufwartete, hatte zwar eine Marktlücke für frühe „Hippies“ erkannt und besetzte diese auch recht erfolgreich bis 1928.

Nur: Ein ernsthafter Beitrag zur Demokratisierung des Automobils war das nicht. Wie man das machte, hatten nach dem 1. Weltkrieg bereits Ford mit dem Model T, Citroen mit dem 5CV, Fiat mit dem 501 und Austin mit dem Seven gezeigt.

Während diese vollwertigen Automobile zu hunderttausenden die Straßen Europas (bzw. zu Millionen in den USA) bevölkerten, beschritt der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover mit dem 2/10 PS-Typ einen typischen deutschen Sonderweg in die Sackgasse -hier durchaus reizvoll illustriert:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damit wir uns recht verstehen:

Ich will den Freunden der überlebenden Exemplare ihr Hobby nicht madig machen und natürlich schaue ich mir so ein Gerät gerne an, wenn man mal eins zu Gesicht bekommt. Schön auch, dass sich Enthusiasten um den Erhalt dieser Schöpfungen kümmern.

Aber: Man sollte die Kirche im Dorf lassen und dieser skurrilen Kreation nichts andichten, was einfach nicht zutrifft. Weder war es seiner Zeit voraus, noch hatte es das Pech auf ein unverständiges Publikum zu treffen, das seine Genialität bloß nicht erkannte.

Automobile wurden und werden – bei aller Liebe – zuallererst für den Markt gemacht. Was beim Käufer nicht verfängt und der allgemeinen Entwicklung keine neue Richtung gibt, ist schlicht eine Fehlkonstruktion.

Das gilt erst recht, wenn die Marktverhältnisse dergestalt sind, dass es nur eine dünne Schicht solventer Käufer für vollwertige Autos gibt und ansonsten 95 % arme Schlucker, für die schon ein simples Motorrad ein Luxus ist, wofür man lange ansparen muss.

So war es im Deutschland der 1920er Jahre aufgrund der Kriegsfolgen und der desolaten Einkommensverhältnnisse der breiten Masse schlicht zu früh, überhaupt irgendein richtiges Auto für jedermann in Betracht zu ziehen.

Jetzt kommt das große ABER, das bereits im Titel anklang.

In seltenen Fällen wie dem folgenden muss man sich fügen und den „rasenden Kohlenkasten“ aus Hannover doch mögen – das liegt dann aber nicht am Auto selbst:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beiden Damen, die hier auf dem Hanomag herumturnen, veranschaulichen nicht nur dessen spielzeughafte Dimensionen, sondern sind es auch, was mich zum Erwerb des Fotos veranlasste.

Normalerweise ist mir das „Kommmissbrot“ keine 5 EUR wert, nachdem es hinreichend in meiner Hanomag-Galerie dokumentiert ist. Doch im vorliegenden Fall gab das Kennzeichen den Ausschlag.

Denn die Abkürzung Sib. steht für den rumänischen Namen von Hermannstadt in der hauptsächlich deutschsprachigen Region Siebenbürgen, welche ab 1918 ohne sachlichen Grund und vor allem ohne Befragung der Bevölkerung Rumänien zugeschlagen wurde.

Die dort seit etwa 800 Jahren ansässigen Bürger deutscher Sprache mussten nun auch auch das rumänische Idiom erlernen. Das kam zum Hochdeutschen und dem Sächsischen hinzu, das dort seit dem Mittelalter gesprochen wird.

Mit Sachsen hat dieser Dialekt nichts zu tun. Vielmehr ist das in Siebenbürgen gesprochene Sächsisch verwandt mit deutschen Dialekten aus dem Moselraum.

Wie so vieles habe auch das nicht auf dem westdeutschen Augustiner-Gymnasium zu Friedberg/Hessen gelernt (dafür aber jede Menge tiefrote Propaganda in Sachen Marxismus-Leninismus, Kuba, Nicaragua usw.).

Mein Bezug zum Idiom der Siebenbürger Sachsen ist meine bessere Hälfte. Ihre Eltern stammen aus der Ecke, ohne selbst der deutschen Mehrheit angehört zu haben – sie sind Vertreter der gemischten Ethnien, wie sie zu KuK-Zeiten in der Region allgegenwärtig waren.

So spricht und/oder versteht man in der Familie mehr oder weniger gut Ungarisch, Rumänisch, Deutsch und Sächsisch. Mir ist vor allem das Sächsische lieb, mit dem sich die bessere Hälfte mit der Mutter unterhält, obwohl beide dem Volksstamm gar nicht angehören.

Einen bis ins späte Mittelalter zurückreichenden Dialekt zu hören (und nach einer Weile zu verstehen), das hat etwas von einer Zeitreise. Das muss man doch mögen, wenn man nicht völlig der Moderne hörig ist.

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DAS ist doch mal ’ne Überraschung! Ford Model „T“

Der 1. Mai war für mich heute zum Glück nur ein halber Arbeitstag – ab dem frühen Nachmittag konnte ich mich der Verehrung unseres Zentralgestirns widmen.

Bekanntlich schickt die Sonne keine Rechnung für ihr selbstloses Tun (nur die Solarlobby giert nach üppiger Vergütung und fatalem Einspeisevorang im Netz…), also ist man gut beraten, sich ihrer über den Winter vermissten Wohltaten dankbar zu zeigen.

Beim Spaziergang am Ortsrand, dort wo Schafe und Ziegen weiden und gepflegte Kleingärten Auge und Herz erfreuen, begegneten uns auffallend wenige Mai-Ausflügler – hatte man vielleicht im Wetterdienst „amtlich“ vor intensivem Sonnenschein gewarnt?

Wenn Sie jetzt mit Blick auf den Titel denken, dass ich mir bei der „leichtsinnigen“ UV-Strahlenexposition einen Sonnenstich eingehandelt haben muss, kann ich Sie beruhigen.

Wer sich wie ich draußen bewegt und nicht nur wie ein Schnitzel träge unter der Sonne vor sich hinbrät, der verträgt den Aufenthalt im Freien bei intensivem Sonnenschein so gut wie unsere Vorfahren vor Jahrtausenden, die einst aus südlichen Gefilden bei uns anlangten und vor rund 7500 Jahren in der hessischen Wetterau sesshaft wurden, wo ich heute lebe.

Also alles nach wie vor klar im Oberstübchen, darf ich versichern.

Dennoch beharre ich darauf: „DAS ist doch mal ’ne Überraschung“, im Folgenden eines der meistgebauten Automobile aller Zeiten zu Gesicht zu bekommen – nämlich das von 1908-1927 in rund 15 Millionen Exemplaren produzierte Model „T“ von Ford.

Zum einen ist dieses legendäre Automobil, das individuelle Mobilität von einem Privileg der Schönen und Reichen quasi zu einem universellen Menschenrecht machte, noch nie ausdrücklich Gast in meinem Blog gewesen – ein unhaltbarer Zustand nach bald 10 Jahren.

Zum anderen werden Sie gleich sehen, dass DAS hier wirklich eine Überraschung darstellt:

Ford Model T von Anfang der 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Aufnahme fand erst kürzlich den Weg in meinem Fundus und beim Kauf wusste ich nicht genau, was ich da an Land gezogen hatte. In der von mir bevorzugten Preisklasse von 5 EUR zzgl. Versand darf man nicht anspruchsvoll sein.

Immerhin ahnte ich, dass wir es mit einem Tourenwagen der frühen 1920er Jahre zu tun haben, der wohl in Südfrankreich aufgenommen worden war.

Nach dem Einscannen war mir klar: DAS ist ein Ford Model T, und zwar eine Ausführung aus der Zeit direkt nach dem 1. Weltkrieg bis 1923.

Man erkennt dies daran, dass das Kühlergehäuse nicht mehr aus blankem Messing besteht, sondern in Wagenfarbe lackiert ist (ab 1917/18). Gleichzeitig weist das Fehlen einer Blechverkleidung unterhalb des Kühlers auf eine Entstehung vor 1924 hin.

DAS lässt sich auf folgender Ausschnittsvergrößerung besser erkennen, auf der auch schemenhaft der „Ford“-Schriftzug zu sehen ist:

Natürlich haben die mit Adler-Auge ausgestatteten Leser unter Ihnen sogleich die DAS-Plakette unterhalb der Windschutzscheibe gesehen.

Wie diese mit der mutmaßlich französischen Zulassung zusammengeht und warum die Dame und der Herr rechts gemeinsam ein Kamerastativ präsentieren – DAS zu erläutern, überlasse ich gerne Ihnen.

Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass Sie DAS so noch nie gesehen haben – wie einige tausend andere Originalfotos von Vorkriegsfotos in meinem Blog und den Markengalerien, die ich in den letzten 10 Jahren aufgebaut habe…

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Fund(e) des Monats: NAG Typ C4b „Monza“

Wenn ich heute geradezu verschwenderisch mit dem Material aus meinem Fotofundus sowie dem von Sammlerkollegen umgehe, hat das nur zum Teil damit zu tun, dass ich die letzten Tage jede freie Minute Sonne getankt habe.

Das notorische Schlafdefizit, welches ich meiner unstillbaren Neugier und diesem Blog „verdanke“, wird durch die Energiezufuhr seitens des Fusionsreaktors in durchschnittlich rund 150 Millionen Kilometern Entfernung locker überkompensiert.

Eine Dosis New Orleans Rhythm & Blues – als Abwechslung zum üblichen Klassikprogramm – ergänzt die Rezeptur. Aktuell läuft „Earl King“ über die Lautsprecher, die illiuminierten Leistungsanzeigen des Verstärkers tanzen inspiriert mit.

Machen wir es zur Abwechslung kurz – der Fund des Monats April 2025 ist eine hinreißende Variation über das öfter anklingende Thema NAG C4b „Monza“ in meinem Blog.

Zu Erinnerung: Dabei handelte es sich um eine sportliche Werksversion des Typs C4 der Berliner Traditionsfirma der ersten Hälfte der 1920er Jahre – damals eines der am häufigsten gebauten deutschen Autos überhaupt.

Bereits die „normale“ Tourenwagenausführung des 30 PS-Wagens sah flott aus, zumindest wenn sie so dynamisch inszeniert wurde wie auf dieser Aufnahme:

NAG Typ C4; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Als Hommage an einen Werksrennwagen auf dieser Basis, mit dem NAG im italienischen Monza einen vielbeachteten Erfolg erzielte, brachte man eine Straßenversion heraus, die bei gleichem Hubraum (2,5 Liter) stärker war und vor allem unglaublich rasant daherkam.

Für mich ist dieser Typ C4b mit 40 bis 45 PS eines der aufregendsten deutschen Autos der frühen 1920er Jahre überhaupt.

Kein anderer hiesiger Hersteller baute in Serie einen derartig radikal daherkommenden Sport-Tourer:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung: Klaas Dierks

Jetzt mögen die Verwöhnten unter Ihnen denken: „Ja, schön und gut, diese Rakete auf Rädern hat uns der Blog-Wart aber schon einige Male präsentiert – was ist denn heute so aufregend anders?

Um es vorwegzunehmen: Aufregender wird es heute nicht, aber dennoch werden Sie am Ende eine neue Perspektive auf diesen faszinierenden Straßensportler gewinnen. Bleiben Sie dran, Sie werden’s nicht bereuen.

Etliche Exemplare sind zwar bereits in meiner NAG-Galerie versammelt – mehr als irgendwo sonst in der Literatur oder im weltweiten Netz. Und einige stellen dieses Beispiel in den Schatten, das ich hier erstmals präsentiere:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vergleichen Sie einmal diesen Sport-Tourer mit dem Standard-Tourer auf dem eingangs gezeigten Foto – außer dem markanten NAG-Kühler und den (beim Monza eher seltenen) Stahlspeichenrädern gibt es keine Gemeinsamkeiten.

Dass man auf praktisch demselben Chassis und mit kaum verändertem Antrieb so ein völlig anders daherkommendes Automobil in Serie bauen konnte, das gehört zu den vielen Reizen von Vorkriegswagen – das geht in der Moderne schon lange nicht mehr.

Und dann konnte so ein Sport-Tourer genauso als verlässlicher Reisewagen eingesetzt werden, sofern man nur Minimalgepäck mitführte und über einen gesunden Body-Mass-Index verfügte.

Wirklich sportlich fahren ließ sich so ein Fahrzeug bei voller Besetzung natürlich nicht – aber darauf kam es nicht an. Es gab vor 100 Jahren eine Klientel, für die ein Auto weit mehr war als ein Fortbewegungsmittel oder ein Wohlstandsindikator.

Ein NAG C4b „Monza“ war ein ästhetisches Statement – wer so etwas „Unvernünftiges“ fuhr, gab damit zu erkennen, dass er etwas von Lebenskunst verstand. Wie ich zu sagen pflege: Kultur beginnt dort, wo nicht mehr schnöde Notwendigkeiten das Dasein diktieren.

Dem vermeintlichen Vernunftwesen Mensch wohnt nämlich die Freude am Überfluss, am Genuss des Augenblicks und am Spiel unter der Sonne inne:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich bin sicher, dass Sie den NAG C4B „Monza“ so noch nie gesehen haben. Es handelt sich übrigens um dasselbe Fahrzeug wie auf dem zuvor gezeigten Foto.

Den Aufnahmeort zu ermitteln, das überlasse ich gerne einem Leser, der schneller in solchen Sachen ist als ich. VIelleicht entstand das Foto am Wolfgangssee, aber das ist nur eine unfundierte spontane Eingebung.

Letztlich steht auch heute das Auto im wahrsten Sinn im Vordergrund – als Transporter in die weite Welt, als Überwinder von Zeit und Raum, als Ermöglicher von Situationen wie dieser, in denen erwachsene Männer mit Bubenfreude Dinge tun, die in keinem Reiseführer „vorgesehen“ sind, während die Damen die Herren tun lassen, was sie tun müssen:

Na, habe ich zuviel versprochen in Sachen NAG C4b „Monza“? Wenn Sie sich jetzt fragen, wo denn verdammt nochmal alle diese umwerfend leicht daherkommenden Sport-Tourer geblieben sind, kann ich es auch nicht sagen.

Aber eines kann ich Ihnen versprechen: Von genau diesem Modell liegen mir aufgrund einer glücklichen Fügung (ok., es war auch nicht ganz kostenlos) ein phänomenaler Fundus an Originalaufnahmen vor, mit dem ich noch viele solcher Funde des Monats bestreiten kann…

Nachtrag: Gerade stelle ich fest, dass die beiden zuletzt vorgestellten Fotos denselben einst im Bezirk Wiesbaden zugelassenen NAG zeigen, den ich bereits früher anhand dieser Aufnahme von Leser Klaas Dierks präsentieren konnte – wahrlich ein Fund des Monats…

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Alte Story, neu erlebt: Cyklon 9/40 PS Limousine

Es gibt Dinge, die nutzen sich nicht ab.

Die besten Werke der bildenden Kunst aus vier Jahrtausenden – die Büste der Nofretete, die Kriegerstatuen von Riace, die Uta von Naumburg, Michelangelos Pietá, die Prinzessinengruppe von Schadow, die Werke von Rodin usw.

Man kann es aber auch einfacher haben – wenn man einen Garten hat. Wie sich nach den schier endlosen Monaten des Winters das Leben im Frühling Bahn bricht, das erlebt man immer wieder hingerissen wie beim ersten Mal.

Natürlich macht die Sache Arbeit ohne Ende, aber genau dafür sind wir Menschen gemacht – nicht dafür, bei bester Gesundheit untätig vom Staat alimentiert zu werden.

Aktuell habe ich zwei Gärten zu betreuen – den eigenen und den der Eltern der entschieden besseren Hälfte. Nach der Schreibtischarbeit wird geschafft – wie man in Hessen sagt – bis die Sonne hinter den Dächern versinkt.

Bei aller Müdigkeit nach getaner Arbeit verbleibt das Gefühl, beglückt zu werden durch das Wunder des werdenden Lebens, der seit Urzeiten sich entfaltenden Kräfte der Natur, deren bloßes Objekt bei aller eingebildeten Geisteshöhe wir am Ende sind.

Leser Klaas Dierks hat mir kürzlich einen Neuzugang aus seiner Sammlung zugesandt und ich war versucht, diesen sogleich im Blog zu bringen. Doch erinnerte ich mich, dass ich selbst an etwas dran war, was direkt damit zu tun hat.

Also sind doch ein paar Tage vergangen, aber heute ist es soweit. Im Postfach fand ich die Aufnahme, auf die ich es abgesehen hatte:

Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Von dem Wagen mit klassisch proportionierten Kühler sieht man alles, was man sehen muss, um ihn umgehend als „Cyklon“ des Typs 9/40 PS ansprechen zu können, wie er ab 1927 gebaut wurde.

Denn Form und Platzierung des Kühleremblems sind so markant, dass man gar nicht lesen können muss, was darauf steht.

Lange Zeit erschien es so, als ob diese Cyklon-Wagen kaum Spuren hinterlassen haben und nur in Form einer kurzen Episode mit der Geschichte der Eisenacher Fahrzeugwerke verbunden sind, wo man praktisch das gleiche Auto als „Dixi“ 9/40 PS baute.

Doch die Sache ist komplizierter, wie bei unserer ersten Begegnung mit dieser Erscheinung hier zu erfahren war. Wer sich für die Details interessiert, mag diese dort nachlesen.

Mir geht es heute eher darum, zu illustrieren, dass diese Cyklon-Wagen der Kategorie 9/40 PS von Ende der 1920er Jahre wohl doch nicht ganz so exotisch waren.

Neben dem oben gezeigten Neuzugang mit dem offenbar von der Frühlingssonne bereits gut gebräunten und sympathisch wirkenden Herrn im hellen Anzug kann ich nun nämlich endlich auch das erwähnte Foto von Leser Klaas Dierks präsentieren.

Der Zufall will es, dass auch diese Aufnahme anno 1934 entstand, als der Cyklon mit seiner typischen Limousinenkarosserie von Ambi-Budd (siehe Adler „Favorit“) aufgenommen wurde – doch diesmal nicht in Berlin, sondern in Schlesien:

Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Den Wagen werden Sie jetzt schon selbst als Cyklon 9/40 PS identifizieren können, aber der eigentliche „Star“ ist hier doch der kleine Bub, der von der stolzen Mutter auf dem ausgebauten Rücksitzpolster präsentiert wird.

Der Junge hatte noch einiges vor sich, doch die Existenz dieses Fotos spricht dafür, dass er mit seinen Eltern anno 1945 wohlbehalten aus Schlesien in den sicheren Westen gelangte.

Ich schätze, dass diese schöne Aufnahme, welche die immergleiche Geschichte vom „Circle of Life“ auf so hinreißend neue Weise erzählt, wie das jeder Frühling tut, aus dem Nachlass des abgelichteten Jungen stammt.

So schließt sich der Kreis – nach vollendetem Leben kehrt alles zu seinem Ausgangspunkt zurück – so auch wir, und diese Aufnahme, auf der wir dem Cyklon 9/40 PS so begegnen, als sei es das erste Mal, erzählt auf faszinierende Weise davon.

Es ist weit nach Mitternacht – noch vor ein paar Stunden fühlte ich mich zu müde, um einen Eintrag im Blog vorzunehmen. Doch die Zeit im Garten und das immer wieder neue Staunen ob des Wunders des erwachenden Lebens beflügelte mich zusammen mit dem Eintreffen der eingangs gezeigten weiteren Aufnahme.

Wenn so viele gute Dinge wie selbstverständlich zusammenkommmen, muss man sich fügen und den sich darin zeigenden Kräften beugen.

Am Morgen mag man sich dann wünschen, man hätte noch ein paar Stunden mehr an Schlaf bekommen. Doch ein kräftiger Kaffee und die Magie eines neuen Sonnentags tun dann ein Übriges – wie seit unausdenklichen Zeiten…

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Eins und Eins? Macht Acht! Horch 710/720 Sport-Cabrio

Kennen Sie schon das neue Delikt der „falschen Tatsachen-Behauptung“?

Offiziell ist es noch nicht justiziabel, aber es scheint in deutschen Landen Kräfte zu geben, die gern ein staatliches oder staatlich subventioniertes Wahrheitsamt installieren möchten.

Ob dieses künftig auch dafür zuständig sein wird, Wahlversprechen daraufhin zu überprüfen, ob sie später auch tatsächlich eingehalten werden, glaube ich weniger.

Auch wird man wohl nicht Behauptungen ins Visier nehmen, wonach man korrektes Schreiben nach Gehör lernen oder sich das Geschlecht einfach selbst aussuchen kann.

Nein, man hat es ganz gewiss nur auf eindeutige Falschaussagen abgesehen, wie ich sie heute im Titel formuliert habe: 1+1=8!

Sie werden aber sehen, dass auch grober Unfug wie dieser bei näherer Betrachtung seine Berechtigung haben kann, im literarischen Sinne jedenfalls. Man bekommt dabei eine Ahnung davon, was passieren würde, wenn man das Wieselwort „Wahrheit“ irgendwelchen Meinungsräten als Maßstab zur Verfügung stellt, die keinen Spaß verstehen.

Dass natürlich „eins“ und „eins“ zusammen „acht“ ergeben können, wenn man bildhafte Sprache versteht und um „die Ecke“ denken kann, das will ich heute zeigen.

Manche unter Ihnen erinnern sich vielleicht an dieses prächtige Foto, dass ich einst beiläufig unter dem ebenfalls kritikwürdigen Titel „Vom Ich zum Selbst“ neben anderen gezeigt habe:

Horch 710 oder 720: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich hatte dieses Fahrzeug anhand einiger Details wie dem geflügelten H auf dem Kühler, der einteiligen Stoßstange, den seitlichen Motorklappen und der Gestaltung der Frontscheibe als Horch des Typs 710 oder 720 von 1932/33 identifiziert.

Dabei handelte es sich um die 80 bzw. 90 PS starken Modelle der sächsischen Luxusmarke, die 1932/33 die Nachfolge der 400er Reihe antraten, die ich in meinem Blog und in der einschlägigen Marken-Galerie bereits hinreichend behandelt habe.

Leider ist dieses Foto lange das einzige in meinem Fundus geblieben, das eines dieser großartigen Autos zeigt, mit denen sich Horch damals von den bis dato als Vorbild gewählten amerikanischen Wagen loslöste und zu der eigenen Linie fand, welche den legendären Ruf der Marke untermauerte.

Doch zu „eins“ ist jüngst wieder „eins“ hinzugekommen – und erst damit wird der herrliche 8-Zylinderwagen endlich komplett. Hier haben wir das zweite Puzzleteil, welches einen solchen Horch 710 oder 720 in der besonders begehrten Version als Sport-Cabriolet zeigt:

Horch 710 oder 720: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser Aufnahme, die Gourmets als Schrott disqualifiizieren würden, nicht nur wegen des angerempelten Trittbretts, sehen wir nun den zweiten Teil unseres Horch-Puzzles.

Ja, dieses Exemplar besitzt keine Drahtspeichenräder, sondern Scheibenräder, aber beides war verfügbar beim Horch 710/720. Entscheidend für mich sind die Luftklappen in der Motorhaube, die langgestreckten Vorderkotflügel ohne seitliche „Schürzen“ und die Feinheiten des Aufbaus als zweitüriges Cabriolet.

Markant ist insbesondere die Ausführung der Tür mit schön geschwungenem unterem Abschluss und die sonst nirgends zu sehenden beiden Türscharniere. Genau doeses Details finden sich am „Sport-Cabriolet“ wieder, welches im formidablen Standardwerk „Horch – Typen, Technik, Modelle“, von Kirchberg/Pönisch auf Seite 269 abgebildet ist.

Und natürlich waren hier 8 Zylinder unter der Haube! Sie sehen – mangels eigener Erkenntnis präsentiere ich diese Zuschreibung hier als Tatsachenbehauptung.

Jetzt stellen Sie sich vor, igrendeiner weiß es besser und kann anhand eindeutiger Quellen darlegen, dass dies falsch ist und dass es sich um einen anderen Typ handelt.

Man ahnt, auf welches dünnes Eis man gerät, wenn man den Maßstab der Wahrheit an alles anlegt, was irgendwer, irgendwo und irgendwie vom Stapel lässt. Das wäre schlicht das Ende der Meinungsfreiheit, die nach John Stuart Mill („On Liberty„) auch das Recht umfasst, Blödsinn zu erzählen oder sogar evident Kontrafaktisches zu behaupten.

Der geeignetste Maßstab für richtig oder falsch scheint der zu sein, was im Wettbewerb der Ansichten, Überzeugungen und Argumente sich am Ende (oder auch nur vorläufig) als als die beste Annäherung an „die Wahrheit“ herausstellt.

Offensichtlich Falsches lässt sich widerlegen, Ironie oder Satire lässt sich als solche erkennen, ebenso künstlerische Freiheit. Auf letztere würde ich mich zurückziehen, wenn mir einer unterstellen wollte, dass doch eins und eins unmöglich acht ergeben können.

Wäre jedenfalls schade, wenn man sich solcher Spielereien im kultivierten Umgang miteinander nicht mehr bedienen könnte, meine ich….

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Wiedersehen mit Pegasos: NAG-Protos 14/70 PS Tourer

Manche Träume lassen den Menschen nicht los – über Jahrtausende hinweg.

Wir lernen daraus, dass wir zwar in technischer Hinsicht ernorme Fortschritte bei der Bewältigung des Daseins machen mögen, aber im Wesentlichen noch die sind, die einst als an die Erde gebundene Nomaden und später Siedler sehnsüchtig den Vögeln nachschauten, deren Leben sich leicht in den Lüften vollzog.

So ist zu erklären, dass in unseren Tagen evidente Spinnereien wie Flugtaxis für eine ganze Weile einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sogar die Schatullen vermeintlich abgebrühter Investoren aufgehen ließen.

Der Traum, sich einfach in die Luft erheben und ein Ziel seiner Wahl präzise ansteuern zu können, hat schon die alten Griechen im wahrsten Sinne beflügelt. So entstanden die vielen Mythen, in denen das geflügelte Pferd Pegasos eine Rolle spielt.

Selbiges wird hier auch heute in prominenter Form präsent sein.Ein erstes Mal begegnen wir ihm auf dieser Aufnahme, die Besitzern der 2019er Neuauflage des Klassikers „Deutsche Autos 1920-45“ von Wener Oswald bekannt vorkommen dürfte:

NAG-Protos 14/70 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Eine repräsentative Limousine im typischen „Amerikaner“-Stil der späten 1920er Jahre – so würde man hier zutreffend konstatieren. Die US-Hersteller waren damals tonangebend und kein deutscher Hersteller konnte es sich leisten, trotz unterlegener Produktionstechnik nicht wenigstens in kleiner Stückzahl Ähnliches anzubieten.

Im vorliegenden Fall haben wir es mit dem 6-Zylindermodell 14/70 PS der Berliner Marke NAG-Protos zu tun, die den angesagten Stil durchaus traf und auch mit der großzügigen Motorisierung die Zeichen der Zeit in der Oberklasse erkannt hatte.

Dass man wohl nur eine geringe vierstellige Zahl dieser prächtigen Wagen zwischen 1928 und 1930 zustandebrachte, ändert nichts an ihrem Prestige. Fliegen war zwar auch damit nicht möglich, aber hoch über den Niederungen des Alltags der allermeisten Deutschen bewegte man sich damals in jedem Fall.

Passend dazu war dieses Exemplar vom Besitzer mit einer großartigen Kühlerfigur ausgestattet worden – dem besagten geflügelten Pferd namens Pegasos, mit dem der antike griechische Held Bellerophon seine Abenteuer bestand.

Ich lasse mich gern eines Besseren belehren, aber diese Figur war wohl kein Werksstandard beim NAG-Protos dieses Typs – die expressive Gestaltung steht in klarem Kontrast zur der kühlen Logik der Karosserie des Wagens.

Für Freunde gekonnter Individualisierung von Automobilen wie mich ist indessen genau die Montage des sich aufbäumenden, zum Himmel strebenden Pegasos auf dem Kühler dieses ansonsten hochseriösen Großbürger-Transporters das i-Tüpfelchen.

Zu meinem eigenen Erstaunen vermag der Pegasos aber auch noch etwas anderes. Denn so sehr ich die Auffassung vieler Vorkriegsautofreunde verstehe und teile, dass Tourenwagenaufbauten wenig aufregend sind, so sehr muss ich im Fall des folgenden Fotos zugeben: das Bild kann sich auch ganz anders darstellen.

Diese überraschende Einsicht verdanke ich Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der mir in digitaler Form diese großartige Aufnahme übermittelte:

NAG-Protos 14/70 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Geht es nur mir so oder wirkt der mächtige NAG-Protos mit seinen 5 Metern Länge hier auf einmal nicht überraschend leicht und viel freundlicher als im eher abweisenden Format einer Sechsfenster-Limousine?

Jedenfalls dürfen wir davon ausgehen, dass diese Ausführung Ende der 1920er Jahre auch in deutschen Landen nur noch selten gewählt wurde, wenngleich der Tourer traditionell die preisgünstigste Karosserieversion war.

Doch selbst dafür waren im Fall des NAG-Protos 14/70 PS Ende der 20er Jahre 11.400 Mark hinzublättern – das entsprach mehr als fünf Brutto-Jahresgehältern eines sozialversicherungspflichtigen Durchschnittsverdieners im damaligen Deutschland.

Demnach ist klar: Wer sich so ein Luxusgerät leisten konnte, der hatte auch das nötige Kleingeld für eine opulente Pegasos-Kühlerfigur aus Manufakturproduktion. Solche Sachen wurden einst von unabhängigen Produzenten in kleinen Serien gefertigt.

Ausnahmsweise weiß ich wovon ich rede, denn mit meiner „EHP“ Voiturette von 1921 erwarb ich ich eine darauf montierte Kühlerfigur, die ebenfalls einen Pegasos zeigt. Produziert wurde sie einst vom französischen Bildhauer Gaston Broquet für die verblichene französiche Marke Victor Buchet (siehe hier).

„Mein“ Pegasos trägt die laufende Nummer 253, was eine ungefähre Vorstellung davon vermittelt, in welchem Umfang solche Kühlerfiguren für rare Marken gegossen wurden.

Die Figur steht heute unter einer gläsernen Haube auf einem der Lautsprecher der französischen Marke „Cabasse„, die meine Mutter in den 1960er Jahren erworben hatte. Sie verdiente damals sehr gut und ließ sich von ihrem damaligen Chef zu dieser Investition in hochwertige Musikwiedergabe inspirieren.

Die Lautsprecher habe ich vor etlichen Jahren „restauriert“. So hatte sich die Membranaufhängung nach Jahrzehnten aufgelöst und die Kondensatoren der Frequenzweiche hatten den Geist aufgegeben. Unter Wahrung der Originaloptik verbaute ich moderne Hoch- bzw- Tief/Mitteltöne, erneuerte Frequenzweiche udn Verkabelung.

Nach fast 60 Jahren verrichten diese historischen Hifi-Lautsprecher zusammen mit einem Vintage-Verstärker beinahe jeden Abend ihren Dienst, während ich am Blog arbeite. Wenn ich den Kopf zur Seite drehe, sehe ich den Pegasos auf dem Lautsprecher aus dem Nachlass meiner Mutter, der ich ein Gutteil meines Blicks auf die Welt verdanke.

Heute jährt sich ihr Todestag und ich bin sicher, es hätte ihr gefallen, wie mir die Beschäftigung mit den Dingen aus der Welt von gestern Flügel verleiht wie einst Pegasos…

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Kurztrip ins Tessin: Ein „Overland“ Tourer von 1916

Wer meinen Blog schon eine Weile mitliest, kennt meinen Drang nach Süden über die Alpen – im Unterschied zu den Aktivitäten germanischer Stämme in der Spätphase des Römischen Reichs (ab etwa 300 n. Chr.), ein durch und durch friedlicher.

An sich wäre ich angesichts des April-Wetters wieder mal reif für einen Italien-Trip, doch aktuell reicht die Zeit nur für einen kurzen Schnupperaufenthalt im italienischsprachigen Teil der Schweiz – dem Tessin.

Das eröffnet immerhin eine prächtige Perspektive angesichts wenig erbaulicher hiesiger Verhältnisse – und das in jeder Hinsicht, wie wir gleich sehen werden.

Passend zum Thema Kurztrip will ich nicht unerwähnt lassen, wie „lange“ es brauchte, bis ich den Tourer auf dieser schönen Aufnahme identifiziert hatte, dessen Konterfei einst auf einer schweizerischen Ansichtskarte verewigt wurde:

Overland Typ 86 von 1916; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Die Gestaltung des runden Kühleremblems mit diagonalem Markenschriftzugs hatte mich bereits an den US-Hersteller Overland denken lassen, der seit 1903 im Bundesstaat Indiana Automobile baute.

Doch das früheste mir vorliegende Foto eines Overland (siehe hier) von 1918 zeigt einen Wagen mit gerundeter Kühlergestaltung. Also tat ich, was ich bei mutmaßlichen US-Fabrikaten immer tue, wenn ich nicht selber auf die Lösung komme.

Ich lud das Foto auf einer einschlägigen Facebook-Gruppe hoch (im vorliegenden Fall der des Antique Automobile Club of America) und hatte binnen 10 Minuten die Antwort, dass es sich um einen Overland Tourer des Modelljahrs 1916 handelt.

Nach kurzer eigener Recherche fand ich hier die Bestätigung in Form eines fast identischen Wagens des 6-Zylinder-Typs 86 mit 50 PS Leistung – man sieht: neben dem Ford Model T gab es in den Staaten damals schon Serienwagen ganz anderen Kalibers.

So schnell kann es gehen, wenn man gängige digitale Kommunikationsformen nutzt. Nach meiner Erfahrung tun sich viele auf dem Sektor in deutschen Landen immer noch schwer.

Keine Wunder, wer sich vor „Handystrahlen“ fürchtet und seine problemlos günstigen und zuverlässigen Strom produzierenden Kernkraftwerke zerstört, ohne vergleichbaren Ersatz zu haben, der hat es nicht mehr so mit moderner Technologie und kühler Ratio.

Verlassen wir dieses unerbauliche Terrain und wenden uns wieder dem Overland zu, der einst irgendwo auf einem Trip im Tessin abgelichtet wurde:

Overland Typ 86 von 1916; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Der Kleidung der Insassen nach zu urteilen, dürfte die Aufnahme in der ersten Hälfte der 1920er Jahre entstanden sein. Leider wissen wir nichts über die abgebildeten Personen und den Anlass der Fahrt.

Dass es sich um keine ganz gewöhnlichen Ausflug gut situierter Zeitgenossen handelte, die sich so einen teuren Importwagen und einen angestellten Fahrer leisten konnten, das verrät die Aufmachung des hinter dem Auto stehenden Herrn mit Fliege.

Mir gefällt sein blasierter Ausdruck ebenso wie das Erscheinungsbild der übrigen Insassen.

Hand auf’s Herz: Wäre es nicht eine schöne Idee, wenn man sich wieder etwas mehr Mühe dabei geben würden, wie man seinen Mitmenschen in der Öffentlichkeit erscheint?

Jedenfalls finde ich, dass diese Herrschaften durchweg interessante Charaktere abgeben:

So unterschiedlich diese Typen auch sein mögen, sieht man doch allen an, dass sie sich um ein Erscheinungsbild bemüht haben, das das Beste an ihnen hervorkehrt.

Jeder Einzelne dieser Zeitgenossen könnte ohne weiteres eine Rolle in einem Stummfilm der 1920er Jahre übernehmen – wann haben Sie zuletzt in der Öffentlichkeit solches charakterstarkes Personal gesehen?

Bemerkenswert, was man Spannendes und Erfreuliches selbst bei einem kurzen Trip ins Tessin zu sehen bekommt, an dem man selbst gar nicht teilgenommen hat und bei dem erst ein Tip aus Übersee das Bild vervollkommnete…

Dergleichen versöhnt mich am Ende doch wieder in gewisser Weise mit der Gegenwart.

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Kandidat für die „Fenstersteuer? Wanderer W50 Cabrio

Normalerweise pflege ich zwecks Identifikation spezieller Typen von Vorkriegswagen Radbolzen und Haubenschlitze zu zählen – oft liefert das wertvolle Hinweise. Tendenziell ist dabei eine größere Zahl als Indiz für eine stärkere Motorisierung zu werten.

Wenn ich heute zur Abwechslung Fenster zähle, dient das grundsätzlich demselben Zweck, denn heute gilt es, die Cabriolet-Version des ab 1936 gebauten Wanderer W50 mit 2,3 Liter Motor von den parallel erhältlichen Ausführungen W40 und W45 abzugrenzen.

Dank der vorbildlichen Literatur zu der sächsischen Traditionsmarke (Erdmann&Westermann: Wanderer Automobile, Verlag Delius-Klasing) können wir uns heute in solchen Details verlieren – wie immer anhand geeigneter Originalfotos.

Dabei bestätigt sich die Erkenntnis, dass bei nur kleiner Grundgesamtheit die Verteilung unterschiedlicher Merkmale rein zufällig schwanken kann – also nicht repräsentativ ist.

So liegen mir vom 2-fenstrigen Wanderer-Cabriolet jener Zeit doppelt so viele Fotos vor wie von der 4-fenstrigen Version – tatsächlich wurde letztere aber weit öfter gebaut.

Doch machen wir die Sache konkreter, denn Sie wollen ja nicht über angemessene Stichprobengrößen belehrt werden, sondern wollen vor allem etwas sehen. Also beginnen wir mit diesem netten Dokument:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet der mäßigen Qualität dieses Abzugs lässt sich das markentypische geflügelte „W“ auf der Kühler erahnen. Die eigentümliche Gestaltung der Luftschlitzer in der Haube gabe es zwar schon beim Typ W240/245 ab 1935, doch die hohe seitliche „Schürze“ am Vorderkotfügel verweist auf den 1936 eingeführten Nachfolgertyp W40/45/50.

Die Motorvarianten – ein 2 Liter (40 PS) und ein 2,3 Liter (55 PS) – waren unterdessen gleichgeblieben. Allerdings merkte man bei Wanderer bald, dass der W40 untermotorisiert war, sodass es das 2-Fenster-Cabriolet bald nur noch als W45 (55 PS) gab.

Verwirrend, nicht wahr? Egal, denn es gibt auf dem Weg zum eigentlichen Kandidaten des heutigen Blog-Eintrags noch Bemerkenswertes zu besichtigen.

Hier haben wir das 2-Fenster-Cabriolet von Wanderer – übrigens meist mit Aufbau von Gläser (Dresden) – aus einer ungewöhnlichen Perspektive:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Ob das winzige Rückfenster eine gute Idee war – gestalterisch wie funktionell – lassen wir einmal dahingestellt sein.

Mit vielen überholwilligen Automobilisten war im verkehrstechnisch rückständigen Deutschland der 1930er unterwegs kaum zu rechnen.

Ohnehin fuhr sich so ein Wanderer-2-Fenster-Cabrio weit angenehmer offen – auch wenn der BDM-Wimpel des nationalsozialistischen „Untergau 1“ hier eher unangenehm wirkt:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wir kommen an der inflationären Präsenz des Hakenkreuzes ab 1933 in deutschen Landen leider nicht vorbei und es ist zwecklos, vor dem faschistischen Kulturbruch Deutschlands die Augen zu verschließen.

Die Ergebnisse dieser fatalen Epoche wirken bis heute fort, nicht nur in den vielen im Krieg zerstörten Städten, sondern auch in der vererbten Verstörung vieler Deutscher, denen eine gelassene Einstellung zur eigenen Nation unendlich schwerfällt.

In meinem Fall dürfen Sie sicher sein, dass ich das Hakenkreuz auf solchen Fotos stets nur aus dokumentarischen Gründen zeige – mir ist jede totalitäre, kollektivistische und egalitäre Ideologie zuwider – egal, in welcher Farbe sie angestrichen ist.

Noch kurz vor dem Krieg posiert hier ein dandyesk wirkender Herr vor seinem Wanderer W40/45-Cabriolet mit 2 Fenstern – ein erfreulicher Kontrast zu den sonst oft zu sehenden pseudomilitärisch zurechtgemachten feisten Zeitgenossen:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ähnliches ist über den sympathisch wirkenden jungen Mann auf der folgenden Aufnahme zu sagen – seine Montur deutet darauf hin, dass er einem ehrlichen Beruf nachging, bei dem man sich die Hände schmutzig machte, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

In welcher Beziehung er zu dem Wagen und der scheu dreinschauenden Insassin stand, ist unser Fantasie überlassen – alles ist möglich auf diesen Zeugnissen der Welt von gestern:

Wanderer W50 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Eines lässt sich aber sicher sagen: Dieses Wanderer-Cabriolet besaß bei aller sonstigen Übereinstimmung mit den bisher gezeigten Exemplaren vier statt nur zwei Seitenfenster.

Das ist gemäß der Literatur ein untrüglicher Hinweis darauf, dass wir hier das Spitzenmodell von Wanderer – den Typ W50 – vor uns haben. Er besaß den „großen“ Sechszylindermotor mit 2,3 Litern Hubraum und 55 PS.

Mit größeren Hubraum war tendenziell eine höhere KfZ-Steuer verbunden – eine Regelung, die steuersystematisch grober Unfug ist. Denn die Hubraumsteuer oder überhaupt jede KfZ-Steuer hat keinerlei Bezug zur grundlegenden Leistungsfähigkeit eines Bürgers.

Diese ergibt sich nur aus seinem vereinnahmten bzw. verausgabten Einkommen. Nachdem das Erzielen von Einkommen schon einmal vom Staat zum Anlass genommen wurde, sich zu bedienen. ist dasselbe jedesmal der Fall, wenn das Nettoeinkommen ausgegeben wird.

Nehmen wir also an, einer kaufte sich ein neues Wanderer-Cabriolet – dann zahlte er nach Maßgabe des Kaufpreises Umsatzsteuer darauf. Das lässt sich steuersystematisch grundsätzlich mit dem Leistungsfähgkeitsprinzip in Einklang bringen.

Je nach dem, wie viel der Wanderer-Besitzer nun herumfährt, bezahlt er auf seine Ausgaben für Benzin, Öl,. Reifen, Wartung usw. jedemal Steuern. Alles schön und gut, aber: Warum zum Teufel soll er auf eine physikalische Größe wie den Hubraum seines Motors auch noch Steuern zahlen, selbst wenn die Fuhre das ganze Jahr in der Garage steht?

Wir kommen uns heute besonders fortschrittlich und schlau vor, lachen über Absurditäten wie die historische Fenstersteuer, mit denen die Leute früher willkürlich belegt wurden, um staatliche Verschwendung, Kriege, Prestigeprojekte usw. zu finanzieren.

Dabei ist die Hubraumsteuer schlicht die moderne Entsprechung der Fenstersteuer. Doch immerhin im Fall des 4-Fenster-Cabriolets auf Basis des Wanderer W50 kann ich bedingt Entwarnung geben.

Denn die zwei zusätzlichen Fenster führten ja nur im Vergleich zum 2-fenstrigen W40 zu einem Steueraufschlag, da dieser einen kleineren Hubraum (2 Liter) hatte. Nachdem das W40-Cabrio durch den ebenfalls zweifenstrigen W45 esetzt worden war, der den stärkeren Motor des W50 besaß, hatte sich die „Fenstersteuer“ erledigt…

Klingt alles ziemlich irre, war aber so und ist heute nicht viel anders.

Nur die Eleganz eines Wanderer-Cabrio, die einen alles ertragen lässt, die fehlt in unseren Tagen. Doch zum Glück haben wir die Zeugnisse von einst, die einen zumindest in ästhetischer Hinsicht bereichern, ohne dass irgendeiner dafür kassiert…

Wanderer W50 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Luxus & Leninismus: Mercedes 18/80 PS „Nürburg“

Das Thema „Deutsches Edelfabrikat“, das ich zuletzt hier anhand eines „Elite“ S12 12/55 PS gestreift hatte, verlangt dringend nach einer Fortsetzung.

Denn ich hatte es versäumt, in dem Kontext neben den 8-Zylinderautos von Horch und Stoewer auch den 1928 neu eingeführten Mercedes-Benz 18/80 PS zu erwähnen.

Der gehörte ebenfalls der 8-Zylinderklasse an, war aber nochmals teurer als die auf dem Sektor etablierten deutschen Fabrikate und erst recht als einschlägige US-Wagen.

Doch verdient das mit dem Zusatz „Nürburg“ angebotene Gerät unbedingt Erwähnung. Erst wenn man diesen Wagen kennt, weiß man, woran sich die Elite-Diamant-Werke mit ihrem „Edelfabrikat“ orientierten – optisch jedenfalls.

Zur Auffrischung hier nochmals eine Elite-Reklame von 1928/29:

Elite-Reklame aus „Auto-Magazin“, Ausgabe Januar 1929; Original: Sammlung Michael Schlenger

Prägen Sie sich insbesondere die Frontpartie dieses Fahrzeugs ein – wir begegnen ihr gleich wieder – wenn auch mit anderer Kühlerfigur, ohne Stoßstangen und in einem überraschenden Umfeld.

Im Unterschied zum „Edelfabrikat“ aus dem Hause Elite-Diamant hatte man bei Daimler-Benz nicht auf die obere Mittelklasse (nach Motorisierung, nicht nach Preis) abgezielt, sondern das Luxussegment der 8-Zylinderwagen anvisiert, in dem neben den US-Fabrikaten die deutschen Hersteller Horch und Stoewer dominierten.

Was die Stuttgarter 1928 auf Grundlage eines Entwurfs von Ferdinand Porsche vorstellten, kam ähnlich kolossal und hochbeinig daher wie der Elite-Wagen. Schon nach einem Jahr – d.h. nur wenigen hundert Exemplaren ging man zu einer Konstruktion mit niedrigerem Rahmen über, welche sich als die marktgängigere erweisen sollte.

Umso bemerkenswerter ist, dass einer der frühen Hochrrahmen-Mercedes des Typs 18/80 PS „Nürburg“ von 1928 die Zeiten überdauert hat. Noch erstaunlicher ist der Ort, an dem dieses Gefährt einst dokumentiert wurde:

Mercedes-Benz 18/80 PS von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese großartige Aufnahme wurde einst in Luckenwalde in Brandenburg fotografiert – vor einer Kulisse, die sich heute noch fast genauso präsentiert – der westalliierte Bombenterror ist an der schönen Stadt vorbeigegangen.

Der nationalsozialistsche Terror indessen hat seine Spuren hinterlassen – nicht nur in der Auslöschung der Bürger jüdischer Herkunft, sondern auch in Gestalt des örtlichen Kriegsgefangenenlagers, in dem Soldaten aus der Sowjetunion wie im damaligen Deutschland üblich die mit Abstand schlechteste Behandlung erfuhren.

Die nationalsozialistische und die Sowjetideologie nahmen sich in Methode und Ergebnis nichts – in beiden Fällen herrschte der pure Terror und es fanden sich willige Vollstrecker.

Vielleicht kein Zufall, hatten sich einst mit dem Deutschen Marx und dem Russen Lenin Brüder im Geiste gefunden, die ihre Spinnnereien als Wissenschaft ausgaben, während sie sich in ihrer Lebensführung als Schmarotzer erwiesen, die mit der Daseinsrealität der angeblich protegierten Proletarier nichts gemein hatten.

Die naheliegende Synthese der Gedankenwelt dieser beiden Psychopathen in Form des Marxismus-Leninismus wundert von daher nicht.

Den Älteren unserer ostdeutschen Landsleuten ist die entsprechende Propaganda noch geläufig – die platten Parolen haben auch auf dem heute vorgestellten Foto ihre Spuren hinterlassen.

Links auf der Fassade ist auf dem etwas größeren Originalfoto irgendein Blödsinnn mit Marxismus-Leninismus auftapeziert, den ich Ihnen hier ersparen will.

Gut gefällt mir, dass ausgerechnet im angeblichen Arbeiter- und Bauern-Staat, in dem es sich wie üblich die Anführer des Ganzen gutgehen ließen, während dem Volk Verzicht als Tugend verordnet wurde, dieser prächtige Manufaktur-Mercedes überlebt hat.

Ich würde das Foto auf etwa 1970 datieren, vielleicht weiß es jemand ganz genau und kennt sogar den Namen des damaligen Besitzers:

Genosse und Terrorchef Lenin hätte diese Form von Luxus sicher gefallen, denn der war als Abkömmling einer adligen Familie der Meinung, dass ihm auch der „Revolution“ ein entsprechendes Vehikel zustand – er bevorzugte allerdings die Marke Rolls-Royce…

Das Überleben des Mercedes ausgerechnet im Menschengehege namens DDR passt für mich zur Osterbotschaft – dem Triumph des Lebens, der Pracht und des Überflusses gegen die Kräfte des Dunkels und der Niedrigkeit…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Das deutsche Edelfabrikat? Ein Elite-Tourer von 1928/29

Meine heutigen Betrachtungen haben nicht direkt mit dem anstehenden Osterfest zu tun.

Doch da ich weiß, dass dieses für viele Menschen christlichen Glaubens das höchste Fest im religiösen Jahreskalender ist (oft wichtiger als Weihnachten), und da ich selbst mit der heidnischen Tradition dieses Feiertags (Osterhasen, Eiersuchen usw.) großgeworden bin, will ich heute allen Osterfreunden etwas Besonderes ins virtuelle Nest legen.

Die Frage im Titel deutet bereits darauf hin: heute schauen wir uns einen Fund an, der herkömmliche Dimensionen sprengt, und das nicht nur im Hinblick auf gängige Ostergaben.

Die Bezeichnung als „deutsches Edelfabrikat“ stammt dabei nicht von mir – ich würde sie Ende der 1920er Jahre eher bei den Achtyzlinder-Wagen von Horch und Stoewer für angemessen halten.

Vielmehr waren es die Elite-Diamant-Werke aus der sächsischen Kleinstadt Brand-Erbisdorf, welche ihren Wagen um die Jahreswende 1928/29 dieses Prädikat zuerkannten:

Elite-Reklame aus „Auto-Magazin“, Ausgabe Januar 1929; Original: Sammlung Michael Schlenger

Gestalterisch haben die Werbeleute von Elite hier alles richtig gemacht – man bildet das Spitzenmodell 14/60 PS mit exklusiver Landaulet-Karosserie aus vorteilhafter Perspektive mit größter Detail-Genauigkeit ab.

Hier gibt es keine künstlerische Freiheit, die den Wagen ein wenig monumentaler und vielleicht dynamischer wirken lässt, als er wirklich war.

Ein Elite des Spitzentyps S14 14/60 von Ende 1928/Anfang 1929 mit geschlossenem Aufbau sah genau so aus. Und es gab Leute, die genau dieses konservative und zugleich repräsentative Erscheinungsbild so wollten.

Prächtig, nicht wahr? Doch vom „deutschen Edelfabrikat“ gab es damals eine ganz ähnliche Variante, die ganz anders wirkte – ebenfalls kolossal, aber hemdsärmeliger und weniger respekteinflößender.

Würden Sie – österlichen Sonnenschein vorausgesetzt – nicht gern eine Tour durch die erwachende Natur mit diesem Gerät und dem lässig erscheinenden Fahrer machen wollen?

Elite S12 12/50 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dieses Dokument hat mir Leser Klaas Dierks in digitaler Form übermittelt. Das mächtige Fahrzeug hat wenig mit modernen Autos zu tun, und genau das macht seinen Reiz aus.

Vor rund 100 Jahren waren solche Tourer mit nur im Notfall aufgespannten ungefütterten Verdeck vor allem in Deutschland ein Standard. Der Trend zu (teureren) geschlossenen Aufbauten war vor allem in den USA weiter fortgeschritten – ich komme darauf zurück.

Aufgenommen wurde dieses bemerkenswerte Foto anno 1929 und es könnte von den Dimensionen her durchaus ebenfalls das Spitzenmodell S14 14/60 PS zeigen.

Dass es sich um einen großen „Elite“ jener Zeit handelt, daran besteht kein Zweifel. die Gestaltung von Kühlergehäuse, Motorhaube, Rädern und Trittschutzblechen am Schweller unterhalb der Türen ist typisch.

Allerdings ist in der dürftigen und in Teilen widersprüchlichen Literatur zu den Elite-Wagen beim Typ S14 14/60 PS keine Rede von einer Tourenwagenausführung, wohl aber beim etwas schwächeren Typ S12 12/50 PS.

Auch der besaß einen Sechszylindermotor, in diesem Fall mit 3,1 Litern Hubraum und der überlieferte Radstand von 3,45 Metern kommt dem des S14 sehr nahe (3,52 Meter).

Diese nahe beieinanderliegenden Fahrzeugdaten haben Anlass zur Vermutung in der Literatur gegeben, dass die Elite-Diamant-Werke sich damit verzettelten und deshalb keine rationelle Produktion zustandebrachten.

Tatsächlich endet die Autofabrikation anno 1929, nachdem sich das Opel-Werk als Aktionär aus diesem abwegigen Engagement zurückgezogen hatten. Der Sachverhalt ist einfach: Elite-Wagen wurden in sorgfältiger Manufakturarbeit gebaut und gaben ihren Besitzern auch nach hoher Laufleistung sicher wenig Anlass zur Beanstandung.

Allein: Die fabelhafte deutsche Werkmannsarbeit interessierte Ende der 1920er Jahre immer weniger Käufer. Sie wollen bezahlbare, leistungsfähige und gestalterisch auf der Höhe der Zeit befindliche Automobile.

Jetzt bringt er bestimmt wieder eines dieser US-Massenfabrikate“ als Konkurrenz, mag jetzt der eine oder andere denken.

Genau, und wie angemessen das ist, verrät ausgerechnet das Titelblatt des“Auto-Magazins“ vom Jahreswechsel 1928/29, in dem ich die heute vorgestellte Elite-Reklame fand:

Titelblatt des „Auto-Magazin“, Ausgabe Januar 1929; Original: Sammlung Michael Schlenger

Tja, liebe Leser, der Gestalter dieses schönen Titels hatte genau an dem US-Automobil von 1928/29 Maß genommen, was auch ich als damalige Referenz in der Sechszylinderklasse herangezogen hätte.

Die dreiteilge Stoßstange und das Profil von Kühler und Motorhaube finden sich so beim Buick „Standard Six“ von 1928 wieder, der sich damals in deutschen Landen wie etliche anderen US-Modelle ausgezeichnet verkaufte.

Hier haben wir ein Foto einer großzügigen Limousine, wie sie Buick 1928 anbot und welche wohl damals die Inspiration für das Titelblatt des „Auto-Magazin“ lieferte:

Buick „Six, Modeljahr 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vergleichen Sie ruhig diese 4-türige Buick „Six“ Limousine, die wie viele andere einst in Deutschland Käufer fand, mit dem Wagen auf dem obigen Magazin-Titelblatt.

Gut, so eine 6-Zylinder-Limousine aus US-Fabrikation kann man doch nicht als Konkurrenten des Elite-Tourers betrachten, die war doch sicher viel teurer.“

Wer so denkt, hat keine Vorstellung davon, was Skalierung von Produktion im industriellen Maßstab zu bewirken vermag. Also machen wir es konkret:

Die Elite-Diamant-Werke riefen schon für den Tourer des kleineren Sechszylindertyps S12 mit 50 PS anno 1928 rund 11.000 Reichsmark auf.

Buick bot damals seinen Sechszylinder zum einen mit moderner Ventilsteuerung (ohv) und 60 Pferdestärken an. Zum anderen gab es den Tourer am deutschen Markt bereits für 8.000 Mark. Selbst die Limousinenausführungen waren weit billiger als ein offener Elite-Tourer.

DAS war der alleinige Grund dafür, warum Elite und fast alle übrigen Hersteller, welche den Übergang zu rationellen Fabrikation nicht hinbekamen, Ende der 1920er Jahre oder spätestens Anfang der 30er vom Markt verschwanden.

Dass es mit Stoewer die Ausnahme einer deutschen Nischenmarke gab, die sich in diesem von gnadenlosem Wettbewerb geprägten Umfeld durchzumogeln verstand, bestätigt als Ausnahme die Regel und unterstreicht den besonderen Rang dieses Hestellers.

Ich komme darauf schon bald zurück.

Doch für heute will ich mich mit „Frohe Ostern!“ verabschieden – ganz gleich, wie Sie das Fest begehen, auf christliche, heidnische oder die Weise, die ich bevorzuge: als Feier des Triumph des Lebens und seiner inspirierenden Geister nach dem Winter…

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Form und Funktion – früh vollendet: Nash „Six“ 1923/24

Seit einigen Jahren registriere ich beunruhigende Nachrichten, doch nicht was statistische Konstrukte wie das „Weltklima“, herbeigemessene Pseudo-Phänomene wie Feinstaub oder auch echte Probleme wie die Ausgrenzung von Frauen auf Baustellen oder bei der Müllabfuhr betrifft.

Nein, Sorgen bereitet mir die mangelnde Befähigung zunehmender Teile der Jugend, eine Ausbildung abzuschließen und einer einträglichen Beschäftigung nachzugehen. Kürzlich erfuhr ich, dass der 20-jährige Sprössling eines gutsituierten Bekannten aus der Finanzbranche noch nie eigenes Geld verdient hat.

Wenden wir uns einem Fall zu, der zeigt, dass es auch ganz anders gehen kann – wenngleich die Jugend von Charles W. Nash sicher ein Extrembeispiel ist.

Anno 1870 – im Alter von 6 Jahren – wurde Charles von seinen Eltern ausgesetzt. Der Bub wurde per Gerichtsbeschluss einem Landwirt anvertraut, der das Kind als Arbeitskraft bis zur Volljährigkeit einsetzen durfte, 3 Monate Schulbesuch pro Jahr mussten gesichert sein.

Doch Charles war ein Frühvollendeter, was den Drang betraf, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Mit 12 lief er davon und verdingte sich auf einem anderen Bauernhof.

Anschließend lernte er den Schreinerberuf, wurde dann Verkäufer in einem Lebensmittelladen und landete schließlich als Polsterer bei der Kutschbaufirma der Herren Durant und Dort, die bald darauf ins Auto-Business wechselten.

Charles Nash nutzte seine Chance in der sich rapide entwickelnden Branche. 1895 war er Geschäftsführer der Durant & Dort Carriage Company, 1910 findet man ihn an der Spitze von Buick und und 1912 war er Chef von General Motors.

Mitte 1916 gründete er seine eigene Autofirma und stieg in der oberen Mittelklasse ein.

Der erste unter seinem Namen gebaute Wagen war ein großzügig dimensionierter 6-Zylinder-Wagen mit nach vorn leicht abfallender Frontpartie, niedrigen Luftschlitzen in der Motorhaube und einer klaren, gefälligen Optik.

Hier haben wir ein Exemplar des Modelljahrs 1918, das von deutschen Auswanderern gefahren wurde und dessen Konterfei an die Verwandschaft in der darniederliegenden alten Heimat geschickt wurde:

Nash Tourer von 1918; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nash konnte seine Produktion nach dem 1. Weltkrieg rasch steigern, wenngleich die Firma nicht zu den großen Produzenten in den USA gehörte.

1923 überschritt Nash die Marke von 50.000 Wagen pro Jahr – nach europäischen Maßstäben gigantisch, doch für amerikanische Verhältnisse allenfalls Mittelmaß.

Gleichzeitig verstand es der Hersteller aus Kenosha (US-Bundesstaat Wisconsin), seinen Sechszylinderwagen mit einigen Anpassungen weit moderner zu gestalten.

Im Vergleich zu den meisten Fabrikaten aus Europa wirkte der Nash des Modelljahrs 1923/24 früh vollendet, was Form und Funktion angeht – speziell als Limousine, wie hier zu besichtigen:

Nash „Six“ Modelljahr 1923/24; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Scheibenräder waren optional statt Speichenrädern erhältlich und tragen zur geschmeidigen Optik dieses Wagens mit Zweifarblackierung und viel Platz für die Passagiere bei.

Nur die niedrigen Haubenschlitze erinnern noch an die Anfänge – sie verschwanden aber anno 1925, weshalb man dieses Auto mit den erst 1922 eingeführten Trommelscheinwerfern so genau datieren kann.

Die Motorisierung war für die damaligen Verhältnisse in dieser Klasse angemessen: 55 PS leistete der Reihensechszylinder mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen (ohv). Daneben gab es eine kompaktere Vierzylinder-Sparversion mit 35 PS Leistung.

Nach diesen hauptsächlich dem unübertroffenen „Standard Catalog of American Cars until 1942“ von Kimes/Clark entnommenen Details, stellte sich nur noch die Frage nach dem Aufnahmeort.

Es dauerte kaum eine Stunde nach Hochladen des Fotos in der von mir verwalteten Facebook-Vorkriegsgruppe, bis die Lösung eintrudelte. Fotografiert wurde der Wagen am Kensico-Stausee im US-Bundesstaat New York.

Im Hintergrund sieht man das heute noch existierende Verwaltungsgebäude des „New York City Bureau-Water“ am Rand des Sees.

Das eigentliche Meisterwerk in Sachen Form und Funktion ist indessen der im 1. Weltkrieg fertiggestellte Staudamm selbst. Er ersetzte einen kleineren Vorgänger und wurde technisch wie architektonisch in vollendeter Weise ausgeführt.

Denn hier folgt die Form nicht einer Ideologie nach dem Motto „form follows function“, sondern sie anerkennt die eigenständige Bedeutung der Ästhetik bei allem Menschenwerk.

Wie schon vom antiken Architekten Vitruv formuliert, muss ein Bauwerk drei Bedingungen erfüllen – es muss solide, funktionell und schön sein. Genau das erfüllt der bis heute einzigartige Kensico Dam bei Valhalla (NY), wo der heute vorgestellte Nash abgelichtet wurde, in vorbildlicher Weise:

Kensico-Staudamm in Valhalla, US-Bundesstaat New York; Foto hochgeladen auf der Plattform Tripadvisor von Anna Luna (NYC), aufgenommen im August 2018

Ein würdiger Abschluss des heutigen Themas, meine ich.

Zugleich eine Erinnerung daran, wozu der Mensch fähig ist, wenn er das Beste in sich geben will und darf – so wie einst Charles W. Nash, dessen Leben unter denkbar ungünstigen Umständen begonnen hatte.

Er starb 1948 im Alter von 84 Jahren. Die von ihm gegründete Firma war damals immer noch unabhängig und sollte es bis zur Fusion mit Hudson anno 1954 bleiben…

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Mehr Italien Wagen! Fiat 509 Tourer, Spider und Limousine

Der April des Jahres 2025 zeigt sich ausnahmsweise einmal von seiner frühlingshaften Seite – jedenfalls in meiner Heimatregion, der hessischen Wetterau.

Im Unterschied zu sonst habe ich mir gedacht „Diesmal kann man mehr Italien wagen!“.

Also schon früh die mediterranen Kübelpflanzen aus der Oldtimerhalle geholt, wo sie dank des ausgeglichenen Klimas des alten Ziegelbaus jeden Winter gut überstehen.

Das Zitronenbäumchen hat sogar aus Langeweile eine Frucht produziert. Nun steht es zusammen mit Olivenbäumen, deren einer bereits 30 Jahre im Topf residiert, zusammen mit den weniger empfindlichen Oleandern im Hof des Fachwerkanwesens.

Abgesehen vom Grünzeug aus dem Süden bin ich auch sonst der Ansicht, dass man unbedingt mehr Italien wagen sollte im Alltag – auf dem Teller und im Glas, im Kleiderschrank und in der Garage sowieso.

Der 1100er Fiat kommt bald ebenfalls heraus und wird technisch durchgesehen, der anstehende TÜV dürfte wie immer Formsache sein. Nur optisch stehen kleine Arbeiten unter Verwendung guter alter Originalteile an, die noch der Vorbesitzer beschafft hatte.

Noch mehr Italien-Wagen – nunmehr großgeschrieben – gibt es heute in Sachen Vorkriegs-Fiat des Typs 509. Der 1925 eingeführte Kleinwagen machte vor, was in der Klasse von unter einem Liter in Großserie möglich war, wenn man es wollte und konnte.

Der dank obenliegender Nockenwelle drehfreudige Motor produzierte muntere 22 PS, in sportlichen Werksversionen auch 27 bis über 30 PS. Über 90.000 Wagen dieses robusten und trotz kompakter Abmessungen erwachsen aussehenden Autos entstanden bis 1929.

Da es von deutschen Herstellern nichts Vergleichbares in nennenswerten Stückzahlen gab, verkaufte sich der Fiat 509 auch hierzulande hervorragend. Der an einem alten Citroen-Modell „orientierte“ 1-Liter Opel des Typs 4 PS war leistungsmäßig und optisch keine Konkurrenz.

So hat der Fiat mit seiner klassischen Kühlergestaltung auch auf diesem Foto die Nase vorne, während der brave Opel dagegen ziemlich „alt“ aussieht:

Fiat 509 und Opel 4PS am Fichtelberg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zuverlässig zu erkennen ist der kleine Fiat an der markant hervorstechenden Abdeckung der Lichtmaschine am unteren Ende des Kühlers.

Ansonsten folgte seine Gestaltung der Linie der größeren und stärkeren Modelle 503 (1,5 Liter) und 507 (2,3 Liter).

Am häufigsten stößt man auf den Fiat 509 in deutschen Landen und anderswo als Tourer.

Hier haben wir ein Exemplar, das in Graz abgelichtet wurde. Dass es sich nicht um den größeren Fiat 503 handelt, verrät der geringere Abstand zwischen den Türen:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto aus Privatbesitz (via Thomas Frewein)

Natürlich begegnet uns der Fiat 509 Tourer auch in Italien – hier anhand eines Exemplars, das einst am Gardasee unterhalb des Castello di Arco aufgenommen wurde. Hier erkennen wir auch wieder die erwähnte Abdeckung des Dynamo:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Langjährige Leser werden sich vermutlich auch an das folgende Foto erinnern – diese Form des Recyling wird im Fall eines klassischen Themas sicher keinen Anstoß erregen.

Immerhin haben wir hier die Besonderheit eines nur zweitürigen Tourers:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Einen gewissen Neuigkeitswert sollte unterdessen die folgende Aufnahme haben – denn sie ist um 1960 entstanden und zeigt einen an der Kühlerpartie leicht modifizierten, ansonsten originalen Fiat 509 Tourer:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto aus der Nachkriegszeit: Sammlung Michael Schlenger

Mit dieser schönen Aufnahme, die vom Nachleben eines Exemplars dieses Typs irgendwo im Süden erzählt, will ich das Thema Tourer vorerst abschließen.

Denn es gibt noch mehr Italien zu wagen auf dem Chassis des Fiat 509. Gerne gekauft wurde der Häufigkeit zeitgenössischer Fotos nach zu urteilen, auch die zweisitzige offene Version als „Spider“.

Dieser Ausführung sind wir ebenfalls schon das eine oder andere Mal begegnet. Ich will mich bemühen, auch hier etwas „Neues“ zu zeigen und hoffe, mich nicht zu sehr zu wiederholen (wobei es Schlimmeres gibt).

Leser Jörg Pielmann hat diese ausgezeichnete Aufnahme eines Fiat 509 „Spider“ beigesteuert, die ich noch nicht präsentiert zu haben glaube:

Fiat 509 „Spider“; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Zwar gab es diesen Aufbau auch auf Basis des etwas stärkeren Fiat 503, doch sieht man diesem die etwas großzügigeren Proportionen an (Prospektabbildung hier).

Auch die folgende Frontalaufnahme eines solchen Fiat 509 „Spider“ verdanke ich Jörg Pielmann – vielleicht kann noch jemand etwas zu dem Kennzeichen sagen:

Fiat 509 „Spider“; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Bleibt zum (vorläufigen) Abschluss der heutigen Abhandlung „Mehr Italien Wagen!“ noch die geschlossene Ausführung auf dem Chassis des Fiat 509.

Auch davon habe ich bereits bei anderer Gelegenheit Exemplare gezeigt, doch meine ich, dass dieses hier ein Novum darstellt:

Fiat 509 „Limousine“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dieser hervorragend in Szene gesetzte Fiat war einst zwischen Mergentheim und Würzburg unterwegs, so ist es laut dem Besitzer des Originalfotos überliefert.

Wenn Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sind und Ihnen der Sinn nach noch mehr „Italien Wagen“ in Bezug auf den Fiat 509 steht, dann könnten Sie unter anderem an meinem Blog-Eintrag zur Sportversion 509S Gefallen finden.

Ansonsten gilt auch sonst die Devise „Mehr Italien wagen“, um bei Laune zu bleiben…

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Macht Laune – überwiegend: Brennabor P 8/24 PS Tourer

Wenn ich mich recht entsinne, war der erste Wagen der Marke Brennabor, den ich in der Frühzeit meines Blogs vor rund 10 Jahren entdeckte, der ab 1919 gebaute Typ 8/24 PS.

Tatsächlich war das in der ersten Hälfte der 1920er Jahren neben Wagen der 30 PS-Klasse von NAG, Presto und Protos sowie des noch stärkeren Mercedes-Knight eines der am häufigsten Automobile in Deutschland überhaupt.

Dass man das erst nach mehrjähriger Beschäftigung mit dieser bedeutenden Marke wirklich versteht, liegt auch an der für mich unerklärlichen Abwesenheit eines umfassenden Standardwerks zur Autoproduktion des seit 1908 auf dem Sektor tätigen Herstellers.

Während ich immer öfter, ohne danach zu suchen, auf Fotos des Modells P 8/24 PS stieß, für das irgendjemand die glatte Produktionszahl 10.000 in die Welt gesetzt hat, lernte ich erst nach einer Weile, dass die frühen Exemplare noch modische Spitzkühler besaßen.

In meiner Brennabor-Galerie habe ich bereits einige davon geparkt, dieses aber ist „neu“:

Brennabor Typ P 8/24 PS (frühe Ausführung); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nicht allen Insassen dieses Wagens gelingt es, sich anlässlich der Aufnahme gut gelaunt zu zeigen – dass einige das sehr wohl konnten, beweist, dass dies auch bei etwas längerer Belichtungszeit durchaus möglich war.

Dabei ist zu bedenken, dass alle hier abgebildeten Personen einschließlich des angestellten Fahrers einer Minderheit Gutsituierter in deutschen Landen zu jener Zeit angehörten.

Mir fällt immer wieder auf, wie miespetrig dennoch einige Zeitgenossen gerade auf deutschen Autofotos der Epoche dreinschauen. Es können doch nicht so viele Leute gleichzeitig Zahnschmerzen gehabt oder ein dringendes Bedürfnis verspürt haben.

Egal, wir erbauen uns an den Exemplaren, die sich der Situation gewachsen erscheinen. Das gelingt erfreulicherweise überwiegend auf dem nächsten Foto, das ich Leser Matthias Schmidt aus Dresden verdanke:

Brennabor Typ P 8/24 PS, Ausführung mit Flachkühler ab etwa 1920; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier haben wir den Brennabor Typ P 8/24 PS in der Ausführung, wie sie sich am häufigsten findet, also mit Flachkühler, weiterhin ohne Luftschlitze in der Motorhaube, geneigter und mittig geteilte Frontscheibe und nun verkleideter vorderer Aufnahme der hinteren Blattfeder.

Dieselben Elemente sieht man am folgenden Fahrzeug, das vor einer mir unbekannten Backsteinkirche im Norden oder Osten Deutschlands abgelichtet wurde.

Auch hier ist zu konstatieren, dass die Fähigkeit bei einer solchen Fotogelegenheit gute Figur abzugeben, ungleich verteilt war:

Brennabor Typ P 8/24 PS, Ausführung mit Flachkühler ab etwa 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In stark stilisierter Form begegnet uns der Brennabor Typ P 8/24 PS noch in seinem letzten Baujahr 1925 in der folgenden Reklame, welche in der Allgemeinen Automobil-Zeitung veröffentlicht wurde.

Gemessen an den Standards der Zeit kein Meisterwerk, aber man muss nehmen, was man kriegen kann. Leider kein Wort über die 1925 zum Standard bei deutschen Herstellern werdenden Vierradbremsen:

Brennabor Typ P 8/24 PS, Reklame aus der AAZ von 8-1925; Original: Sammlung Michael Schlenger

Doch dass letztlich die gute Laune überwiegt, wenn man sich mit solchen Dokumenten zum Brennabor Typ P 8/24 PS beschäftigt, das möchte ich mit dem für heute letzten Foto dieses Wagens beweisen.

Ich verdanke die folgende wunderbare Aufnahme, die einst in Ostpreußen entstand, Leser Jürgen Klein, der uns schon öfters mit Beispielen aus seiner Sammlung erfreut hat:

Brennabor Typ P 8/24 PS, Ausführung mit Flachkühler ab etwa 1920; Zulassung: Ostpreußen; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Der Brennabor zeigt sich hier von seiner besten Seite und lässt alle typischen Elemente erkennen – darunter auch die leicht nach hinten versetzten Vorderkotflügel und den am Schweller abgewinkelt angebrachten Trittbrettbelag.

Nehmen Sie sich etwas Zeit und studieren Sie die Gesichter der hier abgebildeten Personen – überwiegend gut gelaunt, oder? Nun ja, ein paar Ausfälle in der Hinsicht sind schon zu konstatieren.

Zum Glück wird der beinahe bösartige Gesichtsausdruck der jungen Dame ganz rechts mehr als kompensiert durch die heitere Gelassenheit der alten Frau etwas weiter links davon. Sie hat mit Sicherheit noch eine Welt ohne Autos erlebt und ihre gesunde Gesichtsfarbe verrät, dass Sie auch im Alter noch draußen tätig ist – vorbildlich!

Von ihr können wir die rechte Stimmung und gute Laune lernen, was die Selbstinszenierung auf solchen Fotos angeht, mit denen wir uns der Nachwelt präsentieren…

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Eindeutig von Porsche inspiriert! Adler 9/24 PS

Wer sich mit Vorkriegsautos aus dem deutschen Sprachraum auskennt, der weiß: Ferdinand Porsche bzw. sein Entwicklungsbüro hatten bei vielen Konstruktionen ihre Finger im Spiel.

Mir gefallen Porsches Kreationen aus der Zeit bei Austro-Daimler am besten, andere werden die Kompressor-Autos bevorzugen, die er danach für Daimler-Benz entwickelte.

Porsches wohl bekannteste Konstruktion – der Volkswagen – war demgegenüber weniger originell. Damit realisierte er nur ein Konzept, an dem auch andere, teils deutlich vor ihm gearbeitet hatten – schon Ende der 20er gab es Entwürfe in der Richtung.

Doch heute wollen wir uns einem Fahrzeug zuwenden, von dem bis heute völlig unbekannt war, dass es von Porsche zumindest inspiriert war, hier schon mal die Heckansicht:

Adler 9/24 oder 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Da ich hier keinen automobilhistorischen Anspruch erhebe, darf ich mir in der Hinsicht eine gewisse Freiheit erlauben. Dennoch stimmt die Story auf’s Wort. Und das geht so:

Nachdem ich den Tag überwiegend am Schreibtisch tätig gewesen war, stand mir der Sinn nach „echter Arbeit“ – dazu war freilich im Baumarkt einiges an Material zu besorgen.

Schon auf dem Hinweg deutete sich das heutige Thema an – mir begegneten drei Fahrzeuge nacheinander, die mit typischem Vorkriegstempo 60-70 km/h auf der für 100 Sachen freigegebenen, trocken und übersichtlichen Landstraße entlangzockelten.

Warum das immer mehr Leute machen – übrigens alters- und geschlechtsunabhängig?

Meine Vermutung ist die, dass die Hirne vieler mit der Bewältigung eines komplexer gewordenen Alltags ausgelastet sind – dann wird wie beim PC der Arbeitsspeicher zur Limitierung und die Rechenleistung im Oberstübchen lässt nach.

In solchen Fällen echauffiere ich mich nur noch selten, stattdessen drehe ich die Musik lauter oder fahre die Seitenscheibe herunter, um die gute Landluft reinzulassen.

Die Inspiration in Sachen Porsche erfuhr ich auf dem Rückweg. Da bog doch ein 924er aus den 1970er Jahren vor mir ein! Herrlich, so einen hatte ich ewig nicht mehr gesehen.

Als der Porsche 924 noch im Alltag unterwegs war – das war zu meiner Schulzeit – wurde er kaum ernst genommen. Das lag weniger an seiner Technik, die war für ein vergleichsweise günstiges Sportwagenmodell durchaus angemessen.

Es war eher die billige Optik speziell im Innenraum, die an die VW-Verwandtschaft erinnerte. Auch erschien die Linienführung gemessen am Porsche 911 wenig charakterstark.

Ich muss zugeben, dass der 924 aus heutiger Sicht äußerlich durchaus Wirkung entfaltet. Hier sitzt alles, keine unnötigen Polster irgendwo – so wie ein Herrenanzug von Armani.

Nur die Heckansicht, die sich mir heute eine Weile lang darbot, lässt zu wünschen übrig. Ich bin nicht sicher, ob an dem sonst makellos erscheinenden Auto etwas fehlte, aber unterhalb des Stoßfängers bot sich nicht nur der Endschalldämpfer voluminös dar, man konnte auch den unteren Teil der Reserveradwanne sehen und sogar das Transaxle-Getriebe.

Egal, ich war betört, nicht zuletzt weil der Porsche vor mir eine Abgasfahne hinter sich herzog, wie sie jüngere Zeitgenossen heute nicht mehr kennen. Was man heute gerne schnuppert, war einst in gehäufter Form eine Zumutung und definitiv schädlich.

Warum manche Kreise nun im 21. Jahrhundert einen solchen Krieg gegen die inzwischen blitzsauberen Verbrennerwagen führen, ist vor dem Hintergrund unverständlich – sofern man naiv ist und keine politischen Absichten dahinter vermutet.

Das Nummernschild des heute flott vor mir herfahrenden Porsche – am Steuer ein noch jugendlich wirkender Herr mit weißem Haar um die 70 – endete auf 924H, so muss das sein. Und in dem Moment, als der Wagen mit ungewöhnlicher Lackierung in „Milchkaffeebraun“ abbog, hatte ich meine Inspiration für den heutigen Blog-Eintrag.

Nicht ganz ein 924er aber ein 9/24er von Adler sollte es werden! Allerdings nicht von hinten betrachtet, sondern von der Schokoladenseite:

Adler 9/24 oder 12/34 PS (früh); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein großartiges Foto, finde ich. Ich will nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass es tatsächlich den Anfang der 1920er Jahre gebauten Adler des Typs 9/24 PS zeigt – der parallel angebotene Vierzylindertyp 12/34 PS kommt ebenfalls in Betracht.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass diese kleinen Adler der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg noch über einen Spitzkühler verfügten, der erst beim neuen 6/24 PS ab 1923 (nicht zu verwechseln mit seinem Nachfolger 6/25 ab 1925) verschwand.

Die damals ebenfalls erhältlichen Adler-Hubraumriesen mit 60 und 80 PS blieben demgegenüber sehr selten und sind an ihren enormen Dimensionen zu erkennen.

Die für die frühen 1920er typische Tulpenkarosserie ist hier besonders gut zu studieren – der Name rührt von dem wie eine Blüte nach oben sich weitenden Aufbau her.

In der Seitenansicht stellt sich diese Ausführung weniger spektakulär dar, doch ahnt man, wie der Aufbau ab der Frontscheibe nach hinten immer stärker nach außen auskragte – eine Herausforderung für die Karosseriebauer. welche diese mit Bravour meisterten:

Adler 9/24 oder 12/34 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Exemplar ist übrigens das einzige dieses kleinen Adler-Typs der frühen 1920er, das ich bisher gesehen habe, welches keine Drahtspeichenräder besitzt. Für den 9/24 PS wie den längeren 12/34 PS sind diese als Standardausstattung überliefert.

Der Käufer wird im vorliegenden Fall die weniger eleganteren, aber robusteren Stahlspeichenräder wohl so gewünscht haben.

Sehr wahrscheinlich „nur“ ein Adler 9/24 PS – nicht der 50 cm langere 12/34 PS – begegnet uns auf der nächsten Aufnahme.

Eventuell haben wir hier auch bereits die Ausführung 9/30 PS, die 1923/24 auf derselben Basis im Programm war – nun ohne „Tulpenkarosserie“:

Adler 9/24 PS (spät) oder 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir trotz des nunmehr deutlich simpler ausgeführten Aufbaus die vertrauten Drahtspeichenräder wieder.

Übrigens waren die Kühler dieser Adler-Wagen der ersten Hälfte der 1920er Jahre von seltenen Ausnahmen abgesehen stets in Wagenfarbe lackiert – warum auch immer.

Erst kurz vor Einführung des Flachkühlermodells 6/24 PS anno 1923/24 erlaubte man sich beim Typ 9/24 PS bzw. nunmehr wohl 9/30 PS erste Glanzlichter in Form vernickelter Scheinwerferringe wie bei diesem Exemplar:

Adler 9/24 PS (spät) oder 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier fällt zudem auf, dass das Adler-Emblem nach unten „gerutscht“ ist und dass an den Vorderkotflügeln die merkwürdigen Seitenschürzen zu sehen sind, die bei fast allen mir bekannten Adlern des späteren Typ 6/25 PS nachgerüstet wurden.

In der veralteten Literatur zu den Autos der Marke Adler werden Sie dazu nichts finden – und auch im Netz nicht. Merkwürdigerweise ist meine Adler-Galerie nach wie vor die einzige umfassende Online-Bilddokumentation (nahezu) sämtlicher Typen der Marke.

Ich bin sicher, dass sie einige Fehler enthält und Lücken aufweist. Doch wie bei etlichen anderen deutschen Vorkriegsmarken scheint der Wille zur simplen, kostengünstigen und jederzeit erweiterbaren Dokumentation in der digitalen Sphäre im Fall von Adler wenig ausgeprägt zu sein – und das obwohl es Spitzenmaterial ohne Ende gibt.

Dabei gibt es selbst bei einer rein ästhetischen Perspektive soviele herrliche Entdeckungen auf dem Sektor zu machen. Mein Favorit in Sachen Adler 9/24 PS ist nach wie vor diese Aufnahme aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks:

Adler 9/24 PS (links) und 12/34 PS (rechts); Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Hand auf’s Herz: Hier ist es sogar egal, ob der Adler nun ein 9/24 PS oder ein 9/30 PS oder auch ein parallel angebotener 12/34 PS bzw, 12/40 PS war.

Die knackige Ästhetik dieser Wagen vebunden mit dem typischen Umfeld der frühen 1920er Jahre, meisterhaft aufgenommen – das begeistert noch über 100 Jahre später. Und das alles inspiriert von einem Porsche 924 der 70er Jahre!

Bin beinahe selbst begeistert, was so eine moderne Begegnung auf der Landstraße an Assoziationsketten auslösen kann. Seien Sie auf mehr solcher Ausflüge gefasst, so umständlich auch die Anreise bisweilen sein mag…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Experimentelle Solar-Tankstelle: Stoewer R-140

Mit dem Blog-Format habe ich mich vor bald 10 Jahren für eine Publikationsform zum hierzulande unterbelichteten Thema Vorkriegsauto entschieden, in der alles erlaubt ist.

Ich muss keine Abonnenten oder Sponsoren zufriedenstellen, ich muss keine geschlossenen Abhandlungen zu irgendwelchen Herstellern oder Typen abliefern, ich muss keine irgendwie wissenschaftlichen Standards einhalten.

Stattdessen kann ich mal langggehegte Pläne ohne Zeitdruck umsetzen, mal kann ich spontan alles Geplante über den Haufen werfen, mich von einer Neuentdeckung, einem persönlichen Erlebnis oder Gedanken zu aktuellen Themen inspirieren lassen.

In jedem Fall ist meine Motivation, fast täglich eine Epistel zu einem Vorkriegsfahrzeug abzufassen, eine rein intrinsische. Wer mit den damit verbundenen Sprüngen, Stimmungen und subjektiven Färbungen ein Problem hat, hat das Format nicht verstanden.

Nach dieser langen Vorrede komme ich nun (fast) zur Sache. Natürlich gibt es auch dabei einen Umweg zu bewältigen.

Der führt durch den eigenen Garten, in dem ich heute bei herrlichem Sonnenschein, aber kaltem Ostwind den Kampf gegen die sich täglich neu formierende Löwenzahnarmee führte.

Diese notwendige Betätigung gehört nicht zu meinen bevorzugten, doch profitiere ich einmal mehr von einer Erziehung zur Gründlichkeit. Das lässt sich trefflich damit verbinden, die Winterblässe durch konsequente Zuwendung zum Zentralgestirn allmählich auszutreiben.

Der Solarenergie war ich schon immer zugetan, sie tut mir gut, auch wenn ich nicht der Typ bin, der tiefe Bräune anstrebt. Aber so ein ehrlich erworbener gesunder Teint war schon willkommene Begleiterscheinung, als ich mich einst in den Semesterferien als Hilfskraft auf lokalen archäologischen Ausgrabungen verdingte.

Die Bezahlung war mäßig, aber ausreichend, um den nächsten Italienurlaub zu finanzieren. Außerdem erwarb ich dabei eine Kompetenz in stundenlangen Erdarbeiten, von der ich noch heute – über 30 Jahre später – profitiere.

Bevor ich nun endgültig abschweife, muss ich sehen, wie ich die Kurve kriege. Also halten wir uns an das Leitmotiv der Solarenergie, ergänzt um ins Historische gehende Neigungen.

Das dazu passende Fotomaterial übermittelte mir Leser Matthias Schmidt aus Dresden:

Stoewer R-140; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wie wir es von den Aufnahmen aus dem Fundus von Matthias Schmidt gewohnt sind, ist das Foto im Original von exzellenter Qualität.

Ich regele die Auflösung bei solchen Spitzenaufnahmen fast immer deutlich herunter, ohne dass die Gesamtwirkung als solche leidet. Für Publikationszwecke stellt Herr Schmidt seine Bilder nach meiner Erfahrung gern in besserer Qualität zur Verfügung.

Was sehen wir nun hier? Die Kenner werden gleich Stoewer aus Stettin als Hersteller dieser markant gestalteten Limousine nennen und auch vom Kürzel „IK“ auf eine Zulassung des Wagens in der Provinz Schlesien schließen.

Der flache Neigungswinkel der Kühlerstreben verweist auf das Modell R-140 ab 1932, während der Nachfolger R-150 ab 1934 steiler nach oben weisende Streben aufwies.

Stoewer bot mit dem R-140 eine äußerlich den hohen Standards der Marke entsprechende Gestaltung seines bereits 1931 (noch vor DKW) vorgestellten Frontantriebswagens V5 an.

Die Leistung des auf 1,4 Liter vergrößerten Motors war mit 26 PS noch nicht ganz überzeugend, doch schon 1933 verbaute man einen stärkeren 1,5 Liter-Motor mit 35 PS, der im optisch überarbeiteten Typ R-150 Verwendung fand.

Leider gelang Stoewer nie der Sprung von der Manufaktur zur Großserienproduktion, weshalb diese attraktiven Frontantriebswagen nicht annähernd die Verbreitung der konkurrierenden DKWs und Adler fanden.

Doch in einer Hinsicht war der heute vorgestellte Stoewer seiner Zeit voraus – denn hier sehen wir ihn an einer experimentellen Solar-Tankstelle!

Der Fall ist (sonnnen)klar – diese wohl naturverbundenen progressiven Kräften zugehörige Dame stellt hier in einer experimentellen Versuchsanordnung eine Verbindung zwischen einer zu 100 % solarbetankten Sonnenblume und dem in der Hinsicht unzugänglichen Vertreter der Verbrenner-Fraktion her.

Leider musste dieses Exeperiment schon vor rund 90 Jahren scheitern, aber wie heißt es oft bei irrationalen Vorhaben: einer muss doch mit gutem Beispiel vorangehen!

Ich meine mich zu erinnern, dass es vor ein paar Jahren hierzulande eine Firma gab, die behauptete, durch auf ihrem Wagen aufgeklebte Solarpanele nennenswert zu dessen elektrischem Vortrieb beitragen zu können.

Eine ähnliche Schildbürgerei wie die ebenso an der physikalischen Realität gescheiterten Flugtaxis aus deutschen Landen. Mit Leuten vom Kaliber der Gebrüder Stoewer und der technologischen Kompetenz der Vorkriegszeit wäre das nicht passiert.

Kann es sein, dass aus dem einstigen Hochtechnologieland Deutschland nur noch heiße Luft aus dem Auspuff kommt?

Wie wäre es statt Utopien zu ventilieren („grüner“ Wasserstoff lässt grüßen) praktische Probleme zu lösen – also das Angebot an erschwinglicher Energie und ebensolchem Wohnraum auszuweiten, die Bildungsanforderungen auf den einstigen Stand zu heben und Bürger wie Unternehmen aus den Fesseln einer unersättlichen Bürokratie zu befreien?

Man wird ja noch träumen dürfen zu fortgeschrittener Stunde und sei es von Zeiten, in denen es nur aufwärts ging und die Zukunft hell erschien wie ein strahlender Frühlingstag.

Morgen geht’s so oder so wieder an die Arbeit – erst am Schreibtisch, dann im Garten – denn aufgeben gilt nicht. Die Sonne lockt mit ihrer Energie leider auch den Löwenzahn…

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Beton – kommt drauf an, was drinsteckt: Oryx um 1920

Erinnern Sie sich an die Werbung der deutschen Betonwirtschaft aus den 1980er Jahren? „Beton – es kommt drauf an, was man daraus macht“ – so lautete der Slogan, gern garniert mit Aufnahmen von Betonbauten der alten Römer.

Mir ist das gegenwärtig geblieben, weil ich damals als Schüler die antike Betonbaukunst zu entdecken begann. Natürlich nicht in der Schule – obwohl wir in Hessen haufenweise einschlägiger Relikte quasi vor der Haustür haben.

Aber das hätte den Lehrern ja Arbeit gemacht, mit den Eleven hinaus in die Botanik zu gehen, wo römische Kastelle und Gutshöfe – und im Fall von Mainz sogar Aquädukte noch heute zu sehen sind.

Erst die Lektüre teuer erworbener Werke (u.a. der Frontinus-Gesellschaft) über technische Zweckbauten im Imperium Romanum öffneten mir die Augen.

Die Römer waren Meister des Umgangs mit Beton (bezeichnet als opus caementicium) – und verwendeten eine Vielzahl genau an die Anforderung angepasster Varianten – bis hin zu unter Wasser abbindendem hydraulischen Beton für Hafenanlagen.

Man setzte je nach Belastung unterschiedlich dimensionierten Zuschlag ein. Nur eines steckte im römischen Beton nie: Stahlarmierungen.

Das brachte moderne Ingenieure lange Zeit zur Verzweiflung: Wie verdammt nochmal bekamen die Römer es hin, die gigantische Kuppel des Pantheon in Rom – bis heute die größte Konstruktion ihrer Art weltweit – aus Gussmauerwerk ohne Stahl zu bauen?

Schon die Alten wussten: Es kommt drauf an, was drinsteckt im Beton. Wir sind gut beraten, uns daran zu orientieren; man lernt dazu, wenn man sich ein eigenes Bild macht von den Dingen.

Werfen wir also einen Blick in eine topmoderne Garage der 1920er Jahre, in der sich ein Freund des Sichtbetons verwirklicht hatte – während die kluge Gattin vermutlich die traditionelle Brüstung veranlasst hatte, damit das ganze optisch erträglich wirkt:

Oryx um 1920; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Den von links ins Bild hineinragenden Dürkopp Typ P 12/45 PS kennen regelmäßige Leser schon – ich hatte ihn hier in voller Pracht gezeigt – und den Rest erst einmal ausgeblendet.

Heute kehren wir zu dieser großartigen Aufnahme zurück, die ich einem Sammler europäischer Vorkriegswagen aus Australien verdanke – Jason Palmer.

Diesmal ist der Inhalt der Garage an der Reihe, vor der seinerzeit auch der Dürkopp abgelichtet worden war. Bezeichnenderweise hatte die Firma aus Bielefeld bereits 1909 den Hersteller des Autos übernommmen, den wir nun ins Visier nehmen: Oryx.

Wie es scheint, ließ Dürkopp den Oryx-Leuten in Berlin lange Leine und brachte nur die Produktion sowie ein paar technische Details auf Vordermann.

Dummerweise bricht nach meiner Wahrnehmung die Überlieferung der Oryx-Typen mit den bis Kriegsausbruch 1914 gebauten Modellen ab – man findet also nur Wagen mit birnenförmigem Flachkühler oder dem damals kurzzeitig modischen Schnabelkühler.

Eine solche Kühlergestaltung mit ovalem und mittig leicht zugespitztem Kühler (ähnlich wie bei NAG) habe ich dagegen noch nirgends gesehen:

Ohne die vier großen Buchstaben, die sich mit etwas gutem Willen als „ORYX“ lesen lassen, hätte ich hier auf einen NAG von ca. 1917/18 getippt, als man dort zumindest auf Reklamen eine ganz ähnliche Kühlergestaltung findet.

Laut der dürftigen und seit Jahrzehnten nicht mehr aktualisierten Literatur baute Oryx nach dem 1. Weltkrieg noch rund drei Jahre lang Automobile. Wie gesagt: entsprechend datierte Fotos davon sind mir noch nicht begegnet.

So vermute ich ich – nicht zuletzt aufgrund der v-fömigen und leicht geneigten Fromtscheibe – dass wir es hier mit so einem späten Oryx aus der Zeit um 1920 zu tun haben. Die Gasscheinwerfer sprechen keineswegs dagegen – die wurden nach dem Krieg noch von einigen Nischenmarken verbaut, bevor sich elektrische Beleuchtung ganz durchsetzte.

Über den möglichen Typ will ich mich mangels Vergleichsmaterial nicht groß auslassen. Naheliegend wäre der 1913 eingeführte Typ G 10/30 PS, der auch 1920 am deutschen Markt noch konkurrenzfähig gewesen wäre.

Vielleicht hat ja jemand bessere Quellen als ich und weiß es genau. Unterdessen bin ich schon damit zufrieden, was wir heute im Beton zutagefördern konnten.

Das gilt auch für den Wagen im Hintergrund – offenbar ein Dinos. Noch so ein Fabrikat, das wie zwei Dutzend anderer aus deutschen Landen darauf wartet, dass sich jemand erbarmt.

Vermutlich ist es wie beim Beton – es kommt darauf, was bei den einschlägigen Spezialisten an Motivation drinsteckt. Auch in der Hinsicht darf man sich positiv überraschen lassen…

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Kurz vor dem Untergang: Austro-Daimler AD 6-17

Mit dem Stichwort „Untergang“ löst man im deutschsprachigen Raum reflexhaftes Interesse aus – irgendwie scheinen die Leute Lust darauf zu haben oder gruseln sich zumindest gern.

Ich habe schon viele herbeigeschriebene Untergänge miterlebt. Anlass dazu gaben in den letzten 40 Jahren apokalyptische Neuerungen wie Privatfernsehen, Internet, Mobiltelefonie, das Jahr 2000, Künstliche Intelligenz – zwischenzeitlich auch hochgejazzte Phänomene wie „Waldsterben, Ozon und Feinstaub“, in letzter Zeit „das Virus“ und neuerdings „der Russe“.

In allen Fällen bin ich gut gefahren, mit manipulativen Bildern, Geschichten und Slogans unterfütterte Erzählungen zu ignorieren bzw. das exakte Gegenteil davon anzunehmen. Der Maßstab für einen echten Untergang waren für mich stets der von Troja, derjenige des weströmischen Reichs, sodann der der Titanic und der 1. Weltkrieg.

Gemessen an echten Katastrophen – der Massenmord an den Juden und das „Area Bombing“ im 2. Weltkrieg sowie die Vertreibung 1945 wären ebenfalls zu erwähnen – mutet der Untergang, an dem wir uns heute delektieren, harmlos an.

Auf die Idee gebracht hat mich Wendelin Zuber aus der Schweiz, der von mir wissen wollte, was für ein Wagen auf folgendem Foto abgebildet ist, das 1923 am Grimselsee entstand:

Austro-Daimler AD 6-17 am Grimselsee 1923; Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv Ans. 15864-34

Der mächtige Tourenwagen war rasch als Austro-Daimler des 1920 vorgestellten Typs AD 6-17 identifiziert.

Der von Ferdinand Porsche entwickelte Wagen stellte mit seinem 60 PS leistenden Sechszylindermotor mit Ventilsteuerung über obenliegende Nockenwelle (ohc) ein geradezu ideales Reisefahrzeug im Alpenraum dar.

Allerdings ist dieses Exemplar aus dem Bilderfundus der Universität Zürich das erste, welches mir mit schweizerischer Zulassung begegnet ist. Leser Wendelin Zuber vermutet hier eine Züricher Registrierung – vielleicht weiß jemand es genau?

Unterdessen schauen wir, was wir an Vergleichsmaterial autreiben können, welches meine Identifikation des Wagens unterstützt. Ich darf diesbezüglich auf meine wachsende Austro-Daimler-Bildergalerie verweisen.

Dort findet sich diese hübsche Aufnahme, welche die Frontpartie des Wagens in wünschenswerter Klarheit erkennen lässt. Das geflügelte Kühlwasser-Thermometer war übrigens ein Extra, das man sonst kaum an diesen Wagen findet.

Austro-Daimler AD 6-17; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was ist denn nun mit dem kurz bevorstehenden Untergang, mag jetzt ein alltagsmüder Zeitgenosse fragen?

Nun, auf den müssen wir noch ein wenig warten – aber im Unterschied zu modernen Erzählungen stand er tatsächlich bald bevor, als das Foto aufgenommen wurde, auf das mich Wendelin Zuber aufmerksam gemacht hat.

Das weiß ich aber nur, weil der Bildbeschreibung im Archiv der Universität Zürich ein Hinweis darauf zu entnehmen ist.

Dort heißt es nämlich, dass das Auto „bei der Steinbrücke zwischen den natürlichen Grimselseen“ fotografiert wurde, welche dem später dort angelegten Stausee vorangingen.

So werfen wir hier einen (vorläufig) letzten Blick auf das Grimsel Hospiz im Hintergrund, dessen Vorläufer sich bis 1397 zurückverfolgen lassen:

Schon vier Jahre nach diesem Foto – anno 1927 – begannen die Arbeiten an der Spitellamm-Staumauer und ab 1928 ging das Hospiz im Grimsel-Stausee unter.

Doch auch dieser Untergang fiel letztlich halb so wild aus – denn man baute vor und errichtete etwas höher das neue, bis heute betriebene Hotel Grimsel-Hospiz.

So ein richtig endgültiger Untergang ist also gar nicht so leicht zu bewerkstelligen und der Mensch als Überlebenkünstler kann letztlich die meisten vermeintlich finalen Episoden bewältigen. Ob er an einer dann doch irgendwann mal scheitert, auch das wird man sehen.

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Ein Traum? Das Wetter schon…Mercedes-Benz 170H

Ein Frühlingstag wie im Traum – so kam es mir heute vor. Endlich wieder wärmende Sonne auf der Haut, die Vögel zwitschern um die Wette und im Garten geht Blüte um Blüte auf. Besonders prächtig die alten Obstbäume auf dem Nachbargrundstück.

Und plötzlich blüht auch im Kopf die Phantasie. Wie wäre es, den seit Jahren in einem Topf eingesperrten kleinen Feigenbaum, der bisher immer zwischen alten Autos und Zweirädern überwintern musste, endlich in die Freiheit zu entlassen?

Darauf brachte mich heute die bessere Hälfte und wie immer kooperieren unsere Neuronen auf das Schönste. Also nach getaner Schreibtischarbeit rasch eine entsprechende Aufgabe an meine aktuell bevorzugte KI „Grok“ versandt.

Sekunden später hatte ich eine strukturierte Anleitung, was beim „Aussetzen“ eines noch kleinen Feigenbaums in hiesigen Gefilden zu beachten ist, also Standort, Abstand zu Gebäuden, Beschaffenheit der Erde, Pflege usw.

Auf dieser Basis markierte ich einen vorläufigen Platz im Garten und schaute über den Nachmittag, ob dieser auch bei noch niedrigem Sonnenstand möglichst lange außerhalb der Schatten der angrenzenden Bauten lag.

Das Experiment gelang und so wird unser Feigenbäumchen demnächst eine neue Heimstatt finden. Die Vorstellung, dass er über die Jahre zu einer stattlichen Erscheinung heranwächst wie unser von den Vorbesitzern geerbte Maronenbaum – ein Traum!

„Ein Traum!“ – das ist auch der Titel einer Ansichtskarte, die ich Ihnen heute nahebringen möchte. Sie lief mit Geburtstagswünschen versehen Anfang April 1937 von Waldbröl nach Köln – versandt von Elisabeth an Hanna:

Mercedes-Benz 170H; originale Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Ein Traum, in der Tat, möchte man hier mit Blick auf das Frühlingswetter, die schlanke junge Dame und den offenbar botanisch interessierten Hund meinen.

Ganz wunderbar, aber was ist von dem sonderbaren Gefährt mit dem Mercedes-Stern auf der unglücklich gestalteten Frontpartie zu halten?

Nun ja, diesen Wagen kann man sich beim besten Willen nicht schönsehen und auch aus technischer Perspektive nicht preisen. Es handelt sich um den ab 1936 gebauten Typ 170H, mit dem Mercedes aus unerfindlichen Gründen eine Alternative zum gern gekauften klassischen Modell 170V anbieten wollte.

Man wollte wohl einer damaligen Mode auf dem europäischen Kontinent folgen und ein Fahrzeug mit Heckmotor anbieten. Das war aber bereits mit dem von 1934-36 in überschaubaren Stückzahlen gebauten Vorläufermodell 130 beim Kunden gescheitert.

Das Teil bot im Alltag nur Nachteile – speziell im Hinblick auf das Fahrverhalten – doch das hielt die Herren in der Chefetage von Daimler-Benz nicht davon ab, das fehlgeleitete Konzept unter Verwendung des Motors des 170V anno 1936 noch einmal zu erproben.

Das Ergebnis fiel ähnlich aus – auch der stärkere 170H wies im Alltag keine praktischen Vorzüge gegenüber dem klassischen 170V mit Frontmotor auf. Unter dem Aspekt der Vermarktung kam erschwerend hinzu, dass die heckgetriebene Variante noch teurer war.

Gleichwohl „musste“ das Gerät in Manufaktur (ca. 1.500 Wagen) bis 1939 weitergebaut werden – wirtschaftlich war das wohl eher ein Alptraum.

Was soll man nun sagen zu dem Konterfei dieses skurrilen Fahrzeugs, an dem gemessen der parallel entwickelte Volkswagen geradezu elegant wirkte?

Tja, das Wetter war schon ein Traum, als dieses Geschöpf abgelichtet wurde. Die reine Schönheit alles Übrigen überstrahlt hier mühelos das Unvollkommene…

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