Wenn man wie ich in einem Zipfel des einstigen römischen Imperiums großgeworden ist und sich für die Geschichte seiner Heimatregion interessiert, kann es passieren, dass man ein lebenslanges Faible für die klassische antike Zivilisation entwickelt.
Auch wenn die Wetterau „nur“ etwa 180 Jahre lang zum Römerreich gehörte, sind die Spuren immer noch allgegenwärtig. Ob die stark gesicherte Grenze – der „Limes“ – mit unzähligen Kastellen und Wachtürmen, ob die in die Hunderte gehende Gutshöfe oder die schnurgeraden Straßen – vieles ist sichtbar geblieben oder ergraben worden.
Egal wohin ich komme, die Hinterlassenschaften Roms interessieren mich am meisten – das ist einfach, wenn man immer innerhalb der einstigen Reichgrenzen gelebt hat und mit ganz wenigen Ausnahmen auch nur dort gereist ist.
Da wundert es nicht, dass ich mich an Köln die rund 400 Jahre währende Geschichte als Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien am meisten interessiert. Neben dem Dom, der mich im Vergleich zu anderen Kirchen dieses Kalibers eher kalt lässt, steht ein typisches Beispiel für den erbärmlichen Betonbaustil der Nachkriegszeit, das jedoch eine wahre Schatzkammmer der Antike beherbergt – das Römisch-Germanische Museum.
Nachdem die Bombardierungen der Westalliierten und die anschließenden Verheerungen des „Wiederaufbaus“ dem historischen Zentrum Kölns die Seele geraubt haben, ist besagtes Museum für mich der einzige Grund, hin und wieder die Stadt anlässlich einer Sonderausstellung aufzusuchen.
Was Kölsche Klasse angeht – übrigens war in der Colonia auch ein Teil der „Classis Germanica“ stationiert, also die Rheinflotte der römischen Armee – lasse ich ansonsten nur die Hervorbringungen des Ford-Werks gelten, das 1931 in Betrieb ging.
Dort entstand von 1932 bis 1934 in wohl überschaubaren Stückzahlen der Nachfolger des auch in Deutschland gut nachfragten Ford Model A. Der vor allem optisch überarbeitete neue Typ B mit 40 PS-Vierzylinder wurde in den USA zwar rasch zugunsten des brandneuen V8-Modells auf identischem Chassis eingestellt.
In Deutschland sollte der sensationelle Ford V8 aber erst später in die Gänge kommen – ein Thema für den Blog, das ich angesichts der Masse an Material seit Jahren vor mir herschiebe. Stattdessen wurde der Ford B in Köln erst einmal als Vierzylindertyp 40-4 gebaut – jedenfalls ist das mein Eindruck auf Basis der wenigen verfügbaren Fotos.
Hier haben wir eine erst kürzlich erworbene Aufnahme, die so einen Vertreter der Kölner Klasse für den Mann mit knapper Kasse zeigt:
Ford Model B 40-4 mit Kölner Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das Kölner Model B, das wir hier in klassischer Ansicht schräg von vorne und leicht von unten aufgenommen sehen, war natürlich nur im Vergleich zum V8 etwas für Leute mit knapper Kasse – das waren die, welche beim Benzinverbrauch etwas mehr auf die Mark achten mussten.
Für den deutschen Durchschnittsverdiener dagegen war in den 1930er Jahren jedes Auto von vornherein unerschwinglich. Selbst ein leichtes Motorrad war ein Luxusgegenstand und für ein gutes Fahrrad war der Gegenwert mehrerer Monatsgehälter zu sparen.
Vor diesem Hintergrund ist der damalige Autobahnbau ab in Deutschland als reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Prestigeangelegenheit zu sehen, was die Leistung der Planer und Baufirmen keineswegs schmälert – die darf man losgelöst vom Auftraggeber durchaus bewundern, gerade gemessen an heutigen Verhältnissen.
Warum man dem Model B von Ford auf zeitgenössischen Fotos deutlich seltener begegnet als seinem Vorgänger, erkläre ich mir damit, dass Ford mit dem Modell „Köln“ (Y-Type) ab 1933 ein simpleres und günstigeres Auto anbot, das sich besser verkaufte.
Vielleicht weiß aber auch ein Leser mehr darüber – mit den deutschen Ford-Modellen jener Zeit kenne ich mich nicht sonderlich gut aus.
Die V8-Modelle von Ford kommen auch noch zu ihrem Recht – die vielen in Deutschland dokumentierten Fahrzeuge dieses Typs scheinen heute völlig verschwunden zu sein – ein weiteres Mysterium, für das ich allerdings eine Erklärung zu haben glaube…
Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
„Was haben uns die Römer eigentlich gebracht?“ so lautet die Frage des Anführers der Judäischen Volksfront (oder war es die Volksfront von Judäa) im satirischen (und zeitlos aktuellen) Historienfilm „Life of Brian“ der britischen Komikertruppe „Monty Python“, die heutzutage von humorlosen Zeitgenossen mit Klagen überzogen würde.
Was als rhetorische Frage seitens des Chefs der Widerstandstruppe gedacht war, mündet unbeabsichtigt in eine nicht endenwollende Aufzählung der vielen Vorzüge der römischen Zivilisation durch ein besonders eifriges Mitglied.
„Was haben uns die Germanen eigentlich gebracht?“ – diese Frage wäre umgekehrt aus der Perspektive der in der Spätantike über drei Jahrhunderte lang endlos heimgesuchten Bewohner des italienischen Stiefels unbeantwortet geblieben.
In der Tat – außer Plünderungen und sinnlosen Zerstörungen einer Hochkultur, die von den Barbaren aus dem Norden offenbar als Zumutung bzw. Anklage ihres eigenen Unvermögens wahrgenommen wurde, haben die Germanenzüge vom 4 bis ins 7. Jh. praktisch nichts hinterlassen.
Die einzige mir bekannte Ausnahme sind simple Flechtbandmuster bei frühromanischen Kirchen auf italienischem Boden, die wohl germanischen Vorbildern entlehnt waren. Ein Glück muss man sagen, dass Goten, Langobarden und Co. trotz jahrhundetelanger Präsenz kulturell so gut wie keine Spuren hinterlassen haben.
So war in Italien ausreichend Restsubstanz und Kompetenz vorhanden, um bereits ab dem 11. Jh. die Proto-Renaissance und dann die eigentliche Renaissance auf den Trümmern der Antike zustandezubringen – eine auf ganz Europa ausstrahlende und bis heute fortwirkende kulturelle Leistung, die sich ganz allein aus Italien speiste.
Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich wieder einmal die lange Strecke über die Alpen ins über 1000 km entfernte Umbrien unter die Räder nehme.
Auch heute wüsste ich nichts, was ich als Nordländer den dort Einheimischen als Bereicherung mitbringen könnte – außer dem Interesse an ihrer uralten und immer noch lebendigen Hochkultur.
Unterwegs unternehme ich in alter Tradition einen Beutezug besonderer Art – ich schaue, was sich so alles an interessanten Automobilen dingfest machen lässt. Das Beste nördlich der Alpen war ein großartiges US-Coupé der frühen 1950er Jahre mit prächtiger Patina, das mit über 120 km/h auf der rechten Spur dahinzog – das Kennzeichen war polnisch.
In der Schweiz gab es nichts mitzunehmen, obwohl einem auch dort bisweilen US-Oldtimer begegnen. Bei Como entdeckte ich einen orangenen Lotus um 1980 – mit seiner radikalen Keilform eine rollende Anklage an das verschwurbelte Autodesign der Gegenwart.
Auf der Höhe von Milano dann der erste Fiat 500 (natürlich das Original), der auf der Autobahn sein Bestes gab. Weitere Klassiker gab es unterwegs – darunter einige Alfa Spider und Porsche 356 – der strahlend schöne Sonntag lud zur Ausfahrt mit dem alten Blech ein.
Das war es wohl, was mich zum heutigen Thema inspirierte. Die Beutetour, die ich dabei mit Ihnen absolvieren will, führt allerdings auf einer anderen Route nach Süden – über die Großglockner-Hochalpenstraße.
An deren höchsten Stelle – der Edelweißspitze auf über 2500 Meter Höhe – fand sich einst einiges an automobilem Beutegut versammelt.
Edelweißspitze an der Großglockner-Hochalpenstraße; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Auf einer zeitgenössischen Postkarte von Ende der 1930er Jahre wurde einst dieses prächtige Panorama mitsamt spannendem Auto-Material festgehalten.
Wir wollen heute schauen, was sich dort versammelt hatte und ich darf schon jetzt sagen, dass alle vier Fahrzeuge perfekt in unser Beuteschema passen, da sie unterschiedliche Stile repräsentieren und aus drei Ländern stammen.
Den Anfang machen die beiden Wagen am linken Rand:
Die Limousine ist sicher ein Mercedes-Benz – dafür spricht schon die Gestaltung der Radkappen. Ich vermute hier einen 170V (ab 1936), überlasse das Urteil den Markenkennern, zu denen ich mich in diesem Fall nicht zähle.
So klassisch der Mercedes auch anmutet, so kann er doch nicht mit der Raffinesse des Ford davor mithalten. Klingt wie ein Sakrileg – aber wer würde nicht einen solchen schicken Roadster der Dresdener Manufaktur „Gläser“ einem braven Serien-Benz vorziehen?
Die Basis war ein simpler Ford „Eifel“ (ab 1936) – aber seien wir ehrlich: der Mercedes war nicht gerade ein Musterbeispiel für souveränes Leistungsgewicht, gut möglich, dass der Eifel „Roadster“ ihm bei der Auffahrt zur Edelweißspitze frech die schöne Heckpartie mit dem flachliegenden Reserverad zeigte.
Gewiss, der Mercedes war nicht zum sportlichen Fahren gedacht, aber in einer dermaßen grandiosen Szenerie könnten bei den Insassen doch gewisse Neidgefühle aufgekommen sein. Wer will hier schon in einer Limousine den Berg hinaufschnaufen?
Kein Wunder, dass auch unsere beiden anderen „Beutewagen“ offene Aufbauten besitzen:
So unterschiedlich diese beiden Wagen äußerlich erscheinen, so sehr ähneln sie sich von der Leistungscharakteristik. Beide waren oberhalb der zuvor gezeigten Wagen angesiedelt.
Das Cabriolet im Hintergrund war ein Steyr, wahrscheinlich ein Typ 220 mit dem feinen 6-Zylindermotor, der 55 PS aus 2,3 Litern leistete. Da konnte der Meredes bei allen klassischen Qualitäten nicht annähernd mithalten.
Leider gelang es Steyr nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr, an die Tradition dieser hervorragenden Wagen anzuknüpfen, die ganz auf der Höhe des europäischen Automobilbaus waren und in Deutschland heute zu Unrecht kaum bekannt sind.
Doch auch der deutlich ältere Fiat im Vordergrund war Ende der 30er Jahre am Berg noch konkurrenzfähig. Wie der Schriftzug auf dem Kühler verrät, haben wir es bei diesem Beutestück mit einem Typ 521 (ab 1927) zu tun.
Auch er besaß einen 6-Zylindermotor, zwar mit „nur“ 50 PS, allerdings aus einem langhubigen 2,5 Liter-Aggregat – genau das, was man sich am Berg wünscht.
Bei dieser Bestandsaufnahme unseres Beutezugs nach Süden belassen wir es für heute. Wir sparen uns auch die Überlegung, was die ab 1938 einsetzenden Feldzüge germanischer Prägung unseren Nachbarvölkern eigentlich gebracht haben außer neuerlicher Zerstörung.
Zur zivilisatorischen Leistung unserer Anrainer südlich der Alpen nur dies: Es gibt kaum einen Alpenpass, der nicht bereits von den Römern mit Straßen befestigt wurde. Auch am „Hochtor“ auf dem Scheitelpunkt der Großglockner-Hochalpenstraße haben sie ihre Spuren in Form eines archäologisch gut dokumentierten Heiligtums hinterlassen.
Und Meister des Straßenbaus sind die Italiener in ihrem Land mit anspruchsvollster Topografie heute noch. Wir könnten von ihrer Effizienz lernen, wenn wir nicht an der offenbar unausrottbaren deutschen Arroganz zugrundegingen…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Der 1. Mai war für mich heute zum Glück nur ein halber Arbeitstag – ab dem frühen Nachmittag konnte ich mich der Verehrung unseres Zentralgestirns widmen.
Bekanntlich schickt die Sonne keine Rechnung für ihr selbstloses Tun (nur die Solarlobby giert nach üppiger Vergütung und fatalem Einspeisevorang im Netz…), also ist man gut beraten, sich ihrer über den Winter vermissten Wohltaten dankbar zu zeigen.
Beim Spaziergang am Ortsrand, dort wo Schafe und Ziegen weiden und gepflegte Kleingärten Auge und Herz erfreuen, begegneten uns auffallend wenige Mai-Ausflügler – hatte man vielleicht im Wetterdienst „amtlich“ vor intensivem Sonnenschein gewarnt?
Wenn Sie jetzt mit Blick auf den Titel denken, dass ich mir bei der „leichtsinnigen“ UV-Strahlenexposition einen Sonnenstich eingehandelt haben muss, kann ich Sie beruhigen.
Wer sich wie ich draußen bewegt und nicht nur wie ein Schnitzel träge unter der Sonne vor sich hinbrät, der verträgt den Aufenthalt im Freien bei intensivem Sonnenschein so gut wie unsere Vorfahren vor Jahrtausenden, die einst aus südlichen Gefilden bei uns anlangten und vor rund 7500 Jahren in der hessischen Wetterau sesshaft wurden, wo ich heute lebe.
Also alles nach wie vor klar im Oberstübchen, darf ich versichern.
Dennoch beharre ich darauf: „DAS ist doch mal ’ne Überraschung“, im Folgenden eines der meistgebauten Automobile aller Zeiten zu Gesicht zu bekommen – nämlich das von 1908-1927 in rund 15 Millionen Exemplaren produzierte Model „T“ von Ford.
Zum einen ist dieses legendäre Automobil, das individuelle Mobilität von einem Privileg der Schönen und Reichen quasi zu einem universellen Menschenrecht machte, noch nie ausdrücklich Gast in meinem Blog gewesen – ein unhaltbarer Zustand nach bald 10 Jahren.
Zum anderen werden Sie gleich sehen, dass DAS hier wirklich eine Überraschung darstellt:
Ford Model T von Anfang der 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese schöne Aufnahme fand erst kürzlich den Weg in meinem Fundus und beim Kauf wusste ich nicht genau, was ich da an Land gezogen hatte. In der von mir bevorzugten Preisklasse von 5 EUR zzgl. Versand darf man nicht anspruchsvoll sein.
Immerhin ahnte ich, dass wir es mit einem Tourenwagen der frühen 1920er Jahre zu tun haben, der wohl in Südfrankreich aufgenommen worden war.
Nach dem Einscannen war mir klar: DAS ist ein Ford Model T, und zwar eine Ausführung aus der Zeit direkt nach dem 1. Weltkrieg bis 1923.
Man erkennt dies daran, dass das Kühlergehäuse nicht mehr aus blankem Messing besteht, sondern in Wagenfarbe lackiert ist (ab 1917/18). Gleichzeitig weist das Fehlen einer Blechverkleidung unterhalb des Kühlers auf eine Entstehung vor 1924 hin.
DAS lässt sich auf folgender Ausschnittsvergrößerung besser erkennen, auf der auch schemenhaft der „Ford“-Schriftzug zu sehen ist:
Natürlich haben die mit Adler-Auge ausgestatteten Leser unter Ihnen sogleich die DAS-Plakette unterhalb der Windschutzscheibe gesehen.
Wie diese mit der mutmaßlich französischen Zulassung zusammengeht und warum die Dame und der Herr rechts gemeinsam ein Kamerastativ präsentieren – DAS zu erläutern, überlasse ich gerne Ihnen.
Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass Sie DAS so noch nie gesehen haben – wie einige tausend andere Originalfotos von Vorkriegsfotos in meinem Blog und den Markengalerien, die ich in den letzten 10 Jahren aufgebaut habe…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Dem Menschen seine Laster austreiben zu wollen, das scheint ein zeitloses Thema von Leuten zu sein, die sich moralisch überlegen geben – und so komme auch nicht drumherum.
Allerdings bin ich ein entschiedener Befürworter des Lasters – es muss allerdings kein Diesel sein und auf einem PKW sollte er basieren – so etwas gefällt mir.
Klingt einigermaßen merkwürdig, ist aber vollkommen ernst gemeint.
Ich bin in der Hinsicht vorbelastet – da haben wir es wieder – denn ich besitze einen Peugeot 202, der in seinen Papieren als Laster eingetragen ist.
Ob es mit der erlaubten knapp halben Tonne Zuladung zu tun hat oder der Tatsache, dass dieses Gerät vom Peugeot-Werk einst als „Utilitaire“ – also Nutzfahrzeug – verkauft wurde, das weiß ich nicht.
Jedenfalls ist unübersehbar, dass dieser Laster auf dem PKW-Modell basiert:
Peugeot 202 UH; aufgenommen 2022 in Bad Nauheim; Bildrechte: Michael Schlenger
Einen ganz ähnlichen Fall will ich heute vorstellen – unter dem überaus passenden Motto: „Laster von Anfang bis Ende“.
Am Anfang steht das 1932 eingeführte Model B von Ford – ein optisch überarbeiteter und mit nunmehr 50 PS stärkerer Nachfolge des legendären Model A. Dessen Produktion hatte 1931 nach über vier Millionen Exemplaren geendet.
In den USA wurde das Model B mit seinem in die Jahre gekommmen Vierzylindermotor nur ein Jahr lang gebaut – man verlegte sich dann auf den sensationellen V8-Typ, der auch in Deutschland gern gekauft wurde (Bericht kommt irgendwann). Dagegen wurde es im Kölner Ford-Werk in der ursprünglichen Form bis 1934 weitergefertigt, bis es zum moderner gestalteten Ford „Rheinland“ mutierte.
Merkwürdigerweise ist diese „B“-Ware aus dem Hause Ford auf alten Fotos nur selten anzutreffen, obwohl in Köln knapp 1.800 Exemplare gebaut wurden. Mir liegt bislang überhaupt nur eine Aufnahme aus deutschen Landen vor, die ein solches Fahrzeug zeigt:
Ford Model B, aufgenommen 1932; aus Nachlass der Familie Faensen-Löwe (Aachen)
Vom Vorgängertyp unterschied sich das Model B optisch durch die einfache Stoßstange mit Mittelrippe, die geschwungene Scheinwerferstange und den abgerundeten Kühler.
Die Drahtspeichenräder gab es wie schon beim Model A serienmäßig. Nur eine Ausführung kam mit ganz anderen Rädern daher und hier nimmt das Laster seinen „Fordgang“.
Wie schon beim Model A brachte Ford nämlich auch vom „B“ eine Nutzfahrzeugvariante heraus, den Typ „BB“. Der zeichnete sich durch größere Räder und entsprechend mehr Bodenfreiheit und ein verstärktes Chassis aus.
Dieser lasterhafte Ford „BB“ sah von vorne aber immer noch ziemlich genau wie der PKW aus, auf dem er basierte. Auf dem folgenden Foto von Sommer 1935 sehen wir links ein entsprechendes Exemplar:
Ford Model BB; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die robuste „Arbeiter- und Bauern“-Variante des Ford B war auch im 2. Weltkrieg in verschiedenen Varianten anzutreffen (Beispiele hier).
Kurioserweise stieß das deutsche Militär beim Angriff auf die Sowjetunion ab 1941 auch auf das russische Pendant – den GAZ AA, der auf Basis einer Ford-Lizenz gebaut wurde. Für die Rote Armee wurden alleine davon rund 150.000 Stück gebaut (Quelle).
Viele erbeutete Exemplare fuhren dann neben den in Köln gebauten Wagen des Typs BB auf deutscher Seite herum.
Diese Form des Lasters dürfte spätestens im Mai 1945 ihr Ende gefunden haben, obwohl das Sammelsurium der zuletzt noch existierenden Wehrmachtsfahrzeuge alles Mögliche umfasste, darunter schon 1940 beim Westfeldzug erbeutete bzw. beschlagnahmte französische Wagen.
So ist nicht auszuschließen, dass auch das Model BB auf der folgenden Nachkriegsaufnahme eine „Frontkarriere“ hinter sich hatte:
Ford Model BB, frühe Nachkriegszeit; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Mit diesem in der sowjetischen Besatzungszone im Raum Leipzig zugelassenen Wagen mit charmanter Insassin findet das Thema Laster für heute sein glückliches Ende.
Das Bild ist ein schönes Dokument vom Überleben von Vorkriegsfahrzeugen in einer Zeit großer Not, in der jedes einsatzfähige Auto einen unschätzbaren Wert verkörperte.
Dieses Exemplar dürfte einem jungen Paar einen geschäftlichen Neubeginn ermöglicht haben – dass das neue sozialistische Regime später immer intensiv Krieg gegen private Unternehmen führen sollte, das konnten die beiden damals noch nicht wissen…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Das Wortspiel im Titel mag nicht das Originellste sein – aber es trifft genau das, worum es heute gehen soll. Erinnnert werden soll an den Wert des Privaten, das im besten Fall selbst größte Umbrüche der Zeitgeschichte zu überdauern vermag.
Dabei ist man gut beraten, sich auf treue Weggefährte(n) verlassen zu können, ob auf zwei oder vier Beinen oder auch vier Rädern.
Die von starken Überzeugungen und fundierter Zuneigung bestimmte Wahl der Partner auf dem Weg durchs das Dasein bietet die solideste Basis – ganz gleich was einem Familie, Nachbarn oder sonstiges soziales Umfeld aus selten selbstlosen Motiven anraten.
Die Gelegenheit, dieses Thema anhand des Ford „Eifel“ der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu illustrieren, gab mir dieser Tage Frank Seifert. Er sandte mir Fotos zu, die Automobile seines Großvaters zeigten und bat um Bestätigung der Typansprache.
Dem kam ich nur zu gerne nach – zum einen, weil ich keine Arbeit hatte, denn Herr Seifert hatte selbst bereits ins Schwarze getroffen. Zum anderen weil ich so ein weiteres sehr reizvolles Foto zeigen kann, welches mich auf wundersame Weise an diese bereits vor längerem vorgestellte Aufnahme aus meinem eigenen Fundus erinnerte:
Ford Eifel, Ausführung ab 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dieses Foto, das ab 1948 in der damaligen amerikanischen Besatzungszone Bayern (siehe die Kennung AB) entstand, illustriert für mich vollkommen die eingangs erwähnte Harmonie zwischen wahren Gefährten, die auch schwere Zeiten zu überdauern vermag.
Das erstreckt sich auch auf den gut erhaltenen Ford des Typs „Eifel“, welcher ab 1935 im Kölner Werk gebaut wurde. Nach dem unglücklich gestalteten Vorgängermodell „Köln“, das zudem für seine Größe untermotorisiert war, bot der „Eifel“ mit seinem 34 PS leistenden 1,2-Liter-Vierzylinder ausreichende Fahrleistungen, was Spitze 100 km/h umfasste.
Dazu passend erhielt der „Eifel“ ab 1937 eine am spektakulären Ford V8 orientierte schnittige Kühlerfront, die bereits auf dem ersten Foto zu sehen ist. Hier zur Verdeutlichung eine weitere Aufnahme aus Bayern, hier freilich noch aus der Vorkriegszeit:
Ford Eifel, Ausführung ab 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wiederum sehen wir Gefährt und Gefährten auf erfreuliche Weise vereint. Gut lachen hatten diese Besitzer auch aufgrund des Aufbaus, welcher die besten Seiten eines Cabrios und einer Limousine vereinte – daher die Bezeichnung Cabrio-Limousine, seinerzeit sehr beliebt.
Technisch war der „Eifel“ mit Seitenventilen, vorderer Starrachse und mechanischen Bremsen zwar nicht auf dem Niveau des NSU-Fiat 1100 – damals wohl das beste Auto seiner Klasse aus deutscher Produktion – aber er war deutlich günstiger.
Auch die für Ford damals noch typische äußerst robuste Machart zeichnete ihn aus. So wurde der bis 1939 gebaute Wagen im Krieg für viele Soldaten zum – diesmal allerdings unfreiwilligen – Gefährten, hier ergänzt durch einen sympathischen Vierbeiner::
Ford „Eifel“ (Ausführung ab 1937), im 2. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich könnte nun anhand des mir vorliegenden Materials ausführlich den weiteren Weg des Ford „Eifel“ durch Kriegs- und Nachkriegszeit illustrieren, doch das findet sich auch in meiner Markengalerie.
Vielmehr möchte ich nun zum eigentlichen Thema zurückkehren und diesem dabei einen weiteren Aspekt abgewinnen, den ich heute noch nicht beleuchtet habe.
Denn während die meisten Vorkriegsautofreunde den Ford „Eifel“ vor allem in der gezeigten ab 1937 gebauten Version mit Spitzkühler kennen, die mit Abstand am häufigsten war, wollen wir auch der ersten Ausführung unsere Reverenz erweisen.
Gezeigt habe ich diese überhaupt erst einmal, und zwar anhand dieser Aufnahme:
Ford „Eifel“ (Ausführung von 1935/36); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Auch wenn hier „nur“ der Kühler und die Haubenschlitze anders gestaltet sind, wirkt der Wagen völlig anders – konservativer, weniger modisch, positiv formuliert: klassischer.
Die hohe schmale Kühlerausführung verweist auf die urspüngliche Herkunft des Ford „Eifel“. Er war nämlich bei Einführung anno 1935 nur das in Deutschland mit Linkslenkung gebaute Ford Model C, das in England entwickelt worden war.
Damals folgte die Karosseriegestaltung in Großbritannien eigenen Gesetzen – weder die amerikanischen Tendenzen, noch die auf dem europäischen Kontinent schlugen sich dort besonders stark nieder. Dieses Phänomen sollte bis in die 1950er Jahre Bestand haben.
Während mir diese aristokratisch zurückhaltende erste Version des Ford Eifel lange Zeit etwas altbacken vorkam, schätze ich mittlerweile ihre Qualitäten.
Daran ist Frank Seifert nicht unschuldig, denn auf dem Foto aus seinem Familienalbum, das er mir in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat, erscheint der frühe Ford „Eifel“ perfekt:
Ford „Eifel“ (Ausführung von 1935/36); Originalfoto in Familienbesitz (mit freundlicher Genehmigng von Frank Seifert)
Die Wirkung dieser Aufnahme ist aber nicht nur der harmonisch proportionierten Front des Ford „Eifel“ geschuldet, sondern vor allem dem Mit- und Nebeneinander echter Gefährte(n).
Hier sehen wir nämlich den Großvater von Frank Seifert mit seiner Frau im Jahr 1949 in der malerischen fränkischen Kleinstadt Pegnitz. An ihrer Seite der über den Krieg gerettete Ford und nicht zuletzt ein kleiner, aber nicht weniger wichtiger Vierbeiner in Gestalt eines glänzend posierenden Dackels.
Schön und beinahe zeitlos ist auch der Hintergrund mit alter Bruchsteinmauer, Fachwerk und blühendem Gesträuch neben der Garage, in welcher der alte Kölner Gefährte „wohnte“.
Wie mir Frank Seifert berichtete, war sein Großvater, der ein gutgehendes Malergeschäft betrieb, ein passionierter Autofahrer. Bereits in den 1920er Jahren hatte er einen Brennabor des Typs R 6/25 PS besessen.
Hier sehen wir nun das Paar nach dem 2. Weltkrieg als gealterte Gefährten vereint mit ihren übrigen Wegbegleitern, die ihnen wichtig waren und die deshalb mit auf das Foto mussten.
Man ahnt, dass die letzten zehn Jahre kein Zuckerschlecken waren, aber man sieht hier keine verarmten Leute, sondern durchaus auf ihren Status bedachte Bürger.
In schweren Zeiten die richtigen Gefährte(n) an seiner Seite zu haben, sich auch unter harten Bedingungen seine Würde zu bewahren, das kann offenbar gelingen.
Man muss schon etwas tun dafür und das eine oder andere Opfer ist vonnöten, aber es bleibt der Eindruck eines gelungene Lebens. Opa Seifert sollte übrigens noch bis Mitte 80 selbst Auto fahren, auch wenn das zuletzt etwas abenteuerlich war, wie ich erfuhr…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute war noch einmal ein prächtiger Spätsommertag in meiner Heimatregion – der hessischen Wetterau, einklemmt zwischen Taunus und Vogelsberg. Wer öfters auf der A5 zwischen Frankfurt/Main und Gießen unterwegs ist, kennt den Ausblick auf die weite Ebene, der sich einem in Richtung Norden unmittelbar hinter der Raststätte Wetterau öffnet.
Wenn Sie dort entlangfahren, sehen Sie in der Ferne rechts die Münzenburg mit ihrer markanten Doppelturmsilhouette. Ganz in der Nähe treibe ich mein Unwesen.
Zu den heutigen Aktivitäten gehörte nach bereits mittags erledigter Schreibtischarbeit – viele Kunden sind noch nicht aus dem Urlaub zurück, ich habe also noch etwas Schonzeit – das Entasten und Ausgraben einiger in die Jahre gekommener Thujas, die einer immergrünen Hecke weichen sollen. Bis zum späten Nachmittag waren die Teile von Hand zu Kleinholz verarbeitet, das nun ein Jahr trocknet, bis es im Kaminofen zum Einsatz kommt.
Diese Aktivitäten bei über 30 Grad sorgten nicht nur für gesundes Schwitzen – wer einen Garten hat und selber in Schuss hält, braucht weder Fitnessstudio noch Sauna. Man kann sich auch innerlich entspannen und die Gedanken frei flottieren lassen.
Es ist interessant, was einem dabei durch die grauen Zellen rauscht, man kann sich quasi selbst beim freien Assozieren beobachten – was auch noch den Psychiater ersetzt. Mir fiel jedenfalls auf, dass meine Gedanken um ein altes Thema kreisten, das Sie vielleicht kennen.
Was fällt Ihnen bei Begriffen wie „Demokratische Volksrepublik Nordkorea“, „Bürokratieabbaugesetz“ oder auch „Volkswagenwerk“ ein? Na, es ist bei so auffallend betonten Attributen meistens nicht das drin, was draufsteht.
Mir ist im Fall der Wolfsburger PKW-Kreationen kein Durchschnittsbürger bekannt, der in den letzten – sagen wir – 20 Jahren mit eigenem Geld einen Neuwagen mit VW-Logo gekauft hat (ok, vielleicht mal einen Lupo für die Enkelin). Die Dinger sind einfach unfassbar teuer und im Alltag nicht entscheidend der Konkurrenz aus Korea oder Frankreich überlegen.
Das war einmal anders, als VW die größte Containerflotte der Welt unterhielt, um den „Käfer“ auf dem ganzen Planet an den Mann und besonders gern an die Frau zu bringen. Doch tatsächlich war das dem Auto nicht gerade in die Wiege gelegt.
Denn der Volkswagen der 1930er Jahre war ja erst mal keiner. Nicht nur war er für den Normalbürger immer noch so unerschwinglich wie alle übrigen deutschen PKW-Modelle. Er sollte nach fragwürdiger Karriere im 2. Weltkrieg erst ab etwa 1960 so preisgünstig werden, dass es in Deutschland endlich ein Auto für’s Volk gab.
Dass andere Konzepte wie der Mini oder auch der Fiat 500 dieses Attribut vielleicht noch mehr verdienten, soll hier nicht vertieft werden. Wer nur auf Zuverlässigkeit für wenig Geld Wert legte, fand kaum Besseres als einen gebrauchten Käfer – ich weiß wovon ich rede. Meinen kaufte ich als Student für 2000 Mark mit 100.000 km auf der Uhr und verkaufte ihn bei Tachostand 220.000 viele Jahre später für 1000 EUR.
Nach dieser wieder viel zu langen Vorrede wenden wir uns nun einem Volkswagen zu, der diese Zuschreibung gar nicht brauchte- denn jeder wusste, dass es ein Auto für wirklich jedermann war. Dabei übergehen wir allerdings das legendäre Model T von Ford, welches bereits nach dem 1. Weltkrieg die Volksmotorisierung in den USA ermöglichte.
Ich habe nämlich davon nicht so viele schöne Aufnahmen, die ich Ihnen heute zeigen könnte. Dafür kann ich mit dem Nachfolgetyp Model A aufwarten, der ab 1928 wieder ein echtes Volksautomobil wurde, allerdings inzwischen Konkurrenz von Chevrolet hatte.
Den Anfang der heutigen Bilderreise macht dieses Exemplar:
Ford Model A Roadster; Aufnahme aus Philadelphia, 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme aus den Staaten, die im Dezember 1929 an die Verwandten in Deutschland geschickt wurde und umseitig auf deutsch beschriftet ist, lässt trotz der dichten „Bevölkerung“ alles erkennen, was ein Model A von Ford äußerlich auszeichnet:
Typisch ist schon einmal die Kühlereinfassung mit der von oben in das Kühlergitter hineinragenden Spitze. Darüber sieht man schemenhaft das Markenemblem mit dem bis heute fast unveränderten Ford-Schriftzug.
Die Form des Kühleremblems findet sich um 90 Grad gedreht in Form zweier Stege an der Doppelstoßstange wider – in Zweifelsfällen hat das manches Model A identifizieren geholfen.
Nicht zuletzt war das Model A mit Drahtspeichenrädern ausgerüstet – eher ungewöhnlich in der Klasse und ein weiteres starkes Indiz für das Modell.
Oft bedarf es gar nicht aller dieser Elemente zu klaren Ansprache, etwa bei dieser Aufnahme von mäßiger Qualität, welche freilich vom Motiv her reizvoll ist:
Ford Model A Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
In diesem Fall genügen ein Blick auf die Stoßstange und die Räder, der Fall ist klar: Wieder ein Model A, diesmal aber nicht als flotter Roadster, sondern als zweitürige Limousine, die in den USA in Abgrenzung vom viertürigen „Sedan“ als „Coach“ bezeichnet wird.
Der Bauart der Kirche im Hintergrund nach zu urteilen, ist diese Aufnahme irgendwo in Mittel- oder Osteuropa bei der Wagenwäsche entstanden. Wäre der Herr mit dem Schlauch ein Tankwart, hätte er irgendwie den Tankeinfüllstutzen verfehlt, welcher sich vor der Windschutzscheibe befindet – nebenbei ein weiteres Charakteristikum des Ford Model A.
Auf dem folgenden Foto kehren wir wieder in die Vereinigten Staaten zurück:
Ford Model A Cabrio; Aufnahme aus den USA; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Zur Identifikation dieses Exemplars muss ich wohl nichts mehr sagen – es gibt nur wenige Autos dieser Zeit, die sich so einfach ansprechen lassen, ohne dass sie zwanghaft auffallend gestaltet gewesen wären.
Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem zweisitzigen Cabrio zu tun – im Unterschied zum Roadster mit festen Türrahmen und seitlicher Sturmstange am gefütterten Verdeck.
Schaut man genau hin, erkennt man außerdem den ausgeklappten Notsitzbank im Heck – den berüchtigten „Schwiegermuttersitz“.
Das alles ist aber nur Beiwerk, denn das Schönste an diesem Foto ist für mich die lässig daneben posierende junge Dame im typischen Outfit der späten 1920er Jahre, das allerdings nur bei guter Figur – wie hier – schmeichelt.
Ihr Gesicht strahlt eine natürliche Freundlichkeit aus, die auf eine in sich ruhende Persönlichkeit schließen lassen. Zu diesem sympathischen Frauenzimmer fällt mir ein Bonmot von Oscar Wilde ein: „Nur oberflächliche Menschen beurteilen andere nicht anhand ihres äußeren Erscheinungsbilds“ (aus: „Das Bildnis des Dorian Gray“).
Das bezieht sich keineswegs nur auf gepflegte und typgerechte Kleidung, Frisur usw., sondern vor allem auf die schwer in Worte zu fassende Ausstrahlung eines Menschen.
Zurück zum Model A. Da habe ich doch glatt die technischen Eckdaten vergessen: 3,3-Liter Vierzylinder (Seitenventiler) mit 40 PS Spitzenleistung, also ein wenig belastetes, drehmomentstarkes Aggregat; 3 Vorwärtsgänge, mechanische Vierradbremse.
Bis zum Ende der Produktion anno 1933 blieben diese Daten unverändert und auch äußerlich gab es nur wenig Änderungen.
Knapp fünf Millionen Exemplare entstanden in diesem Zeitraum, wenngleich die Konkurrenz durch Chevrolets 1929 eingeführtes günstiges 6-Zylindermodell „AC International“ immer schärfer wurde (dazu gelegentlich ein Bilderreigen).
Jedenfalls war Fords Model A auch in Deutschland präsent – fast 20.000 Stück wurden sogar direkt im Kölner Werk ab 1928 gefertigt.
Noch in den 1930er Jahren findet sich das Auto mit seiner markanten breiten Spur im deutschen Stadtbild, während das seit Jahren anhaltende Gerede von einem Volkswagen bei einheimischen Herstellern ohne echte Folgen blieb.
Ford Model A in Deutschland um 1935; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier ist gut zu erkennen, dass das Model A keineswegs ein Kleinwagen war – in der Limousinenausführung hätte es den neben ihm stehenden Mercedes-Benz auch innenraumtechnisch in den Schatten gestellt.
Die deutschen Hersteller begannen damals erst, sich aus ihrer langjährigen Rückständigkeit herauszuarbeiten und mit Einzelradaufhängung, Frontantrieb usw. eigene (nicht lediglich skurrile) fortschrittliche Akzente zu setzen.
Für einen allgemein erschwinglichen Wagen fehlte es sowohl an den Produktionstechniken und -kapazitäten als auch an der Zahlungsfähigkeit. Die Deutschen wurden ab 1933 ihres nach der Weltwirtschaftskrise allmählich steigenden Wohlstands durch gigantische Kriegsrüstung, sinnlose Infrastruktur (Autobahn) und Protzbauten des Regimes beraubt.
So blieb auch das von Ford für jedermann konstruierte und für alle Lebenslagen geeignete klassenlose Model A in Deutschland nur für einen winzigen Teil der Bevölkerung erreichbar.
Dazu passt ganz ausgezeichnet diese schöne Aufnahme:
Ford Model A, Zulassungsbezirk: Osnabrück; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dieses in Osnabrück zugelassne Exemplar ist von Leuten „besetzt“, von denen zumindest einige Studenten zu sein scheinen. Ein Universitätsstudium war damals noch eine exklusive und ziemlich anspruchsvolle Angelegenheit.
„Fächer“ für redegewandte Zeitgenossen wie Fahrradwissenschaften und anderen frei erfundenen Nonsens gab es damals noch nicht, und ein Studium wollte privat finanziert sein. Dafür war ein erfolgreicher Abschluss dann in der Regel auch eine Garantie für ein materiell aller Sorgen enthobenes Dasein.
Das souveräne Posieren dieser Zeitgenossen im Ford lässt darauf schließen, dass für sie der Aufenthalt in einem Automobil nichts Ungewöhnliches war:
Ich könnte an dieser Stelle meine Betrachtung zum Ford Model A eigentlich schließen, der ein Volkswagen war, ohne das man eigens ein ganzes Werk entsprechend benennen musste, damit es auch jeder merkt.
Nur eines kann ich mir nicht verkneifen. Wer den Anspruch hat, einen Volkswagen zu bauen, sollte den Kontakt zum Volk nicht verlieren. Dazu muss der Chef eines Autobauers nicht unbedingt proletarischen Tätigkeiten in Garten, Haus und Hof nachgehen, um eigene Gedanken zu entwickeln und nicht nur Ideologien wiederzukäuen.
Er könnte auch eine Umfrage unter vielleicht tausend deutschen Durchschnittsbürgern in Auftrag geben mit dem Ziel, Folgendes herausfinden: Wieviel Geld gibt Otto Normalverbraucher für ein Auto aus, wofür nutzt er es, wo parkt er es und wie wohnt er?
Das Ergebnis wäre ernüchternd für die Hohenpriester der Elektroauto-Religion. Wenn Volkswagen jemals wieder auf einen grünen Zweig kommen will (und zwar ökonomisch, nicht politisch), dann braucht es keine Einsparungen und Werksschließungen, sondern schlicht die Rückkehr zu den Realitäten des Markts.
Leider wird in Deutschland aber gern eine Sache um ihrer selbst willen gemacht, wie ein gewisser Richard Wagner einmal festgestellt hat. Somit werden die echten Volkswagen von morgen wohl von nüchterner denkenden Anbietern kommen.
Das Horrorszenario einer Komplett-Verstaatlichung und der Zwangseinführung eines Elektro-VWs lassen wir mal in der Kiste.
Genießen wir stattdessen die letzten Sommertage und fahren ohne Reue mit unseren Verbrennern weiter. Unsere schönen Wälder lieben CO2, so wenig davon auch heute noch aus dem Auspuff kommt. Mit einem Model A tut man da etwas besonders Gutes…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Nachdem ich noch im letzten Blog-Eintrag einen coolen Typen präsentieren durfte, haben wir es heute mit Zeitgenossen zu tun, die ich als das genaue Gegenteil empfinde.
Diese speziellen Typen, derer wir gleich ansichtig werden, hatten an sich allen Grund, sich beim Fototermin entspannt und von ihrer besten Seite zu zeigen. Leider gelingt das keinem der fünf Herren, die einst in Idar-Oberstein vor einer speziellen Version des Ford-Typs „Rheinland“ abgelichtet wurden.
Das in der Kölner Ford-Werken von 1934-36 gebaute Modell entsprach dem in den USA seltenen Ford Model 4/40 – in den Staaten fuhren damals nur arme Schlucker mit einem Vierzylinder herum. Sechs bis acht Zylinder waren Standard, auch bei Brot- und Butter-Herstellern wie Chevrolet und Ford.
Im Deutschland der 1930er Jahren waren die Verhältnisse völlig andere. Der Durchschnittsverdiener konnte sich im besten Fall ein leichtes Motorrad leisten, Autos waren einer dünnen Schicht von Gutverdienern vorbehalten.
Der deutsche Steuerzahler wurde für Prestigeprojekte wie weitgehend autofreie Autobahnen und vor allem die Hochrüstung des Militärs gemolken, denn viele inzwischen alte doch unbelehrbare Herren hatten noch eine Rechnung mit der halben Welt offen.
Einige dieser speziellen Typen sind auf dieser Aufnahme zu besichtigen, die in Idar-Oberstein entstand:
Ford „Rheinland“ Pullman-Limousine; Originalfoto: Michael Schlenger
Der spezielle Typ im Hintergrund ist schnell abgehakt – es handelt sich um die eher seltene Ausführung des Ford „Rheinland“ als sechsfenstrige Pullman-Limousine.
Vollbesetzt war der Wagen mit diesem schweren Aufbau einigermaßen untermotorisiert, aber das war egal – denn wirklich autobahntaugliche Wagen waren im damaligen Deutschland noch die Ausnahme – schön für die wenigen, für die ein Dauertempo von deutlich über 100 km/h kein Problem war, sie hatten freie Fahrt in den Süden.
Diese Herren dürften ohnehin andere Interessen gehabt haben – behaupte ich. Keinem davon hätte ich auch nur ein Fahrrad abkaufen wollen – ich empfinde sie alle als sehr unangenehm.
Das gilt sowohl für diejenigen, welche auf die Verlegenheitsgeste der hinter dem Rücken verschränkten Arme angewiesen zu sein scheinen, als auch für den vulgär mit breitbeiniger Positur und Hand in der Hosentasche posierenden, etwas jüngeren Typen.
Normalerweise haben bei mir Zeitgenossen auf Fotos aus dem nationalsozialistischen Deutschland einen gewissen Kredit, wenn ich sonst nichts über sie weiß. Doch diesen speziellen Typen, wohl alles Teilnehmer des 1. Weltkriegs – traue ich alles zu.
Irgendwo müssen sie ja gewesen sein, all die Schreibtischtäter in Beamtenstuben, Schulen und Universitäten, Kirchen und Konzernen, welche noch eine Rechnung aus dem 1. Weltkrieg offen hatten und zu deren Begleichung sie die junge Generation (oft die eigenen Kinder) ins Feuer schickte – je länger das Ganze dauerte, desto rücksichtloser.
Sie müssen meine Wertung natürlich nicht teilen, vielleicht sehen Sie ja hier nur lauter sympathische ältere Herren vor einem Ford Rheinland auf Betriebsausflug nach Idar-Oberstein. Mir behagen diese speziellen Typen indessen überhaupt nicht.
Irgendwer muss die Generation junger Männer abgerichtet haben, die meist von der Schulbank weg in die Kaserne und dann ins Feld geschickt wurden, um gegen Nachbarvölker zu kämpfen, deren junge Männer ihnen gar nichts getan hatten.
Um dieses Paradox kommt man bei der Betrachtung solcher Fotos selten herum. Sehen Sie mir den Ausflug in die Sphäre der Privat-Psychologie und -Physiognomie nach – es kommen auch wieder andere Fotos, bei deren Besprechung es unbeschwerter zugeht…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Kennen Sie das? Dinge, die sonst leicht von der Hand gehen, wollen einfach nicht gelingen, dabei macht man nichts anders als sonst. Nun, man sollte sich darüber keine übermäßigen Sorgen machen – der Mensch hat längst nicht alles im Griff.
So habe ich die vergangenen Abende Stunden damit zugebracht, einige Dutzend „neuer“ alter Fotos in ein paar schnelle Erfolge umzumünzen. Der Januar ist bei mir geschäftlich stets besonders fordernd, sodass ich nicht so viel Zeit in meinen Blog stecken kann.
Doch der Plan wollte nicht aufgehen, ein paar „leichte“ Fälle zu knacken und die Ergebnisse rasch zu präsentieren. Es stellte sich einfach nicht die gewohnte Erfolgsquote ein, was wohl auch daran liegt, dass ich fast nur noch Bilder erwerbe, die von vornherein rätselhaft erscheinen.
Vielleicht wollte ich bloß aber auch nur das Finderglück erzwingen und das stellt sich selten auf Knopfdruck ein. Also verfiel ich auf den Gedanken, einfach das erstbeste Foto im Fundus zu nehmen, von dem ich sicher wusste, was es zeigt:
Ford „Köln“. 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wenn Sie jetzt auch als Kenner ins Grübeln kommen und denken: „Doch nicht so einfach…“, dann sei Ihnen versichert, dass auch ich nicht auf Anhieb wusste, was das für ein Wagen war, der uns hier von einer adretten Dame ein wenig spröde präsentiert wird.
Tatsächlich war es ein zweites Foto desselben Autos, das die Sache einfach machte – dazu später. Lassen Sie uns dennoch versuchen, unsere Kompetenz einmal an diesem Dokument zu beweisen.
Die Architektur im Hintergrund weist schon einmal auf Mitteleuropa hin. Das gotisierende Fenster neben dem Eingang ist typisch für Bauten des Historismus, wie er vor allem im deutschen Sprachraum in der zweiten Hälfte des 19. Jh en vogue war.
Für ein deutsches Fabrikat spricht zudem eine kuriose Beobachtung, die ich über die Jahre gemacht habe: Nur bei Cabriolets aus Deutschland begegnet einem wiederholt ein dermaßen turmhoch aufgeschichtetes Verdeck, wenn es niedergelegt ist.
Ich weiß nicht, ob das am Unvermögen der Hersteller oder der Benutzer oder gar beidem lag – bei amerikanischen, englischen oder französischen Autos jeder Zeit habe ich das jedenfalls nicht bewusst und gehäuft registriert. Auch dazu mehr auf dem 2. Foto.
An welchen in Deutschland gefertigten Wagen in der Kompaktlasse fand man einst standardmäßig Drahtspeichenräder mit Radkappen wie hier zu sehen? Nun, außer bei besonders hochwertigen Ausführungen von DKW eigentlich nur bei Fords aus Köln.
Das perfekte Beweisfoto dafür liefert uns Leser Klaas Dierks mit dieser Fabrikinnenansicht:
Ford-Produktion in Köln; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks
Wie es der Zufall will, ist hier neben Limousinen und Cabrio-Limousinen auch genau so ein 2-fenstriges Cabiolet wie auf meinem eingangs gezeigten Foto zu sehen – vorne links.
Vergleichen Sie einmal die markante Gestaltung der Türoberseite – ein einfacher Fall, nicht?
Tatsächlich: Wir haben es mit dem ab 1933 gebauten Ford „Köln“ zu tun. Er war die deutsche Entsprechung des ein Jahr zuvor von Ford in Großbritannien eingeführten Y-Typs und sah anfänglich auch genauso aus.
Das Wägelchen mit seinem gut 900ccm messenden Vierzylinder (21 PS) war von der Konstruktion her zwar einfach gehalten. Seitlich stehende Ventile und Starrachsen standen aber dem Verkaufserfolg in Großbritannien nicht im Weg. Bis 1937 entstanden dort über 150.000 Exemplare.
Das Ford Köln mit praktisch demselben Modell kein vergleichbarer Erfolg gelang, lag schlicht daran, dass es dafür keinen Markt gab. Anders gesagt: In Deutschland gab es keine vergleichbar große zahlungskräftige Schicht, die sich so einen Wagen leisten konnte.
Die gemessen an der Gesamtbevölkerung winzige Minderheit der Deutschen, die einen Kleinwagen finanzieren konnte, wurde bereits mit den simplen Einsteigermodellen von Opel (1,2 Liter) und DKW (Frontmodell) nahezu vollständig abgedeckt.
So blieben für Ford wie übrigens auch für Hanomag in der 1-Liter-Klasse nur einige Brotkrumen übrig, die man aufsammeln konnte. Im Fall des Ford „Köln“ konnte man bis 1936 ganze 11.000 Exemplare absetzen.
Dieses Bild bestätigt einmal mehr den kuriosen Befund, dass die Briten damals zwar noch keine Autobahnen, aber dafür echte Wagen für’s Volk hatten (man denke vor allem an Austin) – in Deutschland verhielt es sich umgekehrt.
Der Staat gab Geld mit vollen Händen für reine Prestigeprojekte und natürlich die Rüstung aus, während der Durchschnittsbürger ein armer Schlucker blieb.
So verwundert es auch nicht, dass Ford den kühn als „Volkswagen“ angepriesenen „Köln“ auch mit teuren Sonderkarosserien wie dem 2-Fenster-Cabriolet anbot. Die wenigen Käufer, für die überhaupt so ein Wagen erreichbar war, konnten sich dann auch so etwas leisten:
Ford „Köln“, 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier lassen sich nun weitere Detail studieren, etwa die schmalle gerillte Stoßstange, das harmonisch in den Vorderkotflügel übergehende Trittbrett und die neun Luftschlitze in der Motorhaube.
Wenn Sie jetzt meinen zu wissen, wie der Ford „Köln“ auf meinem eingangs gezeigten Foto aussah, dann muss ich sagen: Ganz so einfach ist es nicht.
Denn bei der näheren Betrachtung der Aufnahmen in meinem Fundus, in der Literatur und im Netz fiel mir etwas auf, was meines Wissens nirgends genauer erläutert wird. Damit meine ich nicht den Wegfall der Trittbretter und die Umgestaltung der Stoßstange im 2. Modelljahr 1934.
Vielmehr bereitet mir die Zahl der Luftschlitze Schwierigkeiten. So scheint das britische Vorbild – das Ford Model „Y“ mit nur sechs dieser Schlitze gestartet zu sein. Doch findet man beim deutschen Typ „Köln“ schon im ersten Modelljahr 1933 plötzlich acht oder neun davon und im zweiten Modelljahr 1934 dann bisweilen auch wieder nur sechs.
Ein eindeutiges Muster konnte ich jedenfalls bislang nicht erkennen, was bei einem in Serie gefertigten Wagen doch etwas verwundert. Wer es erklären kann, ist aufgerufen, uns im Kommentarbereich aufzuklären. Vielleicht ist die Sache ja doch ganz einfach.
Schließen will ich aber nicht, ohne nun das angekündigte zweite Foto des eingangs gezeigten Ford „Köln“ zu zeigen. Es kann zwar nicht mit dem Reiz des ersten mithalten, aber es liefert doch interessante Informationen:
Ford „Köln“, 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die geöffnete Motorhaube ruiniert hier die Linie, aber man kann nicht alles haben. Viel schöner wäre der Wagen auch sonst nicht geworden – seien wir ehrlich.
Festzuhalten sind hier jedenfalls die erwähnten sechs Luftschlitze – wie gesagt, schon im ersten Modelljahr finden sich auch Exemplare mit acht bis neun und im zweiten Modeljahr wieder welche mit sechs.
Da es nur eine Motorisierung gab, kann man einen unterschiedlich großen Kühlungsbedarf ausschließen. Bei den Beispielen mit zahlreicheren Luftschlitzen sind diese schmaler, sodass der Luftdurchsatz vergleichbar gewesen sein dürfte.
So einfach wie der Ford „Köln“ auch konstruiert war, so einfach scheint er im Detail dann doch nicht gewesen zu sein. Das muss auch für das Verdeck gelten, dessen grotesk gebirgehafte Anmutung erneut offenbart, dass es entweder eine ungeschickte Konstruktion war oder eine Fehlbedienung beim Niederlegen ermöglichte.
So denkt man erst bei diesem Wagen „eine einfache Sache“ – so ging es jedenfalls mir. Dann stellt man aber fest: „Doch nicht so einfach!“ – also wie im richtigen Leben.
Man lernt auch an solchen scheinbar unverfänglichen Beispielen, demütig zu werden…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Ein geschäftlich besonders intensives Jahr liegt (so gut wie) hinter mir. Heute war seit sehr langer Zeit der erste Tag, an dem das Arbeitspensum spürbar abflaute.
Meine Kunden – das sind internationale Vermögensverwalter, für die ich Übersetzungen hochspezialisierter Publikationen erstelle – haben das Jahr abgeschlossen, nehmen allenfalls die gute Stimmung an den internationalen Börsen wohlwollend zur Kenntnis.
Bis Weihnachten kann ich nun hoffentlich einiges aufarbeiten, was liegengeblieben ist. Dazu gehört neben einem Haufen Laub der großen alten Bäumen im Garten auch ein Stapel Bilder mit Autofotos nebst den zugehörigen Geschichten.
Als nächstes steht die übliche Beckmann-Story an, also eine weitere Folge unserer Zeitreise in die Geschichte dieses einst renommierten Autoherstellers aus dem schlesischen Breslau, der auf den ersten Blick merkwürdig wenig Spuren hinterlassen hat.
Um den nächsten Abschnitt vorzubereiten, brauche ich aber etwas Zeit, die ich heute noch nicht hatte. Also dachte ich mir, dass sich schon etwas finden lässt, was sich rasch im Blog aufbereiten lässt.
Was mit Eile begann, streckte sich dann doch eine ganze Weile hin. Dabei war der automobile Gegenstand eine sichere Bank, was die Identifikation und Einordnung angeht.
Denn so ein Ford Eifel vom Ende der 1930er Jahre ist leicht zu erkennen und ein besonders erfreulicher Anblick, wenn er sich mit einer so charmanten jungen Dame präsentiert:
Ford Eifel, Zulassung: Hildesheim; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Das ist doch das genau das Richtige, um auf die schnelle noch einen neuen Blog-Eintrag zustandezubringen, auch wenn der kleine Ford seinerzeit nur mit Mühe auf Autobahntempo von 100 km/h kam. Für eilige Zeitgenossen war der 34 PS leistende Wagen also nichts.
Allerdings gab es in der 1,1 Liter-Klasse seinerzeit kaum Besseres hierzulande. Den Vogel schoss dabei der Opel P4 ab, der damals nur 23 PS leistete und mit Spitze 85 km/h vermutlich das lahmste Auto seiner Art war, ohne besonders sparsam zu sein.
Als Alternative gab es die frontgetriebenen Zweitakt-DKWs, die trotz weniger Leistung bemerkenswert agil waren, oder den NSU-Fiat 1100 mit seinem modernen kopfgesteuerten Motor. Er war damals wohl der dynamischste und modernste in Deutschland gefertigte Wagen seiner Klasse, noch dazu mit 12 Volt-Elektrik und Hydraulikbremsen.
Gleichwohl fand der technisch weit primitivere Ford „Eifel“ durchaus seine Käufer, denn er war viel billiger als der anspruchsvollere Fiat. Zudem sah er von vorn recht flott aus, zumindest mit dem 1937 eingeführten v-förmigen Kühlergrill.
Ein Jahr später entstand die eingangs gezeigte Aufnahme eines Ford-Eifel, der laut Kennung auf dem Nummernschild im Raum Hildesheim zugelassen war.
Prima, dachte ich, dann kann es nicht so schwer sein, auch den Aufnahmeort zu identifizieren:
Ford Eifel, Zulassung: Hildesheim; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dabei hätte ich mir schon anhand des bodenständigen Ford denken können, dass dies kein Fall ist, der sich lässig und schnell im Vorübergehen erledigen lässt.
Vielmehr wurde aus meiner leichtsinnigen Eile eine ganz erhebliche Weile, die ich brauchte, bis ich den Ort herausgefunden hatte, an dem diese schöne Situation einst fotografisch für uns Nachgeborene festgehalten worden war.
Die Architektur der Toranlage und des dahinterliegenden mehrstöckigen Gebäudes bewegt sich irgendwo zwischen Spätrenaissance und Frühbarock. Da der Ford in Niedersachsen zugelassen war, sprach die Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch der Aufnahmeort dort lag.
So versuchte ich mein Glück in der Online-Bildersuche mit „Schlösser Niedersachsen“, „Toranlage Weser-Renaissance“ und ähnlichen Suchbegriffen. Erst als ich den Regionalbezug aufgab, wurde ich fündig – nämlich im westfälischen Corvey.
Man kennt das altehrwürdige Kloster und spätere Schloss vor allem wegen der großartigen Westfassade seiner bis in die Karolingerzeit zurückreichenden Kirche (Stichwort „Westwerk Corvey“). Doch die übrige, sehr weitläufige Anlage, die nach dem 30-jährigen Krieg erneuert wurde, bietet wenig, was eine derartige Qualität und solchen Wiedererkennungswert hätte.
So dürfte die heute präsentierte Ansicht der Toranlage vermutlich mit die attraktivste sein, die man zu sehen bekommt:
Wenn Sie es also eilig haben, können Sie sich den physischen Besuch in Corvey beinahe sparen, wenn Sie nur lange genug im Studium dieses Dokuments verweilen – vom famosen Westwerk abgesehen, versteht sich. Dahinter findet sich leider nicht mehr viel aus der Karolingerzeit, in der Corvey eines der bedeutendsten Klöster Europas war.
Aber so ist das eben bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit: Man stellt immer wieder fest, dass es keine durchweg lineare Entwicklung im Sinne von „schneller, schöner, klüger, besser usw.“ gibt.
Anstelle unbotmäßiger Eile bietet es sich oft genug an, sich eine Weile eine Auszeit vom Hier und Jetzt zu nehmen. Man muss ja nicht gleich ins Kloster gehen dafür – mein Blog bietet ebenfalls hinreichend Gelegenheit dazu, meine ich…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Der „Fund des Monats“ rückt näher – doch vorher muss ich noch das Foto eines an sich ziemlich konventionellen Vorkriegswagens einschieben.
Es zeigt ein weiteres Exemplar des zur Mitte der 1930er Jahre von den Kölner-Fordwerken gebauten Typs „Rheinland“ – formal und technisch dem kurzlebigen Ford Model 4/40 aus den Staaten entsprechend.
Einige tausend Exemplare des technisch zwar biederen, aber immerhin 50 PS leistenden Wagens mit seinem elastischen 3,3 Liter-Motor entstanden zwischen 1934 und 1936.
Einige davon habe ich vor rund drei Monaten hier vorgestellt. Daher will ich heute nicht allzuviele Worte zu dem Typ an sich verlieren.
Mir geht es um etwas ganz anderes – ich suche nämlich einen Taufpaten! Nicht, dass ich auf meine alten Tage auf die Idee gekommen wäre, Nachkommen zu hinterlassen (außer vielleicht ein paar nette Autoporträts im Netz und Bildbelege in der Literatur).
Nein, ich brauche bloß jemanden, der sich der Verantwortung stellt, diesem Exemplar eines Ford „Rheinland“ einen passenden Namen zu geben, der nicht einer spontanen Eingebung entspringt oder durch einen Kinofilm inspiriert ist, sondern auch morgen noch Bestand hat:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der Ford „Rheinland“ hat doch bereits einen Namen, mögen Sie jetzt einwenden – ganz so wie der Opel „Blitz“-Omnibus hinter ihm.
Gewiss – aber dennoch bin ich im Zweifel, wie ich den Wagen genau ansprechen soll. Das liegt schlicht daran, dass er einen Aufbau trägt, den man so nicht alle Tage findet, schon gar nicht an einem Ford dieses Typs.
Was sehen wir hier? Nun, das wäre leicht zu sagen, wenn der Ford ein geschlossenes Dach hätte wie das folgende Exemplar – dann wäre er mit seinem sechsfenstrigen und womöglich extralangen Aufbau als Pullman-Limousine anzusprechen:
Ford „Rheinland“ PUllman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks
Gut, dann nennen wir diese Ausführung mit dem über die ganze Länge zu öffnenden Dach bei festen Seitenteilen doch einfach „Rolldach-Limousine“, oder?
Nein, damit wären wir kein seriöser Taufpate, denn dann müsste das Rolldach noch vor dem Rückfenster enden, das tut es aber nicht.
Gerollt ist es übrigens auch nicht, vielmehr ist es nach Cabriolet-Art gefaltet und wird von seitlichen Sturmstangen gehalten. Ein Cabrio ist es deshalb aber natürlich nicht, denn dann dürfte es seitlich keine festen Tür- und Fensterrahmen haben wie dieser „Rheinland“:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wie wäre es vielleicht mit Cabrio-Limousine?
Das geht schon eher in die richtige Richtung, denn diese zeichnet sich durch ein Cabrio-Verdeck bei feststehenden Seitenteilen aus. Nach meinem Eindruck wurde die Bezeichnung aber nur bei Wagen mit ein oder zwei Seitenfenstern verwendet.
Interessanterweise kann ich bislang mit keinem Foto eines Ford „Rheinland“ mit Aufbau als Cabrio-Limousine aufwarten – daher muss ersatzweise dieser Ford „Eifel“ zur Illustration des Konzepts herhalten:
Ford „Eifel“ Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Was käme nun noch für eine angemessene Namensgebung unseres eingangs gezeigten „Rheinland“ in Betracht?
Moment mal, es gab in den 1920er Jahren doch das Konzept des Sedan-Cabriolets. Dieser Aufbau vereinte Elemente von Limousine (wie feststehende Türsäulen) und Cabriolet (wie voll versenkkbare rahmenlose Seitenscheiben).
Hier haben wir einen Horch des Achtzylinder-Typs 350, welcher als solche Sedan-Limousine verfügbar war:
Horch 8 Typ 350 Sedan-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Aber so ganz passt das immer noch nicht zu unserem Ford „Rheinland“, nicht wahr?
Seine Besonderheit liegt letztlich in der Kombination aus sechs Seitenfenstern, festen Tür- und Fensterrahmen und vollwertigem Cabrioletverdeck mit Sturmstange.
Mir fällt dazu nur eine passende Bezeichnung ein, die mir allerdings bislang auch nur ein einziges Mal begegnet ist – und zwar: „Landauline“.
Dass es einen Aufbau dieses Namens gab, das lernte ich auch erst, als ich hier diesen Wanderer W11 besprach, der auf einem Foto von Leser Martin Möbus festgehalten ist:
Wanderer W11 „Landauline“; Originalfoto: Sammlung Martin Möbus
Könnte das die Lösung für unser Namensfindungsproblem sein?
„Landauline“ klingt sympatisch, aber vielleicht ein wenig zu feminin für den robust auftretenden Ford „Rheinland“.
Also, was meinen die Karosseriekenner unter den Lesern?
Was wäre der am besten passende Name für diesen speziellen Ford „Rheinland“, der übrigens in Deggendorf (Bayern) zugelassen war?
Bitte denken sie daran:
Die Rolle als Taufpate ist eine durchaus Verantwortungsvolle, also ist Ernsthaftigkeit angesagt – es sei denn, sie verfügen über ein besonders schöpferisches Sprachtalent und können etwas originelles Neues kreieren…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Keine Sorge, ich bin in meinem Blog nicht plötzlich auf Geografiethemen umgestiegen, wenngleich die Einbeziehung von Land und Leuten für mich von jeher das gewisse Extra ist, das ein gelungenes Autofoto ausmacht.
Wenn wir uns heute dennoch näher mit dem Rheinland befassen, hat das wie immer gute Gründe mit vier Rädern. Allein am legendären Loreleyfelsen im Mittelrheintal müssen einst tausende Benzinkutschen von einem Profifotografen festgehalten worden sein.
Ihnen begegnet man als Sammler alter Autofotos auf Schritt und Tritt, und tatsächlich sind Exemplare dabei, die mich seit Jahren rätseln lassen, um was es sich handelt. Mein Favorit in dieser Hinsicht ist dieser große Tourer der frühen 1920er Jahre:
unbekannter Tourenwagen an der Loreley; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dem Größenverhältnis von Insassen und Karosserie nach zu urteilen, muss es sich um ein sehr großes und stark motorisiertes Fahrzeug gehandelt haben. Allein der Nabendeckel der Räder besaß einen enormen Durchmesser – vergleichen Sie den einmal mit den Köpfen der Insassen.
Hier ist vieles denkbar, inbesondere ein Hubraumgigant aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg mit modernisierter Karosserie – keineswegs ungewöhnlich – aber auch ein Importfahrzeug (speziell aus den USA) mit deutschem Aufbau.
So macht das Rheinland dem Enthusiasten zwar Freude, bereitet aber auch Verdruss.
Ganz anders verhält es sich mit dem Rheinland im heutigen Blogeintrag. Hier erfährt der geneigte Leser, wie das perfekte Porträt davon gelingt, das keine Wünsche offenlässt.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es sich hier um einen Kurs für „Ford“geschrittene handelt, das gezeigte Material also nicht für jedermann geeignet ist. Sollten Sie also an struktureller „Ford“schrittsskepsis leiden, schauen Sie sich bitte woanders um.
Sie sind noch dabei? Schön, dann beginnen wir jetzt mit unserem Kurs zum Thema „Rheinland im Porträt“. Zunächst möchte ich ein Beispiel dafür zeigen, wie man das Thema gründlich verfehlen kann:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Sie sehen, dass Sie fast nichts sehen.
Zwar lautet das Thema dieses verunglückten Porträts zwar unübersehbar „Rheinland“, aber mit Verlaub: Mit der bloßen Beschriftung wird man der Sache nun wirklich nicht gerecht.
Schauen wir uns das nächste Beispiel an, Hier haben zwei sehr von sich eingenommene „Künstler“ ihre eigene Interpretation des Themas „Rheinland“ gewagt:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Leider ist hier das Rheinland förmlich am Untergehen und droht hinter einer improvisierten Blende abzurutschen – soll das kreativ sein? Oder lustig?
„Mit diesem halbgaren Pennälerscherz kommen Sie nicht in die engere Auswahl, meine Herren!“ bleibt da nur zu sagen. Da hilft auch der Verweis auf die Not der Nachkriegszeit nicht, als man zusehen musste, wie man sich durchmogelte.
Kehren wir in die 1930er Jahre zurück und schauen, was sonst noch für Porträts des „Rheinland“ fabriziert wurden, damals ein ganz aktuelles Thema.
Hier haben wir eine Interpretation von jemandem, der das alte Thema „Mensch und Maschine“ in einer kühnen Collage zu verarbeiten suchte. Leider kommt dabei der Hauptaspekt „Rheinland“ zu kurz:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
„Thema verfehlt, durchgefallen“, lautet auch hier das Urteil. Es klingt hart, aber nur durch schonungslose Kritik kann am Ende wahre Qualität entstehen.
Weiter geht’s mit dem nächsten „Rheinland“-Porträt, offenbar von jemandem verfertigt, der großen Wert darauf legte, dass das Ergebnis möglichst unvorteilhaft aussieht.
Jedenfalls ist außer einem Haufen Blech wenig darauf zu erkennen, was dem doch so reizvollen Thema ansprechende Gestalt geben könnten. Das mag mancher modern finden, dem strengen Urteil des Kenners kann dieses finst’re Machwerk indessen nicht genügen:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Herrje, will sich denn wirklich kein Talent einstellen, was ein angemessenes „Rheinland“-Porträt angeht?
Nun, mit etwas Geduld lässt sich tatsächlich etwas ausfindig machen, was dem Thema einigermaßen gerecht wird. Eine erste Spur von Begabung lässt das folgende Werk erkennen, wenngleich es ihm noch an der richtigen Balance mangelt.
So erzählt es zuviel von den Leuten und zu wenig vom Rheinland selbst, auch wenn beide unzweifelhaft zusammengehören. Doch immerhin ist dem Urheber eine gewisse Frische der Anschauung nicht abzusprechen:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Nett, nicht wahr? Schon, aber das kann doch nicht alles sein, was den Kreativen von einst zum Thema „Rheinland“ einfiel.
Gab es denn niemanden, der in der Lage war, ein Rheinland-Porträt abzuliefern, das allen seinen Facetten gerecht wird und seinen Reiz auf vorteilhafte Weise in Szene setzte?
Es musste ja nicht in der penetranten Weise einer Tourismus-Broschüre sein, aber die platte Einfallslosigkeit eines – sagen wir: – Automobil-Prospekts muss es auch nicht sein.
Ist es denn zuviel verlangt, das Thema „Rheinland“ ganz klassisch anzugehen? Aus günstiger, aber zugleich sachgerechter Perspektive, die allen wesentlichen Seiten gerecht wird? Mit einem behutsamen Seitenblick auf die menschliche Komponente?
Und das Ganze technisch blitzsauber, aber nicht steril umgesetzt? Ja, das geht. und so wird der „Ford“geschrittene Enthusiast hier genau das Erhoffte erblicken:
Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ziemlich genau so sieht ein gelungenes Autofoto aus – sofern es nicht etwas ganz außer der Reihe sein soll – so schwer ist das doch gar nicht.
Doch obwohl ich lange darauf gewartet habe, hat mich erst kürzlich diese Flaschenpost in Sachen „Rheinland“ aus alter Zeit erreicht.
Ihren langen Weg durch’s Ungewisse hat sie vor knapp 90 Jahren im Landkreis Crossen (Brandenburg) begonnen und nun ist sie nach manchen Irrungen und Wirrungen wohlbehalten dort eingetroffen, wo sie geschätzt und bewundert wird.
Ist Ihnen aufgefallen, dass ich das Auto, das auf allen diesen Fotos zu sehen ist, überhaupt nicht im Detail beschrieben habe, wie das sonst mein Stil ist?
Dennoch werden Sie es nach dem Studium dieser Aufnahmen künftig zuverlässig identifizieren können, wenn Sie einem begegnen.
„Rheinland!„, so werden Sie dann unwillkürlich denken, und das wird Sie als erfolgreichen Absolventen dieses kleinen Kurs für „Ford“geschrittene ausweisen.
Die paar Fakten dazu sind schnell verinnerlicht: Bauzeit: 1934-36, 4-Zylindermotor mit 3,3 Litern Hubraum und 50 PS – ein später Nachkomme des Ford „Model A“ und auch sonst eher konservativ gestrickt. Mit gut 5.500 Exemplaren aus Kölner Produktion kein Bestseller, aber für Rheinland-Liebhaber damals und heute von eigenem Reiz…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Einige Leser konsumieren meinen Blog noch des Nachts kurz nach Erscheinen des neusten Eintrags, andere schätzen die Lektüre zum Frühstück, wiederum andere kommen erst abends dazu.
Sie alle eint das Vergnügen an einer im deutschen Sprachraum einzigartigen Auseinandersetzung mit der Welt des Vorkriegsautomobils – sehr subjektiv, aber mit dem Anspruch, der Vielfalt an Herstellern, Konstruktionen und Gestaltungsformen einigermaßen umfassend (und unterhaltsam) gerecht zu werden.
Mal geht es dabei weit in die Frühzeit zurück, dann steht die „Nietenzählerei“ im Vordergrund (keine Anspielung auf die Regierung, übrigens). Ein andermal wird genüsslich eine rare Ausführung mit Manufakturkarosserie zelebriert. Bisweilen – eher die Ausnahme – wird auch technischen Besonderheiten Raum gegeben.
Meine bevorzugte Disziplin ist eine andere: Mich begeistert beim klassischen Automobil nichts so sehr wie das Miteinander von Mensch und Maschine. Im Idealfall findet beides in schönster Weise zusammen wie hier:
unbekanntes Automobil um 1920; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das Besondere daran, ein Auto zu besitzen, es zu beherrschen – auch dann, wenn es besondere Zuwendung braucht – Freude wie Missgeschicke damit gemeinsam zu erleben, das lässt sich kaum besser illustrieren bringen als so.
Meine Damen, wenn Sie sich schon immer gefragt haben, warum manche Männer so ein lustvolles Verhältnis zum Auto haben, dann sehen Sie sich diese beiden Herren an: Die sind hier vollkommen in ihrem Element und brauchen keinen Psychiater.
Es gibt aber auch Aufnahmen, bei denen das Auto nur eine Statistenrolle spielt oder allenfalls Teil des Bühnenbilds ist, während im Vordergrund die menschliche Komponente alles überstrahlt – erst recht die ewiggleiche Sachlichkeit moderner Architektur:
Adler Trumpf vor dem Kurhaus Warnemünde; Originalaufnahme von 1935 aus Sammlung Michael Schlenger
Das Kurhaus in Warnemünde hat die Zeiten überdauert; heute fotografiert man sich in sogenannter Funktionskleidung aus mehr oder minder höheren Poylester-Derivaten davor. Die Autos sind vollkommen, bloß interessant sind sie meistens nicht mehr.
Wie die beiden Ladies allem die Schau stehlen, finde ich phänomenal, wo man doch sonst gleich herausfinden möchte, was das für ein Fahrzeug im Hintergrund ist. Hier ist es völlig egal.
Letztlich ist der Mensch für uns das Bemerkenswerteste, Anziehendste oder Abstoßendste – jedenfalls das, was die stärkste Reaktion in uns hervorruft. So, das war ein langer Vorspann.
Meine Begleitmusik ist verklungen, doch ich lasse sie einfach vorne spielen:
Bach-Kantaten Nr. 88, 93 und 131, eingespielt in der Blasiuskirche Mühlhausen am 23. Juli 2000 von den English Baroque Soloists mit dem Monteverdi Choir unter John Eliot Gardiner.
Man braucht kein bisschen gläubig zu sein, um sich von der Schönheit dieser Musik ergreifen zu lassen. „Meine Seele wartet auf den Herrn„, die Nr. 4 aus BWV 131 kann jeder für sich auslegen als Erwartung der Erlösung von den Scheußlichkeiten des Alltags, den Widerwärtigkeiten mancher Mitmenschen, des Daseins überhaupt.
Die schiere Eleganz der Kantate lässt – wie so oft bei Meister Bach – völlig vergessen, dass es sich um ein geistliches Werk handelt. Sich in irgendeiner Form der Schönheit zuzuwenden und darin Erbauung zu finden, sich gegen die Zumutungen des Hier und Jetzt zu wappnen, das ist aus meiner Sicht Lebenskunst.
Solches geht – und das ist eine steile These, aber immerhin bringt sie mich zum Thema zurück – sogar mit einem banalen Chevrolet von anno 1925.
Der war damals der schärfste Konkurrent des Ford Model „T“ und wie dieses musste er robust, leistungsfähig und leicht zu reparieren sein – vor allem aber: für jedermann erschwinglich, einschließlich der Männer, die ihn bauten.
Eleganz war das letzte, woran man bei der Konstruktion dieser Gefährte dachte, die mehr für die Freiheit des Einzelnen geleistet haben als alle politischen Parteien zusammen.
Ford Model „T“ um 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
In den Weiten des nordamerikanischen Kontinents mussten solche Autos auch noch geländegängig sein, denn mit befestigten Straßen war nur ausnahmsweise zu rechnen.
Das erklärt, weshalb der Chevy wie der Ford so „breitbeinig“ und „hochbeinig“ daherkamen und über enorme Federwege verfügten. Schön konnte das Ergebnis nicht sein und so waren auch die Standardaufbauten optisch anspruchslos.
Immerhin bot Chevrolet Mitte der 1920er technisch einiges, was das Ford Model T vermissen ließ: Beispielsweise war der Vierzylindermotor bereits kopfgesteuert (ohv) und leistete trotz gleichen Hubraums 26 statt bloß 20 PS wie der Ford.
Insgesamt war der Chevy das anspruchsvollere – wenn auch etwas teurere – Auto und man findet ihn daher auch öfters in Europa zu jener Zeit, als der Besitz eines Wagens dort noch eine exklusive und nicht jedermann zugängliche Sache war.
So konnte um die Mitte der 1920er Jahre in Luxemburg das folgende Foto entstehen:
Chevrolet von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier übersieht man glatt den kurz und kastig daherkommenden Wagen mit seiner kolossalen Bodenfreiheit.
Nichts gegen die grundsoliden Besitzer des Model T auf dem vorherigen Foto, die sich für selbiges in Schale geworfen haben. Doch wenn man dagegen die Aufnahme dieses ebenso vierschrötig wirkenden Chevrolet betrachtet, muss man einfach feststellen:
„Eleganter geht es nicht!“. Das ist keineswegs das Verdienst des Herstellers, sondern einzig und allein von Ilse, Rudi und Helene Buse, die sich auf diesem Foto von ihrer besten Seite zeigten und den proletarischen Chevy quasi in den großbürgerlichen Stand erhoben…
„Sing, bet und geh auf Gottes Wegen“ heißt es gerade in Nr. 7 von BWV 88. Das mag ein jeder für sich auslegen, wie er will. Für mich heißt es: Beharrlich fortschreiten auf der Suche nach Schönheit, Frieden und Vollkommenheit – rare Güter in unseren Tagen.
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wie kann man „ganz aus dem Häuschen sein“, wenn es heute um einen scheinbar banalen Ford des Typs A geht, welcher ab 1928 das in die Jahre gekommene „Model T“ ablöste?
„Ganz aus dem Häuschen“ waren zunächst die Ford-Händler, die 1927 während der sechsmonatigen Produktionsunterbrechung wegen der Umstellung auf den „A“ hatten zusehen müssen, wie Konkurrent Chevrolet im Geschäft mit Einsteigerautos in den USA erstmals an Ford vorbeizog und unglaubliche 1 Mio. Fahrzeuge an den Mann brachte.
Erst 1929 sollte Ford mit dem Model A wieder die Oberhand gewinnen und konnte 1,5 Mio. Fahrzeuge absetzen – nach heutigen Maßstäben immer noch atemberaubend.
Inzwischen war auch die Ford-Produktion auf deutschem Boden in Fahrt gekommen, freilich mit vergleichsweise überschaubaren Stückzahlen von einigen tausend Wagen pro Jahr. Während sich in den Staaten jeder Arbeitnehmer einen Ford oder Chevy leisten konnte, blieben Autos in Deutschland nur für weit überdurchschnittlich Verdienende erreichbar.
Dennoch findet man immer wieder Ford-Wagen des Modells „A“ auf Vorkriegsaufnahmen aus deutschen Landen. Diese konventionelle Limousine wurde im März 1935 in Harburg aufgenommen, als der Winter noch nicht ganz vorbei war:
Ford Model „A“ Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ganz aus dem Häuschen ist die junge Dame, die vermutlich die Schwester des gemütlich wirkenden Marinesoldaten war, der hier mit seinen Eltern posierte.
Wir verdrängen den Gedanken daran, wie sich das Schicksal dieser Familie 10 Jahre später – anno 1945 – darstellte, und prägen uns folgende Dinge ein: Die Doppelstoßstange, die Drahtscheibenräder mit den mittelgroß dimensionierten Bremstrommeln, die Form der Vorderkotflügel und die Ausführung der Luftschlitze in der Motorhaube.
Dagegen vergessen wir den Limousinenaufbau, der beim Ford Model „A“ standardmäßig verbaut wurde und lassen überhaupt jeden Gedanken an Großserienfabrikation fahren.
Sind Sie soweit? Dann schauen Sie sich folgende Aufnahme an und beantworten für sich die Frage, was Sie spontan mit dem darauf abgebildeten Cabriolet assoziieren?
Ford Model „A“ Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Im ersten Moment dachte ich an ein Citroen C4 Cabriolet, doch bei näherer Betrachtung erwies sich der Wagen als etwas anderes – und dann war ich doch selbst ganz aus dem Häuschen!
Denn die Gestaltung der Frontpartie entspricht der eines Ford Model „A“ – meinen Sie nicht auch? Bloß ab dem hinteren Motoraubenende beginnt etwas, das ich so noch nie an einem Ford gesehen habe.
Gewiss, es gab ähnliche zweitürige Cabriolets auf Basis des Ford A, die von Karosseriemanufakturen wie Deutsch, Drauz oder Gläser gefertigt wurden. Doch eine genaue Entsprechung konnte ich im Fall des vorliegenden Fotos nicht finden.
Sicher kennt ein Leser die Lösung und tut sie bitte über die Kommentarfunktion kund. Dann sind wir erst recht aus dem Häuschen so wie einst die auf dem Foto abgebildeten Personen:
Wer hier einen Kontrast zwischen dem bescheidenen Haus im Hintergrund und dem teuren Manufakturwagen auf Ford-Basis sieht, möge sich vergegenwärtigen, dass auch heute die Mehrheit der Deutschen nicht einmal eine Eigentumswohnung besitzt und auch sonst vermögenstechnisch deutlich unter dem europäischen Schnitt liegt.
Eine eigene Immobilie, vielleicht mit einem kleinen Garten und einem Verschlag für das Auto – das war vor 90 Jahren kaum exklusiver als heutzutage. Damals wie heute war in Deutschland nur der Staatsapparat reich und plünderte seine Untertanen hemmungslos für ideologische Zwecke aus, die den Lebensinteressen der Bürger entgegenstanden.
Erstaunlich , wie aktuell die schwarz-weiße Welt von gestern in der bunten Gegenwart mitunter sein kann…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Als Kind und Jugendlicher war ich eine Leseratte: Ich habe fast alles verschlungen – erst das, was der elterliche Bücherschrank hergab, dann die Abenteuer- und Reiseliteratur meines Paderborner Großonkels mit Faible für Italien.
Nachdem ich Gustavs Schwabs „Sagen des Klassischen Altertums“ verinnerlicht hatte – der siebenjährige Aufenthalt des Odysseus bei der Nymphe Calypso übte auf den Jüngling besondere Faszination aus – landete ich irgendwann bei Science Fiction-Werken.
Mein bevorzugter Autor in diesem Genre war der geniale Stanislaw Lem, was der Qualität der von mir frequentierten Stadtbücherei zu verdanken war – gibt es so etwas eigentlich noch?
Verborgen blieb mir zunächst „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams – mehr eine Satire über irdische Absurditäten als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten ferner Welten.
Warum erzähle ich das? Nun, als ich auf das genannte Werk stieß und es auszugsweise las, dachte ich mir nicht viel dabei, dass der außerirdische Held darin „Ford Prefect“ hieß.
Heute kehrt Ford Prefect aus seiner fernen Galaxis zurück und wird in diesem Blog eine zwar prominente, doch letztlich fragwürdige Rolle spielen. Mein Verhältnis zu ihm ist nämlich ein distanziertes, das in Lichtjahren zu bemessen ist.
So ist meine Assoziation mit Ford Prefect eher „unterirdisch“ statt „außerirdisch“.
Um das nachvollziehbar zu machen, will ich mit einem Dokument beginnen, das in einer Zeit entstand, welche für die meisten von uns so weit entfernt ist wie die benachbarte Andromeda-Galaxis, deren Licht uns mit 2,5 Mio. Jahren Verspätung erreicht.
Zwar sind nur rund 75 Jahre vergangen, seitdem die folgende Aufnahme entstand, aber für jüngere Menschen ist schon die frühe Nachkriegszeit unvorstellbar weit weg:
Ford „Eifel“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Man könnte hier glatt eine moderne Version von Perseus und Andromeda sehen, nachdem die Schrecken des Kriegs gebannt sind und es einer besseren Welt entgegengeht. Statt der geflügelten Sandalen verfügt dieser hünenhafte Perseus über einen Ford „Eifel“ und Andromeda scheint mit der Situation sehr zufrieden zu sein.
Dazu hatte sie auch allen Grund, denn wie das Nummernschild verrät, entstand das Foto ab 1948 im von amerikanischen Truppen besetzten Bayern (daher die Kennung AB). Die beiden gehörten zu den wenigen Glücklichen hierzulande, die damals überhaupt ein Kraftfahrzeug besaßen.
Im vorliegenden Fall handelt es sich auch noch um einen formal besonders charakterstarken Wagen – einen Ford „Eifel“ in der ab 1937 gebauten Ausführung.
Der Wagen verfügte zwar nur über einen 1,2 Liter-Vierzylinder veralteter Bauart sowie ein primitives Starrachs-Fahrwerk, wirkte aber aufgrund des vom legendären Ford V8 entlehnten Kühlers enorm schnittig.
Die Optik war ein Werk der Kölner Ford-Niederlassung und machte den „Eifel“ zu einem der äußerlich gelungensten Wagen seiner Klasse in Deutschland kurz vor Kriegsbeginn.
Beinahe zeitgleich entstand im britischen Ford-Werk in derselben Klasse ein vom „Eifel“ unabhängiges Modell – das war der „Ford Prefect“, der ebenfalls über einen 1,2 Liter-Motor verfügte und technisch auch sonst kein Ruhmesblatt darstellte. Er war vor allem billig.
Auch wenn beide Wagen im Ford-Verbund entwickelt wurden, liegen gestalterisch Welten, um nicht zu sagen: Galaxien, dazwischen. Denn der großspurig mit der Bezeichnung eines hohen Magistraten benamte „Prefect“ kam reichlich ungeschlacht daher:
Ford „Prefect“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme besitze ich schon eine ganze Weile, aber ich hielt den abgebildeten Wagen zunächst für eine verunglückte Nachkriegsimprovisation.
Wie nachträglich davorgesetzt und wuchtig wirkt die für den kompakten Motor viel zu weit nach vorne auskragenden Kühlerpartie. Zu dem ästhetisch unterirdischen Eindruck tragen freilich auch einige Veränderungen bei, die dem Aufnahmezeitpunkt geschuldet sind.
So ist auch dieser Ford frühestens 1948 fotografiert worden, allerdings in einer – politisch gesehen – anderen Galaxis, nämlich der von der Sowjetunion besetzten Region Leipzig (siehe Kürzel „SL“).
Dort musst man wie im Westen nehmen, was noch an fahrbaren Autos verfügbar war. In diesem Fall hatte man dem Ford Stoßstangen eines DKW (vermutlich) spendiert, die Radkappen waren verlorengegangen und das Trittbrett erscheint „angeflickt“.
Auch im unverfälschten Original war der „Prefect“ ein Wagen, den man sich beim besten Willen nicht schönsehen konnte.
Er wurde übrigens nach dem Krieg noch eine Weile im vom Krieg ausgelaugten und von planwirtschaftlichen Experimenten niedergehaltenen England kaum verändert weitergebaut. Auch die modernisierte Fassung des „Prefect“ (ab 1953) war Tristesse pur.
Zurück zum „Prefect“ in der Ostzone. Wie ist dieser Wagen dort eigentlich hingekommen, fragt man sich? Meines Wissens wurde er in Deutschland offiziell nie verkauft.
Denkbar sind zwei Möglichkeiten: Entweder jemand hatte den Wagen vor Kriegsbeginn aus einem Nachbarland mitgebracht, in dem der „Prefect“ vertrieben wurde, eventuell aus Skandinavien.
Oder wir haben es mit einem im Verlauf des deutschen Westfeldzugs ab 1940 erbeuteten Fahrzeug zu tun, das vom britischen Militär genutzt und zurückgelassen wurde. Dann könnte das Auto den Krieg über an der „Heimatfront“ gedient haben, bis es nach der Kapitulation einen neuen Besitzer und eine neue Identität erhielt, wie das üblich war.
So oder so muss dieser Ford „Prefect“ im Raum Leipzig in der frühen Nachkriegszeit wie aus einer fernen Galaxie gewirkt haben. Ob die freundlich lächelnde Dame daneben ebenfalls von einem anderen Stern kam und sich bloß eine irdische Identität zugelegt hatte wie einst „Ford Prefect“ aus „Per Anhalter durch die Galaxis“, sei dahingestellt…
Solche Geschichten finde ich heute ebenso spannend wie einst die Sagen des Klassischen Altertums oder die Bilder, welche Science-Fiction-Literatur im Kopf entstehen ließ. Wie die Antike und das Universum stellt sich die Vorkriegsautowelt mir unendlich faszinierend dar…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Ich bin Nationalist – zumindest, was Automobile angeht. In meiner Kindheit und Jugend – das ist schon eine Weile her – sah man jedem Alltagswagen gleich an, ob er aus Deutschland, England, Frankreich oder Italien kam.
Man konnte so als Käufer auf der Straße und beim Nachbarn ein klares Zeichen setzen:
„Ich bin praktisch veranlagt, führe Buch über den Verbrauch und fahre einen VW“, oder: „Klar liebe ich meine Frau – beinah‘ so sehr wie meinen verr(a)uchten Citroen“, oder: „Mir doch egal, ob die Elektrik spinnt, keiner verarbeitet Holz und Leder so wie Jaguar“. Die Toskana-Fraktion: „Italiener unzuverlässig? Jeden Morgen um sechs weck‘ ich die Spießermit meinem Alfa.“
Herrlich, wenn man einst über die Grenze fuhr, das Portemonnaie voller Lire-Bündel oder riesiger Franc-Noten – die man auf der Bank gegen harte D-Mark getauscht hatte.
Jenseits des Schlagbaums öffnete sich eine andere Welt – das war ja das Großartige an Europa. Ich erinnere mich , als ich das erste Mal nach Italien fuhr: auf der Autobahn war alles voller Fiats, Lancias und Alfas, Autobianchi, Innocenti usw.
Mein Gedanke damals war: Offenbar halten die Italiener ihre Autos ebenso für die besten wie wir Deutschen oder die Franzosen beispielsweise. Es gab und gibt keinen Grund zur Selbstgefälligkeit – gute Autos gab und gibt es überall, außer im Sozialismus.
So schaue ich mir auch bei Vorkriegsautos gern an, was einst die ausländische Konkurrenz zu bieten hatte – deutsche Fabrikate schneiden dabei mitunter nur mittelmäßig ab.
Beim heutigen Beispiel sind zum Glück die Briten schuld daran. Denn den Ford „Köln“ hat im Wesentlichen die englische Niederlassung des US-Herstellers verbrochen:
Ford „Köln“ Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Sah der „Y-Type“, den die britischen Ford-Werke entwickelt hatten, um einen Kleinwagen im Programm zu haben, von vorne noch passabel aus, stellte sich das ganz anders dar, wenn man ihn von der Seite betrachtete.
Bevor wir uns die entsprechende Ansicht desselben Wagens antun, der das Kriegsinferno in Berlin überlebt hatte und dem Nummernschild nach zu urteilen wohl in den späten 1940er Jahren abgelichtet wurde, ein paar technische Daten.
Der Motor des Ford „Köln“ war ein 1-Liter-Vierzylinder traditioneller Bauart (Seitenventile) und leistete schmale 21 PS. Angeflanscht war ein 3-Gang-Getriebe, gebremst wurde noch rein mechanisch (Gestängebremsen). Primitiv war auch die 6-Volt-Elektrik.
Dass es in derselben Klasse anders ging, sehen wir gleich. Doch zuvor führen wir uns die Seitenansicht dieses Ford „Köln“ zu Gemüte:
Ford „Köln“ Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Keine Frage, jedes Auto war im frühen Nachkriegsdeutschland Gold wert und dieser Ford war glimpflich davon gekommen, seitdem er 1933/34 im Kölner Werk entstanden war.
Doch lassen wir einmal die Not jener Zeit außer acht und betrachten den Wagen aus der Perspektive eines potentiellen Käufers in der ersten Hälfte der 1930er Jahre. Der hätte vielleicht schon angesichts des für diesen Aufbau viel zu kurzen Radstands abgewinkt.
So waren die vier Fenster dieser Cabriolimousine nur realisierbar, indem man die rückwärtigen Insassen über der Hinterachse platzierte und den Wagen dann abrupt enden ließ.
Auch bei der weit teureren Cabrioletausführung mit nur zwei Fenstern sah das Ergebnis nicht besser aus – im Gegenteil:
Ford „Köln“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier hilft auch das Posieren vor der Neuen Orangerie im Park von Sanssouci in Potsdam kein bisschen. Der Wagen wirkt wie ein zu groß geratener Rollschuh.
Mit geschlossenem Verdeck stellte sich die Situation nicht viel besser dar, wenngleich man den handwerklichen Aufwand ahnt, der dabei getrieben wurde.
Wer meinen Blog schon länger verfolgt oder die Neuauflage des Klassikers „Deutsche Autos 1920-1945“ von Werner Oswald (1. Auflage 2019), besitzt, erinnert sich vielleicht an dieses mutmaßliche Werksfoto des Ford „Köln“ Cabrios aus meiner Sammlung:
Ford „Köln“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das ist technisch gesehen ein hervorragendes Foto, mit dem wohl versucht wurde, die Hecklastigkeit des Gefährts zu übertünchen.
So ganz gelungen ist das hier noch nicht und selbstbewusst behaupte ich an dieser Stelle, dass ich das besser kann. Bevor ich den Beweis führe, muss ich Sie – verehrte Leser – aber noch mit einem Vergleichsfahrzeug belästigen.
Dieses wurde parallel zum Ford „Köln“ in Deutschland gefertigt und basierte ebenfalls auf einer ausländischen Konstruktion – allerdings nicht aus dem „perfiden Albion“, sondern aus dem gern mit deutscher Arroganz verlachten Land der „Spaghettifresser“.
Fiat aus Turin bot nämlich ab 1934 eine verbesserte Variante seines Typs 508 an. Dieser stimmte in folgenden Daten genau mit dem Ford „Köln“ überein: Hubraum knapp 1 Liter, Ventile seitlich stehend, Starrachsen vorne und hinten, Radstand 2,30m, Gewicht: 750kg, Höchstgeschwindigkeit ca. 85 km/h.
Doch für den identischen Preis von ca. 3.100 Mark beim Cabriolet bot der Fiat folgendes: 24 statt 21 PS Höchstleistung, 4-Gang-Getriebe statt 3 Gänge, hydraulische Bremsen statt mechanischen und 12 Volt-Elektrik statt funzligen 6-Volt.
Obendrein sah der Fiat gelungener aus, hier am Beispiel des Cabriolets von Drauz:
Fiat 508 A bzw. NSU/Fiat 1000, Cabrio von Drauz; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Schuld daran, dass die Italiener aus meiner Sicht hier den Sieg nach Punkten davontragen, sind natürlich die Briten, welche einst die Idee zum europäischen „Y-Type“ hatten.
Der Ford „Köln“ konnte indessen auch in der Cabriolet-Version durchaus überzeugen, wenn man als Fotograf den richtigen Blick auf den Wagen einnahm.
Weil der unbekannte Werksfotograf in der Hinsicht einst versagt hat, übernehme ich kurzerhand selbst die Regie.
So präsentiere ich Ihnen heute den Ford „Köln“ als Cabriolet in einer Form, an der wenig(er) auszusetzen ist:
Ford „Köln“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch wenn der Fahrer mit seiner Melone als Wertpapierhändler aus der Londoner City durchgehen könnte, sind an diesem Dokument ausnahmsweise nicht die Briten schuld.
Hier hat wohl einst ein unbekannter deutscher Fotograf zufälliger- oder gnädigerweise das unansehnliche Heck des Wagens „abgeschnitten“. Ihm gebührt heute unsere Sympathie, denn so macht der Ford „Köln“ doch ein bisschen her, nicht wahr?
Das ändert freilich nichts an der „Schuldfrage“. Die Briten haben uns den Ford „Köln“ als Kuckucksei ins Nest gelegt und man musste sehen, wie man das beste daraus macht.
Ich als Freund der Marke Fiat gebe mich in dieser Hinsicht gern parteiisch und will bei Gelegenheit das hübsche Cabriolet auf Basis des Turiner Typs 508 ausführlicher würdigen…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Klassische Eleganz – sicher nicht das Erste, was man mit dem Ford-Produktionsstandort Köln in Verbindung bringt.
Vom gotischen Dom abgesehen wurde die Stadt im 2. Weltkrieg schwer verheert, den Rest erledigten anschließend die „modernen“ Stadtentwickler, denen wie in Frankfurt/Main schon in den 1930er Jahren die alte Bausubstanz ein Dorn im Auge gewesen war.
Heimlich mag mancher Karrierist hierzulande der Royal Air Force für ihre gründliche Ausführung der „Area Bombing Directive“ dankbar gewesen sein, die auf die flächendeckende Vernichtung der historischen Zentren und Wohngebiete abzielte.
Dass es beim Wiederaufbau auch anders hätte gehen können, zeigten nach 1945 die Münchner. Ein Vergleich von Lebensqualität und Immobilienpreisen verrät heute, wer es damals richtig gemacht hat – Köln jedenfalls nicht.
Doch geht es hier nicht um das heutige Erscheinungsbild, sondern um etwas, was die Römerstadt vor dem Krieg hervorgebracht hat – deutsche Klassik vom Feinsten.
Die Rede ist vom Ford „Rheinland“ – der in Deutschland von 1934-36 gebauten Variante des Vierzylindermodells 40/4 (auch als Model B bekannt). Dieses war zwar in den USA nach kurzer Zeit dem weit beliebteren V8 gewichen, doch am deutschen Markt eroberte sich der 50 PS leistende Vierzylinder einen achtbaren Platz am Markt.
So begegnet man dem Ford „Rheinland“ auf Vorkriegsaufnahmen recht häufig – meist in der Ausführung als Limousine mit Ganzstahlaufbau von Ambi-Budd:
Ford „Rheinland“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Charakteristisch für den Typ waren die geschwungen ausgeführten Luftschlitze in der Haube und die am deutschen Markt sonst eher sportlichen Wagen vorbehaltenen Drahtspeichenräder.
Die Frontpartie entsprach weitgehend dem wesentlich stärkeren amerikanischen V8-Modell, welches in einer Vielzahl von Ausführungen später auch in Deutschland Käufer fand.
Auch die leicht v-förmig gestaltete Vorderstoßstange des V8 fand sich am Ford „Rheinland“ – was dem Wagen zusätzliches Prestige verliehen haben mag:
Ford „Rheinland“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der aus dem Model A abgeleitete Motor war zwar entwicklungstechnisch betrachtet von „gestern“ und kam für Auto-Gourmets kaum in Betracht.
Aber wer nüchtern rechnete, hatte mit dem Ford „Rheinland“ ein überdurchschnittlich starkes Auto, mit dem man einem teuren Mercedes 200 beispielsweise die Rücklichter zeigen konnte. Hinzu kam eine dynamischere Optik, wenn man Wert darauf legte.
Doch auch für den Freund der klassischen Eleganz hatte Ford beim Modell „Rheinland“ etwas in petto. So gab es nämlich auch dieses schicke Vierfenster-Cabriolet:
Ford „Rheinland“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wie man sieht, entspricht die Frontpartie ganz der bei der Serienlimousine des Ford „Rheinland“. Der offene Aufbau mit niedriger Frontscheibe und nach hinten abfallender Gürtellinie verkörpert dagegen ganz den deutschen Stil jener Zeit.
Ob dieser schöne Aufbau nun vom Karosseriewerk „Deutsch“ in Köln selbst geliefert wurde oder von einer anderen Manufaktur stammte, weiß vielleicht ein Leser, der sich mit den Ford-Modellen der 1930er Jahre besser auskennt als ich.
Jedenfalls ist dieses Fahrzeug für mich ein Musterbeispiel für deutsche Klassik im Automobilbau jener Zeit – auch wenn das Verdeck etwas liederlich niedergelegt zu sein scheint – so litten sowohl die elegante Linie als auch der Blick in den Rückspiegel.
Doch die junge Dame am Lenkrad scheint das nicht gestört zu haben – sie repräsentiert mit ihrem Erscheinungsbild selbst ein klassisch-elegantes Ideal, welches in unseren Tagen rar geworden ist…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Nanu, mag jetzt mancher denken – kein Markenname im Titel? Keine Sorge, die automobile Markengeschichte der Vorkriegszeit kommt nicht zu kurz, ganz im Gegenteil.
Es ist bloß so, dass ich heute Anlass zu einer Spurenlese der besonderen Art habe, und das vedanke ich der Unermüdlichkeit eines KfZ-Urgesteins und Lokalhistorikers aus Seesen im Harz – sein Name ist Wolf-Dieter Ternedde.
Wer unter meinen Lesern ein gutes Namensgedächtnis hat, mag sich daran erinnern, dass uns Herr Ternedde schon das eine oder andere reizvolle Dokument aus Vorkriegszeiten „vermittelt“ hat, etwa diesen großartigen Mercedes 15/70/100 PS – hier beim Tankstopp in der frühen Nachkriegszeit:
Mercedes 15/70/100 PS Tourenwagen; Originalfoto via Wolf-Dieter Ternedde (Seesen)
Ansonsten werden wir heute zwar etwas kleinere Brötchen backen, doch ich verspreche Ihnen: Die heutige Spurenlese durch die Welt der Vorkriegsautomobile in Seesen wird sich lohnen – und am Ende deutlich über diesen zeitlichen Horizont hinausweisen.
Doch der Reihe nach.
Wolf-Dieter Ternedde – von Hause aus Karosseriebaumeister und KfZ-Meister (beides zusammen findet man nicht alle Tage) wollte sich nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem traditionsreichen Betrieb der Familie Ternedde in Seesen nicht einem ordinären Ruhestand hingeben.
Nach der liebevollen Dokumentation der „Seifenkistenrennen in Seesen 1951 bis 1955“ in Buchform stand ihm der Sinn nach mehr. Nach guter Handwerksmanier hat er Nägel mit Köpfen gemacht – und als Nächstes auf fast 250 Seiten „Die Geschichte der heimischen KfZ-Werkstätten 1912-2021 und die ersten Automobile in Seesen“ aufgearbeitet.
Was dieses Werk so bemerkens- und lesenswert macht, das will ich am Ende darlegen.
Zuvor unternehmen wir eine Reise durch die Geschichte der Automobile im Seesen der Vorkriegszeit – anhand einer Auswahl von Fotos, die Wolf-Dieter Ternedde in seinem Buch verarbeitet hat. Die abgebildeten Autos habe ich – so gut es eben ging – für ihn bestimmt.
Ziemlich am Anfang steht dieser „Doktorwagen“:
Opel 5/10 PS Doktorwagen von Dr. Schüttrumpf (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Dieses frühe Automobil fuhr einst Dr. med August Schüttrumpf aus Seesen.
Im Unterschied zu zahlreichen fragwürdigen „Doktoren“, die es sich heutzutage in der Politik auf Kosten der arbeitenden Allgemeinheit bequem machen wollen, war er ein echter – nämlich ein praktizierender Arzt.
Vertreter seines Berufsstands waren meist die Ersten, die ein Automobil nicht zum bloßen Vergnügen erwarben. Hausärzte und Veterinäre gewannen mit der Benzinkutsche einen oft genug lebensrettenden Geschwindigkeitsvorteil und einen zuvor unerreichten Radius.
Der Wagen von Dr. Schüttrumpf war vermutlich ein Opel des Typs 5/10 PS, der einst als „Doktorwagen“ Karriere machte. Ob er schon 1909 das Licht der Welt in Rüsselsheim erblickte (dann wäre es noch ein Typ 4/8 PS) gewesen, oder erst 1910, ist schwer zu sagen.
Der „Windlauf“ – also die ab 1910 übliche aufwärtsgerichtete Blechpartie zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe – könnte nachgerüstet sein. Interessant ist, dass diese Aufnahme ein winziger Ausschnitt aus einem weit größeren Bild ist, das erst 1919 entstand.
Was mag der „Doktorwagen“ in diesen zehn Jahren bereits alles erlebt haben? Wievielen Menschen konnte Dr. Schüttrumpf inSeesen und Umgebung damit rechtzeitig Hilfe leisten – wie oft mag er trotz des wackeren Wagens zu spät gekommen zu sein?
Bleiben wir in der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg: Hier haben wir eine eindrucksvolle Versammlung von Tourenwagen, die sich anlässlich einer Ausfahrt einst vor dem Hotel Wilhelmsbad in Seesen eingefunden hatten:
Adler 12/34 PS bzw. 12/40 PS (vorne links) vor dem Hotel Wilhelmsbad (Seesen); Originalaufnahme aus Stadtarchiv Seesen
Diese Wagen waren damals reine Luxusgefährte – auch nach dem verlorenen Krieg und trotz der erdrosselnden Tributleistungen infolge des Versailler „Vertrags“ gab es in Deutschland noch ein dünne Schicht Vermögender, die sich so etwas gönnen konnten.
Oft genug war damals der Kauf eines Automobils ein Weg, der sich anbahnenden Aushöhlung der Währung ein Schnippchen zu schlagen, denn auch bei galoppierender Inflation blieb ein Auto werthaltig, war doch sein Nutzen derselbe.
So kam es in der ersten Hälfte der 1920er Jahre zu einem Boom im oberen Segment des deutschen Automarkts. Davon profitierten auch die leistungsfähigeren Modelle der Frankfurter Traditionsmarke „Adler“.
Diese technisch konventionellen, aber mit ihrem Spitzkühler schneidig aussehenden Modelle wie das in der ersten Reihe links zu sehende Fahrzeug finden sich auf Fotos jener Zeit ziemlich häufig.
Während es sich dabei meist um Typen mit 9/24- bzw. 9/30 PS-Motorisierung handelte, könnte der Wagen auf obigem Foto durchaus ein stärkeres Modell gewesen sein, welches parallel mit 12/34 bzw. 12/40 PS-Vierzylinder im selben Stil gebaut wurde.
Während die meisten deutsche Hersteller in der ersten Hälfte der 1920er Jahre wie Adler noch an traditionellen Formen und Manufakturproduktion festhielten, beschritten Brennabor und Opel bald neue Wege – die von der führenden US-Autoindustrie vorgezeichnet waren.
Brennabor verzettelte sich nach vielversprechendem Anfang mit unübersichtlicher Modellpolitik und teils wenig ansprechender Gestaltung. Opel dagegen hatte mit der Orientierung an erfolgreichen Konzepten aus dem Ausland eine glücklichere Hand.
Nach dem von Citroen inspirierten Opel 4-PS-Modell folgten die Rüsselsheimer in der Mittel- und Oberklasse bald ganz amerikanischen Vorbildern – vor der Übernahme durch General Motors wohlgemerkt.
So begegnete man in der Vorkriegszeit auch in Seesen dem Opel Typ 7/34 PS bzw. 8/40 PS, hier in einer Ausführung von 1927/28:
Opel 7/34 oder 8/40 PS, Fahrschule Hoffmann (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Dieser Tourenwagen diente noch um die Mitte der 1930er Jahre als Fahrschulauto. Inhaber Paul Hoffmann war zugleich Besitzer einer Tankstelle und einer Opel-Werksvertretung – damit bestand die Aussicht, dass seine Fahrschüler ihm auch später treu blieben.
Wagen dieser Größenklasse blieben freilich die Ausnahme – größere Stückzahlen erreichten im damaligen Deutschland nur Kleinwagen wie das erwähnte Opel 4-PS-Modell.
Bemerkenswert ist, dass kein deutscher Hersteller damals aus eigenen Kräften in der Lage war, ein für eine Massenproduktion taugliches Kompaktmodell zu entwickeln. Entweder man verrannte sich in skurrilen Konzepten wie dem Hanomag „Kommissbrot“ oder man nahm „Anleihen“ an längst erfolgreichen Modellen ausländischer Hersteller.
Nachdem man etliche Jahre nur zugeschaut hatte, wie sich der automobile Globus weiterdrehte und man selbst stillstand, fiel irgendwann der Groschen. Nach Opel war es 1927 dann Dixi aus Eisenach, das sein Heil im Lizenznachbau des Austin Seven sah.
Der bereits seit fünf Jahren erfolgreiche Engländer fand mit einigen Anpassungen als Dixi rasch eine interessierte und oft begeisterte Anhängerschaft – so auch in Seesen:
Dixi 3/15 PS von Herbert Wadsack (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Hier lehnt sich als stolzer Besitzer ein gewisser Herbert Wadsack in die (scheinbare) Kurve. Der 15 PS leistende Wagen gehörte anfänglich noch der Cyclecar-Klasse an – zu der sehr leichte Autos mit Reifen im Motorradformat und freistehenden Kotflügeln zählten.
Im Lauf der Zeit entwickelte man auf dieser Basis neben minimalistischen und sportlich wirkenden offenen Versionen wie diesem auch erwachsener erscheinende geschlossene Ausführungen des „Dixi“.
BMW aus München – damals noch ein reiner Motorradhersteller – erkannte das Potential und übernahm kurzerhand die Firma Dixi und ließ die zunächst noch auf dem Austin-Lizenzmodell 3/15 PS basierenden eigenen Modelle bis Kriegsende in Eisenach bauen.
Damit sind wir nun in den 1930er Jahren, als die deutsche Autoindustrie endlich aus der Lethargie erwachte und begann, selbst zunehmend den Fortschritt mitzubestimmen.
Freilich waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen denkbar ungünstig und einst stolze Marken wie Audi, DKW, Horch und Wanderer überlebten nur durch Bündelung der Kräfte – die legendäre Auto-Union entstand.
Unter ihrer Führung gelang es, den eigenständigen Charakter der Marken zu wahren und gleichzeitig die Vorteile einer gemeinsamen Organisation zu nutzen. Oft bekam der Käufer gar nicht mit, dass dieselbe Plattform oder auch Motoren bei Wagen unterschiedlicher Marken verwendet wurden.
Vielleicht am wertvollsten war aber das Gestaltungsbüro der Auto-Union, dem es gelang, einerseits den einzelnen Marken ein eigenes Gesicht zu geben und andererseits gewisse ästhetische Gemeinsamkeiten zu entwickeln, die den hohen Anspruch der Auto-Union in gestalterischer Hinsicht repräsentierte.
Ein Beispiel dafür ist der ab 1936 gebaute Wanderer des Typs W51 bzw. 53, wie hier als schickes Vierfenster-Cabriolet zu sehen ist:
Wanderer W51 oder W 53; Wagen der Gießerei Gerhards (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Dieses Auto, das vermutlich eine Karosserie von Gläser (Dresden) besaß, gehörte dem Inhaber des Seesener Gießereiunternehmens Gerhards. Abgelichtet wurde es im Juni 1937 anlässlich einer längeren Ausfahrt bei Laboe.
Der Stil dieses Cabriolets mit gepfeilter Windschutzscheibe ähnelt zeitgenössischen Horch-Modellen, doch die Frontpartie war vollkommen eigenständig gestaltet und fand sich so nur bei Wanderer-Automobilen.
Hier sehen wir den Wagen während der gleichen Tour, wie er gerade ein Fähre verlässt:
Wanderer W51 oder W 53; Wagen der Gießerei Gerhards (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Das Kennzeichen verweist auf eine Zulassung im einstigen Landkreis Gandersheim, zu dem auch Seesen gehörte.
Mit dieser Aufnahme sind wir schon kurz vor Kriegsbeginn, doch noch nicht ganz am Ende. Wie es der Bedeutung der Marke entspricht, kehren wir ein drittes Mal zu Opel zurück.
Rund ein Vierteljahrhundert nach dem Erscheinen des ersten Opel „Doktorwagens“ in Seesen und etwa zehn Jahre nach der Einführung des Typs 8/34 PS, der als Fahrschulauto diente, finden wir zuletzt einen Vertreter des modernen Typs Olympia bzw. Kadett – des ersten in Großserie gebauten Ganzstahlwagens in Deutschland.
Verewigt ist dieses Modell auf einem Foto, das großen Charme besitzt, doch zugleich an die zeitlichen Umstände erinnert, unter denen es entstanden ist:
Opel Kadett oder Olympia; Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Gegen diese junge Dame ist der wackere Opel natürlich chancenlos – aber er war dafür ausgelegt, eine dienende Rolle zu erfüllen und trug seine „Kühlerfigur“ mit Gelassenheit.
Die Tarnblenden auf den Scheinwerfern verraten, dass dieses schöne Dokument nach Kriegsausbruch im September 1939 entstanden sein muss.
Private Automobile wurden für Militärzwecke eingezogen, sofern sie nicht veraltet waren (das rettete viele Autos mit Baujahr vor etwa 1930) oder für die ein aus staatlicher Sicht unabweisbarer Bedarf bestand – wie bei Ärzten, „wichtigen“ Mitgliedern von Parteiorganisationen oder schlicht Leuten mit „Beziehungen“.
Im Fall des obigen Fotos dürften wir es mit einem beschlagnahmten Zivilfahrzeug zu tun haben, das wohl einer Luftwaffeneinheit diente – darauf deutet jedenfalls das auf dem linken Kotflügel angebrachte Abzeichen mit einer fallenden Bombe hin.
Vom späteren Bombenhagel der Alliierten scheint das kleine Seesen verschont worden zu sein, doch wie im übrigen Europa waren die Wunden des Kriegs auch so allgegenwärtig – in den Menschen, die ihn erlebt hatten.
Ein Kriegsteilnehmer dürfte auch dieser junge Mann gewesen sein, der uns auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 1951 ernst anschaut:
Ford Eifel; Aufnahme von 1951 an der Tankstelle/Werkstatt Georg Hoffmann (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde
Er trägt zu seinem Overall eine typische Feldmütze, wie sie millionenfach von deutschen Soldaten getragen worden war und oft zu den wenigen Dingen gehörte, mit denen sie nach Kriegsende heimkehrten.
Wie es scheint, hat der Träger dieser Mütze einen Aufnäher angebracht, möglicherweise einen der Marke Gasolin, auf die auch das Schild im Hintergrund verweist. Das würde ausgezeichnet zusammenpassen, denn das Foto entstand vor der Tankstelle/Werkstatt Georg Hoffmann in Seesen.
Das Auto ist leicht zu bestimmen – es handelt sich um einen Ford „Eifel“ in der von 1937-39 gebauten Ausführung.
Viele dieser robusten Wagen leisteten noch lange nach Kriegsende gute Dienste, bis sie im Zuge des breiten Wirtschaftsaufschwungs der 1950/60er Jahre verschwanden, als sich erstmals die breite Masse Autos leisten konnte – zuimdest im Westen unseres Landes.
An dieser Stelle endet meine automobile Spurenlese in Seesen – doch die von Wolf-Dieter Ternedde ist hier noch lange nicht zuende. Denn er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die ganze Geschichte des Automobils in Seesen zu dokumentieren.
Die heute vorgestellten Fotos sind bloß ein kleiner Ausschnitt aus diesem Vorhaben, für das das Herr Ternedde in jeder Hinsicht berufen war – was die nötige fachliche Kenntnis angeht, die Beziehungen zu seinen Mitbürgern in seinem Heimatort und nicht zuletzt die Gründlichkeit und Hartnäckigkeit alter Schule, mit der er die Sache anging.
So gelang es Wolf-Dieter Ternedde „Die Geschichte der heimischen KfZ-Werkstätten und die ersten Automobile in Seesen“ in seinem soeben erschienen gleichnamigen Buch reich bebildert und mit lebendigen Schilderungen aus erster Hand festzuhalten.
Was mich an dem im Eigenverlag herausgegebenen Werk so begeistert, ist Folgendes: Man könnte meinen, dass einem als Nicht-Seesener dieses Stück Heimatgeschichte nicht viel sagen wird und die Dokumentation örtlicher Werkstätten, Karosseriebetriebe und Tankstellen bestenfalls ein Nischenthema ist – doch das ist nicht der Fall.
So erzählt Wolf-Dieter Ternedde in seinem Buch nicht nur – quasi nebenher – die Geschichte des Automobils bis in die unmittelbare Gegenwart. Er schildert zugleich die Geschichte unseres Landes aus einer ganz speziellen Perspektive, die uns allen etwas sagt.
Während man die Geschicke der teils längst verschwundenen, teils noch existierenden Seesener Firmen über die Jahrzehnte anhand von Fotos und Erzählungen verfolgt, beginnen einem die Menschen, die dort arbeiteten, und die Familien, denen die Betriebe gehörten, auf merkwürdige Weise vertraut zu werden.
Denn wir alle kennen aus eigener Geschichte und Anschauung ganz ähnliche Situationen, Lebenswege und Umbrüche. Die wechselnden Autos über die Jahrzehnte und das sich verändernde Erscheinungsbild der Betriebe und des Stadtbilds sind bloß stellvertretend für unser eigenes Erleben über die Jahrzehnte.
So zieht in diesem einzigartigen Buch, für das Wolf-Dieter Ternedde zum richtigen Zeitpunkt mit großem Fleiß auf die noch vorhandenen Dokumente und Zeitzeugen zurückgegriffen hat, letztlich das Leben mehrerer Generationen unseres Landes vorüber.
Wer ein Herz für das Automobil in allen seinen Facetten hat – von bodenständig bis glamourös – und wer Genuss und Erkenntnis aus dem Studium der Alltagshistorie bezieht, der wird an diesem Buch viel Freude haben.
Mancher wird sich auch einigen nachdenklichen Worten von Wolf-Dieter Ternedde am Ende anschließen wollen, denen ich hier nicht vorgreifen will. Nur soviel: Dieses Buch mit der Schilderung eines stetigen, über lange Zeit aber immer wieder belebenden Strukturwandels ist aktueller, als man vielleicht denken mag.
Bezug für 20 EUR (zzgl. 4 EUR Versandkosten) direkt beim Autor: w-ternedde@t-online.de
Der Titel meines heutigen Blog-Eintrags ist bewusst doppeldeutig gehalten. Bei einem Brot- und Butter-Wagen wie dem Ford Model A muss ich schließlich zusehen, wie ich meine in letzter Zeit arg verwöhnte Leserschaft bei der Stange halten.
Also bleiben Sie dran, liebe Leser, auch wenn es eher die Exoten und Luxusautomobile der Vorkriegszeit sind, wonach Ihnen der Sinn steht – es lohnt sich, wie ich meine.
War das Ford Model A nun einst konkurrenzlos oder hatte es einen schweren Stand gegen die Konkurrenz oder war es gegen die Konkurrenz chancenlos? Kurioserweise treffen alle drei Interpretationen zu – abhängig vom Blickwinkel, den man einnimmt.
Konkurrenzlos war der Ende 1927 vorgestellte Nachfolger des 15 Millionen Mal verkauften Ford Model T auf jeden Fall am deutschen Markt.
Für den gleichstarken Opel 8/40 PS waren 1928 in der Ausführung als 4-türige Limousine 4.900 Reichsmark zu berappen, was Ford um 100 Mark unterbot, obwohl es damals noch keine eigene Serienproduktion in Deutschland gab. Wanderer verlangte damals für seinen Typ 8/40 PS als Viertürer sogar 7.500 Mark.
So begegnet man auf Bildern der Vorkriegszeit dem unspektakulär, aber durchaus eigenständig daherkommenden Ford Model A auch in deutschen Landen recht oft:
Ford Model A Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dennoch trifft es ebenso zu, dass das Ford Model A einen schweren Stand gegen die Konkurrenz hatte – bloß nicht in Deutschland, sondern in den Staaten.
Schwer war bereits der Start des Model A, kam es doch erst sieben Monate nach Ende der Produktion des mittlerweile heillos veralteten Vorgängers Model T auf den Markt.
Unterdessen hatte Fords Konkurrent Chevrolet den Markt für sich erobert. Bis heute beeindruckend war die Stückzahl des 1927er Modells mit knapp über 1 Million Wagen. Auch 1928 hatte Chevrolet noch die Nase vorn – man sieht, was Wettbewerb vermag.
1929 rückte Ford wieder in die Führungsposition auf, sollte jedoch nie wieder so konkurrenzlos dastehen wie zur Blütezeit des Model T, mit dessen Massenfabrikation in Amerika das Auto von einem Luxusgut zu einem Produkt für jedermann wurde.
Während sich in den Staaten selbst die Bandarbeiter von Ford einen eigenen Wagen leisten konnten, blieb das Auto in Deutschland noch lange einer dünnen Schicht Begüterter vorbehalten. 1926 kam nur ein Auto auf 125 Deutsche (Quelle: O. Meibes, Die deutsche Automobilindustrie, 1928).
Seine Ursache hatte dies zum einen in der Verarmung der breiten Masse im Zuge der explodierenden Inflation nach dem 1. Weltkrieg und der rücksichtslosen Ausplünderung Deutschlands infolge des Versailler „Vertrags“.
Zum anderen fehlte es hierzulande am Willen und/oder den finanziellen Möglichkeiten, strikt auf den Massenmarkt ausgerichtete Wagen zu konstruieren und dabei die Kostendegression hoher Stückzahlen zu nutzen. Geringschätzung moderner betriebswirtschaftlicher Grundsätze scheint dabei ebenfalls eine Rolle gespielt zu haben.
So kam es, dass einst auch gutsituierte Käufer aus München sich nicht für einen der zahlreich angebotenen deutschen Wagen entschieden, die entweder veraltet, zu teuer oder zu wenig am Kunden orientiert waren, sondern für ein relativ preisgünstiges, zeitgemäßes. leistungsfähiges und zuverlässiges Ford Model A:
Ford Model A, Zulassung: München; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Fahrzeug mit Münchener Kennzeichen scheint anlässlich einer Reise im Alpenraum aufgenommen worden zu sein, wie wir noch sehen werden.
In anspruchsvollem bergigem Terrain bot der Ford Model A mit seinem 3,3 Liter messenden Hubraum mehr Elastizität als die kompakten Aggregate deutscher Hersteller in der 40-PS-Klasse – es musste also weniger geschaltet werden und die Drehzahl konnte niedriger gehalten werden.
Dennoch fuhr der Ford aus München einst in dieser Situation ganz klar außer Konkurrenz – denn auf der Originalaufnahme nimmt er tatsächlich nur eine unscheinbare Nebenrolle ein:
Ford Model A, Zulassung: München; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier müssen auch die abgebrühtesten Vorkriegsfreunde eingestehen, dass die junge Dame, die hier an einem Steilabfall posiert, dem wackeren Ford die Schau stiehlt.
Sie mag ein wenig unglücklich dreinschauen, doch ist ihr zugutezuhalten, dass die Sonne hoch steht und ihr Gesicht dieser halb zugewandt ist – wenn dann der Fotograf noch ewig braucht, bis er Blende, Belichtungszeit und Entfernung eingestellt hat, kann es schon etwas anstrengend werden, entspannt zu bleiben.
Dennoch ist das ein sehr hübsches Dokument, zeigt es doch nicht nur eine junge Dame mit guter Figur, sondern auch den Kleidungsstil, mit dem man damals auf Reisen ging:
Ich tippe hier anhand Kleidung und Frisur auf die 1930er Jahre, als der Ford schon ein paar Jahre alt, aber immerhin noch konkurrenzfähig war – wenn auch nicht im Hinblick auf diese schöne Momentaufnahme, in der das menschliche Element für mich das Rennen macht…
„Verweile doch, Du bist so schön“ – wie so vieles bei dem (nach Luther) größten Meister der deutschen Sprache ist das ein schillerndes Bonmot – Goethe verwendete es im Faust 1 und Faust 2 in gänzlich gegensätzlicher Bedeutung:
Erst heißt es: „Werd‘ ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrundegehn!“ Das ist Fausts Wette mit dem Teufel, dass er die Suche nach Erkenntnis nie einstellen wird.
Im Spätwerk des Dichters findet sich derselbe Ausspruch, als Faust der Unterdrückung durch eine feudale Herrscherkaste das Ideal einer freien Gesellschaft gegenüberstellt:
„Das ist der Weisheit letzter Schluß: / Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,/ Der täglich sie erobern muß./ …Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,/ Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn. / Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:/ Verweile doch, du bist so schön!“
Bei der Gelegenheit nur eines zum sprichwörtlichen aktuellen „Verweilverbot“ in einer lebensfrohen deutschen Großstadt: DAS ist Ausdruck einer zutiefst menschenfeindlichen Einstellung von Bürokraten, die einen an finsterste Zeiten hierzulande erinnert.
In ebensolchen Zeiten entstand das Foto, das ich heute zeigen möchte und das mich – beflügelt von einem herrlichen Vorfrühlingstag – spontan an Goethe denken ließ:
Ford Eifel Cabriolet (Karosserie: Gläser, Dresden); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei dieser Gelegenheit dachte ebenfalls jemand: „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:/ Verweile doch, du bist so schön!“ – und griff zur Kamera, um den Moment festzuhalten.
Wir Nachgeborenen teilen mit gut achtzig Jahren Verspätung diese Empfindung und nebenbei wird man sich bewusst, worin die Magie klassischer Automobile liegt: ihre Ästhetik harmoniert vollkommen mit Mensch und Natur.
Man stelle sich dieselbe Situation mit einem modernen Ford „Fiesta“ vor, neben dem jemand mit Dreiviertelhosen und Baseballkappe posiert. Würde man da auch ausrufen: „Verweile doch, du bist so schön!“ und sich dem Wagen mit Wonne widmen wollen?
Natürlich nicht, und auch deshalb lesen Sie – vielleicht ganz unbewusst – in meinem Blog, weil so viel Schönes hier zu sehen ist, woran es uns mangelt in der Gegenwart :
Dieser junge Herr hat noch seine Fahrerhaube auf und die Handschuhe an, mit denen man einst ein solches Cabriolet zu lenken pflegte – das Verweilen war wohl nur ein kurzes, doch in sich ruhend sieht man hier einen zufriedenen Menschen.
Um 1938 wird das gewesen, als die politische Großwetterlage unübersehbar Ungemach verhieß. Dem Einzelnen blieb nichts, als sein Leben weiterzuleben, so gut es ging – im vorliegenden Fall verbunden mit dem privilegierten Besitz eines Automobils.
Wer aus heutiger Sicht nun meint: „Ist ja bloß ein Ford Eifel“ – dem fehlen schlicht die Maßstäbe. Gewiss, von der Papierform war das ein Fahrzeug der unteren Mitteklasse mit 1,2 Liter Seitenventilmotor, 34 PS, Spitze 100 km/h, Gestängebremse, Starrachsen.
Doch exklusiv war das Gefährt schon deshalb, weil für den Durchschnittsverdiener im damaligen Deutschland selbst ein einfaches Automobil fast unerreichbar war. Exklusiv war diese Version des Ford Eifel aber noch aus einem anderen Grund.
Das war ein aufwendig gefertigter Manufakturwagen – nicht gerade, was man mit Ford verbindet, oder? Der Aufbau als 2-Fenster-Cabriolet mit verkleideten Hinterräder entstand tatsächlich einst in Handarbeit, bis Anfang 1938 bei Gläser in Dresden, danach in fast identischer Form bei der Karl Deutsch GmbH in Köln.
Wieviele dieser eleganten kleinen Cabriolets dort gefertigt wurden, ist mir nicht bekannt – vielleicht weiß ein Kenner von Vorkriegs-Fords Näheres. Nur, dass das Exemplar auf meinem Foto in München zugelassen war, das ist gewiss.
Woher der Wagen kam, als er für die Nachwelt festgehalten wurde, und wohin es anschließend ging – für das Auto und die Insassen – das muss offen bleiben.
Vielleicht überstand das Auto den Krieg und ermöglichte seinen Besitzern noch einmal exklusiven Genuss – wenn auch mit neuem Kennzeichen und anderer Lackierung:
Ford „Eifel“ 2-Fenster-Cabriolet (Karosserie: Deutsch, Köln); Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Diese Aufnahme verdanke ich Sammlerkollege Klaas Dierks, der ein besonderes Auge für das Zusammenspiel von Mensch und Maschine aus gekonnter Perspektive hat. Solche Dokumente sind mir die liebsten, ein technisch perfektes Werksfoto kann da nicht mithalten.
Dem Auto mit Besatzungskennzeichen der Nachkriegszeit sieht man an, dass es einiges hinter sich hat – während die zwei Kleinen das Leben noch vor sich haben.
Was meinen Sie, liebe Leser, sind das Geschwister – und wenn ja – ist eines davon vielleicht ein Mädchen, das als Bub kostümiert wurde? Ich würde sagen: ja.
Die zwei dürften heute in den 70ern sein – ob sie sich noch an das Auto erinnern? Vielleicht gehörte es einem vermögenden Verwandten, vielleicht einem Besucher auf dem Land?
Auch zu dieser Aufnahme passt: „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:/ Verweile doch, du bist so schön!“ und direkt darauf folgend heißt es bei Meister Goethe: „Es kann die Spur von meinen Erdetagen / Nicht in Aeonen untergehn“.
Alte Fotos von Menschen und ihren vierrädrigen Träumen bringen uns diesem kühnen Traum des Weisen aus Weimar schon ziemlich nahe, meine ich…
Erinnern Sie sich an den tierisch erfolgreichen Werbefilm von Toyota aus den 1990er Jahren, in dem Affen der Slogan „Nichts ist unmöglich“ in den Mund gelegt wurde?
Ich muss gestehen, dass ich dieses Meisterwerk bislang nur vom Hörensagen kannte, denn einen Fernseher habe ich nie besessen. Wer sich fragt, woher ich die Zeit für diesen Blog sowie etliche alter Autos und Motorräder nehme, findet einen Teil der Antwort darin.
Bei der Suche nach einem Titel für den heutigen Blog-Eintrag fiel mir der Spruch wieder ein, für den die Werbeleute von Toyota seinerzeit gefeiert wurden. Tatsächlich passt er in doppelter Hinsicht:
Zum einen waren damals Toyota-Wagen das, wofür einst das Model A von Ford stand: bezahlbare und zuverlässige Mobilität in anspruchslosem Erscheinungsbild. Heute füllen hierzulande Dacia und Kia diese Rolle aus – Wohlstandszuwachs sieht anders aus…
Zum anderen war auf Basis des Ford Model A tatsächlich nichts unmöglich – den Beweis dafür trete ich heute anhand drei ganz unterschiedlicher Originalaufnahmen an, die allesamt in Deutschland entstanden.
Vielleicht nicht jedermann ist bekannt, dass Ford schon vor Gründung des Kölner Werks (1930/31) Automobile in Berlin gefertigthatte – zunächst noch einige tausend Exemplare des legendären Model T, dann ab 1928 fast 20.000 Wagen des Model A.
Auch wenn die Berliner Fertigung nicht die Effizienz der Massenproduktion in den USA erreichte, war damals kein deutscher Hersteller in der 40 PS-Klasse imstande, ein von den Kosten her annähernd konkurrenzfähiges Auto zu bauen,
So begegnete man in deutschen Landen dem Ford A in der Vorkriegszeit auf Schritt und Tritt – in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen und Situationen:
Ford Model A Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier haben wir eine Ford A Limousine als Hochzeitsauto, wenn ich die Aufnahmesituation richtig deute.
Von dem Wagen sieht man gerade genug, um ihn zu identifizieren – Drahtspeichenräder, Doppelstoßstange, unterer Kühlerabschluss und Gestaltung der Haubenpartie sind typisch für das Model A.
So wenig man hier von dem Ford sieht, so sehr gefällt mir diese Aufnahme – nicht nur, weil sie von der Rolle des Automobils als Familienmitglied erzählt, sondern vor allem, weil soviel Leben darin zu sehen ist. Allein mit der Frage, wer hier mit wem verwandt ist, kann man einige Zeit vertun – selbst das ist besser als Fernsehen.
Von diesem Dokument aus Niedersachsen geht es nun in die Reichshauptstadt, wo ein Ford Model A ein unvermeidlicher Anblick war. Selbst wer sich keinen leisten konnte, mag mit dieser Ausführung in Kontakt gekommen sein:
Ford Model A Landaulet; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Diese schöne Aufnahme eines Berliner Taxis auf Basis des Ford A verdanke ich Matthias Schmidt (Dresden).
Man kann hier einige Besonderheiten studieren wie die schüsselförmigen Scheibenräder, die im Alltag praktischer waren als die Drahtspeichenräder, aber auch die verstellbare Kühlerjalousie, die ich so noch an keinem Wagen dieses Typs gesehen habe.
Der Besitzer gönnte sich und dem Ford außerdem ein auf dem Kühlwassereinfüllstutzen montiertes Thermometer, das vom Innenraum aus ablesbar war. Ein weiteres Zubehör war der Außenspiegel, damals noch nicht selbstverständlich.
Doch auch an das Wohl der Passagiere wurde hier gedacht: Bei schönem Wetter ließ sich das Verdeck über der Rückbank – und nur dort – öffnen, ein klassischer Landaulet-Aufbau also. So etwas sucht man im Berlin des 21. Jh. – und nicht nur dort – vergebens.
Nichts war unmöglich mit so einem Ford Model A, möchte man da meinen. Weitere Bestätigung liefert das dritte und für heute letzte Foto:
Ford Model A 6-Fenster-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch diese eindrucksvolle Sechsfenster-Limousine basierte auf dem braven Ford Model A. Die Kühlerpartie lässt keinen Zweifel daran, wenngleich auch hier untypische Scheibenräder montiert sind, in diesem Fall sogar mit verchromten Radkappen.
Ford bot solche viertürigen Limousinenaufbauten als „Fordor“ an – eine clevere Wortschöpfung, die wie „four door“ klang und zugleich den Markenname enthielt.
Dabei handelte es sich um die aufwendigste Variante des Ford Model A, doch selbst sie muss aus Sicht der Käufer alles andere aus dem Feld geschlagen haben – und das dem Kennzeichen nach zu urteilen in Sachsen, damals Deutschlands Autostandort Nr. 1!
Kein Wunder: Der gleichstarke Wanderer W10/II 8/40 PS kostete als viertürige Limousine 1928 satte 7.500 Reichsmark, während der Ford „Fordor“ für 4.800 Mark zu haben war. Wanderer konnte nur rund 1.500 Exemplare vom Typ 8/40 PS absetzen.
So war damals für Ford tatsächlich nichts unmöglich – schlicht weil man das Model A wie seinen Vorläufer konsequent vom Marktbedarf her gedacht hatte und sich nicht von den realitätsfernen Träumereien irgendwelcher Konstrukteure leiten ließ.
Einfache Technik, ordentliche Leistung, solide Verarbeitung und Eignung für die Großserienproduktion – dieses Rezept ermöglichte ein Ergebnis, das nicht nur erfolgreich, sondern auch erfreulich war.
Nehmen Sie sich etwas Zeit und genießen Sie einen unrestaurierten Ford A „Fordor“ von 1929. Wer begreifen will, warum vermeintlich einfache Autos wie dieses ihre Besitzer glücklich machten und machen, muss sich das anschauen – bis zum Schluss:
Videoquelle: Youtube.com; hochgeladen von: Paul Shinn