In Sachsen zuhaus‘: NAW „Sperber“-Sportzweisitzer

Wie anders die Welt der Vorkriegswagen in Deutschland war, das sieht man schon daran, dass sich damals die Autoindustrie auf den Raum Berlin und auf Sachsen konzentrierte.

Die vielen dort angesiedelten Hersteller – die meisten heute vergessen – ließen eigentlich keine Wünsche offen, könnte man meinen. Dennoch gab es auch dort immer wieder Zeitgenossen, denen der Sinn nach etwas stand, was der Heimatmarkt nicht hergab.

Das wiederum ist uns aus der jüngeren Vergangenheit vertraut – kein deutscher Hersteller brachte bei aller Auswahl je etwas zustande, was einem Austin Mini, einem Renault R4 oder einer Alfa Giulia nahekam. Also machten andere das Geschäft mit den vermeintlich „vaterlandslosen“ Gesellen, die indessen gute Gründe hatten für ihr Tun.

Und so fand auch einst vor dem 1. Weltkrieg ein Geschäftsmann aus der schönen sächsischen Kleinstadt Großenhain, dass kein heimisches Gefährt seinem Geschmack entgegenkam, sonern es etwas aus dem „Ausland“ sein musste.

Nun, das nicht ganz, aber für einen echten Sachsen war es nicht gerade naheliegend, ausgerechnet im niedersächsischen Hameln das Auto seiner Träume zu ordern.

Aber was sollte man machen, wenn einem der Sinn nach so etwas stand:

NAW „Sperber“ Sport-Zweisitzer von 1913/14; Originalfoto aus Famiiienbesitz (Steffen Bonke)

Dass dieser sportlich anmutende Zweisitzer mit Rundheck und viel Bodenfreiheit tatsächlich in Sachsen zuhause war, das wissen wir deshalb so genau, weil der Enkel des einstigen Besitzers – Steffen Bonke aus Großenhain – die Automobilhistorie seines Großvaters anhand von Fotos und teilweise sogar Fahrzeugpapieren genau dokumentieren kann.

Nur um was es sich auf dieser Aufnahme handelte, das wusste Steffen Bonke bis dato nicht. Auch die Lokalhistoriker des Großenhainer Heimatvereins hatten sich an dem Gefährt vergebens abgearbeitet.

Wie gesagt lag es auch nicht gerade nahe, dass im tiefsten Sachsen einer ausgerechnet ein norddeutsches Automobil fahren wollte. Dabei hatte sich Steffen Bonkes Großvater allerdings gezielt ein Fabrikat bewährtester Qualität ausgesucht und es mit einer Werkskarosserie als Sport-Zweisitzer ausstatten lassen.

Was war das nun für ein Hersteller, wie konnte ich ihn identifizieren und wie ist das Auto zu datieren?

Man kann sich dem auf unterschiedliche Weise nähern, doch im vorliegenden Fall bietet es sich an, von den merkwürdigen Gabeln vor dem Kühler des Wagens auszugehen:

Was hier offensichtlich fehlt, sind die Scheinwerfer und die „Gabeln“ sind die Halter für demontierbare Gaslaternen, wie sie vor dem 1. Weltkrieg Standard waren.

Da diese Teile sehr empfindlich waren, wurden sie entweder mit Schutzüberzügen gegen Steinschlag versehen oder sie wurden nur für Fahrten bei Dunkelkeit montiert.

Entscheidend ist, dass solche Gasscheinwerfer nach dem 1. Weltkrieg praktisch kaum noch verbaut wurden, der neue Standard war elektrische Beleuchtung. Ein Wagen mit Haltern für Gaslaternen ist praktisch immer in der Zeit bis 1914 anzusiedeln.

Und in dieser Zeit war bei Automobilen nur die Frontpartie typisch für einen bestimmten Hersteller oder ein spezielles Fabrikat. Der Aufbau dahinter war nahezu beliebig; alle damals gängigen Karosserieformen konnten geordert werden – oft genug stammten sie von externen Firmen.

So flott also auch der Aufbau war, den einst Steffen Bonkes Großvater bestellte, so irrelevant ist er für die Frage, was genau das für ein Auto war. Bleiben also nur Kühler- und Haubenpartie, bisweilen auch die Radnaben oder andere Details am Vorderwagen.

Dier Form des Kühlers ist sehr ansprechend, doch diese hufeisenförmige Gestaltung fand sich bei einigen Herstellern im In- und Ausland. Das Markenemblem ist für Kenner zwar auf Anhieb identifizierbar, aber wir haben etwas Zeit und wählen einen Umweg.

Bitte prägen Sie sich dazu das Blech am unteren Ende des Kotflügels ein, das den Raum zwischen Rahmen und Trittbrett abdeckt – markant ist hier die umlaufende Sicke.

Sehr ähnlich findet sich das auf Reklamen und Fotos, welche das Model „Sperber“ der Firma NAW aus Hameln zeigen – hier eine Aufnahme, die mir Leser Jürgen Klein in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat:

NAW „Sperber“ Tourenwagen um 1912; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Diese Tourenwagenausführung seines Modells „Sperber“ bauten die Norddeutschen Automobil-Werke (NAW) aus Hameln um 1912 in beachtlichen Stückzahlen.

Sie finden mehrere vergleichbare Aufnahmen in meiner NAW-Fotogalerie.

Die Kühlerpartie und der Typenschriftzug sind besser auf der folgenden Aufnahme zu erkennen, die aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks stammt:

NAW „Sperber“ Tourenwagen um 1912; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Hier kann man auch die erwähnten Gasscheinwerfer studieren und bekommt den Eindruck, dass die Kotflügel ganz ähnlich wie bei dem Wagen aus Großenhain gestaltet sind.

Nur die Kühlerform will so gar nicht passen – aber auch das klären wir gleich auf. Denn NAW brachte 1913/14 eine modernisierte Ausführung seines Erfolgsmodells „Sperber“ heraus, die nun 20 PS statt bisher 15 oder 18 PS leistete.

Der Hauptunterschied war in optischer Hinsicht der neue hufeisenförmige Kühler und das dort mittig angebrachte Kürzel „NAW“.

Zum ersten Mal begegnet ist mir dieses in der Literatur nur schlecht dokumentierte Facelift auf der folgenden Aufnahme mäßiger Qualität:

NAW „Sperber von 1913/14; Foto von 1921; Original: Sammlung Michael Schlenger

Toll ist das Foto nicht, ich weiß, aber manchmal muss man nehmen, was man kriegen kann. Immerhin wissen wir, dass dieser „Sperber“ einst bei einem Moselausflug zum Einsatz kam.

Zum Glück stieß ich später in einer Faksimile-Ausgabe des NAW-Prospekts von 1914 auf die folgende Abbildung des „Sperber“, die wohl keine Wünsche offenlässt.

NAW „Sperber von 1913/14; Prospektabbildung von März 1914; Faksimile aus Sammlung Michael Schlenger

Genau so hatte sich einst auch die Frontpartie des NAW Sport-Zweisitzers dargeboten, den einst Steffen Bonkes Großvater anno 1912/14 orderte.

Sofern der Wagen nicht für den Kriegseinsatz eingezogen wurde, mag er Anfang der 1920er Jahre noch eine Weile weiter in Gebrauch gewesen sein. Doch darf man vermuten, dass man bald Auschau nach etwas Modernerem hielt.

Im Fall von Steffen Bonkes Großvater war das ein Brennabor des Typs R 6/25 PS, doch das ist eine andere Geschichte.

Für heute belassen wir es bei dem NAW-Sport-Zweisitzer, den ich dank Steffen Bonke besprechen durfte und welcher der erste seiner Gattung ist, den ich mit diesem Werksaufbau zu Gesicht bekomme.

Er ist nun in meiner NAW-Galerie zuhaus‘ wie einst in Sachsen…

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Charaktertyp im Angebot – heute reduziert! BMW 326

Beim heutigen Besuch im Bau- und Gartenmarkt mangelte es nicht an Charaktertypen – man trifft dort viele schräge Vögel und viel mehr ungesund aussehende Leute als noch vor einigen Jahren. Mehr Bewegung und weniger Essen könnte da nicht schaden.

Auch auf der Straße waren einige vierrädrige Exemplare zu besichtigen, denen es guttun würde, einmal auf’s Wesentlche reduziert zu werden, um wieder als kantiger Charakter wahrgenommen zu werden.

Auffallend fand ich diesmal aufgeblähte Erscheinungen aus der aktuellen BMW-Produktion – mit grotesk verzerrter Frontpartie. Was ist nur aus den klassischen BMW-Nieren geworden?

Schauen wir mal, was eine aktuelle KI wie GROK abliefert, wenn man ein Foto einer idealisierten BMW-Limousine der späten 1930er Jahre mit extralanger Haube und an britischen Vorbildern der Zeit inspirierter Karosserie in Auftrag gibt.

Hier das Ergebnis, welches ich kürzlich erhielt:

Natürlich kann man hier im Detail vieles beanstanden, aber eines ist klar:

Das ist nicht nur einfach ein Klon von BMWs der 30er Jahre, sondern eine attraktive Kombination aus BMW-Elementen wie der Doppelniere, der geteilten Frontscheibe und der für sportliche britische Wagen jener Zeit typischen niedrigen Dachlinie.

Was ich zum Ausdruck bringen will: Schon eine kostenlose KI liefert auf Basis existierender Bilder Entwürfe möglicher Varianten ab, die dem ikonischen Charakter der Marke BMW gerecht werden und zugleich durchaus eigenständig wirken.

Vielleicht sollte man die hochbezahlten Designer bei BMW heutzutage einfach der Billigkonkurrenz aus dem Netz aussetzen – vielleicht gibt es dann auch heute mehr wieder mehr Charakterypen – aber auf’s Wesentliche reduziert.

Gutes Styling braucht keine bemühten Effekte, es wirkt durch perfekt austarierte Proportionen und lässig wirkende Linien.

Wie bei einem Vorkriegs-BMW der späten 1930er Jahre selbst dann noch die Klarheit der Form fortwirkt, wenn man den chromglänzenden Kühlergrill weglässt, das illustriert beeindruckend die folgende Aufnahme:

BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich habe mich mit dem BMW auf dieser Aufnahme gar nicht groß beschäftigt – aus der Situation mit in Arbeit befindlichen einfachen Ziegelbauten im Hintergrund und dem Fehlen des Kühlergrills schließe ich, dass dieses Exemplar ein stark gebrauchtes war, welches nach dem 2. Weltkrieg aufgenommen wurde.

Interessant ist die Aufnahme deshalb, weil trotz des ungewöhnlichen Durchblicks auf den sonst verborgenen eigentlichen Kühler des Wagens kein Zweifel daran besteht, dass wir es mit einem typischen BMW der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu tun haben.

Wenn ich in diesem Fall auf den Typ 326 tippe, ist das gar nicht so entscheidend wie sonst – mir geht es heute weniger um das genaue Modell als vielmehr um den Charaktertyp als solchen – diesmal reduziert im Angebot.

Wer den Eindruck hat, das ich heute ziemlich billig davonkommen zu versuche, hat völlig recht. Ich habe noch soviel großartigeres Material zu verarbeiten und vorzustellen, dass ich es mir mitunter einfach mache – aber nicht so einfach, über solche interessanten Dokumente einfach hinwegzugehen.

Wie immer gilt: Anmerkungen zu der Fotosituation und Details darin sind willkommen, auch wenn sie vom Thema wegführen. Im vorliegenden Fall scheint es Anlass dazu zu geben…

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Fund(e) des Monats: NAG Typ C4b „Monza“

Wenn ich heute geradezu verschwenderisch mit dem Material aus meinem Fotofundus sowie dem von Sammlerkollegen umgehe, hat das nur zum Teil damit zu tun, dass ich die letzten Tage jede freie Minute Sonne getankt habe.

Das notorische Schlafdefizit, welches ich meiner unstillbaren Neugier und diesem Blog „verdanke“, wird durch die Energiezufuhr seitens des Fusionsreaktors in durchschnittlich rund 150 Millionen Kilometern Entfernung locker überkompensiert.

Eine Dosis New Orleans Rhythm & Blues – als Abwechslung zum üblichen Klassikprogramm – ergänzt die Rezeptur. Aktuell läuft „Earl King“ über die Lautsprecher, die illiuminierten Leistungsanzeigen des Verstärkers tanzen inspiriert mit.

Machen wir es zur Abwechslung kurz – der Fund des Monats April 2025 ist eine hinreißende Variation über das öfter anklingende Thema NAG C4b „Monza“ in meinem Blog.

Zu Erinnerung: Dabei handelte es sich um eine sportliche Werksversion des Typs C4 der Berliner Traditionsfirma der ersten Hälfte der 1920er Jahre – damals eines der am häufigsten gebauten deutschen Autos überhaupt.

Bereits die „normale“ Tourenwagenausführung des 30 PS-Wagens sah flott aus, zumindest wenn sie so dynamisch inszeniert wurde wie auf dieser Aufnahme:

NAG Typ C4; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Als Hommage an einen Werksrennwagen auf dieser Basis, mit dem NAG im italienischen Monza einen vielbeachteten Erfolg erzielte, brachte man eine Straßenversion heraus, die bei gleichem Hubraum (2,5 Liter) stärker war und vor allem unglaublich rasant daherkam.

Für mich ist dieser Typ C4b mit 40 bis 45 PS eines der aufregendsten deutschen Autos der frühen 1920er Jahre überhaupt.

Kein anderer hiesiger Hersteller baute in Serie einen derartig radikal daherkommenden Sport-Tourer:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung: Klaas Dierks

Jetzt mögen die Verwöhnten unter Ihnen denken: „Ja, schön und gut, diese Rakete auf Rädern hat uns der Blog-Wart aber schon einige Male präsentiert – was ist denn heute so aufregend anders?

Um es vorwegzunehmen: Aufregender wird es heute nicht, aber dennoch werden Sie am Ende eine neue Perspektive auf diesen faszinierenden Straßensportler gewinnen. Bleiben Sie dran, Sie werden’s nicht bereuen.

Etliche Exemplare sind zwar bereits in meiner NAG-Galerie versammelt – mehr als irgendwo sonst in der Literatur oder im weltweiten Netz. Und einige stellen dieses Beispiel in den Schatten, das ich hier erstmals präsentiere:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vergleichen Sie einmal diesen Sport-Tourer mit dem Standard-Tourer auf dem eingangs gezeigten Foto – außer dem markanten NAG-Kühler und den (beim Monza eher seltenen) Stahlspeichenrädern gibt es keine Gemeinsamkeiten.

Dass man auf praktisch demselben Chassis und mit kaum verändertem Antrieb so ein völlig anders daherkommendes Automobil in Serie bauen konnte, das gehört zu den vielen Reizen von Vorkriegswagen – das geht in der Moderne schon lange nicht mehr.

Und dann konnte so ein Sport-Tourer genauso als verlässlicher Reisewagen eingesetzt werden, sofern man nur Minimalgepäck mitführte und über einen gesunden Body-Mass-Index verfügte.

Wirklich sportlich fahren ließ sich so ein Fahrzeug bei voller Besetzung natürlich nicht – aber darauf kam es nicht an. Es gab vor 100 Jahren eine Klientel, für die ein Auto weit mehr war als ein Fortbewegungsmittel oder ein Wohlstandsindikator.

Ein NAG C4b „Monza“ war ein ästhetisches Statement – wer so etwas „Unvernünftiges“ fuhr, gab damit zu erkennen, dass er etwas von Lebenskunst verstand. Wie ich zu sagen pflege: Kultur beginnt dort, wo nicht mehr schnöde Notwendigkeiten das Dasein diktieren.

Dem vermeintlichen Vernunftwesen Mensch wohnt nämlich die Freude am Überfluss, am Genuss des Augenblicks und am Spiel unter der Sonne inne:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich bin sicher, dass Sie den NAG C4B „Monza“ so noch nie gesehen haben. Es handelt sich übrigens um dasselbe Fahrzeug wie auf dem zuvor gezeigten Foto.

Den Aufnahmeort zu ermitteln, das überlasse ich gerne einem Leser, der schneller in solchen Sachen ist als ich. VIelleicht entstand das Foto am Wolfgangssee, aber das ist nur eine unfundierte spontane Eingebung.

Letztlich steht auch heute das Auto im wahrsten Sinn im Vordergrund – als Transporter in die weite Welt, als Überwinder von Zeit und Raum, als Ermöglicher von Situationen wie dieser, in denen erwachsene Männer mit Bubenfreude Dinge tun, die in keinem Reiseführer „vorgesehen“ sind, während die Damen die Herren tun lassen, was sie tun müssen:

Na, habe ich zuviel versprochen in Sachen NAG C4b „Monza“? Wenn Sie sich jetzt fragen, wo denn verdammt nochmal alle diese umwerfend leicht daherkommenden Sport-Tourer geblieben sind, kann ich es auch nicht sagen.

Aber eines kann ich Ihnen versprechen: Von genau diesem Modell liegen mir aufgrund einer glücklichen Fügung (ok., es war auch nicht ganz kostenlos) ein phänomenaler Fundus an Originalaufnahmen vor, mit dem ich noch viele solcher Funde des Monats bestreiten kann…

Nachtrag: Gerade stelle ich fest, dass die beiden zuletzt vorgestellten Fotos denselben einst im Bezirk Wiesbaden zugelassenen NAG zeigen, den ich bereits früher anhand dieser Aufnahme von Leser Klaas Dierks präsentieren konnte – wahrlich ein Fund des Monats…

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

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Eins und Eins? Macht Acht! Horch 710/720 Sport-Cabrio

Kennen Sie schon das neue Delikt der „falschen Tatsachen-Behauptung“?

Offiziell ist es noch nicht justiziabel, aber es scheint in deutschen Landen Kräfte zu geben, die gern ein staatliches oder staatlich subventioniertes Wahrheitsamt installieren möchten.

Ob dieses künftig auch dafür zuständig sein wird, Wahlversprechen daraufhin zu überprüfen, ob sie später auch tatsächlich eingehalten werden, glaube ich weniger.

Auch wird man wohl nicht Behauptungen ins Visier nehmen, wonach man korrektes Schreiben nach Gehör lernen oder sich das Geschlecht einfach selbst aussuchen kann.

Nein, man hat es ganz gewiss nur auf eindeutige Falschaussagen abgesehen, wie ich sie heute im Titel formuliert habe: 1+1=8!

Sie werden aber sehen, dass auch grober Unfug wie dieser bei näherer Betrachtung seine Berechtigung haben kann, im literarischen Sinne jedenfalls. Man bekommt dabei eine Ahnung davon, was passieren würde, wenn man das Wieselwort „Wahrheit“ irgendwelchen Meinungsräten als Maßstab zur Verfügung stellt, die keinen Spaß verstehen.

Dass natürlich „eins“ und „eins“ zusammen „acht“ ergeben können, wenn man bildhafte Sprache versteht und um „die Ecke“ denken kann, das will ich heute zeigen.

Manche unter Ihnen erinnern sich vielleicht an dieses prächtige Foto, dass ich einst beiläufig unter dem ebenfalls kritikwürdigen Titel „Vom Ich zum Selbst“ neben anderen gezeigt habe:

Horch 710 oder 720: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich hatte dieses Fahrzeug anhand einiger Details wie dem geflügelten H auf dem Kühler, der einteiligen Stoßstange, den seitlichen Motorklappen und der Gestaltung der Frontscheibe als Horch des Typs 710 oder 720 von 1932/33 identifiziert.

Dabei handelte es sich um die 80 bzw. 90 PS starken Modelle der sächsischen Luxusmarke, die 1932/33 die Nachfolge der 400er Reihe antraten, die ich in meinem Blog und in der einschlägigen Marken-Galerie bereits hinreichend behandelt habe.

Leider ist dieses Foto lange das einzige in meinem Fundus geblieben, das eines dieser großartigen Autos zeigt, mit denen sich Horch damals von den bis dato als Vorbild gewählten amerikanischen Wagen loslöste und zu der eigenen Linie fand, welche den legendären Ruf der Marke untermauerte.

Doch zu „eins“ ist jüngst wieder „eins“ hinzugekommen – und erst damit wird der herrliche 8-Zylinderwagen endlich komplett. Hier haben wir das zweite Puzzleteil, welches einen solchen Horch 710 oder 720 in der besonders begehrten Version als Sport-Cabriolet zeigt:

Horch 710 oder 720: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser Aufnahme, die Gourmets als Schrott disqualifiizieren würden, nicht nur wegen des angerempelten Trittbretts, sehen wir nun den zweiten Teil unseres Horch-Puzzles.

Ja, dieses Exemplar besitzt keine Drahtspeichenräder, sondern Scheibenräder, aber beides war verfügbar beim Horch 710/720. Entscheidend für mich sind die Luftklappen in der Motorhaube, die langgestreckten Vorderkotflügel ohne seitliche „Schürzen“ und die Feinheiten des Aufbaus als zweitüriges Cabriolet.

Markant ist insbesondere die Ausführung der Tür mit schön geschwungenem unterem Abschluss und die sonst nirgends zu sehenden beiden Türscharniere. Genau doeses Details finden sich am „Sport-Cabriolet“ wieder, welches im formidablen Standardwerk „Horch – Typen, Technik, Modelle“, von Kirchberg/Pönisch auf Seite 269 abgebildet ist.

Und natürlich waren hier 8 Zylinder unter der Haube! Sie sehen – mangels eigener Erkenntnis präsentiere ich diese Zuschreibung hier als Tatsachenbehauptung.

Jetzt stellen Sie sich vor, igrendeiner weiß es besser und kann anhand eindeutiger Quellen darlegen, dass dies falsch ist und dass es sich um einen anderen Typ handelt.

Man ahnt, auf welches dünnes Eis man gerät, wenn man den Maßstab der Wahrheit an alles anlegt, was irgendwer, irgendwo und irgendwie vom Stapel lässt. Das wäre schlicht das Ende der Meinungsfreiheit, die nach John Stuart Mill („On Liberty„) auch das Recht umfasst, Blödsinn zu erzählen oder sogar evident Kontrafaktisches zu behaupten.

Der geeignetste Maßstab für richtig oder falsch scheint der zu sein, was im Wettbewerb der Ansichten, Überzeugungen und Argumente sich am Ende (oder auch nur vorläufig) als als die beste Annäherung an „die Wahrheit“ herausstellt.

Offensichtlich Falsches lässt sich widerlegen, Ironie oder Satire lässt sich als solche erkennen, ebenso künstlerische Freiheit. Auf letztere würde ich mich zurückziehen, wenn mir einer unterstellen wollte, dass doch eins und eins unmöglich acht ergeben können.

Wäre jedenfalls schade, wenn man sich solcher Spielereien im kultivierten Umgang miteinander nicht mehr bedienen könnte, meine ich….

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Kandidat für die „Fenstersteuer? Wanderer W50 Cabrio

Normalerweise pflege ich zwecks Identifikation spezieller Typen von Vorkriegswagen Radbolzen und Haubenschlitze zu zählen – oft liefert das wertvolle Hinweise. Tendenziell ist dabei eine größere Zahl als Indiz für eine stärkere Motorisierung zu werten.

Wenn ich heute zur Abwechslung Fenster zähle, dient das grundsätzlich demselben Zweck, denn heute gilt es, die Cabriolet-Version des ab 1936 gebauten Wanderer W50 mit 2,3 Liter Motor von den parallel erhältlichen Ausführungen W40 und W45 abzugrenzen.

Dank der vorbildlichen Literatur zu der sächsischen Traditionsmarke (Erdmann&Westermann: Wanderer Automobile, Verlag Delius-Klasing) können wir uns heute in solchen Details verlieren – wie immer anhand geeigneter Originalfotos.

Dabei bestätigt sich die Erkenntnis, dass bei nur kleiner Grundgesamtheit die Verteilung unterschiedlicher Merkmale rein zufällig schwanken kann – also nicht repräsentativ ist.

So liegen mir vom 2-fenstrigen Wanderer-Cabriolet jener Zeit doppelt so viele Fotos vor wie von der 4-fenstrigen Version – tatsächlich wurde letztere aber weit öfter gebaut.

Doch machen wir die Sache konkreter, denn Sie wollen ja nicht über angemessene Stichprobengrößen belehrt werden, sondern wollen vor allem etwas sehen. Also beginnen wir mit diesem netten Dokument:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet der mäßigen Qualität dieses Abzugs lässt sich das markentypische geflügelte „W“ auf der Kühler erahnen. Die eigentümliche Gestaltung der Luftschlitzer in der Haube gabe es zwar schon beim Typ W240/245 ab 1935, doch die hohe seitliche „Schürze“ am Vorderkotfügel verweist auf den 1936 eingeführten Nachfolgertyp W40/45/50.

Die Motorvarianten – ein 2 Liter (40 PS) und ein 2,3 Liter (55 PS) – waren unterdessen gleichgeblieben. Allerdings merkte man bei Wanderer bald, dass der W40 untermotorisiert war, sodass es das 2-Fenster-Cabriolet bald nur noch als W45 (55 PS) gab.

Verwirrend, nicht wahr? Egal, denn es gibt auf dem Weg zum eigentlichen Kandidaten des heutigen Blog-Eintrags noch Bemerkenswertes zu besichtigen.

Hier haben wir das 2-Fenster-Cabriolet von Wanderer – übrigens meist mit Aufbau von Gläser (Dresden) – aus einer ungewöhnlichen Perspektive:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Ob das winzige Rückfenster eine gute Idee war – gestalterisch wie funktionell – lassen wir einmal dahingestellt sein.

Mit vielen überholwilligen Automobilisten war im verkehrstechnisch rückständigen Deutschland der 1930er unterwegs kaum zu rechnen.

Ohnehin fuhr sich so ein Wanderer-2-Fenster-Cabrio weit angenehmer offen – auch wenn der BDM-Wimpel des nationalsozialistischen „Untergau 1“ hier eher unangenehm wirkt:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wir kommen an der inflationären Präsenz des Hakenkreuzes ab 1933 in deutschen Landen leider nicht vorbei und es ist zwecklos, vor dem faschistischen Kulturbruch Deutschlands die Augen zu verschließen.

Die Ergebnisse dieser fatalen Epoche wirken bis heute fort, nicht nur in den vielen im Krieg zerstörten Städten, sondern auch in der vererbten Verstörung vieler Deutscher, denen eine gelassene Einstellung zur eigenen Nation unendlich schwerfällt.

In meinem Fall dürfen Sie sicher sein, dass ich das Hakenkreuz auf solchen Fotos stets nur aus dokumentarischen Gründen zeige – mir ist jede totalitäre, kollektivistische und egalitäre Ideologie zuwider – egal, in welcher Farbe sie angestrichen ist.

Noch kurz vor dem Krieg posiert hier ein dandyesk wirkender Herr vor seinem Wanderer W40/45-Cabriolet mit 2 Fenstern – ein erfreulicher Kontrast zu den sonst oft zu sehenden pseudomilitärisch zurechtgemachten feisten Zeitgenossen:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ähnliches ist über den sympathisch wirkenden jungen Mann auf der folgenden Aufnahme zu sagen – seine Montur deutet darauf hin, dass er einem ehrlichen Beruf nachging, bei dem man sich die Hände schmutzig machte, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

In welcher Beziehung er zu dem Wagen und der scheu dreinschauenden Insassin stand, ist unser Fantasie überlassen – alles ist möglich auf diesen Zeugnissen der Welt von gestern:

Wanderer W50 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Eines lässt sich aber sicher sagen: Dieses Wanderer-Cabriolet besaß bei aller sonstigen Übereinstimmung mit den bisher gezeigten Exemplaren vier statt nur zwei Seitenfenster.

Das ist gemäß der Literatur ein untrüglicher Hinweis darauf, dass wir hier das Spitzenmodell von Wanderer – den Typ W50 – vor uns haben. Er besaß den „großen“ Sechszylindermotor mit 2,3 Litern Hubraum und 55 PS.

Mit größeren Hubraum war tendenziell eine höhere KfZ-Steuer verbunden – eine Regelung, die steuersystematisch grober Unfug ist. Denn die Hubraumsteuer oder überhaupt jede KfZ-Steuer hat keinerlei Bezug zur grundlegenden Leistungsfähigkeit eines Bürgers.

Diese ergibt sich nur aus seinem vereinnahmten bzw. verausgabten Einkommen. Nachdem das Erzielen von Einkommen schon einmal vom Staat zum Anlass genommen wurde, sich zu bedienen. ist dasselbe jedesmal der Fall, wenn das Nettoeinkommen ausgegeben wird.

Nehmen wir also an, einer kaufte sich ein neues Wanderer-Cabriolet – dann zahlte er nach Maßgabe des Kaufpreises Umsatzsteuer darauf. Das lässt sich steuersystematisch grundsätzlich mit dem Leistungsfähgkeitsprinzip in Einklang bringen.

Je nach dem, wie viel der Wanderer-Besitzer nun herumfährt, bezahlt er auf seine Ausgaben für Benzin, Öl,. Reifen, Wartung usw. jedemal Steuern. Alles schön und gut, aber: Warum zum Teufel soll er auf eine physikalische Größe wie den Hubraum seines Motors auch noch Steuern zahlen, selbst wenn die Fuhre das ganze Jahr in der Garage steht?

Wir kommen uns heute besonders fortschrittlich und schlau vor, lachen über Absurditäten wie die historische Fenstersteuer, mit denen die Leute früher willkürlich belegt wurden, um staatliche Verschwendung, Kriege, Prestigeprojekte usw. zu finanzieren.

Dabei ist die Hubraumsteuer schlicht die moderne Entsprechung der Fenstersteuer. Doch immerhin im Fall des 4-Fenster-Cabriolets auf Basis des Wanderer W50 kann ich bedingt Entwarnung geben.

Denn die zwei zusätzlichen Fenster führten ja nur im Vergleich zum 2-fenstrigen W40 zu einem Steueraufschlag, da dieser einen kleineren Hubraum (2 Liter) hatte. Nachdem das W40-Cabrio durch den ebenfalls zweifenstrigen W45 esetzt worden war, der den stärkeren Motor des W50 besaß, hatte sich die „Fenstersteuer“ erledigt…

Klingt alles ziemlich irre, war aber so und ist heute nicht viel anders.

Nur die Eleganz eines Wanderer-Cabrio, die einen alles ertragen lässt, die fehlt in unseren Tagen. Doch zum Glück haben wir die Zeugnisse von einst, die einen zumindest in ästhetischer Hinsicht bereichern, ohne dass irgendeiner dafür kassiert…

Wanderer W50 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

1914 ein echter Sportwagen! Opel 8/30 PS bzw. 11/35 PS

Ein echter Sportwagen von Opel – wann hat man das zuletzt gesehen? Nun, in meinem Fall kann ich sagen: gerade letzte Woche!

Allerdings war das Teil gerade erst einmal 50 Jahre alt – es war nämlich ein „Manta „B“, wie er ab 1975 gebaut wurde. Lachen Sie jetzt nicht: für mich war das ein echter Sportwagen!

Er kam mir flott bewegt auf der Landstraße entgegen und ließ mit seiner flachen Coupé-Silhouette und der knackig gezeicheten Karosserie Erinnerungen aufkommen.

Einige Fahrimpressionen in einem sportlich bewegten Exemplar dieses oft belächelten Typs konnte ich Ende der 1980er Jahre sammeln. Damals hatte ich einen Programmierkurs belegt, den auch zwei Handwerker aus dem Nachbarort besuchten.

Gleich nach der ersten Sitzung boten Sie mir an, dass sie mich nach Hause fahren und künftig auch abholen. Natürlich fuhren beide getrennt, denn so hat man mehr Spaß – der eine mit einem Opel Commodore Coupé, der andere mit einem Manta B.

Beide Autos waren Gebrauchte mit einigen Modifikationen, wie sie bei diesen Großserienwagen damals leicht und kostengünstig zu bewerkstelligen waren, sofern man einen guten Draht zum örtlichen TÜV-Prüfer oder Talent in Sachen Tarnung hatte.

Härteres und niedrigeres Fahrwerk, dicke Reifen, leistungsgesteigerte Motoren und vor allem eine Hifi-Anlage und Hosengurte gehörten zu den Ingredienzen. In Verbindung mit dem für heutige Verhältnisse lachhaften Gewicht und beherzter Fahrweise stellte sich darin durchaus das Gefühl ein, in einem Sportwagen zu sitzen.

Die beiden Opel-Buben und ihr Spaß am sportlich bewegten Großserienauto mit vielleicht 90-100 PS gefielen mir – und wir verstanden uns ausgezeichnet. Überhaupt ist mir noch kein Handwerker begegnet, mit dem ich als Abiturient und Studierter nicht eine gemeinsame Linie gefunden hätte. Nur gewisse Akademikertypen entpuppen sich öfters als Miesepeter.

Soviel zu meinem wie immer persönlichen Zugang zum Thema Opel-Sportwagen, wobei ich ergänzen möchte, dass mich außer dem Manta kein einziges Nachkriegsmodell aus Rüsselsheim jemals angezogen hat.

So, wie schaffen wir jetzt noch den deutlich weiteren Zeitsprung ins Jahr 1914? Nun, das erledigte dieser Tage Leser und Sammlerkollege Klaas Dierks für mich.

Er hatte nämlich bei dem folgenden Gefährt angesichts der schrägstehenden „Kiemen“ in der Motorhaube bereits auf Opel getippt, war sich angesichts des ungewöhnlichen Kühlers aber nicht sicher:

Opel 8/30 PS oder 11/35 PS von 1914; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Zur Situation weiß Klaas Dierks zu sagen, dass dieser schnittige Wagen mit Mitgliedern der Freiwilligen Kriegskrankenpflege auf deutscher Seite im 1. Weltkrieg abgelichtet wurde.

Ich weiß selbst nichts über diese Organsation, stelle mir aber vor, dass es sich um Männer handelte, die aus Gründen wie Ausmusterung, Alter oder sonstiger Unabkömmlichkeit vom Kriegsdienst befreit waren, aber das Elend der verwundeten und verstümmelten Soldaten nach Kräften lindern wollten.

Eine patriotische Pflicht, die uneingeschränkt diese Bezeichnung verdient, meine ich. Wie immer ist auch hier jede weiterführende Information willkommen, denn in meinem Blog geht es um mehr als nur Vorkriegsautos auf alten Fotos – es geht um die ganze Welt von gestern und die Gedanken und Gefühle, welche diese in der Gegenwart zu wecken vermag.

Mein Beitrag diesbezüglich beschränkt sich heute auf den Versuch einer Einordnung dieses außergewöhlichen Fahrzeugs. Ich plädiere hier ebenfalls dafür, dass es sich um einen Opel handelt, auch wenn die Kühlerpartie zunächst ungewöhnlich erscheint.

Weder entspricht sie den üblichen Verhältnissen vor 1914 noch denen nach Kriegsende. Zum Glück erinnerte ich mich daran, dass es in der verdienstvollen Darstellung „Opel Fahrzeug-Chronik Band 1 1899-1951“ von Bartels/Manthey (Verlag Podszun 2012), die ich bezüglich der Marke regelmäßig konsultiere, die Abbildung eines ähnlichen Wagens gibt.

Auch wenn der Aufbau etwas abweicht, stimmt doch die Kühlerpartie des dort auf S. 52 rechts unten abgebildeten Wagens mit der auf dem vorgestellten Foto überein.

Offenbar schon 1913 hatte Opel einen Werks-Sportwagen der 2-Liter-Klasse ins Programm aufgenommen, der dank im Zylinderkopf hängender Ventile und erhöhter Verdichtung etwas über 30 PS leistete.

Das klingt nach heutigen Maßstäben vielleicht nicht sonderlich beeindruckend, doch man muss berücksichtigen, dass ein herkömmlicher Zweilitermotor mit seitlich im Block stehenden Ventilen damals nur etwa 20 bis 22 PS leistete.

Da war ein Wagen dieser Hubraumklasse mit um 50 % erhöhter Leistung eine echte Offenbarung. Tatsächlich werden als Spitzentempo für den Opel 8/30 achtbare 100 Stundenkilometer angegeben.

Es gab daneben noch stärkere Ausführungen ab Werk, darunter den Typ 16/35 PS, der faktisch eine Höchstleistung von 50 PS erreichte.

Nicht ganz eindeutig der Literatur zu entnehmen, ob die Drahtspeichenräder an dem heute vorstellten Exemplar auch beim Modell 16/35 PS Serie waren – beim 8/30 PS waren sie es jedenfalls, doch den gab es angeblich nur als Zweisitzer.

Allerdings bot Opel auch den Sport-Viersitzer 9/25 PS an, der einen konventionellen Motor mit 2,3 Litern Hubraum hatte, welcher deutlich zahmere 25 PS leistete.

Etwas verwirrend ist das alles zugegeben – aber mehr konnte ich den überlieferten Angaben auch in der sonstigen Literatur nicht entnehmen.

So gut wie sicher bin ich mir bei der Ansprache als Opel-Werkssportwagen von ca. 1914, vielleicht kann ja ein sachkundigerer Leser Licht ins Dunkel bringen, am besten mit Verweis auf weiteres Quellenmaterial.

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Wohin nur mit dem Geld? Klar: Ein Horch von 1921!

Wer in den letzten Monaten nicht zugehört hatte, musste als Aktienanleger in den letzten Tagen ganz schön einstecken. Denn die neue US-Regierung arbeitet auch in Sachen Einfuhrzöllen schnell und konsequent ihre angekündigte Agenda ab.

Ob die Zollgranate der Amis nun angemessen ist und auf mittlere Sicht die erhoffte Wirkung zeitigt, was das krasse Handelsdefizit und die katastrophale Haushaltslage der Vereinigten Staaten angeht (denn darum geht es), darüber lässt sich streiten.

Nachdem ich meinen Aktienfonds-Sparplan im Dezember angesichts hoher Bewertungen in den USA beendet und Kasse gemacht hatte – ich brauchte die Moneten auch – habe ich die jüngsten Kurskorrekturen zum vorsichtigen Neueinstieg genutzt.

Keine Sorge – das Auf und Ab der Börsen ist seit dem Dotcom-Crash 2000 mein ständiger beruflicher Begleiter und ich bin mit den übertriebenen Reaktionen der Aktienmärkte nach oben wie nach unten über etliche Zyklen vertraut.

Wenn es einen guten Rat in Sachen Geldanlage gibt, dann diesen: Investieren Sie nie ihr ganzes Kapital auf einen Schlag und nie in nur eine Anlageform und: kaufen Sie nur, was Sie verstehen und wovon Sie persönlich überzeugt sind.

Also tun Sie mir den Gefallen: Lassen Sie aktuell die Finger von Aktienanlagen, wenn Ihnen nicht wohl dabei ist und lassen Sie sich nicht zu Euphorie angesichts mutmaßlicher Kaufkurse verleiten – ob wir die schon haben, wissen wir erst, wenn es zu spät ist.

Diese Haftungsausschlusserklärung (Aussagen im Zusammenhang mit Geldanlagen sind nicht als Anlageberatung zu verstehen) bezieht sich auch auf die augenzwinkernde „Empfehlung“, sich eilig einen Horch von 1921 zuzulegen.

Dieses Risiko können Sie sich schon deshalb nicht leisten, weil es wahrscheinlich gerade keinen im Angebot gibt und wenn doch, dürfte sein Preis sechsstellig sein…

Doch anno 1921 war es für vermögende Zeitgenossen, die angesichts der Überschuldung des Deutschen Reichs nach dem 1. Weltkrieg vor der Frage standen „Wohin nur mit dem Geld?“ durchaus eine Überlegung wert, sich so ein Gefährt zuzulegen:

Horch Landaulet von 1921; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Diese herausragende Aufnahme verdanke ich in digitaler Kopie dem Sammler und Leser Jörg Pielmann, der hier einen Horch (siehe Kühleraufschrift) an Land gezogen hat, welcher so nach meiner Recherche bislang noch nirgends dokumentiert ist.

Glücklicherweise ist als Aufnahmedatum das Jahr 1921 überliefert, und angesichts des Zustands des Wagens mit Landauletaufbau und gepfeilter Frontscheibe dürfen wir annehmen, dass dies auch das Entstehungsjahr dieses mächtigen Automobils war.

Bei Horch arbeitete man damals an einer Reihe mittelschwerer Vierzylindertypen mit 35 bzw. 45 PS, die ab 1922 den Neubeginn des Herstellers markierten.

Doch bis es soweit war, hielt man sich mit Modellen über Wasser, die noch vor 1914 entstanden waren. So kommen im vorliegenden Falle anno 1921 grundsätzlich folgende größere Vorkriegstypen in Frage: 18/50, 25/60 und 33/80 PS.

Wie bei allen Anlagefragen agieren wir hier unter Unsicherheit und von daher ist meine Einschätzung wiederum nicht als gesicherte Aussage zu verstehen, auf die Sie sich verlassen sollten. Überhaupt sollten Sie wie im richtigen Leben bei allem kritisch sein, was ich hier als vermeintlicher Experte so von mir gebe.

Unter Vorbehalt des Irrtums und unter Ausschluss jeder Gewährleistung äußere ich die Ansicht, dass dieser prächtige Horch anhand der Gestaltung der Räder und speziell der Naben als noch eher moderat motorisierter Typ 18/50 PS anzusprechen ist:

Bei den äußerlich sehr ähnlichen, aber weit stärkeren Horch-Modellen mit gigantischen Hubräumen von 6,4 Liter (60 PS) bzw. 8,5 Liter (80 PS) finden sich auf den ganz wenigen Abbildungen massiver ausgeführte Räder mit mehr Schraubverbindungen als hier.

Diese Spitzenmodelle waren mit 122 bzw. 46 Exemplaren auch weit seltener als der knapp 300mal gebaute Horch 18/50 PS. Wir ersehen daraus zumindest eines: Es gab 1921 nur wenige hinreichend liquide Zeitgenossen in deutschen Landen, die ihr zurecht als bedroht angesehenes Kapital in solchen Horch-Vorkriegskonstruktionen versenkten.

Auf lange Sicht – ein von Anlageberatern gern bemühter Zeitraum – hätte im Jahr 1921 das Investment in so einem Horch-Luxusgerät zumindest den Werterhalt ermöglicht.

Denn damals wie heute darf man grob den Gegenwert eines Einfamilienhauses für ein Automobil dieser Klasse veranschlagen, sofern es sich in perfektem Originalzustand befindet, wie das die meisten modernen Kaufaspiranten wünschen.

Bloß was nutzt einem, selbst wenn man langfristig richtig liegt, ein Anlagehorizont von gut 100 Jahren? Genau, und das ist zum Schluss noch eine Lehre, die ich allen mit auf den Weg geben will, die sich aktuell fragen: Wohin mit dem Geld?

Also: Wann brauchen Sie ihre Moneten wieder und wie wichtig ist es, dass es bis dahin nicht infolge von Marktturbulenzen oder strukturellen Trends weniger geworden ist? In Bezug auf Vorkriegs-Oldtimer heißt das schlicht: Investieren Sie darin, wenn Sie selber Freude daran haben und ihren Nachkommen etwas Besonderes vermachen wollen.

Aber als Geldanlage? Nie und nimmer.

Investieren heißt, etwas erwerben, was aus sich selbst heraus produktiv ist und einen Ertragsstrom abwirft, weil andere einen messbaren Nutzen daraus beziehen. Alles andere ist reine Spekulation so wie die Frage, was für ein Horch hier anno 1921 im Angebot war…

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Für Kenner und Genießer: Ein sportlicher Dürkopp Typ P

Seit bald 10 Jahren betreibe ich meinen Blog für Vorlriegsautos auf alten Fotos – entstanden aus einer Analyse vorhandener (bzw. nicht vorhandener) deutschsprachiger Online-Formate zu dem Thema.

Warum sonst keiner auf die Idee gekommen ist, auf diese Weise die Vorkriegs-Automobilität zu dokumentieren und als Nebenprodukt die größte allgemein zugängliche Fotogalerie zu Marken und Typen im deutschsprachigen Raum aufzubauen?

Mein Eindruck ist, dass man sich hierzulande generell mit den Möglichkeiten der digitalen Technologien schwertut. Ich kann mich noch an die Diskussionen um „Handystrahlen“ erinnern zu einer Zeit, als in Italien längst jeder von morgens bis abends mit dem Mobiltelefon zugange war.

Während eines meiner Studentenjobs vor über 30 Jahren bei einem damaligen deutschen Mobilfunkanbieter war ich Zeuge der absurden Vorbehalte gegen die andernorts bereits etablierte Technologie.

Immerhin gab es damals noch einheimische Hardware-Anbieter auf dem Sektor; der Anschluss an die grandiose weitere Entwicklung wurde dann aber verpasst.

Vor allem die Kunst bedienerfreundlicher Anwendungen wird hierzulande nicht beherrscht – es wird schlicht zu kompliziert gedacht – wenn überhaupt. Der Versuch deutscher Kreditinstute, über Jahre eine Alternative zu Paypal in den Markt zu drücken, ist ein Beispiel.

So mag mancher über die Dominanz US-amerikanischer (und asiatischer) Anbieter schimpfen, aber selbst dazu muss er deren Technologie nutzen. Dabei kann man damit tatsächlich die großartigsten Sachen machen, gerade wenn man kein IT-Fachmann ist.

Wenn ich nun für mich beanspruche, konkret das Blog-Format von WordPress zu Vorkriegsautos einigermaßen gekonnt zu nutzen, so macht mich das noch längst nicht zum Kenner, was das Thema als solches angeht.

Jedenfalls stoße ich fast täglich an meine Grenzen, was deutsche Vorkriegsmarken angeht. Das gilt interessanterweise auch für keineswegs exotische Hersteller wie Dürkopp, von dem mir haufenweise Originaldokumente (inklusive Prospekte) vorliegen und zu dem ich ohne besondere Absicht nebenbei eine nette Galerie mit Fotos und Reklamen aufgebaut habe.

Sollte es im autoaffinen Deutschland keinen geben, der irgendwo klare Struktur in die Markenhistorie gebracht und diese mit Fotos und Kommentaren unterlegt hat? Das ist doch irgendwie merkwürdig und bedauerlich.

Denn bei der Marke Dürkopp stößt man immmer wieder auf Prachtstücke wie dieses:

Dürkopp Typ P um 1925; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Bezeichnend ist, dass mich dieses großartige Originalfoto nicht etwa aus Nordhrein-Westfalen erreicht hat, wo einst die Marke Dürkopp in Bielefeld neben Fahrrädern und Schreibmaschinen auch hochwertige Automobile fertigte – von 1897 bis 1927.

Nein, diese Aufnahme hat wieder einmal mein australischer Sammlerkollege Jason Palmer an Land gezogen, der sich mit europäischen Vorkriegsautos beneidenswert gut auskennt (er besitzt auch welche).

Unter den nicht wenigen Fotos von Dürkopp-Autos, die ich bisher zusammengetragen habe, ist dieses einzigartig.

Kein anderes zeigt einen Wagen der Marke mit solchen sportlichen Merkmalen wie sehr niedriger gepfeilter Frontscheibe, Drahtspeichenrädern, 10 hohen Luftauslässen in der Haube und außenliegendem Auspuffrohr.

Ein Foto, das nur echte Kenner der Marke entschlüsseln können – die gibt es doch sicher irgendwo hierzulande, oder? Ich zähle auch nach 10 Jahren nicht dazu – was auch für die allermeisten hier vorgestellten Marken angeht – doch es gibt ja noch den Status des reinen Genießers, und den möchte ich mir selbst gern zuerkennen.

Doch selbst der darf im Sinn der im Rahmen der Meinungsfreiheit auch Urteile in Feldern äußern, welche Experten gern für sich reservieren würden. Also erlaube ich mir folgende Einschätzung. die ich wie immer zur Diskussion stelle:

Der Dürkopp auf dem Foto aus Sammlung Jason Palmer wirkt aufgrund der niedrigen Frontscheibe auf den ersten Blick wie eines der 6-Zylindermodelle mit entsprechend langer Motorhaube, die man ebenfalls anbot.

Doch nimmt man die junge Dame mit den großen Augen als Maßstab, kommt man zum Urteil, dass man es eher mit dem gängigen und kompakteren Vierzylindertyp P zu tun hat.

Der wurde ab 1919 mit 2,1 Liter-Motor gebaut und leistete wie bei damaligen Seitenventilern gängig rund 24 PS bzw. später gut 30 PS. Es gab auch eine Sportversion mit 2 Litern Hubraum, von der 60 PS Leistung überliefert sind, doch das war den Daten nach eine eigenständige Konstruktion mit Kompressor (kommt bei anderer Gelegenheit).

Letztlich ist aus meiner Sicht zu konstatieren, dass sich hier jemand von Dürkopp unter Verwendung markentypischer Elemente wie des schnittigen Spitzkühlers eine eigenständige Variation über das Thema Typ P hat schneidern lassen.

Woanders werden Sie das nach meiner Überzeugung nicht finden, so gern ich auf ein Vergleichsexemplar verweisen würde, insofern heute ein Fall für Kenner und Genießer.

Nur bei einer Sache bin ich mir absolut sicher: Der Schriftzug „Banco Germanico de la America del Sud“ im Hintergrund verweist auf eine vor dem 1. Weltkrieg unter anderem von der Dresdner Bank gegründete Tochtergesellschaft aus einer Zeit, in der deutsche Kreditinstitute weltweit eine bedeutende Rolle als Handelsfinanzierer spielten.

Als ich vor über 35 Jahren meine Ausbildung bei der Dresdner Bank in Frankfurt/Main absolvierte, war deren Lateinamerika-Tochter noch quicklebendig. Leider ist wie auf dem Technologiesektor auch hier inzwischen festzuzstellen: Tempi passati.

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Zwischenstopp im Elektrozeitalter! BMW 327/28

Elektroantrieb ist eine großartige Sache – jeder kennt unzählige Anwendungen, deren Nutzen niemand in Zweifel zieht und die sich wie alle echten Innovationen von allein am Markt durchsetzen.

Wer beispielsweise einen Garten und sensible Nachbarn hat, weiß es zu schätzen, dass man heute fast alles mit leisen Elektrowerkzeugen und sogar kabellos erledigen kann – sofern man nicht zur Fraktion derer gehört, die noch selber mechanische Arbeit verrichten.

Der Stromhunger wächst bereits seit 150 Jahren unaufhörlich, was gern vergessen wird, wenn im 21. Jh. das Elektrozeitalter ausgerufen wird, als ob das etwas Neues wäre.

Wirklich neu und Unfug ist die vermehrte dezentrale Einspeisung von Zufallstrom, womit nichts zur stabilen Versorgung rund um die Uhr und nichts zur Aufrechterhaltung der elementaren Netzfrequenz von 50 Hertz beigetragen wird – im Gegenteil.

Wäre das nicht von fachfremder Seite verordnet, würde niemand auf die Idee kommen, Stromquellen mit maximaler Energiedichte, Rund-um-die Uhr-Bereitschaft und großen Turbinen für das Setzen und Halten der Netzfrequenz eine nach der anderen abzuschalten.

So kürzlich im Fall eines der modensten, effizientesten und saubersten Kohlekraftwerke der Welt (Moorburg in Hamburg) geschehen. Eine Milliardeninvestition einfach gesprengt, die Turbinen wurden nach China verkauft. Die Kohle (aus dem Boden) wird jetzt woanders verbrannt.

Zu den wertvollsten Elektrizitätsquellen gehörte schon früh die Wasserkraft, sie erfüllt auch heute noch alle Anforderungen an intelligente Stromversorgung – hohe Energiedichte, jederzeitige Verfügbarkeit, Regelbarkeit und kostengünstige, risikoarme Produktion.

Heute unternehmen wir einen Ausflug in eine Gegend, in der das Elektrozeitalter schon früh begann und bis heute anhält. Unser zuverlässiger Begleiter dabei ist ein alter Bekannter, von dem man allerdings nie genug bekommen kann:

BMW 327/328 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vor grandioser Bergkulisse wirkt der ab 1937 gebaute, hinreißend gestaltete BMW mit seinem leistungsfähigen Sechszylinder geradezu winzig.

Allerdings trägt auch die großwirkende Dame daneben zu dem Eindruck bei. Zum Glück ist die Qualität des Fotos ausreichend, um auch nach 86 Jahren noch nah herantreten zu können.

Wie ich darauf komme, dass diese Aufnahme höchstwahrscheinlich 1939 entstanden sein dürfte, das erfahren Sie zum Schluss. Wir machen uns erst einmal an den Wagen heran, in der Hoffnung mehr erkennen zu können:

Mmh, viel gewonnen scheint noch nicht zu sein. Weder lässt sich das Nummernschild genau erkennen, noch ist zu sehen, ob die Räder Zentralverschlussmuttern aufweisen.

Wäre das der Fall, hätten wir es nämlich mit einem BMW 327/28 zu tun, welcher den noch stärkeren Sportmotor des BMW 328 besaß.

Aber wir haben Glück, denn ich habe diese Aufnahme zusammen mit einer zweiten erstanden – sehr günstig, offenbar war ich der Einzige, der das Angebot gesehen hatte.

Und dieses zweite Foto ist nun wirklich elektrisierend:

BMW 327/328 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die BMW-Gourmets werden erfreut die Zentralverschlussräder zur Kenntnis nehmen – der einzige äußere Hinweis auf das extra starke Modell 327/28.

Dann wäre da das Nummernschild, das eine Zulassung in München verrät. Dieser Umstand wäre an sich nicht bedeutend – er ist es aber, auch darauf komme ich zurück.

Schwierigkeiten bereitete mir zunächst die Ortsangabe „San Floriano“ auf der Rückseite des Abzugs. Damit würde man nämlich im Grenzland zwischen Italien und Slowenien landen, aber die Topographie stellt sich dort anders dar, wenngleich die Berge nicht weit weg sind.

Dann fiel mein Blick auf die markanten Bauten der Zeit um 1900, die in Verbindung mit den aus dem Fels kommenden Leitungen links davon auf ein Wasserkraftwerk hindeuteten.

So suchte ich nach „San Floriano“ in Verbindung mit dem Begriff „impianto idroelettrico“, was im Italienischen für ein Kraftwerk steht, das Strom aus Wasserkraft erzeugt.

Auf diese Weise landete ich bei einem Ort namens San Fiorano im Valsaviore, einem Abschnitt des Valcamonica nördlich des Lago d’Iseo in der oberitalienischen Lombardei.

Das Tal liegt ideal für vielfältige Nutzungen von Wasserkaft zur Stromerzeugung und so wird das dort seit gut 125 Jahren praktiziert – teils durch Aufstauen des Oglio-Flusses im Tal selbst , teils durch hochgelegene Speicher beiderseits des Tals.

Dazu gibt es im Netz Dokumentationen sowohl der heutigen Anlagen, als auch der historischen mit ihrer oft spektakulären Architektur der Turbinenhäuser und anderer Zweckbauten, die man einst bewusst nicht rein funktionell gestaltete.

Im ersten Anlauf bin ich daran gescheitert, die auf dem zweiten Foto im Talgrund zu sehenden Bauten genau zu orten. Mag sein, dass sie nicht mehr existieren oder stark verändert wurden.

Jedenfalls finden sich sehr ähnliche Schmuckfassaden im historisierenden Stil an mehrere Stellen des sehr langen Tals, weshalb ich diese Aufgabe Lesern mit mehr Zeit und Glück anvertrauen möchte.

Ich möchte zum Abschluss noch einmal auf den prächtigen BMW mit den eleganten Radverkleidungen und der Zweifarblackierung zurückkommen:

Die groß erscheinende Dame daneben kam mir zwar nicht bekannt vor, aber das Auto selbst hatte ich mit genau diesem Farbschema schon einmal gesehen.

Auch in jenem Fall handelte sich um einen in München zugelassenes Exemplar und auch dieses war einst in Oberitalien abgelichtet worden – in Verona und in Mailand. Auf den entsprechenden Fotos, die ich vor gut einem Jahr hier vorgestellt hatte, war das Jahr 1939 vermerkt.

Ich halte es nach der Lage der Dinge für sehr wahrscheinlich, dass die beiden „neu“ aufgetauchten Fotos des BMW 327/28 dasselbe Auto zeigen und auf der gleichen Reise abgelichtet wurden – nun aber auf dem Heimweg.

Die weitere Route könnte über Bormio und den Stelvio-Pass weiter gen Norden geführt haben, wo auf unsere Reisenden anno 1939 ein ungewisses Schicksal wartete.

Damit verabschiede ich mich für heute – denn auch ich werde morgen früh den Heimweg aus Italien antreten. Ob ich nach rund 11-12 Stunden Fahrt dann abends noch die Energie für einen weiteren Bericht aus der automobilen Welt der Vorkriegszeit aufbringe, wird sich weisen.

Vielleicht vermag unterdessen ja jemand der bemerkenswerten Örtlichkeit, an der wir mitten im Elektrozeitalter Halt gemacht haben, noch das Eine oder Andere abzuringen…

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Immobilie oder immer mobil? Hispano-Suiza H6B von 1921

Die Frage, ob man sich noch eine Immobilie hierzulande ans Bein binden und sich damit in unsicheren Zeiten immobil machen will, stellt sich immer mehr Leuten, habe ich den Eindruck.

Damit meine ich aber nicht das absurde Szenario, dass demnächst „der Russe“ vor der Tür steht, um ein heruntergewirtschaftetes Land zu übernehmen, das sich bereits für unstrittige Kernaufgaben des Staats – Verteidigung und Infrastruktur – meint verschulden zu „müssen“.

Nein, es fragen sich immer mehr Bürger, ob sie und ihre Kinder hier noch eine gedeihliche Zukunft erwarten können, in der sie sicher und von Bevormundung unbehelligt leben und die Früchte ihres Fleißes in erster Linie selbst genießen können.

Vor dem Hintergrund gewinnt die Frage „Immobilie oder immer mobil?“ eine Aktualität, die sie vor über 100 Jahren schon einmal hatte.

Kurz nach dem 1. Weltkrieg standen die Gutsituierten hierzulande wie auch in anderen Ländern vor der Frage, ob sie der Aushöhlung des Geldwerts durch staatliche Schuldenexzesse dadurch entgehen könnten, dass sie ihr Vermögen schnell noch in ein schönes Haus in guter Lage stecken.

Alternativ bot sich in finanziell ähnlicher Größenordnung die Anschaffung eines stark motorisierten Automobils der internationalen Spitzenklasse an, das die nötigen Anlagen hatte, auf Jahrzehnte hinaus freie Fahrt für freie Bürger zu ermöglichen.

Genauso ein Gerät, das auch einen soliden „Fund des Monats“ abgeben würde, wenn ich nicht gerade großzügig aufgelegt wäre, darf ich Ihnen heute präsentieren. Die Puristen mögen beanstanden, dass das Foto zu „jung“ ist, um als wirklich „alt“ durchzugehen, wie das hier sonst üblich ist.

Aber da ich hier der Chef bin, erlaube ich mir, was mir gefällt, und ansehen muss sich diesen Hispano-Suiza H6B von 1921 ja keiner. Aber vielleicht macht Sie die Nennung dieser europäischen Luxusmarke mit ihrer komplizierten Geschichte doch neugierig.

Wichtig zu wissen ist über den Hersteller vor allem eines: Er gehörte in der Vorkriegszeit zur absoluten Elite des Automobilbaus und wurde schon immer in einem Atemzug mit Rolls-Royce, Delage Isotta-Fraschini und Minerva genannt.

Die auf Spanien und Frankreich verteilten Aktivitäten im Flugmotor- und Autobau mündeten nach dem 1. Weltkrieg in die Entwicklung eines großartigen Sechszylinderwagens, des Typs H6. Er verfügte über einen aus einem V12 abgeleiteten OHC-Motor mit 6,6 Litern Hubraum der bereits bei niedriger Drezahl rund 135 PS leistete.

Die Verwendung von Aluminiumkolben in stählernern Laufbüchsen, die wiederum im Alu-Motorblock eingelassen waren, unterstrichen das moderne Konzept ebenso wie die schon bei Erscheinen 1919 eingesetzten servounterstützten Vierradbremsen – das System wurde aufgrund seiner Effektivität auch von Rolls-Royce übernommen.

Im Jahr 1921 entstand eine Variante dieses Hispano-Suiza – der Typ H6B – mit kombiniertem Alu-Holz-Aufbau von Charles Duquesne. Die spezielle Bauweise inspirierte die aus dem Bootsbau stammende Bezeichnung „Skiff“ für den Wagen:

Hispano-Suiza H6B „Skiff“; Aufnahme um 1970 aus Sammlung Michael Schlenger

Als ich dieses Foto erwarb, dachte ich nicht, dass ich ohne weiteres herausfinden könnte, was genau das für ein Hispano-Suiza war. Nur die legendäre Kühlerfigur – ein vorwärtsstrebender Kranich mit ausgebreiteten Schwingen erkannte ich auf Anhieb.

Heute schaute ich einmal nach, ob ich etwas zu dem Wagen herausfinden könnte. Tatsächlich wurde ich rasch fündig, nachdem ich auf das Modell H6 gestoßen war, das von von 1919 bis 1932 in etwas mehr als 2.000 Exemplaren gebaut wurde.

Den Schlüssel lieferte der Holzaufbau, den es ähnlich zwar auch bei anderen Wagen der Zeit bis etwa 1925 gab, in der Kombination mit einem Hispano-Suiza aber Spuren in Form weiterer Fotos im Netz hinterlassen haben musste.

Genau das war der Fall, und da der abgebildete Wagen exzellent dokumentiert ist, sind mir die exakten Angaben möglich, von denen an bei anderen Herstellern oft nur träumen kann.

Die ersten drei Besitzer waren reiche Franzosen aus dem Umland von Paris. Der letzte der drei hatte nach der deutschen Besetzung Frankreichs 1940 die Räder verschwinden lassen – damals die einfachste Methode, ein begehrtes Auto zur Immobilie zu machen.

In diesem Zustand verbrachte der Hispano-Suiza die Zeit unangetastet bis in die 1960er Jahre. 1965 kaufte der französische Sammler Jean-Paul Dubroca den Wagen und brachte ihn mit geringem Aufwand wieder auf die Straße. Nur die Lackierung von Blech und Holz sowie das Lederinterieur ließ er erneuern.

1968 stand eine Motorüberholung an, 1992 war dann das Getriebe an der Reihe. In der Zwischenheit hatte Monsieur Dubroca mit dem Hispano Suiza, der beim Kauf eine Laufleistung von 64.000 Kilometern aufgewiesen hatte, über 30.000 Kilometer zurückgelegt.

Bei einer der ausgedehnten Reisen mit dem souverän motorisierten Wagen muss die Aufnahme entstanden sein, die ich Ihnen heute präsentiert habe. Ich vermute, dass am Steuer Monsiur Dubroca selbst zu sehen ist.

Er starb 2014, doch der Wagen blieb seither in der Familie. 2023 wurde der Hispano-Suiza zwar bei einer Bonhams-Auktion angeboten, doch er fand keinen Käufer.

Der Schätzpreis entsprach mit 400.000 bis 600.000 wie schon 1921 dem Gegenwert einer durchschnittlichen Einfamilien-Immobilie, dennoch konnte sich niemand durchringen zuzuschlagen, um mit dem Hispano-Suiza für immer mobil zu bleiben.

Sie können den Wagen immerhin auf einem Foto in Farbe bestaunen, das anlässlich der Auktion entstand. Von dort stammt auch die ausführliche Beschreibung des Wagens, ohne die ich dieserm großartigen Fahrzeug nicht annähernd so viel hätte abgewinnen können.

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Drei Grazien, nur ein Typ – geht doch! Fafnir 476

Stellen Sie sich einmal vor, meine Herren, Sie strandeten mit drei ansehnlichen Damen auf einer einsamen Insel ohne große Aussicht, so bald dort wieder wegzukommen.

Was würde dabei überwiegen – die Sorge, dass die Ladies das Matriarchat einführen und Sie die ganze Arbeit allein erledigen müssen, oder die Aussicht darauf, dass sich wenigstens mit einer der drei über kurz oder lang ein harmonisches Verhältnis ergibt, am Ende gar mit allen dreien? Sie ahnen es, gutgehen dürfte beides nicht.

Jetzt eine Frage an die Leserinnen: Halten Sie es für wahrscheinlicher, dass Sie auch auf den einen Typen gut verzichten könnten, wenn es schon keine Auswahl gibt, oder dass sich früher oder später die gerühmte Frauensolidarität im Konkurrenzkampf verflüchtigt?

Zugegeben – ein abwegiges Gedankenspiel, aber wir sind uns vermutlich einig, dass eine solche Situation „drei Grazien – nur ein Typ“ ein gewisses Konfliktpotenzial birgt.

Verlassen wir also wieder die einsame Insel und schauen, was wir dem Thema sonst noch abgewinnen können. Und siehe da: Was wurde vor kurzem auf Umwegen an meine Gestade gespült wie die Flaschenpost eines scheinbar unrettbar Gestrandeten?

Nun, ein Foto aus dem Familienbesitz von Matthias Doht – seines Zeichens Vorstandsmitglied der Stiftung Automobile Welt Eisenach.

Zwar ist er intimer Kenner der thüringischen Autoindustrie und arbeitet an der sehnsüchtig erwarteten Darstellung der Marke „Dixi“ in Buchform. Doch bei diesem repräsentativen Gefährt nebst charmanten Fotomodellen wollte ihm die Identifikation nicht gelingen:

Fafnir Typ 476 mit Aufbau als „Salonlimousine“,; Originalfoto aus Famiienbesitz (Matthias Doht)

Für mich war dieser Fall ein besonderes Vergnügen, denn das ist wieder einmal ein Foto, bei dem alles „stimmt“ – ein interessantes und eher seltenes Vorkriegsauto, eine technisch ausgezeichnete Aufnahme und drei adrette junge Damen gekonnt vor dem Auto posierend.

Unsere Natur will es, dass wir bei solchen Dokumenten stets den Menschen zuerst im Blick haben und wir kommen auf das Thema auch noch zurück. Doch reißen wir uns los von dem Anblick der drei Holden und nehmen die Frontpartie des Wagens ins Visier.

Einigen langjährigen Lesern wird hier zweierlei bekannt vorkommen: die eigentümliche Gestaltung der Lufthutze am Seitenteil der Motorhaube und das schnabelförmig ausgeführte Oberteil des Kühlergehäuses:

Leider ist die Nabenkappe des Vorderrads nicht scharf genug wiedergegeben, sodass man hier nichts Weiterführendes erkennen kann. Wenn Sie’s doch können, schreiben Sie das bitte in den Kommentar.

Die beiden genannten Merkmale genügen aber bereits, um die aus meiner Sicht Assoziation „Fafnir Typ 476“ der ersten Hälfte der 1920er Jahre zu wecken.

Merkwürdigerweise konnte ich im Blog davon meist „nur“ das rasant gestaltete Sportmodell präsentieren, aber das genügt für’s Erste, meine ich:

Fafnir Typ 476 „Sport“, Aufnahme der frühen 1920er Jahre, am Steuer: Eugen Jakubowski, Berlin; Originalfoto aus Besitz von Familie Pochert (Dresden)

In meiner Fafnir-Galerie werden Sie noch zwei weitere Aufnahmen einer ähnlichen offenen Sportausführung finden.

Doch dort habe ich auch den Ausschnitt eines größeren Fotos untergebracht, die eine große Limousine desselben Typs von vorne zeigt.

Die Details des Aufbaus weichen zwar ab, wie das bei solchen Manufakturwagen häufig war, doch entscheidend ist ohnehin die Gestaltung des Kühlers, die nach meinem Eindruck bei deutschen Herstellern nur bei Fafnir zu finden war:

Fafnir Typ 476 (Einheitstyp) 9/28 oder 9/36 PS, Bauzeit: 1920/21 bis 1926/27; Kennzeichen: Pommern, Ausschnitt aus Originalfoto von Frank Müller (Schwedt/Oder)

Dieses beeindruckende Automobil konkurrierte ab 1920 mit ähnlich dimensionierten Wagen der 30 PS-Klasse von NAG, Presto und Protos, blieb aber weit seltener, obwohl auch die genannten Hersteller noch Manufakturanbieter war.

Woran es genau lag, dass die altehrwürdige Firma aus Aachen keine größeren Stückzahlen am ausgehungerten deutschen Markt der Zeit nach dem 1. Weltkrieg unterbringen konnte, kann vielleicht ein Leser erklären.

Technisch gesehen waren die erwähnten Konkurrenten jedenfalls auf keinem höheren Niveau als Fafnir, sodass es andere Engpässe beim Skalieren des Absatzes gegeben haben muss.

Umso erstaunlicher, dass so ein Exot wie der Fafnir Typ 476 einst seinen Weg nach Eisenach in Thüringen fand, wo es an automobiler Kompetenz wahrlich nicht mangelte.

Tatsächlich hatte Fafnir damals überhaupt nur noch dieses eine Modell im Programm – auch als Einheitstyp mit zunächst 9/28 PS und zuletzt 9/36 PS bezeichnet. Sie sehen jetzt, was mich zu dem einen Teil des heutigen Titels inspiriert hat

Matthias Doht als Besitzer und Bewahrer des Fotos konnte aber immerhin einiges zu dem einstigen Besitzer und sogar einer der drei Grazien sagen, die hier so gute Figur abgeben:

Die mittlere der drei, die uns neckisch-prüfend betrachtet, war die Schwester von Matthias Dohts Großvater Paul Erdmann. Der wiederum sollte in den 1930er Jahren noch einen Opel 1,2 Liter, dann einen BMW 3/15 PS DA4 und schließlich einen Wanderer W22 fahren.

Doch schon Matthias Dohts Urgroßvater war autobegeistert. Er besaß einen offenbar florierenden Handwerksbetrieb mit mehreren Angestellten und gehörte damit zu den sozialen Aufsteigern seiner Zeit.

Im Unterschied zu deutschen Normalverdienern in Industrie und Verwaltung konnte sich Uropa Erdmann bereits in den 1920er Jahren einen Wagen der gehobenen Mittelklasse leisten – eben diesen Fafnir Typ 476 mit dem teuren Limousinenaufbau und exklusivem Ovalfenster für die rückwärtigen Passagiere.

Ein solches Automobil kündete im damaligen Deutschland von einem hohen Status und kündet davon, was mit unternehmerischem Talent möglich war, wenn man nach der eigenen Einordnung nur ein „kleiner Handwerksmeister“ war.

Das ist nebenbei etwas, was sich bis heute nicht geändert hat. Fleiß, Mut und Talent vorausgesetzt hat Handwerk goldeneren Boden als die allermeisten Studiengänge, die oft genug nur unnütze Pseudowissenschaften zum Gegenstand haben.

Jedenfalls konnten unsere drei Grazien mit dem „einen Typ“ aus dem Hause Fafnir sehr zufrieden sein – zumal der einen Komfort bot, wie ihn die damals noch überwiegenden zugigen Tourenwagen nicht aufwiesen.

Wir können in diesem Fall davon ausgehen, dass das Verhältnis zwischen den drei jungen Damen und ihrem gutgebauten und großzügigen Einheitstyp ein so hamonisches war, wie das auf diesem schönen Dokument für die Nachwelt festgehalten ist…

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Schrumpfen mit Stil und 6 Zylindern: Opel 1,8 Liter

Neulich musste ich bei einer offiziellen Verlautbarung aus dem Brüsseler Paralleluniversum ausnahmsweise doch einmal lachen.

Ein dort geparkter, sonst schwer Vermittelbarer aus deutschen Landen, dessen Namen ich vergessen habe, erzählte doch davon, „wir müssten“ auf Kriegswirtschaft umstellen.

Abgesehen davon, dass „wir müssen“ stets im Sinne von „Ihr sollt“ zu verstehen ist, ist eine solche Äußerung unfreiwillig komisch bei einem Apparat, der für das Komplizieren und Erschweren von Dingen zuständig ist, die dezentral geregelt werden könnten.

Kriegswirtschaft heißt radikale Vereinfachung und Wegschneiden von allem Überflüssigem, was unnötig Ressourcen kostet. Sollte hier ein EU-Bürokrat tatsächlich gefordert haben, sich selbst und seine Kameraden (m/w/d) wegzurationalisieren?

Vermutlich war es nur eine dumme Bemerkung, Sorgen muss man sich deshalb nicht machen – passieren wird abgesehen von noch mehr Verschwendung nichts in der Richtung.

Ganz anders war solche Rhetorik vor gut 90 Jahren einzuordnen – damals war die fragwürdige organisatorische Kompetenz zur Schrumpfung der privaten Ansprüche und Ausweitung aggressiver staatlicher Aktivitäten nämlich durchaus vorhanden.

Geübt wurde das unfreiwillig schon im Umfeld der Wirtschaftskrise, die Ende der 1920er Jahre einsetzte und bis Anfang der 30er anhielt. Illustrieren will ich dies heute anhand des Schrumpfkurses, den Opel damals bei seinem 6-Zylindermodell praktizierte.

Dass sich dieser von den äußeren Verhältnissen erzwungene Prozess aber durchaus mit Stil und gehobener Laufkultur bewältigen ließ, das möchte ich anschaulich machen.

Beginnen wir mit dem letzten Opel 6-Zylinder klassischer Rüsselsheimer Bauart von 1929/30 – dem späten Typ 8/40 PS:

Opel 8/40 PS von 1929/30; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Lassen Sie sich nicht von dem großgewachsenen Herrn im gutsitzenden Zweireiher täuschen – dieser Opel war kein kleiner Wagen. Als Höhe ist 1,74 Meter überliefert, die Gesamtlänge betrug 4,50 Meter und der Radstand 2,90 Meter.

Vom Vorgänger 7/34 PS ist das Auto durch die niedrige Schwellerpartie und die filigraneren Haubenschlitze zu unterscheiden. Der konventionell konstruierte 1,9 Liter-Motor (Seitenventiler) ermöglichte für die Klasse angemessene Fahrleistungen mit Spitze 90 km/h.

Der Preis für die hier zu sehende Limousine mit 4 Türen war mit 4.300 Mark (1930) allerdings heftig.

Wohl mit Blick auf die desolate Wirtschaftslage, die auch die obere Mittelschicht nicht ungeschoren davonkommen ließ, ließ die neue Opel Mutter General Motors in den USA einen neuen Nachfolger des bisherigen 6-Zylinders konstruieren.

Dieses Modell war in technischer Hinsicht von eben der radikalen Sparmentalität geprägt, von der einige Jahre später auch die deutsche Kriegswirtschaft im privaten Sektor bestimmt war. Der Hubraum schrumpfte auf 1,8 Liter und die Leistung auf nur noch gut 30 PS.

Beibehalten wurde die simple Konstruktion mit 3-Gang-Getriebe und mechanisch betätigten Bremsen, nur die Laufkultur von 6 Zylindern behielt man bei. Tüchtig eingespart wurde auch bei Radstand und Gesamtlänge – rund 30 Zentimeter gingen verloren.

Dafür konnte man aber auch den Preis drastisch senken – um einen Tausender auf 3.300 Mark. Ich gehe davon aus, dass dies einer ganz auf effiziente Produktion getrimmten Konstruktion geschuldet war, wie sie damals typisch für US-Hersteller war.

Gleichzeitig sollte der neue Opel 1,8 Liter aber auch ansprechend gestaltet sein – nicht ganz einfach bei einem so kompakten Wagen, aber offenbar gelungen:

Opel 1,8 Liter von 1931; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem frühen Modell hatte sich der Besitzer sogar noch einen verchromten Steinschlagschutz vor dem Kühler und eine Doppelstoßstange gegönnt. So war der Eindruck eines Schrumpf-Amis beinahe perfekt.

Ab 1932 erhielt der Opel 1,8 Liter die damals aufkommenden seitlichen „Schürzen“ an den Kotflügeln – nebenbei ein Detail, das dem sehr ähnlichen, aber noch kleineren Vierzlinder-Opel 1,2 Liter fehlte.

Außerdem erhielt der Opel 1,8 Liter anno 1932 auch eine neue Scheinwerferstange, die nun aus zwei geschwungenen und verchromten Elementen bestand, wie man an diesem einst im Mittelrheintal bei der Loreley aufgenommenen Exemplar besichtigen kann:

Opel 1,8 Liter ab 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Im Unterschied zum kleinen Vierzylinderbruder Opel 1,2 Liter, der fast zeitgleich erschien, bot das 1,8 Liter-Modell noch ordentliche Platzverhältnisse, wenngleich nicht mehr auf dem Niveau des alten Opel 8/40 PS von Ende der 1920er Jahre.

Während sich Fahrer und Beifahrer mit einem begrenzten Beinraum begnügen mussten, gönnte man den rückwärtigen Passagieren durchaus komfortable Verhältnnisse.

Dies lässt sich ansatzweise auf der folgenden Aufnahme nachvollziehen, die zudem erkennen lässt, dass der 6-Zylinder-Opel trotz Schrumpfkur kein Arme-Leute-Wagen war:

Opel 1,8 Liter ab 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die bis Produktionsende 1933 erfolgten weiteren Variationen und Veränderungen des Opel 1,8 Liter will ich hier nicht weitergeben.

Eine ausgezeichnete Übersicht dazu finden Sie in dem empfehlenswerten und m.E. konkurrenzlosen Opel-Standardwerk von Bartels/Manthey „Opel Fahrzeugchronik Band 1“.

Doch bei allen Qualitäten werden Sie selbst dort eine Aufnahme wie die folgende vergeblich suchen, welche den Opel 1,8 Liter als rares Zweisitzer-Cabriolet in der Ausführung ab 1932 zeigt – noch dazu fotografiert aus absolut ungewöhnlicher Perspektive:

Opel 1,8 Liter Cabriolet ab 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Doch selbst hier lassen sich die typischen Details des Opel-Sechszylinders erkennen – die Kombination aus geschwungener doppelter Scheinwerferstange, einteiliger Stoßstange und Kotflügelschürze findet sich so nur beim 1,8-Liter-Modell ab 1932.

Für mich ist diese Ausführung. die sich eng an US-Vorbildern des klassischen Typs „Rumble-Seat Roadster“ orientiert, die attraktivste, die in Serie in Rüsselsheim entstand.

Mit soviel Stil und 6 Zylindern ließe sich auch heute noch eine angeordnete Phase der neuen Bescheidenheit überstehen, in der alle Lebensbereiche von Downsizing geprägt sind, ausgenommen natürlich von – ach, lassen wir das…

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Braucht Hilfe beim Abnehmen: Dodge „Rex“ um 1918

Wenn Sie heute Tipps erwarten, wie Sie überflüssige Pfunde loswerden, muss ich Sie enttäuschen.

Abgesehen von meinen üblichen Empfehlungen – Gartenarbeit mit mechanischen Geräten (wie dem klassischen Spindelmäher und der Handsäge) – müssen Sie zum Abnehmen vor allem eines: den inneren Schweinehund besiegen.

Im Unterschied zu den deprimierenden äußeren Verhältnissen in deutschen Landen besteht hier immerhin eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, denn es kommt dabei allein auf Sie selbst an.

Also machen Sie sich wieder einmal so richtig fertig beim Frühjahrsputz, beim Vertikutieren des Rasens, beim Baumschnitt oder auch auf dem Fahrrad (bitte ohne Hilfsmotor). Alles das ist produktiver, als sich von anderen fertigmachen zu lassen, und kostet fast nichts außer etwas Zeit und Willensanstrengung.

Wer vor über 100 Jahren Hilfe beim Abnehmen benötigte, wurde zwar schon damals von allen möglichen fragwürdigen Adressen „beraten“ – die Magazine jener Zeit sind voll von einschlägigen Reklamen – aber in einem Fall wie dem Folgenden half das nichts.

Hier waren nämlich keine Geheimrezepte und Tricks zur Selbstüberlistung beim Abnehmen gefragt, sondern schlicht der richtige Dreh und ein paar tatkräftige Mitstreiter:

Dodge mit „Rex“-Aufbau um 1918; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses technisch ausgezeichnete Foto entstand kurz nach dem 1. Weltkrieg in Chelsea – einem bei den schönen Künsten zugeneigten Zeitgenossen angesagten Stadtteil Londons.

Schon Oscar Wilde residierte hier, und der wusste wahrlich, was Qualität hatte. Leider starb der brilliante Spötter und Ästhet schon anno 1900 mit 46 Jahren, dabei hätte er ein aufmerksamkeitsstarkes Automobil wie das heute präsentierte sicher geschätzt.

Sie mögen nun denken, dass diese geräumige Limousine ein englisches Fabrikat war – doch weit gefehlt.

Tatsächlich waren die Briten in Europa das erste „Opfer“ der Invasion von US-Großserienautos und das unmittelbar, nachdem die Amis durch ihren Eintritt in den 1. Weltkrieg diesen binnen kurzem beendet hatten, obwohl sie bis dato nicht als sonderlich „kriegstüchtig“ aufgefallen waren.

Der Hersteller des hier präsentierten Automobils – Dodge – war nicht einmal einer der ganz Großen am US-Markt, doch schon von diesem Modell entstanden 1917-19 zwischen 60.000 und 100.000 Exemplare – pro Jahr, wohlgemerkt.

Es liegt auf der Hand, dass bei solchen Stückzahlen auch genügend „abfiel“, um nebenher den Markt in Europa einschließlich des Vereinigten Königreichs versorgen, das sich mit seinem Eintritt in den Regionalkonflikt auf dem Kontinent ab 1914 ruiniert hatte.

Die besten Zeiten hatte Großbritannien jedenfalls anno 1918 hinter sich, es wusste dort nur noch nicht jeder. Zeit zum Abnehmen für ein globales Kolonialreich, bei dem man Zweifel haben kann, ob sich die Sache jemals wirklich gerechnet hatte.

Egal, denn man gönnte sich nicht nur immer noch einen König ohne Befugnisse – was mir übrigens gefällt – man konnte sich auch noch in einer anderen Hinsicht einen „Rex“ leisten.

Unser schöner Dodge aus Chelsea besaß nämlich einen speziellen Aufbau der „Rex Manufacturing Company“ aus Connersville im US-Bundesstaat Indiana. Der erlaubte das mühelose Abnehmen des hier dunkel gehaltenen Aufbaus, sofern ein paar tatkräftige Herren vorhanden waren.

Anschließend hatte man statt einer gewichtigen Limousine einen schlank und rank daherkommenden Tourenwagen, mit dem es sich bei geeignetem Wetter durch die Botanik stromern ließ – in England ein Vergnügen auf den vielen schönen schmalen und hin und herschwingenden Landstraßen zwischen hohen Bäumen.

Anno 1918 war man mit dem 35 PS leistenden Dodge dafür adäquat motorisiert – viel Konkurrenz war damals noch nicht zu erwarten.

Die in Frage kommenden Sportsmänner aus betuchtem Hause hatten entweder ihr Leben in Flandern gelassen oder sahen in ihren altehrwürdigen Häusern der Pleite entgegen, wenn sich keine reiche US-Erbin als rettende Partie fand – Downton Abbey lässt grüßen. Der verlinkte (absolut brillante) Trailer lohnt sich auch in Sachen Vorkriegsmobilität…

Quelle zu Dodge: Kimes/Clarke: Standard Catalog of American Cars -1945

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Alles muss raus! Adler „Standard 6“ 4-Fenster-Cabriolet

Alles muss raus“ – das ist nicht nur die Kurzfassung des Prinzips der absoluten Meinungsfreiheit, die auch widerlegbaren Blödsinn und behauptete Beleidigungen umfasst – meisterhaft begründet 1859 in John Stuart Mills Werk „On Liberty“. Der ultraliberale Bösewicht war nebenbei auch ein früher Verfechter des Frauenwahlrechts…

Alles muss raus“ – das gilt aber auch für den Staub im Auge, der mich heute halb blind gemacht hat, als ich das seit wohl über 10 Jahren wuchernde Efeu-Kunstwerk beseitigte, welches sich über die gesamte Breite des Gartens der Schwiegereltern entlang des Zauns zum Nachbargrundstück erstreckte.

Die Vorbesitzer fanden es es wohl irgendwie natürlich, dieses auf Dauer zerstörerische Gewächs „gedeihen“ zu lassen – das andere Extrem zum modischen Schotter“garten“.

Alles muss raus„, das ist aber zugleich das Prinzip jedes gründlichen Frühjahrsputzes, und genau das ist, wonach mir trotz tränenden Auges heute noch der Sinn steht – jedenfalls, was das überfällige Aufräumen in Sachen Adler „Standard 6“ angeht.

Sie wissen natürlich, dass Sie in meiner Adler-Galerie bereits bislang die umfassendste Fotodokumentation des ab 1927 in gut 20.000 Exemplaren gebauten Sechszlindermodells der altehrwürdigen Adler-Werke aus Frankfurt am Main fanden.

Doch heute habe ich im Rahmen meiner „Alles muss raus“-Offensive nochmals ein Dutzend neuer alter Fotos dieses gängigen Typs aufgearbeitet, der sich stilistisch eng an den damals in der Klasse dominierenden US-Modelle orientierte.

Speziell die Limousine war amerikanischen Vorbildern nachempfunden, was nicht das Schlechteste war, da die Amis damals vorgaben, wie ein modernes Serienauto auszusehen hatte und damit auch am deutschen Markt abräumten.

So war die Ganzstahlkarosserie des Adler Standard 6 damals ganz auf der Höhe der Zeit:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dieser zufrieden dreinschauende Besitzer des Wagens mit der typischen Adler-Kühlerfigur, der in einer Raute eingefassten „6“ auf der Scheinwerferstange und den markant angeordneten sieben Radbolzen war wohl ein „Selbstfahrer“.

Doch gab es Ende der 1920er Jahre noch jede Menge Wagen dieses Kalibers, die von angestellten Chauffeuren bewegt wurden – im Unterschied zu den USA war das Autofahren in Deutschland noch längst keine Selbstverständlichkeit.

Das galt offenbar auch für einen hohen Beamten der deutschen Reichspost, dessen Fahrer sich hier mit „seinem“ Wagen hatte ablichten lassen.

Warum die „6“ hier fehlt? Keine Ahnung, vielleicht wollte der Chauffierte „bescheiden“ erscheinen. Es gab ja auch das optisch identische Vierzylindermodell „Favorit“, dessen Räder allerdings anders aussahen:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Einen weiteren Adler Standard 6 mit Limousinenaufbau und Chauffeur sehen wir auf dem nächsten Foto.

Allerdings fällt hier unterhalb der Seitenfenster ein schmaler hell abgesetzter Streifen auf -das habe ich so noch nirgends gesehen – ein Hinweis darauf, dass es mehr als nur „Standard“ bei diesem Adler gab:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dagegen wirkt die gängige Karosserie von Ambi-Budd (Berlin) doch eher schlicht, wie in dieser Seitenansicht eines Adler Standard 6 zu besichtigen ist, die mit der weniger vorteilhaften einfarbigen:Lackierung daherkommt:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Viel macht allerdings die Wahl der Perspektive aus, wie das nächste Foto beweist, auf dem nun wiederum ein Fahrer mit seinem anvertrauten Adler zu sehen ist.

Wie alle bisher gezeigten Aufnahmen dieses Typs ist auch dieser Wagen mit einer Doppelstoßstange nach US-Vorbild ausgestattet:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dass der Adler gar nicht so groß war, wie er hier vielleicht erscheint, das wird deutlich, wenn man „belebtere“ Aufnahmen dieses Typs mit identischem Aufbau heranzieht.

Ein Beispiel dafür ist dieses Foto, auf dem gleich drei Herren vor dem Auto posieren:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wenn Sie jetzt denken, dass diese Männer vielleicht einfach etwas stattlicher daherkamen als damals üblich, dann kann ich einige weitere Aufnahmen beisteuern, die diesen Eindruck als Fehleinschätzung entlarven.

Auf dem folgenden Foto erscheint der Adler ebenfalls moderat dimensioniert, was auch zu seiner Motorleistung von 45 PS (später 50 PS) passt:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Selbst wenn man auf die Idee verfällt, das Auto nur mit Frau und Kind abzulichten, stellt sich nicht der Eindruck eines besonders großen Automobils ein.

Man würde den Adler Standard 6 daher konsequent in der gehobenen Mittelklasse einsortieren, was nach damaligen deutschen Maßstäben bedeutete, dass nur sehr wenige gut Situierte hierzulande sich so einen Wagen leisten konnten

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie genau man nun damals im Deutschland der späten 1920er Jahre zu soviel Geld gelangte, um sich so ein teures Automobil aus einheimischer Produktion leisten zu können, das ist schwer zu sagen.

Man sieht es den damaligen Besitzern meistens nicht an, ob sie Unternehmer, Spitzenbeamte oder gut verdiendende Freiberufler waren.

In einigen Fällen hat man den Eindruck, dass es sich nicht unbedingt um sympathisch wirkende Zeitgenossen handelte, aber das tut den Qualitäten der Automobile keinen Abbruch, speziell, wenn sie von Könnerhand abgelichtet wurden wie hier:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Jetzt ist es aber irgendwann auch gut mit diesen Standard-Limousinen, mögen Sie jetzt denken. Aber ich darf an an das heutige Motto erinnern: „Alles muss raus!

Und so kann ich Ihnen eine weitere Aufnahme nicht ersparen, die auf den ersten Blick auch bloß so eine 0815-Limousine auf Basis des Adler Standard 6 zeigt.

Aber bei näherem Hinsehen erkennt man, dass es offenbar auch andere geschlossene Aufbauten gab, die ich in der mir zugänglichen Literatur nicht finden konnte:

Adler Standard 6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damit nähern wir uns allmählich dem im Titel angekündigten Exotenmodell auf Basis des Adler „Standard 6“.

Dieser Wagen war nämlich trotz Verfügbarkeit der in Großserie gebauten Limousinenkarosserie aus dem Hause Ambi-Budd dermaßen teuer, dass sich unter den relativ wenigen dafür in Frage kommenden Käufern am deutschen Markt etliche fanden, die sich auch einen in Manufaktur hergestellten Spezialaufbau leisten konnten.

Zwei schöne Beispiele dafür kann ich heute vorstellen und meiner Überzeugung folgend, dass alles raus muss an die interessierte Öffentlichkeit, will ich diese Dokumente nicht länger zurückhalten, welche ich Sammlerkollegen verdanke, die meinen Blog schon einige Jahre mit hervorrragenden Fotos versorgen.

Nummer 1 ist diese Aufnahme von Leser Matthias Schmidt (Dresden). Sie zeigt einen Adler Standard 6 mit einem raren Aufbau als 4-Fenster-Cabriolet irgendwo im Alpenraum:

Adler Standard 6 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Sie erinnern sich hier vielleicht an das, was ich kürzlich festgestellt habe – nämlich, dass man bei deutschen Cabriolets von Ende der 1920er Jahr öfters eine ungewöhnlich hohe Seitenlinie findet, welche nicht das Niveau der Haubenpartie fortsetzt.

Was man sich bei dieser markenunabhängig anzutreffenden wenig ansprechenden Lösung dachte, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen. Überhaupt ist mein vorläufiger Eindruck nach nur rund 10 Jahren Auseinandersetzung mit Vorkriegswagen der, dass in der Literatur dergleichen gestalterische Aspekte kaum eine Rolle spielen.

Die Ästhetik und die ihr zugrundeliegenden Prinzipien scheint in deutschen Landen nur wenigen Zeitgenossen ein bedeutsamer Aspekt zu sein. Man sieht es der ganzen Republik an, dabei sollte man angesichts vielfältiger Miseren der Meinung sein, dass man wenigstens im Erscheinungsbild brillieren kann, wenn schon sonst nicht mehr.

Sie meinen, das hat in Deutschland keine Tradition? Nun, sicher nicht in der Breite, aber doch im Einzelfall, der sich dann so herrlich eigenwillig darstellt wie auf dem letzten Foto für heute, das einen weiteren Adler Standard 6 mit rarem Aufbau als 4-Fenster-Cabriolet zeigt:

Adler Standard 6 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Lassen wir einmal die optisch unvorteilhafte Stoßstange aus dem Zubehör außen vor, die sich bei deutschen Autos aus der Großstadt – hier: Berlin – öfters fand. Dieser Adler Standard 6 mit 4-fenstrigem Cabrio-Aufbau macht durchaus gute Figur.

Der von mir beanstandete hohe Türabschluss ist in diesem Fall verkraftbar und das liegt an der schönen Situation, die vielleicht irgendwann in einem ebenso frischen Vorfrühling entstand, wie wir ihn gerade erleben.

Das Verdeck bleibt geschlossen, solange die Natur sich noch zögerlich zeigt. Doch der Frühling rückt näher und es gilt nun für Zwei- und Vierbeiner : „Alles muss raus!“

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Muss man sich schönsehen: Mercedes-Benz 12/55 PS

In diesen Tagen verspüre ich mehr als sonst das Bedürfnis, mich nach getaner Arbeit mit schönen Dingen im Kleinen von der Misere im Großen abzulenken.

Das Talent dazu habe ich wohl von meiner Mutter geerbt. Ihr verdanke ich die Freude an Ästhetik und das Gespür für Qualität, auch wenn diese Dinge sie stets nur kurzfristig glücklich gemacht haben. Genau heute wäre sie übrigens 94 Jahre alt geworden.

Solchermaßen inspiriert gehe ich nun auf die Suche nach dem Schönen in einem dafür eher ungünstigen Umfeld.

Die Herausforderung fängt schon im Umfeld irgendwelcher Hinterhofgaragen an, wo einst ein sündteures Mercedes-Cabriolet abgelichtet wurde:

Mercedes-Benz 12/55 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Während der massige Wagen im Hintergrund mit dem unglücklich hoch aufgetürmten Verdeck und der geöffneten Tür wenig anziehend wirkt, macht der modisch gekleidete Motorradfahrer davor mit seiner sportlich niedrig gehaltenen Maschine bessere Figur.

Das Zweirad scheint mir trotz der Berliner Zulassung kein typisch deutsches Fabrikat zu sein. Ich würde es als französisch ansprechen, aber ich mag mich irren.

Ohnehin ist der Auftrag heute der, sich den Mercedes – zu erkennen an der Kühlerfigur und dem Stern auf den Nabenkappen – irgendwie schönzusehen. Auch wenn es erst nicht danach aussieht, bekommen wir das hin.

Hier haben wir denselben Wagen bei der gleichen Gelegenheit ohne Moped-Begleitung, dafür mit weiblicher Besatzung – ein Fortschritt in die richtige Richtung:

Mercedes-Benz 12/55 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ja, das Verdeck wirkt immer noch fehlkonstruiert, aber wir unterstellen einmal, dass es bloß nicht richtig zusammengelegt wurde.

Der Aufbau hat trotz des abfallenden Hecks nach Vorbild US-amerikanischer „Roadster“ von Mitte der 1920er Jahre etwas Lastwagenhaftes. Das liegt keineswegs nur an der zierlichen Person im Wagen, sondern auch an der ungeschickten Erhöhung der Türpartie.

Diese Linienführung findet sich bis Ende der 1920er Jahre auch an anderen deutschen Wagen öfters, bisweilen wurde sogar manches Fremdfabrikat solchermaßen ruiniert.

Doch wie gesagt: Wir sind auf dem besten Wege, uns dieses schwerfällig wirkende Auto des Typ 12/55 PS aus dem Hause Daimler-Benz Schritt für Schritt schönzusehen.

Immerhin hatte der Hersteller erkannt, dass er mit diesem je nach Aufbau an die zwei Tonnen schweren Gerät zumindest antriebsseitig auf dem Holzweg war. So wurde der Motor zweimal vergrößert und leistete zuletzt wenigstens 60 PS aus 3,5 Litern Hubraum.

Uns interessiert aber eher, was sich innerhalb des Mercedes an Erkenntnisprozessen vollzog. Hier befinden wir uns noch in der Phase eher distanzierter Zweisamkeit:

Mercedes-Benz 12/55 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

An dem gigantischen Verdeck und dem massiven Windschutzrahmen sowie dem prosaischen Bretterverschlag im Hintergrund ist ersichtlich, dass wir es immer noch mit demselben Fahrzeug zu tun haben.

Wie man sich die Sache nun so richtig schönsieht, das bekommen wir auf der nächsten Aufnahme dieser kleinen Serie vorgeführt, die wohl irgendwo im Umland von Berlin an einem Ort entstand, der dem Kaliber dieses Mercedes nicht ganz gerecht wurde.

Aber solches tritt völlig in den Hintergrund, wenn man wie wir heute wild entschlossen ist, sich auch nicht ganz vollkommene Dinge gründlich schönzusehen.

Das stellt sich dann so reizvoll und unterhaltsam dar wie hier:

Mercedes-Benz 12/55 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was sich bei der Gelegenheit vielleicht anbahnte und was daraus wurde, das wissen wir leider nicht.

Denn an dieser Stelle endet die kleine Fotoserie aus meiner Sammlung, die schon eine ganze Weile auf Veröffentlichung gewartet hat.

Wie soll nun der glückliche Abschluss gelingen? Wollten wir uns nicht den Mercedes-Benz 12/55 PS in der Cabrio-Ausführung unbedingt schönsehen?

Keine Sorge, auch das bekommen wir hin.

Dafür hat uns Leser Klaas Dierks mit seinem Fundus an Qualitätsaufnahmen auf dem Sektor Vorkriegswagen genau das passende Objekt zur Verfügung gestellt.

Jetzt in freundlicher Zweifarblackierung mit hellem Korpus, wie das einem Auto dieser Größe immer guttut. Außerdem mit geschlossenem Verdeck, denn dieser Mercedes zählt zu der Gattung Cabriolet, die geschlossen besser aussieht als offen:

Mercedes-Benz 12/55 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Na, habe ich zuviel versprochen?

Selbst die junge Dame neben dem mächtigen Mercedes kann man sich durchaus schönsehen. Auf den ersten Blick wirkt sie etwas spröde, aber sie stammt gewiss aus gutem Hause und versteht es, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Ihre Pose lenkt zwar wieder den Blick auf den absurd hohen Türabschluss, aber die sonstigen Qualitäten dieses Gesamtkunstwerks aus dem Raum Düsseldorf (siehe Nummernschild) versöhnen einen am Ende.

Ja, so lässt sich das Dasein auch unter sonst fragwürdigen Umständen ertragen, meine ich.

Wenn der neue Tag beginnt, besuche ich das Urnenfeld auf dem Bad Nauheimer Südfriedhof, wo die Asche meiner Mutter liegt. Dann denke ich an sie und danke ihr für diese immerwährende Sehnsucht nach Schönheit, die sie mir mitgegeben hat…

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Vergangene Größe lässt grüßen: Stoewer Greif V8 Cabrio

Dass es mit Schrumpfgermanien 80 Jahre nach Kriegsende nicht mehr zum Besten steht, an dieser Erkenntnis kommt man kaum noch vorbei. Das lässt sich auch am automobilen Vermögen hier im Umland von Frankfurt/Main ablesen.

Als ich Schüler war, waren ausländische Fabrikate ganz klar die Ausnahme. In der Nachbarschaft, die aus lauter durchschnittlichen Leuten bestand, die sich mit nur einem Gehalt ein solides Eigenheim leisten konnten, fuhr man überwiegend Volkswagen, Opel und Audi, vereinzelt BMW, gebraucht durchaus auch mal Mercedes.

Deutsche Autos fährt in meiner heutigen Nachbarschaft inzwischen niemand mehr – jedenfalls nicht privat angeschafft und schon gar nicht als Neuwagen. Ein paar Häuser weiter hat einer noch einen frühen Opel Manta und einen Porsche 911 der 1980er Jahre -gekauft zu einer Zeit, als diese Geräte gebraucht noch bezahlbar waren.

Heute dominieren einfache, aber gute Wagen französischer, japanischer und koreanischer Hersteller das Bild. Wer sich etwas Premium gönnen will, hält sich einen Mini oder Fiat 500.

Wann ich zuletzt ein aktuelles S-Klasse-Modell von Mercedes gesehen habe oder einen 7er BMW, wüsste ich nicht. Zu Schulzeiten begegneten mir die in Friedberg/Hessen, wo ich auf’s Gymnasium ging, beinahe täglich.

Der Abstieg der deutschen Mittelschicht scheint unaufhaltsam – jedenfalls sehe ich nicht den Willen hierzulande, durch energische Einhegung des Steuerstaats und wieder wesentlich mehr Raum für die Produktivkräfte der Marktwirtschaft eine Trendwende zu bewerkstelligen.

Aber man kann sich wie am Ende jeder Blütezeit einer Zivilisation doch immerhin an den Zeugnissen vergangener Größe erbauen und es sich einigermaßen behaglich einrichten, wenn die Mittel noch dafür reichen:

Stoewer „Greif“ V8 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Germania am Niederwaldenkmal bei Rüdesheim am Rhein steht hier symbolisch für ein Deutschland, das einmal weltweit für bestimmte Dinge geachtet und ein wenig bewundert wurde.

Damit meine ich nicht die albernen Dünkel von den angeblich einzigartigen deutschen Tugenden, die sich bei unseren Nachbarn ebenso finden – sonst wären deren enorme Beiträge zur Entwicklung des Automobils kaum möglich gewesen, die in meinem Blog reichen Widerhall finden.

Ich meine eher die historische Fähigkeit der Deutschen, aus den wenigen Ressourcen und einer einst zersplitterten politischen Landschaft mit lauter schwachen Staatsgebilden etwas enorm Produktives zu machen, das es so in den übrigen meist straff zentral organisierten Ländern nicht gab – nämlich eine Vielzahl von dezentralen Orten der Innovation. Der in der Provinz angesiedelte deutsche Mittelstand ist das bis heute nachwirkende Ergebnis dieser speziellen Verhältnisse.

Auch in den Künsten und bei den Denkern kamen die bemerkenswertesten Impulse aus kleinen und mittleren Städten. Ich hatte mich hier schon einmal über die Liste berühmter Kölner lustig gemacht, die genau das „ex negativo“ illustriert. Nicht zufällig fand Goethe nicht in seiner Geburtststadt Frankfurt am Main das Umfeld für sein Schaffen, sondern im vergleichsweise winzigen Weimar.

Wer sich mit deutschen Automarken befasst, wird Ähnliches feststellen. Fast alle entstanden abseits der ganz großen Städte in geradezu provinziellen oder zumindest abgelegenen Verhältnissen. Dort gedieh im Spannungsverhältnis zu den Beharrungskräften der Tradition gleichzeitig das Neugierige, Skeptische, Eigenwillige und bisweilen Verschrobene, das Voraussetzung aller Neuerung ist.

Auch die Marke, um die es heute geht und deren vielleicht aufregendstes Produkt aus der Zeit kurz vor seinem Ende wir auf dem oben gezeigten Foto sehen, entstand abseits der ganz großen Metropolen – in Stettin an der Ostsee.

Gewiss war Stettin keine Kleinstadt und war über seinen Hafen mit der Welt verbunden. Doch es war kein Ort mit einer speziellen Maschinenbautradition und auch nicht mit einem besonders vermögenden Großbürgertum.

So war es ganz der Begabung und dem Streben der Gebrüder Stoewer geschuldet, dass ausgerechnet im fernen Stettin an der Ostsee die wohl langlebigste deutsche Automarke entstand, welche bis fast zum Schluss weitgehend in der Kontrolle der Gründer blieb.

Wie sich die Marke über eine Zeitspanne von rund 35 Jahren immer wieder neu erfand, das könnnen Sie in meinen vielen Blog-Einträgen zu Stoewer nachvollziehen. Bemerkenswert ist aus meiner Sicht die Fähigkeit, komplexe Markttrends und Innovationen in die Modellpalette zu integrieren.

Wenn man betrachtet, welchen Aufwand etwa die weit bedeutendere Marke Horch in Sachsen unternahm, um Mitte der 1920er Jahre Modelle mit Achtzylindermotoren auszustatten, verdient es größte Bewunderung, dass dies den Gebrüder Stoewer mit weit weniger Kapital ebenfalls gelang.

Gleiches gilt für die Einführung des Frontantriebs bei Kleinwagen, die Stoewer noch kurz vor DKW bewerkstelligte. Auch hier vereinte Stoewer das richtige Gespür für den Markt mit der Kompetenz, das auch als Manufaktur hinzubekommen.

Dass sich Stoewer dann Mitte der 1930er Jahre ausgerechnet mit einem Frontantriebswagen mit 8-Zylindermotor aus der Eigenständigkeit verabschiedete, das darf man als gelungenen Schlussakkord betrachten.

Mit dem Stoewer „Greif „V8 zog Stoewer noch einmal alle Register – moderne und in Teilen eigenwillige Technik (das Fahrwerk betreffend) und in den besten Exemplaren eine kühne Gestaltung, mit der einem beim Concours d’Elegance ein Preis sicher war.

Und genau so etwas fand sich kurz nach nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs im Schatten der Germania am Niederwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein ein – so als wäre nichts gewesen. Nur das Kennzeichen aus der britischen Besatzungszone Rheinland und die Insasssin verraten, dass diese Aufnahme um 1950 entstand:

Stoewer „Greif“ V8 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ja, das Verdeck ist nur nachlässig umgelegt, es müsste weiter unten fixiert sein, aber das findet sich öfters auf solchen Aufnahmen. Doch ist das Auto nicht ansonsten ein Prachtstück, wirkt nicht die radikal niedrige Frontscheibe ungemein sportlich?

Dieser Stoewer repräsentiert den auf die Spitze getriebenen deutschen Stil der 1930er Jahre, den man so tatsächlich nirgendwo anders findet. Unter den bedrückenden Umständen des neuen Regimes entstanden damals die großartigsten Karosserien, die nicht mehr wie in den späten 20ern bemühte Kopien amerikanischer Vorbilder waren.

Diese späte, opulente Blüte in einem denkbar ungünstigen Umfeld, als die schuldenfinanzierte Kriegs-Planwirtschaft Deutschlands Privatunternehmen bereits an die Kandare nahm, gehört neben all den verabscheungswürdigen Dingen jener Zeit zu den umso bemerkenswerteren Phänomenen.

Auch Stoewer zeigte sich damals noch einmal ganz auf der Höhe, bevor das Unternehmen seine Unabhängigkeit verlor und 1945 als Hersteller von Kriegsgerät sein Ende fand. Als Zeugen einstigen Glanzes sehen wir diesen Stoewer V8 als Cabrio einige Jahre nach Kriegsende – wunderbar und betrüblich zugleich.

Die Welt von gestern war passé und damit nicht nur die unsäglichen 12 Jahre des Nationalsozialismus, mit denen sich Deutschland als Kulturnation selbst entleibt hatte. Passé war damit auch nahezu alles, was dem voranging, jedenfalls war das die offizielle Doktrin im Westen.

Selbst ein Anknüpfen an positive Traditionen wie noch unter dem Meister-Diplomaten Bismarck, den man sich in unseren Tagen hierzulande wünschen würde, galt und gilt als reaktionär.

Wenn man aber die positiven produktiven Kräfte von einst nicht mehr aktivieren kann, bleibt nur die Verwaltung der Relikte der Vergangenheit. Das gibt ein hübsches Hobby ab, ist aber keine Perspektive für eine gedeihliche Zukunft…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Auf Wiedersegeln in Schlesien! Phänomen 10/30 PS

Im heutigen Titel wird mancher einen Lapsus vermuten – es sollte doch sicher „Auf Wiedersehen“ heißen, oder? Nein, dafür ist es inzwischen zu spät für die allermeisten „echten“ Schlesier, die sich noch an die alte Heimat erinnern könnten.

Wir jüngeren Schlesierkinder, von denen es neben mir in der Leserschaft einige gibt, wie ich über die Jahre gelernt habe, können heute aber immerhin auf den Wellen des Internets dorthin segeln, wo für viele ein Teil der Familiengeschichte für immer begraben liegt.

Im vorliegenden Fall bedarf es für unsere Zeitreise nicht einmal eines besonderen Aufwands – denn es gilt gerade einmal fünf Jahre zu überbrücken, wie sich zeigen wird.

Wie das geht, wo wir doch weit über 90 Jahre Wegstrecke in die Vergangenheit zurückzulegen haben, das erklärt sich ganz leicht – quasi im Fluge!

Es ist schon eine Weile her, vielleicht ein gutes Jahr, das mir bei der Suche nach günstig angebotenen Fotos von Vorkriegsautos dieses hier begegnete:

Phänomen Typ 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

An die offenbar einem Kameraden außerhalb des Bildausschnitts aufmerksam zuhörenden Herren konnte ich mich zwar nicht erinnern, aber an den „speziellen“ Wagen im Hintergrund.

Den kennste doch„, dachte ich mir und das bestätigte sich, als ich ein weiteres zusammen damit angebotenes Foto sah.

Denn diesen einstigen Tourenwagen hatte ich bereits 2020 auf einem Segelflugplatz bei Hirschberg in Schlesien als „Phänomen“ des Typs 10/30 PS identifiziert. Zwar besteht erhebliche Verwechslungsgefahr mit Wagen von NSU und NAW, die kurz vor dem 1. Weltkrieg genau solche birnenförmige Kühler mit markant geschwungenem Oberteil hatten:

Phänomen Typ 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Doch bei der ersten Begegnung war mir die Identifikation des Herstellers anhand des Kühhleremblems gelungen (für die Details siehe dort).

Hier war offenbar einige Jahre nach dem 1. Weltkrieg ein alter Phänomen des Mitttelklassetyps 10/30 PS eines Teils seinens Tourenwagenaufbaus entledigt worden. Am Heck wurde eine Pritsche montiert, auf der ein Schleppseil für Segelflugzeuge montiert war.

Da das Auto in dieser Funktion keine dauerhaft höhere Geschwindigkeit erreichen konnte, wurde zwecks besserer Motorkühlung im Schleppbetrieb gerne die Haube demontiert. Das hatten wir seinerzeit auf dieser Aufnahme sehen können, welche auch die Identifikation der Marke erlaubte:

Phänomen Typ 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Offengeblieben war damals – und bleibt es auch heute – ob dieser Phänomen ein Fahrzeug war, das noch kurz vor dem 1. Weltkrieg bzw. im Kriegsverlauf mit optionaler elektrischer Beleuchtung ausgeliefert worden war, oder ob es sich um ein nach 1918 mit nunmehr zeitgemäßer Beleuchtung weitergebautes Exemplar handelte.

Zwar ist dokumentiert, dass der Typ 10/30 PS von 1920-24 weitergefertigt wurde, aber ich habe noch nie ein eindeutig dieser Zeit zuzuordnendes Auto dieses Typs mit so einem Flachkühler gefunden.

Tatsächlich zeigen die mir vorliegenden Reklamen der Marke ab 1918 nur noch Autos mit Spitzkühler (siehe meine Phänomen-Galerie). Ob diese gedruckten Dokumenten auch die damaligen Realitäten auf der Straße komplett wiederspiegelt, bliebt offen.

Die Angaben zur frühen Nachkriegsproduktion der Typen 10/30 PS und 16/45 PS sind leider sehr dürftig und widersprüchlich – hier gibt es noch einiges zu tun.

Genau das hatte ich auch bei unserer ersten Begegnung mit dem Phänomen aus Hirschberg in Schlesien vor fünf Jahren konstatiert.

So bleibt uns heute nur, uns an dem schon damals bewunderten Foto der Fliegerfreunde mit ihrem Schleppfahrzeug zu erfreuen:

Phänomen Typ 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ob es nach dem heute vorgestellten Fund künftig noch einmal heißen wird „Auf Wiedersegeln in Schlesien“, das möchte ich bezweifeln. Die nun wieder vereinten Fotos vom Segelgflugplatz in Hirschberg dürften alles sein, was davon die Zeiten – Krieg und Flucht bzw. Vertreibung – überdauert hat.

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Zimmer mit Aussicht: Citroen 5CV Coupé „Spezial“

Na, was sind Ihre Assoziationen beim heutigen Titel? Meine sind so abwegig, dass Sie nicht darauf kommen werden – erst das vorzustellende Foto, welches mich dazu inspirierte, wird für die gewünschte Aufklärung sorgen.

Also sind Sie heute ausnahmsweise zuerst dran:

Denken Sie zuerst an „Room with a view“ – das wunderbare Titellied eines eher peinlichen deutschen ÖR-Streifens von anno 1988, das einst von Tony Carey gesungen wurde?

Damals war die Welt noch in Ordnung. Toller Song“ – so lautet der erste Kommentar auf YouTube unter diesem Stück – jedenfalls heute, als ich das Video aufgerufen habe. Im gleichen Jahr 1988 hatte ich den Führerschein in der Tasche und machte mein Abitur.

Nur 15 Monate Wehrdienst als Panzergenadier an der innnerdeutschen Grenze trennten mich damals noch von der Freiheit. Der Krieg blieb kalt, und das war auch deshalb besser so, weil die Bundeswehr schon damals keine echte Armee war – was ich mit Blick auf das Personal an der Spitze unseres Landes heute erst recht begrüße.

Aber: „Zimmer mit Aussicht“ , das war auch der Titel eines britischen Kinofilms, der 1985 – also vor genau 40 Jahren – herauskam. Er spielt im wahrsten Sinne des Wortes mit den Klischees um das viktorianische England.

Das Beste an dem Schinken ist, dass er in Florenz und Umgebung spielt, während ich mit der damals „entdeckten“ Helena Bonham Carter noch nie etwas anfangen konnte. Einziger Lichtblick ist Maggie Smith, die später in der legendären Adelsserie „Downton Abbey“ zur Rolle ihres Lebens fand – aber das nur nebenbei.

Was hat es es nun mit dem „Zimmer mit Aussicht“ auf sich, welches ich Ihnen heute in Sachen Vorkriegsautomobile nahebringen will?

Nun, an sich ist die Sache ganz einfach. Es handelt sich um eine geniale Vorwegnahme des Konzepts des „Tiny House“ – der Miniaturbehausung, die den in Sachen Wohneigentum heillos unterausgestatteten Deutschen seit einigen Jahren angepriesen wird.

Das Lob der minimalistischen Wohnkammer, die einen all der Lasten enthebt, die mit einem richtigen Haus mit großzügigem Grundstück einhergehen, soll darüber hinwegtäuschen, dass die heutige Erwerbstätigen-Generation „dank“ weltweit einzigartiger Zwangsabgaben nicht mehr den Wohlstand ihrer Eltern zu erreichen vermag.

Dieses auf das „reiche“ Deutschland beschränkte Phänomen registriere ich schon seit langem mit einer Mischung aus Amüsement und Verärgerung. Denn an sich hätte ich am Konzept des kleinen „Zimmers mit Aussicht“ gar nichts auszusetzen, würde es nicht zugleich mit aggressiver Propaganda gegen das Automobil für jedermann einhergehen.

Dabei ließ sich doch beides schon vor 100 Jahren auf vollkommene Weise vereinen – das Dach über’m Kopf, beste Aussicht auf die Welt und die Möglichkeit, jederzeit seine Zelte abbrechen zu können und unabhängig von Zugfahrplänen einen besseren Ort in der Welt aufzusuchen – und sei es bloß außerhalb der Metropolen irgendwo auf dem Land.

Wie reizvoll das Mitte der 1920er Jahre aussehen konnte, ist hier zu besichtigen:

Citroen 5CV mit Coupédach; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses rollende Einraum-Mobil mit luftigem Ausguck basierte offenbar auf dem Citroen Type C 5CV, der ab 1922 gebaut wurde und als erstes französisches Großserienauto gilt.

Das Fahrzeug war mit seinem 900ccm-Vierzylinder unterhalb des Fiat 501 angesiedelt, der ab 1919 das früheste Massenfabrikat in Europa war. Mit elektrischem Anlasser und Diifferential hob sich der kleine Citroen jedoch von den ähnlichen Cyclecars jener Zeit ab.

Über 80.000 Exemplare entstanden bis Mitte der 1920er Jahre, darunter viele offene Versionen mit dem auch hier zu sehenden spitz zulaufenden Bootsheck, das im Französischen treffend „Cul de poule“ genannt wurde – Hühnerarsch auf gut Lutherisch.

Wer sich an den Opel 4 PS „Laubfrosch“ erinnert fühlt, muss zur Kenntnis nehmen, dass den vor dem 1. Weltkrieg auch im Kleinwagensegment versierten Rüsselsheimern 1924 nichts Besseres mehr einfiel, als am Citroen „Maß zu nehmen“, vorsichtig formuliert.

Das Besondere an dem hier präsentierten Exemplar des Citroen 5CV ist die Umgestaltung des offenen Bootsheck-Tourers in ein adrettes Coupé. Dazu montierte man einen kunstlederbezogenen Dachaufsatz, den es wohl im Zubehör gab.

Garantiert nicht serienmäßig war auch der „Freisitz“ mit Designerstuhl aus dem Hause „Henri Moreau“ – einem französischen Möbelgestalter jener Zeit.

Wer jetzt meint, dass dieser Citroen als Werbemobil unterwegs war, macht mir die Story kaputt! Für mich war dies das Werk eines Visionärs, der seiner Zeit weit voraus war und als herumzigeunernder Freigeist einfach nur sein motorisiertes Zimmer mit Aussicht genoss…

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Hier ist jeden Tag Hochzeit: Presto Typ D 9/30 PS

Es gibt erstaunlich viele Dinge, die – bei allem Trennenden – Menschen auf der ganzen Welt gemeinsam haben. Zuallererst kommt keiner an den Naturgesetzen, Logik und Mathematik vorbei, auch wenn es immer Zeitgenossen gibt, die meinen, dies ignorieren zu können.

Manche davon bringen es erstaunlich weit damit und das bringt mich zu nächsten Gemeinsamkeit – einem Hang, sich über die schnöden Realitäten der Welt hinwegzutäuschen, indem man diese als Teil einer höheren Ordnung versteht.

Ich halte es da eher mit dem Barbesitzer Flavio aus meinem Feriendomizil im italienischen Umbrien. So kamen wir kürzlich überein, dass der Mensch und die Erde im kosmischen Kontext viel zu unerheblich seien, als dass sich irgendeine übergeordnete Instanz – wenn es sie denn gibt – dafür auch nur interessieren würde.

Der Gedanke war schon in der „heidnischen“ Antike verbreitet man – findet ihn in „De rerum natura“ des römischen Schriftstellers Titus Lucretius Carus.

Eine einzige Kopie dieses bemerkernswerten, doch aus christlicher Sicht ketzerischen Stoffs hat sich erhalten, die im 15. Jh. von Poggio Bracciolini wiederentdeckt, aber wohlweislich erst einmal unter Verschluss gehalten wurde. Eine großartige Nacherzählung dieser Story ist „The Swerve“ von Stephen Greenblatt (2012).

Damit soll nicht gesagt werden, dass die auf der ganzen Welt zu findenden religiösen Glaubensvorstellungen nicht ihre Berechtigung hätten. Sie erfüllen für viele eine wichtige Funktion – das eigene kleine Dasein für sich selbst in einem großen Ganzen einzuordnen, das jedes Vorstellungsvermögen sprengt.

Dieses Bedürfnis ist den meisten ebenso gegeben wie ein anderes universelles Phänomen – den Bund zwischen Mann und Frau, die zusammenleben möchten, feierlich zu begehen und ihm einen höheren Wert zu geben, als er sich in der Praxis dann in vielen Fällen einstellt.

Dazu gehört meist ein besonders feierlicher, dem Alltag enthobener Auftritt, der den Beteiligten das Besondere vor Augen führen soll. Zu den äußeren Merkmalen gehört seit langem ein aufwendiges Automobil – möglichst eines, das man sich sonst nicht leisten kann:

Presto Typ D 9/30 PS Hochzeits-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben ein Hochzeitspaar, das sich eine Fahrt in einer besonderen Ausführung des in den frühen 1920er Jahren recht verbreiteten Presto Typ D 9/30 PS gönnte.

Der Vierzylinderwagen des Herstellers aus Chemnitz gehörte nach dem 1. Weltkrieg bis etwas 1925 zu den meistgebauten deutschen Autos überhaupt, blieb aber für Normalsterbliche wie jedes Kraftfahrzeug unerreichbar, sodass die absoluten Zahlen überschaubar blieben.

Einige tausend davon sind einst entstanden. Davn haben im Lauf der 10 Jahre seit Entstehen meines Blogs rund 40 verschiedene Exemplare den Weg hierhergefunden – in Form zeitgenössischer Fotos, versteht sich.

Die meisten davon zeigen klassische Tourenwagen, also offene Ausführungen mit dünnnem Notverdeck und seitlichen Steckscheiben – die günstigste Variante.

Geschlossene Aufbauten, die wesentlich teurer waren und den 30 PS-Wagen erst recht bei voller Besetzung mit sieben Insassen an seine Leistungsgrenze brachten, finden sich nur ausnahmsweise.

Umso bemerkenswerter daher, dass mir Leser Matthias Schmidt (Dresden) kürzlich zwei Fotos eines solchen Presto Typ D 9/30 PS zusandte, der eine praktisch identische Karosserie mit den repräsentativen ovalen Seitenfenstern besaß:

Presto Typ D 9/30 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Mir gefällt diese Aufnahme auch wegen der hier zu sehenden prächtigen Charaktere, die mit der Fotosituation sehr gelassen umgehen und sich gut aufgelegt zeigen – eher die Ausnahme in deutschen Landen nach meiner Wahrnehmung.

Man erkennt hier den typischen oben abgerundeten Spitzkühler und die kiemenartigen Luftschlitze im hinteren Teil der Motorhaube, was den Presto Typ D meist leicht erkennbar macht.

Die scheibenförmigen Abdeckungen der Räder waren ein in den frühen 1920er Jahren markenübergreifend öfter anzutreffendes Zubehör. Echte Scheibenräder wurden erst etwas später gängig. Nachgerüstet war außerdem die Stoßstange.

Man sieht: Man kann mit so einem Presto auch ohne Hochzeit im Alltag gute Figur abgegeben und miteinander harmonieren – etwas, was ich auch für mich beanspruche (ohne den schönen Wagen freilich, der heute eine große Rarität ist).

Das glückliche Zusammenleben erfordert aus meiner Sicht weniger eine formale Vereinbarung (die schnell vergessen ist) als den Wunsch, es täglich Wirklichkeit werden zu lassen.

Das unbedachte Bonmot vom „Schönsten Tag im Leben“ hat für mich einnen fürchterlichen Beiklang im Sinne von: „Besser wird’s danach nicht mehr“. Das möchte ich aber doch gerade in einer glücklichen Beziehung, dass die schönsten gemeinsamen Tage noch in der Zukunft liegen und im Idealfall sogar einen Alltag beschreiben, an dem immer Hochzeit ist.

Genau diese Gedanken verbinde ich mit den heute gezeigten Aufnahmen.

Deren letzte ist die folgende. Sie zeigt den Presto, der anderen als Hochzeitswagen diente, nochmals in einer harmonischen Situation, welche für die gutsituierten Besitzer vielleicht nicht Alltag darstellte, aber doch immer wieder in Reichweite war:

Presto Typ D 9/30 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Übrigens stammten diese Herrschaften aus dem Raum Leipzig, wie das Kennzeichen verrät.

Dass ihr Presto mit dem markanten Seitenfenster nicht derselbe war wie der auf meinem eingangs gezeigten Foto, das zeigen einige Details.

Vielleicht findet sich ein sachkundiger Kommentator, der diesem auffallenden Aufbau noch mehr abgewinnen kann als Gedanken über Sinn und Unsinn des Heiratens…

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Hier ist genug Platz für Trittbrettfahrer: Steyr Typ V

Der Typ des Trittbrettfahrers stößt gemeinhin nicht auf Sympathie. Speziell als Nettosteuerzahler (aktuell oder ehemals) denkt man an die immer zahlreicher werdenden Kostgänger der Leistungsfähigkeit von immer weniger für den Markt Qualifizierten, Erfindungsreichen und Fleißigen in allen Facetten von Erwerbstätigkeit.

Der Punkt, an dem wir mit weniger Trittbrettfahrern besser unterwegs wären, weil diese dann für ihr Fortkommen selbst verantwortlich wären und Werte schaffen müssten, die ihren Mitbürgern nützlich sind, der ist seit vielen Jahren überschritten.

Das unter Ökonomen diskutierte Produktivitätsrätsel – nämlich warum trotz rapider technologischer Fortschritte immer weniger Wirtschaftswachstum erzielt wird – findet in diesem Phänomen seine Erklärung.

Die im Hamsterrad werden immer schneller, aber immer weniger Hamster finden sich für den Job – die Mutigen verlassen das Land, die Bequemen fahren Trittbrett. Was sich ändern müsste, das liegt auf der Hand und jeder Handwerker, mit dem ich darüber rede, weiß ganz genau, wo die Probleme ihre Ursache haben.

Nur: Das Problem der überhandnehmenden Trittbrettfahrer lösen wir hier nicht und ich habe große Zweifel bei der zunehmenden Verdrücker-Mentalität in deutschen Landen, dass wir diesbezüglich noch die Kurve kriegen.

Also setzen wir uns in die Zeitmaschine und suchen uns ein Szenario, in dem wir dem Phänomen des Trittbrettfahrers ganz andere, sympathische Seiten abgewinnen können. Dabei landen wir punktgenau im Juni 1930 bei diesen Herren aus der Gegend um Frankenhausen (in einem dortigen Fotoladen entstand der Abzug):

Steyr Typ V Limousine; Aufnahme von 1930; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der scharf geschnittene Spitzkühler verweist auf die österreichische Oberklassemarke Steyr, deren ab 1920 gebaute feine 6-Zylinderwagen auch in Deutschland Freunde fanden.

Das Markenemblem ist hier etwas schwer zu erkennen – ein Phänomen, das man auch beim Benz-Emblem je nach Blickwinkel und Beleuchtung immer wieder beobachtet.

Ich bin beim Erwerb des Fotos auch erst darauf hereingefallen, weil ich in diesem Fall eine seltenere Marke vermutete.

Selbst bei genauem Hinsehen lässt sich der Name Steyr in dem zielscheibenartig gestalteten Emblem kaum entziffern:

Doch der Vergleich mit anderen Fotos von Steyr-Wagen der ersten Hälfte der 1920er Jahre macht klar, dass wir auch hier ein solches Auto vor uns haben.

Dabei betätigen wir uns wieder einmal als Trittbrettfahrer der Sammlertätigeit von Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der uns wie einige andere immer wieder kostenlos an seinen großartigen Fotofunden teilhaben lässt.

Im vorliegenden Fall profitieren wir von dieser Aufnahme aus seinem Fundus, die ebenfalls eine Steyr-Limousine zeigt, bei der das Kühleremblem klar zu erkennen ist:

Steyr-Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dieser selbstbewusste Steyr-Besitzer lässt durch seinen Auftritt etwaigen Trittbrettfahrern erst gar keinen Raum.

In seiner großzügigen Limousine war zwar reichlich genug Platz für willkommene Passagiere. Aber vollbesetzt – mit bis zu sieben Insassen – kam der Wagen bei allen Qualitäten leistungsmäßig an seine Grenzen – man erinnert sich an das Eingangsthema.

Dennoch gibt es Ausnahmefälle durchaus sympathischer Trittbrettfahrer und hier haben wir ein seltenes Beispiel dafür:

Diese Herren machen doch durchaus einen soliden Eindruck, oder?

Beide scheinen aus einem guten Stall zu kommen, wissen sich anständig zu kleiden und dürften sich in einem gutbürgerlichen Umfeld mit Erfolg bewegen.

Wie Heiratsschwindler oder windige Autohändler sehen sie nicht gerade aus – ich würde ihnen den beeindruckenden Steyr mit dem teuren Sechsfenster-Aufbau unbesehen abkaufen, wenn ich das Kleingeld dafür hätte.

Ob einer aber überhaupt noch so herrlich original wie hier in Deutschland existiert, das möchte ich doch bezweifeln, lasse mich aber gern positiv überraschen.

Diese österreichischen Prestigewagen sind jedenfalls nach meiner Wahrnehmung gemessen an ihrer einstigen Präsenz hierzulande heute heillos unterrepräsentiert.

Bei solch einem Gerät könnte ich mich bei allem Leistungsethos glatt mit einem Dasein als Trittbrettfahrer abfinden…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.