Eine komplizierte Geschichte: Wanderer W40-50 Limousine

Eine komplizierte Geschichte – darauf kann man sich vielleicht als Minimalkonsens einigen, wenn man den Beitrag Deutschlands zur europäischen Geschichte seit Gründung des Nationalstaats im späten 19. Jh. auf eine einfache Formel bringen will.

Dies spiegelt sich auch in der verwickelten Historie der Sechszylinder-Modelle der sächsischen Marke Wanderer in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wider.

Zuletzt hatte ich diese mit 2 bzw. 2,3 Liter Hubraum verfügbaren, zwar technisch konservativen, doch großzügigen Wagen anhand der offenen Versionen hier vorgestellt.

Bei dieser Cabriolet-Schau hatte ich eine Aufnahme ausgelassen, die ich heute nachreichen möchte, bevor wir uns den geschlossenen Varianten zuwenden:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine)

Dieses schicke Wanderer-Sechszylindercabrio gehörte zu einem unbekannten deutschen Militärverband, der sich im 2. Weltkrieg in der Stadt Stalino an der Ostfront aufhielt.

Die in der Südostukraine gelegene Stadt wurde später in Donezk umbenannt. Von 1941 bis 1943 war Stalino in deutscher Hand und war der zentrale Ort in der Region, von dem aus ein systematischer Genozid stattfand.

Zwischen 300.000 und 350.000 Menschen – Juden, russische Kriegsgefangene und ukrainische Zivilisten – sollen damals Opfer von Massenerschießungen, Zwangsarbeit und Vergeltungsaktionen durch deutsche Kräfte geworden sein.

Das repräsentative Gebäude im Hintergrund war die damalige Gestapo-Zentrale am Pracht-Boulevard der Artema-Straße. In den dortigen Kellern fand mehr oder weniger das Gleiche statt wie zuvor, als der kommunistische NKWD dort „wirkte“:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Koinzidenz kann nicht überraschen, da alle totalitären Ideologien das nicht-konforme Individuum zum Feind haben und keine Mittel scheuen, ihre absolute Herrschaft durchzusetzen.

Die fixen Ideen, mit denen das jeweils „begründet“ wird und die dabei bevorzugten Farben, Symbole und Schlagworte sind Folklore für kleine Geister, die darauf hereinfallen.

Es gab und gibt letztlich nur den Gegensatz zwischen dem kollektivistischen, Gehorsam einfordernden Untertanenstaat und der auf freiwilliger Kooperation und Abstimmung beruhenden Bürgerrepublik, in der die Politiker (idealerweise) bloß Angestellte auf Zeit sind.

Daher interessieren auch die ganzen Attribute und Verortungen in einem Links-Mitte-Rechts-Schema nicht – entscheidend ist „auf dem Platz“, wie ein Fußballer mal sagte.

Nachdem wir dieses nie endende Thema gestreift haben, kommen wir nun zum abgeschlossenen Kapitel der Geschichte.

Denn nachfolgend bringe ich nur noch Fotos von Limousinen, wenngleich uns die Zeitgeschichte auch hier unweigerlich begleiten wird, immerhin weniger schockierend.

Im Gegenteil ganz schön anzuschauen ist doch dieses Dokument, das links eine Wanderer-Limousine zeigt:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Welcher Motor hier unter der Haube arbeitete und wieviele Seitenfenster der Aufbau des Wanderer hatte – das muss offen bleiben und damit die genaue Zuschreibung als Typ 40, 45 oder 50.

Kaum einfacher ist die Sache im Fall der Wanderer-Limousine auf dem folgenden Foto. Der Wagen war im Dienst des Reichsarbeitsdienstes (RAD) – einer 1935 eingeführten Zwangsarbeitsorganisation für junge Deutsche mit militärischem Charakter – darauf deutet jedenfalls die Aufmachung des Herrn hin, der neben dem Auto posiert:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kaum überraschend war die Effektivität des RAD meist gering. Er band hunderttausende junger Männer ohne marktgerechte Bezahlung in Propagandaprojekten wie Autobahnen für ein Volk ohne Autos, während die deutsche Industrie unter Arbeitskräftemangel litt.

Zum Auto ist Folgendes zu sagen: es wurde nach Beginn des 2. Weltkriegs aufgenommen, da es die dann vorgeschriebenen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern aufweist. Der Wagen sieht schon ziemlich mitgenommen aus – aber so ist das nun mal, wenn es nicht das eigene Fahrzeug ist, für das man verantwortlich ist.

Noch vor dem Krieg entstand folgendes Foto, auf dem wir solch einen Wanderer in gepflegtem oder gar neuwertigen Zustand sehen:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch hier kommen der kleine und der „große“ Sechszylinder in Betracht – wir haben es also mit einem W40 oder einem W45 zu tun. Nur wenn so eine Limousine sechs Seitenfenster hatte, handelte es sich um einen Typ W 50, der immer den 2,3 Liter-Motor besaß.

Einige dieser geräumigen und hochwertigen Wagen überstanden den 2. Weltkrieg.

Entweder blieben sie in Hand ziviler Nutzer mit entsprechender Erlaubnis oder sie kehrten wieder in Privatbesitz zurück, wenn vom Militär genutzte Exemplare nach Kriegsende herrenlos und mit leerem Tank irgendwo herumstanden.

Hier haben wir ein Beispiel mit Zulassung in der DDR in den späten 1950er Jahren:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In diesem Fall ist nun wieder alles möglich: W 40, 45 oder 50. Eigentlich kann es uns heute auch egal sein wie den damaligen Besitzern, denn jedes Auto war nach dem Krieg wertvoll.

Speziell im Vergleich zu den automobilen Hervorbringungen des Sozialismus in Ostdeutschland darf man sagen, dass ein Vorkriegswagen das Beste war, was man kriegen konnte, solange sich die Fuhre noch mit verbliebenen Ersatzteilbeständen am Laufen halten ließ und der Kraftstoffverbrauch nicht exorbitant war.

So konnte die junge Generation auch unter den zunehmend totalitären Verhältnissen der Deutschen Demokratischen Republik – merke: was auffallend betont wird, ist selten gegeben – durchaus ihren Spaß im Privaten haben.

Viele damalige Oldie-Besitzer hatten den Westdeutschen voraus, dass sie wussten, wo es in Zukunft lang gehen würde – jedenfalls in punkto Vorkriegsauto:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Da wir es hier mit einer Vierfenster-Limousine zu tun haben, können wir den Wanderer Typ W50 ausschließen.

Das hilft uns aber nicht viel, da wir immer noch nicht sagen können, ob unter der Haube der 2-Liter-Motor (W40) oder die 2,3 Liter-Variante (W45) arbeitete.

Oberflächlich zusätzlich kompliziert wird die Geschichte durch die nicht mehr originalen Stoßstangen (sie könnten von einem DKW stammen) und die nachgerüsteten Blinker.

Aber das passt zur verwickelten Geschichte unseres Landes, die einen begleitet, wenn man sich mit dem Fortleben dieser Vorkriegswagen über die Jahre und Jahrzehnte beschäftigt…

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Minimal mobil – wieder aktuell? Wanderer W8 5/15 PS

Heute nahm ich dieses belustigt zur Kenntnis: Die EU – eine für fest angebrachte Flaschenverschlüsse und andere Fortschritte bekannte Organisation fragwürdiger Legitimation – diskutiert derzeit den Bau billiger Elektrokleinwagen für jedermann.

Dies könne man durch Herabsetzung geltender EU-Fahrzeugstandards unterstützen, wird verlautbart. Mancher mag dabei an die unvergessenen automobilen Segnungen zentraler Planwirtschaft denken – ich fühlte mich an diesen Appell von Wanderer vor gut 100 Jahren erinnert:

Wanderer W8 5/15 PS; Reklame von 1921/22; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Immer bemerkenswert, wenn einem von oben herab mit Ausrufezeichen nahegebracht werden soll, was die Verhältnisse gebieten – als ob der Käufer nicht selbst wüsste, was in seiner persönlichen Situation am angebrachtesten ist.

Aber der Deutsche ist die autoritäre Ansprache seit altersher gewohnt und mir scheint mitunter, dass viele sich damit wohl fühlen – bleiben einem doch so die Anstrengungen des Selberdenkens und die Risiken des eigenen Urteils erspart.

Immerhin wird der Adressat hier noch nicht geduzt, was ebenso positiv zu vermerken ist wie die grafisch gelungene Darstellung des angepriesen Wanderer W8 5/15 PS.

Schön auch, dass man diese erzieherisch daherkommende Werbung sich so genau datieren lässt – sie muss von 1921 oder 1922 stammen. Zwar gab es den Typ 5/15 PS (W3) bekanntlich schon vor dem 1. Weltkrieg und er wurde auch nach Kriegsende weitergebaut.

Doch entwickelte Wanderer einen Nachfolger mit anfänglich identischem Erscheinungsbild, aber modernerem Motor gleicher Leistung – der intern als Typ W8 firmierte.

Dieser wurde ab 1921 beworben und wir dürfen davon ausgehen, dass mit den in der Reklame erwähnten Zeitverhältnissen auf die damals immer schneller galoppierende Inflation angespielt wurde, die sich aus der Entwertung der deutschen Mark durch die hemmungslose Staatsverschuldung ergab.

Da sich das etwas stärkere und erwachsenere Modell W6 6/18 PS kaum verkaufte, blieb der kompakte Wanderer 5/15 PS die Stütze der sächsischen Marke. Wie minimalistisch die damit angebotene Mobilität war, ist an einem Detail wie der Beleuchtung zu erkennen.

Wie auf der oben gezeigten Reklame blieben beim Wanderer W 5/15 PS traditionelle Karbidgas-Scheinwerfer bis 1922 Standard. Bei vollwertigen Automobilen war dagegen elektrische Beleuchtung ab dem Ende des 1. Weltkriegs der Normalfall. Erst ab 1923 wurde dies auch beim Wanderer W8 5/15 PS serienmäßig angeboten.

Gleichzeitig wichen die bis dato flach ausgeführten dünnen Vorderkotflügel stabileren und schön gerundeten – beide Details sehen wir auf dieser Aufnahme:

Wanderer W8 5/15 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So reizvoll der Wagen hier daherkommt, sieht man ihm dennoch die Kompromisse beim Platzangebot an. Maximal drei Personen konnten im Wanderer W8 5/15 PS fahren.

Erst im vierten Produktionsjahr hatte man ein Einsehen – im Herbst 1924 wurde endlich einer viersitzige Ausführung angeboten. Im Ausland hatten die Importeure bereits zuvor von sich aus für entsprechend marktgerechte großzügigere Aufbauten gesorgt.

Man sieht an diesem Beispiel: Von oben verordneter Minimalismus geht an der Lebenswirklichkeit vorbei – die Leute wissen im Normalfall besser, was gut für sie ist und was sie sich leisten können. Weder Unternehmen noch Behörden sollten sich einen Erziehungsauftrag anmaßen, welche Form der Mobilität genau für den Einzelnen optimal ist.

Wir könnten kein einziges der phänomenalen technischen Hilfsmittel in unserem Leben genießen, wenn nicht der Markt, sondern sich oberlehrerhaft gerierende Firmenlenker oder gar wirtschaftsferne Bürokraten deren Richtung vorgegeben hätten.

Selbst ein genialer Erfinder wie Henry Ford erlag der Fehleinschätzung, dass doch das Endziel der automobilen Entwicklung erreicht sei, nachdem sich jeder Arbeiter in den Staaten ein „Model T“ leisten konnte – ein Minimalmobil par excellence.

Der Markt als Ausdruck individueller Präferenzen und der Wettbewerb als bestmöglicher Mechanismus, diesen gerecht zu werden, führten in der Folge dagegen zu den ständigen Fortschritten, an deren Vorteile wir uns stillschweigend gewöhnt haben, während etwaige Nachteile von interessierter Seite einseitig aufgeblasen werden.

Wem minimale Mobilität genügt, der kann sie ja jederzeit ungestört praktizieren – wobei Abstriche bei Unfallsicherheit, Platzangebot und Komfort unvermeidlich sind. Aber das soll doch bitteschön jedem selbst überlassen bleiben wie beispielsweise die Wahl zwischen Festznetztelefon, 0815-Mobiltelefon und Smartphone.

Ans Ziel kommt man bei Bedarf mit ganz unterschiedlichen Varianten – mit einem späten Luxuswagen von Wanderer wie dem 6-Zylindertyp W40 ebenso wie mit einem namenlosen Kleinwagen – es ist Platz für beide in der Welt und beide haben ihre Stärken…

Wanderer W40 (oder 50) und (evtl.) DKW; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

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Wuppertal kann warten: Unterwegs im Wanderer W 240

Zurück aus Italien nach 13 Stunden Autofahrt und gut ausgeschlafen hat mich die Heimat nördlich der Alpen wieder.

Auch wenn man die Strecke noch so genau kennt, kostet der permanente 360 Grad-Blick beim Fahren einige Kraft. Nur so kann man als Vielfahrer in den letztlich unvermeidlichen kritischen Situationen angemessen reagieren oder sogar vorausschauend sich darauf einstellen.

Hinzu kommt, dass ich wo es geht und es die Lage erlaubt, schnell fahre. Die Konzentration bei hohem Tempo lässt bei mir keine Müdigkeit aufkommen, die stellt sich eher ein, wenn es gemächlich zugeht. Man ist dann gut beraten, kurz zu halten, etwas herumzugehen oder auch ein paar Minuten die Augen zu schließen. Danach ist der Kopf wieder klar.

Freilich ist jeder anders und jeder muss selber wissen, wo seine Grenzen sind und wie er solche Trips angeht. Ich verstehe völlig die Leute, die konsequent mit Tempo 100 auf der rechten Spur ihres Weges ziehen, niemand wird dadurch beeinträchtigt. Nur zum Überholen sollte man schon um einiges schneller sein als das…

Auch mit Tempo 50 die Gotthard-Paßstraße hinauf und dann abwärts in jeder Serpentine fast zum Stillstand kommen, so etwas erlebt man ebenfalls und das muss wirklich nicht sein – es sei denn, man ist allein unterwegs und hat alle Zeit der Welt.

Damit wären wir bei diesen Herren, die es 1938 auf dem Heimweg aus Mittelitalien wahrlich nicht eilig hatten und einfach auf der Straße für Fotozwecke haltmachen konnten:

Wanderer W240 anno 1938 in der nördlichen Toscana; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

58 Kilometer waren es von hier nach Florenz und gut 10 Kilometer nach Piancaldoli in die entgegengesetzte Richtung – so ist das Straßenschild im Hintergrund zu interpretieren.

Das versetzt uns an den Raticosa-Pass, über den es von Florenz kommend auf knapp 1000 Meter Höhe Richtung Norden nach Bologna und damit in die Po-Ebene geht.

Die Straße macht einen exzellenten Eindruck, sie scheint erst vor kurzem instandgesetzt oder modernisiert worden zu sein – jedenfalls meine ich eine entsprechende Walze zur Verdichtung und Glättung des Belags im Hintergrund rechts von der hochgereckten Hand eines der drei Herren an Bord zu erkennen.

„Wuppertal kann warten“ dachten sich die Insassen des dort zugelassenen Cabriolets, als sie im Sommer 1938 anhielten, bevor sie dem Abzweig nach Norden weiter folgten:

Wanderer W240 anno 1938 in der nördlichen Toscana; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was den Wagen angeht, haben wir es passend zum heutigen Sujet mit einem „Wanderer“ zu tun, wie es bereits das geflügelte „W“ als Kühlerfigur verrät.

Allerdings war dieser Wanderer nicht gerade ein Musterbeispiel für die Bescheidenheit eines Pilgers zu den großen Stätten der Andacht in weltlicher und geistlicher Hinsicht, wie sie Mittelitalien in einzigartiger Dichte bietet.

Nein, dieser Wanderer war ein luxuriöser Vertreter seines Standes – mit enorm teurem Manufakturaufbau als 2-Fenster-Cabriolet von „Gläser“ aus Dresden. Den gab es als Typ W240 von Wanderer für ungeheure 5.250 Reichsmark.

Bei Erscheinen anno 1935 entsprach dieser Preis mehr als dem dreifachen Brutto-Jahreseinkommen eines sozialversicherungspflichtigen Durchschnittsverdieners in Deutschland. Von der Relation betrachtet wären das heute über 150.000 EUR.

Die Ansprache als Wanderer W 240 gelingt anhand der feinen schräggestellten Kühlerstreben in Verbindung mit dem einteiligen Feld für die Luftschlitze in der Motorhaube.

Trotz seines immensen Preises war das 1,3 Tonnen wiegende Cabrio mit 40 PS wie bereits der Vorgänger W 235 (35 PS) für ein Fahrzeug seiner Klasse noch untermotorisiert.

Wanderer reagierte schon im Herbst 1935 auf die Kritik und bot den Wagen nun mit 50 PS aus 2,3 Litern Hubraum an. Spitze 100 km/h waren damit im Land der mangels Autobesitzern leeren Autobahnen wenigstens diesen exklusiven Gefährten möglich.

Ob „unser“ Wanderer noch das 2 Liter Aggregat mit 40 PS besaß oder die speziell für Reisen über die Alpen eher geeignete 2,3 Liter-Variante mit 50 Pferdestärken, muss offen bleiben. Die Literatur liefert keine Hinweise auf äußerliche Unterscheidungsmerkmale.

Dass wir es tatsächlich mit dem 2-Fenster-Cabrio zu tun haben (es gab auch eine 4-Fenster-Version), ist auf dem nächsten Foto zu erkennen, das denselben Wagen zeigt:

Wanderer W240 anno 1938 am Gardasee; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Fotografiert wurde der Wanderer an der linken Uferseite des Gardasees mit Blick auf Riva an dessen Nordende.

So ist es auf der Rückseite vermerkt und das lässt sich auch dann problemlos verifizieren, wenn man noch nie am Gardasee war, den die Italiener bisweilen ironisch als „Deutschlands südlichsten See“ bezeichnen.

„Wuppertal kann warten“ werden die Insassen auch bei dieser Gelegenheit gedacht haben. Ich kann das auch ohne Berücksichtigung der sich damals verschärfenden politischen Situation und des alsbald begonnenen 2. Weltkriegs nachvollziehen.

Unsere „Wandersleute“ scheinen es wahrlich nicht eilig gehabt zu haben. Denn nur kurze Zeit spät hielten sie abermals an und machten diese Aufnahme ihres wackeren Wagens:

Wanderer W240 anno 1938 am Gardasee; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

An dieser Stelle bricht die Bildüberlieferung ab und – egal, was noch kam, die Verhältnisse sollten sich kaum zum Besseren wenden. Was aus den Insassen wurde, welchen Anteil sie am politischen und militärischen Geschehen hatten, das wissen wir nicht.

Vielleicht hat der schöne Wanderer die Wirren der folgenden Jahre überlebt und sei es nur für eine begrenzte Zeit in Wuppertal oder nach einer Wehrmachtskarriere irgendwo sonst…

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Kandidat für die „Fenstersteuer? Wanderer W50 Cabrio

Normalerweise pflege ich zwecks Identifikation spezieller Typen von Vorkriegswagen Radbolzen und Haubenschlitze zu zählen – oft liefert das wertvolle Hinweise. Tendenziell ist dabei eine größere Zahl als Indiz für eine stärkere Motorisierung zu werten.

Wenn ich heute zur Abwechslung Fenster zähle, dient das grundsätzlich demselben Zweck, denn heute gilt es, die Cabriolet-Version des ab 1936 gebauten Wanderer W50 mit 2,3 Liter Motor von den parallel erhältlichen Ausführungen W40 und W45 abzugrenzen.

Dank der vorbildlichen Literatur zu der sächsischen Traditionsmarke (Erdmann&Westermann: Wanderer Automobile, Verlag Delius-Klasing) können wir uns heute in solchen Details verlieren – wie immer anhand geeigneter Originalfotos.

Dabei bestätigt sich die Erkenntnis, dass bei nur kleiner Grundgesamtheit die Verteilung unterschiedlicher Merkmale rein zufällig schwanken kann – also nicht repräsentativ ist.

So liegen mir vom 2-fenstrigen Wanderer-Cabriolet jener Zeit doppelt so viele Fotos vor wie von der 4-fenstrigen Version – tatsächlich wurde letztere aber weit öfter gebaut.

Doch machen wir die Sache konkreter, denn Sie wollen ja nicht über angemessene Stichprobengrößen belehrt werden, sondern wollen vor allem etwas sehen. Also beginnen wir mit diesem netten Dokument:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet der mäßigen Qualität dieses Abzugs lässt sich das markentypische geflügelte „W“ auf der Kühler erahnen. Die eigentümliche Gestaltung der Luftschlitzer in der Haube gabe es zwar schon beim Typ W240/245 ab 1935, doch die hohe seitliche „Schürze“ am Vorderkotfügel verweist auf den 1936 eingeführten Nachfolgertyp W40/45/50.

Die Motorvarianten – ein 2 Liter (40 PS) und ein 2,3 Liter (55 PS) – waren unterdessen gleichgeblieben. Allerdings merkte man bei Wanderer bald, dass der W40 untermotorisiert war, sodass es das 2-Fenster-Cabriolet bald nur noch als W45 (55 PS) gab.

Verwirrend, nicht wahr? Egal, denn es gibt auf dem Weg zum eigentlichen Kandidaten des heutigen Blog-Eintrags noch Bemerkenswertes zu besichtigen.

Hier haben wir das 2-Fenster-Cabriolet von Wanderer – übrigens meist mit Aufbau von Gläser (Dresden) – aus einer ungewöhnlichen Perspektive:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Ob das winzige Rückfenster eine gute Idee war – gestalterisch wie funktionell – lassen wir einmal dahingestellt sein.

Mit vielen überholwilligen Automobilisten war im verkehrstechnisch rückständigen Deutschland der 1930er unterwegs kaum zu rechnen.

Ohnehin fuhr sich so ein Wanderer-2-Fenster-Cabrio weit angenehmer offen – auch wenn der BDM-Wimpel des nationalsozialistischen „Untergau 1“ hier eher unangenehm wirkt:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wir kommen an der inflationären Präsenz des Hakenkreuzes ab 1933 in deutschen Landen leider nicht vorbei und es ist zwecklos, vor dem faschistischen Kulturbruch Deutschlands die Augen zu verschließen.

Die Ergebnisse dieser fatalen Epoche wirken bis heute fort, nicht nur in den vielen im Krieg zerstörten Städten, sondern auch in der vererbten Verstörung vieler Deutscher, denen eine gelassene Einstellung zur eigenen Nation unendlich schwerfällt.

In meinem Fall dürfen Sie sicher sein, dass ich das Hakenkreuz auf solchen Fotos stets nur aus dokumentarischen Gründen zeige – mir ist jede totalitäre, kollektivistische und egalitäre Ideologie zuwider – egal, in welcher Farbe sie angestrichen ist.

Noch kurz vor dem Krieg posiert hier ein dandyesk wirkender Herr vor seinem Wanderer W40/45-Cabriolet mit 2 Fenstern – ein erfreulicher Kontrast zu den sonst oft zu sehenden pseudomilitärisch zurechtgemachten feisten Zeitgenossen:

Wanderer W40 oder 45 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ähnliches ist über den sympathisch wirkenden jungen Mann auf der folgenden Aufnahme zu sagen – seine Montur deutet darauf hin, dass er einem ehrlichen Beruf nachging, bei dem man sich die Hände schmutzig machte, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

In welcher Beziehung er zu dem Wagen und der scheu dreinschauenden Insassin stand, ist unser Fantasie überlassen – alles ist möglich auf diesen Zeugnissen der Welt von gestern:

Wanderer W50 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Eines lässt sich aber sicher sagen: Dieses Wanderer-Cabriolet besaß bei aller sonstigen Übereinstimmung mit den bisher gezeigten Exemplaren vier statt nur zwei Seitenfenster.

Das ist gemäß der Literatur ein untrüglicher Hinweis darauf, dass wir hier das Spitzenmodell von Wanderer – den Typ W50 – vor uns haben. Er besaß den „großen“ Sechszylindermotor mit 2,3 Litern Hubraum und 55 PS.

Mit größeren Hubraum war tendenziell eine höhere KfZ-Steuer verbunden – eine Regelung, die steuersystematisch grober Unfug ist. Denn die Hubraumsteuer oder überhaupt jede KfZ-Steuer hat keinerlei Bezug zur grundlegenden Leistungsfähigkeit eines Bürgers.

Diese ergibt sich nur aus seinem vereinnahmten bzw. verausgabten Einkommen. Nachdem das Erzielen von Einkommen schon einmal vom Staat zum Anlass genommen wurde, sich zu bedienen. ist dasselbe jedesmal der Fall, wenn das Nettoeinkommen ausgegeben wird.

Nehmen wir also an, einer kaufte sich ein neues Wanderer-Cabriolet – dann zahlte er nach Maßgabe des Kaufpreises Umsatzsteuer darauf. Das lässt sich steuersystematisch grundsätzlich mit dem Leistungsfähgkeitsprinzip in Einklang bringen.

Je nach dem, wie viel der Wanderer-Besitzer nun herumfährt, bezahlt er auf seine Ausgaben für Benzin, Öl,. Reifen, Wartung usw. jedemal Steuern. Alles schön und gut, aber: Warum zum Teufel soll er auf eine physikalische Größe wie den Hubraum seines Motors auch noch Steuern zahlen, selbst wenn die Fuhre das ganze Jahr in der Garage steht?

Wir kommen uns heute besonders fortschrittlich und schlau vor, lachen über Absurditäten wie die historische Fenstersteuer, mit denen die Leute früher willkürlich belegt wurden, um staatliche Verschwendung, Kriege, Prestigeprojekte usw. zu finanzieren.

Dabei ist die Hubraumsteuer schlicht die moderne Entsprechung der Fenstersteuer. Doch immerhin im Fall des 4-Fenster-Cabriolets auf Basis des Wanderer W50 kann ich bedingt Entwarnung geben.

Denn die zwei zusätzlichen Fenster führten ja nur im Vergleich zum 2-fenstrigen W40 zu einem Steueraufschlag, da dieser einen kleineren Hubraum (2 Liter) hatte. Nachdem das W40-Cabrio durch den ebenfalls zweifenstrigen W45 esetzt worden war, der den stärkeren Motor des W50 besaß, hatte sich die „Fenstersteuer“ erledigt…

Klingt alles ziemlich irre, war aber so und ist heute nicht viel anders.

Nur die Eleganz eines Wanderer-Cabrio, die einen alles ertragen lässt, die fehlt in unseren Tagen. Doch zum Glück haben wir die Zeugnisse von einst, die einen zumindest in ästhetischer Hinsicht bereichern, ohne dass irgendeiner dafür kassiert…

Wanderer W50 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Massenphänomen vom Feinsten: Auto-Union Sonderschau

So sehr ich gelungene Auto-Exoten mag, so wenig bin ich darauf festgelegt.

Ich kann mit dem Auto als Massenware sehr gut leben, vorausgesetzt es handelt sich um ein nützliches und ansehnliches Gefährt wie etwa mein Peugeot 202 UH.

Peugeot 202 UH, aufgenommen 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Wenn man schon Städte und Straßen verstopft, sollte wenigstens das Auge nicht zu kurz kommen dabei.

Deshalb ist mir auch die Vorstellung einer reinen Radlerstadt ein Graus, sofern die Leute diese unförmigen modernen Rahmen aus Verbundstoffen fahren und mit schreiend bunten Kunstfaser-Klamotten die Umwelt erst visuell und später auf der Müllkippe verpesten.

Auf dieses Thema kam ich wie so oft auf Umwegen.

So war ich heute wieder in Oberitalien auf dem Weg nach Umbrien unterwegs. Hinter dem Grenzübergang in Chiasso führt die Schnellstraße Richtung Milano an Como vorbei.

Man erhascht dabei nur einen kurzen Blick auf die prächtige Stadt am Südende des Comersees. Von der am Hafen gelegenen Piazza Cavour aus bot sich in die Gegenrichtung (die moderne Straße fehlt hier noch) einst dieser Blick:

Ansichtskarte aus Como (Oberitalien) um 1950; Original: Sammlung Michael Schlenger

Neben den schönen Dampfern erfreuen hier die vielen Autos der 1930er bis ganz frühen 1950er Jahre das Herz des Altblechliebhabers. Ganz vorne stellvertreten ein Fiat „Topolino“ der Vorkriegszeit – ein immer noch erschwingliches Automobil für Ästheten.

Wie es der Zufall wollte, überholte ich wenig später kurz hinter Como den Nachfolger des Fiat Topolino – den 500 Nuova, der ab 1957 in gigantischen Stückzahlen entstand und bis heute in Italien oft anzutreffen ist.

Der Kleine hoppelte mit Tempo 80-90 auf der rechten Spur, während ich mit 130 Sachen vorbeizog. Ein Kontrollblick auf den aktuellen Verbrauch bei dem Tempo ergab übrigens 6,8 Liter – nicht schlecht für einen 150 PS starken Benziner-SUV, meine ich.

Wer moderne Verbrenner immer noch als gravierende Umweltbelastung wahrnimmt, dem sei empfohlen, in die Abgasschwaden der wenigen Autos von einst einzutauchen.

Anno 1914 wie hier im französischen Seebad Deauville – mag das gerade noch akzeptabel gewesen sein:

Ansichtskarte aus Deauville (Frankreich) um 1914; Original: Sammlung Michael Schlenger

Eine frische Meeresbrise löste hier unangenehme Gerüche rasch auf, die damals auch noch von den vielen Pferdegespannen produziert wurden, was gern vergessen wird.

Ebenfalls nicht reproduzieren lässt sich hier das Geräusch der damaligen Motoren – im Einzelfall heute reizvoll und tolerabel, vor über 100 Jahren dagegen von wenigen wirklich leisen Konstruktionen abgesehen innerorts nur lästig.

Delage, Renault und Citroen ab Mitte der 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beste Figur gaben noch in den 1930er Jahren massenhaft versammelte Automobile eher im Stand ab.

Auf der folgenden Aufnahme von 1934 sehen wir eine Ansammlung in Stresa am Westufer des Lago Maggiore in Oberitalien:

Ansichtskarte aus Stresa (Oberitalien) von 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte noch weitere solche Auto-Massenphänomene bringen, aber einige davon sind für andere Gelegenheiten besser geeignet.

Fast zeitgleich kam es in Deutschland zu dem Massenauflauf, auf den ich heute eigentlich hinauswill.

Dabei versammelten sich – wenn ich nicht daneben liege – ausschließlich Automobile der unter dem Dach der Auto-Union zusammengefassten sächsischen Hersteller Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Sehen Sie selbst nach, ob ich vielleicht doch ein Fremdfabrikat übersehen habe. Lassen Sie sich nicht von dem mit „Reichswehr“-Kennzeichen versehenen Horch im Vordergrund ablenken – alle übrigen Wagen scheinen zivile Nummernschilder zu tragen:

Auto Union-Sonderschau, Foto um 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Die Datierung dieses aus zwei Fotos zusammenklebten Originalabzugs lässt sich recht genau vornehmen.

Die deutsche „Reichswehr“ wurde im Frühjahr 1935 in „Wehrmacht“ umbenannt, warum auch immer, und der neben dem Horch in vorderster Reihe zu sehende Audi kann erst 1933/34 entstanden sein.

Eventuell erlauben weitere hier zu sehende Autos eine noch genauere Eingrenzung. Da ich auf Reisen keinen Zugriff auf meine Literatur habe, überlasse ich diese Recherche gern den in Sachen DKW & Co versierten Lesern.

Was mich hier nachdenklich macht, ist der militärische Kontext. Man sieht im Hintergrund einige Schirmmützenträger und die Hallen könnten zu einer Kaserne gehört haben.

Gewiss, der Krieg lag noch ein paar Jahre in der Zukunft, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass schon einmal das Thema „Zivilwagen an die Front“ geprobt wurde.

Bei besonders regimetreuen Volksgenossen sollte es bald eine Frage der Ehre sein, den eigenen Wagen zur kriegsmäßigen Verwendung abzuliefern. Skeptischere Vertreter wurden mehr oder weniger subtil mit Angeboten überredet , die man nicht ablehnen sollte.

Übrigens landeten auch Fronttriebler massenhaft bei der Truppe – man denke nur an die Adler Trumpf-Wagen oder die in Frankreich geraubten Citroens des Typs „Traction Avant“.

Citroen Traction Avant, aufgenommen bei Troyes 1940; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die schwächer motorisierten DKWs finden sich im Krieg in heimatnahen Verwendungen wie der Ausbildung weiteren Kanonenfutters dienenden Kasernen oder Flugplätzen.

Von den ebenfalls frontgetriebenen Audis finden sich nur wenige Aufnahmen bei der Truppe, was aber schlicht daran liegt, dass diese edlen Wagen ohnehin nur in sehr geringen Stückzahlen gebaut wurden.

Mehr will ich für heute gar nicht erzählen, ich meine, dass ich genügend Material aufgefahren habe, anhand dessen Sie sich vertieft mit dem Reiz des Massenphänomens Automobil befassen können – bin gespannt, was ich alles übersehen habe…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Begleiter durch dick & dünn (Teil 2): Wanderer W23/24

Wiederholungen können öde sein – etwa die Neuauflage fixer Ideen, die schon x-mal gescheitert sind, aber an jeder Generation neu ausprobiert werden müssen.

Beispiele dafür können Sie sich im reichen Angebot an ideologischen Verwirrungen unserer Tage selbst aussuchen. Ich halte mich indessen lieber an erfreuliche Wiederholungen wie den anstehenden Frühlingsanfang.

Der kündigte sich heute in meiner Heimatregion – der Wetterau zwischen Frankfurt/Main und Gießen oder auch zwischen Taunus und Vogelsberg – auf das Schönste an.

Nach einer erneuten Nacht mit Frost setzte sich heute die Sonne fulminant durch. Im Garten leuchten die Frühblüher um die Wette und auf einer Wiese am Ortsrand genießen drei neugeborene schneeweiße Zicklein ihre ersten Lebenstage.

Da Großstädter nichts von diesen solchen Zyklen mitbekommen – aber fast regelmäßig mit wegen Einsturzgefahr gesperrten Brücken bei Laune gehalten werden – bringe ich heute passend zum Frühlingsanfang eine Wiederholung in Sachen „Wanderer“.

Zufälllig stellte ich heute fest, dass ich fast auf den Tag genau vor fünf Jahren hier unter dem Motto „Begleiter durch dick und dünn“ eine Bilderschau brachte. welche die Wanderer-Modelle W23 /24 aus der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zum Gegenstand hatte.

Von diesen beiden äußerlich fast identischen Vier- bzw. Sechszylindertypen der sächsischen Traditionsmarke – seinerzeit Teil des Auto Union-Verbunds – haben sich weitere Fotos eingefunden, mit denen ich die Story nochmals erzählen könnte.

Ich wiederstehe der Versuchung, die Bilder von einst mit den neu augetauchten zusammen zu präsentieren, und verzichte auch auf die detaillierte Unterscheidung der beiden Modelle, denn das macht bloß Arbeit und interessiert außer Markenspezialisten keinen.

Wenn ich in den letzten fünf Jahren etwas auf dem Sektor gelernt habe, dann dies: Es ist vor allem die ästhetische Wirkung alter Fotos mit Vorkriegswagen, die noch für Interesse sorgt – alles andere lässt sich in der Literatur nachlesen, sofern vorhanden.

Das soll nicht heißen, dass ich nicht im besonderen Einzelfall darauf bestehe, mit Ihnen Haubenschlitze und Radbolzen zu zählen, um spezielle Typen zu identifizieren. Auch erlaube ich mir weiterhin subjektive Urteile über den Grad an Gelungenheit von Karosserieformen – mit ästhetischen Ansichten ist man ohnehin meist allein hierzulande.

Aber die Fortsetzung meines vor fünf Jahren entstanden Blog-Eintrags zu den Feinheiten der Wanderer-Typen W23 und W24 konzentriert sich eher auf die Gesamtsituation als auf die Finessen der abgebildeten Wagen.

Den Anfang bei der Neuauflage von „Durch dick & Dünn mit dem Wanderer W23/24“ macht heute diese prächtige Aufnahme einer Cabriolet-Ausführung:

Wanderer W23 oder W24 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Unabhängig von der nachrangigen Frage, ob hier die Vierzylinderausführung (W24) oder die Sechszylinderversion (W23) zu sehen ist, haben wir eine Spitzenaufnahme vor uns, welche einen praktisch neuen Wanderer mit Zulassung im Raum Rochlitz (Sachsen) zeigt.

Da das Auto noch keine Tarnscheinwerfer besitzt, kommt als Entstehungszeitraum der Aufnahme 1937 bis Sommer 1939 in Frage.

Gut gefällt mir hier der leicht verwegene Dress des jungen Herrn links, der zum Anzug eine helle Schiebermütze und ein ziemlich offenes Hemd trägt. So mit der klassischen Garderobe spielen zu können, ohne aggressiv zu provozieren, zeichnet den Individualisten aus.

Damit war nach offizieller Doktrin mit Kriegsbeginn im Sommer 1939 Schluss. Für als kriegstüchtig geltende Männer sah das staatlich verordnete Outfit von nun an wie folgt aus:

Wanderer W23 oder W24 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Auto ist praktisch das gleiche – nur mattgrau gespritzt und mit den ab September 1939 bei zivilen wie militärischen PKW vorgeschriebenen Tarnscheinwerfern ausgestattet.

Der auf der Stoßstange sitzende Soldat war ein Unteroffizier, wie am hell eingerahmten Kragen zu erkennen ist – vor der Brust trägt er den typischen Gasmaskenbehälter, auf dem Rücken den Standardkarabiner K51 des deutschen Heeres, wenn ich richtig liege.

Wann und wo diese – wie meist in solchen Fällen – harmlos wirkenden Situation im 2. Weltkrieg für die Nachwelt festgehalten wurde, ist nicht bekannt.

Ich würde die Aufnahme aufgrund des guten Zustands des Wagens und des Nährstands des Soldaten in der Frühphase des Kriegs verorten – also während der deutschen Attacken auf Polen 1939 oder Frankreich 1940.

Wir wissen, wie die Sache ausgegangen ist. Der Russlandfeldzug scheiterte schon im Winter 1941 vor Moskau (musste aber unbedingt weitergeführt werden…) und mit der gleichzeitigen Kriegserklärung an die USA war der Untergang bereits damals besiegelt.

Um als rohstoffarmer Kleinstaat gleichzeitig Moskau und Washington zum Gegner zu erklären, dafür muss man schon tief aus der Pulle der Irrationalität und Selbstüberschätzung getrunken haben.

Egal, Deutschland brauchte noch dreieinhalb Jahre totalen Krieg und die weitgehende Zerstörung des kulturellen Erbes (das man zu verteidigen vorgab…), um seinen Furor „von Finnland bis zum Schwarzen Meer“ ausgetrieben zu bekommen.

Danach wurden für einige Jahre kleinere Brötchen gebacken in Restdeutschland. Bemerkenswert ist indessen, wie schnell sich zumindest einige Zeitgenossen aus der Misere emporzuarbeiten vermochten.

Hier haben wir zwei jüngere Herren, die gewiss auch „gedient“ hatten. Sie verfügten über einen gut erhaltenen Wanderer des heute vorgestellten Typs, nur die vier Ringe der Auto-Union waren verlorengegangen:

Wanderer W23 oder W24 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Kennzeichen verweist auf eine Zulassung im jetzt sozialistischen Ostdeutschland – so die offizielle Bezeichnung für einen neuerlichen totalitären Staat, der mit zunehmender Dauer immer militanter gegen die Reste des eigenständigen und wirtschaftlich erfolgreichen Bürgertums vorging, welches bereits erklärter Feind der Nationalsozis war.

Bemerkenswert und bewundernswert, wie es unter diesen Bedingungen cleveren Akteuren im Osten unseres Lands gelang, ausgerechnet viele der Vorkriegsautos zu bewahren, die der Ober- und Luxusklasse angehörten.

Das schon in den 30er Jahren offiziell verhasste „Besitzbürgertum“ erwies sich als hartnäckiger und intelligenter als gedacht – und das stimmt mich auch in unseren Tagen hoffnungsfroh – wobei dies vielleicht durch Frühlingsgefühle übertrieben scheinen mag…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Beflügelte Vorschau auf den Sommer: Wanderer W10-IV

Da hat es unser Blog-Wart aber auf einmal eilig. Hat er doch kürzlich erst das zur aktuellen Jahreszeit passende Foto eines FN in Eiseskälte gezeigt (hier). Gewiss, doch in meinem Blog unternehme ich ganz nach Tagesform gern virtuelle Ausflüge in die von mir bevorzugte Jahreszeit – den Sommer.

Der Winter kann ja durchaus seine Reize haben, speziell wenn bei Frost die schon merklich höherstehende Sonne vom tiefblauen Himmel scheint wie heute.

Erstmals kam sie wieder nachmittags über das Dach meiner Oldtimer-Scheune – in Wahrheit ein massiver Ziegelbau mit schönem offenen Dachstuhl. So konnte ich im windgeschützten Hof noch etwas Buchenholz für die verbleibenden Tage des Februar ofengerecht zukleinern.

Die Bewegung an der frischen Luft hat mir die letzten Monate gefehlt – wenngleich meiner vierbeinigen Mitbewohnerin Ellie das Verständnis dafür fehlte und sie mich vom malträtierten Polstersessel im geheizten Wintergarten aus beaufsichtigte.

Vom Schwung der Spaltaxt zusätzlich beflügelt wanderten die Gedanken in den Sommer und nach getaner Arbeit fand ich im Fotofundus das dazu passende Bildmaterial.

„Abholen“ möchte ich Sie zunächst mit dieser winterlichen Aufnahme, bevor wir uns anschließend einer beflügelten Vorschau auf den Sommer hingeben:

Wanderer W10 (frühe Ausführung); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier finden wir uns mitten im verschneiten Wald wieder, und der einzige „Wanderer“, der sich bei dieser Gelegenheit blicken lässt, ist der gleichnamige Wagen des Typs W10 6/30 PS, neben dem sich die darin Reisenden gewiss nur kurz zur Fotozwecken aufhalten.

Der Hersteller des Wagens wäre auch ohne das geflügelte „W“ auf dem Kühlwasserstutzen zu ermitteln gewesen, denn das eigentliche Markenemblem befindet sich darunter.

Die Kühlerfigur war bei Wanderer erst etwa 1929 eingeführt worden, während der abgebildete Wagen bereits seit Herbst 1926 in Produktion war. Die schmucklose Vorderpartie sollte der Wanderer W10 noch bis 1930 beibehalten.

Um was für eine Variante (W10-I, II oder III) es sich genau handelte, lässt sich meines Erachtens nach nicht mit Bestimmtheit sagen und es ist auch egal.

Wir halten uns nicht länger damit auf, denn wir wollen ja eigentlich einen Vorgeschmack vom Sommer erhaschen. So bleibt es bei der Festellung, dass es sich eher um eine frühe Ausführung des W10 mit eventuell nachgerüsteter Kühlerfigur handelt.

Von Vorfreude beflügelt wechseln wir nun Jahreszeit und Ambiente – wobei sich das Thema Wanderer auf erfreulichere und vielfältigere Weise manifestiert.

Wir nähern uns mit respektvollem Abstand, damit der Kontrast nicht zu heftig ausfällt. Außerdem können wir so das schöne Hotel Alpenrose würdigen, das sich in Bayrischzell befindet und heute noch genau so aussieht – zumindest von außen:

Wanderer W10-IV in Bayrischzell; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Neben dem beeindruckenden historischen Hotelgebäude wirkt der Wanderer mit Berliner Zulassung winzig. Doch bot er in der Limousinenausführung für ein Auto der unteren Mittelklasse ausreichenden Komfort auch für längere Fahrten.

Der 30 PS leistende 1,6 Liter-Vierzylinder hatte bei voller Besetzung freilich nur in der Ebene genügend Leistung. Eine Gebirgstour wäre darin eine Quälerei für Mensch und Maschine gewesen.

Wanderer hatte das Defizit erkannt und dem W10 von 1927-1928 eine deutlich elastischere 40-PS-Maschine mit 2 Litern Hubraum verpasst. Sie wurde aber dann wieder einkassiert, weil man lieber den neuen 6-Zylindertyp W11 mit 50 PS an den Mann bringen wollte.

Der 1,6-Litermotor mit 30 PS wurde unterdessen weitergebaut und sollte bis Produktionsende des Wanderer W10 beibehalten werden.

Die Frontpartie hatte man aber 1930 so überarbeitet, dass der Wanderer endlich seinen unnötig unscheinbaren Charakter verlor und ein markantes „Gesicht“ erhielt, das ihn optisch deutlich aufwertete.

So glänzte einem die nunmehr verchromte statt nur vernickelte neue Kühlermaske schon von weitem entgegen, sodass sich der Wagen frühzeitig als modernisierter Wanderer W10 zu erkennen gab:

Wanderer W10-IV in Bayrischzell; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch technisch war einiges verfeinert worden.

Die traditionelle Maggentzündung war durch eine Batteriezündung (12 Volt) ersetzt worden. Ein Luftfilter und ein moderner Zenith-Vergaser wurden verbaut.

Die hauseigene Gestängebremse war durch eine per Drahtseil betätigte (System Perrot) ersetzt worden, die eine gleichmäßigere Bremswirkung ermöglichte. Vorder- und Hinterachse hatten hydraulische Hebelstoßdämpfer erhalten, die den Fahrbahnkontakt verbesserten und das Aufschaukeln der Karosserie bei Unebenheiten eindämmten.

Damit war der Wanderer W10 angesichts der Krise im deutschen Automobilbau 1930 noch einmal reaktiviert und geschickt verjüngt worden. Das hatte Erfolg und so blieb der adrette Wagen in der ersten Hälfte der 1930er Jahre noch eine Weile präsent.

Für die Großstädter war dies ein Wanderer ganz nach ihrem Geschmack, denn so hatten sie zwar das Gefühl auf dem Land zu sein, mussten aber nicht zwingend per pedes gehen. Die zweibeinigen Wanderer hatten demgegenüber klar das Nachsehen, sehen hier aber auch so gesund gebräunt aus, wie das sein soll:

Viel mehr vermag ich dieser Situation nicht abzugewinnen und auch zum Wanderer W10 in seinen vielfältigen Erscheinungsformen ist inzwischen alles gesagt (Quelle dazu: Th. Erdmann/G. Westermann, „Wanderer Automobile„, Verlag Delius-Klasing, 2. Auflage, 2011, .

Er gehört zu den häufigeren Gästen in einem Blog (siehe auch meine Wanderer-Galerie), wenngleich er nicht die Klasse des 6-zylindrigen Schwestermodells W11 10/50 PS erreichte. Der hatte sich allerdings mit der auf diesem Sektor dominierenden US-Konkurrenz angelegt, was ihm nicht gut bekam, weshalb er viel seltener blieb.

Weitere Wanderer-Episoden wird es freilich geben – ich habe noch jede Menge Material zu den ganz frühen wie auch den späten Typen. Wir werden der sächsischen Marke also immer wieder einen Besuch abstatten – solchermaßen beflügelt entlasse ich Sie für heute…

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Verschollenes Familienmitglied: Wanderer 5/15 PS „Nv“

Heute unternehmen wir einen Ausflug in eine Familiengeschichte der besonderen Art – und das in zweierlei Hinsicht.

Die eine der beiden Stories ist die des ersten Serienautos der sächsischen Marke Wanderer, das die Typbezeichnung W3 trug und bei Erscheinen 1913 als Wanderer 5/12 PS firmierte:

Wanderer W3 5/12 PS; Originalreklame von 1913/14 aus Sammlung Michael Schlenger

Dass der Kleinwagen hier trotz gewisser künstlerischer Freiheiten in allen wesentlichen Details akkurat wiedergegeben ist, werden wir gleich sehen.

Wichtig für das Verständnis der weitverzweigten Familiengeschichte des Wanderer W3 ist der Hinweis, dass dieses Modell anfänglich in zwei Varianten erhältlich war – mit zwei Sitzen hintereinander und Mittellenkung (Typ H) wie abgebildet oder mit zwei nebeneinanderliegenden Sitzen mit Rechtslenkung (Typ N).

Präzise ist diese Reklame auch in der Wiedergabe der Gestaltung von Kühler, freistehenden Kotflügeln, Tankdeckel vor der Frontscheibe und unten abgerundetem Scheibenabschluss.

Zum Vergleich sei auf diese Aufnahme eines Wanderer W3 5/12 PS Typ „H“ verwiesen:

Wanderer W3 5/12 PS (Version H), Bauzeit: 1913/14; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auch das Schwestermodell N mit nebeneinanderliegenden Sitzen werden wir noch kennenlernen. Zuvor müssen wir uns allerdings mit der nächsten Generation des Wanderer W3 vertraut machen, welche 1915 das Licht der Welt erblickte.

Zu dieser Zeit tobte bereits der Erste Weltkrieg, in dem sich der leichte, wendige und anspruchslose Wagen rasch einen Ruf als ideales Fahrzeug für Kurier- und Aufklärungsfahrten machte.

Wanderer W3 5/15 PS, Bauzeit: ab 1914; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Dementsprechend zeigt das nächste Foto den Wanderer bereits im Militäreinsatz und nun in der erwähnten überarbeiteten Form als Wanderer W3-II 5/15 PS.

Erkennbar ist dieses neue Familienmitglied an folgenden Details: gerader unterer Scheibenabschluss, Spritzblech zwischen Trittbrett und Chassisrahmen und nach unten gezogenes Ende des hinteren Kotflügels:

Wanderer W3-II 5/15 PS (Version H), Bauzeit: ab Frühjahr 1915; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Der Wanderer war trotz dieser Überabeitung weiterhin ebenfalls als Version H (2 Sitze hintereinander) erhältlich – wie auf obigem Foto zu sehen – und als Version N mit 2 nebeneinander angeordneten Sitzen .

Wie die Ausführung N aussah, das lässt sich anhand dieses schönen Exemplars eines W3-II 5/15 PS im Detail besichtigen. Am augenfälligsten ist der kürzere Innenraum mit nun rechts angebrachten Lenkrad:

Wanderer W3-II 5/15 PS (Version N), Bauzeit: ab Frühjahr 1915; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wie es scheint und auch naheliegt, war die Windschutzscheibe breiter und der Aufbau war weiter angelegt, um zwei Personen nebeneinander Platz zu geben.

Für eine rationelle Fertigung war dieses Nebeneinander in der Wanderer-Familie vielleicht nicht die beste Idee – dennoch wurde der W3-II mit seinem auf 15 PS erstarkten Motor in einigen tausend Exemplaren gebaut, nachdem es vom Erstling W3 5/12 PS nur rund 600 gegeben hatte.

Hauptabnehmer bzw. alleiniger Abnehmer bis 1918 war das Militär, weshalb die meisten zeitgenössischen Fotos den Wanderer W3 in einem entsprechenden Kontext zeigen.

So verwundert es nicht, dass uns das nächste Mitglied der Wanderer W3-Familie wiederum mit Soldaten begegnet – davon ist der am Volant als Mitglied der Kraftfahrtruppe zu erkennen (der Kragenspiegel mit einem stilisierten Auto verrät es):

Wanderer W3/II 5/15 PS (Version N), Bauzeit: ab Frühjahr 1915; Originalfoto aus Sammlung Martin Möbus

Diese Aufnahme aus dem Fundus von Restaurierungs-Spezialist Martin Möbus ist deshalb interessant, weil sie ein ab 1917 neu hinzugekommenes Mitglied der Wanderer-Familie zeigt – die nunmehr dreisitzige Version „Nv“.

Kennzeichnend war, dass der linke der beiden nebeneinander angeordneten Sitze so weit nach hinten versetzt (daher „v“) war, dass davor ein ausklappbarer Notsitz Platz hatte. Die größere Zahl an Luftschlitzen ist ebenfalls typisch für die in der Spätphase des Kriegs gebauten Wanderer-Wagen – vielleicht den besonderen Einsatzbedingungen geschuldet.

Mir scheint die Ausführung Nv eine kriegsbedingte Notlösung gewesen zu sein. Laut Literatur soll sich die Version Nv aber nach Kriegsende bis zum Auslaufen der Produktion anno 1921 zur häufigsten Ausführung des Wanderer W3 entwickelt haben.

Der bis dato hauptsächlich vom Militär genutzte Wanderer sollte also später noch eine achtbare Zivilkarriere hinlegen – der VW „Käfer“ lässt grüßen.

Ein schönes Beispiel für dieses Kapitel der Wanderer Historie schickte mir kürzlich Kay-Uwe Walther aus Gera in Thüringen zu. Und damit beginnt nun die eingangs angekündigte zweite Familiengeschichte, die sich mit diesem Modell verbindet.

Am Anfang stand die an mich gerichtete Frage, um was für ein Modell genau es sich bei diesem Wagen handelt, wobei klar war, dass die Basis ein Wanderer war:

Wanderer W3/III 5/15 PS Version „Nv“; Originalfoto aus Familienbesitz (Kay Uwe Walther, Gera)

Ich konnte das schöne Fahrzeug als ein Exemplar des zuvor erwähnten dreisitzigen Typs „Nv“ identifizieren. Schaut man genau hin, lässt sich erkennen, dass die üppig gepolsterten Sitze seitlich zueinander versetzt sind und das Lenkrad in Fahrtrichtung rechts angebracht war, wie das Standard bei deutschen Autos bis Mitte der 1920er Jahre war.

Die elektrischen Scheinwerfer – die Schüsselform ist ein untrüglicher Hinweis darauf – deuten auf ein Baujahr nach Ende des 1. Weltkriegs hin.

Auffallend ist außerdem das Fehlen des zuvor mittig vor der Scheibe angebrachten Tankverschlusses. Die mir vorliegende Literatur schweigt sich dazu aus. Denkbar, dass der Tank ins Heck verlagert worden war wie beim ab 1920 gebauten neuen W6 6/18 PS.

Eine andere Hypothese ist die, dass es sich bereits um den weiterentwickelten Typ W8 5/15 PS handelt, der ab 1921 als Nachfolger des W3 5/15 PS vorgestellt wurde.

Während beim Motor der Ventiltrieb völlig neu konstruiert worden war (kopfgesteuert statt seitengesteuert), waren der späte W3 und der frühe W8 äußerlich kaum zu unterscheiden, zumal die Abmessungen nahezu identisch waren.

Erst ab 1923 erhielt der W8 eine überarbeitete Karosserie mit nunmehr gerundeten Vorderkotflügeln und einem kastenförmigen Schwellerblech anstelle des schrägstehenden Spritzblechs unterhalb des Aufbaus.

Somit bleibt die genaue Zuordnung dieses Mitglieds der Wanderer-Familie in der 5 PS-Kategorie geheimnisvoll. Sollte es sich gar um einen verschollene Verwandten handeln?

Nun, in einer Hinsicht trifft es jedenfalls zu, dass wir es mit einem verlorenen Sohn der Familie zu tun haben. Denn laut Überlieferung in der Familie von Kay-Uwe Walther blieb der Wanderer bis zum 2. Weltkrieg das einzige Auto, über das man verfügte.

Irgendwann nach Kriegsausbruch soll der Wanderer in der dreisitzigen Version „Nv“ dann vom Militär beschlagnahmt worden sein und ist seither verschollen.

Zwar wurden nach meinem Eindruck systematisch nur Zivil-PKW ab etwa Baujahr 1930 für die Zwecke der Wehrmacht eingezogen. Doch ist nicht auszuschließen, dass man für den lokalen Bedarf in Kasernen oder auf Flugplätzen an der „Heimatfront“ bisweilen auch auf ältere, noch gut erhaltene Modelle zurückgriff.

Leider ist Kay-Uwe Walters Großvater, der diese Geschichte erzählt hat, nicht mehr unter uns, sodass der genaue Hergang offenbleiben muss. Aber immerhin lässt sich diese Familiengeschichte eines frühen Automobils für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich lange verfolgen, bis sie irgendwann in den Kriegswirren abbricht.

Dafür und für die Inspiration, mich wieder einmal intensiver mit dem Wanderer W3 zu beschäftigen, der im Volksmund auch als „Puppchen“ firmierte, sei Kay-Uwe Walther herzlich gedankt.

Nun ist es schon wieder einige Zeit nach Mitternacht, der Mond leuchtet freundlich vom Himmel, es ist mild draußen und nun ist die Zeit für ein anderes draußen wanderndes Familienmitglied – eines mit vier Pfoten statt Rädern. Es heißt Ellie, aber sein Spitzname lautet – welch‘ Zufall: „Püppchen“!

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Das Rätsel vom Furka-Pass: Wanderer W51/52

Gibt es im Jahr 2024 noch Bahnhofsbuchhandlungen? Ich frage deshalb, weil ich – einst passionierter Bahnfahrer – die deutsche Staatseisenbahn seit gut 10 Jahren mit Ignoranz strafe. Die Gründe dafür sind, sagen wir: vielfältig, und bedürfen keiner Vertiefung.

In meinem früheren Pendlerdasein ergab sich öfters die Gelegenheit, mir die Zeit bis zur Abfahrt im Bücherangebot auf dem Hauptbahnhof zu Frankfurt am Main zu vertreiben. Meist landete ich in der Ecke mit Reiseführern und Kartenmaterial. Doch auf dem Weg dorthin kam ich nicht umhin, die Titel typischer Trivialliteratur zur Kenntnis zu nehmen.

Das ging etwa nach diesem Schema: „Die Mumie aus dem Moor„, „Der Heiler vom Berg“ „Das Grauen im Spiegel“ usw. Sollte ich jemals in die Verlegenheit geraten, meinen Lebensunterhalt mit der Fließbandproduktion von Kriminal-, Geister- oder Ärzteromanen verdienen zu müssen, weiß ich schon einmal, wie man einen zugkräftigen Titel findet.

So sind sie doch auch schon ganz begierig zu erfahren, was es mit dem „Rätsel vom Furka-Pass“ auf sich hat, nicht wahr?

Sie werden es nicht bereuen, darauf hereingefallen zu sein und können sogar eine hübsche Aufgabe lösen, an der ich aus Zeitmangel gescheitert bin. Das ist tatsächlich der einzige Preis, den Sie bisweilen bezahlen müssen, um weiter in den kostenlosen Genuss meiner nächtlichen Berichte aus der Wunderwelt der Vorkriegsautos zu gelangen.

Los geht’s – wir haben noch einen hübschen Weg vor uns, also ist nur Zeit für einen kurzen Schnappschuss, bevor wir uns zum Furka-Pass aufmachen:

Wanderer W51 oder W52; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, würden Sie hier bereits Hersteller und Typ des Autos erkennen, dessen Frontpartie so wirkungsvoll in diese Gruppenaufnahme einbezogen wurde?

Rein von der Chronologie her betrachtet, liefert uns der seitlich weit heruntergezogene Kotflügel eine grobe Orientierung. Solche Kotflügel“schürzen“ finden sich erstmals beim amerikanischen Graham „Blue-Streak“ des Modelljahrs 1932.

Schon ab 1933 findet man kaum noch ein deutsches Fabrikat, das etwas auf sich hielt, welches nicht ebenfalls dieses neue Detail aufwies, das einer von vielen kleinen Schritten zur modernen Karosserie war, wie sie noch vor Kriegsende in den Staaten definiert wurde.

Bloß bei der Identifizierung hilft uns diese Beobachtung nicht weiter. Doch vielleicht haben Sie das schemenhaft erkennbare geflügelte „W“ auf der Radkappe des Ersatzrads bemerkt – Hinweis auf einen „Wanderer“ aus dem deutschen Auto Union-Verbund.

Jetzt wissen wir schon einmal, wo wir weitersuchen müssen. Zwei Dinge liefern die entscheidenden Hinweise. Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Modellen von Wanderer, zuletzt dem Typ W21 bzw. W22 von anno 1933, wartete der Hersteller ab 1936 mit einem komplett neugestalteten Sechszylinderwagen auf.

Dieses neue Modell W51 (2,3 Liter, 55 PS) bzw. später W52 (2,6 Liter, 62 PS) bot neben autobahntauglicher Dauergeschwindigkeit von deutlich über 100 km/h eine Karosserielinie, die sich am Vorbild damaliger US-Vorbilder orientierte.

Dazu gehörte eine bullige Kühlerpartie, die nichts mehr mit der klassischen Formgebung der Vorgänger gemein hatte. Wie das von vorne aussah? Geduld, wir kommen am Ende dazu.

Erst einmal gilt es, zum Furka-Pass zu gelangen, welcher die Verbindung von der südwestlichen Schweiz in Richtung Andermatt und Gotthard herstellt. Dort sehen wir den eingangs noch etwas scheuen Wanderer nun auf gesamter Länge:

Wanderer W51 oder W52 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Moment einmal, mögen Sie jetzt sagen: Der Wagen hat hier ja ganz andere Felgen und auch die Chromradkappen sind abhandengekommen.

Gewiss, aber die beiden Damen sind dieselben wie die in der Mitte auf dem ersten Foto, nicht wahr? Rätselhaft..

Ich habe diese Fotos zusammen mit einem dritten erworben, und sie alle zeigen einen Wanderer W51 bzw. W52 (äußerlich kaum zu unterscheiden) von 1936/37.

Es müssen einige Jahre zwischen den Aufnahmen liegen. Die zusammengewürfelte Kleidung der jüngeren der beiden Damen sowie der Zustand des Autos sehen mir nach früher Nachkriegszeit aus.

Nun fragt man sich: Woher kam dieser Wanderer, als er auf der Furka-Pass in der Schweiz fotografiert wurde?

Einen Hinweis gibt der umseitige Stempel eines Fotoladens aus Schönheide in Sachsen. Das war freilich in der Ostzone, die man auch vor dem Bau der Mauer nicht ohne weiteres verlassen konnte, außerdem brauchte man für so eine Auslandstour rare Devisen.

Sie verstehen nun sicher, warum ich mich für den Titel „Das Rätsel vom Furka-Pass“ entschieden haben – oder Sie haben eine Erklärung, auf die ich nicht gekommen bin.

Den Schlüssel zur Lösung sollte letztlich das dritte Bild aus dieser kleinen Reihe enthalten, das jedoch zugleich ein neues Rätsel aufgibt:

Wanderer W51 oder W52 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was meinen Sie? Ein großartiges Foto auf jeden Fall, meine ich, auch wenn es für mich mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Sicher kann jemand über das Nummernschild herausfinden, wo dieser alte Wanderer zugelassen war. Als Datierung der Situation würde ich „um 1960“ vorschlagen, wobei ich mich vor allem an der Frisur der jungen Dame ganz links orientiere.

Das Auto war zum Aufnahmezeitpunkt rund 25 Jahre alt, es muss aber noch so zuverlässig gewesen sein, dass seine Besitzer ihm eine solche Fernreise in den Süden zutrauten. Dass wir uns irgendwo in einer großen Hafenstadt in Südfrankreich oder Italien – vielleicht Ligurien – befinden, das ist meine vorläufige Einschätzung.

Aber wo entstand dieses Foto wirklich? Das Gebäude im Hintergrund mit den orientalisch anmutenden Spitzbögen sollte den entscheidenden Hinweis geben.

Ich bin gespannt, was an Lösungsvorschlägen für das heutige „Rätsel vom Furka-Pass“ eintrudelt – nutzen Sie bitte dazu die Kommentarfunktion. Und wenn Ihnen auch sonst noch etwas ein- oder auffällt, nur zu!

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Eine kurzlebige Ekstase: Wanderer W21 von 1933

Die sächsische Marke Wanderer ist sicher nicht das Erste, was einem einfällt, wenn es automobilhistorisch um den „Spirit of Ecstasy“ geht – der war bekanntlich Rolls-Royce vorbehalten.

Dieser Tage habe ich meine Wanderer-Galerie weiter aufgefüllt – es gibt dort jetzt nur noch wenige Lücken. Dabei ist mir aufgefallen, dass dennoch zumindest ein Modell geradezu exaltiert daherkam.

Für die bis dato nüchternen Wanderer-Wagen jedenfalls war der 1933 neu eingeführte Sechszylindertyp W21 (1,7 Liter) bzw. das 2 Liter-Pendant W22 von unerhörter Kühnheit. Das kam schon in der hochexpressiven Reklame zum Ausdruck:

Wanderer-Reklame von 1933; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die Werbeleute hatten erkennbar nachgeholfen, um den Wagen moderner und dynamischer wirken zu lassen – heute würde man das einfach mit einem „KI“-Programm machen, wenn man keine German Angst vor aufregenden Neuerungen hat.

Doch sah der technisch grundsolide Wanderer auch in Wirklichkeit unverschämt gut aus – jedenfalls wenn die Kühlerpartie zur Geltung kam. Eine dermaßen aufmerksamkeitsstarke Geometrie an der Front wagte damals unter den deutschen Herstellern nur Stoewer mit dem schicken Frontantriebsmodell R-140/150.

Wer diese repräsentative Front mit den breiten Kühlerlamellen nicht reizvoll findet, dem ist nicht zu helfen, meine ich:

Wanderer W21 oder W22, Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Übrigens lässt sich aus dieser Perspektive nicht sagen, ob wir es mit einer vierfenstrigen oder sechsfenstrigen Limousine zu tun haben. Diese beiden Aufbauten waren jeweils für den W21 bzw. den nur 5 PS stärkeren W22 reserviert.

Leider war die gestalterische Ekstase, zu der sich die Wanderer-Leute damals aufschwangen, von kurzer Dauer. Denn schon 1934 verfeinerte man die Kühlerpartie, was ihr aus meiner Sicht die Wucht der Wirkung nahm.

Das soll uns nicht davon abhalten, dem 1933er Modell die ausführliche Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient. Am Ende wartet eine weitere kurzlebige Ekstase auf Sie – lassen Sie sich überraschen, speziell wenn Sie verheiratet sind.

Hier haben wir erst einmal ein schönes Beispiel für den W21 von 1933 mit dem typischen Aufbau als 4-Fenster-Limousine:

Wanderer W21, Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Dieses Exemplar entspricht prinzipiell dem Wagen auf der eingangs gezeigten Reklame, doch wirkt er hier nicht ganz so sensationell – die Größenverhältnisse zwischen Haube und Fahrgastzelle waren in Wirklichkeit weniger extrem.

Der konkurrierende 6-Zylinder Mercedes-Benz 170 sah damit verglichen ziemlich von gestern aus, doch das mochte die Stuttgarter Klientel ja noch bis Anfang der 1960er Jahre.

Wenn Sie als alter Blog-Leser sagen, dass Sie das obige Foto schon kennen, dann freut mich das.

Ich habe aber auch „neue“ alte Aufnahmen dieses Typs in petto, etwa hier:

Wanderer W21, Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Exemplar mit Zulassung im Raum Kiel hat den Vorzug, dass man nun auch die doppelte Reihe leicht geneigter Luftschlitze in der Motorhaube erkennt.

Diese sind zuverlässige Erkennungszeichen der Typen W21 und W21 bis Anfang 1935 (sowie des kurzlebigen W235 als Nachfolger des W21 anno 1936).

Wieder haben wir es mit dem Aufbau als 4-Fenster-Limousine zu tun, also einem W21.

Dasselbe gilt für dieses Exemplar, welches auffallenderweise wieder mit eher dunkler Lackierung daherkommt:

Wanderer W21, Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch dieses Dokument ist ein „alter Hut“ in meinem Blog – aber herrje, man kann sich solche Fotos doch immer wieder anschauen, wenn es darauf so unübersehbar menschelt.

Eine seltene Ausführung des W21 mit heller Farbgebung und sogar Zweitonlackierung kann ich Ihnen auf dem letzten Foto des heutigen Ausflugs in die Welt der kurzlebigen Wanderer-Ekstase von anno 1933 präsentieren:

Wanderer W21, Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wenn dieser Wagen mit Zulassung im brandenburgischen Arnswalde Sie jetzt nicht vom Hocker haut, kann ich das erst einmal verstehen.

Wo bleibt denn die eingangs versprochene Überraschung zum Thema „Kurzlebige Ekstase“, welche ich speziell alterfahrenen Eheleuten in Aussicht gestellt hatte?

Nun, die folgt auf dem Fuße und ist das Dokument der bislang kürzesten jemals gemessenen Ehe, behaupte ich. Im vorliegenden Fall haben wir es nämlich mit einem Foto zu tun, welches direkt im Anschluss an eine standesamtliche Trauung geschossen wurde.

Die frisch verheiratete Braut vermerkte lakonisch auf der Rückseite: „Die ersten fünf Minuten als Frau K…“. So weit oder sagen wir besser: so kurz ist diese Ehe also dokumentiert, welche zwischen zwei offenbar nicht mehr ganz jungen Menschen geschlossen wurde:

Wanderer W21, Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nach meiner Wahrnehmung ist jede zweite Ehe zum Scheitern verurteilt, man weiß bloß nicht immer vorab ,welche es im Einzelfall ist.

Hier standen die Chancen auf eine über den Rausch der ersten fünf Minuten hinausreichende solide und auch später noch aufregende Partnerschaft gut, meine ich.

Rein statistisch sollte die Hälfte der Paare die erste Ehe überspringen und gleich die zweite schließen – das erhöht die Chance auf Erfolg beträchtlich. Aber das ist nur meine Ansicht als Theoretiker und diistanzierter Beobachter in dieser Hinsicht.

Wenn auch Sie dem Rausch der Ekstase in Sachen Wanderer W21 von anno 1933 erlegen sind und außerdem Sympathie für die tollen ersten 5 Minuten einer Ehe empfinden, dann können Sie mir vielleicht noch einen Gefallen tun.

Ich kann nämlich nicht alles entziffern, was die frischgebackene Braut im Mai 1935 auf der Rückseite des Fotos vermerkt hat. Speziell ihr neuer Familienname und der Ort, an den es nach der Trauung zurückging, bereitet mir Schwierigkeiten:

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Fast ein kleiner Daimler: Wanderer W 10/IV-Limousine

Wem der Titel meiner heutigen Betrachtung auffallend wohlwollend erscheint, dem sei gesagt: Es steckt ein vergiftetes Lob darin, allerdings nicht nur.

Generell stehe ich auf dem Standpunkt, dass wer Spott auf sich zieht, diesen auch ertragen muss – nichts ist kindischer als das rituelle Beleidigtsein der Betroffenen, das den offenen und ehrlichen Austausch in unseren Tagen erschwert bis unmöglich macht.

Die Kommunikationskultur hat durch die Mutation saftiger Meinungsäußerungen, wie sie für Zeugen der Bonner Republik noch zur Würze des Wettstreits zählten, in justiziable Vergehen wie „üble Nachrede“ oder „Beleidigung“ schwer gelitten.

Nebenbei: In den USA gibt es das m.W. nicht – dort darf jeder nach Herzenslust gnadenlos durch den Kakao gezogen werden – so wie bei uns noch zu Zeiten von „Hurra Deutschland„.

Auch in den späten 1920er Jahren pflegte man hierzulande einen zwanglosen Umgang mit lustvollen Beschimpfungen und Überspitzungen.

Legendär sind die Sottisen, welche die gefürchtete Autozeitschrift „Motor-Kritik“ damals gewohnheitsmäßig absonderte, wenn ein Hersteller es ihrer Meinung nach verdient hatte.

Als beispielsweise Wanderer anno 1930 von der schwierigen Wirtschaftslage getrieben, seinem absatzschwachen neuen Sechszylindertyp 10/50 PS einen Neuaufguss des bereits eingestellten 1,5 Liter-Vierzylindermodells 6/30 PS zur Seite stellte, schrieb die Motor-Kritik:

Als Vierzylinder zum Preis eines Sechszylinders ist der 6 PS-Wanderer „Heute der Wagen von gestern„. Das war zwar bitterböse, aber warum sollten Motorjournalisten auf Empfindlichkeiten von Autoherstellern Rücksicht nehmen?

So frech die Formulierung war, so entbehrte sie keineswegs einer gewissen Fundierung. Der Preisvergleich des „neuen“ alten Wanderer Typ 10 /IV mit dem „Sechszylinder“ bezog sich dabei keineswegs auf den hauseigenen W11 10/50 PS:

Wanderer W10 11/50 PS: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser eng an US-Vorbildern orientierte Wagen war ja viel teurer als der vierzylindrige kleine Bruder. Nein, im Hinterkopf dürften die Spötter von der „Motor-Kritik“ neben den stark gefragten US-Fabrikaten auch den Mercedes-Benz 200 mit 6-Zylinder gehabt haben.

Der bot mehr Hubraum, Leistung und Laufkultur – relativ gesehen, denn agil war dieses Gefährt ebenfalls nicht – dabei kostete er nur geringfügig mehr. Als Limousine waren dafür anno 1931 5980 Reichsmark zu berappen.

Mit fast identischem Radstand bot Wanderer seinen W10/IV damals als viertürige Limousine für kaum weniger an: 5.250 Mark musste man für den Vierzylinder auf den Tisch blättern.

Im Gegenzug konnte man sich nach Lieferung des Wagens so präsentieren:

Wanderer W10/IV Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

So schön dieses Dokument aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt auch ist – man sieht endlich auch einmal Teile der Innenausstattung – so wenig will sich hier Begeisterung einstellen, was die Gestaltung des Autos angeht.

Gewiss, die neuen Chrom-Scheinwerfer, die Doppelstoßstange und die beim Sechszylindertyp W11 10/50 PS erstmals verwendete Kühlerfigur in Gestalt eines geflügelten W setzten gewisse Glanzakzente.

Doch mit der repräsentativen Erscheinung und dem Prestige selbst des kleinen Mercedes-Benz 200 konnte der sportlich gepreiste Wanderer nicht mithalten.

Die einfallslose Gestaltung der Scheibenräder beispielsweise lässt den Wagen arg simpel erscheinen, übrigens ein Unterscheidungsmerkmal zu frühen Exemplaren des parallel angebotenen W11 10/50 PS.

Doch in einer Hinsicht war der Vierzylinder-Wanderer am Ende doch fast ein kleiner „Daimler“ – wenn diese populäre Bezeichnung für einen Mercedes-Benz erlaubt ist.

Genau dieser 4-türiger Limousinenaufbau, der auf dem Foto von Matthias Schmidt zu sehen ist, wurde nämlich ausgerechnet im Sindelfinger Mercedes-Werk gefertigt.

Die Spötter von der Motor-Kritik hätten zu dieser Idee sicher auch noch etwas zu sagen gehabt, überliefert ist es aber nicht. So denke ich mir einfach etwas in ihrem Sinne aus:

Der neuinthronisierte, zwischenzeitlich abgesetzte 4-Zylinder-Wanderer bietet jetzt eine Karosserie von Mercedes mit entsprechendem Preisschild, damit es auch jeder merkt. Die Bescheidenheit, welche der Hersteller seinen Kunden traditionell abverlangt, erfordert aber den Verzicht auf Extras wie zwei zusätzliche Zylinder und einen halben Liter Hubraum. Unser Fazit daher: Ein Meisterstück nach dem Grundsatz „Weniger ist mehr“!

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich war der Wanderer W10/IV 6/30 PS ein Auto, an dem es in der Sache wenig zu beanstanden gab, aber ein bisschen Spaß und Spott muss einfach sein – gerade in Zeiten, in denen es sonst wenig zu lachen gibt…

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Rarität vor großer Kulisse: Wanderer W9 6-24 PS

Nicht jedem bekommt der Auftritt auf einer großen Bühne oder vor mondäner Kulisse. Als Normalsterblicher mit realistischem Selbstbild staunt man, wer sich so alles in ein Rampenlicht traut, für das man wahrlich nicht geschaffen oder hinreichend (aus)gebildet ist.

Was normalerweise Spott oder mitleidiges Lächeln auf sich zieht, kann indessen in seltenen Fällen durchaus gute Figur machen, wenn man es tatsächlich mit einer raren überzeugenden Erscheinung zu tun hat.

Auf dem internationalen politischen Parkett finden sich – außerhalb Deutschlands – durchaus Beispiele dafür, dass sich kleiner Wuchs und überzeugendes staatsmännisches Auftreten durchaus nicht ausschließen.

Wen in unserer Nachbarschaft ich damit meine? Nun, das liegt so nahe, dass ich es nicht erwähnen muss. Stattdessen möchte ich Sie auf dem automobilen Sektor mit einem Vertreter der Zunft „bescheidenes Format, große Erscheinung“ bekannt machen – hier ist er:

Wanderer W9 6/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Meine Güte, mag jetzt einer ausrufen. Wie kann man so einen biederen Tourer nur vor der grandiosen Kulisse des Hotels Panhans im österreichischen Semmerring ablichten?

Das Format dieses Autos ist auf den ersten Blick wahrlich nicht gerade das, was man in einem solchen Umfeld erwarten würden, in dem man einst den großen Auftritt pflegte.

Doch, lassen Sie sich gesagt sein: dieses eher kompakt wirkende Automobil stammt aus gutem Hause, hat eine solide Schule durchlaufen, hat makellose Umgangsformen und kann sogar mit einigen Finessen aufwarten, was zusammengenommen seine Größe ausmacht.

Das ist wirklich eine Ausnahmeerscheinung in seiner Liga – Hut ab und Respekt davor!

Diesmal müssen wir aber kein Exemplar aus benachbarten Gefilden bemühen, sondern werden in deutschen Landen fündig. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass wir es mit einem „Wanderer“ aus Sachsen zu tun haben – die Region war vor dem Krieg „das“ deutsche Kompetenzzentrum in Sachen Automobilbau, im Westen der Republik gern vergessen.

Dass wir es mit einem Wagen der ehrwürdigen Wanderer-Werke zu tun, das verrät die Gestaltung der Kühlermaske mit dem mittig von oben ins Kühlernetz hineinragenden Emblem:

Wanderer W9 6/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nun war Wanderer zwar angesehen für seine sorgfältig konstruierten und zuverlässigen Automobile, aber kaum für Raffinesse im Detail. Doch dieser hier so klein wirkende Vertreter konnte mit Qualitäten aufwarten, die ihn für den Kenner durchaus herausragen ließ.

Der lange Radstand ist ein Hinweis darauf, dass wir es hier nicht mit dem kompakten Typ W8 5/15 PS bzw. 5/20 PS-Modell zu tun haben, welches nach dem 1. Weltkrieg aus dem legendären W3 „Puppchen“ entwickelt worden war.

Zwar gab es diesen W8 ab 1924 auch in einer viersitzigen Version, doch der Radstand von 2,40 Metern blieb unverändert. So waren die rückwärtigen Passagiere mit geringer Beinfreit direkt hinter dem Fahrer untergebracht.

Der vor dem Hotelm Panhans in Semmerring abgelichtete Wagen bot dagegen ganz offensichtlich weit mehr Platz im Heck. Es handelte sich somit mindestens um den parallel angebotenen 6 PS-Typ mit 30 cm längerem Radstand.

Das war zwar absolut gesehen immer noch kein beeindruckendes Format. Doch im vorliegenden Fall sehen wir nicht lediglich den 1920 eingeführten Wanderer W6 6/18 PS vor uns, sondern dessen Nachfolger W9 6/24 PS, welcher von 1924 bis 1926 gebaut wurde.

Und der verfügte trotz seines auf den ersten Einblick unscheinbaren Formats über achtbare innere Werte, welche dafür sorgten, dass er deutlich unter den sonst eher bescheiden daherkommenden Wanderer-Modellen herausragte.

Erstmals hatten die Wanderer-Werke hier einen wesentlich leistungsfähigeren Kandidaten im Angebot – denn die nunmehr 24 PS ermöglichten ein Höchsttempo von 90 km/h, während die schwächeren Modelle deutlich weniger agil daherkamen.

Die Kombination aus strömungsgünstig im Zylinderkopf hängenden Ventilen und immer noch recht niedrigem Gewicht (Tourer: 850 kg) trug zum Eindruck eines lebhaften Vertreters seiner Zunft bei.

Jetzt könnte einer einwenden, dass der Wanderer 6/24 PS von anno 1924 doch genauso daherkam wie sein schwächerer Vorgänger 6/18 PS (ab 1920). Das stimmt aber nur bei oberflächlicher Betrachtung.

Das vorbildliche Wanderer Standardwerk von Thomas Erdmann/Gerd Westermann (Verlag Delius-Klasing) erlaubt eine feine Differenzierung, sofern man genau hinschaut:

Dieser Wanderer besitzt zum einen neun statt acht Luftschlitze wie der W6 6/18 PS und außerdem eine senkrecht stehende Frontscheibe. Die gab es nur beim W9 6/24 PS ab 1925.

Man sieht an diesem auf den ersten Blick unscheinbaren Beispiel, was hinreichend in die Tiefe gehende Literatur für Erkenntnisse in solchen Fällen bieten kann.

So verbleibt am Ende der Eindruck, dass dieses auf den ersten Blick vor solcher mächtigen Kulisse deplatziert wirkende Auto dort durchaus seinen Platz verdiente. Freilich blieb es ein rarer Vertreter in seiner Klasse: ganze 500 Exemplare davon entstanden.

Der nicht annähernd so erwachsen wirkende Wanderer 5/15 PS bzw. 5/20 PS konnte seine Abkunft aus dem Kleinwagenmilieu nie verhehlen, fand aber im damaligen Deutschland gleichwohl viel mehr Anhänger als der feinere 6/24 PS, welcher das wesentlich teurerer Angebot war – das muss man aus damaliger Perspektive verstehen.

Besonderes Format auch bei kompakter Erscheinung, das muss man sich leisten und wertschätzen können.

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Weitere Variation mit 6-Zylindern: Wanderer W 240

Blickt man auf Etappen des eigenen Lebenswegs zurück, stellt man man irgendwann fest, dass die Zeit rast. Fast 12 Monate ist es her, dass ich die 6-Zylindertypen W21 bzw. W22 von Wanderer hier besprochen habe.

Das hat etwas Beklemmendes, aber es schafft auch Distanz zum täglich ventilierten Zeitgeschehen, welches oft ein Jahr später schon Geschichte ist und neuen Sensationsthemen gewichen ist.

Am Lauf der Dinge ändert der Einzelne nullkommanix, er ist daher gut beraten, sich aktuellen Aufforderungen zum „Haltung zeigen“ unauffällig zu entziehen und sein privates Dasein so gut es geht zu bestreiten und dabei seinen Nächsten wohlwollend zu begegnen.

Die entschlossene Wanderung ins Private kann einen auf ganz unterschiedliche Pfade führen – wir praktizieren hier die gepflegte Bildungsreise in die automobile Vorkriegszeit.

Das hat den Charme, dass uns die damaligen Malaisen und Katastrophen nicht mehr betreffen – auch wenn gerade die Älteren noch einiges Ererbte jener Zeit mit sich schleppen.

Gleichzeitig können wir uns auf die schönen Dinge konzentrieren, die es ja in jeder noch so düsteren oder beladenen Epoche auch gegeben hat – der Mensch kann ohne ein Mindestmaß an erhebenden Momenten nicht sein.

Für mich zählen speziell die Automobile der 1930er Jahre zu den Dingen, die uneingeschränkte Bewunderung verdienen. Während damals ansonsten beinahe alles dem Abgrund entgegenraste, entstanden unzählige wunderbare Schöpfungen aus Blech.

Das galt nicht nur für solche grandiosen Manufakturwagen, welche von Meistern des Karosseriebaus in Frankreich, Italien, England und Deutschland kreiert wurden:

Delahaye 2-Fenster-Cabriolet auf Schloss Chantilly, September 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Auch viele Serienwagen erreichten eine gestalterische Klasse, die aus heutiger Sicht zum Niederknien ist.

Selbst eine bis Ende der 1920er Jahre in ästhetischer Hinsicht eher biedere Marke wie Wanderer baute um die Mitte der 1930er Jahre großartig aussehende Automobile, auch wenn sie in Sachen Motorisierung klar hinter dem Stand der Technik lagen.

Die gerade einmal 35 bzw. 40 PS leistenden Sechszylindertypen W21 und W22, welche von 1933 bis 1935 gebaut wurden, habe ich vor bald einem Jahr hier besprochen.

Zur Erinnerung ein Foto, das die wesentlichen Merkmale erkennen lässt:

Wanderer W 22 4-türige Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wir prägen uns an dieser Stelle folgende Dinge ein: Kotflügel ohne seitliche „Schürzen“ (was damit gemeint ist, wird gleich deutlich), schüsselförmige Scheinwerfergehäuse, schrägstehende Kühlermaske mit v-förmig zulaufenden Leisten, zwei Reihen Luftschlitze.

Diese gut gestalteten, nicht gerade billigen, aber nur mit Mühe in die Nähe des damals aktuellen Autobahntempos von rund 100 km/h zu bringenden Wagen erhielten Anfang 1935 einen vor allem äußerlich überarbeiteten Nachfolger.

Diesen erkennt man (in der 2 Liter-Version mit 40 PS) an folgenden Details:

Seitlich weit nach unten reichende Vorderkotflügel, tropfenförmige Scheinwerfer, neu gestaltete Luftschlitze in nur einer statt zuvor zwei Reihen, Kühlermaske noch mit v-förmigen Zierleisten:

Wanderer W 240 4-türige Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn es nerven mag, ist hier auf ein weiteres Detail hinzuweisen. Die äußerst zahlreichen Wanderer-Modelle der 1930er Jahre sind leider so ziemlich die am schwersten einzuordnenden deutschen Serienwagen.

So ist die leicht ansteigende Unterkante des Vorderkotflügels von Bedeutung. Unter anderem dieses Detail unterscheidet den Wanderer W240 nämlich von seinem optisch überarbeiteten, aber technisch weitgehend gleichen Nachfolger W40 von anno 1936.

Nur diese Information ist es, welche es erlaubt, folgenden Wanderer als W240 anzusprechen, der einst am Rhein vor dem Loreleyfelsen für Mit- und Nachwelt festgehalten wurde:

Wanderer W 240 4-türige Limousine; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Auf diesem schönen Dokument, das wir Leser Jürgen Klein verdanken, sind auch die nunmehr einreihigen Luftschlitze in der Motorhaube zu erkennen, welche es bei den Vorgängertypen W21 bzw. W22 noch nicht gab.

Ein hübsches Detail, das mir erst jetzt auffällt, während ich die Tastatur bearbeite und mich musikalisch von der Bach-Kantate BWV 51 verwöhnen lasse, ist die Chromhülle um das Reserverad am Heck des Wagens.

Das war entweder ein aufpreispflichtiges Extra oder ein im Handel erhältliches Zubehörteil – jedenfalls habe ich das so noch nirgends an einem Wanderer dieser Zeit gesehen.

Selbstredend gab es auch vom Wanderer des äußerlich modernisierten Typs 240 von Gläser (Dresden) gefertigte Ausführungen als 2-Fenster-Cabriolet (4-Fenster-Version: W250).

Meist findet man den Cabriolet-Aufbau mit heller Lackierung des Karosseriekörpers und dunkel abgesetzten Anbauteilen wie hier:

Wanderer W 240 2-Fenster-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So schön diese Aufnahme mit den beiden adretten Damen anmutet, verrät der Tarnüberzug auf den Frontscheinwerfern, dass dieses Foto nach dem Beginn des 2. Weltkriegs irgendwo in Deutschland aufgenommen wurde.

Während hier eitel Sonnenschein herrscht und man gern den beiden Fotomodellen mehr Aufmerksamkeit schenken würde, beklemmt der Gedanke, dass gleichzeitig die männliche Jugend in einen Krieg gegen mehrere Nachbarstaaten gehetzt wurde.

Gleichzeitig rollten Tag und Nacht die Güterzüge, in denen jüdische Mitbürger in Viehwaggons in Vernichtungslager gekarrt wurden – eine gigantische, fast bis Kriegsende laufende Logistikoperation, von der später niemand etwas mitbekommen haben will.

Das muss leider doch gesagt werden, wenn man diese Aufnahmen aus jenen Zeiten studiert. Bilder können eine starke Wirkung entfalten: Sie können uns im besten Sinn verführen, aber auch manipulieren, indem sie uns eine heile Welt vorgaukeln.

So hat mich am Ende ungewollt die Geschichte doch noch eingeholt, verflixt. Leider geschehen in unseren Tagen wieder Dinge, zunehmend auch in unseren Städten, deren verstörender Wirkung man sich doch nicht ganz entziehen kann..

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Dass es das noch gibt: Audi „Zwickau“ in Rothenburg

Bei meinen nächtlichen Zeitreisen in die Welt der Vorkriegsautomobile mache ich die erstaunlichsten Beobachtungen – und lerne selbst immer wieder Neues dazu. Dabei geht es bisweilen nur am Rand um die Fahrzeuge selbst.

Diesmal haben wir die Situation, dass alles zusammenkommt: Mensch und Maschine, grandioser Karosseriebau und enorme Leistung, Technik der Neuzeit und uralte Architektur.

Dass sich alles so schön zueinander gesellt, dass verdanke ich zum einen der Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, zum anderen einer gewissen Intuition, die Dinge auf interessante Weise zu kombinieren – so hoffe ich zumindest.

Beginnen wir doch der Einfachheit halber mit dem Thema „Mensch und Maschine“, denn damit gewinnt man die Herzen der Leser am zuverlässigsten, nicht wahr?

Audi Typ SS 20/100 PS “Zwickau”; Originalfoto: Michael Schlenger

Diese wunderbare Foto aus meiner Sammlung spricht Bände, was die vollkommene Andersartigkeit von Vorkriegsautos angeht.

Da gibt es freistehende Kotflügel, die sich vorzüglich als Rutschbahn eigneten, wären da nicht die praktischen Scheinwerfer, an denen man sich bei Bedarf festhalten kann. Und der mutigste der Buben sitzt rittlings und stolz wie Oskar auf dem Kühlergehäuse.

Geeignete Kletterhilfen sind ebenfalls vorhanden – im ersten Schritt geht es auf die verchromte Doppelstoßstange, dann stützt man sich auf der ebenfalls noch ziemlich massiven Querstange zwischen den Scheinwerfern ab.

Dabei hält man sich für alle Fälle an der „Eins“ fest, die bei diesem Wagen als Kühlerfigur fungiert, hier freilich verborgen ist. Man ahnt ihre Funktion auf einem zweiten Foto, das Leser Marcus Bengsch an Land gezogen hat, aus derselben Quelle schöpfend wie ich:

Audi Typ SS 20/100 PS “Zwickau”; Originalfoto: Marcus Bengsch

Diesem schönen Zufall verdanken wie eine Familienzusammenführung nach 91 Jahren, denn dieses Foto, das offenbar denselben Wagen zeigt, entstand im März 1932.

Dass es sich um einen 8-Zylinder-Audi handelt, das ist klar, auch wenn hier das Zwickauer Stadtwappen prominenter angebracht ist als der Markenschriftzug.

Wer sich in die Vorgeschichte dieses Wagens einlesen will, kann dies in einem älteren Blog-Eintrag tun (hier). An dieser Stelle sei nur wiederholt, dass von 1929-32 ganze 457 Wagen des Modells mit dem in den USA eingekauften 5,1 Liter-Motor entstanden.

Das gewaltige Reihenaggregat verlangte viel Platz – sehr viel Platz. Das erklärt den Radstand von 3,50 Meter, welcher den Audi „Zwickau“ von dem äußerlich sonst sehr ähnlichen 6-Zylinder-Modell „Dresden“ unterschied.

Die Proportionen des folgenden Audi sprechen stark für das große Modell „Zwickau“, wie ich bereits in einem älteren Blog-Eintrag dargelegt habe (hier):

Audi Typ SS 20/100 PS “Zwickau”; Originalfoto: Michael Schlenger

Bei dieser repräsentativen Pullman-Limousine tritt der menschliche Aspekt hinter den schieren Dimensionen in den Hintergrund. Aber auch der nüchterne Blick auf die Maschine muss dem Studium der meisterhaft gezeichneten Karosserie weichen.

Hier sehen wir die typischen Elemente, die dazu beitragen, dass das enorme Volumen des Aufbaus optisch ansprechend gestaltet wird. Man muss sich vergegenwärtigen, dass diese Limousine fast 1,90 Meter hoch und knapp fünf Meter lang war.

Wesentlichen Anteil daran, dass der Audi dennoch nicht erschlagend wirkt, haben die Zweifarblackierung und der Kunstgriff, die Türen weit niedriger erscheinen zu lassen, als sie es tatsächlich sind, indem die untere Hälfte farblich vom Oberteil abgesetzt ist.

So wird die Länge des Aufbaus betont, da die Kante der Motorhaube scheinbar bis ans Heck durchläuft. Die helle Einfassung der Seitenfenster wiederum nimmt dem Oberteil der Türen die Massivität.

Eine einzige solche Pullman-Limousine hat übrigens nach meinem Kenntnisstand die Zeiten überdauert (Quelle: Audi-Automobile 1909-1940, P. Kirchberg/R. Hornung, 2009).

Leider kann man dies nicht von der Variante als viertürigem Cabriolet behaupten, das auf dem folgenden Foto von Leser Klaas Dierks zu sehen ist:

Audi Typ SS 20/100 PS “Zwickau”; Originalfoto: Klaas Dierks

Wären da nicht die „Eins“ auf dem Kühler und die fünf bis sechs Felder mit Luftschlitzen in der Motorhaube, wäre es nicht so einfach, dieses Fahrzeug mit dem zuvor gezeigten in Verbindung zu bringen.

Die deutlich andere Wirkung ist mehreren Faktoren zuzuschreiben: Vielleicht am markantesten ist die schrägstehende Frontscheibe, die hier überdies ausgestellt ist.

Dann wären da die abgerundete Türunterseite und natürlich der gänzlich andere Dachaufbau mit relativ einfach gestalteten Fensterrahmen. Dies und die Ausführung der dunklen Zierleiste entlang des Passagierabteils erscheinen mir gemessen an den besten Beispielen solcher Aufbauten wie etwa von Gläser (Dresden) wenig elegant.

Die im Standardwerk zu Gläser-Karosserien (Michael Brandes: Gläser Karosserie Dresden, 2021) abgebildeten Aufbauten dieses Typs von Anfang der 1930er Jahre kommen zwar ebenfalls mit schrägestehender Windschutzscheibe und unten abgerundeter Tür daher.

Bei ihnen ist jedoch in den meisten Fällen der Vorderkotflügel länger nach hinten gezogen, sodass das Ersatzrad darin eingebettet ist. Außerdem sind die seitlichen Zierleisten im Bereich der Türen speziell bei sehr langen Aufbauten raffinierter gestaltet.

Ich mag falsch mit meiner Einschätzung liegen, doch konnte ich keine vollständige Übereinstimmung mit einem Gläser-Aufbau finden, obwohl die Karosseriemanufaktur ausdrücklich auch Aufbauten für den Audi Typ „Zwickau“ lieferte.

Vielleicht weiß ein Kenner mehr, dann bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Ich will die heutige Betrachtung noch auf etwas anderes lenken. Denn hinter dem Audi auf dem Foto von Klaas Dierks ist eine Struktur zu erkennen, die mir bekannt vorkam.

Genau dasselbe mittelalterliche Stadttor ist auf einer weiteren Aufnahme zu sehen, die einen Tourenwagen der 1920er Jahre zeigt, welchen ich nicht eindeutig identifizieren kann.

unbekannter Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto: Michael Schlenger

Ich weiß nicht mehr wie, aber nach einigen Bildrecherchen im Netz kam ich darauf, dass es sich um die Spitalbastion in Rothenburg ob der Tauber handelt.

Natürlich bietet der ganze Ort, der kurz vor Kriegsende von einem der militärisch sinnlosen (für die Besatzungen aber immer noch brandgefährlichen) Bombenangriffe der Alliierten heimgesucht wurde, unendlich viele pittoreske Fotomotive.

Doch aus irgendeinem Grund war die Spitalbastei bei Automobilisten besonders beliebt.

Es hat einen speziellen Grund, weshalb ich an dieser Stelle das vollständige Originalfoto zeige, das Leser Klaas Dierks beigesteuert hat:

Audi Typ SS 20/100 PS “Zwickau”; Originalfoto: Klaas Dierks

Wenden Sie bitte für einen Moment den Blick von dem mächtigen Audi und dem monumentalen mittelalterlichen Mauerwerk dahinter ab.

Schauen Sie stattdessen nach links durch das schlichte Tor und nehmen die Bank vor dem Haus mit dem geöffneten Fensterladen ins Visier. Situation eingepägt?

Dann wissen Sie jetzt auf Anhieb, wo einst das folgende Foto entstanden ist, das einen Wanderer des Typs W10-IV (Bauzeit: 1930-32) zeigt – also ein weiteres sächsisches Automobil, hier allerdings mit Zulassung im Badischen:

Wanderer W10-IV Cabriolet, Bauzeit: 1930-32; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Dieses Foto habe ich hier ausführlich besprochen. Damals wusste ich noch nicht, wo es entstanden war. Jetzt weiß ich es und so kann ich meine Rekonstruktion der automobilen Welt von gestern an einer Stelle wieder ein klein wenig genauer gestalten.

Natürlich ist es völlig sinnlos, sich an solchen Puzzlespielen zu erbauen, aber irgendwie muss man ja seine Zeit herumbringen außer mit Arbeiten.

Vielleicht hat die Sache aber auch ein Gutes, nämlich jetzt weiß ich, dass man es in Rothenburg ob der Tauber nach dem Krieg verstanden hat, entgegen dem primitiv-funktionalistischen Trend hierzulande, den zerstörten Teil der Altstadt wenigstens dem Grundsatz nach wieder erstehen zu lassen.

Für den Kulturpessimisten in mir ist das eine der wenigen Gelegenheiten, innezuhalten und mit unzähligen Besuchern dieses Kleinods zu sagen: Schön, dass es das noch gibt!

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Vorkriegs-Kursus mit Carola: Wanderer W10-II

Die alten Hasen (m/w/d) in Sachen Vorkriegsautos sollten meinen heutigen Blog-Eintrag überblättern – sie werden hier diesmal vermutlich nichts Neues lernen. Zumindest als Einschlafhilfe mag ihnen bei Bedarf auch dieser kleine Essay dienen…

Beim Sichten meines noch etliche hundert Originalfotos umfassenden Bestands an unpublizierten Aufnahmen von Autos aus der Vorkriegszeit fiel mir eines in die Hände, das so unspektakulär ist, dass man sich schon etwas dazu einfallen lassen muss:

Wanderer W10-II 8/40 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Technisch nicht gerade berauschend und gestalterisch einfallslos ist dieses Dokument, so lautet das nüchterne Votum des Kenners.

Was aber, wenn sich nicht nur Kenner hierher verirren?

Vielen Zuschriften entnehme ich, dass immer wieder Zeitgenossen in meinem Blog landen, die nur eine vage Vorstellung von Vorkriegsautos haben.

Meist sind sie auf der Suche nach der Lösung eines Bilderrätsels, das ihnen verstorbene Familienmitglieder in alten Fotoalben hinterlassen haben.

In solchen Fällen helfe ich gerne weiter. Wunderbar, wie sich die Leute freuen, wenn sie erfahren, was für ein Wagen Opa einst gefahren hat oder vor welchem Schlitten sich Oma hat ablichten lassen.

Einen Motivationsschub erhalte ich aber auch dann, wenn mit dem Bildern aus meinem eigenen Fundus eine kleine persönliche Information verknüpft ist.

„Carolas Wagen“, das ist auf der Rückseite des eingangs gezeigten Abzugs von alter Hand vermerkt.

Wir wissen sonst nichts über Carola, aber wir tun heute einfach einmal so, als stelle sie uns ihr Auto als Anschauungsmaterial für einen Einführungskurs in Sachen Vorkriegsautos zur Verfügung – vielleicht hätte ihr der Gedanke gefallen.

Dafür ist die Aufnahme ganz ausgezeichnet geeignet, gerade weil man erst einmal nicht allzuviel darauf erkennt. Also beginnen wir ganz vorne und fragen uns: Woran erkennt man eigentlich, dass dies ein Vorkriegswagen sein muss?

Sicher, die allermeisten würden auch ohne Vorkenntnisse darauf kommen, aber was gibt uns eigentlich diese Gewissheit?

„Das sieht man doch“, lasse ich nicht gelten, also was ist es genau?

„Die freistehenden Kotflügel – so etwas gab es nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr“, könnte jetzt die Antwort sein. Nun, das stimmt zwar in vielen Fällen, doch nicht immer.

Beispielsweise baute Daimler-Benz das Vorkriegsmodell 170V bis 1953 weiter. Der Wagen sah bis zum Schluss noch ziemlich genau so aus, wie auf dieser Aufnahme:

Mercedes-Benz 170V; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese prächtige Aufnahme entstand Ende der 1930er Jahre vor der prächtigen Kulisse von Budapest – wo sich das Alte Europa bis in unserer Tage erfreulich lebendig und erfrischend widerspenstig gegenüber der Bürokraten-Kreation EU zeigt.

Hier sehen wir indessen ein Detail, das sich zwar auch noch beim Nachkriegsmodell des Mercedes 170V findet, nicht aber bei „Carolas Wagen“: Die Kotflügel besitzen seitliche „Schürzen“, sind also nach unten gezogen und erlauben keinen Blick mehr aufs Chassis.

Das mag unerheblich scheinen, ist es aber nicht. Denn im Serienbau taucht dieses Element erst in den frühen 1930er Jahren auf – erstmals beim Graham „Blue Streak“ von 1933.

Das spricht stark dafür, dass „Carolas Wagen“ früher zu datieren ist, also nicht bloß allgemein in die Vorkriegszeit, sondern sogar auf die Zeit vor 1933. Das ist natürlich etwas vage und wir wollen am Ende ja genau wissen, was für ein Auto Carola einst fuhr.

Also werfen wir einen zweiten Blick auf die Vorderpartie ihres Wagens:

Die robusten Speichenräder finden sich nach 1930 kaum noch, sodas wir uns hier offenbar in den 1920er Jahren bewegen. Dass Carolas Wagen nicht noch früher entstanden sein kann, das verrät ein weiteres Detail.

Hinter den Radspeichen erkennt man ein dunkles rundes Gebilde, das deutlich größer als die Radnabe mit den fünf Radschrauben ist – das ist eindeutig eine Bremstrommel.

Vorderradbremsen tauchen im Serienbau zuerst nach dem 1. Weltkrieg auf, zunächst bei besonders starken und fortschrittlichen Wagen, dann ausgehend von den USA auch in der Massenproduktion. Bei deutschen Fabrikaten sollte es bis 1924/25 dauern, bis sich diese Verbesserung gegenüber den bis dato üblichen Getriebe- und Kardanbremsen durchsetzte.

Woher wissen wir aber , dass wir es mit einem deutschen Fabrikat zu tun haben?

Nun, eine amerikanische Limousine hätte als Viertürer keinen solchen Aufbau besessen und bei französischen oder englischen Modellen findet sich die markante Aufteilung der Luftschlitze in der Motorhaube meines Wissens nirgends.

Von dieser Arbeitshypothese ausgehend sind Hersteller und Typ rasch eingegrenzt, denn so viele Fabrikate gab es ab Mitte der 1920er Jahre hierzulande nicht mehr, die für eine solche Mittelklasse-Limousine in Frage kamen – vielleicht ein Dutzend Hersteller.

Da ist es eine reine Fleißaufgabe, bei den gängigen deutschen Autoherstellern zu schauen, ob sich Vergleichbares findet – ich empfehle dafür selbstlos meine eigenen Galerien.

Unter der sächsischen Traditionsmarke „Wanderer“ stößt man rasch auf dieses Fahrzeug:

Wanderer W10-II 8/40 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

„Das ist doch Carolas Wagen!“, möchte man hier spontan ausrufen. Tatsächlich sieht der Wagen fast genau so aus – nur die Haubenschlitze sind hier nicht dunkel gehalten.

Dafür lässt sich anhand der Form des Kühleremblems das Fabrikat genau benennen. Denn dieses Emblem wurde von Wanderer verwendet.

Auf folgender Aufnahme aus dem Fundus von Leser Matthias Schmidt (Dresden) erkennt man es besser – wiederum an einem Wanderer desselben Typs wie Carolas Wagen, hier bloß als offener Tourer:

Wanderer W10-II 8/40 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Man sieht außerdem, dass die vermeintlichen Parklichter auf den Vorderkotflügeln etwas anderes sind – nämlich Fahrtrichtungsanzeiger.

Diese blinkten zwar nicht, leuchteten aber erkennbar auf, wenn man abbiegen wollte – vielleicht die einzige Innovation der sonst sehr konservativen Marke Wanderer.

Da das Kühleremblem 1930 verändert wurde, kommt für Carolas Wagen letztlich nur ein Wanderer von 1925-29 in Betracht.

Ein kurzer Bildabgleich führt uns zum Typ 8/40 PS, der intern als W10-II geführt wurde. Dieses solide Vierzylindermodell wurde 1927/28 gebaut und erfreute sich einiger Beliebtheit.

Damit hätten wir das Auto erstaunlich genau datiert und präzise identifiziert. Was wir nicht mehr herausbekommen werden ist, wer Carola war und ob sie vielleicht auch auf diesem zweiten schönen Foto zu sehen ist – der Wagentyp scheint jedenfalls identisch zu sein:

Wanderer W10-II 8/40 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Moment einmal, das Heck ist hier doch anders gestaltet und die Lackierung erscheint dunkler – so könnten Sie jetzt einwenden.

So ist es, und wenn man anfängt, auf solche Dinge zu achten und hektisch Bilder zu vergleichen, dann ist man auf dem besten Weg, sich in der Welt der Vorkriegsautos zu verlieren und damit eine wunderbare Ablenkung von den Miseren der Gegenwart zu finden.

Dafür danken wir Carola, deren Wagen sicher längst nicht mehr existiert, der für uns aber in einem kleinen Fotokursus in Sachen Vorkriegsautos fortlebt.

So, und jetzt können wir uns wieder spannenderen Dingen zuwenden – aber dafür müssen wir den nächsten Blog-Eintrag abwarten und auf neue Inspiration hoffen, die Arbeitswoche war ein wenig anstrengend…

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Exklusives Polizeiauto: Ein Wanderer-Tourer von 1928

Wer kennt noch die legendäre „Grüne Minna“? Ich kann mich dunkel erinnern, dass man damit früher die Polizeiautos zum Transport von Strafgefangenen bezeichnete.

Gesehen habe ich so etwas schon lange nicht mehr, aber ich meide die Brennpunkte der Kriminalität ja auch seit vielen Jahren, nachdem ich Berufsausbildung, Studium und weite Teile des Arbeitslebens in Frankfurt/Main zugebracht hatte.

Mag sein, dass man heute die meisten Delinquenten ohnehin laufen lässt, wenn man die Personalien aufgenommen hat, da ja „keine Fluchtgefahr“ bestehe. Im Knast scheint es auch keine freien Zimmer mehr zu geben, was man so hört und liest.

Jedenfalls war der Aufenthalt in der „Grünen Minna“ einst im wahrsten Sinne des Wortes eine inklusive Angelegenheit – exklusiv war daran nichts, schon gar nicht die Ausstattung.

Dafür kommen Sie, liebe Leser und unbescholtene Bürger, heute in den Genuss, enge Bekanntschaft mit einem exklusiven Polizeiauto der Vorkriegszeit zu machen. So unwahrscheinlich das klingt – speziell beim Stichwort „Wanderer“ – so zutreffend ist es doch.

Dieses exklusive und für Sie völlig risikofreie Vergnügen will freilich gut vorbereitet sein. Dazu machen wir uns erst einmal mit einem ganz normalen Wanderer-Tourenwagen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre vertraut:

Wanderer W10-I 6/30 PS; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Wer nun der Ansicht ist, dass so ein großzügiges Cabriolet doch eine ziemlich exklusive Angelegenheit gewesen sein muss, liegt falsch. Denn erstens handelt es sich nicht um ein Cabriolet, sondern einen Tourenwagen und das war ein enormer Unterschied.

Worin genau der bestand, das wird heute nebenher anschaulich. Hier sei nur so viel gesagt: Ein solches Auto mit ungefüttertem Klappverdeck und ohne Kurbelfenster war lange Zeit mit die billigste Karosserievariante überhaupt, nur ein offener Zweisitzer war günstiger.

Im Unterschied zu heute war ein geschlossener Aufbau wegen des enormen Mehraufwands an Handarbeit die exklusivere Ausführung. Davon abgesehen war natürlich überhaupt jedes Automobil im damaligen Deutschland für sich bereits absolut exklusiv.

Nur eine dünne Schicht an weit überdurchschnittlich Gutsituierten konnte sich hierzulande ein Kraftfahrzeug leisten – eine echte Volksmotorisierung wie in den USA sollte es erst ab den 1960er Jahren geben.

Auch leistungsmäßig war man noch weit von „amerikanischen Verhältnissen“ entfernt. So begnügte sich dieser Wanderer mit 30 PS Höchstleistung aus 1,6 Litern Hubraum.

Ford’s Model A – das Einstiegsauto für wirklich jedermann in den USA – kam da bereits mit 40 PS daher. Ein solcher Wanderer dagegen war klar in der Mitteklasse angesiedelt. Dennoch wirkt er zumindest auf obigem Foto statt exklusiv eindeutig „inklusiv“ – denn mit niedergelegtem Verdeck lädt er doch geradezu zum Einsteigen ein.

Im Unterschied zu größeren Tourern bot der Wanderer allerdings im Regelfall nur vier Personen Platz, wie hier gut zu erkennen ist:

Wanderer W10-I 6/30 PS (frühe Ausführung mit schüsselfömigen Scheinwerfern); Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Übrigens ist dieser Wanderer 6/30 PS – intern als Typ W10-I bezeichnet – auch in anderer Hinsicht repräsentativ für den damaligen Stand des deutschen Automobilbaus in der Breite.

Bei seiner Markteinführung im Herbst 1926 verfügte er nämlich als erster Wanderer über Linkslenkung und Vierradbremsen, dem allgemeinen Trend folgend, der 1924 begann und kurz danach (von wenigen Ausnahmen abgesehen) abgeschlossen war.

Kommen wir nun zum versprochenen exklusiven Genuss eines Wanderer-Polizeiautos. Dazu machen wir einen kleinen Zeitsprung ins Jahr 1928. Technisch hatte sich bei den Wanderer-Vierzylinderwagen wenig getan – die Marke war stets konservativ.

Immerhin hatte Wanderer inzwischen auf den Trend zu stärkeren Motoren reagiert und aus dem 6/30 PS-Modell zusätzlich den stärkeren Typ 8/40 PS abgeleitet, der nun in die Nähe der Marke von 100 km/h kam.

Äußerlich behielt man die Linie weitgehend bei. Nur die Gestaltung der Luftschlitze änderte sich ab Ende 1927 – nunmehr finden sich zwei Gruppen davon symmetrisch verteilt:

Wanderer W10-II 8/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Wenn dieser Wanderer-Tourenwagen dennoch völlig anders wirkt, hat dies nicht nur mit den neu gestalteten Luftschlitzen in der Motorhaube zu tun. Auch der davor posierende Polizist macht das Auto per se noch nicht ungewöhnlich.

Doch die einladende Anmutung ist dahin, und das ist einer ziemlich exklusiven Situation geschuldet. Nur selten sieht man nämlich einen solchen Tourer mit aufgespanntem Verdeck und vor allem mit den seitlich aufgesteckten „Scheiben“, die aus einem frühen Kunststoff bestanden, den ich als Zelluloid ansprechen würde.

Diese Lösung hatte den Vorteil niedrigeren Gewichts und geringerer Bruchgefährdung gegenüber Glasscheiben, doch natürlich neigten diese Steckscheiben zum Zerkratzen und zudem wurden sie im Lauf der Zeit blind.

Daher ist erst recht heute ein überlebender Tourenwagen, der noch seine originalen Steckscheiben besitzt, nach meinem Eindruck eine hochexklusive Angelegenheit.

Daneben gibt es aber noch ein weiteres Merkmal, welches diesem Auto und damit auch dem Foto eine beträchtliche Exklusivität verleiht – die Scheibenräder!

Sie lösten laut Literatur (Erdmann/Westermann, Wanderer-Automobile, Verlag Delius-Klasing, 2. Auflage 2011) erst im Sommer 1928 die bisherigen Stahlspeichenräder ab. Da der Wanderer 8/40 PS bereits im Oktober desselben Jahres auslief, haben wir den raren Fall, dass sich ein solcher Tourenwagen auf wenige Monate genau datieren lässt.

In der Gesamtheit betrachtet eine ziemlich exklusive Angelegenheit, finde ich.

Man könnte nunn einwenden, dass Wanderer nach dem Produktionsende des Typs 8/40 PS den kleinen Typ 6/30 PS mit exakt dessen Optik noch ein Dreivierteljahr lang weiterbaute. Dann wäre aber das Polizeiauto etwas schwach auf der Brust und nicht mehr ganz so exklusiv, also lassen wir das…

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Verkannte Größe: Wanderer W6 6/18 PS Tourer

Heute bietet sich in meinem Blog eine ganz ähnliche Konstellation wie am Vortag – ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkender Wagen kommt bei näherer Betrachtung groß heraus.

Allerdings ist die Sache relativ zu sehen – denn diesmal geht es nicht um ein schweres Achtzylinder-Automobil, sondern um ein Vierzylinder-Gefährt vom anderen Ende der Leistungsskala.

Die Art der Annäherung ist indessen erst einmal dieselbe:

Wanderer W6 6/18 PS; Originalfoto aus Familienbesitz

Die Besitzerin dieser Aufnahme – der ich ein weiteres sehr schönes Dokument verdanke, welches demnächst folgt – wusste hierzu mitzuteilen, dass das Foto 1925 vor einer Villa im sächsischen Borna entstand.

Das Haus im klassischen Stil des 19. Jh. existiert leider nicht mehr; immerhin können wir aber noch einige Details studieren, die bei vielen überlebenden Bauten jener Zeit dem Modernisierungswahn der Nachkriegszeit zum Opfer gefallen sind.

Im vorliegenden Fall darf ich auf die bemalten Blechblenden aufmerksam machen, welche den oberen Fensterabschluss schmückten und die Strenge des sonst rein klassizistischen Baus abmildern:

Wanderer W6 6/18 PS; Originalfoto aus Familienbesitz

Solche dekorativen Elemente wurden auch in meiner Heimatstadt Bad Nauheim, die fast völlig von Bombardierungen im 2. Weltkrieg verschont geblieben war, später zusammen mit prachtvollen Balkongittern und Zäunen sowie massiven Eingangstüren haufenweise demontiert und fortgeworfen.

„Ersetzt“ wurden sie – wenn überhaupt – durch primitiv anmutende und materialmäßig minderwertige Teile. Motiv war eine Mischung aus Fortschrittsbesoffenheit, Bildungsmangel sowie Hass auf das Großbürgerliche, Elegante und Repräsentative der Vergangenheit.

Diese Zerstörungen durch sich für modern haltende Zeitgenossen mit zuviel Geld und keinem Geschmack gehen bis heute weiter.

Vor einigen Jahren wurde ich Zeuge, wie in einer sonst gut erhaltenen Villa die historischen Flügeltüren und Holzvertäfelungen des späten 19. Jahrhunderts im Bauschuttcontainer landeten. Als ich diese vor der Vernichtung bewahren wollte, wurde mir mit der Polizei gedroht.

In ihrer extremen Ausprägung scheint dieses Wüten gegen die Werke der Vorfahren eine neudeutsche Krankheit zu sein.

Ich vermute als Ursache die Erkenntnis der deutschen Nachkriegsgeneration, dass sie nicht mehr imstande ist, etwas Hochwertiges und Dauerhaftes außerhalb des zuvor im Krieg optimierten technischen Sektors zu schaffen – dort ist der Dampf inzwischen ja auch ‚raus…

Zurück zu dem eben noch kompakt anmutenden Wagen vor der Villa in Borna, der im Folgenden groß herauskommt:

Wanderer W6 6/18 PS; Originalfoto aus Familienbesitz

Der Vorkriegskenner wird das Auto anhand der Kühlerplakette sofort als Fabrikat der sächsischen „Wanderer“-Werke identifizieren können.

Das Fehlen von Vorderradbremsen und jedweden Glanzteilen sowie die Rechtslenkung sind dabei typisch für die frühen 1920er Jahre.

In dieser Zeit kommen nur zwei Wanderer-Modelle in Frage. Das eine ist der Typ W8 5/15 PS, welcher 1921 als Weiterentwicklung des legendären „Puppchens“ (W3 5/15 PS) auf den Markt kam.

Er ähnelte anfänglich noch sehr dem Vorgänger, wurde aber 1923 modernisiert, sodass seine Frontpartie stark derjenigen des Wagens auf dem Foto aus Borna ähnelte:

Wanderer W8 5/15 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Die Gestaltung der Vorderkotflügel und des Kühlers stimmt fast vollständig überein. Allerdings fällt bei näherer Betrachtung auf, dass die Motorhaube deutlich kürzer ist.

Hinzu kommt, dass beim Wanderer W3 5/15 PS offensichtlich der Radstand nicht dafür ausgereicht hätte, die Ersatzräder mittig anzubringen und dennoch ausreichend Platz für einen hinteren Einstieg zu lassen, wie er auf dem ersten Foto zu erkennen ist.

Tatsächlich gab es beim Wanderer W3 5/15 PS auch nie eine hintere Tür auf der rechten Seite – weder beim hier zu sehenden Dreisitzer, noch beim erst 1924 eingeführten Viersitzer.

Somit verbleibt als einziger Kandidat das bereits 1920 auf den Markt gebrachte, etwas größere und stärkere Schwestermodell W6 6/18 PS. Dessen Antrieb entsprach der Konstruktion nach dem des W3 5/15 PS, nur der Hubraum war größer (1,6 statt 1,3 Liter).

Eine wesentliche Neuerung stellte jedoch die Cantilever-Federung der Hinterachse dar, welche der Fahrtstabilität bei flotter Fahrweise zugutekommen sollte.

Die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ist bei solcher Auslegung in der Leistungsklasse realistisch. Schneller war man 10 Jahre später im Kleinwagensegment übrigens auch nicht.

Dennoch scheint es am deutschen Markt kurz nach dem 1. Weltkrieg kaum Nachfrage nach dem Wanderer W6 6/18 PS gegeben zu haben. Laut Literatur war zudem das Werk nicht in der Lage, eine betriebswirtschaftlich sinnvolle größere Produktion dieses Modells neben dem Basismodell W3 5/15 PS zustandezubringen.

So entstanden keine 200 Exemplare des Wanderer W6 6/18 PS – eines davon haben Sie heute kennengelernt (ein zweites finden Sie in meinem Blog hier).

Einmal mehr gilt: Auch kleine Details verdienen in der Welt der Vorkriegsautos unsere Aufmerksamkeit und lassen manche verkannte Schöpfung nach 100 Jahren noch groß herauskommen…

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Ende der Karriere: Wanderer W21/22 von 1934

Der für mich attraktivste „Wanderer“, der je gebaut wurde, ist das 1933 eingeführte Sechszylindermodell W21/22 – zumindest in optischer Hinsicht.

Das Angebot zweier kleiner, noch dazu nahe beieinanderliegender Motorisierungen – 35 bzw. 40 PS bei 1,7 bzw. 2 Liter Hubraum – mutet in der Klasse zwar merkwürdig an (der günstigere Hanomag „Sturm“ wartete in der Klasse mit 2,3 Liter und 50 PS auf).

Aber gestalterisch suchte der Wanderer am deutschen Markt seinesgleichen:

Wanderer W21/22; Originalreklame von 1933 aus Sammlung Michael Schlenger

Kein anderer Wagen inländischer Hersteller bot eine derartig markante und zugleich dynamisch wirkende Frontpartie. Im ersten Produktionsjahr kam diese noch mit recht breiten, vielleicht ein wenig wuchtigen Kühlerstreben daher.

Diese wichen schon im zweiten Produktionsjahr einer filigraneren Ausführung, ohne dass die unverwechselbare Optik als solche verloren ging. Selbst auf der folgenden, sehr eigenwilligen Aufnahme entfaltet das „Gesicht“ des Wanderer seine Wirkung:

Wanderer W22 Cabriolet von 1934; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses bemerkenswerte Foto von Juni 1936, das mir Leser Klaas Dierks in Kopie zur Verfügung gestellt hat, zeigt übrigens das 40 PS-Modell W22 mit Cabriolet-Aufbau – der etwas schwächere W21 war serienmäßig nur als Limousine erhältlich.

Eine entsprechende geschlossene Ausführung sehen wir auf dem nächsten Dokument aus dem Jahr 1935.

Aufgenommen wurde dieser Wagen in der Nähe von Nürnberg, wohl an einer Tankstelle, die neben einer Eisenbahnbrücke gelegen war, nicht gerade der beste Fotohintergrund:

Wanderer W21 Limousine von 1934; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die beiden elegant gekleideten Damen hießen übrigens Inge und Gretel, so ist es auf der Rückseite des Abzugs vermerkt.

Ohne das geflügelte „W“ auf dem Kühler wäre die Ansprache dieses Autos als Wanderer nicht so einfach gewesen – wobei die beiden Reihen schrägstehender Luftschlitze in der Motorhaube schon recht typisch sind und auf einen W21/22 hindeuten.

Dass dieses Fahrzeug ebenfalls aus dem zweiten Produktionsjahr 1934 stammt, ist an den feinen Kühlerstreben zu erkennen, von denen man gerade noch genug erkennt.

Ansonsten hatte sich bei der Limousine äußerlich nichts geändert, sodass man denselben Wagen auf dieser zweiten Aufnahme ebenso auf 1933 hätte datieren können:

Wanderer W21 Limousine von 1934; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem zweiten Foto kann man trotz leichter Verwackelung gut erkennen, wie der Schwung des Vorderkotflügels sich im Trittbrett fortsetzt – solche gestalterischen Finessen finden sich an anderen deutschen Mittelklassewagen jener Zeit kaum.

Ein für die Unterscheidung von W21 und W22 aus dem Jahr 1934 wichtiges Detail findet sich auf der folgenden Aufnahme einer weiteren Limousine.

Dort ist der Vorderkotflügel seitlich weiter nach unten gezogen. Diese Kotflügel“schürze“ gab es nur beim W22:

Wanderer W22 Limousine von 1934; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme bietet auch unabhängig von modellspezifischen Feinheiten eine Fülle von Details, welche aus einem Autofoto letztlich ein Zeugnis vergangenen Lebens machen.

Bemitleidenswert erscheint der gut gekleidete Herr auf dem Trittbrett, der offenbar ungesundes fetthaltiges Essen bevorzugte. Er schaut auch nicht sonderlich glücklich drein.

Ganz anders die beiden gut aufgelegten jungen Männer hinter dem Wanderer – von denen der rechte ein Soldat der Wehrmacht war, wie Kragenspiegel und Schulterklappen verraten.

Am besten gefallen mir aber die beiden Herren links. Der eine mit der ungezügelten Haarpracht, auf der man sich nur schwer einen Hut vorstellen kann, fixiert uns mit leicht hochgezogener Augenbraue – fast ein wenig spöttisch.

Sein Nachbar mit Schirmmütze, wohl der Fahrer des Wanderer, hat es sich auf einem Puppenwagen bequem gemacht – der von bemerkenswerter Stabilität gewesen sein muss. Er scheint den Fotografen nicht zu bemerken und scherzt mit seinem Hund.

Was soll man sich mehr wünschen als ein solches, vor Leben nur so strotzendes Autofoto? Dagegen verblasst selbst ein ungewöhnliches Dokument wie das folgende:

Wanderer W22 Cabriolet („Gläser“) von 1934; Originalfoto aus DDAC Motorwelt vom 23. März 1934; aus Sammlung Erik Dünnebier

Hier haben wir ein von der Karosseriemanufaktur „Gläser“ aus Dresden gefertigtes bildschönes Vierfenster-Cabriolet auf Basis des Wanderer W22 von anno 1934. Entsprechend lautet die Beschreibung in der „DDAC Motorwelt“ vom März jenes Jahres.

Wie wir bereits gelernt haben, waren nur vom stärkeren W22 solche Cabriolet-Versionen erhältlich und die oben erwähnte Kotflügelschürze bestätigt das Baujahr 1934.

Trotz der ungewöhnlichen Aufnahmesituation finde ich solche Werksfotos immer etwas steril.

Ich bevorzuge Fotos aus dem Alltag, zu dem auch der Einsatz solcher Wagen im 2. Weltkrieg gehörte – hier eine Aufnahme aus Polen aus der Anfangsphase des Kriegs:

Wanderer W22 Cabriolet von 1934; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Auf der Fahrt nach Warschau“ so steht auf der Rückseite des Abzugs. Ganz links haben wir einen jungen Polen, der sich irgendwie mit den deutschen Besatzern arrangiert hatte.

Vor dem Wanderer in der Ausführung als Cabriolet – ein Wanderer W22 von anno 1934 – sehen wir von links nach rechts: einen Offizier (erkennbar an den silbernen Schulterstücken und der Ausführung des Koppelschlosses), dann einen Kradmelder mit Gasmaskenbüchse vor der Brust, neben ihm zwei Infanteristen und ganz rechts einen älteren Unteroffizier, der sich seinen Orden wohl als junger Mann im 1. Weltkrieg erworben hatte.

Diese Aufnahme ist trotz vordergründig friedlicher Situation beklemmend. Wir wissen, was die deutsche Kriegsführung und die Verfolgung jüdischer Bürger in Polen angerichtet haben.

Dennoch verdient der einzelne Kriegsteilnehmer, der im Regelfall Wehrpflichtiger ohne eine echte Wahl war, in Abwesenheit eindeutiger Anzeichen erst einmal die Vermutung, dass er sich ehrenhaft und menschlich verhalten hat, soweit das im Krieg möglich ist.

Das ändert nichts am Befund, dass die empörenden Verbrechen auf deutscher Seite von irgendjemandem begangen worden sind – und die Banalität des Bösen (nach Hannah Arendt) will es, dass man es dem Menschen nicht ansieht, wozu er fähig ist.

Der Doppelgesichtigkeit jener Zeit gilt es sich ohne falsche Scheu und Einseitigkeit des Urteils zu stellen, auch wenn man sich auf den ersten Blick nur mit den damaligen zivilen Automobilen befasst, die zehntausendfach selbst Kriegsteilnehmer wurden.

Nach dem Inferno galt es, die Not der Wiederaufbaujahre zu überwinden. Die Vorkriegsautos, die zuvor an der Front unter Bedingungen zum Einsatz gekommen waren, für die sie nicht konstruiert worden waren, stifteten nun jahrelang einen nicht zu überschätzenden Nutzen.

Das galt auch für die eleganten Sechszylindermodelle W21/22 von Wanderer, die sich wie ihre Besitzer auf gänzlich neue Bedingungen einstellen mussten:

Wanderer W21 von 1934; Nachkriegsfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir einen Wanderer W21 von 1934 am Ende seiner Karriere. Umgebaut zum Pritschenwagen in der frühen Nachkriegszeit hat er von seiner Ausstrahlung nichts eingebüßt.

Die Besitzer dieses Autos, das im Raum Angermünde im sowjetisch besetzten Ostdeutschland zugelassen war, wussten genau, was sie an ihrem wackeren Wanderer hatten und ließen die nächste Generation (wieder mit Hund) davor posieren.

Dieser Wagen war in jeder Hinsicht besser als alles, was die von sozialistischer Planwirtschaft strangulierte Autoindustrie der DDR in den nächsten 40 Jahren zustandebekommen sollte.

So wurden solche Autos im Alltag gefahren, solange es noch Verschleißteile gab, bis in die 1960er Jahre hinein, teilweise noch länger wie in den „Bruderländern“ des Warschauer Pakts.

Erst am Ende dieser Karriere war den überlebenden Vorkriegsfahrzeugen ein weiteres Dasein als Liebhaberfahrzeug vergönnt. Für manche – speziell im Westen – endete das Autoleben jedoch bereits weit früher.

So will ich diesen Abriss mit einem besonderen Dokument beschließen. Es stammt aus Österreich von jemandem, der nicht namentlich genannt werden will und 2020 in einem See das hier entdeckt hat:

Wanderer W22; Originalfoto von 2020 aus Österreich (Urheber namentlich nicht bekannt)

Ich konnte das Autowrack auf dem Seegrund als sechsfenstrige Wanderer-Limousine des Typs W22 identifizieren. Sie wurde anfänglich von Hornig, später vom Horch-Werk in Zwickau gefertigt. Der W21 war dagegen nur mit vier Fenstern erhältlich.

Auch so konnte die Karriere dieser Sechszylinder-Wanderer enden – und wir gönnen ihm in der Gewissheit, dass die einstigen Insassen seinem Schicksal entronnen sind, am Ende der Karriere die ewige Ruhe in der kühlen Tiefe…

Wanderer W22; Originalfoto von 2020 aus Österreich (Urheber namentlich nicht bekannt)

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Bei Regen die 1. Wahl: Wanderer W11 Roadster-Cabrio

Der Oktober nähert sich seinem Ende. Das Regendefizit des Sommers ist mehr als ausgeglichen – selten habe ich meine Heimatregion, die hessische Wetterau, um diese Jahreszeit so grün gesehen.

Zuletzt gab es wieder einige Tage „Goldenen Oktober“ zu genießen, mit Temperaturen an die 20 Grad tagsüber und prächtiger Sonne. Der alte Rosenstock an der Hausecke bringt noch einmal ein Feuerwerk an Blüten hervor, auch wenn bereits die ersten Blätter fallen.

Unweigerlich rückt der November nahe und damit beginnt für mich eine Zeit der Tristesse – kurze und immer kürzere Tage, ewiges Grau und reichlich Regen ziehen meine Stimmung dann zuverlässig nach unten.

Doch dagegen lässt sich etwas tun – nämlich, indem man sich von der geheimnisvollen Schönheit von Vorkriegsautos verführen lässt. Deren Magie funktioniert sogar an einem Regentag und heute zeige ich schon einmal, wie das geht.

Stellen Sie sich vor, es ist draußen kühl und unbeständig. Sie sind sehr gut situiert und können sich nach getaner Schreibtischarbeit in einen Sechszylinder-Wanderer des Typs 10/50 PS (W11) von Ende der 1920er Jahre setzen.

Damit lassen Sie Fußgänger, Radler, Motorradfahrer und Insassen von Straßenbahnen in ihrem Elend zurück. Was wäre bei Regenwetter besser geeignet als die Limousinenversion des Wanderer?

Wanderer Typ 10/50 PS (W11) Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man Chromschmuck, wie ihn Wanderer noch nie so opulent eingesetzt hat wie bei dem 1928 eingeführten Modell 10/50 PS mit seinem geschmeidigen 2,5 Liter-Sechszylinder.

Lamellenkühler, Doppelstoßstange, große vollverchromte Scheinwerfer, seitlich am Haubenende angesetzte Positionsleuchten – alles fein nach Vorbild der damals führenden US-Hersteller gestaltet.

Eine eigene Formensprache entwickelten deutsche Hersteller erst wieder in den 1930er Jahren. Aber das Kopieren der amerikanischen Vorbilder bekam den bis dato oft sehr bieder wirkenden Wanderer-Wagen ausgezeichnet.

Dennoch missfällt mir im Vorgriff auf die nahende November-Depression der Gedanke an diese düstere Limousine, so angenehm der Aufenthalt darin auch wäre.

Nein, meine erste Wahl bei Regenwetter wäre ganz klar der Wanderer W11 als Roadster-Cabriolet! Herrje, was denn nun: Roadster oder Cabriolet?

Es stimmt schon so. Wanderer verwendete für sein schickes Zweitürer-Cabrio tatsächlich die Bezeichnung „Roadster-Cabriolet“. Auch das hatte man sich den Amerikanern abgeschaut, von denen man in Sachen Marketing von jeher nur lernen kann.

Niemand in den Staaten nahm diese Bezeichnungen ernst – sie mussten gut klingen und mit Blick auf verschiedene Kundenneigungen anschlussfähig sein. „Roadster“, das klingt verwegen und sportlich, „Cabriolet“, darin schwingt Großzügigkeit und Eleganz mit.

Wanderer verfügte damals mit dem Neueinsteiger Klaus Detlof von Oerzen über einen Mann, der ein hervorragendes Händchen für solche Marketing-Aspekte hatte.

Ihm ist im Wesentlichen die Verwandlung von Wanderer aus einem Kleinwagenhersteller in eine immer noch grundsolide, aber eben auch repräsentative Marke zu verdanken.

Wem das übertrieben erscheint, der wird gleich eines Besseren belehrt. Denn man müsste ja verrückt sein, bei Regen die abweisend anmutende dunkle Limousine zu wählen, wenn man ebensogut dieses hell-elegante Prachtstück fahren kann:

Wanderer Typ 10/50 PS (W11) Roadster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier hat es offensichtlich vor kurzem geregnet. Doch nun hat der Niederschlag aufgehört und darum hat man das Verdeck niedergelegt. Selbiges ist übrigens nach Cabriolet-Manier üppig gefüttert und gäbe auch bei Regen und Kälte guten Schutz.

Ein Roadster hätte nach der reinen Lehre zwanghaft veranlagter Zeitgenossen nur ein dünnes Notverdeck, keine seitlichen Kurbelscheiben und dafür tief ausgeschnittene Türen.

In den USA war dennoch für einen solchen Aufbau die Bezeichnung „Roadster“ üblich, sofern der Wagen nur zwei Türen hatte und ein nach hinten abfallendes Heck (meist mit „Schwiegermuttersitz“) besaß. In Verbindung mit „Cabriolet“ war Wanderer auf der sicheren Seite, was den Kundengeschmack angeht.

Geliefert wurde dieser schöne zweifarbige Aufbau übrigens von Reutter aus Stuttgart, das meine ich jedenfalls nach Abgleich mit entsprechenden Fotos in der Standardliteratur (Th. Erdmann/G. Westermann, Wanderer-Automobile, Verlag Delius-Klasing).

Zugelassen war dieses Exemplar im thüringischen Zella-Mehlis, mehr ist leider über das Fahrzeug nicht bekannt.

Wir können aber sicher sein, dass auch der Fahrer damals klar der Ansicht war, dass er mit dem offenen Aufbau die bessere Wahl getroffen hatte:

Was es mit dem Mützenabzeichen des Fahrers auf sich hat, das kann vielleicht einer meiner Leser verraten.

Ich habe keine Zeit dafür, denn ich muss mich jetzt auf den „Fund des Monats“ vorbereiten, der diesmal sehr klein ausfällt, aber für eine ziemlich große Überraschung sorgen dürfte…

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Überraschend luxuriös: Ein Wanderer W10-II 8/40 PS

Mit meinem heutigen Blog-Eintrag kann ich in einer Hinsicht nahtlos an den vorherigen anknüpfen – denn erneut werde ich viel Stil der späten 1920er Jahre präsentieren, wenngleich diesmal in der Mittelklasse.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere treue Leser an die folgende Szene, mit der ich seinerzeit erstmals den Wanderer des Typs 8/40 PS vorgestellt habe, welcher nur 1928 gebaut wurde und der leistungsstärkere Nachfolger des 6/30 PS-Typs war.

Dieser hatte werksintern als W10 firmiert, weshalb die auf 40 PS erstarkte Variante die Bezeichnung W10-II trug. Äußerliches Unterscheidungsmerkmal waren die auf zwei Felder verteilten Luftschlitze in der Motorhaube, hier gerade noch zu erkennen:

Wanderer W 10-II 8/40 PS, viertürige Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der eigentliche Hingucker auf dieser Aufnahme ist jedoch zweifellos der smart gekleidete und lässig neben dem Wanderer posierende junge Mann. Ja, die Krawatten waren damals oft abenteuerlich gemustert und man bedauert es, das Farbschema nicht zu kennen.

Mit einem solchen an den Filmstars jener Zeit orientierten Outfit wirkte man auch dann ziemlich erwachsen, wenn man noch ein Bubengesicht hatte. Mit heutiger Kluft aus T-Shirt und Dreiviertelhosen würde das ganz gewiss nicht funktionieren.

Der Wagen in der Ausführung als Sechsfenster-Limousine wirkt hier zwar ziemlich eindrucksvoll, war aber tatsächlich eher langweilig gestaltet.

In Abwesenheit modisch beeindruckender Zeitgenossen konnte der W10-II 8/40 PS daher reichlich dröge wirken wie auf dieser Aufnahme:

Wanderer W 10-II 8/40 PS, viertürige Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser sechsfenstrige Aufbau ähnelt stark der in der Literatur zu Wanderer abgebildeten Karosserie von Reutter, die nach Weyman-Patent aus Holz und Kunstleder gefertigt war.

Wahrscheinlich eine identische Ausführung sehen wir auf dem nächsten Foto, hier sind es aber wieder erfreulich gut gekleidete und ebenso aufgelegte Personen, die der Situation ihren Charme verleihen.

Wie meistens in solchen Fällen sind es die Damen, welche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen – die Frauenmode war damals enorm facettenreich und bot unendliche Möglichkeiten zur Individualisierung, wovon je nach Geldbeutel Gebrauch gemacht wurde:

Wanderer W 10-II 8/40 PS, viertürige Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei diesen Herrschaften muss es sich um recht gut situierte Leute gehandelt haben, konnten sie doch sogar einen Fahrer unterhalten – in der Mittelklasse war dies Ende der 1920er Jahre außergewöhnlich.

Der Chauffeur hält sich etwas abseits, vermutlich weiß er, dass er mit den beiden Damen nicht mithalten kann, die sich hier in entspannter, aber bewusst eingenommener Pose zeigen.

Vielleicht bekommt ja die eine oder andere unter meinen Leserinnen bei diesem Anblick Lust, in die faszinierende Welt der Vorkriegsmode einzutauchen und den Klassiker des Gatten mit entsprechend raffiniertem Erscheinungsbild zu adeln:

Wir Buben wenden uns unterdessen eher wieder dem Gefährt selbst zu, wenngleich uns dabei ebenfalls luxuriöse Entdeckungen gelingen können, die man beim Wanderer W10-II 8/40 PS nicht unbedingt erwarten würde.

Die Literatur erwähnt neben der Limousine und dem klassischen Tourer auch eine Art Cabrio-Limousine, 2- und 4-türige Cabrios sowie offene Sport-Zweisitzer mit minimalistischem Roadsterverdeck.

Daneben scheint es aber auf Wunsch weitere Varianten gegeben zu haben, was man eher bei höherwertigen Fahrzeugen vermuten würde. So scheint mir der folgende Aufbau auf Basis des Wanderer W10-II 8/40 PS in keine der vorgenannten Kategorien zu fallen:

Wanderer W 10-II 8/40 PS, viertürige Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Diese Aufnahme aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks weiß nicht nur durch die sommerliche Stimmung mit schönem Lichterspiel auf der Karosserie zu gefallen.

Hier sehen wir auch einen speziellen Aufbau, den ich als Sedan-Cabriolet ansprechen würde. Dieser vereint Elemente eines Cabriolets wie versenkbare Seitenfenster mit umlaufendem Rahmen mit Bauteilen, die eher auf eine Limousine hindeuten.

Speziell eine so massive B-Säule findet sich nicht bei einem klassischen Cabriolet – gleichzeitig fehlt der für eine Cabriolimousine typische feste obere Abschluss der Seitenteile.

Ich will aber nicht ausschließen, dass diese Variante seinerzeit unter der Bezeichnung „Cabriolet“ vermarktet wurde, dann wäre dies die in der Literatur erwähnte Ausführung mit vier Türen und vier Fenstern, wie sie etwa von Gläser bzw. Zschau verfügbar war.

Wie immer sind ergänzende oder korrigierende Anmerkungen und Quellenhinweise willkommen – bitte nutzen Sie dafür die Kommentarfunktion, damit alle etwas davon haben.

Ansonsten dürfen Sie meinem nächsten Blog-Eintrag entgegenschauen, auf dem es wiederum viel Stil der 1920er Jahre zu sehen gibt. Diesmal wird jedoch eine (fast) reine Herrenveranstaltung dokumentiert.

Der „Eyecatcher“ muss unter solchen Bedingungen notgedrungen der Wagen selbst sein…

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