Minimal mobil – wieder aktuell? Wanderer W8 5/15 PS

Heute nahm ich dieses belustigt zur Kenntnis: Die EU – eine für fest angebrachte Flaschenverschlüsse und andere Fortschritte bekannte Organisation fragwürdiger Legitimation – diskutiert derzeit den Bau billiger Elektrokleinwagen für jedermann.

Dies könne man durch Herabsetzung geltender EU-Fahrzeugstandards unterstützen, wird verlautbart. Mancher mag dabei an die unvergessenen automobilen Segnungen zentraler Planwirtschaft denken – ich fühlte mich an diesen Appell von Wanderer vor gut 100 Jahren erinnert:

Wanderer W8 5/15 PS; Reklame von 1921/22; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Immer bemerkenswert, wenn einem von oben herab mit Ausrufezeichen nahegebracht werden soll, was die Verhältnisse gebieten – als ob der Käufer nicht selbst wüsste, was in seiner persönlichen Situation am angebrachtesten ist.

Aber der Deutsche ist die autoritäre Ansprache seit altersher gewohnt und mir scheint mitunter, dass viele sich damit wohl fühlen – bleiben einem doch so die Anstrengungen des Selberdenkens und die Risiken des eigenen Urteils erspart.

Immerhin wird der Adressat hier noch nicht geduzt, was ebenso positiv zu vermerken ist wie die grafisch gelungene Darstellung des angepriesen Wanderer W8 5/15 PS.

Schön auch, dass man diese erzieherisch daherkommende Werbung sich so genau datieren lässt – sie muss von 1921 oder 1922 stammen. Zwar gab es den Typ 5/15 PS (W3) bekanntlich schon vor dem 1. Weltkrieg und er wurde auch nach Kriegsende weitergebaut.

Doch entwickelte Wanderer einen Nachfolger mit anfänglich identischem Erscheinungsbild, aber modernerem Motor gleicher Leistung – der intern als Typ W8 firmierte.

Dieser wurde ab 1921 beworben und wir dürfen davon ausgehen, dass mit den in der Reklame erwähnten Zeitverhältnissen auf die damals immer schneller galoppierende Inflation angespielt wurde, die sich aus der Entwertung der deutschen Mark durch die hemmungslose Staatsverschuldung ergab.

Da sich das etwas stärkere und erwachsenere Modell W6 6/18 PS kaum verkaufte, blieb der kompakte Wanderer 5/15 PS die Stütze der sächsischen Marke. Wie minimalistisch die damit angebotene Mobilität war, ist an einem Detail wie der Beleuchtung zu erkennen.

Wie auf der oben gezeigten Reklame blieben beim Wanderer W 5/15 PS traditionelle Karbidgas-Scheinwerfer bis 1922 Standard. Bei vollwertigen Automobilen war dagegen elektrische Beleuchtung ab dem Ende des 1. Weltkriegs der Normalfall. Erst ab 1923 wurde dies auch beim Wanderer W8 5/15 PS serienmäßig angeboten.

Gleichzeitig wichen die bis dato flach ausgeführten dünnen Vorderkotflügel stabileren und schön gerundeten – beide Details sehen wir auf dieser Aufnahme:

Wanderer W8 5/15 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So reizvoll der Wagen hier daherkommt, sieht man ihm dennoch die Kompromisse beim Platzangebot an. Maximal drei Personen konnten im Wanderer W8 5/15 PS fahren.

Erst im vierten Produktionsjahr hatte man ein Einsehen – im Herbst 1924 wurde endlich einer viersitzige Ausführung angeboten. Im Ausland hatten die Importeure bereits zuvor von sich aus für entsprechend marktgerechte großzügigere Aufbauten gesorgt.

Man sieht an diesem Beispiel: Von oben verordneter Minimalismus geht an der Lebenswirklichkeit vorbei – die Leute wissen im Normalfall besser, was gut für sie ist und was sie sich leisten können. Weder Unternehmen noch Behörden sollten sich einen Erziehungsauftrag anmaßen, welche Form der Mobilität genau für den Einzelnen optimal ist.

Wir könnten kein einziges der phänomenalen technischen Hilfsmittel in unserem Leben genießen, wenn nicht der Markt, sondern sich oberlehrerhaft gerierende Firmenlenker oder gar wirtschaftsferne Bürokraten deren Richtung vorgegeben hätten.

Selbst ein genialer Erfinder wie Henry Ford erlag der Fehleinschätzung, dass doch das Endziel der automobilen Entwicklung erreicht sei, nachdem sich jeder Arbeiter in den Staaten ein „Model T“ leisten konnte – ein Minimalmobil par excellence.

Der Markt als Ausdruck individueller Präferenzen und der Wettbewerb als bestmöglicher Mechanismus, diesen gerecht zu werden, führten in der Folge dagegen zu den ständigen Fortschritten, an deren Vorteile wir uns stillschweigend gewöhnt haben, während etwaige Nachteile von interessierter Seite einseitig aufgeblasen werden.

Wem minimale Mobilität genügt, der kann sie ja jederzeit ungestört praktizieren – wobei Abstriche bei Unfallsicherheit, Platzangebot und Komfort unvermeidlich sind. Aber das soll doch bitteschön jedem selbst überlassen bleiben wie beispielsweise die Wahl zwischen Festznetztelefon, 0815-Mobiltelefon und Smartphone.

Ans Ziel kommt man bei Bedarf mit ganz unterschiedlichen Varianten – mit einem späten Luxuswagen von Wanderer wie dem 6-Zylindertyp W40 ebenso wie mit einem namenlosen Kleinwagen – es ist Platz für beide in der Welt und beide haben ihre Stärken…

Wanderer W40 (oder 50) und (evtl.) DKW; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

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Hängematte mit vier Rädern! Ein 1934er Dodge Sedan

Was macht man, wenn man den Feiertag für allerlei Aktivitäten rund ums Haus, im Garten und in der Werkstatt genutzt hat, rechtschaffen müde ist und einem für den abendlichen Blog-Eintrag kein wirklich raffinierter Titel einfällt?

Man hält sich nicht lange auf und entscheidet sich für die erstbeste Idee, welche einem die grauen Zellen liefern – sie haben weit mehr parat als das, was wir uns selbst auf den Schirm des Bewusstseins rufen können.

Das ist übrigens die beste Technik, um die mir nur theoretisch bekannte Schreibhemmung zu überwinden – einfach loslegen mit dem, was einem spontan in den Sinn kommt – die Struktur ergibt sich dann aus der Sache – vorausgesetzt freilich, man kennt seine Materie.

Soviel zur Genese des heutigen Titels „Hängematte mit 4 Rädern“ – wie immer eine akkurate Zustandsbeschreibung des noch zu Zeigenden und hinreichend verwirrend, um das Publikum bei Laune zu halten.

Ich muss allerdings warnen – denn das angekündigte Automobil in Form einer Dodge-Limousine des Modelljahrs 1934 liefert nur ein Stück Hintergrund. Apropos: Ein Grund, etwas Hintergrund zu dem Auto zu liefern, bevor es gleich wieder in Vergessenheit gerät.

Der 1934er Dodge war ein typisches Mittelklassegewächs aus dem Chrysler-Konzern – jedenfalls aus Sicht von Käufern in den Vereinigten Staaten. Im damaligen Deutschland war dieses Großseriengefährt hingegen der reine Luxus.

Über 80 PS Leistung aus 3,6 Liter Hubraum, Sechszylinder-Laufkultur, Hydraulikbremsen und unabhängige Vorderradaufhängung – diese Kombination war nur in der Oberklasse zu finden und für den Durchschnittsdeutschen war ohnehin jedes Auto unerreichbar.

In den Staaten wurden 1934 über 100.000 Exemplare des Dodge an den Mann gebracht, teils auch mit verlängertem Radstand. Speziell diese Version dürfte vom Passagierkomfort einer Hängematte mit vier Rädern nahegekommen sein.

Dennoch ist es das nicht, was mich zu dem Bild mit der Hängematte inspirierte. Die Sache verhält sich viel einfacher:

Dodge Sedan von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Gefällt Ihnen, was Sie sehen? Man müsste schon ein arger Ignorant sein, um diese Aufnahme nicht erfreulich zu finden.

Dieses Foto musste ich haben, obwohl beim Kauf noch nicht klar war, was das für ein Wagen im Hintergrund ist. Das Automobil muss im Leben nicht die Hauptsache sein, es kann auch eine reizvolle Nebensache sein, die uns das Dasein angenehm macht.

Der Gedanke wird von dem Foto geradezu perfekt transportiert, meine ich. Kurioserweise kann ich selbst mit einer Hängematte rein gar nichts anfangen. Ich stelle mir den Aufenthalt darin nicht sonderlich angenehm vor.

Es ist aber nicht bloß so, dass ich eigentlich immer etwas zu tun habe, worin ich Entspannung finde. Es ist vielmehr so, dass ich mir eine andere Art der horizontalen Ruheposition angewöhnt habe, in der meine Katze Ellie auf meinem Rücken herumtretelt, bis sie genug hat und es sich neben mir bequem macht.

Davon eine Viertelstunde täglich, dafür lasse ich jede Hängematte achtlos hängen. Was auch immer ihre Version der Hängematte ist – machen Sie Gebrauch davon und geben sich Ihren spontanen Gedanken hin – das sind meist die besten und fundiertesten…

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Vor 100 Jahren ein Traum von Motorraum: Praga „Piccolo“

Heute bringen wir ein Mädel unter die Haube und schauen bei der Gelegenheit, was sich eigentlich darunter befindet. Danach steht mir heute der Sinn.

Dieses merkwürdige Vorhaben mag damit zu tun haben, dass ich noch Öl unter den Fingernägeln habe, während ich diese Zeilen in die Tastatur tippe. Automobile Baustellen habe ich zur Genüge, doch aus demnächst gegebenem Anlass habe ich mich heute in die Niederungen der historischen Fahrradschrauberei begeben.

Auch dort gibt es bisweilen mehr als nur den üblichen Schmierdienst zu machen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein 75 Jahre altes Tourenrad der Triumph-Werke Nürnberg – weitgehend original erhalten, aber schwer gebraucht.

Das Gerät weist noch die schöne rot-weiße Linierung auf Rahmen, Schutzblechen und Felgen auf, die im Prospekt von 1949 erwähnt wird. Während sich der Lack gut aufarbeiten ließ – am Ende mit einer satten Schicht Carnauba-Wachs konserviert – gab es bei den Lagern zeitraubende Überraschungen.

Ein Kugellagerkäfig des Lenkkopflagers war gebrochen, einige Kugel fehlten. Die Achse des Vorderrads war verbogen – keine Ahnung, wie das geht. In beiden Fällen hatte ich brauchbaren Ersatz zur Hand. Auch das Tretlager war ausgelutscht, aber hier fanden sich ebenfalls passende Tauschteile – meist hat man es ja mit Normteilen zu tun.

Zeitraubend ist die Einstellung der Lager, zumal man oft nach einer längeren Probefahrt noch einmal nachjustieren muss. Das steht morgen auf dem Programm.

Für heute soll es das gewesen sein, was die Zweirad-Oldies angeht (mehr demnächst). Wir wenden uns jedenfalls vom Geruch von Lagerfett und Schmieröl inspiriert wieder den vierrädrigen Vehikeln zu und werfen bei der Gelegenheit einen Blick unter die Haube:

Praga „Piccolo“-Motorraum ca. 1926; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ganz schön viel Platz hier, das ist das Erste, was auffällt.

Zum einen bauten solche herkömmlichen Vierzylindermotoren mit seitlich stehenden Ventilen nicht so hoch wie die kopfgesteuerten Varianten – die Amis sprechen in solchen Fällen bezeichnenderweise von „Flathead“.

Zum anderen bestimmte einst die Kühlerfläche maßgeblich die Höhe der Motorhaube – man sieht hier sehr schön, wie der Kühlwasserschlauch mit dem von Motor erhitzten Kühlwasser steil nach oben steigt, um dann im Kühler nach unten zu sinken, wobei der Fahrtwind für die erwünschte Temperaturreduzierung sorgt.

Ansonsten gibt es nicht viel zu sehen, und das obwohl sich gleich drei Herren an dem Wagen zu schaffen machen. Doch halt, hier haben wir ja auch das erwähnte Mädel, das hier unter die Haube gebracht wurde – wobei diese zwecks besserer Zugänglichkeit des Aggregats entfernt wurde.

Das Bild passt somit nicht wirklich, aber mir ist leider nichts Besseres eingefallen, Sie müssen verzeihen.

Immerhin kann ich versichern, dass ich mit der Ansprache des Wagens als tschechischer Praga richtig liege – die sehr markante Kühlerfigur verrät es, welche sich auch an anderen Wagen der Marke in meiner Praga-Galerie wiederfindet.

Zuletzt hatte ich dieses Exemplar des kleinen Praga-Modells vorgestellt und wahrscheinlich haben wir es wieder mit dem um 1926 gängigen Typ „Piccolo“ zu tun:

Praga „Piccolo“ ca. 1926; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Viel kann und will ich Ihnen nicht zu diesem Wagen erzählen – man findet im Netz das Nötigste dazu. Im vorliegenden Fall ist es ohnehin die Fotosituation als solche, die einen förmlich mit unter die Haube zieht…

Leider kann man Autos nicht heiraten – oder vielleicht doch? Neuerdings ist ja einiges möglich in dieser Hinsicht. Wem es gefällt, soll es machen – ich bleibe meinen Lieblingen (und das sind einige) auch ohne Trauschein treu!

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Fotorätsel des Monats: Ein „Joswin“ mit Flugmotor?

Kultur beginnt jenseits aller Notwendigkeit – das ist eine meiner Überzeugungen, mit denen ich Sie hier immer wieder entgegen alle Notwendigkeit behellige. Aber da Sie ja freiwillig mitlesen, und das ziemlich regelmäßig, bestätigen Sie das eingangs Gesagte.

Gewiss: Nichts ist überflüssiger als ein Blog über Vorkriegsautos, noch dazu von jemandem, der kein Markenspezialist ist oder der Gilde der Automobilhistoriker angehört, die mit wissenschaftlichem Anspruch an die Sache gehen – sofern sie mal etwas publizieren.

Aber hier finden Sie etwas, was sonst nirgends gibt: eine mal zwanglose, mal leidenschaftliche, mal detaillierte, mal rein oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Kulturphänomen Automobil in der Welt unserer Vorfahren vor dem 2. Weltkrieg.

Das Ganze subjektiv, angreifbar, mehr oder weniger gelungen – aber immer spannend, weil spontan aus der Quelle einschlägiger Dokumente schöpfend, die sonst spurlos verschwänden. Niemand würde dadurch beeinträchtigt, aber wieviel Sehenswertes ginge doch verloren, was uns jenseits des schnöden Alltags zu fesseln vermag

Wie gesagt – zum kultivierten Dasein gehören lauter unnötige Dinge: Kunst und Kitsch, Humor und Horror, Spiritualität und Spott, Faulenzen und Fußballspiel – und nicht zuletzt: übermotorisierte und völlig unpraktische Autos!

Bevor wir uns der Betrachtung des heutigen Beweisstücks hingeben, noch ein Wort zum letzten Fotorätsel: Wieder konnten wir gemeinsam die wahrscheinliche Lösung finden – es handelte sich um einen Hanomag „Rekord“ Geländesportwagen mit Ambi-Budd-Karosserie.

Das Beispiel zeigt einmal mehr, was in der Richtung möglich ist, wenn man die Kräfte „zusammenspannt“, wie die Schweizer in ihrer bilderstarken Variante des Deutschen sagen. Ich beobachte Ähnliches in meiner internationalen Facebook-Gruppe zu dem Thema.

In Deutschland – der Heimat von „German Angst“, auch was die intelligente Nutzung von Online-Medien angeht – sieht es dagegen eher duster aus. Ein Forum für alle Koryphäen könnte unzählige Problemfälle lösen und jede Menge Lücken füllen.

Material und Wissen sind grundsätzlich vorhanden – notwendig ist nur der Willen, beides zentral und ohne Zugangshindernisse mit dem Publikum zu teilen. Das weiß ich nach 10 Jahren einschlägiger Bloggerei genau und das heutige Foto ist ein ideales Beispiel dafür:

„Joswin“ (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Diese großartige Aufnahme eines grandios überdimensionierten deutschen Automobils der frühen 1920er Jahre sandte mir kürzlich Matthias Schmidt aus Dresden zu.

Er gehört seit Jahr und Tag zu denjenigen, die mich großzügig mit Fotos aus ihren Sammlungen versorgen – Aufnahmen, die oft die Bilder aus meinem eigenen Fundus in den Schatten stellen.

Völlig unkompliziert gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ihm und einigen anderen regelmäßigen „Gästen“ in meinem Blog. Nie habe ich erlebt, dass einer davon mit der Aufbereitung der Bilder nicht einverstanden war – auch wenn diese höchst subjektiv ist und auch ganz anders ausfallen könnte.

Hauptsache, die Fotos gammeln nicht in irgendwelchen Privatsammlungen, bis sie von unverständigen Angehörigen entsorgt werden – das ist die Devise. Auf diese Weise haben auch sehr zahlreiche solcher Fotos in die Neuauflage des „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-1945, Motorbuch-Verlag, 2019) geschafft und diese auf ein neues Niveau gehoben.

Ja, die Neuauflage enthält noch viele Fehler der älteren Auflage und sie enthält neue in Form falscher Bildbeschriftungen. Ich muss das wissen, weil auch meine Beiträge in Fotoform in erheblicher Zahl davon betroffen sind.

Aber: Ich jammere nicht herum, weil ich nicht wie einige Spezialisten es schlicht versäumt habe, meinen Beitrag zur Verbesserung und Erweiterung zu leisten.

Wie Stoewer-Experte Manfrid Bauer beispielsweise habe ich mein Bestes getan, die Neuauflage drastisch zu verbessern. Wer es verpasst hat, ebendies zu tun, darf die Schuld bei sich selbst suchen.

So findet sich in der Neuauflage des „Oswald“ auf S. 252 ein Foto, das Matthias Schmidt darauf brachte, dass das heutige Fotorätsel aus seinem Fundus einen „Joswin“ zeigen könnte.

Den Freunden von extrem motorisierten deutschen Wagen der frühen 1920er Jahre läuft bei der Nennung dieser Marke das Wasser im Munde zusammen.

Denn Joswin war die Marke eines Berliner Enthusiasten namens Josef Winsch, der ab 1921 nichts Besseres zu tun fand, als in Manufaktur spektakuläre Automobile mit großvolumigen Daimler-Sechszylindermotoren zu bauen.

Diese Aggregate leisteten 75 bzw. 95 PS und werden im „Oswald“ als übriggebliebene Daimer-Flugmotoren bezeichnet. So ganz glaube ich die Story nicht, denn die von Daimler für die deutsche Luftwaffe gebauten 6-Zylindermotoren waren wesentlich stärker.

Doch deshalb bringe ich den mutmaßlichen „Joswin“ ja auch als Rätselfoto.

Zwar hat Matthias Schmidt sehr wahrscheinlich mit seiner Markenzuschreibung ins Schwarze getroffen. Die Kombination aus gerundetem Spitzkühler, außenliegenden Auspuffrohren und markant gezeichnetem Vorderkotflügel mit angedeuteter seitlicher Schürze – das allles passt perfekt zum Joswin in der Neuauflage des Oswald.

Doch woher stammten die Motoren wirklich? Kann es sein, dass Joswin diese direkt von Daimler bezog, wo man ja zeitgleich ebenfalls ein 28/95 PS-Modell mit über 7 Liter großem Sechszylinder im Programm hatte?

Jetzt sind Sie an der Reihe, liebe Leser. Mehr kann ich nämlich zu dem Wagen auf dem heutigen Rätselfoto nicht beisteuern – nur dass er mir in seiner hinreißenden Maßlosigkeit sehr gut gefällt…

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Nur wenig Kubik, doch richtig schick: Amilcar Type CC/CS

Vor 100 Jahren – anno 1925 – lief die Produktion des ersten Amilcar aus. Die Rede ist vom Type CC mit dem der französische Hersteller ab 1922 auf dem Markt für Cyclecars – ultraleichte Sportwagen bis 1,1 Liter Hubraum – Furore machte.

Ganze 900 Kubikzentimeter Hubraum besaß der Vierzylindermotor und brachte es doch auf beinahe 20 PS Höchstleistung. In Verbindung mit weniger als 350 Kg Gewicht und sportlichem Fahrwerk (beide Achsen mit Cantilever-Federung) ließ sich damit auf der damals noch leeren Landstraße herrlich räubern.

Der Amilcar CC bekam im Zuge der Nachfrage nach solchen Spaßmobilen rasch Geschwister. Noch 1922 erschien der konzeptionell ähnliche, aber etwas größere und mit 22 PS aus 1000 Kubik merklich stärkere Typ C4.

Dessen Motor wurde zeitgleich auch auf einem weitgehend dem ursprünglichen CC-Type entsprechenden Chassis angeboten – diese Ausführung nannte sich Type CS.

Käufer hatten also bereits 1922 die Qual der Wahl zwischen gleich drei Modellen, die wiederum mit einer ganzen Reihe attraktiver Werksaufbauten verfügbar waren – außerdem natürlich mit individuellen Karosserien unabhängiger Lieferanten.

Das erschwert in etlichen Fällen die genaue Ansprache des Typs auf historischen Fotos wie diesem, das ich erst jüngst für den (bei mir) üblichen Fünfer erwerben konnte:

Amilcar Roadster, Type CC oder CS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Während die Kühlerform typisch für die Amilcars bis 1925 ist, deutet der kurze Radstand meines Erachtens auf eines der kleinen Modelle hin – also die Typen CC bzw. CS.

Infolgedessen sitzt der gut gebräunte Herr am Steuer direkt vor der Hinterachse – ideal für die Rückmeldung von der Fahrbahn ans Hinterteil.

Gute Figur macht der Mann hier, nicht wahr? Erstaunlich, dass man sich einst ganz ohne Inanspruchnahme besoldeter Kosmetik-Fachkräfte fotofein machen konnte.

Ein Mann, der sich morgens nicht aus eigenen Kräften mittels Gesichtswäsche und Rasur, etwas Hautcreme und dezentem Duft öffentlichkeitstauglich machen kann, dem sollte man auch sonst wenig zutrauen – so die Auffassung von Traditionalisten wie mir.

Hier scheint man die Sache noch beherrscht zu haben, auch kleidungstechnisch begegnet uns der Amilcar-Fahrer souverän und richtig schick. Vielleicht nicht das Schlechteste, was man aus dem Studium der Altvorderen lernen kann.

Doch das Stichwort „gute Figur“ bezieht sich in diesem Fall auch auf die etwas verschwommene Erscheinung auf dem Kühlwasserdeckel. Mit der wohl erst nach 1925 gängigen Kühlerfigur von Amilcar – einem geflügelten Pferd – hat das Ganze nichts gemein.

Das muss nichts bedeuten, denn in der Vorkriegszeit wurden bekanntlich auch gerne individuelle Kühlerfiguren verbaut. Doch eines kommt mir merkwürdig vor.

Das auf dem eingangs gezeigten Foto zu sehende Exemplar ähnelt aufffallend der Figur, die auf dem Kühler eines anderen Amilcar montiert war. Und auf dieses Fahrzeug – ebenfalls ein Typ CC oder CS – trifft die heutige Überschrift „Nur wenig Kubik, und doch richtig schick“ in besonderer Weise zu:

Amilcar Roadster, Type CC oder CS; Originalfoto: Sammlung Thomas von der Bey (via Helmut Kasimirowicz)

Dieses schöne Dokument verdanke ich in digitaler Form einmal mehr Oldtimer-Urgestein Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf). Das Original stammt nach seiner Angabe aus der Sammlung von Thomas von der Bey – Urenkel des Motorradkonstrukteurs August Wurring (1901-1990).

Interessant ist hier – neben der gekonnten Inszenierung des Amilcar – das Kennzeichen. Die Kombination „IY“ für den Regierungsbezirk Düsseldorf wurde nämlich erst ab 1928 vergeben.

Demnach war dieser Amilcar aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre damals immer noch ein geschätztes Sportgerät – vielleicht hatte man ihm aber auch zwischenzeitlich eine Leistungsspritze verpasst – wer weiß.

Jedenfalls ist mir die Ähnlichkeit der Kühlerfiguren aufgefallen, ohne dass ich selbst daraus weitere Schlüsse ziehen möchte. Ich kenne mich damit aber schlicht nicht aus.

Möglicherweise können aber Sie, liebe Leser, diesbezüglich zu unserer Erleuchtung beitragen – das fände ich auch im Fall von wenig Kubik richtig schick…

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Das Auto – Freund in jedem Alter: „Walter“ Typ P III/IV

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole – ich halte das Automobil für die umwälzendste Erfindung des 20. Jh. schlechthin, vielleicht sogar der Neuzeit seit dem Buchdruck.

Mit einem Mal stand dem Einzelnen die Welt offen wie nie zuvor – abseits festgelegter Routen und unabhängig von Fahrplänen, bald auch losgelöst vom sozialen Status. Auch die Arbeitsteilung erlangte eine zuvor undenkbare Dimension – Wohn- und Arbeitsort mussten nicht mehr zusammenfallen.

Es muss gar nicht das eigene Auto sein, das diese das Individuum entgrenzende Wirkung zeitigt. Auch die Verfügbarkeit von Taxis, Leihwagen, Mietwohnmobilen oder einfach die Familienkutsche der Eltern leistet Ähnliches, Großartiges.

Der wahre Automobilist zeigt sich indessen in dem Wunsch, jederzeit sein eigenes Gefährt zur Verfügung zu haben, das stets vollgetankt in der Garage oder vor dem Haus steht.

Es ist nicht so einfach, die Leute per Dekret zu Hause einzusperren, wenn sie bei Nacht und Nebel mit dem Auto davonfahren können. Im Zweifelsfall die Gegend verlassen zu können, zur Not auch über die grüne Grenze zu fahren, das ist für mich Basisdemokratie pur.

Zu so einem militanten „Petrolhead“, wie man im Englischen die in der Wolle gefärbten Fans des Verbrennerautos nennt, wird man oft schon in frühen Jahren.

Von mir ist ein Foto überliefert, das mich als Fahrer eines „Kettcars“ auf dem Feldweg hinter dem elterlichen Grundstück zeigt, der automobile Fluchtinstinkt war schon früh ausgeprägt. In den 50 Jahren seither bin ich nur noch überzeugter in der Hinsicht geworden.

Das Auto als Freund des Menschen in jedem Alter – das ist auch das heutige Fotothema:

Walter Typ P III oder P IV; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hübsch ist der kleine Walter, nicht wahr? Vertrauensvoll hat er sich auf die Stoßstange des großen Walter gesetzt, der ebenso zur Familie gehörte und auch als solches wahrgenommen wurde, wie uns solche alten Fotos vieltausendfach sagen.

Die tschechische Marke Walter wurde kurz vor 1900 von Josef Walter gegründet und baute ab 1908 motorisierte Dreiräder, 1913 folgten richtige Autos mit Vierzylindermotor.

Seine Blütezeit erlebte Walter in den 1920er und 1930er Jahren. Bedeutung erlangte insbesondere das Modell P, das ab etwa 1925 in mehreren aufeinanderfolgenden Serien gebaut wurde, die sich äußerlich nur geringfügig unterschieden, wie es scheint.

Der Walter P III (1926–1928) beispielsweise war ein Mittelklassewagen mit einem modernen 2-Liter-Motor (ohv). Ich vermute, dass wir auf obigem Foto so einen Walter P-Typ sehen.

Ganz ähnlich im Detail erscheint der Walter auf dem folgenden Foto, das nun auch automobilaffine Vertreter älterer Generationen zeigt:

Walter Typ P III oder P IV; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Tatsächlich war es erst der kleine Walter, dessen Konterfei mir die Gewissheit gab, dass auch auf dem zweiten Foto genauso ein Walter abgelichtet war – nur eben ohne Bub.

Auch auf dem Originalabzug ist nämlich der Markenschriftzug auf dem Kühlergrill nicht klar lesbar, was mich lange Zeit rätseln ließ.

Dummerweise sind die interessanten tschechischen Wagen der 1920er Jahre im deutschsprachigen Raum oft nur schlecht dokumentiert.

Doch zumindest hier ist der Fall eindeutig – auch das ist ein Walter des P-Typs ab etwa Mitte der 1920er Jahre. Man vergleiche insbesondere die Gestaltung der Scheinwerferstange – konkret die Verdickung zu den Kotflügeln hin:

Walter Typ P III oder P IV; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich weiß leider sonst nichts zu dieser beeindruckenden Limousine zu sagen – eventuell hat ein Leser mehr Informationen dazu.

Stilistisch jedenfalls war der Walter damals auf der Höhe der Zeit und orientierte sich wie die deutschen Konkurrenten eng an den maßgeblichen US-Vorbildern. Die spezifisch tschechische Formensprache, die ich faszinierend finde, bildete sich erst in den 1930er Jahren heraus, als auch die deutschen Fabrikate ein eigenes Profil entwickelten.

Habe ich etwas vergessen oder übersehen? Vermutlich jede Menge, aber wie gesagt: Im Fall des Walter weiß ich so gut wie nichts an gesicherter Erkenntnis beizusteuern.

Und eigentlich ging es mir heute vor allem darum zu illustrieren, dass das Automobil unser Freund in allen Lebenslagen und in jedem Alter ist. Dass es auch Probleme mit sich bringt, das ist trivial, weil das für jede menschliche Erfindung gilt…

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Vielleicht der bessere Volkswagen? Hanomag 1,3 Liter

Eines vorab: Zum deutschen Volkswagen – also dem VW „Käfer“ – habe ich ein durch und durch nostalgisches Verhältnis. Ich kenne seine Schwächen, doch lasse ich nichts auf ihn kommen.

Der Grund ist einfach, denn ich bin in einem praktisch großgeworden. Bis zu meinem 18. Lebensjahr fuhr meine Mutter ihr wackeres 1963er Exportmodell mit den schicken Doppelstoßstangen und dem großzügigen Faltschiebedach.

Hier haben ein Foto aus den späten 1970er oder frühen 80er Jahren, das in meiner Geburtsstadt Bad Nauheim vor dem neoklassizistischen Kerckhoff-Institut entstand, welches hier schon einmal die beeindruckende Stafffage abgegeben hat:

VW Käfer, Exportmodell von 1963; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der jahraus, jahrein genutzte Wagen – immer schön im Kurzstreckenverkehr – war genau 25 Jahre alt und hatte noch keine 120.000 Kilometer hinter sich, als er wegen einer modelltypischen Reparatur (Schweißarbeit am Rahmen vor der Hinterachse) für 1000 Mark für einen Opel Kadett Diesel in Zahlung gegeben wurde – der sich als ein in wirklich jeder Hinsicht miserables Auto entpuppte: lahm, laut, hässlich, rostanfällig.

Gerne hätte ich damals Mutters VW – den sie liebevoll „Muli“ nannte – übernommen, doch das stand gar nicht erst zur Debatte.

So kam es wie es kommen musste: Mein erstes eigenes Auto wurde ebenfalls ein VW Käfer, wieder ein 1200er mit 34 PS, aber Baujahr 1985 und nicht mausgrau, sondern knallrot.

Knapp 10 Jahre begleitete mich der Wagen durch den Alltag, bei jedem Wetter. Eine satte Ladung Unterbodenwachs pro Jahr verhalf meinem „Mexikaner“ dennoch zu einer rostfreien Karriere. Der erste Motor gab erst bei Kilometerstand 210.000 auf, akribische Ölwechsel alle 5000 Kilometer und häufige Vollgasfahrt auf der Autobahn waren das Lebenselixier.

Hier sehen wir „Hermine“, kurz bevor ich sie mit dem Motorschaden für 1.000 EUR verkaufte, vom Balkon meiner damaligen Wohnung in der Bad Nauheimer Luisenstraße aus:

VW Käfer, Mexikomodell von 1985; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn ich am 1200er Käfer nie etwas vermisst habe, außer zuletzt vielleicht 10 km/h mehr Endgeschwindigkeit als Tempo 120, war mir stets klar, dass es schon zur Zeit seiner großen Erfolge bessere Autos in seiner Klasse gab – aber kein so Charmantes.

Tatsächlich war das Überleben des Volkswagens nach dem 2. Weltkrieg eher dem Zufall geschuldet – ohne die Initiative eines Offiziers der britischen Rheinarmee wäre auf die bis Kriegsende rein militärische Produktion in Wolfsburg keine zivile Auferstehung gefolgt.

Da ist der Gedanke reizvoll, ob nicht vielleicht ein anderer deutscher Wagen, der auf den ersten Blick ähnlich aussah, aber konzeptionell ganz anders ausfiel, anstelle des Käfers der deutsche Volkswagen hätte werden können.

Die Rede ist vom 1938 vorgestellten Hanomag 1,3 Liter, den ich hier anhand bisher noch nicht publizierter Dokumente vorstelle:

Hanomag 1,3 Liter; Originalreklame via Paul Hickney (USA)

Im Vergleich zum „Volkswagen“ fiel der Hanomag größer aus und war damit schon eher familientauglich. Auch bot er von Anfang eine auskömmliche Leistung an, wenngleich der Hubraum von 1,3 Litern damals auch bereits standfeste 40 PS statt nur etwas mehr 30 ermöglicht hätte.

Unter der optisch ähnlichen Karosserie verbarg sich ein gegenüber dem Volkswagen konventioneller Antrieb – vorne liegender Reihenverzylinder mit Wasserkühlung.

Dementsprechend brauchte der Hanomag natürlich auch einen Kühlergrill, äußerlich das Hauptunterscheidungsmerkmal gegenüber dem Volkswagen:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Ein weiteres markantes Merkmal des Hanomag 1,3 Liter war die mittig unterteilte Frontscheibe und die sich über das Dach nach hinten ziehende „Rückenfinne“.

Die Gestaltung der Seitenpartie dagegen ähnelt sehr derjenigen des Volkswagens, wobei die Heckpartie nicht dessen Eleganz erreicht.

Dafür bekommt man hier einen Eindruck von den Größenverhältnissen des Hanomag, die ihn vielleicht zum besseren Volkswagen gemacht hätten:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für den Alltagsnutzen eher nachrangig war, dass die Türen des Hanomag in traditioneller Manier noch hinten angeschlagen waren, sich also nach vorne öffneten.

Das lässt sich auf diesem Foto gut nachvollziehen, das während des 2. Weltkriegs entstand, wie an den ab Sommer 1939 vorgeschriebenen Tarnscheinwerfern zu erkennen ist:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kriegsbedingt währte die Karriere des Hanomag 1,3 Liter nur kurz. Die Produktion endete 1941 und wurde danach nicht mehr aufgenommen.

Doch etliche überlebende Exemplare liefen unverdrossen noch einige Jahre weiter im Nachkriegsdeutschland mit seiner bis in die 1950er Jahre anhaltenden Knappheit an Personenwagen.

Die nächste Aufnahme ist ein typischer Beleg dafür. Sie zeigt einen mit Blinkern nachgerüsteten Hanomag 1,3 Liter, der im frühen Nachkriegs-Berlin zugelassen war und hier eine Kühlermanschette trägt, die in der kalten Jahreszeit für schnelleres Erreichen der Betriebstemperatur des Motors sorgte:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das hätte er also werden können – der vielleicht bessere Volkswagen. Doch es sollte anders kommen – so wie auch Mutters VW nicht meiner werden sollte.

So nehmen wir für heute Abschied vom Hanomag 1,3 Liter, so wie ich einst Abschied nahm von Mutters „Muli“, den sie an einem fahlen Herbsttag abseits der Landstraße südlich von Friedberg/Hessen ablichtete – ich war dabei und weiß es noch genau…

VW Käfer, Exportmodell von 1963; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Unisex – 6-Zylinder für alle? Brennabor Juwel 10/45 PS

Was halten Sie eigentlich von Unisex-Angeboten im Kleidungssektor? Nun, wie fast immer möchte man meinen: Es kommt darauf an.

Ein universeller sackartiger Sichtschutz, der keine Rückschlüsse auf das Geschlecht anhand des Körperbaus zulässt, wäre für den Ästheten ein ähnlicher Affront wie die kragen- und taschenlosen Einheitskittel im Mao-Look, welche einem als politisches Statement bisweilen noch heute begegnen.

Weit besser gefällt mir, wenn sich sportliche Damen in knappe Mechaniker-Overalls zwängen oder sich Herrenanzüge auf den Leib schneidern lassen und dazu Krawatte tragen. Warum ich das unbedingt befürworte, kann vielleicht ein Psychologe erklären.

Wenig Verständnis indessen bringe ich dafür auf, wenn Männer meinen, Geschlecht sei ohnehin beliebig und selbstverständlich könnten auch sie als Frauen auftreten, indem sie einfach einen Fummel überziehen, den sie für typisch weiblich halten und versuchen, sich den Bartschatten zu übertünchen. Das Ergebnis wirkt stets albern bis peinlich.

Wenn Sie sich jetzt fragen, wie ich ausgerechnet auf diese Thematik komme, darf ich zu meiner Entschuldigung vorbringen, dass mich ein Autofoto der Vorkriegszeit darauf gebracht hat – noch dazu eines aus der Berliner „Szene“.

Das kann ja heiter werden„, mag jetzt mancher denken – „unser sonst so konservativ auftretender Blogwart scheint ja ziemlich abseitige Interessen zu pflegen“.

Seien Sie unbesorgt, es ist wirklich ganz harmlos, allenfalls ein klein wenig frivol, wenn man sich mit Unisex-Lösungen um 1930 befasst – etwa, was Badekleidung angeht. Denn darum geht es heute unter anderem:

Brennabor „Juwel“ 10/45 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie sehen, was ich meine?

Der Badeanzug steht ihm entschieden weniger als ihr – immerhin weiß er das und präsentiert seine weit besser geratene Hälfte auch entsprechend prominent.

Das muss man doch gutheißen, dass sich der Badeanzugträger hier so im Hintergrund hält, zumal sein weibliches Pendant ausgesprochen gute Miene zu der Situation macht.

Tatsächlich fällt es schwer, sich hier loszureißen und sich dem Auto zuzuwenden, welches auf den ersten Blick als bloße Stafffage zu dienen scheint. Doch das liegt nur daran, dass ich lediglich einen kleinen Ausschnitt davon zeige – es gibt gleich noch mehr in Sachen automobiler „Sechs-Appeal“ zu besichtigen.

Zuvor sei auf das Kühleremblem verwiesen, das auf den traditionsreichen deutschen Hersteller Brennabor aus Brandenburg an der Havel verweist.

Die Marke hatte seit Beginn des Jahrhunderts gute und schlechte Zeiten gesehen – Ende der 1920er Jahre war sie zwar wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast, aber kurz vor dem Ende (anno 1933) brachte sie noch ein zumindest optisch sehr gelungenes Fahrzeug auf den Markt – den Typ „Juwel“ mit 10/45 PS Sechszylinder.

Es gab auch eine rare Achtzylinderversion, doch dazu mehr bei Gelegenheit. Als Unisex-Model – also als Sechszylinder für alle – war der Brennabor „Juwel“ 10/45 PS leider nicht geeignet. Das lag nicht nur daran, dass Autos überhaupt für den Normalbürger im damaligen Deutschland völlig unerschwinglich waren.

Entscheidend war vielmehr, dass Brennabor wie alle deutschen Hersteller damals nicht annähernd in der Lage war, mit den US-Sechszylinderwagen zu konkurrieren.

Diese waren wirklich Unisex-Modelle für jedermann, wie der ebenfalls 1929 erschienene Chevrolet AC International illustriert. Er bot dieselbe Leistung in Verbindung mit einem drehfreudigeren und elastischeren Motor mit 3,2 Litern Hubraum zum weit niedrigeren Preis.

Möglich war dies trotz der hohen Kosten des Exports aus Übersee durch die einzigartige Produktionseffizienz des US-Herstellers. Selbst im Depressionsjahr 1929 entstanden 100.000 Exemplare des Chevrolet AC International – pro Monat, wohlgemerkt.

Demgegenüber war der bis 1932 gebaute Brennabor chancenlos, wenngleich man durchaus sagen kann, dass er gute Figur wie seine hier abgelichteten Besitzer machte:

Brennabor „Juwel“ 10/45 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die drei (statt zwei) Reihen horizontaler Luftschlitze in der Motorhaube waren nach meinem Eindruck (nachlesen kann man das leider nirgends) das äußere Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Vierzylindertyp „Ideal“ 7/30 PS.

Die auf anderen Fotos des Typs zu sehenden Doppelstoßstangen scheinen optional gewesen zu sein, da sie hier fehlen. Auch der Schriftzug „Juwel“ auf dem Kühler war wohl ein Extra. Sollte ich hier falsch liegen bitte ich um Korrektur von sachkundiger Seite.

Rechts am Blech unterhalb des Kühlers findet man ein stilisiertes Eichenblatt, das seinerzeit gern als Hinweis darauf angebracht wurde, dass man ein deutsches Fabrikat fuhr. Das war eine einigermaßen hilflose Erfindung der deutschen Automobilbranche, denn die Herkunft des Wagens war damals für jeden Autointeressierten unmittelbar erkennbar.

Aber herrje, gelungenes Marketing war und ist nicht gerade eine Stärke der Deutschen – sie denken zu kompliziert und vor allem zu lange, kommen sich dabei aber sehr überlegen vor.

So blieb auch der Versuch einer „Unisex“-Lösung im Fall des Brennabor Juwel 10/45 PS Lösung von wenig Erfolg gekrönt. In Sachen Sechszylinder konnnte den Amis keiner auch nur annähernd Paroli bieten.

Und das Auto für jedermann blieb – losgelöst von der Zylinderzahl – in deutschen Landen bis lange nach dem Krieg ein unerfüllter Traum. Die vielbeschworene Volksgemeinschaft hatte andere Ziele und ruinierte erst einmal sich und seine Nachbarn auf’s allergründlichste.

Immer wieder unbegreiflich, wie es dazu kommen konnte, wenn man so bezaubernde Dokumente wie dieses betrachtet…

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Fund des Monats: Ein Sizaire-Naudin Tourer um 1908

Intime Kenner der in die hunderte gehenden frühen Automarken aus Frankreich dürften sich fragen: Was bitteschön soll an einem Sizaire-Naudin so ungewöhnlich sein, dass er hier als Fund des Monats in den Adelsstand erhoben wird?

Verglichen mit den unzähligen wirklich raren französischen Fabrikaten der Zeit vor dem 1. Weltkrieg war dieser Hersteller ja geradezu etabliert und baute von 1905 bis 1921 Fahrzeuge, die sich unter anderem im Sport einen Namen machten.

Ein recht spätes Exemplar von 1913/14 habe ich schon einmal vorgestellt (hier), ohne dass ich allzuviel Aufsehens darum gemacht hätte:

Sizaire-Naudin Tourer um 1908; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Doch dieser sportliche Wagen aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg hat außer dem Namen praktisch nichts gemein mit dem Gerät, um das es heute geht.

Dazu muss man wissen, dass Sizaire-Naudin einer der frühen Autobauer war, der zunächst mit geringen Hubräumen achtbare Resultate am Markt erzielte zu einer Zeit, in der viele Konkurrenten ihre Kunden mit großvolumigen und reisetauglichen Wagen ansprachen.

Kurioserweise gelang es dem Hersteller mit einem Einzylindermotor jahrelang erhebliche Stückzahlen zu erzielen, was wohl der gezielt sportlichen Auslegung geschuldet war, welche im Rennsport bewährte Elemente umfasste.

Eines davon war ein für damalige Verhältnisse neuartiges Fahrwerk. So war die Vorderachse an einer querliegenden Blattfeder aufgehängt und die Räder konnten dadurch unabhängiger voneinander ein- und ausfedern als bei einer konventionellen Aufhängung an zwei längsliegenden Blattfedern.

Die Räder bewegten sich dabei in einer vertikalen Schiene auf und ab, die ein zusätzliches Dämpfungselement enthielt – laut Literatur angelehnt an ein älteres Patent des ebenfalls französischen Herstellers Decauville. Vielleicht kann ein sachkundiger Leser noch besser erklären, was daran so ingeniös war.

Mich beeindrucken an dem Fund des Monats – den wir Leser Klaas Dierks verdanken – ohnehin zwei andere Dinge.

Zum einen finde ich es bemerkenswert, einem Sizaire-Naudin im deutschsprachigen Raum zu begegnen, nämlich in Böhmen. Zum anderen – das war für mich ausschlaggebend – ist dieser Wagen auf wahrlich atemberaubende Weise für die Nachwelt festgehalten worden.

Hier schnurren gut 115 Jahre Zeitabstand mühelos zusammen und man kommt sich so vor, als habe man den lässig am Wegesrand abgestellten Wagen selbst direkt vor der Linse:

Sizaire-Naudin Tourer um 1908; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Geht es Ihnen auch so, dass man förmlich in dieses Bild hineingezogen wird?

Dazu trägt die radikal unkonventionelle Perspektive bei und natürlich das nach so langer Zeit immer noch gegenwärtige Leben auf der Aufnahme.

Die Tatsache, dass die Beifahrerin während der Belichtungszeit den Kopf ein wenig drehte, empfindet man hier gerade nicht als Mangel – auch das trägt zu dem Eindruck bei, der Situation hier und jetzt unmittelbar beizuwohnen.

Stellen Sie sich jetzt vielleicht noch den Duft vorn frischem Gras im Frühling vor, der von einer Mischung aus Öl- und Benzindämpfen überlagert wird. Es soll damals Parfüme gegeben haben, die etwas in der Richtung evozierten, vielleicht wird das in Zeiten nahezu emissionsfreier Verbrennermotoren demnächst wieder attraktiv…

Wann aber war dieses „damals“, was hier auf so magische Weise festgehalten wurde?

Nun, ich habe zwar von Sizaire-Naudin so wenig Ahnung wie von den zahllosen anderen Hestellern aus dem französischsprachigen Raum, die vor dem 1. Weltkrieg florierten.

Aber ich meine, dass ich über die Jahre ein Auge dafür entwickelt haben, wie man so ein exotisches Gefährt anhand weniger Vergleichsaufnahmen datiert. Und so meine ich, dass wir es mit einem Exemplar aus der 1-Zylinderära der Marke um 1908 zu tun haben – mit einer Genauigkeit von +/- 1 Jahr.

Wie ich darauf komme, das zu referieren, wäre langweilig. Wer es besser weiß, kann im übrigen in der Kommentarfunktion seine Sicht der Dinge darlegen – ich lerne gern dazu.

Nur eine Sache noch: Bemerkenswert an diesem Exemplar ist nicht zuletzt, dass es einen Aufbau als viersitziger Tourenwagen trägt. Das habe ich so sonst nirgends nicht gefunden – dem sportlichen Ruf der Marke entsprechend wurden die 8 bis 12 PS leistenden Einzylinderwagen offenbar meist als Zweisitzer geordert.

Das war’s für heute – mag sein, dass in Sachen frühe Franzosen besonders verwöhnte Leser, die sogar einen Kühler eines Sizaire-Naudin ihr eigen nennen können – hier nur gelangweilt abwinken.

Aber: Überraschungen harren auch im Alltäglichen und genau davon habe ich einiges an Material für Sie in petto – zumindest in der Hinsicht liegt ein herrlicher Herbst vor uns…

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Eine tolle Kiste? Pontiac „Eight“ Cabriolet von 1934

Zugegeben: man muss sich schon etwas jenseits des 50. Lebensjahrs befinden, um beim Titel „Eine tolle Kiste“ an die Werbung zu denken, mit der Fiat in den 1980er Jahren Reklame für sein Kleinwagenmodell „Panda“ machte.

Das auf jedwede Stylingbemühungen verzichtende Auto machte damals eine unglaubliche Karriere – rund vier Millionen Exemplare des ultrapraktischen, gnadenlos zuverlässigen, sparsamen und preisgünstigen Minimalmobils entstanden.

Wieder einmal erwiesen sich die Turiner als Meister des erschwinglichen und komplikationslosen familientauglichen Kleinwagens – wie schon mit dem 500er oder dem 127. Kein deutscher Hersteller hat auf dem Sektor je Vergleichbares in Großserie zustandegebracht.

Nach dieser denkbar weit vom eigentlichen Objekt der Betrachtung ablenkenden Einleitung mögen Sie sich jetzt fragen: Wie bekommt man jetzt die Kurve zum Achtyzlinder-Pontiac von anno 1934 in der unpraktischen Art Deco-Ausführung als Zweisitzer-Cabriolet?

Zur Erinnerung für diejenigen, welche schon 2018 meinen Blog verfolgten – und zur Belehrung aller übrigen – hier eine von zwei Aufnahmen dieses Gefährts, das seinerzeit auch in Deutschland einige Käufer fand:

Pontiac „Eight“ Cabriolet von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Auto wirkt aus dieser Perspektive kompakter und pummeliger, als es wirklich war, und auch um diesen Eindruck zu korrigieren, müssen wir heute zu der tatsächlich „tollen Kiste“ zurückkehren.

Leider vermochte seinerzeit auch eine zweite Aufnahme desselben Wagens dem Modell nicht wirklich gerecht zu werden.

Irgendwo in Frankreich“ ist auf der Rückseite des Abzugs vermerkt – immerhin erhält man nun einen etwas besseren Eindruck von der Opulenz des Vorderwagens:

Pontiac „Eight“ Cabriolet von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit über 80 PS Leistung, vorderer Einzelradaufhängung und vollsynchronisiertem Getriebe war der 1934er Pontiac in technischer Hinsicht durchaus eine tolle Kiste – nur das sinnliche Styling will so gar nicht in diese Kategorie passen.

Doch Leser Jürgen Klein weiß Abhilfe zu schaffen und stellt uns hiermit eine Aufnahme aus seiner Sammlung zur Verfügung, welche den Pontiac in genau dieser schönsten Ausführung des 1934er Modells auf endlich angemessene Weise zeigt.

Dabei ist die tolle Kiste mitabgelichtet, in der man Campingzubehör für Wochenendausflüge oder auczh Reisegarderobe für längere Trips mit Hotelübernachtung vermuten darf:

Pontiac „Eight“ Cabriolet von 1934; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Letztlich bleibt es der Fantasie überlassen, was sich in der tollen Kiste am Heck des Pontiac befand. Sie ersetzte oder ergänzte bei Bedarf den „Kofferraum“ in Gestalt des ausklappbaren Schwiegermuttersitzes hinter dem Cabrioverdeck.

An heutigen Autos finden sich an dieser Stelle meist Fahrräder oder Elektromopeds (auch als E-Bikes bekannt) – der Bedarf nach zusätzlicher Transportkapazität hat sich nicht geändert.

Nur die Ästhetik hat keine Fortschritte gemacht, weshalb ja immerhin einige Zeitgenossen zur Erbauung diesen Blog regelmäßig ansteuern.

Auf die tolle Kiste in Form des brutal-funktionellen Panda der 1980er Jahre lasse ich indessen nichts kommen. Das Teil kann man sich zwar immer noch nicht schönsehen, aber es ist nach über 40 Jahren zumindest in ländlichen Teilen Italiens im Alltag noch so präsent wie das in den 80ern der Fiat 500 war.

Speziell der wirklich geländetauglichen 4×4-Version begegne ich in meiner zweiten Heimat Umbrien mehrmals täglich – die Leute wissen genau, was sie an der tollen Kiste haben und halten sie am Laufen, weil es in der Klasse bis heute nichts Besseres gibt.

So kehre ich am Ende vom repräsentativen Achtzylinder-Pontiac doch wieder zum klassenlosen und zeitlosen Fiat „Panda“ zurück. Merkwürdig sind die Wege, welche der Kopf einschlägt, wenn er sich nach arbeits- und erlebnisreichem Tag entspannen darf…

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Endlich direkte Fronterfahrung! Stoewer V5 von 1931

Nach meinem Eindruck sind es meist ältere Herrschaften (m/w/d) – bzw. Zeitgenossen, denen offensichtliche Untauglichkeit von vornherein das Vergnügen verbietet – welche der Jugend den Genuss direkter Fronterfahrung schmackhaft zu machen versuchen.

In etlichen Fällen scheinen mir auch in der Familie vererbte offene Rechnungen eine Rolle zu spielen, wenn davon fabuliert wird, dass man politische Probleme doch am besten weit vor den Landesgrenzen gewaltsam lösen sollte.

Für dergleichen Hirngespinste der politischen Eliten ließen nicht nur in Vietnam, sondern jüngst auch am Hindukusch neben ungezählten Einheimischen junge Soldaten westlicher Staaten ihr Leben – ohne dass einer Ziel und Zweck kannte.

Was die deutschen Kontingente in Afghanistan angeht, hört man von den Alliierten übrigens wenig Schmeichelhaftes. Die gefürchtete Kriegstüchtigkeit (lateinisch: „furor teutonicus“) hat man den Deutschen ausgetrieben – zur Abwechslung eine gute Nachricht für unsere Nachbarn, die mit Ausnahme der Schweiz ein trauriges Lied davon zu singen wissen.

Für meinen Teil genügt es, wenn man seine Grenzen robust zu schützen vermag und etwaigen Invasoren durch entschlossenen Auftritt von vorherein den Appetit verdirbt. Auch an der bröckelnden Heimatfront gibt es viel zu tun, vielleicht fängt man erst einmal dort an.

Davon unabhängig plädiere ich heute aber unbedingt dafür, hier und jetzt einschlägige Fronterfahrung zu sammeln und zwar durch direkte Konfrontation mit der neusten „Waffe“, die anno 1931 von der Stettiner Schmiede Stoewer zur allgemeinen Überraschung auf den deutschen Markt gebracht wurde.

Mancher kennt dieses Gerät aus beschönigenden Darstellungen wie etwa dieser hier, auf welcher die beim Gegner unerwartet einschlagende Type V5 ganz harmlos daherkommt:

Stoewer V5 von 1931; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Tja, wer hätte das gedacht, dass Deutschlands erstes in Serie gebautes Frontautomobil einen derartig bieder-konventionellen Eindruck machte.

Bei der Konkurrenz von DKW wirkte die Vorstellung des Stoewer V5 anno 1931 dagegen wie ein Atompilz am Horizont. Denn man war gerade selbst dabei, ein solches Gefährt herauszubringen, das den Abnehmern ebenso direkte Fronterfahrung ermöglichte.

Doch so war es tatsächlich die kleine, aber immer wieder durch ihren Innovationsgeist hervortretende Manufaktur Stoewer aus Stettin am Ostseestrand, die einen serienreifen Kleinwagen mit Frontantrieb, Einzelradaufhängung vorne und hinten sowie einen 25 PS leistenden 1,2-Liter-V4-Motor herausbrachte.

Warum das Teil dann ausgerechnet V5 und nicht V4 nach der ungewöhnlichen Zylinderanordnung getauft wurde? Das wissen vielleicht Sie, liebe Leser, ich konnte der Frage nicht nachgehen. Opfer müssen halt gebracht werden usw.

Wichtiger ist mir, als im Kalten Krieg gedienter Panzergrenadier mit Spezialausbildung in Häuserkampf und anderen wertvollen Feldern, Ihnen heute eine möglichst unverfälschte Fronterfahrung mit dem Stoewer V5 zu ermöglichen.

Dazu eignet sich ideal eine Aufnahme, auf die mich mein Sammlerkamerad und dem Kriegshandwerk fernstehender Oldtimerfreund Helmut Kasimirowicz aufmerksam machte.

So gelang es mir, dieses Prachtfoto zu ergattern, auf dem Sie dem Stoewer V5 so ungeschönt begegnen, wie man sich das bei automobiler Fronterfahrung wünscht:

Stoewer Typ V5 von 1931; Originalfoto. Sammlung Michael Schlenger

Starker Auftritt nicht wahr?

So eine aggressive Erscheinung hätte man dem kleinen Stoewer gar nicht zugetraut. Zur beeindruckenden Wirkung trägt der ungewöhnlich breite Kühlergrill bei, der beim überarbeiteten V5 von 1932 einer weniger militant erscheinenden Version wich.

Das ist ein Gerät, das keinen Hehl aus seiner technischen Konzeption als Fronttriebler macht. Kaum kaschiert unter dem groben Blech unter dem Kühler arbeitet das Differential des um 180 Grad gedrehten 4-Zylindermotors.

Keine Mühe wurde darauf verwendet, die Nuditäten des Vorderradantriebs und der querliegenden oberen Blattfeder auch nur notdürftig zu verbergen. Dieser erste fronttaugliche Stoewer war wie eine Waffe ganz zum unmittelbaren Einsatz konzipiert.

Er verkörpert zumindest von vorne die von mir geringgeschätzte Ideologie des „form follows function“ – eines frei erfundenen Gestaltungsgrundsatzes, den seine Verfechter gern zum Naturgesetz geadelt hätten, was aber an der Renitenz der Normalsterblichen scheitert, welche die organischen Formen der Natur selbst für erstrebenswerter halten.

Stoewer reagierte entsprechend, weshalb die Frontwagen der Stettiner im Laufe der Jahre immer schöner wurden (siehe meine Markengalerie).

Das war es auch schon, was ich dem Thema Fronterfahrung für heute abzugewinnen vermag. Es schlummern zwar noch viele wesentlich einschlägigere Aufnahmen in meinem Fundus, doch irgendwie habe ich derzeit keine Lust, schöne Vorkriegs-PKW im Kriegseinsatz zu zeigen.

Ich sehe jetzt zu, wie ich aus der Fronterfahrungsnummer wieder herauskomme – Jimmy Yanceys Blues-Pianostück „Getaway“ von 1939 hilft mir hoffentlich dabei…

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Mit Gewähr bei Fußboden! Ein Opel „Fulavex“ um 1912

Mit einer bewusst gewählten Titelzeile kann man jemanden gezielt desavouieren – etwa indem man behauptet, eine Person des öffentlichen Lebens sei als Steuerhinterzieher verurteilt worden, wo es nur um eine Verwarnung wegen eines geringfügigen Betrags von unter 20 EUR ging. Die Korrektur folgte später versteckt und im Kleingedruckten.

Sie wissen nicht, mit wem man das kürzlich veranstaltet hat? Schade, solche Praktiken finden Sie hier jedenfalls nicht, die Titel meiner Blog-Einträge sind ein Vorbild an Faktentreue und präziser Doppeldeutigkeit zugleich…

Im heutigen Fall böte sich zudem ein Wortspiel unter Verwendung des Begriffs der Doppelläufigkeit ein, den ich soeben erfunden habe, doch ich muss mich bremsen.

L’importante e finire“ im Hintergrund gesungen von der italienischen Chansonniere Mina erinnert mich gerade daran, dass ich meine Fantasie zügeln sollte, um nicht das Ziel aus dem Auge zu verlieren.

Genau darum geht es bei den Gegenständen, welche sich zahlreich auf dem Foto finden, das mir Leser Martin Krause in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat. Dort mag man zuerst an „Gewehr bei Fuß“ denken – und sie werden womöglich denken, soviele Tippfehler kann einer nicht machen, dass er stattdessen „Gewähr bei Fußboden“ schreibt.

Richtig gedacht, aber eins nach dem anderen. Erst einmal bestaunen wir diese Versammlung bewaffneter Herren neben einer repräsentativen Chauffeur-Limousine:

Opel Chauffeur-Limousine um 1912; Originalfoto: Sammlung Martin Krause

„Gewehr bei Fuß“ trifft zwar nur für einen der drei schnauzbärtigen Jägersleute auf der linken Seite zu, aber das genügt, um diesbezüglich einen Haken zu machen.

Komplizierter wird es, was das daran anknüpfende Wortspiel angeht. Doch erst einmal würdigen wir die drei mit doppelläufigen Schrotflinten posierenden Herren. Könnten das Brüder sein? Oder ähneln sie sich nur wegen ihrer jagdmäßigen Kleidung?

Egal, zumindest die beiden neben der offenen Tür dieser Chauffeur-Limousine Stehenden haben etwas Bestimmendes an sich. Sie dürften die Chefs in dieser Szene sein, und darüber hinaus – wir kommen später darauf zurück.

Gut gefällt mir neben dem Jagdhund, der ebenfalls ein echter Charaktertyp zu sein scheint, der Eine der Drei, der sich einen Satz Schrotpatronen griffbereit in das Jackett geschoben hat. Er dokumentiert damit seine Einsatzbereitschaft und schaut ungeduldig in die Ferne.

Ob die Herren nebst Hund gleich alle in diesen Wagen einsteigen werden, sei dahingestellt. Mir scheint das Auto trotz des aufwendigen Aufbaus etwas zu klein dafür zu sein.

Damit wäre endlich der Übergang zur Auto-Thematik geschafft, wenngleich das Thema Jagdwaffen seine eigene Faszination hat. Wer nun aufstöhnt und das Handwerk verwerflich findet, möge zunächst überlegen, wie es um den eigenen Fleischkonsum und insbesondere die zugrundeliegende Produktionsweise bestellt ist.

Ich bin da auf der sicheren Seite, denn außer jagdlich zur Strecke gebrachtem Wild kommt mir so gut wie kein Fleisch auf den Teller – aus diversen Gründen. Ich sehe die Sache aber nicht militant und würde als Gast kein herkömmliches Fleischgericht ablehnen.

Also: Die Jagd per se, wenn sie nicht dem reinen Zeitvertreib oder der Kompensation irgendwelcher Komplexe dient, findet meine Zustimmung. Sein Handwerk mit dem Gewehr verstehen sollte einer freilich, aber das gilt ja für jede ernsthafte Betätigung, nicht wahr?

Jetzt aber zu dem Automobil, das rasch als Opel aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg identifiziert ist. Die Kühlerform, die leicht schrägstehenden Luftschlitze in der Motorhaube und der rudimentäre Schriftzug „…el“ lassen kaum einen Zweifel.

Stilistisch bewegen wir uns hier um 1912, plus/minus ca. ein Jahr. Nicht ganz so präzise lässt sich das Modell ansprechen. Von den Proportionen her haben wir es weder mit einem der kleinen noch mit einem der großen Typen zu tun.

Ab 20 PS aufwärts würde ich die Motorisierung veranschlagen, genauer geht es wohl nicht. Die parallelen Modelle einer Typenfamilie unterschieden sich vor dem 1. Weltkrieg oft nur durch die Größe bzw. den Bauaufwand bei der Karosserie.

Aber hatte ich diesen speziellen Opel nicht mit dem Zusatz „Fulavex“ als etwas außer der Reihe Befindliches geadelt?

In der Tat und jetzt kommen wir endlich auch zur ominösen „Gewähr bei Fußboden“. Selbige bot nämlich der Hersteller des gleichnamigen Produkts zweifellos beim Einölen von Holzfußböden – das war ja Ehrensache.

Dafür wurde sogar auf der Frontscheibe unseres Opel Jagdwagens Werbung gemacht:

Fulavex war ein offenbar bewährtes Produkt der Chemischen Farb- & Lack-Werke GmbH im Mannheimer Stadtteil Seckenheim.

Dazu scheint das Nummernschild des Opels vorzüglich zu passen, weshalb Fotobesitzer Martin Krause wohl zurecht davon ausgeht, dass wir hier die Chefs der Fabrik selbst sehen.

Der mutmaßliche Direktionswagen der Firma machte selbstredend Reklame für eines der glänzenden Produkte. Die Möglichkeit, dass wir hier lediglich durch die Windschutzscheibe ein solches Schild am Zaun des Hauses im Hintergrund sehen, besteht, ich würde sie aber als sehr gering veranschlagen.

Für eine entsprechende Situation auf einem Fabrikgelände spricht aus meiner Sicht auch das Vorhandensein eines Schmalspurgleises unterhalb des Autos.

Alle weiteren Vermutungen oder auch kundigen Ausführungen in Sachen Gewehr oder Gewähr überlasse ich nun Ihnen, liebe Leser. Ich dagegen überlasse mich dazu passend dem Zauber von „Parole, Parole...“ vorgetragen wiederum von Meisterin Mina auf CD…

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Jungs tun alles für eine wie sie: Citroen Type B2

Wieviele Buben brauchte es einst, um ein Frollein zu erhitzen? Diese politisch wenig akkurat formulierte Frage ist keineswegs von gestern – und auch nicht bloß rhetorisch.

Schon vor 100 Jahren fand sie zeitlosen Ausdruck in zwei historischen Aufnahmen, mit denen ich Ihnen, liebe Leser, verlässliche Ablenkung von den Zumutungen (oder sollte man verharmlosend sagen: Albernheiten?) des Hier und Jetzt garantiere.

Allerdings müssen sie dafür zwei Dinge akzeptieren: Erstens spielt das Auto nur eine Nebenrolle und ich werde davon nur das Nötigste erwähnen.

Zweitens müssen Sie sich zumindest für heute damit anfreunden, dass ein Citroen B2 weiblich ist, wie überhaupt jedes Auto im Französischen. Sonst würde das himmlische Wortspiel mit „der DS“ von Citroen (La Déesse – die Göttliche) nicht funktionieren.

Also, wieviele Jungs es braucht, um eine wie SIE auch nur in Gang zu bringen und bei Laune zu halten – das erfahren wir in dieser von Experten als repräsentativ erachteten Fotostudie. Wobei sie – nicht vergessen – eine Type B2 von Citroen war:

Citroen Type B2 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Acht Jünglinge sind es an der Zahl – ein beachtliche Schar, die sich hier um das Objekt der Begierde versammelt hat.

Schwer wie einst Penelope angesichts der vielen Freier in Odysseus‘ Abwesenheit dürfte es der Dame aus Frankreich gefallen sein, sich des Körperkontakts und des kühnen Zugriffs dieser sich hier scheinbar bieder gebenden Herren zu erwehren.

Doch sie trägt es mit Fassung, denn sie weiß ja – ganz ohne Männer geht es dann ja doch nicht in der Welt.

Auch weit über 100 Jahre nach der verdienten Befreiung der Damen aus vom Patriarchat vorbestimmten Lebensverhältnissen führt die Selbstverwirklichung in einigen Bereichen zu nicht überraschenden – sagen wir – Konzentrationen von Jungs und Mädels in verschiedenen Tätigkeitsbereichen.

Wer damit ein Problem hat, dass die Buben halt immer noch lieber Autos entwerfen, bauen, warten, pflegen, tunen und mit der besten Beifahrerin durch die Gegend fahren, dem ist nicht zu helfen. Gleichberechtigung heißt nicht Gleichverteilung – das geht nur unter totalitären Verhältnissen. Die Damen sollen alles dürfen, aber nicht alles müssen.

Verstehen wir uns hier? Gut, dann sind wir nur noch einen Schritt davon entfernt, die Lady zu enthüllen, welche ihren erhitzten Zustand mehr oder weniger indirekt dem Tun der wackeren Blaumannträger auf dem ersten Foto verdankt.

Denn zuvor muss Erwähnung finden, dass der heute gezeigte Tourenwagen wahrscheinlich ein Typ B2 des erst 1919 gegründeten französischen Herstellers war. Nach dem Erstling Typ A mit 1,3 Liter-Motor brachte man schon 1921 einen auf 20 PS erstarkten Nachfolger mit 1,5 Liter-Motor heraus.

Die Positionsleuchten auf den Vorderkotflügeln gehören meines Erachtens zu den Details, an denen man den bis 1926 gebauten Citroen B2 erkennt. Mag sein, dass wir es auch mit einem frühen Exemplar des Nachfolgers B10 zu tun haben – aber so ganz genau lässt sich das bei den fließenden Übergängern in der Produktion nicht sagen (oder doch?).

Sie merken schon, ich habe es eilig. Ich will Ihnen nicht länger die Aufnahme vorenthalten, welche das eingangs gebrachte Wortspiel erst verständlich macht.

Denn für eine wie sie (diesmal nicht das Auto) taten die Jungs von der Citroen-Garage einst buchstäblich alles – vor allem, damit der Motor läuft und es auch nach dem Abstellen noch schön warm unter dem Hintern ist:

Citroen Type B2 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kennen wir schon„, mag jetzt ein langjähriger Leser kommentieren. Danke für die Treue, aber schlimm ist es nicht, dieser autobewegten Lady hier wiederzubegegnen, oder?

Sie sehen: schon deshalb sind Vorkriegsautos so faszinierend anders, denn solche heiße Kühler-Kletterei ist seit der Pontonkarosserie Geschichte.

Kein Wunder, dass die Jungs von einst darauf aus und ausgebildet waren, alles „für sie“ möglich zu machen – selbst solche Artistereien, die von manchen im angeblich toleranten 21. Jh. als „stereotyp“ gebrandmarkt würden.

Ist doch albern, oder? Warum kann man nicht einfach das harmlos Normale genießen oder zumindest gutheißen, was die Leute schon immer aus freien Stücken getan haben?

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Rast mit Hans… Ein Chevrolet Tourer von 1923/24

Die deutsche Sprache wird allgemein als schwer empfunden, auch von den Eingeborenen selbst – das kann man hierzulande sogar bis in höchste Ämter verfolgen.

Stolpersteine zuhauf liefert nicht nur die Grammatik, der man anmerkt, dass sie nicht von am Lateinischen geschulten Humanisten in eine klare Struktur gezwungen wurde. Nein, auch im Hinblick auf die Aussprache begegnet man irritierenden Eigentümlichkeiten.

Eine davon, die mir gar nicht bewusst war, habe ich heute abend entdeckt. Ob nun jemand mit Hans durch die Gegend „rast“ oder das genaue Gegenteil tut, nämlich eine „Rast mit Hans“ macht, das schreibt sich gleich, spricht sich aber unterschiedlich aus.

Wenn Sie nun vermuten, dass mir die abendliche rasante Runde mit dem „neu“ aufgebauten, 45 Jahre alten Peugeot-Rennrad nicht gut bekommen ist, um auf solche thematischen Abwege zu gelangen, liegen Sie falsch.

Das Zweirad erwies sich als in jeder Hinsicht erfreulich, die Simplex-Schaltung erlaubte präzise, fast lautlose Gangwechsel und der oft nervig-laute Freilauf moderner Rennräder fehlt völlig. Die früh-eisenzeitlichen Mafac-Mittelzugbremsen haben zwar ihre Grenzen, aber bekanntlich gewinnt man Rennen nicht mit der Bremse.

Für den Hausgebrauch genügen die Teile, einmal richtig eingestellt. Gleiches gilt für Seilzug- oder Gestängebremsen an antiken Autos, man fährt vorausschauend mit so etwas.

So kam ich weit schneller als gedacht wohlbehalten heim – das bisher genutzte, ähnlich alte britische Raleigh-Ross geht nun in Rente, kein Vergleich mit dem französischen Renner.

Nach dieser rasanten Hatz liegt es nahe, eine Rast einzulegen – auch in übertragenem Sinne. Die nach einem Tag am Bildschirm ersehnte Erholung für das Auge fand ich hier:

Chevrolet Tourer, Modelljahr 1923/24; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier heißt es rasten und nicht rasen, auch wenn letzterer großgeschrieben eine nicht unwesentliches Element in diesem Idyll spielt.

In Raserei kann man hier allenfalls aufgrund der reinen Freude ob eines vollkommen geglückten, rund 100 Jahre alten Autofotos verfallen.

Der Wagen selbst hätte dergleichen auch nach damaligen Maßstäben nicht ermöglicht. Dem Markenlogo begegnet man heute noch öfters selbst in deutschen Landen – erst heute abend blubberte ein mächtiger Chevrolet „Colorado“ vor unserem Hof vorbei.

Sein V8-Motor ist freilich denkbar weit entfernt von dem Aggregat, welches sich einst unter der Haube des abgebildeten Chevy verbarg. Das war nämlich nur ein simpler 4-Zylinder mit gut 20 PS Leistung (immerhin mit hängenden Ventilen).

Das genügte, um in der ersten Hälfte der 1920er Jahre dem am US-Markt (und damit zugleich weltweit) dominierenden Model T von Ford halbwegs Paroli bieten zu können.

Der Chevrolet wirkte moderner, war aber auch etwas teurer. Immerhin an die 300.000 Stück konnten in den Modelljahren 1923/24 jeweils abgesetzt werden, wobei das Erscheinungsbild fast unverändert blieb.

1923 wurden die Trommelscheinwerfer eingeführt, die wir an „unserem“ Exemplar sehen, ab 1925 änderte sich dann die Gestaltung des Kühlergehäuses, was die Datierung dieses Wagens so einfach macht.

Das „Steinschlagschutzgitter“ vor dem Kühler dürfte das Produkt eines lokalen Schlossers gewesen sein – so eine rustikale Ausführung ist mir bis dato nicht begegnet.

Die vertikale Beschiftung des Nummernschilds interpretiere ich als „Michigan 1926“, bin aber offen für andere Interpretationen.

Sicher ist nur, dass der Wagen (noch) deutschsprachigen Zeitgenossen gehörte, denn auf der Rückseite heißt es „Rast mit Hans.nach dreistündiger Autofahrt.“ Außerdem erfahren wir: „Wir haben hier 35 verschiedene große Seen“.

Vielleicht ermöglicht dieses skurrile Detail einem Kenner ja am Ende sogar die Einengung der Region, in der einst „Rast mit Hans“ angesagt war…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Die sind ja alle irre! Chrysler „65“ Tourer von 1929

Die Welt ist ein Irrenhaus“ – das ist eines der Bonmots meiner Mutter, die mir einige Weisheiten auf den Weg mitgegeben hat. Besonders spöttisch pflegte sie die eitle Vorstellung zu kommentieren, der Mensch sei die Krone der Schöpfung.

Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Zeitgeschehen und mit den gern besungenen großartigen Familienwerten im Privaten spielten eine Rolle bei diesem Urteil.

Indessen komme ich schwerlich zu einem entgegengesetzten Ergebnis, auch wenn sich für mich so gut wie alles glücklich gefügt hat, seitdem ich mein eigener Herr bin.

Der Irrsinn unserer Tage – speziell derjenige der letzten 10 Jahre und derjeinige einer für Skeptiker glimpflich verlaufenen jüngeren Episode – dieser von oben oktroyierte und von unten begrüßte bzw. erduldete Irrsinn hat mich kaum jenseits der Schlagzeilen betroffen.

Mir ist aber auch bewusst, dass manch einer, der nicht in so selbstbestimmten Verhältnissen lebt, in den letzten Jahren allen Anlass dazu hatte festzustellen: „Die sind ja alle irre!“

Das dazu passende Foto ist mir bei der Suche nach einem unterhaltsamen Dokument der Vorkriegszeit im Fundus in die Hände gefallen.

Ich muss zugeben, dass mir diese Herrschaften (m/w/d) aufgrund ihrer bürgerlichen, aber gleichzeitig unkonventionellen Erscheinung ausgesprochen sympathisch vorkommen:

Chrysler Typ 65, Modeljahr 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Speziell die Damen am Steuer bzw. auf dem Trittbrett künden von einer gespielten Geringschätzung der Konventionen, welche meine Zustimmung findet.

Die Herren bemühen sich unterdessen, gute Miene zum Treiben ihrer Gespielinnen zu machen. Gern wüsste man, wer hier so treffsicher auf den Auslöser gedrückt hat und dabei auch noch die belichtungstechnisch anspruchsvolle Situation souverän gemeistert hat.

Wie leider so oft wissen wir nichts über diese sympathischen Irren, über Ort und Anlass der Aufnahme. Nur, dass sie vermutlich in Deutschland entstand und einen Chysler 65 des Modelljahrs 1929 zeigt – das vertrete ich selbstbewusst.

Leider hat heutzutage kaum noch einer die Kompetenz in Deutschland, mir bei diesen in den 1920/30er Jahren sehr präsenten US-Automobilen im Zweifelsfall kontra zu geben, wie das bei einheimischen Fabrikaten der Fall ist – dabei lerne ich doch so gerne dazu.

So bleibt es wahrscheinlich bei meiner Ansprache dieses Chrysler als 1929er Modell mit 65 PS leistendem kleinen Sechszylinder – das stärkere Modell 75 und vor allem der über 100 PS starke Typ „Imperial“ besaßen anders gestaltete Kühlergehäuse.

Die sind ja alle irre„, so mag das Votum einiger Zeitgenossen angesichts der Leistungsentfaltung, Ausstattung und Preisgestaltung dieser US-Wagen gewesen sein.

Dabei waren sie es, die den Weg nach vorne wiesen, nicht die Verfechter winziger Mobile mit Minimalmotorisierung, aber „Stromlinienaufbau“ und aufwendigen Fahrwerken, die bei Maximaltempo 100 auf der leeren Autobahn irrelevant sind…

Die sind ja alle irre„, das wäre das richtige Votum angesichts des germanischen Größenwahns ohne entsprechende Kompetenz in der Vorkriegszeit gewesen.

Die verdiente Quittung für den besserwisserischen und massenmörderischen Irrsinn aus deutschen Landen kam dann vor 80 Jahren vor allem aus den Vereinigten Staaten – leider diesmal nicht in Form einer friedlichen Invasion auf vier Rädern…

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Macht den Sommertag perfekt: Horch 440/450 Cabriolet

Der Juli und August des Jahres 2025 war in deutschen Landen entgegen den üblichen Expertenvoten das Gegenteil eines heißen (für mich perfekten) Sommers.

Immer wieder Regen und öfters sprang morgens sogar die Heizung an – der Garten grün und üppig wie sonst nur im Frühjahr (hat allerdings auch etwas).

Doch mir steht von jeher der Sinn nach trockener Hitze, Sonnenstunden ohne Ende und Wärme bis tief in die Nacht. Letztere macht sich zwar auch heute wieder rar, doch alle übrigen Ingredienzen ergaben sich heute endlich wieder einmal – sogar ein prächtiger Horch der 1930er Jahre begegnete mir am Nachmittag!

Während ich meine Abendrunde mit dem Rad drehte – rund 20 Kilometer durch die Wetterau, teils auf alten Römerstraßen, dann die staufische Münzenburg streifend (die sehen Sie von der A5 von Süden kommend kurz nach dem Rasthoff Wetterau zur Rechten), den windradfreien Taunus vor mir liegend und zuletzt entlang der unregulierten Wetter heimwärts sausend – da dachte ich mir, dass ich in Sachen Horch etwas bringen könnte.

Was diesen Sommertag auch in historischer Hinsicht perfekt für mich macht, das ist diese Aufnahme, die mir Leser Matthias Schmidt (Dresden) aus seiner Sammlung in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat:

Horch 440/450 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier stimmt einfach alles – die Situation am Strand, das klare Licht, die langen Schatten, die schlanke Lady gebräunt und gut gelaunt und nicht zuletzt: ein 8-Zylinder-Horch als Cabrio!

Ich will Sie gar nicht lange vom Genuss dieses zeitlos schönen Sommertags abhalten – daher nur kurz dieses: Die bis vorne durchgehenden Haubenschlitze finden sich so am Horch 440 bzw. 450 von 1931/32, wobei sich die beiden Varianten nur in der Motorisierung unterschieden: 80 oder 90 PS standen hier zur Verfügung.

Daran würden wir auch heute nichts auszusetzen finden, noch dazu in einer Situation wie dieser. Also nehmen wir einfach alles so hin wie es ist und genießen den Moment – denn so perfekt war und ist garantiert nicht jeder Sommertag…

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Jetzt wird’s ernst! Packard Custom 8 Tourer von 1929

Der heutige Gegenstand gibt mir so gar keinen Anlass zu abseitigen Betrachtungen oder billigen Scherzen – wir haben es mit einer durch und durch ernsten Angelegenheit zu tun!

Denn im Unterschied zu vielen anderen – eher konventionellen – Fahrzeugen der Vorkriegszeit befassen wir uns heute mit der Königsklasse des US-Automobilbaus der späten 1920er Jahre.

Wer da spontan an Cadillac denkt, hat den Ernst der Sache nicht erkannt – es gab auf dem Niveau bzw. darüber noch einiges anderes – den Duesenberg etwa. Von dem ist mir aber noch kein Fotoexemplar ins Netz gegangen oder von Sammlerkollegen zugetragen worden.

So müssen wir uns für heute mit der Nobelmarke Packard „begnügen“. Aber Sie werden sehen, dieses Exemplar bewegte sich einst in den höchsten Etagen, wo man beim Fototermin nicht ausgelassen lacht oder gar grinst, sondern sich angemessen ernst gibt:

Packard Custom Eight Typ 640 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer hier auf den ersten Blick nur irgendeinen Tourenwagen amerikanischer Provenienz sieht, verkennt den Ernst der Lage.

Man könnte ja immerhin schon einmal registrieren, dass man es mit einem Packard zu tun hat – die Radnaben mit dem innenliegenden Sechseck und dem umlaufenden Schriftzug waren über viele Jahre markentypisch.

Auch die markante Profilierung des Kühlergehäuses, welche sich in der Motorhaube fortsetzt, ist ein Hinweis auf den Hersteller, der schon 1899 sein erstes Automobil baute.

Im Modelljahr 1929 beschränkte sich Packard ganz auf Achtzylinderwagen, gleichzeitig verbaute man schüssel- statt trommelförmige Scheinwerfer. Die Luftklappen in der Motorhaube waren Kennzeichen des großen Motors mit 6,3 Litern Hubraum und 100 PS.

Der Packard „Standard Eight“ mit kleinem Achtzylinder war an den Luftschlitzen in der Haube zu erkennen – hier ein in Deutschland zugelassener Tourer:

Packard Standard Eight Typ 626 Tourer; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Wer sich vielleicht erinnert, war ich soweit schon einmal (hier). Doch damals hatte ich es eilig und mochte nicht auch noch die Frage klären, ob wir es bei dem eingangs gezeigten Wagen mit der Variante „Custom“ oder der „De Luxe“-Ausführung zu tun haben.

Eine so ernste Sache darf man nicht auf sich beruhen lassen, und so will ich diesen Punkt heute klären. Jetzt wird’s also ernst!

Der Literatur zufolge (Standard Catalog of American Cars, von Kimes/Clark) unterschieden sich die beiden Varianten mit dem großen Achtzylinder im Radstand: Die „Custom“-Ausführung 640 hatte einen Radstand von rund 3,55 Meter, während die „DeLuxe“-Version 645 auf knapp 3,70 Meter kam.

Schaut man sich nun Fotos von Tourern der beiden Versionen an, findet man beim längeren DeLuxe 645 vor allem die exklusive „Sport Phaeton“-Ausführung mit auch am Heck sehr niedrig bauender Karosserie von Dietrich. Beim „Custom“ 640 dagegen gab es nur den Standard-Tourer, wie er auch beim kleinen Achtyzlindertyp 626 verfügbar war (siehe oben).

Der Standardtourer unterschied sich in der Seitenansicht vom Sport Phaeton vor allem durch die anders gestaltete seitliche Zierleiste und den am Heck höheren Aufbau – beides ist bei dem Wagen auf dem heute gezeigten Foto der Fall.

Da ich vermute, dass das eingangs gezeigte Foto einen in Deutschland zugelassenen Packard zeigt, halte ich es für am wahrscheinlichsten, dass wir es mit dem Typ 640 mit großem Achtzylinder, aber kürzerem Radstand haben, also der „Custom“-Variante, nicht mit der noch exklusiveren Variante 645 mit langem Radstand.

Sie sehen, solche Finessen können Anlass zu ersthaften Bertrachtungen geben. Der Erkenntniswert dürfte für die meisten Leser null sein, aber immerhin konnte ich heute mit etwas mehr Zeit diesem bis dato „unfinished business“ widmen.

Ob ich nun deshalb besser schlafen kann, hängt davon ab, wie aufregend meine Träume sein werden – ich erlebe nachts im Schlaf oft Bemerkenswertes, was damit zu tun haben mag, das ich mich gerne abends mit Bemerkenswertem beschäftige…

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Ist auch das Rad los, ist man nicht ratlos: Adler 5/13 PS

Es geht nichts über einen gelungenen Titel – man denke nur an den grandiosen Historienroman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco, der einst spannende Unterhaltung und anspruchsvolle Gedankenwelten meisterhaft miteinander verwob.

Atemlos folgt man dem Geschehen über hunderte von Seiten, arbeitet sich in eine fremde Epoche ein und lernt dabei mehr über das Denken und die Konflikte des europäischen Mittelalters als in jahrelangem Schulaufenthalt.

Das Geniale am Titel „Der Name der Rose“ ist, dass der Autor es am Ende dem Leser überlässt, worauf er damit anspielt.

Anspielungen gibt es auch hier wiederholt – meist auf Aktuelles, was Purismuspriestern nicht gefällt. Aber ich störe gern den Gottesdienst, wenn mir der Sinn danach steht.

Doch zumindest, was den Titel eines neuen Blogeintrags angeht, mache ich mir durchaus ernste Gedanken, wie dieser möglichst das trifft, worum es geht. Dabei darf freilich auch gekalauert werden – so wie heute.

Je abwegiger der Humor, desto besser, das Leben ist ernst genug. Dass wir Menschen uns reinen Blödsinn ausdenken und darüber lachen können, das hätte das Zeug für einen Gottesbeweis. Meines Wissens ist aber noch keiner darauf gekommen – jedenfalls nicht in der christlichen Tradition – das Lachen ist übrigens ein Thema in „Der Name der Rose„.

Der hat doch ein Rad ab!„, mag jetzt einer denken – und hat damit vollkommen recht:

Adler Typ KL 5/13 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Eine Szene wie gemalt, möchte man meinen, dabei hat hier nur einer ein verdammt gutes Gespür für Situation, Perspektive und den rechten Moment gehabt.

Heute kann jeder meisterhaft anmutende Fotos produzieren, sofern er kein Banause ist. Die Videofunktion der Kamera aktivieren, draufhalten und einen idealen Moment auswählen.

Möglich ist das, weil es keine Limitierung mehr in Form der Zahl an Negativen im Fotopapparat gibt. In der Frühzeit war das eine einzelne Glasplatte, später für lange Zeit ein Mittelformatfilm, der 12 Bilder ermöglichte. Selbst die 36 Aufnahmen der Kleinbildära stellten eine ernstzunehmende Limitierung dar, wenn man 2 Wochen Urlaub dokumentieren wollte.

Nach diesem Exkurs hat man umso mehr Respekt vor der Qualität vieler Bilder aus der Zeit vor dem Weltkrieg und die vorliegende Aufnahme ist ein perfektes Beispiel dafür.

Dass wir dieses schöne Dokument sehr genau datieren können, verdanken wir der rapiden Entwicklung des damaligen Automobilbaus. Machen wir es kurz: Das aufsteigende Windlaufblech zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe taucht im Serienautobau erst 1910 auf – nur im Sport ist es bereits ab 1907/08 zu finden.

Die trommelförmigen Gasscheinwerfer waren nach dem 1. Weltkrieg – von einfachen Cyclecars der Einsteigerklasse abgesehen – ebenso Geschichte wie die bodenlangen und hochgeschlossenen Kleider der Damen.

Insofern finden wir auf dieser Aufnahme genügend Evidenz dafür, das Foto auf 1910-14 einzugrenzen. Doch meine ich, dass es noch ein wenig genauer geht, zumindest was die Entstehung des vorderen Wagens angeht.

Zur Erinnerung: „Radlos bedeutet nicht ratlos!

1911-13 nämlich baute Adler aus Frankfurt am Main den kompakten Typ KL 5/13 PS, der den markentypischen quadratischen Kühler (mit abgerundeten Ecken und ganz leicht geschwungenem Oberteil) und genau solche filigranen Drahtspeichenrädern besaß.

Die stärkeren Modelle dieses damals bedeutenden deutschen Herstellers besaßen in der Regel Holzspeichenräder, sahen davon abgesehen genau so aus, waren nur größer.

Hier habe ich mich dem Adler KL 5/13 PS schon einmal gewidmet. Doch anstatt die Bilder von damals aufzuwärmen, kann ich heute mit einem weiteren „neuen“ aufwarten – nicht schlecht nach über 100 Jahren – wo sonst findet man so etwas frei verfügbar?

Adler Typ KL 5/13 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

1921 ist diese Aufnahme entstanden – der Adler war damals schon rund 10 Jahre alt – aber im damaligen Deutschland war das Auto im Kleinwagensegment noch konkurrenzfähig. Bekanntlich brachte Opel seinen Erfolgstyp 4/12 PS erst 1924 heraus.

Der Star ist für mich ohnehin die selbstbewusste Lady mit dem breitkrempigen Hut – und weil es so schön ist, bringen wir sie gleich noch einmal.

Man sieht hier: unsere Urgroßmütter waren offenbar nicht alle unterdrückte Hascherl, welche an den Herd gekettet waren:

Adler Typ KL 5/13 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Fehlen von Scheinwerfern erkläre ich mir hier damit, dass man aus irgendwelchen Gründen die dazu erforderliche Karbidgasanlage entfernt hatte und den alten Adler nur noch bei Tag bewegte – offenbar störte das resultierende Beleuchtungsdefizit damals keinen.

Nachdem wir der Identität des eingangs abgebildeten Wagens ziemlich nahegekommen sind – sollte jemand anderer Meinung sein, ist seine Einschätzung willkommen – müssen wir aber noch einmal an den ursprünglichen „Tatort“ zurückkehren.

Denn in einer Hinsicht lässt mich die Aufnahme nicht nur „radlos“, sondern auch „ratlos“ zurück. Wo entstand dieses Foto? Ich tippe hier auf Süddeutschland, insbesondere Bayern, aber genau kann ich es nicht sagen:

Adler Typ KL 5/13 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Wappen über dem Türbogen dieser frühen „Tankstelle“ ganz rechts mag den Schlüssel dazu liefern. Und jetzt sind Sie dran, liebe Leser.

Ich werfe mir jetzt noch etwas Musik ein, die mich ratlos zurücklässt – Mozarts Klaviersonate KV 570, eingespielt von Friedrich Gulda anno 1978.

Wie kann etwas auf dem Papier so Einfaches in der Praxis so schön und zugleich so schwer zu reproduzieren sein, dass wir immer wieder auf die alten Meister zurückkommen müssen?

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Vorkriegsspaß pur! Bilder von den „Classic Days“ 2025

Heute mute ich Ihnen im Blog eine Abweichung vom üblichen Schema zu – statt Vorkriegsfotos in Schwarzweiß gibt es heute Vorkriegsautos ganz in Farbe!

Denn am letzten Sonntag habe ich die Wiederauflage der seit 2006 abgehaltenen „Classic Days“ besucht, die an einem neuen Ort stattfand.

Wer mit den Classic Days noch die schönen Jahre auf Schloss Dyck bei Düsseldorf verbindet, wurde – was das Atmosphärische betrifft – nicht enttäuscht.

Das unweit gelegene Rittergut Birkhof mit seinem Englischen Garten und dem Charme eines alten Gutshofs mit Herrenhaus bietet wieder ein absolut würdiges Ambiente für edle und eigenwillige Karossen von den Anfängen bis in die Neuzeit:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Gut zwei Stunden dauerte die Anfahrt aus der heimischen Wetterau, das Alltagsauto wurde auf dem weitläufigen Besucherparkplatz abgestellt und nach nur wenigen Minuten konnte man in eine andere Welt eintauchen – willkommen bei den Classic Days!

Entlang der Allee mit alten Bäumen, die Teil der 2,5 Kilometer langen Rundstrecke um das Rittergut ist, hatten bereits viele Gäste die begehrten Picknickplätze okkupiert und da stand auch schon das erste Vorkriegsauto!

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Ok, das war die Nachkriegsausführung des Citroen Traction Avant, aber das ist nur an kleinen Details zu erkennen – Konstruktion und Karosserie sind lupenreine Vorkriegszeit.

Die berühmte Gangster-Limousine war vielleicht das beste und zugleich eleganteste europäische Auto seiner Klasse der 1930er Jahre – ein vielversprechender Auftakt, fand ich.

Zwischen jeder Menge Wagen aller nur denkbarer Marken ging es schnurstracks und voller Vorfreude Richtung Fahrerlager, wo gerade eine Horde früher Rennsportwagen warmlief.

Auf dem Weg dorthin entdeckte ich das wohl älteste Fahrzeug vor Ort – einen Daimler „Mercedes“ von ca. 1910, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, vielleicht war es auch 1912. Hinter dem Steinschlaggitter sieht man den Mercedes-Stern – noch ohne Lorbeerkranz, denn der kam erst nach der späteren Fusion mit Benz hinzu:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Von nun an geht es halbwegs chronologisch weiter – irgendeine Struktur braucht der Mensch, an der er sich festhalten kann – gerade wenn man von Sinneseindrücken überflutet wird.

Das gilt speziell, wenn man am Morgen von heißen Abgasen umwabert wird und die Luft vibriert, während einer seinen 1914 Premier-Rennwagen aus der Box holt und mit Bärenkräften am servofreien Lenkrad wuchtet:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier bekommt man einen ersten Eindruck davon, was die Classic Days – neben vielen Attraktionen – so einzigartig macht. Denn hier werden die alten Eisen wirklich gefahren, und man kann das hautnah miterleben, von der Box bis auf die Strecke.

Während die Motoren warmlaufen, stehen die Besitzer gerne Rede und Antwort und man kommt direkt an die Fahrzeuge heran – das kenne ich so nur vom Goodwood Revival in England, wo eine ähnliche hochverdichtete Atmosphäre herrscht:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier haben wir einen als Rennsportversion zurechtgemachten „Elgin“ von 1917 – einer erst im Vorjahr gegründeten US-Automarke.

Solche auf Serienmodellen basierende Fahrzeuge dieses kurzlebigen amerikanischen Herstellers kamen unter anderem in Indianapolis zum Einsatz.

Dieses Exemplar mit Reihensechszylinder und offenem Ventiltrieb repräsentiert das recht eindrucksvoll, wenn auch mit späteren Anbauteilen wie dem wohl britischen SU-Vergaser:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Von hier aus geht es weiter in den Innenhof des Ritterguts, wo das Herrenhaus noch sehr authentisch mit den früheren Betriebsgebäuden verbunden ist.

Man sieht hier neben der repräsentativen Fassade auch die Nutzbauten und bekommt eine schöne Vorstellung davon, wie sich so ein Gut einst für den Besucher darstellte.

Wäre der Hof kopfsteingepflastert, wäre das Idyll für mich vollkommen, aber man kann nicht alles haben. Jedenfalls ergeben bei den Classic Days auf Gut Birkhof historische Achitektur und klassische Automobile ein gelungenes Gesamtkunstwerk:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Der Innenhof ist wie einst auf Schloss Dyck für die Sportwagen der Zwischenkriegszeit reserviert – und wieder sind alle Zutaten für eine echte Zeitreise vorhanden, wenn auch noch Platz für weitere Exemplare wäre.

Doch schon diesmal warteten einige Überraschungen auf den Vorkriegsenthusiasten.

Wann bekommt man neben den üblichen britischen Verdächtigen einen französischen „Rally“ in deutschen Landen zu Gesicht? Die Classic Days und langjährige Freunde in der Vorkriegsszene (Gruß an Michael Buller) machen’s möglich:.

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

„Rally, Rally…“, mögen jetzt manche denken – das sagt mir doch etwas. Stimmt, diese feine französische Marke der zweiten Reihe hatte ich bereits in den Anfängen meines Blogs vor rund 10 Jahren besprochen (hier).

So vergeht die Zeit – aber die guten Dinge, sie bleiben (wenn wir auf sie achten und etwas dafür tun).

So können wir auch anno 2025 wieder einen Rally bewundern, der im Stil den Bugattis seiner Zeit nahekam, wenn auch weniger leistungsstark war.

Ich würde trotzdem einen nehmen, denn hier man muss sich damit nicht fragen lassen: „Ist der echt oder ein Nachbau aus Argentinien?“

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Ein tolles Gerät, nicht wahr? Wir begegnen dem Rally noch ein weiteres Mal bei unserem Rundgang – und dann in Fahrt!

Erst schauen wir uns noch eine Weile im Innenhof um, es gibt da einiges zu sehen, was das Herz höherschlagen lässt, wobei sich immer wieder reizvolle Momente ergeben.

Dabei ist es gar nicht immer so wichtig, um was für ein Fahrzeug genau es sich handelt – als unverbesserlicher Ästhet ist mir oft die reine Wirkung wichtiger als das penible Vermerken von Marke, Typ, Baujahr usw. – etwa in diesem Fall:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Mitunter ist aber auch unübersehbar, womit man es zu tun hat.

Nein, ich meine ausnahmsweise nicht den schönen MG von Michael Buller links im Bild, den viele in der Szene kennen.

Vielmehr gefällt mir hier die stilvolle Begegnung der Zweibeiner am Rande, ebenfalls typisch für die Classic Days, wo auch etliche Teilnehmer selbst Darsteller in der Zeitreise sind:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Zu einem Retrotrip in die Sportszene der Zwanziger gehört natürlich auch einer der einst allgegenwärtigen Amilcars aus Frankreich – vielleicht das Cyclecar schlechthin und auch bei deutschen Enthusiasten damals sehr beliebt.

Hier haben wir (rechts) ein frühes Exemplar noch mit alter französischer Kennung auf dem Kühler, aber mit neu aufgebauter Karosserie nach eigenem Gusto – erlaubt ist, was gefällt, das war schon vor 100 Jahren nicht anders:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Daneben sind als Kontrastprogamm natürlich einige großvolumige Bentleys zu besichtigen, die auch regelmäßig zur Ausfahrt auf die Rundstrecke gehen.

Gäste aus Großbritannien sind wie immer ebenso dabei wie eingefleischte Markenfreunde aus deutschen Landen.

Sie vereint die Begeisterung für die „schnellsten Lastwagen der Welt“, ein ironisches Bonmot, das Ettore Bugatti zugeschrieben wird:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Man bekommt bei den Classic Days immer wieder einen anderen Blickwinkel auf vermeintlich Bekanntes präsentiert – die Vielfalt der Vorkriegsautos ist unermesslich und stellt die Moderne mühelos in den Schatten.

Neben den aufgeladenen PS-Monstern von Bentley, bei denen das Auspuffgrollen von schieren Kraft kündet, findet sich von derselben Marke und aus derselben Zeit auch etwas so Filigranes und kultiviert Laufendes wie dieser originale Tourenwagen:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Eine klassische Karosserie wie diese ist bei den überlebenden Bentleys seltener anzutreffen als die mit späteren Sportaufbauten versehenen Specials, so faszinierend diese oft sind.

Bei der Gelegenheit meine übliche Behauptung: „Tourer sind langweilig – außer wenn das Verdeck montiert ist“, dann sind sie im wahrsten Sinne des Wortes optisch überaus spannende Exemplare.

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Bevor es bzb gleich zu den Concours-Autos – den „Jewels in the Park“ – geht, schauen wir noch, was unterdessen aus dem Fahrerlager auf die Rundstrecke geht.

Der Kurs rund ums Rittergut und mitten hindurch erlaubt den Zuschauern viele reizvolle Blicke auf die Wagen in Bewegung – beim Start, in voller Fahrt und beim gepflegten Defilee kurz vor der Rückkehr:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Die Wirkung dieser Sportwagen in Aktion gehört zu den besonderen Reizen der Classic Days. Dabei wird dem jeweiligen Streckenverlauf angemessen gefahren – aber durchaus engagiert, das ist kein bloßes Rollen knapp über Leerlaufdrehzahl.

Wenig ist so atemberaubend, wie wenn ein mächtiger Kompressor-Mercedes der 1920er Jahre um die Kurve kommt und er für einen Moment direkt auf einen zuhält.

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Nach diesem von Staub und Benzindust geadelten Spektakel, das man den Tag über mehrfach erleben kann – auch mit Nachkriegsautos – begibt man sich zur Einkehr in den Schatten der majestätischen Baumriesen im Englischen Garten, wo zwanglos die schönsten Karossen wie Skulpturen arrangiert sind – ganz ohne Absperrungen.

Was könnte hier stimmiger sein als eine Auswahl herrschaftlicher Rolls-Royce oder Bentleys mit enorm großzügigen Limousinen- oder Cabrio-Aufbauten?

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

An diesen Zeugen einer untergegangenen Welt kann man sich kaum sattsehen.

Schlicht meisterhaft zu nennen ist die Kunst, diese riesigen Automobile mit ihrem unerreichten Platz im Innenraum so gestalten, dass man ihre Größe nicht als unangenehm wahrnimmt – im Gegenteil hat man den Eindruck, dass die Proportionen perfekt sind.

Gegen diese Giganten wirkt auf einmal sogar ein US-Vertreter der Vorkriegszeit beinahe kompakt – wobei wir es hier auch nicht mit einem Amiwagen der üblichen Verdächtigen zu tun haben. Vielmehr sehen wir hier ein technisch wie ästhetisch außergewöhnliches Fahrzeug – den frontgetriebenen Cord L-29, der von 1929-31 gebaut wurde:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Leider kam diesem spektakulären Wagen mit modernem Fahrwerk und 125 PS-Achtzylindermotor der Börsencrash und die Weltwirtschaftskrise in die Quere.

Umso eindrucksvoller, dass ein derartiges Juwel bei den Classic Days einfach so am Wegesrand unter freiem Himmel zu finden ist. Das ist auch im Stillstand ein wichtiger Unterschied zur Präsentation bei Kunstlicht in Museen mit bisweilen sich störend aufdrängender moderner Architektur.

Leider nähern wir uns nun schon dem Ende unseres Rundgangs über das Gelände der Classic Days mit der Vorkriegsbrille. Doch einen Höhepunkt kann ich noch bieten und das ist die Rotte von Specials auf Basis von American La France-Chassis.

Diese opulent motorisierten Geräte dienten in ihrem ersten Leben als Feuerwehrautos, bevor sie als ideale Basis für spektakuläre Umbauten im Stil historischer Rennwagen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg entdeckt wurden.

Auch in Deutschland finden sich Anhänger dieser keine Furcht kennenden und fantasiebegabten Fraktion. Sie waren mit ihren Fahrzeugen auf eigener Achse aus dem Süden der Republik angereist:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Kurz vor Ende der Classic Days am Sonntag machte sich die Meute wieder auf den Heimweg, nicht ohne noch drei Ehrerunden auf der Hausstrecke von Rittergut Birkhof zu drehen – zur grenzenlosen Begeisterung des Publikums:

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Damit sagen wir „adieu“ den Classic Days 2025, nicht ohne dem Team von Marcus Herfort für die großartige Veranstaltung zu danken, bei der die Vorkriegsfreunde in einer Weise auf ihre Kosten kommen wie kaum anderswo in Deutschland.

Mein Fazit ist positiv, der Termin im nächsten Jahr ist schon vermerkt – wir kommen wieder in der Hoffnung, dass noch mehr Vorkriegswagen den Weg dorthin finden und die Tradition der Classic Days auf Schloss Dyck fortschreiben!

Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

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Das Vorkriegsauto als „Wayback Machine“: Amilcar CGS

Das historische Auto als Überbleibsel und Repräsentant längst vergangener Epochen hat etwas von einer Zeitmaschine, wenn man überlebenden Exemplaren heute begegnet oder gar selbst darin unterwegs ist. Nur wenige menschliche Schöpfungen vermögen dasselbe Gefühl zu vermitteln, genau das zu erleben, was ihre einstigen Besitzer erlebten.

Doch alte Autos können noch mehr als „nur“ eine Zeitmaschine sein, die uns in die Welt zurücktransportiert, in der sie entstanden. Sie können auch unterschiedliche Phasen ihres eigenen, viele Jahrzehnte umspannenden Daseins illustrieren, von denen übrigens jede auf ihre Weise historisch und original ist – keineswegs nur der Moment der Auslieferung.

Damit wären wir beim Auto als analoge „Wayback Machine“. Das sagt Ihnen nichts? Nun, die Wayback-Machine ist quasi das Gedächtnis oder Museum des Internets.

Dort sind die allermeisten Websites in unterschiedlichen Stadien ihrer historischen Erscheinung gespeichert – man findet dort also auch vermeintlich gelöschte Präsenzen im Netz bzw. frühere Versionen noch existierender Websites – nicht alle, aber sehr viele.

So hat die Wayback Machine von meinem Blog seit seiner Entstehung über 100 Schnappschüsse erstellt. Einer davon wurde Ende Juli 2021 aufgenommen und sah so aus.

Jetzt können Sie sagen, dass doch das Archiv in meinem Blog selbst enthalten ist. Das stimmt, aber nur weil ich keinen Eintrag gelöscht habe. Allerdings habe ich einige überarbeitet, während die Wayback Machine ggf. die Ursprungsversion gespeichert hat.

Letztlich lassen sich die Spuren nicht völlig verwischen, die man als Inhaber einer Website hinterlassen hat – wertvoll für Forscher, Journalisten und Zeitgenossen, die sich ihr Urteil selber bilden. Bei der Recherche zu einem „kontroversen“ Thema der letzten fünf Jahre griff ich kürzlich auf die Wayback Machine zurück – erstaunlich, was man da so alles findet…

Das brachte mich auf die Idee, inwieweit auch alte Autofotos als gewissermaßen analoge Wayback Machine fungieren, indem sie Momentaufnahmen eines historischen Fahrzeugs darstellen und unterschiedliche Phasen seines Daseins illustrieren.

Als Anschauungsobjekt habe ich den Typ CGS des französischen Sportwagenherstellers Amilcar aus den 1920er Jahren ausgewählt. lm Oktober 1923 wurde das 1,1-Liter Modell vorgestellt, das mit 115 km/h Spitze den Vorgängertyp CS deutlich übertraf.

Einige Exemplare mit teils unterschiedlichen Karosserien habe ich im Blog bereits präsentiert – Sie finden alle in meiner Amilcar-Galerie. Nur zwei „neue“ will ich Ihnen heute zur Veranschaulichung meiner Wayback Machine-These vorstellen.

Hier haben wir das erste Foto, das in der Tschechoslowakei entstand und einen Amilcar CGS irgendwo auf dem Land zeigt:

Amilcar Typ CGS; nach originalem Negativ aus Sammlung Michael Schlenger

Tatsächlich ist das ein besonders gutes Beispiel dafür, wie ein historisches Foto als Wayback Machine fungieren kann.

Denn das, was Sie hier sehen, ist ein von mir kreiertes Foto auf Basis des Negativs, das sich vor 100 Jahren in der Kamera befand, mit der diese Situation festgehalten wurde. Noch näher kann so ein Dokument nicht ans Original und den Aufnahmeort herankommen.

Zu dem Auto selbst will ich hier keine weiteren Worte verlieren – Sie werden ihm gleich wiederbegegnen und selbst alles wiedererkennen, was diese halbwegs „zivile“ Ausführung des sportlichen Amilcar CGS äußerlich auszeichnete.

Bloß sehen wir jetzt beinahe dasselbe Auto an einem anderen Ort zu einer ganz anderen Zeit und mit einigen Änderungen – alles festgehalten wiederum mittels analogem Film, der Wayback Machine des prädigitalen Zeitalters:

Amilcar Typ CGS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Fast 40 Jahre liegen zwischen den beiden Fotos eines Amilcar CGS.

Das tschechische Nummernschild ist ebenso verschwunden wie der Spritzlappen am Vorderkotflügel und das Notverdeck. Hinzugekommen ist eine Ballhupe und ein spezielles Kennzeichen, das auf eine Registrierung als historisches Fahrzeug in der DDR hinweist, wo es bereits in den 1960er Jahren eine große Vorkriegsautoszene gab.

In dieser Zeit – vielleicht auch Anfang der 1970er Jahre – entstand diese Momentaufnahme eines Amilcar CGS, der im Osten unseres Landes überlebt hatte. Auf der Rückseite des Originalabzugs ist der mutmaßliche Fotograf vermerkt: „Klaus-Jürgen Mertink, Berlin“.

Seiner gedenken wir heute mit Dankbarkeit, denn er hat diesen Beitrag zur Wayback Machine in Sachen Vorkriegsauto ermöglicht. Das bringt mich zum Schlussgedanken:

Wenn ich eines Tages den Blog schließe, so wie jedes Tagebuch seinen letzten Eintrag hat – sei es geplant oder durch Ablauf der biologischen Uhr – dann werden die Inhalte zum Gutteil verfügbar bleiben, solange es die Wayback Machine gibt…

So, jetzt lausche ich noch ein wenig Gustav Leonhardt, der – obwohl 2012 verstorben – auf CD die Französischen Suiten von Bach auf dem Cembalo meisterlich darbietet. Nach diesem für heute letzten Lauf der Wayback Machine steht morgen der Fund des Monats an.

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.