Alpenländer im Armani-Anzug: Ein AF 9/40 PS

Auch wer in Sachen Mode der Neuzeit nicht bewandert ist, kennt den Namen Armani. Er begleitet Freunde des klassischen und dabei stets lässigen Auftritts seit Jahrzehnten.

Tatsächlich ist Markenschöpfer Giorgio Armani dieses Jahr 90 Jahre alt geworden und hat im Frühjahr wieder eine neue Kollektion präsentiert. Rüstige Rentner, die so unermüdlich tätig sind wie er, genießen meine besondere Sympathie.

Nebenbei ist Armani einer der reichsten Männer Italiens und immer noch Alleineigentümer seiner Firma – auch das verdient Respekt. Seinen Stil habe ich immer geschätzt.

Armani ist als derjenige in die Modegeschichte eingegangen, der dem Herrenanzug das Steife, Kastige genommen hat. In einem den Körper umspielenden Armani-Anzug sieht man nicht verkleidet oder gar uniformiert aus. Man sollte nur nicht zuviele Extrapfunde am Leib tragen, sonst kann auch Maestro Armani die Erscheinung nicht retten.

Meine erste Begegnung mit Armani war irgendwann Ende der 1980er Jahre. Als meine aus begütertem Hause stammenden Klassenkameraden in der Oberstufe „Lacoste“-Poloshirts trugen und Vespa oder 80er Cross-Maschinen auf Kosten der Eltern fuhren, musste ich mir etwaige Ausflüge in die Welt des Luxus meist selbst finanzieren.

Mein Raleigh-Rennrad hatte ich mir ebenso selbst erarbeitet wie den ersten CD-Player von Philips – Mitte der 80er Jahre noch exklusiv. In modischer Hinsicht war damals indessen meine Mutter dominant. Sie hielt Jeans für Proletenkluft und gönnte mir stattdessen ab und zu Ausflüge in die Welt der Luxusmarken im Ausverkauf.

So gelangte ich eines Tages in den Besitz eines beigefarbenen Poloshirts von Giorgio Armani. Das Teil war jahrelang mein Lieblingsstück im Sommer, denn auch nach unzähligen Wäschen blieb das Material weich und knitterfrei, verlor die Farbe nicht.

Jetzt frage ich mich, wie ich die im Titel in Aussicht gestellte Kurve ins Alpenland bekomme.

Ich mach’s mir einfach, verweise auf die Darstellung der italienisch-österreichischen Firma „Austro-Fiat“ in diesem Blog-Eintrag und zeige erst einmal ein neu aufgetauchtes Foto eines Wagens des entsprechenden Fabrikats:

„Austro-Fiat“ AF1 9/32 PS; Originalfoto: Jason Palmer (Australien)

Diese Aufnahme, welche mir in digitaler Form von Jason Palmer aus Australien zur Verfügung gestellt worden ist, zeigt ein Fahrzeug der „Österreichischen Automobil-Fabrik AG vormals Austro-Fiat“ der frühen 1920er Jahre.

Denselben Typ AF 9/32 PS hatte ich bereits im oben verlinkten Beitrag besprochen – insofern verweise ich darauf, falls sich jemand näher dafür interessiert.

Diese Wagen der frühen AF-Nachkriegsproduktion stoßen nicht auf meine Begeisterung, so erfreulich jede zeitgenössische Originalaufnahme ist, welche bis dato unpubliziert ist.

Interessant ist allerdings ein Detail auf dem Foto aus der Sammlung von Jason Palmer, der selbst einige Vorkriegswagen aus europäischer Produktion besitzt – die offenbar deutsche Zulassung. Das scheint mir außergewöhnlich zu sein.

Gleichwohl will ich Ihre Aufmerksamkeit nun auf ein anderes Dokument alpenländischer Produktivität in Sachen Automobil lenken, denn dort sehen wir, was ein Maßanzug von Könnerhand für eine Verwandlung zu bewirken vermag.

Ab Mitte der 1920er Jahre erhielten die Wagen der „Österreichischen Automobil-Fabrik AG vormals Austro-Fiat“ – kurz AF – ein topmodisches Erscheinungsbild. Dieses konnte italienische Einflüsse kaum verbergen, obwohl Turin längst nicht mehr das Sagen hatte.

Hier haben wir nun endlich den versprochenen „Alpenländer im Armani-Anzug“:

AF Typ 9/40 PS ab 1926; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Knackig, athletisch und agil wirkt der AF-Wagen hier auf einmal – kein Vergleich mit den etwas schwülstigen Formen des Vorgängers.

Wenn ich es richtig sehe, haben wir es mit dem Typ 9/40 PS zu tun, welcher nicht nur wesentlich mehr Leistung bot, wie das die österreichische Topografie nahelegte, sondern nun auch die spätestens 1925 einen Standard darstellenden Vorderradbremsen besaß.

Wie ich Claus Wulffs unbezahlbarer Website zu Kühleremblemen entnehme, wurde das auf dem heute präsentierten Foto zu sehende Markenemblem erst 1926 eingeführt. Damit haben wir einen Hinweis auf das frühestmögliche Aufnahmedatum.

Viel mehr kann ich Ihnen nicht zu dem Wagen erzählen, der so klassisch klar und knackig daherkommt, wie das ein Tourer tun sollte. Ob die darum versammelten Herren die Billigung von Giorgio Armani finden würden, weiß ich nicht.

Allerdings lässt die Kleidung der beiden Männer im hellen Staubmantel in wünschenswerter Deutlichkeit erkennen, dass sie ein breites Kreuz und ein aufrechtes Rückgrat hatten.

Solche Qualitäten waren und sind in kultivierter Form gefragt und vielleicht hätten diese selbstbewussten Alpenländer auf einem Laufsteg von Giorgio Armani gute Figur gemacht…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

„Sind Sie Ästhet?“ Neues vom Horch „8“ Typ 350

In seiner wie immer wertvollen Kommentierung meiner spontanen und oberflächlichen Betrachtungen verwendete kürzlich ein Kenner unter meinen Lesern den Begriff des „Ästheten“. Davon fühle ich mich direkt angesprochen.

Zwar nehme ich für mich in Anspruch, einfache Arbeiten an historischen Automobilen ausführen zu können – also Überholung und Einstellung von Vergasern, Zündanlagen und Kühlung, Wartung und Reparaturen an Ventilsteuerung, Bremse und Antrieb sowie Beheben von Elektrikproblemen.

Aber von anspruchsvollen Details in Sachen Konstruktion und Karosseriebau oder auch Abstimmung von Fahrwerk oder Auspuffanlagen habe ich keine Ahnung. Umso mehr schätze ich die einschlägigen Beiträge von sachkundiger Seite.

Es gibt indessen einen weiteren Bereich, in dem ich mir anmaße, klare Urteile fällen zu können – das ist die Ästhetik, also die Empfindungen, welche eine spezifische Gestaltung – sei sie natürlichen oder menschlichen Ursprungs – in uns auslöst.

Menschen, für welche dieser Aspekt von großer Bedeutung ist, bezeichnet man als „Ästheten“, wobei in dem Attribut Anerkennung wie Geringschätzung mitschwingen kann.

Eine Geschichte aus meiner Kinderzeit mag das illustrieren. Wie viele Buben in materiell soliden Verhältnissen war ich Besitzer einer Modelleisenbahn – neben der Vermittlung von Basiskenntnissen in der Fahrradwartung der einzige Erziehungsbeitrag meines Vaters.

Meine Mutter fühlte sich dafür zuständig, mir eine Ahnung der schönen Dinge im Leben zu vermitteln. Die Modelleisenbahn im Maßstab 1:87 interessierte sie zwar nicht in technischer Hinsicht, aber für sie war klar:

Der Bub braucht schöne Häuser auf seiner Eisenbahn! Also bekam ich bei jeder Gelegenheit Modellbausätze von Bauten der Renaissance, des Barock, des Klassizismus und des Jugendstils geschenkt, die ich mit Hingabe zusammenbaute.

So bastelte ich mir Stück für Stück die deutsche Altstadtwelt von gestern zusammen, die im Bombenhagel des 2. Weltkriegs untergegangen war und die meine Mutter als 13-jähriges Mädchen Anfang 1945 im schlesischen Liegnitz zurücklassen musste.

Nie vergesse ich, wie wir einmal bei „Spielzeug Schäfer“ auf der Kaiserstraße im hessischen Friedberg die Modellbauabteilung betraten, in der mal wieder ein Haus für die Eisenbahn ausgesucht werden sollte. Ich war damals allenfalls 10 Jahre alt.

Der Verkäufer – so ein schlecht rasierter 68er-Typ – merkte rasch, dass meine Mutter klare konservative Vorstellungen hatte.

In einer Mischung aus Neugier und Geringschätzung fragte er lauernd: „Sind Sie Ästhet?“ – Meine Mutter ging auf die Unverschämtheit dieses Vogels mit keinem Wort ein. Wie immer in diesen Dingen waren wir beide uns rasch einig, was wir haben wollten.

Diese Geschichte mag vermitteln, warum mir die Ästhetik so wichtig ist. Sie zählt zu den ganz wenigen Dingen, die uns zumindest für eine Weile von den Banalitäten, Schrecknissen und Abgründen des Daseins abzulenken vermag.

Dass das nicht bloß aufgrund einer spezifischen Prägung in der Kindheit bei mir so ist, das beweisen mir regelmäßig die auf die rein ästhetische Wirkung angelegten Fotos von Automobilen, deren Äußeres wiederum ganz auf die ästhetische Wirkung angelegt war:

Horch „8“ Typ 350 Sedan-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Warum sollte man sich als vermögende Berlinerin anno 1929 bei einem Aufenthalt im Schwarzwald in einer solchen Inszenierung mit Horch-Achtzylijnder ablichten lassen?

Weil die Ästhetik wichtig ist, zumindest solange das Dasein währt. Und damals gab es in vermögenden Kreisen in deutschen Landen nur ganz wenige Automobile, deren Ästhetik dermaßen beeindruckend war.

Wenn man sich bei den oberen zehntausend keinen der Ende der 1920er Jahre dominierenden US-Luxuswagen zulegen wollte, führte an der sächsischen Prestigemarke Horch kein Weg vorbei. Denn sie vereinten die 8-Zylinder-Motoren der amerikanischen Konkurrenz mit einer deutschen Interpretation des Stils von Cadillac & Co.

Bei allen Qualitäten hatte man bei Daimer-Benz diesen Trend verschlafen. So konnten die Sachsen mit den Horch-Achtzylindern den Großteil der Nachfrage in diesem Segment befriedigen und das mit Aufbauten, die auch die Ästheten zufriedenstellten:

Horch „8“ Typ 350 Pullman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Die satten 80 PS Leistung aus dem phänomenalen Reihenachtzylinder mit Ventilsteuerung über zwei obenliegende Nockenwellen nahm der Ästhet damals dankbar zur Kenntnis.

Entscheidend war für ihn ohnehin das damals (1928) modische Erscheinungsbild, das sich ganz eng am Cadillac orientierte, um es vorsichtig zu formulieren.

Sind Sie Ästhet„? – Wer damals als Verkäufer einem solventen Interessenten diese Frage stellte, der wusste (wenn er kein Kleingeist war): es muss mehr als nur ein großes und leistungsfähiges Auto sein. Es muss ein Horch „8“ sein – ein bis heute phänomenales Statement auf vier Rädern.

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Die letzten ihrer Art? Elite 12/55 PS und 14/60 PS

Der Titel mag etwas depressiv stimmen, doch er ist nichts gegen das, was mir heute zunächst vorschwebte: „Ab hier geht’s abwärts„. Das erschien mir dann doch zu harsch, so präzise es die Lage beschreibt – zumindest auf dem Foto, das ich ins Auge gefasst hatte.

Da ich die vorweihnachtliche Stimmung nicht stören wollte, verfiel ich darauf, etwas Erbaulicheres zu bringen. Das fand sich dann auch rasch in Form einer digitalen Leihgabe von Leser und Sammlerkollege Klaas Dierks.

Doch kaum hatte ich das Foto mit ein paar Handgriffen für die Präsentation hergerichtet, fiel mir auf, dass auch dieses ja wieder eines ist, in dem etwas zuendegeht. Verflixt, dachte ich, wie rette ich jetzt die Situation?

Zu Hilfe kam mir ein anderes Dokument in meinem Fundus, das etwas hoffnungsfroher stimmt und vielleicht sogar noch ein paar schöne Ergebnisse zeitigt.

Genug der Vorrede. Nachdem ich in der letzten Ausgabe den fortschrittlichen Röhr-Achtzylinder gerühmt hatte, der 1927 eingeführt wurde, schauen wir heute, was damals zeitgleich die weniger progressiven Hersteller hierzulande anboten.

Dabei nehmen wir ein Fabrikat ins Visier, das wie Röhr in der Nische zuhause war. Die Rede ist von den Wagen der Elitewerke im sächsischen Brand-Erbisdorf. Dort entstanden nach einigen wenigen noch vor 1914 gebauten Exemplaren ab 1919 beeindruckend dimensionierte, optisch den Wagen von Benz nahestehende und mit vier bzw. sechs Zylindern gut motorisierte Automobile in reiner Manufaktur.

Wie die Autos der Simson-Werke in Suhl waren die Elite-Wagen sehr teuer und sprachen eine anspruchsvolle Klientel an, die nicht auf die Mark achten musste und im Luxussegment etwas Außergewöhnliches suchte, aber keine Experimente wünschte.

Das Ergebnis sah Ende der 1920er Jahre so wunderbar traditionell wie hier aus:

Elite S12 12/55 PS oder S14 14/60 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dieser makellos gestaltete und großzügig dimensionierte Tourenwagen wäre in der ersten Hälfte der 1920er Jahre in optischer Hinsicht wie von den Leistungsdaten her ein starker Konkurrent der Spitzenmodelle von Daimler und Benz gewesen.

Tatsächlich bauten die Elite-Werke schon damals ähnlich leistungsfähige 6-Zylinderwagen mit 55 bis 70 PS. Allerdings brachte man anschließend keine wirklich neueren Modelle mehr zustande. So war auch der oben abgebildete Tourer letztlich nur ein überarbeiteter Wiedergänger der vorherigen Typen.

Das mindert nicht die Wirkung dieser Automobile auf uns, vor allem nicht auf so gelungenen zeitgenössischen Aufnahmen. Dennoch muss uns klar sein, dass die Elite-Typen S12 12/55 PS bzw. S14 14/60 PS die letzten ihrer Art waren.

Denn mangels Rentabilität und angesichts der Dominanz modernerer und weit günstigerer US-Großserienautos waren die Tage der Elitewerke Ende der 1920er Jahre gezählt.

1928 übernahm Opel das Unternehmen, aber hauptsächlich mit Blick auf dessen Produktionskapazitäten. Die Automanufaktur von Elite ließ man noch bis 1929 nebenher weiterlaufen, dann war für immer Schluss.

Geblieben ist immerhin das architektonisch beeindruckende Werksgebäude – eine seltene Ausnahme angesichts der in deutschen Landen sonst üblichen Zerstörung historischer Industriebauten.

Doch es muss auch noch mindestens einen Überlebenden der hier vorgestellten letzten Elite-Modelle geben – eine Limousine des Typs S14 14/60 PS. Der Wagen war bereits zu DDR-Zeiten gut dokumentiert:

Elite S14 14/60 PS Limousine; Ansichtskarte der 1960er Jahre aus der DDR

Sollte dieser Elite mit Aufbau als Pullman-Limousine wirklich der letzte seiner Art sein?

Oder hat doch noch ein weiteres Exemplar überlebt – vielleicht sogar als Tourer wie auf dem heute präsentierten Foto von Klaas Dierks? Ob mit Motorisierung 12/55 PS oder 14/60 PS spielt dabei eine untergeordnete Rolle – in beiden Fällen handelte es sich um Wagen mit 6-Zylindermotoren der 3,7 Liter-Klasse.

Also liebe Leser – speziell die Kenner im Osten der Republik – waren und sind die heute gezeigten Elite-Automobile der späten 1920er Jahre wirklich die letzten ihrer Art? Hinweise auf weitere Überlebende wären großartig.

Ich würde mich aber auch über weitere historische Fotos dieser späten Elite-Modelle freuen, die ich dann hier präsentieren könnte. Auch meine noch sehr überschaubare Elite-Galerie könnte durchaus Zuwachs gebrauchen – dann hätten alle etwas davon.

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Kurzer Urlaub vom Krieg: Citroen B10 Tourer

Klingt doch eigentlich vielversprechend, der heutige Titel, nicht wahr? Können wir nicht alle ein zumindest kurzes Gegenprogramm zu den täglich neuen Bildern vom Krieg irgendwo auf dem Planeten vertragen?

Gewiss, aber bedenken Sie: Ausgerechnet beim Thema Vorkriegsautos kommt man um Bilder aus dem Krieg nicht herum, auch wenn private Aufnahmen von echten Kämpfen oder deren Ergebnis weit seltener gemacht wurden als Fotos entspannter Situationen.

Zivile Vorkriegsautos begegnen einem tausendfach auf Aufnahmen aus dem 1. und noch mehr aus dem 2. Weltkrieg. Viele solcher Dokumente in meinem Fundus zeigen interessante deutsche oder erbeutete französische und amerikanische PKW an der Ostfront.

Doch werden Sie verstehen, dass ich solche Aufnahmen erst wieder bringen will, wenn sich das Verhältnis zu einstigen Kriegsgegner Russland wieder entspannt hat – etwas, das ich uns allen für das Jahr 2025 wünsche.

Leichter fällt mir die Sache bei Dokumenten von der West- und Südfront, wo deutsche Truppen (reguläre eingeschlossen) nicht ganz so gewütet haben, auch wenn von dort ebenfalls Kriegsverbrechen in einer Vielzahl bekannt sind, dass einem übel werden kann.

Doch das Dokument, das ich heute präsentiere, lässt solches zumindest für eine Weile vergessen, obwohl uns am Ende die Realität des Kriegs einholen wird. Es wird also nur ein kurzer Urlaub vom Krieg werden, aber immerhin:

Citroen B2; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was sagen Sie dazu? Ist es das, was Sie sich von einem Kurzurlaub erhoffen?

Zwei junge Männer bei sommerlichen Temperaturen in einem stark angejahrten Tourenwagen, bei dem keine ordnungsgemäße Zulassung zu vermuten ist.

Der Mann am Steuer hat sich mit einem großen Strohhut ausstaffiert und wirkt wenig vertrauenerweckend. Gefiel es ihm nicht, so „auf Urlaub“ dokumentiert zu werden?

Merkwürdig mutet auch die dunkle Figur mit Flügeln an, die an der Windschutzscheibe befestigt ist. Was ist von diesem finsteren Maskottchen zu halten?

Ich habe keine Idee, bin aber ohnehin der Meinung, dass der gut gebräunte junge Herr in kurzer Hose hier die Hauptrolle spielt. Mit athletischem Körperbau und sympathischem Lachen kann er sich durchaus sehen lassen, auch wenn eine Sonnenbrille für meinen Geschmack auf Fotos stets zuviel verbirgt.

Aber gut, es war Sommer, man hatte ein Auto und so unternahm man in gelöster Stimmung einen Ausflug. Die umseitige Bemerkung in deutscher Sprache „Am Kanal“ verrät indessen, dass wir es hier nicht mit gut aufgelegten Franzosen zu tun haben, die mit Vaters altem Citroen eine Spritztour gemacht haben.

Nein, das waren nach der Lage der Dinge deutsche Soldaten, die nach der Kapitulation Frankreichs im Sommer 1940 einen kurzen Urlaub vom Krieg genossen. Aus jener Zeit begegnen einem immer wieder ähnliche Aufnahmen mit vor Ort „geborgten“ alten französischen Autos, deren Besitzer nicht die Reifen hatten verschwinden lassen.

Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Citroen wohl des Typs B10 zu tun. Dabei handelte es sich um den nun mit Ganzstahlaufbau versehenen, sonst sehr ähnlichen Nachfolger des Typs B2 (1921-26). Gebaut wurde das Modell nur 1924/25, bevor es vom wiederum optisch sehr ähnlichen B12 mit Vierradbremsen abgelöst wurde.

Ganz ausschließen kann ich im vorliegenden Fall daher weder den Typ B2 noch den B12 (da nicht zu erkennen ist, ob der Wagen bereits Vorderradbremsen besaß). Der Citroen B10 ist aber insofern hervorhebenswert, als er der erste mit Ganzstahlkarosserie im Fließbandverfahren gebaute Wagen Europas war.

Anno 1940, als die heute präsentierte Aufnahme entstand, war so ein Citroen der 1920er Jahre zwar von gestern, aber auf dem Land existierten noch viele davon und oft behielt man die alten Wagen einfach, wenn man Platz hatte, selbst wenn man sie nicht mehr fuhr.

Sofern alle Teile vorhanden waren, ließ sich so ein simples Auto mit ein paar Handgriffen an Vergaser und Motor sowie mit frischem Benzin und Kühlwasser leicht wieder in Betrieb nehmen. Genau das scheinen die jungen Herren hier getan zu haben.

Lange wird das Urlaubsglück nicht angehalten haben, soviel ist klar. In der Spätphase des 2. Weltkriegs gestalteten sich die Kurzurlaube in Frankreich eingesetzter deutscher Soldaten ohnehin anders. Badeurlaub „am Kanal“ war nach der Landung der Alliierten 1944 passé. Man war dann froh, wenn man für ein, zwei Wochen nach Hause durfte.

Oft genug erwiesen sich solche kurzen Auszeiten vom Krieg als die letzten. So war das auch im Frühjahr 1944, als der Vater einer Leserin meines Blogs noch einmal nach Hause durfte. Sie ist das bleibende Ergebnis dieses kurzen Aufenthalts und feiert dieser Tage ihren 80. Geburtstag. Noch als sie „unterwegs „war, fiel ihr Vater an der Westfront.

Man sieht, das Thema „Kurzer Urlaub vom Krieg“ kann ein durchaus zwiespältiges sein. Aber heute wollen wir uns die Stimmung nicht verderben lassen und wollen das Leben feiern – nicht nur auf alten Fotos, sondern ganz im Hier und Jetzt.

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Begegnungen im Zeittunnel: Fiat 505 Tourer

Gerne bezeichne ich meine Ausflüge in die Welt des Vorkriegsautomobils als Zeitreise. Oft sind für mich entsprechende historische Abbildungen ein Anlass, den Zumutungen des Hier und Jetzt zu entgehen, oft aber auch Konfrontation mit den Zumutungen von damals.

Von diesen Zeitreisen kehre ich zurück mit der einen Erkenntnis, dass wir in der besten aller Zeiten leben, weil wir über das Beste von einst mühelos und ohne die Lebensrisiken von einst verfügen könnten, wenn wir denn wollten.

Paradoxerweise geht damit die andere Erkenntnis einher, dass wir in erbärmlichen Zeiten leben, weil wir so wenig aus der Vergangenheit lernen oder zumindest an Stilsicherheit nachleben.

Eine zum Verlieben schöne Reklame wie die für das Mercedes-Cabriolet 380 in meinem letzten Blogeintrag werden Sie in unseren Tagen vergebens suchen. Schlimmstenfalls wird klassische Schönheit verspottet wie jüngst im Spot einer einst britischen Sportwagenmarke.

Heute lasse ich Sie an einer etwas anderen Zeitreise teilhaben, auch wenn Sie dabei wieder auf Ihre Kosten in Sachen Vorkriegsautofotos kommen, sofern Sie die Einleitung überstehen.

Begleiten Sie mich auf einer echten Reise durch den Zeittunnel und erleben Sie die Begegnungen mit, die ich dabei machte.

An diesem Wochenende stand meine letzte Italienreise für dieses Jahr auf dem Programm. Wie immer ging es in die uralte Kulturregion „Valle Umbra“ – die Region zwischen Perugia und Spoleto, wo sich seit 2.500 Jahren in Sachen Kulturlandschaft wenig geändert hat.

Und wie fast immer handelt es sich dabei um keine Urlaubsreise, denn ich habe meist einen Haufen Arbeit dabei, so auch dieses Mal. Aber Arbeit belastet mich nicht, jedenfalls nicht in der Weise, wie mich andere Dinge bedrücken.

Ich war allein unterwegs, die bessere Hälfte musste nochmals daheimbleiben, um die Betreuung ihrer Eltern einzuweisen, die für einige Wochen aus Breslau (seit 1945 in Polen) angereist kam und in der frisch renovierten Dachwohnung im gleichen Haus residieren wird.

Auf dem langen Autobahnabschnitt von Mailand über Bologna nach Cesena goss es ohne Unterlass. Die Fahrbahn ist jedoch so ausgeführt, dass das Wasser nirgends steht, weshalb einem das peinliche Schild „80 bei Nässe“ wie auf der deutschen A5 ab Basel erspart bleibt.

Man kann also getrost mit 130 Sachen weiterfahren, sofern der Verkehr nicht zu dicht wird. Allerdings geschahen merkwürdige Dinge, je länger ich unterwegs war. Mir war zusehends so, als sei ich in einem Zeittunnel unterwegs.

Der Himmel war grau, links und rechts war alles grau, die Straße war grau und die silberne Motorhaube vor mir ebenfalls. Es gibt schon bei gutem Wetter auf dieser Strecke wenig zu sehen, bei schlechtem Wetter reduziert sich das auf „nichts“ – mit Ausnahme der Scheibenwischer und der roten Rücklichter vor einem.

Nichts wies mehr auf Raum und Zeit hin. Als ich an der Ausfahrt „Cremona“ vorbeifuhr, war ich mit einem Mal wieder Mitte der 1990er Jahre unterwegs – auch damals in strömendem Regen, allerdings mit meinem 1200er Käfer auf dem Weg in die Marken (die östlich an Umbrien angrenzende, hierzulande noch weniger bekannte Region.

Seinerzeit fuhr ich in Cremona ab, suchte mir eine Bleibe für die Nacht – aus meiner Lektüre von Hermann Hesses Italiengeschichten und -gedichten wusste ich, wie schön die Altstadt ist.

Dafür war diesmal keine Zeit und so ging es weiter durch den grauen Tunnel, begleitet von undefinierten roten Lichtern vor mir.

Doch zwei dieser Lichter auf der rechten Spur erweckten meine Aufmerksamkeit. Sie befanden sich ungewöhnlich niedrig und recht weit auseinander. Zunächst dachte ich an einen alten Mercedes, doch dann trat das kantige Heck eines Ford „Granada“ aus dem Grau hervor. Der Wagen trug ein uraltes italienisches Kennzeichen, das auf „Varese“ verwies.

So einen Wagen hatte ich ewig nicht gesehen und auch wenn die in Europa hergestellten Ford-Wagen damals längst unzeitgemäß waren – man denke an die Blattfeder-Hinterachse des Pseudosportlers „Capri“ (den ich dennoch mag) – so freute sich das junggebliebene Herz.

Die gute alte Tante BRD war damals trotz Kalten Kriegs in Topform – man hielt die Sowjets auf Abstand, kaufte dennoch ihr günstiges Gas und vor allem: man sprach trotz aller ideologischen Gegnerschaft miteinander auf Augenhöhe – der Entspannungspolitik sei Dank.

Für einen weiteren Schritt zurück auf meinem Weg durch den Zeittunnel sorgte dann mein bevorzugter Radiosender in Italien: RAI Musica Tutta Italiana – ganz in Landessprache, ohne Belehrungsanspruch und komplett werbefrei.

Diesmal wurden anlässlich des über 70-jährigen Jubiläums des Musikfestivals in San Remo einige Werke aus den 1950/60erer Jahren präsentiert, als man in Italien einen eigenen Stil pflegte. Die Traditionalisten sangen wie in den 30ern, die „Modernen“ sangen technisch zwar anders und freier, aber noch kaum beeinflusst von Rock und Pop.

Und immer ging es mit schönen Worten und Bildern um „amore“ – das ist auch bei den aktuellsten Werken so, mögen sie noch sehr von internationalen Musiktendenzen beeinflusst sein. Nirgends sonst höre ich „aktuelle“ Musik außer in Italien, wobei auch die Stimmen eine Rolle spielen – speziell die weiblichen, die eine ganz eigene Magie haben.

Wenn Sie nun denken, „Zur Sache, Schätzchen“, dann liegen Sie vom Timing richtig. Denn alles unterwegs Erlebte mündete in die Idee, dass ich diese Reise im Blog fortsetzen muss.

Jetzt geht es in einem Rutsch durch den Zeittunnel zurück in die 1920er Jahre. Plötzlich schält sich aus dem Nebel und dem Grau der Vergangenheit diese Erscheinung hervor:

Fiat 505 Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme fasziniert mich schon eine ganze Weile – heute sind Zeitpunkt und Stimmung gerade recht, um sie zu veröffentlichen.

Vor gut 100 Jahren entstand irgendwo im damaligen Osten Deutschlands – so meine Vermutung – diese Aufnahme, die auf dem Land drei Generationen einer betuchten Familie zeigt, welche es sich auf drei Sitzreihen bequem machen konnte.

Das setzte in einem der typischen Tourenwagen der damaligen Zeit einen beträchtlichen Radstand voraus, während die Dimension der Motorhaube durchaus zu einem etwas kompakteren Tourer mit nur zwei Sitzreihen passen würde.

Die Gestaltung der Frontpartie mit oben abgerundeter Haube und auffallend niedrigen schmalen, doch zahlreichen Luftschlitzen ist typisch für die Fiat-Großserienwagen, die ab 1919 entstanden und weltweit in Stückzahlen verkauft wurden, wie das sonst kein Hersteller auf dem europäischen Kontinent zustandebrachte.

Neben dem kompakten 501 (1,5 Liter, 23 PS) war es dessen stärkerer und deutlich größerer Bruder 505 (2,3 Liter, 33 PS), der auf vielen Fotos aus deutschen Landen zu sehen ist. Die Anwendung industrieller Massenproduktion machte diese Fiats nahezu konkurrenzlos.

Zu erkennen sind sie aus der Frontperspektive an dem leicht hufeisenförmigen Kühler:

Fiat 505 Tourenwagen mit deutscher Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses in Deutschland zugelassen Exemplar des Typ Fiat 505 wurde nachträglich mit größeren Scheinwerfern ausgestattet, als es der Serienausführung entsprach.

Mehr Schein als Sein – ein zeitloses Thema. Vielleicht wollte der Besitzer den Anschein des prinzpiell gleich gestalteten, aber nochmals wesentlich größeren Sechsyzlindertyps Fiat 510 erwecken, den ich hier schon einmal anhand eines deutschen Exemplars vorgestellt habe.

Wie gesagt: diese Fiat verkauften sich in Deutschland mangels Konkurrenz hervorragend, und der Erfolg der Turiner Marke blieb bis Ende der 1930er Jahre ungebrochen.

Interessant wäre es zu erfahren, ob Fiat – eine Marke, die vor dem 1. Weltkrieg sogar in den USA Autos baute – mit ihrer streng rationalen, auf den Weltmarkt ausgerichteten Entwicklungs- und Produktionsphilosopie damals mehr Wagen außerhalb Italiens absetzte als am Binnenmarkt, wo die breite Masse noch ärmer war in Deutschland.

Ich könnte mir das vorstellen, wenngleich sich in meiner Fiat-Galerie immer wieder auch Exemplare mit italienischer Zulassung finden. Hier ein bislang noch nicht gezeigtes Foto, das in Italien entstand und einen Tourer des Typs 501 oder des Typs 505 zeigen könnte:

Fiat 501 oder 505 Tourenwagen in Italien; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme mit den dürren Buben daneben, die mit aufs Foto wollten – eventuell waren sie Nachbarn oder Kameraden des größeren der Drei – lege ich Ihnen deshalb ans Herz , weil man sich hier den charakteristischen Kühler aller Fiats der frühen 1920er Jahre einprägen kann.

Auch die Form des hier nur schemenhaft erkennbare Markenemblems ist bei der Identifizierung früher Fiats immer wieder hilfreich.

Liebe Leser, nun haben Sie für heute genug erduldet und vielleicht das eine oder andere mitgenommen, das Ihnen die Einordnung vergleichbarer Wagen erleichtert. Das dürfte sich auf alte Fotos beschränken, denn die einst in deutschen Landen sehr präsenten Fiats der 1920er Jahre sind auf heutigen „Oldtimer“veranstaltungen Mangelware.

Erinnern Sie sich an mein eingangs verwendetes Bild des „Zeittunnels“? Ich habe den Begriff nicht nur wegen meiner Erlebnisse im Regen auf der italienischen Autobahn gewählt.

Es gibt auch ein Foto dazu, das zu denen zählt, die lange darauf warten, einen würdigen Rahmen zu erhalten.

Andere würden das fortwerfen, ich hingegen mag so etwas, weil es viel von den Empfindungen transportiert, die man bei der Beschäftigung mit den Automobilen und ihren Besitzern von einst hat, auch wenn sich ihre materielle Existenz längst im Nebel der Zeit verflüchtigt hat.

Wie die hier erörterten Schatten leben sie noch einmal am Zeittunnel auf, merkwürdig schemenhaft. Es liegt nach allem Gesagten an Ihnen, sich einen Reim darauf zu machen…

Fiat 501 oder 505 Tourenwagen mit deutscher Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

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Schluss mit Kokosnuss! Mercedes „Mannheim“ anno 1939

Keine Sorge, ich bin der letzte, der für das Verbot exotischer Genüsse wäre. Als (Noch-)Exportnation, die der Welt verfeinerte Güter andienen muss, weil das Inland zu wenig an Möglichkeiten hergibt, allgemeinen Wohlstand zu erlangen, wäre es auch nicht ratsam, dem Import begehrter Dinge aus fernen Ländern einen Riegel vorzuschieben.

Mich interessieren zwar weder die Karibik noch die Malediven, zumal diese seit 30 Jahren knapp vor dem Untergehen stehen, weshalb man dort schnell noch neue Hotels baut.

Doch kaufe ich gern beim Chinamann, der mir für kleines Geld meist solide Qualität bei vielen Dingen des täglichen Gebrauchs bietet. In Fernost entstehen außerdem inzwischen Sachen, die man hierzulande vergeblich sucht – man wird dort immer erfinderischer.

Nachdem dies geklärt wäre, müssen wir heute dennoch von einer Sache Abschied nehmen. Auf dem Foto, das ich heute zeige, ist nämlich schon bald „Schluss mit Kokosnuss“ und zwar im ganz konkreten Sinne, wie Sie noch sehen werden.

Die Sache geht also in jedem Fall tragisch aus, doch vorher heben wir noch einmal den Blick zu zu den Sternen. Das müssen wir auch, weil es bei einem Mercedes-Benz des Typs „Mannheim“ 350 bzw. 370, um den es heute geht, vor allem die Sterne sind. welche einen auf die richtige Spur bringen.

Ansonsten waren diese ab 1929 gebauten Wagen mit 60 bzw. 70 starken Sechszylindermotoren wenig charakteristisch gestaltet. Jedenfalls galt das für die Limousinentypen – da war schon der leistungs- und größenmäßig vergleichbare Fiat 525 knackiger gezeichnet, von US-Modellen ganz zu schweigen.

Für mich sind es ohnehin die offenen Mercedes mit sportlichen Aufbauten um 1930, die Leidenschaft wecken – und das schon dann, wenn man so wenig davon sieht wie hier:

Mercedes-Benz der frühen 1930er Jahre; Werbepostkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Hätte ich nicht eingangs mit dem Ende der Kokosnuss gedroht, könnte ich an dieser Stelle Schluss machen für heute, denn viel perfekter kann man einen Mercedes-Benz nicht inszenieren.

Schon damals wusste man, dass man nicht das Produkt in den Vordergrund rücken und möglichst viele kühne Behauptungen aufstellen muss. Nein, es geht darum, was man mit einem Mercedes Großartiges erleben kann und in welchen Kreisen man verkehrt.

Wer wollte hier nicht mit von der Partie sein, wenn er nicht gerade von Schüchternheit geplagt wird? Nur der Mercedes-Stern verweist auf das beworbene Produkt, ich würde hier übrigens auf einen Typ 380 ab 1933 tippen, lasse mich aber gern beines Besseren lehren.

Wenn Sie mir jetzt noch folgen wollen, dann geht es von nun an deutlich prosaischer zu.

Schluss nicht nur mit schönen jungen Frauen, die genau wissen, wo es lang geht, Schluss auch mit rassigen Sportmodellen und vor allem: Schluss mit Kokosnuss!

Mercedes-Benz „Mannheim“ 350 oder 370; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich habe Sie ja gewarnt, das haben Sie jetzt davon: Nur der Mercedes-Stern auf der Nabenkappe des Vorderrads verrät den Hersteller dieser massigen 6-Fenster-Limousine.

Auch beim x-ten Mal muss ich in solchen Fällen etliche Vergleichsfotos studieren, um den genauen Mercedes-Typ einigermaßen zuverlässig ermitteln zu können.

Sortiert man das monströse 6-Zylindermodell 12/55 PS (1926-29) aus stilistischen Gründen und den ganz großen Typ „Nürburg“ (1928/29) mit Blick auf die Proportionen aus, landet man früher oder später beim moderater dimensionierten Oberklassetyp „Mannheim“.

Mehr will ich gar nicht dazu erzählen. Daten und Fakten sowie Vergleichsfotos dazu liefert zuverlässig die 2019er Neuausgabe von Werner Oswalds Klassiker „Deutsche Autos 1920-1945“.

Bleibt nur noch die Klärung der merkwürdigen Ausrufs „Schluss mit Kokosnuss“, nicht wahr? Gewiss haben Sie auf der Hauswand im Hintergrund links über der Motorhaube des Mercedes die Reklame für „Kunerol“ gesehen.

Um was es sich genau dabei handelte, das weiß vielleicht spontan ein Leser (dann bitte Kommentarfunktion nutzen). Entscheidend ist, dass dieses Produkt offenbar aus Kokosnussfett hergestellt wurde.

Jedermann ist unmittelbar klar, dass es sich dabei damals wie heute um ein Importprodukt aus einer tropischen Region handelt. Der Transport erfolgte mit kohle- oder ölgefeuerten Frachtern über tausende Kilometern – der Preis des Endprodukts dürfte es nur für Mercedes-Fahrer geeignet gemacht haben.

Doch als das heute vorgestellte Foto des mutmaßlichen Mercedes-Benz „Mannheim“ entstand, sollte binnen weniger Wochen Schluss mit Kokosnuss sein. Denn das Foto ist umseitig auf August 1939 datiert, also kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs.

Sicher mögen da noch etliche deutsche Frachter oder solche verbündeter Staaten wie Italien auf hoher See mit dem begehrten Rohstoff an Bord gewesen sein. Auch gab es noch eine Weile transatlantischen Handel mit den USA bis zur kühnen deutschen Kriegserklärung im Dezember 1941.

Man dürfte auf deutscher Seite aber sehr schnell andere Prioritäten bei Rohstoffimporten gehabt haben. Wie schon im 1. Weltkrieg griff man dazu sogar auf Unterseeboote zurück, dort dürften aber nur im Einzelfall noch Kokosnüsse als Souvenir an Bord gewesen sein.

Beim Kriegführen gegen haushoch überlegene Gegner zieht man bei aller Großmäuligkeit oder fanatischen Opferbereitschaft früher oder später den Kürzeren. Der Verzicht auf Kokosnüsse ist da noch als am geringsten zu veranschlagen.

Ernst wird es, wenn man sich ohne Not auch von anderen, elementareren Rohstoffen abschneidet – dann ist nämlich bald Schluss mit lustig…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Der klebt auf der Straße! Hanomag 3/17 bzw. 4/23 PS

Ein griffiger Titel ist bei jedweder Publikation die halbe Miete – spontan fallen mir folgende Beispiele ein: „Freitags für Freizeit“, „Frust vom Frieren“ oder auch „Frechheit vor Freiheit“.

Wenn Sie nun glauben, ich machte es mir mit „Der klebt auf der Straße“ ebenso einfach und würde entgegen der Faktenlage eine zugkräftige Formulierung wählen, so irren Sie.

Selten war ich „der Wahrheit“ näher als heute, jedenfalls kann ich meine Behauptung schwarz auf weiß belegen. Keine Chance also für selbsternannte Faktenchecker – diese machtverliebten Hausmeistertypen der Internetära, jede Zeit hat ihre Plagen…

Wir sind ihm schon einmal begegnet – dem Hanomag des Typs 3/17 bzw. 4/23 PS von Anfang der 1930er Jahre. Er beerbte den 1930 eingeführten Vorgänger 3/16 bzw. 4/20 PS, dessen Aufbau noch etwas grobschlächtig wirkte:

Hanomag 3/16 PS oder 4/20 PS, Bauzeit: 1930-31; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf zwei Dinge möchte ich hier Ihr Augenmerk lenken:

Das eine ist der im Unterschied zur gewölbten Motorhaube waagerechte Verlauf des unteren Abschlusses der Windschutzscheibe, ein gestalterischer Rückfall in die Zeit vor 1920, möchte man meinen.

Die andere Sache ist der recht hochbeinige wirkende Auftritt – das Trittbrett befindet sich genau auf Höhe der Radmitte.

So, und jetzt schauen wir uns den noch 1931 eingeführten Nachfolger mit modernisierter Karosserie an:

Hanomag 3/17 PS oder 4/23 PS, Bauzeit: 1931-32

Sehen Sie die Unterschiede? Nicht nur verfügt dieser Hanomag über eine doppelte Chromstoßstange und ebenfalls verchromter Nabenkappe – er wirkt auch insgesamt verfeinert und: etwas tiefergelegt!

Zur Verfeinerung des Erscheinungsbilds tragen folgende Details bei: dem Profil der Motorhaube folgender Scheibenabschluss, filigraner gestaltete seitliche Zierleisten und das Rad stärker umfassender hinterer Kotflügel.

In der zugehörigen Reklame von 1931 heben die Werbeleute von Hanomag allerdings andere Dinge hervor – neben Selbstverständlichkeiten vor allem technische Aspekte:

Hanomag 3/17 PS bzw. 4/23 PS, Reklame von 1931; Original: Sammlung Michael Schlenger

Die hydraulischen Vierradbremsen verdienen in der Tat die Betonung, während die Behauptung, es sei nur in seltenen Fällen Schalten erforderlich, eine kühne These ist.

Das gilt speziell im Fall des untermotorisierten Typs 3/17 PS, dessen Vierzylinder mit gerade einmal 800ccm Hubraum an den knapp 750 kg Leergewicht schwer zu schleppen hatte.

Noch mehr dichterische Freiheit nahm man sich bei einer weiteren zeitgleichen Werbung, die dem Hanomag Kraftreserven zuschreibt, die man nie benötige – wozu sind sie dann da?

Es war schon Frechheit, sich gar mit Wagen der 35 bis 45 PS-Klasse vergleichen zu wollen:

Hanomag 3/17 PS bzw. 4/23 PS, Reklame von 1931; Original: Sammlung Michael Schlenger

Sicher haben Sie bei der amüsierten Lektüre bemerkt, woher ich die Inspiration für meinen heutigen Titel bezogen habe: „…klebt förmlich an der Straße…“ heißt es da.

Begründet wird das mit dem Tiefbettrahmen, der einen niedrigen Schwerpunkt des Wagens zur Folge hatte – man kann das auf dem oben gezeigten Foto tatsächlich nachvollziehen.

Somit kann ich schwarz auf weiß belegen, was ich so kühn im Titel behaupte – es geht doch nichts über eine Expertenmeinung, auf die man sich beziehen kann.

Allerdings nehme ich für mich in Anspruch, selbst zu überlegen, ob das alles so sein kann, wie es behauptet wird und wurde. Dazu bediene ich mich einerseits der altbewährten Praxis des Selberdenkens, andererseits präsentiere ich gerne Evidenz für meine Sicht der Dinge.

Was nun die Bodenhaftung tiefergelegter Exemplare betrifft, kann ich in Sachen Hanomag 3/17 bzw. 4/23 PS sogar das ultimative Beweisfoto anführen.

Der Wagen wirkt hier aufgrund eines Steinschlagschutzes vor dem Kühler etwas anders, aber auf ihn kommt es auch gar nicht an – sehen Sie selbst:

Hanomag 3/17 PS bzw. 4/23 PS von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So nah am Boden der Tatsachen wie dieser tiefergelegte selbstbewusste Hund war einst offenbar auch der Hanomag – viel günstiger konnte man damals in Deutschland jedenfalls keinen Wagen dieser Klasse bekommen, der „förmlich auf der Straße klebte“.

Vielleicht hätte die Marke aus Hannover mit so einer Aufnahme für ihren Wagen werben sollen – dann hätte sie wohl noch mehr als die knapp 7000 Exemplare an den Mann und die Frau mit Faible für Vierbeiner bringen können, welche 1931/32 entstanden…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Was gibt’s zum Frühstück? Alte Mercedes – in Maßen…

Als ich noch Abonnent einer als Intelligenzblatt geltenden Zeitung aus Frankfurt am Main war, konsumierte ich regelmäßig deren Inhalt von vorne bis hinten (außer dem Sportteil) auf meinen täglichen Bahnfahrten in die Finanzmetropole und zurück.

Morgens waren Politik, Wirtschaft und Finanzen Pflicht – abends gab es dann Feuilleton, Technik & Motor, Wissenschaft & Kunst usw. zur Erbauung.

Dass ich damals darüber belehrt worden wäre, in welch‘ kleinen Häusern „wir“ glücklich sein sollen oder wie zurückgebliebene Männer mit erfolgreichen Frauen umgehen sollten, daran kann ich mich nicht erinnern – auch nicht, dass es keine gesunde Bräune gäbe und Eier zum Frühstück ungesund seien…

Rund 12 Jahre ist es her, dass ich mein Abonnement aufgrund der Tendenz in Richtung politischer Korrektheit kündigte. Seither schaue ich nur noch in die Online-Ausgabe der Gazette gleichen Namens, um anhand der Überschriften zu wissen, wozu ich mich andernorts informieren sollte.

Die oberlehrerhaft vorgetragenen Anweisungen zur richtigen Lebensweise nehme ich dabei lächelnd zur Kenntnis und frage mich, wer dafür zu zahlen bereit ist. Was es zum Frühstück gibt, das weiß ich schon selbst: Einen doppelten Espresso, ein großes Glas Vollmilch und/oder Orangensaft und dann bis mittags erst einmal nichts – denn ich habe zu tun.

Da das sicher ungesund ist, rate ich an dieser Stelle ausdrücklich davon ab. Vielmehr lege ich Ihnen heute ans Herz, im Sinne einer ausgewogenen geistigen Ernährung zum Frühstück einmal alte Mercedes zu genießen – aber bitte in Maßen und nur in Papierform!

Zum genussvollen Auftakt empfehle ich den Konsum dieser Anzeige von Ende 1911:

Daimler „Mercedes“-Reklame aus: Berliner Illustrirte Zeitung, Dezember 1911; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Da bekommt man doch glatt Appetit auf mehr, nicht wahr?

Herrlich, dass man sich hier ganz auf den Genuss der grafisch meisterhaft ausgeführten Anzeige konzentrieren kann. Kein Wort dazu, was man von den „Mercedes“-Wagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft halten soll – keine bemühte Werbeprosa, keine von einem biederen Angestellten ausgedachten Botschaften, der mit der Straßenbahn ins Büro fuhr.

Sie ahnen, warum diese Reklame so wirkungsvoll ist – schlicht weil ein Mercedes anno 1911 keinen rhetorischen Rollator brauchte, um seinen Nimbus am Markt aufrechtzuhalten.

„Mercedes“, das war damals eine Garantie für das Beste im Automobilbau in deutschen Landen, der Name war bereits die ganze Botschaft.

Bei der Gelegenheit ignorieren Sie bitte den Hinweis auf die Gestaltung des „Windlaufs“, welcher den Übergang zwischen Motorhaube und Passagierraum harmonisch gestaltete.

Sie wissen, dass sich dieses Element ab 1910 bei allen deutschen Fabrikaten durchsetzte – bloß: ein neuer Leser hat das vielleicht noch nicht mitbekommen, daher die Litanei.

Schon 1913 waren die nun ansteigende Motorhaube und Windlauf zu einem optischen Ganzen verschmolzen – so ist das prinzipiell auch heute noch, sofern die Haube nicht direkt bis an die Frontscheibe reicht. Schauen Sie einfach in der Garage nach.

Gleichgeblieben war 1913 in der „Mercedes“-Werbung der Flachkühler und der Verzicht auf unnötige Belehrungen zu den Meriten der Marke:

Daimler „Mercedes“-Reklame von 1913 aus der Zeitschrift: „Motor“; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Das Jahr 1913 war freilich in einer Hinsicht von Bedeutung für das Erscheinungsbild der „Mercedes“-Wagen selbst, ohne dass dies Daimler eigens betonte.

So wich der traditionelle Flachkühler nun einem schnittigen Spitzühler, auf dem der zuvor mittig angebrachte „Mercedes“-Stern nun beiderseitig glänzte.

Unnötige Worte zu den Autos selbst verlor man nach wie vor nicht:

Daimler „Mercedes“-Reklame von 1913/14; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Auffallend ist neben dem Spitzkühler die neuartige Weise der Abbildung des Wagens als dreidimensionales Objekt und die Lässigkeit der Darstellung. Nicht viel anders pflegte man Vorkriegsautos noch Jahrzehnte später in Comics zu zeichnen.

Diese Spitzkühler-Mercedes begleiteten den Zeitungsleser – sofern er sich diesen Luxus leisten konnte – in Werbeanzeigen den ganzen 1. Weltkrieg über.

Hier haben wir als Beispiel eine Reklame aus der Kriegszeit, die einen Mercedes und im Hintergrund ein Jagdflugzeug mit markant hervorstechendem Reihenmotor zeigt, welcher damals typischerweise ebenfalls von Daimler zugeliefert wurde:

Daimler „Mercedes“-Reklame ab 1914; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Immer noch kein Wort zu den Stärken von Daimler – so sah gekonnte Autowerbung vor rund 110 Jahren aus.

Eines sei hier noch angemerkt: Während das abgebildete Fahrzeug bereits elektrische Parkleuchten besaß, die im Windlauf angebracht waren, sind die Frontscheinwerfer noch gasbetrieben. Darauf kommen wir später zurück.

Zuvor muss ich allerdings noch ein Kriegsfoto einflechten, da sonst die verwöhnten Geschmäcker der Auffassung sein könnten, dass ich sie zum Frühstück ja „nur“ mit alter Reklame abspeisen wollte.

Keine Sorge, auf dem Speiseplan steht heute auch gehaltvollere Kost, und zwar in für uns Nachgeborene leicht verdaulicher Form einer Feldpostkarte von 1916, welche einen 6-Zylinder-Mercedes zeigt:

Daimler „Mercedes“, Feldpostkarte von April 1916; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die seitlich aus der Motorhaube austretenden Auspuffrohre sind ein Hinweis auf einen Sechszylinderwagen – hier wohl ein mittleres Modell. Die ganz großen Mercedes jener Zeit sind an drei dieser Auspuffrohre zu erkennen.

Damit dieses Frühstückbuffet nicht zu einseitig wird und Ihnen die schweren Karossen aus dem Hause Daimler nicht am Ende unangenehm im Magen liegen, sei als nächster Gang diese Reklame empfohlen, welche einen unerwartet leichten Mercedes zeigt:

Daimler „Mercedes“-Reklame ab 1919; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem schlicht und leicht anmutenden Tourer mit wirkungsvoller Zweifarblackierung sind wir in der Zeit direkt nach dem 1. Weltkrieg angelangt.

Daimler bot damals in technischer Hinsicht zunächst wenig Neues – wie die meisten deutschen Hersteller. Doch der Aufbau verweist klar auf die frühen 1920er Jahre.

Nun soll man aber gerade beim Frühstück nicht zuviel zu sich nehmen, weshalb ich Ihnen an dieser Stelle ungern weitere Genüsse auftischen will.

Da mir daran liegt, dass meine Leser hier jedesmal schlauer werden – sofern möglich bei so vielen klugen Köpfen vor den Bildschirmen – bringe ich zur besseren Verdauung zum Abschluss dieses Foto eines Mercedes-Veteranen, der 1925 abgelichtet wurde:

Daimler „Mercedes“ Droschke; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nachdem ich Ihnen zuvor eine – wie ich meine – üppige Auswahl präsentiert habe, sollten Sie nun in der Lage sein, sich von diesem Mercedes ein eigenes Bild zu machen. Nur ein Hinweis: Lassen Sie sich von der nachgerüsteten elektrischen Lichtanlage nicht täuschen.

Wenn Sie genau hinsehen, lockt bei richtiger Auflösung ein Aufenthalt in der „Frühstücksstube“, in der Sie von mehr oder weniger sympathischem Personal erwartet werden und wo Sie nebenher ein Exemplar der „Wanne-Eickler-Zeitung“ studieren können.

Ob das anno 1925 magenverträglicher war als die Presselektüre rund 100 Jahre später oder gar die heute verordnete einseitige Daimler-Diät, das werden wir wohl nie erfahren…

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Brauchte etwas Zeit zum Reifen: Stoewer Typ C2 10/28 PS

Von einem feinen Rotwein und eigenständigem Denken abgesehen, brauchen nur wenige Dinge etwas Zeit zum Reifen.

Der klassische Stil im alten Griechenland entwickelte sich nicht zäh und unter Rückschlägen aus archaischen Vorläufern – er war vielmehr plötzlich fast vollkommen da. Ähnliches gilt für Gotik oder Renaissance – es gibt keine Zwischenstadien mit allmählichen Übergängen.

Einige genial Begabte schufen damals oft in kürzester Zeit etwas radikal Neues. Noch der Jugendstil ist so ein Phänomen – beinahe über Nacht taucht er auf, bevor er nach kurzem Eroberungsfeldzug mit dem 1. Weltkrieg erlischt.

Dass großartige Dinge oft unter großem Druck binnen unglaublich kurzer Zeiträume entstehen, diese Beobachtung macht man in so unterschiedlichen Feldern wie der Musik (z.B. Mozarts 21. Klavierkonzert), Literatur (z.B. Jack Kerouacs Nachkriegsepos „On the Road“) oder Luftfahrt (z.B. die Entwicklung der Boeing 747 „Jumbo“).

So wie ein effizientes Unternehmen eher zuwenige als zuviele Mitarbeiter hat, muss für kreative Dinge oft eher zuwenig als zuviel Zeit zur Verfügung stehen. Meine Kategorie „Fund des Monats“ hebt sich nicht zuletzt auch dadurch positiv von meinen sonst langatmigen Episteln ab, dass ich die Beiträge meist kurz vor Mitternacht am Monatsultimo herunterschreibe. Ich bin so gezwungen, wirklich auf den Punkt zu kommen.

Auch in der Frühzeit des Automobilbaus fällt einem die Atemlosigkeit auf, mit der die Entwickler in Europa, dann in den USA, rastlos an der Fortentwicklung dieser Erfindung arbeiteten.

Ein entsprechendes Klima scheint mir hierzulande längst abhandengekommen zu sein. Eine Volkswirtschaft, in der ernsthaft Stuhlkreise zur Work-Life-Balance und anderen Modethemen eingerichtet werden – natürlich während der Arbeitszeit – die ist erledigt.

Nichts gegen die erwähnte Balance zwischen Anspannung und Entspannung, doch die ist unter Wettbewerbsbedingungen am Weltmarkt 100%ige Privatsache. Bei gerade einmal 35 Stunden Wochenarbeitszeit plus sechs Wochen Jahresurlaub hat jeder Zeit, seine privaten Belange in den Griff zu bekommen. Im Job dagegen ist 100% Einsatz gefragt – dort gibt es nur weniges, was wirklich Zeit zum Reifen braucht.

Wie sah das eigentlich aus, wenn man sich vor rund 110 Jahren etwas Zeit zum Reifen im Automobilbau gönnte?

Weil Sie hier ja auch etwas lernen und sich nicht nur auf meine Kosten unterhalten sollen, will ich das heute am Beispiel der Marke Stoewer aus Stettin illustrieren. Dabei kann ich mich wieder auf die Unterstützung unermüdlicher Sammlerkollegen verlassen.

Den Anfang will ich mit diesem Stoewer von anno 1910 machen, der auf einem Foto aus der Sammlung von Matthias Schmidt (Dresden) auf das Schönste abgelichtet wurde:

Stoewer von 1910 (wohl Typ LT4), Besitzer: Maschinenfabrikant A. Stigler (Bayern); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier sehen wir die kleine, aber enorm anpassungsfähige Firma Stoewer an einer für alle deutschen Autohersteller wichtigen Wegmarke. Im Jahr 1910 führten nämlich alle mir bekannten Fabrikate hierzulande eine in gestalterischer Hinsicht wichtige Neuerung ein.

Die Rede ist von der „Windkappe“, ein auch als „Windlauf“ oder bisweilen „Torpedo“ bezeichneter Blechaufsatz zwischen der noch waagerecht verlaufenden Motorhaube und der Trennwand zum Innenraum.

Dieses Element findet sich ab 1907/08 zunächst im Rennsport und diente der besseren Aerodynamik und damit höheren Geschwindigkeit. Im Serienbau setzte sich dieses Bauteil wie gesagt ab 1910 durch, am konsequentesten im deutschsprachigen Raum.

Der solchermaßen modernisierte Stoewer war wahrscheinlich ein Wagen des Typs LT4 mit 1,6-Liter-Vierzylinder, der angeblich 20 PS leistete, was mir aber etwas zuviel vorkommt.

Schon ein Jahr später, anno 1911, brachte Stoewer die neuen Typen der B-Reihe heraus, deren Motorisierungen nun von 1,6 Liter bis 5 Litern reichten.

Hier haben wir einen Vertreter des 1,6 Liter-Typs B1 (16 PS) eventuell auch des 2,3-Liter-Modells B2 (22 PS):

Stoewer B-Typ von 1911/12; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Typisch für die kleineren B-Modelle von Stoewer, die bis etwas 1912 gebaut wurden, scheinen die geknickt ausgeführten Vorderkotflügel gewesen zu sein.

Dieses Element hätte ich eher in der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg vermutet, aber mitunter zeigt sich, dass bestimmte Phänomene bereits frühere Vorläufer hatten – sie brauchten offenbar doch etwas Zeit zum Reifen.

Dass die markante Kotflügelgestaltung des Stoewer auf obigem Foto nicht dem Spleen eines einzelnen Kunden entsprang, dafür spricht diese Reklame für einen Stoewer der B-Reihe von 1911/12:

Stoewer-Reklame für die Baureihe B von 1911/12; Original: Sammlung Michael Schlenger

Jedenfalls findet sich dieses Gestaltungsdetail bei der nächsten Entwicklungsstufe – den ab 1913 gebauten Modellen C1 und C2 – nicht mehr.

Sie deckten mit 1,6 bzw. 2,4 Litern ein ähnliches Hubraumspektrum ab wie die kleine B-Typen. Bei der Leistung hatte man unterdessen Fortschritte gemacht.

Hier haben wir eine Originalreklame, welche den Stoewer C1 mit 18 PS zeigt:

Reklame für den Stoewer Typ C1 6/18 PS aus der Zeitschrift „Motor“ von März 1914; Original: Sammlung Michael Schlenger

Den großen Bruder dieses wackeren Stoewer – den Typ C2 mit beachtlichen 28 PS – finden wir im Folgenden auf drei Abbildungen. Sie veranschaulichen, dass Stoewer in der kurzen Zeit ab 1910 einen beachtlichen Reifeprozess durchlaufen hatte.

Den Anfang macht diese recht verbreitete, da in der Nachkriegszeit vom Verkehrsmuseum in Umlauf gebrachte Ansichtskarte. Sie zeigt einen Stoewer C2 – wohl basierend auf einem zeitgenössischen Verkaufsprospekt von 1913/14:

Stoewer C2 10/28 PS, Bauzeit: 1913/14; Ansichtskarte der Nachkriegszeit (Verkehrsmuseum Dresden)

Noch besser als bei der Reklame für den Stoewer Typ C1 6/18 PS erkennt man hier die neue Gestaltung der Vorderkotflügel sowie die markante Ausführung der Frontscheibe, welche beinahe wie auf den oben erwähnten Windlauf aufgesetzt erscheint.

Beide Elemente finden sich – ebenso wie die inzwischen leicht ansteigende Motorhaube – auf dem folgenden Foto, das mir wiederum Matthias Schmidt aus Dresden in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat:

Stoewer Typ C2 10/28 PS von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Nun wissen Sie sicher, weshalb ich so auffallend darauf bestanden habe, dass zumindest manche Dinge „etwas Zeit zum Reifen“ benötigen.

Wann im Fall dieses Exemplars die Pneus geliefert wurden, das ist schwer zu sagen. Tatsächlich war es vor dem 1. Weltkrieg nicht unüblich, dass ein Automobil noch ohne Zubehör, wie beispielsweise die Beleuchtungsausstattung, erworben wurde.

Die Montage des Zubehörs oblag dann dem Autohaus, wobei auf übliche Zulieferer zurückgegriffen wurde. Im vorliegenden Fall scheinen immerhin die Gaslampen und der zugehörige Gasentwickler (der hohe Kasten auf dem Trittbrett) geliefert worden zu sein.

Während noch etwas Zeit für die Reifen benötigt wurde, könnte der ansonsten ladenneue Stoewer im Hof des Autohauses gestanden haben. Geben wir der Sache etwas Zeit zum Reifen und schauen dann noch einmal nach.

Kurioserweise gibt es ein zweites Foto desselben Typs – wenn auch nicht desselben Autos – in einer ähnlichen Situation. Dieses stammt aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks:

Stoewer Typ C2 10/28 PS von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Im ersten Moment glaubte ich, dass die Wagen identisch seien, doch wenn Sie genau hinsehen, werden Sie einige Unterschiede bemerken, die nicht nur der Beleuchtung oder dem anderen Standort geschuldet sind.

Dabei werden sie aber eines ganz gewiss feststellen: Auch dieser Stoewer brauchte erkennbar noch etwas Zeit zum Reifen.

Das war jedoch nicht die Schuld der kleinen, aber feinen Firma aus Stettin, die in den rasanten Jahren der Entwicklung vor dem 1. Weltkrieg ein phänomenales Tempo hinlegte und stets unter großem Druck stehend, sehr erfolgreich mit der Zeit ging.

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Ein Auto zum Abheben: Amilcar Type CGS

Ein Auto, das abhebt, wirklich? Im Rennsport traditionell ein gefürchteter Moment, wenn ein Wagen durch übermäßigen Auftrieb den Bodenkontakt verliert. Dagegen wurden bald probate Mittel eingesetzt, um allzu kühnem Aufwärtsstreben entgegenzuwirken.

Doch dagegen, den Bodenkontakt mit der Wirklichkeit zu verlieren, ist man auch in unseren Tagen nicht gefeit. Seit Jahren verfolgten mit der Fliegerei Vertraute halb spöttisch, halb fassungslos, die Versuche, elektrische Flugtaxis auf den Markt zu bekommen.

Damit sollte zum günstigen Tarif künftig in den Städten der Taxibetrieb in die dritte Dimension verlagert werden. Dabei war weniger die Technik fragwürdig, prinzipiell lässt sich das Konzept der Drohne auf einen entsprechenden Maßstab skalieren.

Aber jeder, der schon einmal in einer Sportmaschine mitgeflogen ist, weiß um die Komplexität der Bewegung in der dritten Dimension – selbst in ländlichen Gebieten.

Pilot und Tower müssen den Luftraum ständig aufmerksam beobachten, auf Hindernisse oder Verzögerungen muss in genau einstudierter Weise reagiert werden, was eine Disziplin und Erfahrung erfordert, welche die eines Taxifahrers auf dem Boden weit überschreitet.

Nicht zuletzt ist jedes Fluggerät plötzlichen Änderungen der aerodynamischen Verhältnisse ausgesetzt – Luftlöcher, Aufwinde und Scherwinde verlangen großes fliegerisches Können speziell bei der Landung, weshalb diese bis heute von Berufspiloten übernommen wird.

Ich kenne das ein wenig von Mitfluggelegenheiten im Aero-Club Bad Nauheim – sei es mit der behäbigen Focke-Wulff „Stieglitz“ der Vorkriegszeit, sei es mit einem hochmotorisierten „Yakovlev“-Militärtrainer, mit dem ich Rollen und Parabelflüge absolvieren durfte (nichts für Leute mit Kreislaufschwäche, nebenbei).

Und nun soll Fliegerei ausgerechnet in städtischen Ballungsgebieten demokratisiert werden? Soll einfach jedes Flugtaxi starten und landen können, wo es der Passagier will? Völlig illusorisch. Damit ist die Sache erledigt, weil Tür-zu-Tür-Service unmöglich ist.

Dennoch flossen 1,5 Milliarden an spekulativem Kapital in ein solches Projekt in deutschen Landen, welches kürzlich die Flinte ins Korn werfen musste. Doch das Geld ist volkswirtschaftlich nicht weg, es ist jetzt nur in anderen Händen und wird hoffentlich in aussichtsreichere Verwendungen fließen.

Gleichwohl gefällt mir die Verbindung von Fliegerei und Automobilismus ausnehmend gut. Hier als Beispiel mein komplett original erhaltener und nur technisch überholter Peugeot 202 als Gast beim Flugtag beim Aero-Club Bad Nauheim im Jahr 2014:

Peugeot 202 UH, Flugtag Bad Nauheim 2014; Bildrechte: Michael Schlenger

Zwar ist mein wackerer Peugeot-Pickup, der sein Dasein beim französischen Militär begann und später von einem Bauern in der Champagne übernommen wurde, bevor er nach Jahren des Schlummers zu mir gelangte, leistungsmäßig nicht gerade zum Abheben geeignet.

Er ist als LKW klassifiziert und sein Motor ist gegenüber der Limousine gedrosselt, ab Tempo 70 wird es zäh mit dem Vorwärtsdrang. Aber er macht zum Abheben viel Freude und alle, die ihn sehen, verlieben sich in seine Optik mit den hinter dem Kühler sitzenden Scheinwerfern.

Doch es geht auch durchaus sportlich, was die Kombination aus Auto und Flugggerät angeht. Das will ich Ihnen anhand eines Fotos zeigen, das ich jüngst erworben habe.

Mir war auf Anhieb klar, dass es einen Sportwagen der französischen Marke Amilcar von Mitte der 1920er Jahre zeigte – nur der genaue Typ war noch ungewiss. Auch ein hübsches Detail an dem Auto hatte ich beim Erwerb noch nicht bemerkt.

Aber schauen Sie sich das einfach selbst an – möchte man da nicht innerlich abheben?

Amilcar Typ CGS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ja, so muss ein leichter Sportwagen um Mitte der 1920er Jahre aussehen, nicht wahr?

Bootsheckkarosserie, tiefe Türausschnitte im schmalen Aufbau, damit genügend seitlicher Bewegungsspielraum vorhanden ist, vor allem für den Wagenlenker.

Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss und minimalistische Kotflügel helfen, das Gewicht gering und die Optik rasant zu halten. Dabei werkelt unter der Motorhaube bloß ein Vierzylinder mit 1,1 Litern Hubraum.

Trotz der strömungsungünstigen Seitenventil-Konstruktion, die immer noch auf dem ersten Amilcar des Typs CC von 1921 basierte, holte man aus dem Motor ab 1923 bereits standfeste 33 PS heraus. Das sollte auch zehn Jahre später noch beachtlich sein.

Ein Spitzentempo von 115 km/h war mit diesem Wagen drin und wir dürfen davon ausgehen, dass sich dies wie heute mehr als 150 km/h anfühlte. Für gewisse Fahrsicherheit sorgten die vier Stoßdämpfer und die Vierradbremse – vor 1925 keineswegs Standard.

Was die Karosserie betrifft, bot Amilcar selbst keine Aufbauten ab. Das Hauptgeschäft in der Hinsicht übernahm die Firma Duval, die viele Variationen über das Thema des sportlichen Zweisitzers anbot.

Hier haben wir eine Ausführung mit lang nach hinten gezogenen Vorderkotflügeln, die neben einer anderen Version offeriert wurde, welche das Rad umfasste.

Die extrem reduzierte Form des hinteren Kotflügels ist neben den fast in Wagenmitte angebrachten Ausleger-Blattfedern der Hinterachse eines von vielen Details, die den Wagen als Amilcar erkennbar machen.

Eher ungewöhnlich ist die recht hohe und fast senkrecht stehende Frontscheibe. Mag sein, dass sie einer Forderung der jungen Dame am Steuer entsprang, die Wert auf eine modische Kopfbedeckung auch in solchen sportlichen Lebenslagen legte:

Wie das Licht auf ihrer Kappe, dem Pelz und dem hellen Mantel spielt und strahlt, das lässt einem das Herz höher schlagen und die nach Schönheit dürstende Seele schweben.

Wie schon so oft konstatiert: Es gibt kein Automobil, das nicht durch die Anwesenheit einer ansehnlichen Frauensperson das entscheidende Element erhält, welches seine Wirkung vervollkomnet.

Leider wissen wir nichts über die Schöne, die uns über einen Abstand von rund 100 Jahren anlächelt, als sei es gestern gewesen. Die Umstände des Erwerbs lassen aber vermuten, dass der Wagen in Deutschland zugelassen war – bei Amilcar keine Seltenheit, denn kein einheimischer Hersteller bot in dieser Hubraumklasse damals Vergleichbares.

Alles schön und gut, mögen Sie jetzt sagen, wir mögen dergleichen Abschweifungen ebenfalls. Aber was ist denn jetzt mit den in Aussicht gestellten fliegerischen Qualitäten dieses Amilcar?

Wenn Sie es partout nicht mehr aushalten, dann sagen wir der Erscheinung am Steuer nun: „Adieu Madame, es war schön, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.

Abschließend wenden wir uns dem Detail des Wagens zu, welches mich zum Titel des heutigen Blog-Eintrags inspiriert hat.

Also, bilde ich es mir ein, oder ist hier als Kühlerfigur nicht ein Flugzeug zu sehen?

Das zu beurteilen und auch die Interpretation des Standers neben dem Scheinwerfer überlasse ich gerne Ihnen, liebe Leser.

Ich habe noch einiges zu erledigen, und Sie werden davon profitieren in nächster Zeit, wenn Sie wie ich die Betrachtung solcher alter Autofotos als eine erhebende und vielleicht sogar beflügelnde Erfahrung empfinden…

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Erinnerungen an treue Gefährte(n): Ford „Eifel“

Das Wortspiel im Titel mag nicht das Originellste sein – aber es trifft genau das, worum es heute gehen soll. Erinnnert werden soll an den Wert des Privaten, das im besten Fall selbst größte Umbrüche der Zeitgeschichte zu überdauern vermag.

Dabei ist man gut beraten, sich auf treue Weggefährte(n) verlassen zu können, ob auf zwei oder vier Beinen oder auch vier Rädern.

Die von starken Überzeugungen und fundierter Zuneigung bestimmte Wahl der Partner auf dem Weg durchs das Dasein bietet die solideste Basis – ganz gleich was einem Familie, Nachbarn oder sonstiges soziales Umfeld aus selten selbstlosen Motiven anraten.

Die Gelegenheit, dieses Thema anhand des Ford „Eifel“ der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu illustrieren, gab mir dieser Tage Frank Seifert. Er sandte mir Fotos zu, die Automobile seines Großvaters zeigten und bat um Bestätigung der Typansprache.

Dem kam ich nur zu gerne nach – zum einen, weil ich keine Arbeit hatte, denn Herr Seifert hatte selbst bereits ins Schwarze getroffen. Zum anderen weil ich so ein weiteres sehr reizvolles Foto zeigen kann, welches mich auf wundersame Weise an diese bereits vor längerem vorgestellte Aufnahme aus meinem eigenen Fundus erinnerte:

Ford Eifel, Ausführung ab 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto, das ab 1948 in der damaligen amerikanischen Besatzungszone Bayern (siehe die Kennung AB) entstand, illustriert für mich vollkommen die eingangs erwähnte Harmonie zwischen wahren Gefährten, die auch schwere Zeiten zu überdauern vermag.

Das erstreckt sich auch auf den gut erhaltenen Ford des Typs „Eifel“, welcher ab 1935 im Kölner Werk gebaut wurde. Nach dem unglücklich gestalteten Vorgängermodell „Köln“, das zudem für seine Größe untermotorisiert war, bot der „Eifel“ mit seinem 34 PS leistenden 1,2-Liter-Vierzylinder ausreichende Fahrleistungen, was Spitze 100 km/h umfasste.

Dazu passend erhielt der „Eifel“ ab 1937 eine am spektakulären Ford V8 orientierte schnittige Kühlerfront, die bereits auf dem ersten Foto zu sehen ist. Hier zur Verdeutlichung eine weitere Aufnahme aus Bayern, hier freilich noch aus der Vorkriegszeit:

Ford Eifel, Ausführung ab 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wiederum sehen wir Gefährt und Gefährten auf erfreuliche Weise vereint. Gut lachen hatten diese Besitzer auch aufgrund des Aufbaus, welcher die besten Seiten eines Cabrios und einer Limousine vereinte – daher die Bezeichnung Cabrio-Limousine, seinerzeit sehr beliebt.

Technisch war der „Eifel“ mit Seitenventilen, vorderer Starrachse und mechanischen Bremsen zwar nicht auf dem Niveau des NSU-Fiat 1100 – damals wohl das beste Auto seiner Klasse aus deutscher Produktion – aber er war deutlich günstiger.

Auch die für Ford damals noch typische äußerst robuste Machart zeichnete ihn aus. So wurde der bis 1939 gebaute Wagen im Krieg für viele Soldaten zum – diesmal allerdings unfreiwilligen – Gefährten, hier ergänzt durch einen sympathischen Vierbeiner::

Ford „Eifel“ (Ausführung ab 1937), im 2. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte nun anhand des mir vorliegenden Materials ausführlich den weiteren Weg des Ford „Eifel“ durch Kriegs- und Nachkriegszeit illustrieren, doch das findet sich auch in meiner Markengalerie.

Vielmehr möchte ich nun zum eigentlichen Thema zurückkehren und diesem dabei einen weiteren Aspekt abgewinnen, den ich heute noch nicht beleuchtet habe.

Denn während die meisten Vorkriegsautofreunde den Ford „Eifel“ vor allem in der gezeigten ab 1937 gebauten Version mit Spitzkühler kennen, die mit Abstand am häufigsten war, wollen wir auch der ersten Ausführung unsere Reverenz erweisen.

Gezeigt habe ich diese überhaupt erst einmal, und zwar anhand dieser Aufnahme:

Ford „Eifel“ (Ausführung von 1935/36); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn hier „nur“ der Kühler und die Haubenschlitze anders gestaltet sind, wirkt der Wagen völlig anders – konservativer, weniger modisch, positiv formuliert: klassischer.

Die hohe schmale Kühlerausführung verweist auf die urspüngliche Herkunft des Ford „Eifel“. Er war nämlich bei Einführung anno 1935 nur das in Deutschland mit Linkslenkung gebaute Ford Model C, das in England entwickelt worden war.

Damals folgte die Karosseriegestaltung in Großbritannien eigenen Gesetzen – weder die amerikanischen Tendenzen, noch die auf dem europäischen Kontinent schlugen sich dort besonders stark nieder. Dieses Phänomen sollte bis in die 1950er Jahre Bestand haben.

Während mir diese aristokratisch zurückhaltende erste Version des Ford Eifel lange Zeit etwas altbacken vorkam, schätze ich mittlerweile ihre Qualitäten.

Daran ist Frank Seifert nicht unschuldig, denn auf dem Foto aus seinem Familienalbum, das er mir in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat, erscheint der frühe Ford „Eifel“ perfekt:

Ford „Eifel“ (Ausführung von 1935/36); Originalfoto in Familienbesitz (mit freundlicher Genehmigng von Frank Seifert)

Die Wirkung dieser Aufnahme ist aber nicht nur der harmonisch proportionierten Front des Ford „Eifel“ geschuldet, sondern vor allem dem Mit- und Nebeneinander echter Gefährte(n).

Hier sehen wir nämlich den Großvater von Frank Seifert mit seiner Frau im Jahr 1949 in der malerischen fränkischen Kleinstadt Pegnitz. An ihrer Seite der über den Krieg gerettete Ford und nicht zuletzt ein kleiner, aber nicht weniger wichtiger Vierbeiner in Gestalt eines glänzend posierenden Dackels.

Schön und beinahe zeitlos ist auch der Hintergrund mit alter Bruchsteinmauer, Fachwerk und blühendem Gesträuch neben der Garage, in welcher der alte Kölner Gefährte „wohnte“.

Wie mir Frank Seifert berichtete, war sein Großvater, der ein gutgehendes Malergeschäft betrieb, ein passionierter Autofahrer. Bereits in den 1920er Jahren hatte er einen Brennabor des Typs R 6/25 PS besessen.

Hier sehen wir nun das Paar nach dem 2. Weltkrieg als gealterte Gefährten vereint mit ihren übrigen Wegbegleitern, die ihnen wichtig waren und die deshalb mit auf das Foto mussten.

Man ahnt, dass die letzten zehn Jahre kein Zuckerschlecken waren, aber man sieht hier keine verarmten Leute, sondern durchaus auf ihren Status bedachte Bürger.

In schweren Zeiten die richtigen Gefährte(n) an seiner Seite zu haben, sich auch unter harten Bedingungen seine Würde zu bewahren, das kann offenbar gelingen.

Man muss schon etwas tun dafür und das eine oder andere Opfer ist vonnöten, aber es bleibt der Eindruck eines gelungene Lebens. Opa Seifert sollte übrigens noch bis Mitte 80 selbst Auto fahren, auch wenn das zuletzt etwas abenteuerlich war, wie ich erfuhr…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Auch das war einst echte Wertarbeit! Skoda 645

Den Kult um die angeblich unerreichte deutsche Wertarbeit habe ich nie verstanden – jedenfalls nicht im Hinblick auf Automobile.

Wie in anderen Ländern auch finden sich in Deutschland neben großen Geniestreichen ebenso ausgemachte Fehlkonstruktionen, neben Vorbildern in Sachen feinster Verarbeitung ebenso mies gemachte Klapperkisten.

Der Mercedes-Stern konnte einen lahmen Roster wie den Heckflosser meines Vaters zieren, aber auch den genialen „Baby-Benz“ 190 der 1980er Jahre, der heute noch im Alltag zu finden ist – nach Meinung vieler eines der besten Autos der Marke der letzten 40 Jahre.

Volkswagen baute anfangs gnadenlos zuverlässige und ewig haltbare Autos wie den Käfer, der in Gestalt des 63er Exportmodells mit schickem Faltschiebedach bis Ende der 80er der Alltagswagen meiner Mutter war. Leider wurde er im Jahr meines Führerscheinerwerbs, der mir auf einem unkultivierten und dröhnigen Golf II Diesel gelang, gegen einen bräsigen Opel D-Kadett eingetauscht, der Rost, Plastikinterieur auf Ostblockniveau und Motormalaisen bot.

Nach einer solchen Historie war der erste und einzige deutsche Wagen, den ich je besaß, natürlich ein Käfer, den ich für 2.000 Mark mit ca. 100.000 km auf der Uhr erwarb. Er blieb mir bis Kilometerstand 220.000 treu, als der noch originale Motor nach über 10 Jahren Vollgas-Ganzjahresbetrieb aufgab. Für den Wagen mit Motorschaden bekam ich dann noch 1.000 EUR – meine beste Erfahrung mit deutscher Wertarbeit, ach nee: er kam ja aus Mexiko!

Seither habe ich nur ausländische Fabrikate besessen – vor allem englische (MGB, Jaguar XJ6, Landrover Serie III) und italienische (Fiat 1100, Innocenti-Mini). Alle haben bloß ein paar Tausender gekostet und vom Fiat abgesehen haben sie hohe sechstellige Laufleistungen. Ein Platter am MGB, ein kaputter Zündkondensator beim Inno und eine abgerissene Antriebswelle beim Landy waren die einzigen Defekte – keiner verhinderte, das ich wieder heimkam (beim Landrover rettete mich der Allradantrieb).

Ok, werden Sie jetzt sagen, aber die werden sicher nur wenig gefahren. Stimmt, auch wenn ich mit dem MGB schon in Italien und mit dem Jaguar in England war.

Im Alltag – und das heißt vor allem auf meinen Touren nach Italien – fahre ich einen Dacia „Duster“. Also ebenfalls keine deutsche „Wertarbeit“ – entwickelt in Frankreich und gebaut in Rumänien – oje…

Nach problemlosen, komfortabel und verbrauchsgünstig absolvierten 45.000 km weiß ich, warum sich der Duster seit vielen Jahren so gut verkauft. Für vergleichbare Qualität und Ausstattung (u.a. zuschaltbarer Allradantrieb) hätte ich für ein deutsches Fabrikat fast das Doppelte ausgeben und eine langweilige Optik akzeptieren müssen.

Dazu passt – und jetzt kommen wir zum eigentlichen Gegenstand der heutigen Betrachtung – dass den Volkswagen aus Wolfsburger Produktion die qualitativ mindestens ebensoguten, aber günstigeren und viel margenstärkeren Skodas im selben Konzern gegenüberstehen.

Die Tschechen schaffen das Kunststück mit weit weniger Arbeitern mehr Gewinn zu erwirtschaften und das bei anerkannter Top-Verarbeitung – so las ich kürzlich.

Das glaube ich sofort. Denn auch wenn es bedingt durch den Kommunismus in der einstigen Tschechoslowakei keine Konstruktionstradition bei Skoda gibt, die in die Gegenwart reicht, ist es eine altbekannte Sache, dass die Tschechen schon vor dem 2. Weltkrieg eine Reihe ganz ausgezeichneter und oft gutaussehender Autos bauten.

Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an diese schöne Aufnahme eines Skoda 645 in Österreich, die ich vor gut zwei Jahren hier vorgestellt habe:

Skoda 645 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Cabriolet mit hell abgesetzten Zierleisten handelt es sich um Skodas Sechszylindertyp mit 45 PS – daher die Bezeichnung 645 – der 1929 eingeführt wurde und von dem bis 1934 rund 750 Stück gebaut wurden.

Daneben bot Skoda mit dem Typ 860 auch einen beeindruckenden Achtzylinderwagen an, von dem aber keine 50 Stück entstanden.

Wie alle tschechischen Hersteller hatte Skoda das Problem eines zu kleinen lokalen Markts im Anschluss an die Zerschlagung des österreichisch-ungarischen Reichs anno 1918. Das stand einer Skalierung der Produktion entgegen, welche die Voraussetzung für niedrigere Preise gewesen wäre.

So blieben auch die Skodas jener Zeit trotz zeitgemäßer Konstruktion und bester Werkmannsarbeit ausgesprochen seltene Erscheinungen – weshalb jedes „neu“ auftauchende Foto zu begrüßen ist, weil es die Marke ins verdiente Licht zu rücken hilft – so wie hier:

Skoda 645; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie ich den Wagentyp identifiziert habe, muss ich wohl nicht eigens erklären – alles Nötige dazu findet sich auf dem Kühlergrill – das würde man sich bei manchem anderen Wagen der Vorkriegszeit ebenfalls wünschen.

Hübsche Details sind neben der dreidimensional gestalteten Kühlerfigur, deren Silhouette sich bis in unsere Tage erhalten hat, die beiden vor der Windschutzscheibe angebrachten Lüftungseinlässe – eine markante Alternative zu den sonst gebräuchlichen seitlichen Belüftungsklappen.

Wohl nicht mehr klären lässt sich die Frage, woher dieser Skoda kam – das Nummernschild könnte sogar ein deutsches gewesen sein – und wo er unterwegs war. Ich tippe auf eine Bergregion irgendwo auf dem Balkan – aber das ist ein weites Feld.

Festzuhalten bleibt, dass Skoda mit seinen Sechszylinderwagen – 1931 folgte noch der kompakte Typ 633 – damals hervorragende Beispiele für echte Wertarbeit ablieferte. Der inländische Hauptkonkurrent Praga war nur hinsichtlich der Stückzahlen überlegen (vgl. diesbezüglich: P. Kozisek/J. Kralik: L&K- Skoda, Teil 1 1895-1945, hrsg. 2004).

Zum Abschluss können Sie sich hier ein eigenes Urteil von der gelungenen Anmutung und hervorragenden Verarbeitung des Skoda machen – der innen mit aufwendiger Holzausstattung geradezu luxuriös erscheint:

Videoquelle: Yuotube.com; hochgeladen von FreeMotionCanvas

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Mut zur Lücke: Ist das ein Dixi R5 5/14 PS?

Zwei Dinge habe ich in der Schule wirklich gründlich gelernt. Das eine war Latein, das ich von der siebten Klasse bis zum Abitur belegte.

Meine mündliche Abiturprüfung in Latein legte ich über die Liebesgedichte des römischen Dichters Catull (1. Jh. v. Chr.) ab, obwohl ich von der Materie damals in praktischer Hinsicht wenig Ahnung hatte. Das stand dem schulischen Erfolg jedoch nicht im Wege.

Das zweite Fach war Mathematik – wie beim Lateinischen war hier pure Logik gefragt – die im Unterschied zu Musik oder Kunst kein Talent erfordert, sondern „nur“ Disziplin.

Während ich den Lateinunterricht stets gemocht habe, kam mir die Mathematik immer als notwendiges Übel vor.

Nachdem ich an der Universität im Hauptstudium die gefürchtete große Statistikprüfung knapp bestanden hatte, welche Volkswirte absolvieren müssen, hatte ich genug von Mathematik.

Eine Sache aus dem Mathematikunterricht am Gymnasium ist mir aber noch gegenwärtig.

Es war der Spruch eines kreativen Lehrers, welcher seine Computerfirma auf seine Frau angemeldet hatte. Nachmittags konnte er sich ihr hingebungsvoll widmen – der Firma – denn ein Mathematiklehrer muss sich wie ein Lateinpauker nicht weiterbilden.

Mut zur Lücke“ pflegte er zu sagen, wenn sich jemand seiner Sache nicht sicher war. Das sagte mir damals nicht viel, aber hängengeblieben ist es trotzdem.

Heute komme ich darauf zurück. Denn beim folgenden Foto, welches ich Leser Matthias Schmidt (Dresden) verdanke, brauche ich Mut, um eine mutmaßliche Lücke zu füllen:

Dixi Typ R5 5/14 PS (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wer hier spontan einen Dixi der Fahrzeugwerke Eisenach erkennt, liegt schon einmal richtig.

Den vorne abgerundeten Spitzkühler in Kombination mit vier nach hinten geneigten kurzen Luftschlitzen in der Motorhaube gab es so nur bei Dixi kurz nach dem 1. Weltkrieg.

Sieht doch ganz aus wie der ab 1921 gebaute Typ G1 6/18 PS, welchen ich hier schon öfters dokumentiert habe, oder?

Aber haben Sie Mut zur enormen Lücke, die uns zeitlich von damals trennt, und schauen Sie einmal genau hin:

Dixi Typ G1 6/18 PS, Bauzeit: 1921-23; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Dixi des Typs G1 6/18 PS stimmt etliches überein mit dem eingangs gezeigten Wagen: Kühlerform, Haubenschlitze, Drahtspeichenräder und „Tulpen“-Karosserie.

Aber eines weicht deutlich ab, nämlich die Beleuchtungsanlage. Diese war beim Dixi des Typs G1 stets elektrisch, wie das Anfang der 1920er Jahre Standard war.

Das Foto von Matthias Schmidt zeigt jedoch ein Fahrzeug, dessen Scheinwerfer zumindest der Form nach noch gasbetrieben waren. Auch der Schwung der hinteren Kotflügel erinnert eher an Modelle aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg.

Zwar gab es auch elektrische Scheinwerfer, welche die Trommelform der gasbetriebenen Vorläufer aufnahmen, aber an einem Nachkriegs-Dixi habe ich diese noch nie gesehen.

Angesichts der bisher leider mangelhaften Dokumentation der Dixi-Typen jener Zeit bleibt nur zu sagen: „Mut zur Lücke“ und selbst eine vorläufige These aufzustellen. Es gab nämlich parallel zum ab 1921 gebauten Dixi-Typ G1 6/18 PS noch das kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs eingeführte Modell R5 5/14 PS.

Die Angaben dazu im bisherigen Standardwerk zu den Dixi-Wagen – H. Schraders Werk „BMW-Automobile“ von 1978, welches auch die Dixis abdeckt – sind fragwürdig. Der Typ R 5/14 PS habe eine elektrische Beleuchtung und eine innenliegende Schaltung gehabt.

Garniert wurde das Ganze mit der Abbildung eines Wagens mit außenliegender Schaltung und Gasbeleuchtung. Mut zur Lücke hatte man offenbar bei der Bebilderung nicht.

Meine Vermutung ist dennoch die, dass das Foto von Matthias Schmidt einen Dixi des Vorkriegstyps R 5/14 PS zeigt, welcher nach dem 1. Weltkrieg noch kurze Zeit weitergebaut wurde. Dass dies bis 1925 der Fall gewesen sein, wie Schrader behauptet, ist abwegig.

Gewissheit in der Frage erwarte ich mir eher von Zeitgenossen, welche sich in unseren Tagen mit der Dokumentation der Dixi-Wagen vor der Übernahme durch BMW befassen.

Ich weiß von einem Buchprojekt in der Hinsicht und fiebere seiner Fertigstellung entgegen. Da man mit Vorkriegsautos letztlich nie fertig wird, auch wenn deren Historie naiven Zeitgenossen „abgeschlossen“ erscheint, möchte ich zu „Mut zur Lücke“ aufrufen.

Reifen soll so ein Projekt schon und aus der Hüfte schießen, wie ich das hier gern tue, kann ein ernsthafter Automobilhistoriker nicht. Aber man sollte das Ziel auch nicht ewig nur anvisieren, irgendwann muss man auch abdrücken.

Nachladen kann man dann immer noch, wenn man ausreichend munitioniert ist, und dann kann man korrigieren oder präziser werden – insofern Mut zur Lücke!

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Französische Verhältnisse: Renault-Limousine von 1927

Hat man noch die besten Zeiten der guten alten BRD mitbekommen – für mich waren das die 1970/80er Jahre – kann man zu dem Eindruck gelangen, dass in unseren Tagen einiges hierzulande ins Rutschen gerät.

Die lange Zeit ausgewogene Balance zwischen den Kräften in der Gesellschaft scheint nicht mehr gegeben.

Ich will an dieser Stelle nicht konkreter werden – wer mit offenen Augen und eigenem Urteil ausgestattet die gegenwärtigen Verhältnisse betrachtet, mag im Privaten wie im Politischen entsprechende Beobachtungen machen.

An sich handelt es sich um Schieflagen im Machtgefüge, die sich wieder ins Lot bringen ließen, doch dazu wären Korrekturen an allzu einseitig gewordenen Verhältnissen vonnöten.

Das passende Foto dazu fand ich heute abend auf der Rückseite eines Albumblatts, bei dem mich eigentlich dessen Vorderseite angesprochen hatte – das wollte ich Ihnen nicht vorenthalten, bevor es zur eigentlichen Sache geht:

Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir es offenbar mit einer nicht mehr im Gleichgewicht befindlichen Situation zu tun. Dabei handelt sich allerdings um französische Verhältnisse, wie sie sich auch in unseren Tagen bei unseren linksrheinischen Nachbarn konstatieren lassen.

Gewinnt eine Seite zu sehr an Gewicht und rückt zu weit weg von der soliden Mitte, bekommen die Dinge eine riskante Neigung.

Die Gegenseite ist zwar zahlenmäßig überlegen, kann sich aber keine ausreichende Geltung verschaffen, vielleicht mangelt es an Koordination oder – schlimmer: an der Einsicht in den Ernst der Lage.

Wo ist denn diese Aufnahme entstanden, die sich so trefflich zur Beschreibung aktueller Verhältnisse eignet?„, mögen Sie jetzt fragen. Ich wüsste es nicht, hätte nicht jemand einst unter der Aufnahme lapidar vermerkt: „à Sarlabot„.

Eine kurze Recherche führte dann in der Tat mitten in schönste französische Verhältnisse, nämlich in die Region Calvados in der Normandie.

Dort befand sich im beschaulichen Urlaubsort Dives-sur-Mer- von wo aus angeblich 1066 die Invasionsflotte von William the Conqueror gen England aufbrach – ein als Ausflugsziel beliebtes herrschaftliches Anwesen: die Ferme de Sarlabot.

Die Wippe auf dem eingangs gezeigten Foto findet sich auch auf anderen historischen Fotos dieser Lokalität wieder.

Nur vermuten können wir indessen, dass die zweite Aufnahme, welche von französischen Verhältnissen kündet, einst ebenfalls in dem Ferienort an der Küste entstanden ist:

Renault von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Klar ist, dass wir es zum Teil mit denselben Personen zu tun haben. Außerdem lässt sich der Wagen mit der eigenwilligen Frontpartie und dem großzügigen Aufbau als 6-Fenster-Limousine recht genau ansprechen.

Aus formaler Sicht würde ich das Auto als Renault von 1927/28 identifizieren. Der traditionell auf Eigenständigkeit bedachte Hersteller hielt damals noch an der Anordnung des Kühlers hinter dem Motor fest, weshalb hier kein Kühlergrill zu sehen ist.

Typisch für diese speziellen französischen Verhältnisse waren die Luftschlitze in der Motorhaube, welche nicht dem Ableiten heißer Luft aus dem Motorraum dienten, sondern im Gegenteil dem Zuleiten kühler Außenluft in Richtung Kühler.

Renault hatte diese thermisch problematisch erscheinende Lösung perfekt im Griff, sodass selbst stärkste Modelle der Marke bis etwa 1929 damit ausgerüstet wurden.

Im vorliegenden Fall dürften wir es indessen eher mit einem Modell der Mittelklasse zu tun haben, vermutlich dem Vierzylindertyp KZ. Die äußerlich sehr ähnliche Basisvariante NN dürfen wir mit Blick auf den großen und schweren Aufbau ausschließen.

Noch genauer will ich mich nicht festlegen – denn mit den sehr speziellen französischen Verhältnissen der Renaults der Vorkriegszeit bin ich wenig vertraut. Selbst die Modelle der 1930er Jahre bereiten mir oft Kopfzerbrechen angesichts der Vielzahl der Typen, ihrer optischen Ähnlichkeit und ihrer verwirrend-schönen Bezeichnungen.

Dass uns Deutschen die französischen Verhältnisse oft rätselhaft erscheinen, gehört zu den charmanten Aspekten interkultureller Vergleiche selbst zwischen engen Nachbarn. Wenn es nach mir ginge, können die spezifischen Eigenheiten der europäischen Völker ruhig bestehen bleiben – ein EU-Einheitstyp nach Brüsseler Norm wäre der Tod Europas.

Doch zurück zu den spezifischen Verhältnissen auf dem Renault-Foto. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass da jemand zwar formal dem Partner die Treue hält, aber in Wahrheit mit einem anderen Kandidaten liebäugelt?

Entgegen aller Schwüre mündeten diese französischen Verhältnisse am Ende vielleicht in eine neue Balance – so delikat dies zunächst auch scheinen mag.

Im Idealfall ergibt sich ein Einklang von Herz und Verstand, aber schon manche reine Vernunftehe hat sich als segensreicher erwiesen als eine „amour fou“.

Ein Letztes: Woran liegt es, dass ich über das heutige Erscheinungsbild der „Ferme de Sarlabot“ nichts finden konnte? Ist sie bei der alliierten Invasion 1944 zerstört worden oder habe ich bloß nicht richtig gesucht, weil mir die französischen Verhältnisse eher fremd sind?

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Altes Messing – neuer Glanz: Hansa trifft Fiat

Mitunter staune ich selbst, auf welchen Wegen ich vom Alltag – oder meiner Wahrnehmung desselben – zum neusten Thema meines Blogs gelange. Aber das ist das Wesen eines Blogs – kurz für „Weblog“, also: Online-Tagebuch.

Man verarbeitet darin für Dritte nachvollziehbar, was einen beschäftigt, belustigt oder auch besorgt – verbunden mit einem Thema, das nicht nur für einen selbst von Interesse ist. So sollte es jedenfalls sein.

Diesmal ist der Anlass zu diesen Zeilen (und dem präsentierten Bildmaterial) ein durchaus privater, aber zugleich einer, der vielen vertraut sein dürfte.

Die Eltern der besseren Hälfte – beide in den fortgeschrittenen 80ern – bewohnen bisher eine Erdgeschosswohnung in einem Haus des späten Jugendstils, sogar mit eigenem Garten. Aber die Zeiten scheinen vorbei, in denen sie ihren Alltag vollständig selbst bewältigen können – eine permanente Betreuung ist vonnöten.

Glücklicherweise wurde im selben Haus kürzlich die Dachgeschosswohnung frei, die wir kurzerhand angemietet haben und für eine Ganztagsbetreuerin herrichten. Ich muss nicht betonen, dass dies sehr viel Geld und Zeit kostet, aber für die bestmögliche Lösung in der Situation gilt es, eigene Belange hintanzustellen.

Nun mag man sich unter einer Dachgeschosswohnung alles Mögliche vorstellen. Doch im vorliegenden Fall handelt es sich um eine großzügige Variante, zwar mit Schrägen, doch mit über 5 Meter lichter Höhe im Wohnzimmer, Terrasse und Blick über die Dächer von Bad Nauheim hinauf auf den Johannisberg – einen Ausläufer des Taunus, welcher irgendwann im Blog noch eine Rolle spielen wird.

Zu den Arbeiten in der Wohnung gehört neben etwas Streicherei vor allem die Aufarbeitung von Details aus den 1980er Jahren. Die Besitzer des Hauses waren damals großzügig, so wurden Massivholztüren mit Messingklinken und -beschlägen verbaut.

Nach über 40 Jahren präsentierten sich diese freilich wenig ansehlich, um es vorsichtig zu sagen – auch wackelte alles bedrohlich. Als Freund hochwertigen Materials in diversen Lebenslagen beschloss ich, die Teile auszubauen und aufzuarbeiten.

Nach ausgiebigem Aufenthalt im Ultraschallbad und anschließender Behandlung mit Polierwatte und -paste sowie Montage neuer Buchsen ist alles wie verwandelt. Erstaunlich, was solche Detailarbeit zum Gesamteindruck einer alten Wohnung beiträgt – ebenso wie Reinigung aller Schalter und Armaturen bzw. Erneuerung, wo nötig.

Vom grünspanigen alten Messing zum frischen neuen Glanz – ein Thema, zu welchem ich zufällig das passende Foto in meinem Fundus fand. Muss kurz überlegen, ob ich es gleich in Gänze zeige oder erst am Ende.

Ich glaube, ich gehe schrittweise vor – ganz wie bei meiner geschilderten Fleißarbeit in Sachen „vom alten Messing zum neuen Glanz“.

Den Anfang macht dieser sichtlich angejahrte Wagen der deutschen Marke Hansa:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Auto wirkt wie sein stolzer Fahrer bereits wie ein Veteran – was vor allem an der archaischen Front mit Messing-„Schnabelkühler“ liegt. Ich glaube, man muss nicht eigens erklären, was damit im Unterschied zu einem Flachkühler oder Spitzkühler gemeint ist.

Solche Kühler finden sich an deutschen Wagen ab etwa 1913. Das galt auch für die Marke Hansa, welche damals vor allem die Typen C 8/20 PS und D 10/30 PS in beachtlichen Stückzahlen herstellte.

Etliche Exemplare finden sich in meiner Hansa-Fotogalerie. Dass Hansa nach dem 1. Weltkrieg an dieser Kühlerform festhielt, ist typisch für die traditionelle Gestaltung, welche fast alle deutschen Hersteller bis Mitte der 1920er Jahre bevorzugten.

Hier ein solcher früher Nachkriegs-Hansa, welcher weitgehend dem eingangs gezeigten Exemplar entspricht:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Immerhin hatte man bei Hansa den 2,1 Liter-Vorkriegsmotor einer Leistungskur unterzogen – statt 20 PS waren nun schon 26 PS verfügbar – in der unteren Mittelklasse im damaligen Deutschland durchaus achtbar.

Doch so sehr ich diese Wagen aus deutscher Produktion ob ihrer Persönlichkeit schätze, so sehr ist zu konstatieren, dass sie in gestalterischer Hinsicht veraltet waren.

Das wurde spätestens anno 1925 deutlich – nur ein Jahr nach Ende der Produktion des Hansa Typ C 8/26 PS. Vorbei war die Zeit dunkel angelaufenen Messings und angejahrter, speckiger Optik.

Mit einem Mal präsentieren sich die Dinge auf glänzende Weise neu:

Fiat Tourenwagen ab 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Unterschied ist bemerkenswert: Optisch treten der flache Kühler mit klassischem oberen Abschluss nach Vorbild antiker Tempelgiebel und die großen Scheinwerfer hervor, die wie der Kühler vernickelt sind und damit dauerhafteren Glanz versprechen.

Ins Auge fallen außerdem die Doppelstoßstange und die großen Trommelbremsen an den Vorderrädern – letztere spätestens 1925 Standard im Automobilbau, nachdem man zuvor eine Kombination aus Hinterradbremse und wenig effektiver Getriebebremse verbaut hatte.

Der Wagen wirkt nicht nur wesentlich moderner, er erscheint auch ein ganzes Stück größer als der zuvor gezeigte Hansa Typ P 8/26 PS. Ich bin sicher, dass es sich um einen Wagen aus dem Hause Fiat um 1925 handelt, möchte mich aber nicht genau festlegen.

Die seit 1919 gebauten Typen 501 bzw. 505, welche noch 1925 einen solchen Kühler und Vorderradbremsen erhielten, würde ich aufgrund der Länge der Motorhaube ausschließen.

In Frage kommen – nicht zuletzt aufgrund der Gestaltung der Haubenschlitze – aus meiner Sicht eher die daneben verfügbaren 6-Zylindertypen, von deren Existenz die meisten Vorkriegsautofreunde hierzulande kaum etwas wissen.

Von der Klasse des Turiner Angebots der gesamten Vorkriegszeit machen sich viele keine Vorstellung – außer dem niedlichen „Topolino“ der späten 1930er Jahre ist den meisten überhaupt kein Fiat-Modell jener Zeit geläufig.

Das Bild zu ändern ist eine der vielen Motivationen meines Blogs. Also schauen wir einmal, was das für ein Fiat gewesen sein könnte, wenn es kein 501 oder 505 war.

Kandidat 1 ist der Fiat 510 – ein schon seit 1919 verfügbarer kleiner Sechszylinder mit gut 45 PS Leistung. Direkter Konkurrent war hierzulande der gleichstarke Vierzylinder-Mercedes „Knight“, der seine Laufruhe aus dem ventillosen Konzept bezog.

Kandidat 2 – und mein Favorit – ist der Fiat 519. Der wurde ab 1922 gebaut und stellte mit seinem fast 80 PS leistenden 6-Zylinder alles in den Schatten, was in deutschen Landen serienmäßig aufgeboten wurde.

Auch die hydraulischen Vierradbremsen waren bei Produktionsende 1924 ziemlich einzigartig bei Herstellern auf dem europäischen Kontinent.

Das Erscheinungsbild der späten Fiats dieses Spitzentyps entspricht aus meiner Sicht weitgehend dem des Wagens auf dem zweiten oben gezeigten Foto. Natürlich mag ich mich irren und sachkundigere Leser mögen mich korrigieren – die Fiats um Mitte der 1920er Jahre sind auf alten Fotos nicht einfach auseinanderzuhalten.

Dessen ungeachtet möchte ich zum Abschluss die heute vorgestellten Autos nochmals direkt gegenüberstellen. Diese Arbeit hat mir anno 1925 ein unbekannter Fotograf abgenommen:

Hansa Typ P 8/26 PS und Fiat-Tourer von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie nun den Klassenunterschied? Und sehen Sie nun, was mich zum Titel meines heutigen Blog-Eintrags „Altes Messing – neuer Glanz“ bewogen hat?

Mir gefällt dieses Nebeneinander von Alt und (relativ) Jung sehr gut – wie im richtigen Leben. Das Alte weicht unweigerlich dem Neuen, doch letzteres wäre undenkbar ohne die Vorleistung der Vorgeneration.

Daher ist es eine vornehme Pflicht, dem Alten seine Reverenz zu erweisen und sich bestmöglich um die Altvorderen zu kümmern, ohne die eigenen Belangen aus dem Auge zu verlieren. Denn irgendwo müssen die Mittel und Kräfte herkommen, die wir dazu einsetzen.

Noch eines: Ich weiß, dass die eingangs beschriebene Reinigung alter Messingtürgarnituren nur begrenzte Zeit vorhält. Aber die Vergänglichkeit aller Anstrengungen um glänzende Ergebnisse ist kein Grund, die Dinge verkommen zu lassen, die wir ererbt haben…

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Geht’s auch ’ne Nummer kleiner? Ein Packard von 1927

In Amerika ist traditionell alles ein bisschen größer – Hochhäuser, Unternehmen, Autos – Aber auch in Sachen Auftritt und Selbstbewusstsein ist man in den Staaten ein anderes Kaliber gewohnt. Im kleinen Deutschland wird das oft nicht recht verstanden, auch wenn ein Großteil der heutigen Amis deutsche Vorfahren hat.

Offenbar begünstigt die schwer fassbare Größe des Landes die Entstehung einer gewissen Großzügigkeit und Großmäuligkeit in allen Dingen. Ich habe kein Problem damit, soweit man den American Way of Life mit friedlichen Mitteln zu propagieren sucht.

„Geht’s auch eine Nummer kleiner“, das frage ich mich dagegen schon öfters bei manchem Ambitionen im winzigen, auch bevölkerungsmäßig wenig bedeutenden Deutschland. Da wird von globaler Verantwortung und gar Vorbildwirkung fabuliert – während sich die ungelösten Probleme vor der eigenen Haustür stapeln.

Woher kommt nur dieses teutonische Bedürfrnis sich partout größer zu machen, als man ist? Man denke nur an die Selbstbeschreibung als Land der Dichter, Denker und Ingenieure. Als ob es die nicht ebenso in Frankreich, England und Italien gegeben hätte…

Sieht man einmal von tatsächlich einsamen Größen in der Musik wie Bach, Schubert und Wagner ab, fällt einem wenig ein, was es nicht bei unseren europäischen Nachbarn auf ebensolchem Niveau gegeben hätte. Das ist ja auch kein Wunder, standen sie doch alle in derselben Tradition von Antike, Renaissance und Aufklärung…

Also bitteschön: Geht es nicht eine Nummer kleiner, wenn man meint, sich von anderen abgrenzen zu müssen?

Na klar geht das, und ausgerechnet ein US-Luxusautomobil konnte dabei beste Dienste leisten. So sollten die Nachbarn nicht auf die Idee kommen, dass man angeben wolle.

Das passende Foto habe ich erst vor einigen Tagen erstanden, wie eigentlich immer für einen Fünfer. Auch damit kommt über’s Jahr betrachtet einiges zusammen, aber man bekommt etwas dafür, was einen auf denkbar billige Weise vom Hier und Jetzt ablenkt:

Packard „Runabout“ von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem Wagen aus dem Hause Packard – Modelljahr 1927 – fuhren Ende der 1920er Jahre Zeitgenossen aus dem Rheinland herum, die man sich als gut situiert vorstellen darf.

Der Aufbau als offener Zweisitzer – in den Staaten meist als Roadster bezeichnet, von Packard aber damals als „Runabout“ angeboten – wurde von der Mitwelt gewiss wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Anstatt für einen kolossalen Limousinenaufbau hatte man sich nämlich aus Rücksicht auf das fußgehende und radfahrende Volk für „eine Nummer kleiner“ entscheiden. Die Notsitzbank im Heck konnte zudem müden Passanten angeboten werden – kleiner Scherz.

Es musste ja nicht jeder wissen, dass ein Packard immer mit zum Teuersten gehörte, was man überhaupt serienmäßig von einem US-Autohersteller kaufen konnte.

Dabei galt vor allem die feine Achtzylinderversion mit über 100 PS aus mehr als 6 Litern Hubraum unter Kennern als begehrenswert. Wie praktisch alle damaligen US-Wagen wurde auch dieses Spitzenmodell in Deutschland angeboten. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich deutsche Kunden eher für die parallel erhältlichen 6-Zylindermodelle entschieden.

„Geht’s nicht eine Nummer kleiner?“, so dürfte im Autohaus die Frage der um die Finanzen bangenden Gattin nicht selten gelautet haben. „Posieren für die bucklige Verwandschaft kann ich doch auch unabhängig davon, was unter der Haube schlummert.“

Da hatte sie recht, die junge Schöne mit dem intensiven Blick und den feingliedrigen Händen:

Tja, wer kann solchermaßen vorgetragenen Argumenten schon widerstehen?

Und so dürfte „er“ sich frohgemut und leichten Herzens für die „Nummer kleiner“ entschieden haben. Das war im Fall des 1927er Packard die gut 80 PS leistende Sechszylinderausführung auf etwas kürzerem Chassis.

Äußerlich war das ohne Maßband kaum zu erkennen, aber wie gesagt: die Besitzer hatten sich ja bereits bei der Wahl des Aufbaus bescheiden gezeigt.

Während uns das „Downsizing“ unserer Ansprüche an die Lebensqualität von um den Globus jettenden Politikern zum Wohle des Planeten dringend angeraten wird, können wir uns ja ein Vorbild an den Besitzern dieses Packard nehmen und uns oberflächlich für „eine Nummer kleiner“ entscheiden, um heimlich weiter das tun, wonach uns der Sinn steht…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ganz schön bescheiden! Peugeot 172 Cabriolet

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt man ohne ihr“ – diese Weisheit hat mir meine aus dem schlesischen Liegnitz gebürtige Mutter vermittelt.

Tatsächlich findet sich die erste Erwähnung in der Schlesischen Zeitung anno 1871 – kann also gut sein, dass ihre Großeltern dieses Sprichwort als Lokaltradition vermittelt haben. Allerdings verwendete meine Mutter es stets ironisch, wenn sich mal wieder jemand in der Öffentlichkeit als besonders edles Ergebnis der Schöpfung zu produzieren meinte.

Meist sind es kleine Leute – im Geiste, nicht der Herkunft nach – die arrogantes Auftreten und Geringschätzung des Normalbürgers als Charakterkrücke benötigen. Ihnen ist nicht geläufig, dass gerade Bescheidenheit die schönsten Ergebnisse zeitigen kann.

Allerdings ist Bescheidenheit noch kein Garant dafür, dass es „ganz schön bescheiden“ zugeht – nein, auch das will wie alles im Leben bedacht sein und beherrscht werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich heute an meinen letzten Blog-Eintrag zum Hanomag 2/10 PS anknüpfen – dem angeblich so populären Minimalauto der späten 1920er Jahre, das sich leider bloß einer unter tausend Deutschen leisten konnte – obwohl es denkbar simpel gemacht war, um nicht zu sagen: primitiv.

Dass dies nicht sein musste, hatte ich unter Verweis auf bereits Jahre zuvor etablierte Kleinwagen von Austin, Citroen und Fiat festgestellt.

Auch Hanomag hätte – wie das Opel im Fall des 4 PS-Modells erfolgreich tat – Maß an bewährten ausländischen Produkten nehmen können anstatt auf eine eigenwillige Lösung mit der Anmutung eines Eigenbaus zu verfallen. Dass dieser Sonderweg auf Anklang stieß und stößt, nehme ich zur Kenntnis nach dem Motto: „Jedem Tierchen sein Plaisierchen„.

Allerdings möchte ich meinem Unverständnis nochmals Nachdruck verleihen, und zwar anhand eines weiteren Konkurrenten im Einsteigersegment, der im positiven Sinne das Prädikat „Ganz schön bescheiden“ verdient, auch wenn sich einer der abgebildeten Herren hier sehnsüchtig nach oben zu orientieren scheint:

Peugeot Typ 172; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser flott anmutende offene Zweisitzer war von den Leistungsdaten auf dem Niveau des Hanomag 2/10 PS angesiedelt. Seine rund 11-12 PS Leistung bezog er allerdings aus einem „richtigen“ 700ccm-Motor mit vier Zylindern und Wasserkühlung.

Gestartet wurde das Maschinchen mittels elektrischem Anlasser, wie das ab Anfang der 1920er Jahre rasch Standard wurde. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei rund 60 km/h.

Das alles ließ sich auch kaufmännisch problemlos mit einer gefälligen klassischen Karosserie vereinbaren, die nicht auf irgendwelche neuen Effekte setzte, welche dem Käufer keinen wirklichen Vorteil boten.

Wie schön diese wohlüberlegte Form der Bescheidenheit wirken konnte, das sehen wir auf einer zweiten Aufnahme, welche denselben Wagen mit mehr Charme zeigt:

Peugeot Typ 172; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Erfreuliche klassische Form und makelloses Finish waren also auch bei Peugeot in der Kleinwagenklasse ohne weiteres möglich.

Tatsächlich hatte man in dem Segment bereits ab 1921 mit dem noch bescheideneren Modell 161 „Quadrilette“ reichlich Erfahrung gesammelt.

Unsere französischen Nachbarn hatten auf dem Sektor neben dem Citroen 5CV also ein weiteres attraktives Angebot entwickelt, bevor man bei Hanomag überhaupt auf die Idee kam, sich in der Einsteigerklasse zu engagieren.

Weit über 50.000 Exemplare konnte Peugeot ungeachtet der starken inländischen Konkurrenz zwischen 1922 und 1928 absetzen – wobei man den Typ 172 laufend verbesserte. Ab 1926 beispielsweise wurden serienmäßig Vierradbremsen verbaut.

Nun könnte einer einwenden, dass dieser Peugeot aber doch sicher nur für den heimischen Markt bestimmt und in Deutschland gar nicht verfügbar war – außer vielleicht im Saarland.

„Nö“ möchte ich hier etwas schnodderig antworten. Tatsächlich bot Peugeot auch eine Exportversion an, wobei man offenbar auch auf den deutschen Markt abzielte:

Peugeot Typ 172; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das wäre nun die dritte Aufnahme dieses Peugeot 172 und laut Nummernschild war dieser im Raum Essen zugelassen.

Da man reine Frankophilie im Deutschland der 1920er Jahre als Kaufmotiv ausschließen kann, werden die Besitzer sich wohl aufgrund der überzeugenden (und heimische Produkte aus dem Feld schlagenden) Qualitäten des Wagens dafür entschieden waren.

Mein Verdacht in solchen gar nicht seltenen Fällen ist zudem, dass ausländische Großserienhersteller mit festen Vertriebsstrukturen oft schneller liefern konnten, als das bei den fast ausschließlich noch der Manufaktur verhafteten deutschen Anbietern möglich war.

Bleibt die Frage, um welche Version des Peugeot 172 genau es sich bei dem schön bescheiden daherkommenden Wagen auf diesen drei Fotos handelt. Die Vielfalt der Ausführungen ist im deutschen Vorkriegs-Peugeot-Register besser beschrieben, als ich dies hier tun kann. Als langjähriges Mitglied kann ich die Adresse nur empfehlen.

Ich gehe aber mal in Vorlage und behaupte, dass wir es mit einem Peugeot 172 RE ab 1926 zu tun haben, der an seinen Vorderradbremsen zu erkennen ist. Das abschließende Urteil überlasse ich sachkundigeren Kollegen – meine eigene Peugeot-Erfahrung setzt ja erst mit dem Modell 202 ein (von einer Motorradruine des Typs P-108 abgesehen).

Ganz schön bescheiden gebe ich mich hier ganz bewusst, denn die vielen Peugeot-Typen der Zwischenkriegszeit sind eine Wissenschaft für sich, die hierzulande nur wenige beherrschen. Aber wie schon vor 100 Jahren wissen offenbar einige Enthusiasten auch in Deutschland, was die Automobile dieser Traditionsmarke in allen Klassen auszeichnete…

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Nichts für „Reflecktanten“: Hanomag 2/10 PS

Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Blog schon Bilder des ersten Automobil-Experiments der Firma Hanomag der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gebracht habe – meine Markengalerie zeigt jedenfalls eine Auswahl dieser Gefährte mit Typbezeichnung 2/10 PS.

Ich weiß auch nicht, woher die Lust in der Literatur kommt, diese primitiven Schöpfungen als irgendwie fortschrittlich zu adeln und das Publikum, welches das einfach nicht einsehen wollte, für unverständig und überfordert zu erklären.

Anno 1925 ein vierrädriges Fahrzeug mit 1-Zylindermotor ohne Anlasser und ohne Differential anzubieten, zu einem für den Normalbürger unerschwinglichen Preis – das konnte nur ein schlechter Scherz sein.

Einen schlechten Scherz erlaube ich mir daher bereits in der Überschrift und wenn Sie bis ans Ende durchhalten, werden Sie verstehen, was es mit den „Reflecktanten“ auf sich hat.

Ich will immerhin versuchen, dem Hanomag 2/10 PS wenigstens am Anfang irgendetwas Positives abzugewinnen – dabei ist mir diese kecke junge Dame behilflich:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das ist so ziemlich die beste Seite, die man diesem Wagen abgewinnen kann, dessen für die Zeit noch ungewöhnliche Pontonform manchem Automobilhistoriker Anlass für Lobeshymnen gab – als sei eine progressive Gestaltung der Zweck eines Kleinwagen.

Ob ein Einsteiger-Automobil tatsächlich populären Ansprüchen genügt oder nicht, darüber entscheiden icht irgendwelche Schreibtisch-Juroren, sondern die Käufer. Und die hatten sich bereits Anfang der 1920er Jahre für vollwertige Automobile ohne modernistisch daherkommenden Firlefanz entschieden.

Man muss dazu gar nicht das Model „T“ von Ford in den USA bemühen, dessen Rolle für die Demokratisierung individueller Mobilität ohnehin einzigartig ist. Schon in Europa gab es mit Fiat 501, Citroen 5CV und Austin 7 kurz nach dem 1. Weltkrieg hinreichend Beispiele dafür, wie ein massenmarkttauglicher Kleinwagen aussieht und was er können muss.

Die beindruckenden Stückzahlen dieser Modelle stehen in denkbar großem Kontrast zu den knapp 16.000 Wagen des Typs 2/10 PS welche Hanomag von 1925 bis 1928 absetzte.

Dass diese Zahl für deutsche Verhältnisse recht hoch erscheint, liegt schlicht daran, dass die hiesigen Hersteller ansonsten kaum Anstalten machten, im Kleinwagenbereich zu Großserienprouktion zu übergehen – einzige Ausnahme war Opel mit dem 4 PS-Typ.

Versetzen Sie sich einmal in die Situation eines Käufers in den späten 1920er Jahren. Bei Opel bekam man für 2700 Mark diesen flotten Zweisitzer mit 16 PS aus vier Zylindern und Spitze 70 km/h:

Opel 4/16 PS, Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Für knapp 2200 Mark konnte man jedoch auch auf all die Vorzüge des am bewährten Citroen-Vorbild orientierten Opel verzichten und sich einen ungemein eigenwilligen Hanomag-Zweisitzer des Typs 2/10 PS mit Motorrad-Leistung zulegen.

Hoch zu veranschlagen war beim Hanomag der Aufmerksamkeitswert, was im Volksmund für spöttische Bezeichnungen wie „Kommissbrot“ oder „Rasender Kohlenkasten“ sorgte.

Die erfahrenen Leser unter Ihnen wissen natürlich, dass ich hier gerne meine privaten Geschmacksurteile einfließen lassen – mein gutes Recht in einem Blog-Format, welches per se subjektiv und obendrein für die Konsumenten völlig kostenlos ist.

Der einzige Preis, welcher im übertragenen Sinn zu entrichten ist, besteht darin, meine persönliche Sicht ggf. ertragen oder ausblenden zu müssen. Ansonsten können Sie sich ja selbst ein Urteil über die Qualitäten der gezeigten Fahrzeuge bilden.

Dazu gibt es sogleich Gelegenheit am Beispiel des geschmähten Hanomag 2/10 PS:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, gefällt Ihnen dieses Exemplar mit seinem protoypenhaft anmutenden Nieten-Finish und würden Sie es dem etwas teureren Opel mit seiner „traditionellen“ Gestaltung vorziehen?

Gewiss, die beiden Herren an Bord mit pelzbesetzten Mänteln oder Jacken machen den Eindruck, als wären sie ganz begeistert.

Aber das verwahrloste Hinterhofambiente, der Backstein hinter dem Hinterrad und der mutmaßlich entsorgte Christbaum in der Ecke gibt Anlass zur Vermutung, dass dieser Wagen eher fragwürdige Hippie-Typen anzog.

Diese Klientel nahm vermutlich auch keinen Anstoß an einem Schreiben wie diesem von 1928, in welchem der damals schwer verkäufliche Hanomag 2/10 PS angepriesen wurde:

Hanomag 2/10 PS-Kundenanschreiben; Original: Sammlung Michael Schlenger

Das Beste an diesem zeitgenössischen Schreiben an einen Hanomag-Interessenten ist aus meiner Sicht der Verweis auf andere potenzielle Käufer – eine uralte Vertriebsmasche – welche sich noch in der Nachdenkphase befinden.

Die Bezeichnung angeblicher weiterer Kunden als „Reflektanten“ – also Leute, die noch über das Angebot reflektieren müssen – war der Sekretärin von Max Groitzsch offenbar ebenso neu wie mir und Ihnen. Also schrieb sie „Reflecktanten“, wie sie es für richtig hielt.

Man lernt nicht aus – auch bei einem vermeintlich abgeschlossenen Thema wie Vorkriegsautos in alten Dokumenten. Indessen bin ich sicher, dass „Reflecktanten“ anno 1928 zu dem Urteil gelangten, dass es bessere Alternativen zum Hanomag 2/10 PS gab.

Dazu gehörte damals neben dem Opel 4/16 PS ein weiterer Kandidat – der Dixi 3/15 PS, ein Lizenznachbau des bewährten Austin 7. Damit setzte sich letztlich auch am deutschen Markt das durch, was bei den europäischen Nachbarn längst Standard war und tatsächlich in die Zukunft wies…

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1a auch ohne vier Ringe: Audi Typ 225 Luxus-Cabriolet

Kürzlich las ich, dass die Firma Audi für den chinesischen Markt erstmals ein Modell ohne die typischen vier Ringe herausbringen will. Und da sie es wohl selbst nicht kann – oder nicht so schnell kann – lässt man die Basis von einem Partner in China entwickeln.

Ob die Rechnung aufgeht und man für einen chinesischen Audi ohne die vier Ringe Audi-Preise durchsetzen kann, sei dahingestellt. Wer den deutschen Automobilbau des 21. Jh. ohnehin für überschätzt hält, wird das achselzuckend zur Kenntnis nehmen.

Der lange nach dem 2. Weltkrieg quasi neu erfundene heutige Serienhersteller Audi mit Sitz in Ingolstadt hat außer dem Namen ohnehin nichts mit der einstigen Manufakturmarke aus dem sächsischen Zwickau zu tun.

Moment einmal, sind denn nicht wenigstens die vier Ringe ein gemeinsames Element? Nun, allenfalls auf den ersten Blick:

Audi Typ 225 Luxus; Originalfoto aus Privatbesitz (Wolfgang Müller-Judex)

Tatsächlich trug auch dieses schöne 4-Fenster-Cabriolet auf Basis des frontgetriebenen Audi 225 Luxus (Bauzeit: 1936-38) die vier Ringe auf der Mittelstrebe des Kühlergrills. Doch das wies bloß auf die Zugehörigkeit der Marke zum Auto-Union-Verbund hin (ab 1931).

Die vier Ringe trugen daher auch die Wagen der übrigen unter diesem Dach vereinten sächsischen Marken – also neben Audi außerdem DKW, Horch und Wanderer.

Eigentlich konnte der Audi Typ 225 Luxus speziell in den meisterhaft gestylten Cabrio-Ausführungen aus dem Hause Gläser (Dresden) auf das Adelsprädikat der vier Ringe der Auto-Union gut verzichten, was bei DKW und Wanderer anders war.

Allerdings gab es bei diesem Modell einen weiteren Hinweis auf die Markenidentität, die auf obigem Foto, das mir Wolfgang Müller-Judex aus seinem Familienalbum zur Verfügung gestellt hat, nicht unmittelbar ins Auge fällt.

Besser sieht man es auf dieser Aufnahme aus dem Leser von Leser Klaas Dierks, welche dasselbe Modell zeigt, hier aber ganz dunkel gehalten, was dem Wagen eine ganz andere, ernsthafte Anmutung verleiht:

Audi Typ 225 Luxus Gläser-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Können Sie die „1“ auf dem Kühler erkennen? Das war seit etwa Mitte der 1920er Jahre die Kühler“figur“ aller Audi-Automobile – hätten Sie das gewusst?

Als eindrucksvollen Beleg möchte ich an dieser Stelle diese Werbung von Audi anführen,. welche 1924 in der Zeitschrift „Motor“ erschien. Sie besticht mit ihrer phänomenalen grafischen Wirkung und kombiniert geschickt die harten Konturen des Emblems mit den lebendigen Formen des abgebildeten Wagens:

Audi-Reklame aus „Motor“, 1924; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Dass Audi sich selbst damals eine glatte „1“ verlieh, zeugt von einem gesunden Selbstbewusstsein, aber gut: Ab 1924 bot man mit dem hochmodernen 6-Zylindertyp M 18/70 PS auch ein Auto an, das man bei anderen deutschen Herstellern vergebens suchte – und sei es nur aufgrund der hydraulisch unterstützten Bremsen.

Mit den ab 1933 gebauten Frontantriebswagen knüpfte man überzeugend an die Tradition des Klassenprimus an – kein anderer deutscher Hersteller bot in dieser Klasse den zukunftsweisenden Vorderradantrieb an (die Fronttriebler von Adler, DKW und Stoewer waren darunter angesiedelt).

Zusammen mit dem hocheleganten Stil der Gläser-Aufbauten, die eine erst in den 1930er Jahre entwickelte eigene deutsche Gestaltungslinie repräsentierten, verdienten die offenen Versionen des Audi Front Typ 225 Luxus meines Erachtens sogar die Note 1a.

Diese Wagen bedurften in der Tat der vier Ringe überhaupt nicht – das möchte ich heute anhand dieses „neuen“ Fotos aus meiner Sammlung illustrieren:

Audi Typ 225 Luxus Gläser-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie, was ich meine? Spätestens die „1“ auf dem Kühler lässt keinen Zweifel an der Marke und die doppelte Reihe Luftschlitze in der Motorhaube liefert die ergänzende Information, dass wir es mit einem Audi des Typs 225 Front Luxus ab 1936 zu tun haben.

Den Aufbau als 4-Fenster-Cabriolet gab es m.W. so nur von Gläser und so kann man verstehen, weshalb der junge Mann mit sportlichen Knickerbockern und keckem Tirolerhut so zufrieden mit sich und der Welt dreinschaut.

Ob es überhaupt sein Audi war, sei dahingestellt – vielleicht ergab sich bloß die Gelegenheit, sich besitzergreifend damit ablichten zu lassen.

Festzuhalten bleibt am Ende, dass ein echter Audi gut ohne die vier Ringe auskommt, die heute so gern als markentypisch angesehen werden. Was aus dem entsprechenden Projekt des gleichnamigen Herstellers im fernen China wird, kann uns gleichgültig sein. Wir haben hier andere „Probleme“ – jedenfalls in meinem Blog…

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Form vollendet(e) Funktion: Essex „Super 6“ von 1928

Wer sich mit Gestaltungsfragen beschäftigt – ob in Bezug auf Architektur, Haushaltsgegenstände oder Automobile – ist ihm schon einmal begegnet, dem Diktum: „Form follows function“ – „Die Form ergibt sich aus der Funktion“.

Eine frühe Formulierung in der Richtung findet sich bereits Mitte des 19. Jh. beim US-Bildhauer Horatio Greenough, kurz vor der Jahrhundertwende dann beim ebenfalls amerikanischen Architekten Louis Sullivan.

Eine radikale Neuinterpretation, die das Ornament als ebenfalls berechtigten Zweck, welcher die Formgebung leitet, ausschließt, findet sich dann in den 1920er Jahren beim deutschen Bauhaus – nicht zufällig inmitten der blanken Not der Nachkriegszeit.

Gemeinsam ist allen Verfechtern dieses Grundsatzes, dass sie diesen als „Gesetz“ oder anderweitige Notwendigkeit formulieren, was dem Ganzen religiösen Charakter gibt.

Denn neben Naturgesetzen und den Gesetzen, die sich eine politische Gemeinschaft gibt, gibt es keine von vergleichbarer allgemeiner Bindungswirkung – es sind vielmehr frei erfundene Behauptungen, mit denen die Vertreter sich selbst über andere erheben wollen.

In der viele Jahrtausende umfassenden Geschichte der Gestaltung von Gegenständen ist die Funktion als oberstes Prinzip, aus dem die Form abzuleiten ist, auf Werkzeuge beschränkt. Alles übrige wurde schon immer gerade nicht rein funktionsbezogen gestaltet, sondern sollte den Dingen eine bestimmte eigenständige Wirkung verleihen.

Die bis heute unumstrittenen Meisterwerke der Gestaltung in der Menschheitsgeschichte wissen nichts von einem Gesetz „form follows function“. Haben sich ihre Urheber also geirrt und sind deren bis heute zahlreichen Bewunderer irgendwie Gesetzesbrecher?

Natürlich ist das alles Unsinn und man darf zuverlässig davon ausgehen, dass alle in Gesetzesform daherkommenden ästhetischen Urteile reine Scharlatanerie sind.

Vielmehr scheint es so, dass der „Normalfall“ der Gestaltung die gefällige oder anderweitig Emotionen weckende Erscheinung ist.

Nach einer kurzen Phase des brutalen Funktionalismus Mitte der 1920er Jahre, speziell im deutschsprachigen Raum, kehrte man auch im Automobildesign unter dem Eindruck der wirkungsvolleren Formgebung ausländischer Fabrikate zur schönen Form zurück.

Ausgerechnet die angeblich seelenlosen Großserienwagen aus amerikanischer Produktion verkörperten Ende der 1920er Jahre die tatsächlich bevorzugte Linie in vorbildlicher Weise.

Die attraktivsten Ergebnisse waren bei offenen Exemplaren zu besichtigen – erst kürzlich konnte ich hier dieses Beispiel von 1929 zeigen, welches in Deutschland zugelassen war, wo niemand Vergleichbares in dieser Preisklasse mit 6-Zylindermotor anbot:

Essex Super Six Cabriolet von 1929; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Das war schon ganz schön schick und von der schnöden Funktion war hier außer den Haubenschlitzen und den Rädern nicht viel zu sehen.

Doch gab es anno 1929 im Angebot der Mittelklassemarke Essex eine Variante, die ich für noch raffinierter halte, was die Erscheinung angeht.

Es gab den offenen Zweisitzer des „Super Six“ nämlich auch in optisch besonders sportlichen Ausführungen, für welche die Bezeichnung „Speedabout“ überliefert ist. Eine Variante davon besaß sogar eine Bootsheckkarosserie.

Typisch für diese Sportversionen war die umlegbare Frontscheibe und der sich daraus ergebene Effekt war dann tatsächlich so erbaulich wie hier:

Essex Super Six Sport Roadster von 1929; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Dieses großartige Foto verdanke ich wie das zuvor gezeigte Leser Jörg Pielmann.

Wäre doch traurig, wenn sich all das, was den Reiz dieses Essex und seiner Insassen ausmacht, dem Diktat der puren Funktion unterwerfen müsste, oder?

Wie primitiv das Ergebnis dann gewesen wäre, lässt das lieblos gestaltete Kennzeichen erahnen. Immerhin wissen wir so, dass dieses Auto im Raum Braunschweig zugelassen war – für solche banalen Zwecke ist „form follows function“ gerade gut genug.

Ansonsten sehen wir hier durch die schöne Form vollendete Funktion in mannigfaltiger Weise. Und so behaupte ich frech, dass es ein „Gesetz“ ist, dass Kultur jenseits der Notwendigkeiten beginnt und eine reine Orientierung an der Funktion in der von uns bewohnten Welt die reine Barbarei ist…

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