Die Betätigung als Blogger ist anspruchsvoll, wenn man sich an einem nicht ganz trivialen Thema abarbeitet und wenn man von der überschaubaren Zahl derer wahrgenommen werden will, die sich im deutschen Sprachraum noch für Vorkriegsautos erwärmen.
Man muss ständig etwas Neues bieten und das bei einem Gegenstand, der von manchen als abgeschlossenes Kapitel betrachtet wird. Tatsächlich ist das Feld aber noch fruchtbar und in weiten Teilen unbeackert, gerade in Bezug auf deutsche Marken.
Die Vorteile des Formats überwiegen für mich. Da ich für keine ernsthafte Publikation schreibe und mich zudem unentgeltlich mit meinen Betrachtungen exponiere, kann ich wie ein freischaffender Künstler so ziemlich alles machen, was ich will.
Was mir nicht gefällt oder was mich nicht interessiert, wird entsprechend stiefmütterlich behandelt – die Freunde des Hanomag 2/10 PS „Kommissbrot“ wissen ein Lied davon zu singen. Sie sollen trotzdem ihren Spaß mit dem skurrilen Minimalgefährt haben.
Auch muss ich keine „Gebote“ politischer Korrektheit beachten – ohnehin ein albern-autoritäres Konzept in einer sich liberal dünkenden Gesellschaft. Ich kann beliebige subjektive Standpunkte einnehmen und mehr oder weniger fundierte Werturteile abgeben. Ich kann mich vom Tagesgeschehen in einer zunehmend irren Zeit inspirieren lassen oder ins Grundsätzliche, Überzeitliche, Philosophische gehen.
Und bei alledem kann ich wissentlich oder unwissentlich auch den größten „Bullshit“ von mir geben, wie die unverblümt redenden Amerikaner es zu formulieren pflegen. Im Deutschen würde man sagen: Mist erzählen.
Damit wären wir beim Thema, das Sie so vermutlich nicht ganz so konkret erwartet hätten. Denn heute gehe ich tatsächlich genau der Frage nach, ob die Miss den Mist vermisst, den jemand hier angerichtet hat:
Citroen Typ B2; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Man muss schon ein Faible für für das Landleben haben, um sich mit seinem Auto ausgerechnet vor dem Misthaufen anderer Leute ablichten zu lassen.
Dass diese Herrschaften (m/w/d…) die Besitzer des unübersehbar rustikalen Anwesens waren, wage ich zu bezweifeln.
Auszuschließen ist es zwar nicht, sofern wir es mit einem lukrativen Gutshof zu tun haben. Doch ich tippe hier eher auf Besucher aus der Stadt beim Verwandtenbesuch auf dem Land.
Als „feine“ Leute ausgerechnet so zu posieren, das bedarf eines gewissen abseitigen Humors, der mir sympathisch ist. Die Daheimgebliebenen sollten sehen, was für einen Haufen Mist die bodenständig gebliebene bucklige Verwandschaft angerichtet hatte.
Dabei scheint es auf den ersten Blick so, als ob die Miss in der Mitte mit der ausgestreckten Hand die Höhe des Haufens misst: „So hoch ist hier der Mist!„.
Doch tatsächlich hat sie nur die Hand auf den Scheibenrahmen gelegt. Dass sie den Mist solchermaßen vermisst, ist daher ebenso unwahrscheinlich wie dass sie ihn nach der Heimkehr in die Stadtvilla vermisst.
Genug der fragwürdigen Wortspiele. Ein wenig Fakten können nicht schaden, wenngleich die Versierten unter Ihnen bereits erkannt haben dürften, dass der abgelichtete Tourenwagen ein Citroen der frühen 1920er Jahre war.
Die Kühlerform, der Tankdeckel vor der Frontscheibe und der langestreckte Vorderkotflügel waren typisch für das Volumenmodell B2 – mit 1,5 Liter-Vierzylinder und 20 PS Leistung ein solides Auto der unteren Mittelklasse.
Fast 90.000 Exemplare wurden davon zwischen 1921 und 1926 gebaut, etliche wurden auch in Deutschland abgesetzt. Ich meine aber, dass wir es hier eher mit einem Exemplar zu tun haben, das Besitzern in Frankreich gehörte.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass mir hier das Nebeneinander aus Mensch, vierrädriger Maschine und seit Jahrtausenden treuem vierbeinigen Begleiter besonders gefällt.
Genau diese in immer neuen Varianten reizvolle Konstellation wird Ihnen beim nächsten Blog-Eintrag begegnen. Und wieder werden Sie feststellen, dass auch automobile Massenware ganz großartige Wirkung entfalten kann, wenn man sie gekonnt als Familienmitglied inszeniert – in dieser Hinsicht hat damals selten einer „Mist gebaut“…
Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wieviele Buben brauchte es einst, um ein Frollein zu erhitzen? Diese politisch wenig akkurat formulierte Frage ist keineswegs von gestern – und auch nicht bloß rhetorisch.
Schon vor 100 Jahren fand sie zeitlosen Ausdruck in zwei historischen Aufnahmen, mit denen ich Ihnen, liebe Leser, verlässliche Ablenkung von den Zumutungen (oder sollte man verharmlosend sagen: Albernheiten?) des Hier und Jetzt garantiere.
Allerdings müssen sie dafür zwei Dinge akzeptieren: Erstens spielt das Auto nur eine Nebenrolle und ich werde davon nur das Nötigste erwähnen.
Zweitens müssen Sie sich zumindest für heute damit anfreunden, dass ein Citroen B2 weiblich ist, wie überhaupt jedes Auto im Französischen. Sonst würde das himmlische Wortspiel mit „der DS“ von Citroen (La Déesse – die Göttliche) nicht funktionieren.
Also, wieviele Jungs es braucht, um eine wie SIE auch nur in Gang zu bringen und bei Laune zu halten – das erfahren wir in dieser von Experten als repräsentativ erachteten Fotostudie. Wobei sie – nicht vergessen – eine Type B2 von Citroen war:
Citroen Type B2 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Acht Jünglinge sind es an der Zahl – ein beachtliche Schar, die sich hier um das Objekt der Begierde versammelt hat.
Schwer wie einst Penelope angesichts der vielen Freier in Odysseus‘ Abwesenheit dürfte es der Dame aus Frankreich gefallen sein, sich des Körperkontakts und des kühnen Zugriffs dieser sich hier scheinbar bieder gebenden Herren zu erwehren.
Doch sie trägt es mit Fassung, denn sie weiß ja – ganz ohne Männer geht es dann ja doch nicht in der Welt.
Auch weit über 100 Jahre nach der verdienten Befreiung der Damen aus vom Patriarchat vorbestimmten Lebensverhältnissen führt die Selbstverwirklichung in einigen Bereichen zu nicht überraschenden – sagen wir – Konzentrationen von Jungs und Mädels in verschiedenen Tätigkeitsbereichen.
Wer damit ein Problem hat, dass die Buben halt immer noch lieber Autos entwerfen, bauen, warten, pflegen, tunen und mit der besten Beifahrerin durch die Gegend fahren, dem ist nicht zu helfen. Gleichberechtigung heißt nicht Gleichverteilung – das geht nur unter totalitären Verhältnissen. Die Damen sollen alles dürfen, aber nicht alles müssen.
Verstehen wir uns hier? Gut, dann sind wir nur noch einen Schritt davon entfernt, die Lady zu enthüllen, welche ihren erhitzten Zustand mehr oder weniger indirekt dem Tun der wackeren Blaumannträger auf dem ersten Foto verdankt.
Denn zuvor muss Erwähnung finden, dass der heute gezeigte Tourenwagen wahrscheinlich ein Typ B2 des erst 1919 gegründeten französischen Herstellers war. Nach dem Erstling Typ A mit 1,3 Liter-Motor brachte man schon 1921 einen auf 20 PS erstarkten Nachfolger mit 1,5 Liter-Motor heraus.
Die Positionsleuchten auf den Vorderkotflügeln gehören meines Erachtens zu den Details, an denen man den bis 1926 gebauten Citroen B2 erkennt. Mag sein, dass wir es auch mit einem frühen Exemplar des Nachfolgers B10 zu tun haben – aber so ganz genau lässt sich das bei den fließenden Übergängern in der Produktion nicht sagen (oder doch?).
Sie merken schon, ich habe es eilig. Ich will Ihnen nicht länger die Aufnahme vorenthalten, welche das eingangs gebrachte Wortspiel erst verständlich macht.
Denn für eine wie sie (diesmal nicht das Auto) taten die Jungs von der Citroen-Garage einst buchstäblich alles – vor allem, damit der Motor läuft und es auch nach dem Abstellen noch schön warm unter dem Hintern ist:
Citroen Type B2 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
„Kennen wir schon„, mag jetzt ein langjähriger Leser kommentieren. Danke für die Treue, aber schlimm ist es nicht, dieser autobewegten Lady hier wiederzubegegnen, oder?
Sie sehen: schon deshalb sind Vorkriegsautos so faszinierend anders, denn solche heiße Kühler-Kletterei ist seit der Pontonkarosserie Geschichte.
Kein Wunder, dass die Jungs von einst darauf aus und ausgebildet waren, alles „für sie“ möglich zu machen – selbst solche Artistereien, die von manchen im angeblich toleranten 21. Jh. als „stereotyp“ gebrandmarkt würden.
Ist doch albern, oder? Warum kann man nicht einfach das harmlos Normale genießen oder zumindest gutheißen, was die Leute schon immer aus freien Stücken getan haben?
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute mute ich Ihnen im Blog eine Abweichung vom üblichen Schema zu – statt Vorkriegsfotos in Schwarzweiß gibt es heute Vorkriegsautos ganz in Farbe!
Denn am letzten Sonntag habe ich die Wiederauflage der seit 2006 abgehaltenen „Classic Days“ besucht, die an einem neuen Ort stattfand.
Wer mit den Classic Days noch die schönen Jahre auf Schloss Dyck bei Düsseldorf verbindet, wurde – was das Atmosphärische betrifft – nicht enttäuscht.
Das unweit gelegene Rittergut Birkhof mit seinem Englischen Garten und dem Charme eines alten Gutshofs mit Herrenhaus bietet wieder ein absolut würdiges Ambiente für edle und eigenwillige Karossen von den Anfängen bis in die Neuzeit:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Gut zwei Stunden dauerte die Anfahrt aus der heimischen Wetterau, das Alltagsauto wurde auf dem weitläufigen Besucherparkplatz abgestellt und nach nur wenigen Minuten konnte man in eine andere Welt eintauchen – willkommen bei den Classic Days!
Entlang der Allee mit alten Bäumen, die Teil der 2,5 Kilometer langen Rundstrecke um das Rittergut ist, hatten bereits viele Gäste die begehrten Picknickplätze okkupiert und da stand auch schon das erste Vorkriegsauto!
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Ok, das war die Nachkriegsausführung des Citroen Traction Avant, aber das ist nur an kleinen Details zu erkennen – Konstruktion und Karosserie sind lupenreine Vorkriegszeit.
Die berühmte Gangster-Limousine war vielleicht das beste und zugleich eleganteste europäische Auto seiner Klasse der 1930er Jahre – ein vielversprechender Auftakt, fand ich.
Zwischen jeder Menge Wagen aller nur denkbarer Marken ging es schnurstracks und voller Vorfreude Richtung Fahrerlager, wo gerade eine Horde früher Rennsportwagen warmlief.
Auf dem Weg dorthin entdeckte ich das wohl älteste Fahrzeug vor Ort – einen Daimler „Mercedes“ von ca. 1910, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, vielleicht war es auch 1912. Hinter dem Steinschlaggitter sieht man den Mercedes-Stern – noch ohne Lorbeerkranz, denn der kam erst nach der späteren Fusion mit Benz hinzu:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Von nun an geht es halbwegs chronologisch weiter – irgendeine Struktur braucht der Mensch, an der er sich festhalten kann – gerade wenn man von Sinneseindrücken überflutet wird.
Das gilt speziell, wenn man am Morgen von heißen Abgasen umwabert wird und die Luft vibriert, während einer seinen 1914 Premier-Rennwagen aus der Box holt und mit Bärenkräften am servofreien Lenkrad wuchtet:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Hier bekommt man einen ersten Eindruck davon, was die Classic Days – neben vielen Attraktionen – so einzigartig macht. Denn hier werden die alten Eisen wirklich gefahren, und man kann das hautnah miterleben, von der Box bis auf die Strecke.
Während die Motoren warmlaufen, stehen die Besitzer gerne Rede und Antwort und man kommt direkt an die Fahrzeuge heran – das kenne ich so nur vom Goodwood Revival in England, wo eine ähnliche hochverdichtete Atmosphäre herrscht:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Hier haben wir einen als Rennsportversion zurechtgemachten „Elgin“ von 1917 – einer erst im Vorjahr gegründeten US-Automarke.
Solche auf Serienmodellen basierende Fahrzeuge dieses kurzlebigen amerikanischen Herstellers kamen unter anderem in Indianapolis zum Einsatz.
Dieses Exemplar mit Reihensechszylinder und offenem Ventiltrieb repräsentiert das recht eindrucksvoll, wenn auch mit späteren Anbauteilen wie dem wohl britischen SU-Vergaser:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Von hier aus geht es weiter in den Innenhof des Ritterguts, wo das Herrenhaus noch sehr authentisch mit den früheren Betriebsgebäuden verbunden ist.
Man sieht hier neben der repräsentativen Fassade auch die Nutzbauten und bekommt eine schöne Vorstellung davon, wie sich so ein Gut einst für den Besucher darstellte.
Wäre der Hof kopfsteingepflastert, wäre das Idyll für mich vollkommen, aber man kann nicht alles haben. Jedenfalls ergeben bei den Classic Days auf Gut Birkhof historische Achitektur und klassische Automobile ein gelungenes Gesamtkunstwerk:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Der Innenhof ist wie einst auf Schloss Dyck für die Sportwagen der Zwischenkriegszeit reserviert – und wieder sind alle Zutaten für eine echte Zeitreise vorhanden, wenn auch noch Platz für weitere Exemplare wäre.
Doch schon diesmal warteten einige Überraschungen auf den Vorkriegsenthusiasten.
Wann bekommt man neben den üblichen britischen Verdächtigen einen französischen „Rally“ in deutschen Landen zu Gesicht? Die Classic Days und langjährige Freunde in der Vorkriegsszene (Gruß an Michael Buller) machen’s möglich:.
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
„Rally, Rally…“, mögen jetzt manche denken – das sagt mir doch etwas. Stimmt, diese feine französische Marke der zweiten Reihe hatte ich bereits in den Anfängen meines Blogs vor rund 10 Jahren besprochen (hier).
So vergeht die Zeit – aber die guten Dinge, sie bleiben (wenn wir auf sie achten und etwas dafür tun).
So können wir auch anno 2025 wieder einen Rally bewundern, der im Stil den Bugattis seiner Zeit nahekam, wenn auch weniger leistungsstark war.
Ich würde trotzdem einen nehmen, denn hier man muss sich damit nicht fragen lassen: „Ist der echt oder ein Nachbau aus Argentinien?“
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Ein tolles Gerät, nicht wahr? Wir begegnen dem Rally noch ein weiteres Mal bei unserem Rundgang – und dann in Fahrt!
Erst schauen wir uns noch eine Weile im Innenhof um, es gibt da einiges zu sehen, was das Herz höherschlagen lässt, wobei sich immer wieder reizvolle Momente ergeben.
Dabei ist es gar nicht immer so wichtig, um was für ein Fahrzeug genau es sich handelt – als unverbesserlicher Ästhet ist mir oft die reine Wirkung wichtiger als das penible Vermerken von Marke, Typ, Baujahr usw. – etwa in diesem Fall:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Mitunter ist aber auch unübersehbar, womit man es zu tun hat.
Nein, ich meine ausnahmsweise nicht den schönen MG von Michael Buller links im Bild, den viele in der Szene kennen.
Vielmehr gefällt mir hier die stilvolle Begegnung der Zweibeiner am Rande, ebenfalls typisch für die Classic Days, wo auch etliche Teilnehmer selbst Darsteller in der Zeitreise sind:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Zu einem Retrotrip in die Sportszene der Zwanziger gehört natürlich auch einer der einst allgegenwärtigen Amilcars aus Frankreich – vielleicht das Cyclecar schlechthin und auch bei deutschen Enthusiasten damals sehr beliebt.
Hier haben wir (rechts) ein frühes Exemplar noch mit alter französischer Kennung auf dem Kühler, aber mit neu aufgebauter Karosserie nach eigenem Gusto – erlaubt ist, was gefällt, das war schon vor 100 Jahren nicht anders:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Daneben sind als Kontrastprogamm natürlich einige großvolumige Bentleys zu besichtigen, die auch regelmäßig zur Ausfahrt auf die Rundstrecke gehen.
Gäste aus Großbritannien sind wie immer ebenso dabei wie eingefleischte Markenfreunde aus deutschen Landen.
Sie vereint die Begeisterung für die „schnellsten Lastwagen der Welt“, ein ironisches Bonmot, das Ettore Bugatti zugeschrieben wird:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Man bekommt bei den Classic Days immer wieder einen anderen Blickwinkel auf vermeintlich Bekanntes präsentiert – die Vielfalt der Vorkriegsautos ist unermesslich und stellt die Moderne mühelos in den Schatten.
Neben den aufgeladenen PS-Monstern von Bentley, bei denen das Auspuffgrollen von schieren Kraft kündet, findet sich von derselben Marke und aus derselben Zeit auch etwas so Filigranes und kultiviert Laufendes wie dieser originale Tourenwagen:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Eine klassische Karosserie wie diese ist bei den überlebenden Bentleys seltener anzutreffen als die mit späteren Sportaufbauten versehenen Specials, so faszinierend diese oft sind.
Bei der Gelegenheit meine übliche Behauptung: „Tourer sind langweilig – außer wenn das Verdeck montiert ist“, dann sind sie im wahrsten Sinne des Wortes optisch überaus spannende Exemplare.
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Bevor es bzb gleich zu den Concours-Autos – den „Jewels in the Park“ – geht, schauen wir noch, was unterdessen aus dem Fahrerlager auf die Rundstrecke geht.
Der Kurs rund ums Rittergut und mitten hindurch erlaubt den Zuschauern viele reizvolle Blicke auf die Wagen in Bewegung – beim Start, in voller Fahrt und beim gepflegten Defilee kurz vor der Rückkehr:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Die Wirkung dieser Sportwagen in Aktion gehört zu den besonderen Reizen der Classic Days. Dabei wird dem jeweiligen Streckenverlauf angemessen gefahren – aber durchaus engagiert, das ist kein bloßes Rollen knapp über Leerlaufdrehzahl.
Wenig ist so atemberaubend, wie wenn ein mächtiger Kompressor-Mercedes der 1920er Jahre um die Kurve kommt und er für einen Moment direkt auf einen zuhält.
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Nach diesem von Staub und Benzindust geadelten Spektakel, das man den Tag über mehrfach erleben kann – auch mit Nachkriegsautos – begibt man sich zur Einkehr in den Schatten der majestätischen Baumriesen im Englischen Garten, wo zwanglos die schönsten Karossen wie Skulpturen arrangiert sind – ganz ohne Absperrungen.
Was könnte hier stimmiger sein als eine Auswahl herrschaftlicher Rolls-Royce oder Bentleys mit enorm großzügigen Limousinen- oder Cabrio-Aufbauten?
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
An diesen Zeugen einer untergegangenen Welt kann man sich kaum sattsehen.
Schlicht meisterhaft zu nennen ist die Kunst, diese riesigen Automobile mit ihrem unerreichten Platz im Innenraum so gestalten, dass man ihre Größe nicht als unangenehm wahrnimmt – im Gegenteil hat man den Eindruck, dass die Proportionen perfekt sind.
Gegen diese Giganten wirkt auf einmal sogar ein US-Vertreter der Vorkriegszeit beinahe kompakt – wobei wir es hier auch nicht mit einem Amiwagen der üblichen Verdächtigen zu tun haben. Vielmehr sehen wir hier ein technisch wie ästhetisch außergewöhnliches Fahrzeug – den frontgetriebenen Cord L-29, der von 1929-31 gebaut wurde:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Leider kam diesem spektakulären Wagen mit modernem Fahrwerk und 125 PS-Achtzylindermotor der Börsencrash und die Weltwirtschaftskrise in die Quere.
Umso eindrucksvoller, dass ein derartiges Juwel bei den Classic Days einfach so am Wegesrand unter freiem Himmel zu finden ist. Das ist auch im Stillstand ein wichtiger Unterschied zur Präsentation bei Kunstlicht in Museen mit bisweilen sich störend aufdrängender moderner Architektur.
Leider nähern wir uns nun schon dem Ende unseres Rundgangs über das Gelände der Classic Days mit der Vorkriegsbrille. Doch einen Höhepunkt kann ich noch bieten und das ist die Rotte von Specials auf Basis von American La France-Chassis.
Diese opulent motorisierten Geräte dienten in ihrem ersten Leben als Feuerwehrautos, bevor sie als ideale Basis für spektakuläre Umbauten im Stil historischer Rennwagen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg entdeckt wurden.
Auch in Deutschland finden sich Anhänger dieser keine Furcht kennenden und fantasiebegabten Fraktion. Sie waren mit ihren Fahrzeugen auf eigener Achse aus dem Süden der Republik angereist:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Kurz vor Ende der Classic Days am Sonntag machte sich die Meute wieder auf den Heimweg, nicht ohne noch drei Ehrerunden auf der Hausstrecke von Rittergut Birkhof zu drehen – zur grenzenlosen Begeisterung des Publikums:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Damit sagen wir „adieu“ den Classic Days 2025, nicht ohne dem Team von Marcus Herfort für die großartige Veranstaltung zu danken, bei der die Vorkriegsfreunde in einer Weise auf ihre Kosten kommen wie kaum anderswo in Deutschland.
Mein Fazit ist positiv, der Termin im nächsten Jahr ist schon vermerkt – wir kommen wieder in der Hoffnung, dass noch mehr Vorkriegswagen den Weg dorthin finden und die Tradition der Classic Days auf Schloss Dyck fortschreiben!
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
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Fährt man im Herzen Frankreichs – in der Champagne und im Burgund – über Land und macht Halt in den Kleinstädten, begegnen einem allerorten die Zeugen einstiger Prosperität, bürgerlichen Stolzes und handwerklicher Meisterschaft.
Selbst in Kleinstädten mit kaum 5.000 Einwohnern stößt man auf Bauten bester Machart, aus lokalem Kalkstein gefertigt, großzügig mit den Schmuckformen der jeweiligen Zeit versehen – die Nachkriegszeit ausgenommen, die in architektonischer Hinsicht den historischen Bestand generell nur selten zu bereichern vermag.
An einen solchen Ort entführe ich Sie heute, liebe Leser, wenngleich am Ende das Gefühl zurückbleibt, dass sich die titelgebende Prosperität in unseren Tagen verflüchtigt hat.
Begleiten Sie mich nun ins Burgund, wo nach meiner Meinung von altersher die besseren Weine als im überschätzten Bordeaux produziert werden und obendrein die Kulturlandschaft dem Reisenden weit mehr zu bieten hat.
Zwischen Bourges im Westen und Dijon im Osten findet sich einigermaßen auf halbem Wege die alte Kleinstadt Clamecy:
Clamecy (Burgund); Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger
Nicht nur die monumentale Kirche Saint Martin erzählt von einer Prosperität, die man hierzulande in einem 4.000-Seelen-Ort nur selten antrifft.
Diese Ansichtskarte der späten 1920er Jahre vermittelt auch den Eindruck einer intakten Geschäftswelt mit kleinen Läden und Handwerksbetrieben für den lokalen Bedarf.
Von einer – wiederum an deutschen Verhältnissen jener Zeit gemessen – erstaunlichen Prosperität zeugen auch die Automobile, welche vor dem 2. Weltkrieg in Frankreich in der Fläche weit alltäglicher waren als in deutschen Landen.
Mit großen Überraschungen aufwarten kann ich dabei nicht, aber betrachtenswert ist diese zufällige Auswahl an Wagen in der französischen Provinz schon, meine ich:
Citroen C4 in Clamecy; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger
Im Hintergrund zeigt sich ein Hotchkiss – zu erkennen an der markentypischen Kühlereinfassung in Hufeisenform. Davor steht wahrscheinlich ein Tourenwagen der Marke Renault.
Uns erfreut aber vor allem der vertraute Anblick eines Citroen des Typs C4 (1928-32), mit dem der Hersteller auch den anbieterseitig rückständigen deutschen Markt versorgte.
Im Kölner Citroen-Werk entstanden zahlreiche dieser technisch unauffälligen, aber gut konstruierten und dank Massenproduktion für die gehobene Mittelschicht erschwinglichen Wagen.
Hier haben wir ein solches Exemplar mit deutscher Zulassung:
Citroen C4, aufgenommen im Mai 1932 am Laacher See; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
In Frankreich mit seinem damals höheren Einkommensniveau und modernerem Fertigungsstandard war ein solcher Citroen um 1930 eines der zahlreichen heimischen Angebote für den Durchschnittsbürger – der Wagen stand für Prosperität in der Breite.
Wir wissen, wie sich die Dinge seither entwickelt haben in Frankreich.
Erst während der deutschen Besetzung 1940-44 ausgeplündert, dann von zentralistischer Planwirtschaft in seiner Dynamik stark beeinträchtigt und seit langem von einer missglückten Migrationspolitik geplagt, gehen in den Kleinstädten auf dem Land allmählich die gewachsenen Strukturen vor die Hunde.
Die Zeugen einer großen Vergangenheit und einstiger Prosperität sind noch da in Clamecy, aber die Atmosphäre, die Geschäfte und das Leben von früher sind weg. Das war schon bei meinem letzten Besuch im Herzen Frankreichs vor rund 10 Jahren so…
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Die regelmäßigen Leser werden bemerkt haben, dass ich mir eine kurze Pause in meinem Blog gegönnt habe.
Das war zum einen der Arbeit geschuldet, die mich in den letzten Tagen mehr als sonst absorbiert hat – da schien mir noch mehr Bildschirmzeit zuviel. Mehr für’s Auge tun, das wird früher oder später zu einem Motto, mag man sich sonst noch jung fühlen.
Zum anderen schien mir der Augenblick gerade recht, um einen Blick auf das in den letzten 10 Jahren Bloggerei Erreichte zu werfen – sowie Pläne dafür zu machen, wie es weitergeht.
„Er hat das Titelbild geändert, wo wir uns doch so daran gewöhnt hatten.“ – Ja liebe Leser, das schmerzt den Konservativen, wenn schon so viel anderes den Bach hinuntergeht.
Doch halte ich es mit dem paradoxen Ausspruch, wonach sich alles ändern muss, damit es so bleiben kann, wie es ist. So drückt es der sizilianische Adlige Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957) in seinem Roman „Il Gattopardo“ aus – welcher 1963 mit hinreißender Besetzung verfilmt wurde.
Also habe ich mich beim neuen Titelbild des Blogs für ein Foto aus meinem Fundus entschieden, das noch besser die Bandbreite meines Anspruchs abdeckt:
Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Harmonisch nebeneinander stehen hier die exotischen, oft schwer zu identifizierenden Automobile der Zeit bis 1920, die populären Kleinwagen und Nischenfahrzeuge der Zwischenkriegszeit und die in gigantischen Stückzahlen gebauten Wagen der US-Hersteller.
Nur die in der heutigen Klassikerszene so präsenten deutschen Luxusfabrikate sucht man auf dieser Aufnahme vergeblich. Sie waren damals viel zu selten und fanden gewiss nicht den Weg ins beschauliche Blaubeuren, wo obiges Foto im April 1930 entstand.
Nachdem wir also geklärt hätten, dass im Wesentlichen alles bleibt, wie es ist, kommen wir zu dem, was sich ändert. Ich will hier aus persönlichen Motiven, aber auch weil ich meine, ein Bedürfrnis bei anderen dafür zu sehen, künftig „mehr für’s Auge tun“.
Das bedeutet zweierlei: Von den Kategorien „Fotorätsel des Monats“ am 15. und „Fund des Monats“ am Monatsletzten abgesehen, wird es hier künftig weniger ins rein sachliche Detail gehen – jedenfalls nicht, soweit allgemeine Quellen verfügbar sind.
Im Vordergrund soll vielmehr die Ästhetik stehen und damit meine ich nicht nur die formale Gestaltung eines Wagens, sondern auch seine Inszenierung und Wirkung, also seine Bedeutung als Ausdruck von Zeitgeist und Selbstverständnis der Besitzer.
Damit einher geht der weitgehende Verzicht auf Aufnahmen, die rein dokumentarische Qualitäten haben. Kandidaten wie Adler „Favorit“, Brennabor P 8/25 PS, Horch 10/50 PS, Mercedes 8/32 PS oder auch Fiat 509 und Chevrolet „International“, landen fürderhin direkt in den einschlägigen Markengalerien, sofern sie nicht „mehr für’s Auge“ bieten.
Damit wir uns recht verstehen: Auch künftig spielen hier nicht die Prachtkarossen von Meisterhand nicht erste Geige, welche einst den „happy few“ gehörten und die heutzutage überrepräsentiert sind. Auch ein brilliant in Szene gesetzter DKW mit sympathischem Personal drumrum kommt weiterhin in die Auswahl.
Fotos mäßiger Qualität, die unerbauliche Situationen mit unangenehmen Charakteren zeigen, will ich nicht mehr bringen – wobei es Ausnahmen geben kann. Ein erfreuliches Gegenbild zum Alltag soll hier gezeichnet werden – auch das ein Fazit nach 10 Jahren.
Zwar bin ich selbst in der glücklichen Lage, dass sich meine persönlichen Verhältnisse immer weiter verbessert und verschönert haben. Aber mir ist auch sehr bewusst, dass für die breite Masse der Bürger in Deutschland sich seit 2015 praktisch nichts zum Positiven entwickelt hat, um es vorsichtig auszudrücken.
Deshalb wird auch weiterhin alles, was ich hier tue, für meine Leser völlig kostenlos und werbefrei sein. Der einzige Preis, den Sie zahlen müssen, ist der meiner persönlichen Sicht und Assoziationen beim Betrachten der Fotos, um die es geht.
Wie sich das im Fall des heute erstmals präsentierten Citroen „Traction Avant“ darstellt, werden Sie im Folgenden erfahren – los geht’s:
Fiat 1100 und Citroen Traction Avant in Mailand; Postkartenausschnitt, Original aus Sammlung Michael Schlenger
Bei der Aufnahme klingt gleich ein Thema an, das mir am Herzen liegt und das ich weiterhin verfolge – das Vorkriegsauto und seine Wirkung im Stadtbild.
Hier wird die streng klassischen Vorbilder der Antike folgende Fassade der im 19. Jh,. errichteten Kirche San Carlo in Mailand in willkommener Weise durch die Präsenz von zwei Automobilen der 1930er Jahre gemildert – die Szene bezieht ihr gesamtes Leben daraus.
Dergleichen dürte mit Autos der Gegenwart nur noch in selten Fällen gelingen. Die Vorkriegsgestaltung folgte dagegen noch Prinzipien, die nicht in offenem Widerspruch zur über Jahrhunderte gewachsenen Architektur standen.
Geradezu brav erscheint hier der für seine Zeit durchaus moderne Fiat 1100 links – Ende der 30er Jahre eines der besten Autos seiner Klasse und ein gern gesehener Gast in meinem Blog, zumal er auch in Deutschland gebaut wurde.
Doch wirkt er beinahe bieder gegen den wie eine sprungbereite Raubkatze geduckt danebenstehenden Citroen des 1934 eingeführten Typs „Traction Avant“.
Der aufregend klingende Namenszusatz verwies schlicht auf den Frontantrieb, der damals von etlichen europäischen Herstellern (Adler, Audi, DKW, Stoewer) als zukunftsweisend erkannt und in teils beachtlichen Stückzahlen realisiert wurde.
Die eigentliche Neuerung beim „Traction Avant“ war die Kombination mit einer selbsttragenden Karosserie und niedrigem Schwerpunkt, was dem Wagen eine einzigartige Straßenlage ermöglichte.
Je nach Motorisierung (vier bzw. sechs Zylinder) boten die Franzosen damals echte Autobahngeschwindigkeiten von 120-140 km/h, die beim selbsternannten Erfinder der Autobahn rechts Rheines rare Ausnahmen blieben. Das Potenzial des Fahrwerks unterstrich ein geplanter noch stärkerer 8-Zylindermotor, der aber nicht mehr zum Serieneinsatz kam.
Jenseits der in seiner Hubraumklasse weit überdurchschnittlichen Fahrleistungen war und ist für viele Autogourmets aber die Karosserieform des Citroen die eigentliche Sensation.
Der Gestalter – Flaminio Bertoni (übrigens auch der Designer der späteren Ente und der DS von Citroen) – war von Hause aus Bildhauer und ihm gelang eine geradezu skulpturenhafte Interpretation der klassischen Formen der 30er Jahre. Kein Wunder, dass Citroen bis Ende der 1950er Jahre daran festhielt.
Auf der folgenden Aufnahme verweisen nur die Luftschlitze in der Haube (statt Klappen) und die gerade Stoßstange auf die ansonsten unveränderte Nachkriegsversion:
Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsversion; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die phänomenalen Qualitäten des Fronttrieblers von Citroen – je nach Motorisierung als 7 CV, 11 CV oder 15 CV angeboten – sprachen sich nicht nur bei französischen Gangstern herum, die damit der Polizei mühelos entkommen konnten.
Der Wagen fand auch bei einer anderen unerwünschten Klientel großen Zuspruch, dem deutschen Militär, das im Sommer 1940 Frankreich angriff und weitgehend besetzte.
Die trotz großer Klappe an chronischer Knappheit leidende Wehrmacht kassierte alle Exemplare dieses Typs, derer sie habhaft werden konnte.
Die bisweilen angeführte Abneigung der deutschen Truppen gegenüber Frontantriebsautos muss sich auf Schreibtischtäter im schon damals ineffizienten Beschaffungswesen beschränkt haben – an der Front wusste man es nämlich besser:
Citroen „Traction Avant“, Beutwagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier haben wir einen frisch erbeuteten Citroen, aufgenommen 1940 zwischen Troyes und Nancy, so ist umseitig überliefert. Die Uniformjacke eines deutschen Soldaten – wohl mit Ek2 und Infanterie-Sturmabzeichen – sagt alles über die neuen Besitzverhältnisse.
Der Lack ist noch der zivile, doch trägt der Wagen schon die seit 1939 obligatorischen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfer. Mit offenbar wenig haltbarer Farbe hat jemand „WH“ (für „Wehrmacht Heer“) auf den Kotflügel gemalt.
Wenig vorschriftsmäßig das Ganze, aber auch deshalb interessant und würdig, gezeigt zu werden.
Gemäß meinem neuen Motto „Mehr für’s Auge“ nicht mehr eigens präsentieren, sondern gleich in die Markengalerie verschieben würde ich dagegen künftig beliebige Aufnahmen ähnlicher Situationen wie diese:
Citroen „Traction Avant“, Beutewagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Sie werden mir beipflichten, dass man darauf gut verzichten kann – nicht wegen des unerfreulichen Kontexts, sondern schlicht weil das Foto ästhetisch nichts hergibt.
Anders sieht das beim nächsten Beispiel aus – auch wenn wir uns hier immer noch im selben Umfeld bewegen.
Mich erinnert die Aufnahme an den scherzhaften Spruch eines amerikanischen Mitglieds meiner internationalen Facebook-Gruppe zum Thema Vorkriegsautos auf alten Fotos: „The Germans should have won the war – they had the cooler cars and smarter uniforms„.
Die Amis haben gut lachen, die dürfen das als eine der Siegermächte des 2. Weltkriegs sagen und wissen gut zu trennen zwischen den verwerflichen Aktivitäten der Wehrmacht einerseits und ihrer für viele historisch Interessierte bis heute faszinierenden Ausrüstung:
Citroen „Traction Avant“, Beutewagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Im vorliegenden Fall haben diese Herren, die ich bei der deutschen Luftwaffe verorten würde, nur ihre schneidigen Uniformen mitgebracht, auf die man auf deutscher Seite so auffallenden Wert legte.
Den schicken Wagen dagegen hatten sie französischen Zivilisten abgenommen, welche ihre Autos in aller Regel nie wieder sahen, obwohl einige dieser Citroens noch bei der Kapitulation der Wehrmacht vor 80 Jahren zum deutschen Fuhrpark gehörten.
Mir ist bewusst, dass solche Aufnahmen bei meinen Lesern nicht nur Freunde finden, aber sie illustrieren nun einmal einen wichtigen Teil der Geschichte des Citroen „Traction Avant“.
Aus derselben Zeit kann ich bei der Gelegenheit ein Aufnahme zeigen, die auf jeden Fall in die Kategorie „Mehr für’s Auge“ passt, auch wenn das Foto im Oktober 1940 als Feldpostkarte aus Paris nach Deutschland gesandt wurde:
Citroen „Traction Avant“ Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
So betörend dieses Postkartenmotiv auch ist, sollten wir immerhin kurz erwähnen, dass es sich bei dem nur in Teilen sichtbaren Auto ebenfalls um einen Citroen „Traction Avant“ handelt – hier eine der eher seltenen Ausführungen als zweisitziges Cabriolet.
Lediglich die Gestaltung der Luftklappe in der Motorhaube brachte mich auf die Spur dieses raren Exemplars.
Mit dem nächsten Foto verlassen wir die unselige Kriegszeit, bewegen uns aber noch in einem Umfeld, in dem im weitgehend kriegsverheerten Europa Mangel an so ziemlich allem herrschte – und das sieht man dieser Szene deutlich an:
Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wer mein neues Motto „Mehr für’s Auge“ bereits verinnerlicht hat, mag hier die Augenbraue heben – was sollte hier schon besonders sehenswert sein?
Nun nach streng ästhetischen Maßstäben wenig, auch wenn vielleicht die Damen den schlanken großgewachsenen Herrn nicht unsympathisch finden könnten.
Aber für’s Auge gib es auch an dem mitgenommmenden Citroen einiges zu sehen – oder auch nicht zu sehen, denn manches fehlt (wie das große Markensignet auf dem Kühler und die vordere Radkappe) oder wurde verändert (wie die Stoßstange).
Vor allem aber brauche ich hier jemandes scharfes Auge, was das Nummernschild betrifft: Erkennt jemand, wo dieses Exemplar einst zugelassen war?
Kurioserweise präsentiert sich ein weiteres Exemplar kurz nach dem Krieg wesentlich besser, obwohl es dem Nummernschild nach zu urteilen in Berlin beheimatet war:
Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der Wagen scheint den Krieg trotz kleinerer Modifikationen etwas besser überstanden zu haben, auch der Hintergrund sieht intakt aus – wobei es 100 Meter weiter schon wieder ganz anders aussehen konnte.
Da der Citroen „Traction Avant“ auch im Kölner Werk produziert worden war, könnte es sich hier um ein überlebendes Exemplar aus deutschem Besitz gehandelt haben – offenbar von jemandem, dessen Tätigkeit es erforderte, dass er den Wagen nicht auf Nimmerwiedersehen ans Militär abliefern musste.
Die junge Dame neben dem Auto, dessen schlichte und doch spannungsreiche seitliche Linien hier gut zu studieren sind, trägt ein Kostüm, wie es typisch für die späten 40er Jahre ist. Viele Unterschiede gab es da noch nicht zur Vorkriegszeit.
Dass eine gut gekleidete und gekonnt posierende Dame immer noch die perfekte Ergänzung eines schönen Automobils darstellt, mag nach den bedauernswerten Maßstäben einiger heutiger Zeitgenossen zwar eine unangemessene Feststellung sein.
Ich weiß aber im Unterschied zu den fixen Ideen irgendwelcher trübseligen Theoretiker mit unwerfendem Belegmaterial für meine Behauptung aufzuwarten.
Das schlagendste Argument ist und bleibt der Bildbeweis – jedenfalls sofern man noch auf analoge Originale wie dieses zugreifen kann:
Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Sie werden nach hinreichender Würdigung der erschrocken in die Zukunft schauenden Dame im Leopardenjäckchen sicher auch bemerkt haben, dass wir hier wieder eine Nachkriegsversion des Traction von Citroen vor uns haben.
Das Zusammenspiel der schönen Erscheinung auf vier Rädern und auf zwei Beinen wird hier noch so perfekt illustriert wie vor dem Krieg – so als wäre nichts gewesen.
Solche Erkenntnisse sind es vor allem, auf ich mit dem neuen Motto „Mehr für’s Auge“ verstärkt abziele.
Wem bei dem Ansatz die Technik und der Zahlensalat zu kurz kommen, dem kann ich kurzfristig nicht helfen – das bleibt jetzt nämlich aus auto-therapeutischen Gründen die nächsten zehn Jahre so. Vielleicht haben wir dann wieder bessere Zeiten…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Als ich mich als Bub für Autos zu interessieren begann – war mein Anschauungsmaterial zunächst das, was es auf dem Weg zur Grundschule zu besichtigen gab.
Ich erinnere mich an den VW Typ 3 unseres Nachbarn zur Rechten – eines Arbeiters, der in den 1970er Jahren für seine Familie ein zweistöckiges Haus bauen konnte – damals mit viel Fleiß machbar.
Der Nachbar zur Linken fuhr einen Audi 60 – er war pensionierter Flugkapitän und hatte als Testpilot im 2. Weltkrieg alles Mögliche geflogen. Mein älterer Bruder hat ihn mal für ein Schulprojekt dazu interviewt, vielleicht gibt’s die Kassette mit seiner Story noch…
Gegenüber wohnte ein Kriegsversehrter, ebenfalls Arbeiter und noch so einer, der mit Frau und Kind ein anständiges Haus mit großem Garten besaß. Irgendwann gönnte er sich einen gebrauchten 70er-Jahre-Mercedes (W114/115), den er selbst wieder aufmöbelte.
Weiter unten an „unserer“ Straße gab es – wenn ich mich recht entsinne – einen der genialen Renaults mit Heckklappe, die deutsche Fabrikate alt aussehen ließen. Ich meine außerdem, dort auch öfters einen flotten Chevrolet Camaro gesehen zu haben.
Doch in Sachen Citroen – und darum geht es heute – kann ich mich vor allem an ein Modell CX in braun-metallic erinnern. Er gehört dem Gatten einer guten Bekannten meiner Mutter, einer Grundschullehrerin aus unserem Ort.
Dieses Gerät mit seiner einzigartigen Linienführung begeisterte mich. Leider wurde der Citroen nach einigen Jahren durch einen weißen Mercedes 200 Diesel (W124) ersetzt. Immerhin hielt in der Nachbarschaft ein Jäger seinem wackeren Lada Niva die Treue.
Sie sehen: für mich waren ausländische Fabrikate schon früh selbstverständlicher Bestandteil meiner automobilen Sozialisation.
Den Kult um deutsche Automobile habe ich nie verstanden, so sehr mich das Großwerden im 1963er VW „Export“ mit Faltschiebedach beeinflusst hat, den meine Mutter viele Jahre fuhr.
So waren für mich Alfas und Jaguars, später auch Mazdas und Hondas nie eine Randerscheinung, sondern selbstverständliche Bewohner des faszinierenden internationalen Autozoos in der guten alten Bundesrepublik, in der ich aufwuchs.
Doch gab es auch Zeiten, in denen ein Citroen – meine Nachbarn fahren gleich zwei davon wie viele, die günstige Autos suchen – nur eine Randerscheinung in Deutschland war.
Das passende historische Foto dazu sehen Sie hier:
Citroen B14; Aufnahme aus dem 2. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wo genau das Auto aufgenommen wurde, kann ich nicht sagen – die Ziegelbauweise verweist allgemein auf Norddeutschland. Der Zulassungsbezirk des der hier am Rand zu sehenden Wagens, lässt sich allerdings bestimmen.
Dem Nummernschild nach zu urteilen war diese Limousine im westfälischen Coesfeld zugelassen. Dass ich damit wenig anfangen kann, mag am Schicksal der Kleinstadt liegen.
Der militärisch irrelevante Ort wurde wenige Wochen vor Ende des 2. Weltrkriegs durch Bomber der Westalliierten dem Erdboden gleichgemacht – weil man es konnte.
Auch die Synagoge, die an die vertriebenen bzw. ermordeten Bürger jüdischer Abstammung erinnert, wurde beschädigt. Sie gehört zu den wenigen erhaltenen historischen Bauten im heutigen Coesfeld.
Vor diesem fatalen Hintergrund begegnet uns hier ein Wagen mit der ab 1939 im sogenannten Deutschen Reich vorgeschriebenen Tarnbeleuchtung:
Citroen B14; Aufnahme aus dem 2. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die Ansprache des Herstellers dieser Limousine aus den späten 1920er Jahren ist keine Kunst – hier haben wir zweifellos einen Citroen vor uns.
Die französische Marke hatte 1927 eine Produktionslinie in Köln aufgebaut, um vom Potenzial des deutschen Markts zu profitieren, der von den produktionstechnisch meist rückständigen lokalen Herstellern nicht ausreichend mit Autos versorgt werden konnte.
Das hier zu sehende Modell wurde allerdings seinerzeit nicht in so großen Stückzahlen gebaut, dass man von mehr als einer Randerscheinung sprechen kann.
Das Fehlen einer Stoßstange und die unten spitz zulaufende Windschutzscheibe sind Indizien dafür, dass wir es mit dem Modell B14 zu tun haben. Davon wurden zwischen 1926 und 1928 insgesamt fast 140.000 Exemplare gebaut.
Die Kölner Produktion wird in der Literatur auf knapp 9.000 Wagen beziffert. Damit musste dieser Citroen wie auch die Nachfolger C4 und C6 eine Randerscheinung in deutschen Landen bleiben.
Dass wir einem solchen Auto im 2. Weltkrieg irgendwo in Westfalen begegnen, ist daher einerseits ein bemerkenswerter Zufall. Andererseits wundert es nicht, da die meisten privaten PKW jüngeren Baudatums für militärische Zwecke eingezogen wurden.
So war dieser Citroen vielleicht doch mehr als eine Randerscheinung. Wagen wie dieser gehörten zu den wenigen, die im 2. Weltkrieg einigen privilegierten „Volksgenossen“ an der „Heimatfront“ ein Minimum an Individualmobilität jenseits des Fahrrads ermöglichten…
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Na, was sind Ihre Assoziationen beim heutigen Titel? Meine sind so abwegig, dass Sie nicht darauf kommen werden – erst das vorzustellende Foto, welches mich dazu inspirierte, wird für die gewünschte Aufklärung sorgen.
Also sind Sie heute ausnahmsweise zuerst dran:
Denken Sie zuerst an „Room with a view“ – das wunderbare Titellied eines eher peinlichen deutschen ÖR-Streifens von anno 1988, das einst von Tony Carey gesungen wurde?
„Damals war die Welt noch in Ordnung. Toller Song“ – so lautet der erste Kommentar auf YouTube unter diesem Stück – jedenfalls heute, als ich das Video aufgerufen habe. Im gleichen Jahr 1988 hatte ich den Führerschein in der Tasche und machte mein Abitur.
Nur 15 Monate Wehrdienst als Panzergenadier an der innnerdeutschen Grenze trennten mich damals noch von der Freiheit. Der Krieg blieb kalt, und das war auch deshalb besser so, weil die Bundeswehr schon damals keine echte Armee war – was ich mit Blick auf das Personal an der Spitze unseres Landes heute erst recht begrüße.
Aber: „Zimmer mit Aussicht“ , das war auch der Titel eines britischen Kinofilms, der 1985 – also vor genau 40 Jahren – herauskam. Er spielt im wahrsten Sinne des Wortes mit den Klischees um das viktorianische England.
Das Beste an dem Schinken ist, dass er in Florenz und Umgebung spielt, während ich mit der damals „entdeckten“ Helena Bonham Carter noch nie etwas anfangen konnte. Einziger Lichtblick ist Maggie Smith, die später in der legendären Adelsserie „Downton Abbey“ zur Rolle ihres Lebens fand – aber das nur nebenbei.
Was hat es es nun mit dem „Zimmer mit Aussicht“ auf sich, welches ich Ihnen heute in Sachen Vorkriegsautomobile nahebringen will?
Nun, an sich ist die Sache ganz einfach. Es handelt sich um eine geniale Vorwegnahme des Konzepts des „Tiny House“ – der Miniaturbehausung, die den in Sachen Wohneigentum heillos unterausgestatteten Deutschen seit einigen Jahren angepriesen wird.
Das Lob der minimalistischen Wohnkammer, die einen all der Lasten enthebt, die mit einem richtigen Haus mit großzügigem Grundstück einhergehen, soll darüber hinwegtäuschen, dass die heutige Erwerbstätigen-Generation „dank“ weltweit einzigartiger Zwangsabgaben nicht mehr den Wohlstand ihrer Eltern zu erreichen vermag.
Dieses auf das „reiche“ Deutschland beschränkte Phänomen registriere ich schon seit langem mit einer Mischung aus Amüsement und Verärgerung. Denn an sich hätte ich am Konzept des kleinen „Zimmers mit Aussicht“ gar nichts auszusetzen, würde es nicht zugleich mit aggressiver Propaganda gegen das Automobil für jedermann einhergehen.
Dabei ließ sich doch beides schon vor 100 Jahren auf vollkommene Weise vereinen – das Dach über’m Kopf, beste Aussicht auf die Welt und die Möglichkeit, jederzeit seine Zelte abbrechen zu können und unabhängig von Zugfahrplänen einen besseren Ort in der Welt aufzusuchen – und sei es bloß außerhalb der Metropolen irgendwo auf dem Land.
Wie reizvoll das Mitte der 1920er Jahre aussehen konnte, ist hier zu besichtigen:
Citroen 5CV mit Coupédach; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dieses rollende Einraum-Mobil mit luftigem Ausguck basierte offenbar auf dem Citroen Type C 5CV, der ab 1922 gebaut wurde und als erstes französisches Großserienauto gilt.
Das Fahrzeug war mit seinem 900ccm-Vierzylinder unterhalb des Fiat 501 angesiedelt, der ab 1919 das früheste Massenfabrikat in Europa war. Mit elektrischem Anlasser und Diifferential hob sich der kleine Citroen jedoch von den ähnlichen Cyclecars jener Zeit ab.
Über 80.000 Exemplare entstanden bis Mitte der 1920er Jahre, darunter viele offene Versionen mit dem auch hier zu sehenden spitz zulaufenden Bootsheck, das im Französischen treffend „Cul de poule“ genannt wurde – Hühnerarsch auf gut Lutherisch.
Wer sich an den Opel 4 PS „Laubfrosch“ erinnert fühlt, muss zur Kenntnis nehmen, dass den vor dem 1. Weltkrieg auch im Kleinwagensegment versierten Rüsselsheimern 1924 nichts Besseres mehr einfiel, als am Citroen „Maß zu nehmen“, vorsichtig formuliert.
Das Besondere an dem hier präsentierten Exemplar des Citroen 5CV ist die Umgestaltung des offenen Bootsheck-Tourers in ein adrettes Coupé. Dazu montierte man einen kunstlederbezogenen Dachaufsatz, den es wohl im Zubehör gab.
Garantiert nicht serienmäßig war auch der „Freisitz“ mit Designerstuhl aus dem Hause „Henri Moreau“ – einem französischen Möbelgestalter jener Zeit.
Wer jetzt meint, dass dieser Citroen als Werbemobil unterwegs war, macht mir die Story kaputt! Für mich war dies das Werk eines Visionärs, der seiner Zeit weit voraus war und als herumzigeunernder Freigeist einfach nur sein motorisiertes Zimmer mit Aussicht genoss…
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Heute erlaube ich mir, Sie ins schöne Salzburg zu entführen – ja, der Blog-Wart weiß nicht nur die historischen Stätten südlich der Alpen zu schätzen. Auch in Österreich fühlt er sich gut aufgehoben, speziell dort, wo man das Erbe des Alten Europa lebendig erhält.
Mit Erschrecken stelle ich fest, dass mein letzter Aufenthalt in der bereits von den Römern gegründeten Stadt an der Salzach bereits 12 Jahre her ist. Höchste Zeit also, dorthin zurückzukehren.
Den Anlass dazu lieferte mir die virtuelle Begegnung mit einer alten Flamme – der verführerischen Rosalie. Zuletzt präsentierte sie sich hier ausgesprochen offenherzig und eindeutig zum Verweilen einladend:
Citroen „Rosalie“ 15 CV; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dass wir es tatsächlich mit der Sechszylinderversion des im Volksmund „Rosalie“ genannten, ab 1932 gebauten Modells von Citroen zu tun haben, das verraten die fünf Luftklappen in der Motorhaube. Die Vierzylinderausführungen 8CV und 10 CV besaßen nur deren vier.
Mit 56 PS war die „sechsy“ Rosalie für ihre Größe sehr ordentlich motorisiert. Übrigens wurden die heckgetriebenen Modelle des Typs Rosalie auch nach Erscheinen des innovativen Fronttrieblers „Traction Avant“ (ab 1934) weitergebaut.
Nachdem ich „Rosalie“ für viele Jahre aus dem Auge verloren hatte, traf ich sie kürzlich wieder und das ausgerechnet bei einem neuerlichen Ausflug nach Salzburg.
Ich hatte noch in Erinnerung, dass sich einem dort endlos reizvolle Perspektiven darbieten, wie das nur in historisch gewachsenen, von der „Moderne“ verschonten Städten der Fall ist.
So hatte ich seinerzeit reichlich Gelegenheit gefunden, mit meiner Kamera zu dilettieren:
Salzburg im Winter 2013; Bildrechte: Michael Schlenger
Natürlich war mir auch nicht die herrliche „Landschaft“ aus Türmen und Kuppeln der zahlreichen Kirchen entgangen, die vor allem in der Barockzeit in Salzburg entstanden.
Allerdings muss ich eine davon übersehen haben – und das, obwohl sie die italienischste ihrer Art ist, die man dort findet. Die Rede ist von der Dreifaltigkeitskirche, deren spielerisch zurückschwingende Fassade ihresgleichen nördlich der Alpen sucht.
Doch zum Glück war irgendwann in der frühen Nachkriegszeit ein gleichgesinnter Amateur aufmerksamer als ich und hatte den Bau im damals noch analogen Format festgehalten.
Und dabei war nebenbei auch die schöne „Rosalie“ auf’s Bild gelangt:
Citroen 15CV vor der Dreifaltigkeitskirche in Salburg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Nicht nur erfreut mich hier das Wiedersehen mit Rosalie, die sich gut gehalten hat – sie scheint nichts von ihrem Reiz verloren zu haben.
Mir scheint dies auch wieder einmal ein Dokument zu sein, welches zeigt, dass Vorkriegsautos keine stilistischen Fremdkörper in vormodernen Stadtumgebungen sind.
Ihre organische Formgebung mit spannungsreichen Bögen anstelle simpler Kastenformen entstammt derselben gestalterischen Tradition wie alle historischen Bauten bis zum Ende des Jugendstils.
Tatsächlich wäre diese Frontalaufnahme der symmetrisch gestalteten Kirche beinahe langweilig ohne die skulpturenhafte Erscheinung des Citroen außerhalb der Hauptachse.
Nachdem wir wieder einmal die überlegene ästhetische Harmonie von traditionellen Bauten und Vorkriegsautomobilen „bewiesen“ haben, können wir uns nun endlich der schönen Rosalie an den Hals werfen – denn neben ihr verblasst doch aller anderer Glanz:
Doch halt, können wir ihr auch wirklich trauen? Ist das wirklich noch „unsere“ Rosalie mit dem Temperament von sechs Zylindern? Oder hat verbirgt sich hinter viel Make-up doch nur die eher schale Vierzylinder-Schwester?
Ich meine, dass unser Gefühl nicht trügt. Denn hier scheint tatsächlich Platz für fünf statt nur vier Luftklappen in der Motorhaube zu sein, auch wenn wir nicht alle davon sehen können.
So geht dieses Rendezvous mit Rosalie nach langer Zeit am Ende gut aus, keineswegs selbstverständlich wenn man einer alten Flamme wiederbegegnet.
Haben auch die Jahre für Abstand gesorgt und ist nun das Verhältnis nur noch platonischer Natur, bleibt in unserem Herzen doch die Erinnnerung wach an das, was einst war. Genau darin liegt die unauslöschliche Schönheit von Vorkriegsautos.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Kaum zurück von einer vernüglichen Kurztour ins „Finst’re Tal“ im Weilburger Land – ein Codewort, das nur meine dort residierende „Beute-Cousine“ verstehen wird – begebe ich mich nun auf große Fahrt und zugleich einen absoluten Egotrip.
Wer sich heute dagegen großzügig vermittelte Erkenntnisse in Sachen Vorkriegsautomobil erwartet hatte, der wird weitgehend leer ausgehen.
Immerhin kann ich etwaige Sorgen zerstreuen, was die Identität von „Mutti und Lassie“ angeht. Mutti ist nicht, was manch‘ einer jetzt denken könnte, sondern eine echte Mutter, und Lassie ist kein Vierbeiner aus einer US-Fernsehserie – wobei auch ein solcher in der heutigen Story eine Nebenrolle spielt.
Gehen wir systematisch vor und werfen zunächst einen Blick auf’s Ego. Dieses darf nicht gänzlich unterentwickelt sein, wenn man einen für jedermann einsehbaren Blog im Netz betreibt.
Seit ich anlässlich der Abiturfeier anno 1988 den „Eingebildeten Kranken“ des französischen Schriftstellers Molière auf der Bühne gegeben hatte, kenne ich kein Lampenfieber.
Allerdings suche ich auch kein Publikum – dieses soll sich gefälligst selbst anstrengen und mich finden. Ziemlich konstant knapp 5.000 Leser verirren sich pro Monat hierher – nicht übel für ein Thema, das von gestern ist.
Aber ach, das Ego, um das es hier geht, ist ja gar nicht meines. Selbiges ist vielmehr auf dem folgenden Foto zu finden, das von links nach rechts folgende Personen zeigt: „Hermann, Hilda P. und Ego„:
Originalfoto von 1930; Sammlung Michael Schlenger
Tja, meine Herren, neben Hilda P. verblasst jedes Ego, nicht wahr? Ich zumindest bin bereit, auch bei winterlichen Verhältnissen dahinzuschmelzen für die junge Dame (der englische Fachbegriff folgt später…).
Das liegt aber nicht nur an dem hinreißenden Lächeln, sondern auch – ich gebe es zu – an der androgynen Aufmachung mit Krawatte.
Während Männer in Frauenkleidern – hier muss man heute vorsichtig sein, sagen wir daher – nicht meine völlige Begeisterung wecken, haben attraktive Frauen im auf den sportlichen Leib geschneiderten Anzug für mich ein gewisses Etwas.
(Auch) In dieser Hinsicht lässt unsere Zeit sehr zu wünschen übrig, wenn ich das bei der Gelegenheit feststellen darf. Aber das nur nebenbei.
Wer von dergleichen Dingen weniger leicht abzulenken ist, wird mit nüchternem Blick nicht nur die nach heutigen Maßstäben ungeeignete Skikleidung, sondern auch die Zigarre in der Hand des als „Ego“ bezeichneten jungen Mannes bemerkt haben, außerdem den Siegelring am Finger.
Aus seinem Fotoalbum – bzw. aus Resten daraus, die ich vor Jahren erworben habe – stammen alle heute präsentierten Bilder. Was uns der in vermögende Verhältnisse geborene junge Herr „Ego“ sonst noch aus seinem Trip durch’s Dasein hinterlassen hat?
Da wir strukturiert vorgehen wollen, ist als nächstes „Mutti“ an der Reihe. Hier sehen wir sie anno 1930 im Heck eines Motorboots auf dem Vierwaldstättersee – wo genau, dürfte schwer festzustellen sein, vielleicht unweit von Beckenried?
Originalfoto von 1930; Sammlung Michael Schlenger
Das Schweizer Kreuz auf der Flagge ist ein willkommener Kontrast zu anderen Wimpeln aus dem deutschsprachigen Raum, welche sich auf allzuvielen Fotos der 1930er Jahre finden.
Natürlich ist niemand vollkommen, aber wie sich die kleine Schweiz in den beiden Weltkriegen aus den irren Massenmorden der Nachbarn heraushalten konnte, findet meine Anerkennung. Dass sie oft beide Seiten mit allem Möglichen beliefert hat, von der Heeresuhr bis zur Flugabwehrkanone, na und?
Wer wahnsinnig ist, lässt sich ohnehin nicht aufhalten, also kann man auch an ihm verdienen, solange das eigene Volk verschont bleibt – und darauf kommt es letztlich an.
Zurück zu Mutti, die wie Sohn „Ego“ in der Eidgenossenschaft zuhause war. Hier haben wir sie auf dem eigenen Grundstück mit einem kleinen Vierbeiner:
Originalfoto von 1930; Sammlung Michael Schlenger
War das kleine Hundchen vielleicht die im Titel angekündigte „Lassie“?
Nein, zwar trifft es zu dass „Lassie“ kein Collie war, aber eben auch kein Schoßhündchen. Dieses hier hörte auf den Namen „Mädi“ und wir dürfen annehmen, dass der Fotograf genau diesen Namen rief, bevor er auf den Auslöser drückte.
Nachdem wir das geklärt haben, wird es nun höchste Zeit, die wahre Identität von „Lassie“ zu entschlüsseln. Dazu muss man wissen, dass eine „lass“ im Englischen eine junge Dame ist, die noch etwas Mädchenhaftes hat.
Früher hätte man hierzulande „Fräulein“ gesagt, wobei das insofern nicht ganz passt, als auch unverheiratete Frauen im fortgeschrittenen Alter so bezeichnet wurden – gern mit einem gewissen vorwurfsvollen Unterton, als seien sie nicht für voll zu nehmen.
Das hatten wir eigentlich überwunden – bevor das archaische Frauenbild in unseren Tagen durch die Hintertür und inzwischen im Alltag unübersehbar hereingeschneit kam.
Aber egal, hier geht es ja um die Welt von gestern, und so mies vieles war, so sehr können wir uns auf die durchaus erfreulichen Dinge konzentrieren, die es dennoch gab:
Citroen B14, Originalfoto von 1930; Sammlung Michael Schlenger
Das ist „Lassie“ – so hat es der junge Herr „Ego“ jedenfalls direkt unter dem Foto in seinem Album vermerkt. Ein schöner und durchaus passender Name, wie ich finde.
Die Kenner unter Ihnen werden jetzt nüchtern feststellen: Offenbar ein Citroen B14 (1926-28) – erkennbar an Form und Anordnung der Luftschlitze in der Motorhaube, den vier Radbolzen und den Knöpfen des Batteriekastens im Schweller unterhalb der A-Säule.
Vergleichsfotos finden Sie bei Bedarf in meiner „Citroen“-Galerie. Ich habe heute keine Zeit, näher auf Details des Wagens einzugehen, wenngleich dieser der erste seines Typs ist, den ich mit einem solchem Aufbau als Coupé oder Faux Cabriolet sehe.
Näheres wird wohl ein Leser dazu sagen können. Ich mache unterdessen weiter auf diesem „Egotrip“, der uns als nächstes an den Genfer See bringt. Dort entstand 1930 oberhalb von Montreux dieses Foto:
Wiese oberhalb von Montreux, 1930; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
„Narzissenzeit bei Montreux“ ist in dem Fotoalbum des Herrn „Ego“ dazu vermerkt. Bitte prägen Sie sich bei der Gelegenheit die Silhouette der schneebedeckten Berge am Horizont ein.
Jetzt geht es erst einmal weiter hinunter ans Ufer des schweizerischen Ufers des Genfer Sees – immer noch oberhalb von Montreux. Ob dieser Trip mit „Lassie“ unternommen wurde, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, auch wenn wir dem Citroen am Ende der heutigen Tour noch einmal begegnen werden.
Hier also besagter Ausblick über den Genfer See oberhalb von Montreux, das in der Vorkriegszeit als mondäner Ausflugsort galt und nach dem 2. Weltkrieg neuerlich Bedeutung als Austragungsort von Musikfestivals erhielt:
oberhalb von Montreux, 1930; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Im Fotoalbum, das vom einstigen „Egotrip“ erzählt, fand sich auch eine Aufnahme der unvermeidlichen Wasserburg Chateau Chillon, welche sich unweit von Montreux befindet.
Es gibt neben diesem endlos fotografierten Monument freilich ein weiteres, das meinem Geschmack weit mehr entspricht und sich ebenso trefflich mit den spektakulären Alpengipfeln „Dents Du Midi“ ablichten lässt. Sie erinnern sich…
Die Rede ist von der Villa im florentinischen Renaissancestil, welche vor dem 1. Weltkrieg auf der Ile de Salagnon unweit Montreux entstand. Ich musste feststellen, dass es nicht so einfach ist, dieses auf einer künstlich geschaffenen Insel platzierte klassische Gebäude zu identifizieren:
Ile de Salagnon, 1930; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Erkennen Sie die Dents du Midi im Hintergrund wieder? Sie waren der Hinweis, welcher mir die Identifikation der Örtlichkeit erlaubte.
Nicht zu sehen ist hier aufgrund der Perspektive der unweit gelegene Mont Blanc, mit dem sich ein Egotrip an den Genfer See aus meinem eigenen Leben verbindet.
Tja, was bleibt am Ende des heutigen Ausflugs in die Welt von gestern festzuhalten? Würde ich den Besitz des Schlösschens auf der Ile de Salagnon am Genfer See akzeptieren, verbunden mit der Auflage, für immer dort bleiben zu müssen?
Die Antwort ist ein hessisch klares „Im Lebe ned“! Vor die Wahl gestellt – Schloss-Immobilie für immer oder Auto-Mobil für alle Zeiten – würde ich das herumzigeunernde Dasein auf motorisierten vier Rädern stets dem Kleben an der Scholle vorziehen.
Einen besseren Ort als den gegenwärtigen findet man im Zweifelsfall immer. Das wussten nicht nur die Bremer Stadtmusikanten und die Farmer in den USA, welche in den 1930er Jahren nach jahrelangen Dürren in ihren Fords und Chevrolets auf den Weg in ein neues Leben in Kalifornien aufbrachen.
Das wusste auch unser leider ansonsten unbekannter Herr „Ego“, der am Ende noch einmal zwar ohne Mutti, aber dafür mit „Lassie“ zu sehen ist:
Citroen B14, Originalfoto von 1930; Sammlung Michael Schlenger
Ein vollgetankter Wagen, ein der Jahreszeit angemessen und stilvoll gekleideter Zeitgenosse – so lässt sich der Trip in eine ungewisse Zukunft angehen.
Das Automobil ist nicht einfach nur eine Maschine, um den Alltag bequemer zu gestalten. Gestern und heute verkörpert es das Versprechen der ursprünglichsten aller Freiheiten – der Bewegungsfreiheit und damit der Freiheit, sich die angenehmen Dinge des Lebens zu erschließen, wie der Freiheit, im Zweifelsfall alles hinter sich zu lassen…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Klingt doch eigentlich vielversprechend, der heutige Titel, nicht wahr? Können wir nicht alle ein zumindest kurzes Gegenprogramm zu den täglich neuen Bildern vom Krieg irgendwo auf dem Planeten vertragen?
Gewiss, aber bedenken Sie: Ausgerechnet beim Thema Vorkriegsautos kommt man um Bilder aus dem Krieg nicht herum, auch wenn private Aufnahmen von echten Kämpfen oder deren Ergebnis weit seltener gemacht wurden als Fotos entspannter Situationen.
Zivile Vorkriegsautos begegnen einem tausendfach auf Aufnahmen aus dem 1. und noch mehr aus dem 2. Weltkrieg. Viele solcher Dokumente in meinem Fundus zeigen interessante deutsche oder erbeutete französische und amerikanische PKW an der Ostfront.
Doch werden Sie verstehen, dass ich solche Aufnahmen erst wieder bringen will, wenn sich das Verhältnis zu einstigen Kriegsgegner Russland wieder entspannt hat – etwas, das ich uns allen für das Jahr 2025 wünsche.
Leichter fällt mir die Sache bei Dokumenten von der West- und Südfront, wo deutsche Truppen (reguläre eingeschlossen) nicht ganz so gewütet haben, auch wenn von dort ebenfalls Kriegsverbrechen in einer Vielzahl bekannt sind, dass einem übel werden kann.
Doch das Dokument, das ich heute präsentiere, lässt solches zumindest für eine Weile vergessen, obwohl uns am Ende die Realität des Kriegs einholen wird. Es wird also nur ein kurzer Urlaub vom Krieg werden, aber immerhin:
Citroen B2; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Na, was sagen Sie dazu? Ist es das, was Sie sich von einem Kurzurlaub erhoffen?
Zwei junge Männer bei sommerlichen Temperaturen in einem stark angejahrten Tourenwagen, bei dem keine ordnungsgemäße Zulassung zu vermuten ist.
Der Mann am Steuer hat sich mit einem großen Strohhut ausstaffiert und wirkt wenig vertrauenerweckend. Gefiel es ihm nicht, so „auf Urlaub“ dokumentiert zu werden?
Merkwürdig mutet auch die dunkle Figur mit Flügeln an, die an der Windschutzscheibe befestigt ist. Was ist von diesem finsteren Maskottchen zu halten?
Ich habe keine Idee, bin aber ohnehin der Meinung, dass der gut gebräunte junge Herr in kurzer Hose hier die Hauptrolle spielt. Mit athletischem Körperbau und sympathischem Lachen kann er sich durchaus sehen lassen, auch wenn eine Sonnenbrille für meinen Geschmack auf Fotos stets zuviel verbirgt.
Aber gut, es war Sommer, man hatte ein Auto und so unternahm man in gelöster Stimmung einen Ausflug. Die umseitige Bemerkung in deutscher Sprache „Am Kanal“ verrät indessen, dass wir es hier nicht mit gut aufgelegten Franzosen zu tun haben, die mit Vaters altem Citroen eine Spritztour gemacht haben.
Nein, das waren nach der Lage der Dinge deutsche Soldaten, die nach der Kapitulation Frankreichs im Sommer 1940 einen kurzen Urlaub vom Krieg genossen. Aus jener Zeit begegnen einem immer wieder ähnliche Aufnahmen mit vor Ort „geborgten“ alten französischen Autos, deren Besitzer nicht die Reifen hatten verschwinden lassen.
Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Citroen wohl des Typs B10 zu tun. Dabei handelte es sich um den nun mit Ganzstahlaufbau versehenen, sonst sehr ähnlichen Nachfolger des Typs B2 (1921-26). Gebaut wurde das Modell nur 1924/25, bevor es vom wiederum optisch sehr ähnlichen B12 mit Vierradbremsen abgelöst wurde.
Ganz ausschließen kann ich im vorliegenden Fall daher weder den Typ B2 noch den B12 (da nicht zu erkennen ist, ob der Wagen bereits Vorderradbremsen besaß). Der Citroen B10 ist aber insofern hervorhebenswert, als er der erste mit Ganzstahlkarosserie im Fließbandverfahren gebaute Wagen Europas war.
Anno 1940, als die heute präsentierte Aufnahme entstand, war so ein Citroen der 1920er Jahre zwar von gestern, aber auf dem Land existierten noch viele davon und oft behielt man die alten Wagen einfach, wenn man Platz hatte, selbst wenn man sie nicht mehr fuhr.
Sofern alle Teile vorhanden waren, ließ sich so ein simples Auto mit ein paar Handgriffen an Vergaser und Motor sowie mit frischem Benzin und Kühlwasser leicht wieder in Betrieb nehmen. Genau das scheinen die jungen Herren hier getan zu haben.
Lange wird das Urlaubsglück nicht angehalten haben, soviel ist klar. In der Spätphase des 2. Weltkriegs gestalteten sich die Kurzurlaube in Frankreich eingesetzter deutscher Soldaten ohnehin anders. Badeurlaub „am Kanal“ war nach der Landung der Alliierten 1944 passé. Man war dann froh, wenn man für ein, zwei Wochen nach Hause durfte.
Oft genug erwiesen sich solche kurzen Auszeiten vom Krieg als die letzten. So war das auch im Frühjahr 1944, als der Vater einer Leserin meines Blogs noch einmal nach Hause durfte. Sie ist das bleibende Ergebnis dieses kurzen Aufenthalts und feiert dieser Tage ihren 80. Geburtstag. Noch als sie „unterwegs „war, fiel ihr Vater an der Westfront.
Man sieht, das Thema „Kurzer Urlaub vom Krieg“ kann ein durchaus zwiespältiges sein. Aber heute wollen wir uns die Stimmung nicht verderben lassen und wollen das Leben feiern – nicht nur auf alten Fotos, sondern ganz im Hier und Jetzt.
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Auch wenn ich selbst nicht zu den passionierten Familienmenschen zähle, sagt mir der Verstand, dass die Familie für die meisten Menschen die wichtigste Gemeinschaft ist.
Sie ist die kleinste Einheit, die aus sich heraus die Welt reproduzieren kann, ohne dass es dazu mehr bedarf als weiterer Familien, die vor denselben Herausforderungen stehen und dasselbe Können in sich vereinen, die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten.
Das war über Jahrtausende so, lange bevor es überhaupt so etwas gab wie einen Staat, dessen Vertreter in Festtagsreden betonen, wie wichtig die Familie ist – nur um ihr anschließend immer mehr in Belange hineinzuregieren, die ihn nichts angehen.
Immerhin hatten die Vertreter der Obrigkeit die längste Zeit meist selbst Kinder und damit zumindest eine Gemeinsamkeit mit der Masse der Bürger, über die sie herrschten.
In Deutschland fällt indessen auf, dass seit einer Generation die Kinderlosen an den Schaltstellen der Macht weit überrepräsentiert sind. Das darf man für ebenso bedenklich halten, wie wenn ein Staatenlenker keine Ahnung von der Entwicklung des Benzinpreises hat, weil er den Sprit für seine Panzerlimousine nicht selbst zahlen muss.
Vor diesem Hintergrund fordere ich – selbst kinderlos, aber eben auch nicht der Anmaßung verfallen, über die Zukunft einer Gesellschaft zu befinden – ganz klar Vorfahrt für die Familien.
Jede Familie hierzulande sollte aus eigenen Kräften imstande sein, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und dabei einen soliden Wohlstand zu erlangen, der eine eigene Wohnung und mindestens ein ausreichend dimensioniertes Auto umfasst.
Das war in meiner Kindheit während der 1970/80er Jahre zumindest in der Bundesrepublik klar der Fall. Unsere Nachbarn, die alle Einfamilienhäuser mit großzügigen Grundstücken besaßen, waren mitnichten nur Akademiker, Beamte oder spezialisierte Fachleute – es waren einige fleißige Arbeiter dabei, die mit nur einem Einkommen und Eigenarbeit ebenfalls ein Haus hatten und obendrein deutsche Autos kauften.
Das kann man im angeblich reichen Deutschland des 21. Jh. völlig vergessen. Die breite Masse ist nicht nur relativ betrachtet verarmt. Sie wird gleichzeitig über steigende Verbrauchsteuern gemolken und mit Dutzenden von Almosen über Wasser gehalten.
Der in alle Lebensbereiche hineinwuchernde Staat muss sich drastisch beschränken – und zwar auf seine Kernaufgaben, die er vernachlässigt, obwohl seine Einnahmen laufend steigen.
Stets „Vorfahrt für Familien“ sollte es dagegen heißen und illustrieren möchte ich diese Forderung mit einer passenden Aufnahme aus meinem Fundus:
Citroen C4 oder C6 „Grand Luxe“ mit „Familiale“-Aufbau: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Gewiss, als diese Aufnahme entstand – Anfang der 1930er Jahre – war der Besitz eines so großzügigen Automobils in Europa ein Luxus, den sich die Durchschnittsfamilie nicht leisten konnte.
Kein Zufall, dass der Hersteller der Sechsfenster-Limousine – Citroen – diese spezielle Ausführung auf Basis ihres Modells C4 bzw. C6 (mit vier bzw. sechs Zylindern) mit dem Zusatz „Grand Luxe“ versah.
Doch gleichzeitig spielte man mit der Bezeichnung des geräumigen Aufbaus als „Familiale“ auf die eigentliche Zielgruppe an – nämlich Familien mit mehr als nur zwei Sprösslingen.
Dass ich dies so genau sagen kann, verdanke ich nicht eigener Weisheit oder aufwendigen Recherchen. Vielmehr lieferte mir Leser (und Kenner) Gerd Klioba hier vor Jahren in einem Kommentar zu einer weiteren Aufnahme eines auf den ersten Blick identischen Wagens die entscheidenden Hinweise.
Damals hatte ich dieses Foto besprochen, das deutsche Soldaten zeigt, die im 2. Weltkrieg mit einem im besetzten Frankreich beschlagnahmten Citroen des Typs C4 bzw. C6 unterwegs waren:
Citroen C6G; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der entscheidende Hinweis auf die 6-Zylinderversion ist die Zahl der seitlichen Lüftungsklappen in der Motorhaube. Fünf – wie hier zu vermuten – waren dem Sechszylinder C6 vorbehalten, während der C4 deren vier besaß.
Zudem weist die ganz links zu erkennende einteilige Stoßstange auf die „normale“ Ausführung als C6G hin, auch wenn hier ebenfalls ein „Familiale“-Aufbau als Sechsfenster-Limousine zu sehen ist.
Die aufwendiger ausgestattete „Grand Luxe“-Version, die es mit vier wie mit sechs Zylindern gab, zeichnete sich äußerlich durch die zweiteilige Stoßstange aus. Genau dieses Detail findet sich an dem eingangs gezeigten Citroen.
Die junge Frau vor dem Wagen – wohl eine Bedienstete im Haus der Besitzer – hatte den richtigen Instinkt bewiesen. Vielleicht dachte sie daran, dereinst eine Familie zu gründen (womöglich mit dem Chauffeur, wer weiß?) und sich dann mit ganz viel Fleiß einen Wohlstand zu erarbeiten, der dann auch ein Auto für die ganze Familie umfasste.
Anstatt plumper Umverteilung von oben nach unten, die kein strukturelles Problem löst und die „kleinen Leute“ nur in die Abhängigkeit von einem vermeintlich wohlmeinenden Staat stürzt, hätte diese junge Frau vielleicht bloß „Vorfahrt für die Familie“ gefordert.
Das heißt: die in Ruhe ihr Leben leben lassen, die das ganz aus eigenen Kräften können und die mit dem „Familiale“ die entscheidende Basis für die Zukunft schaffen. Denn das ist etwas, was der Staat erwiesenermaßen nicht kann, mögen seine Vertreter für sich auch noch sehr „Grand Luxe“ auf Kosten der Allgemeinheit in Anspruch nehmen…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog
Geht Ihnen der Zeitgeistbegriff der „bunten Vielfalt“ auch auf die Nerven? Als ob die Welt das nicht schon immer gekannt und (in dosierter Form) geschätzt hätte. Darüber musste nicht ständig geredet werden.
Kein Kulturvolk wäre ohne Vielfalt der Ideen, Talente und Ziele ein solches geworden. Nehmen wir das antike Griechenland – ein Flickenteppich stolzer Städte, der es nie zu einem gemeinsamen Staat brachte, aber die Kulturgeschichte Europas bis heute so geprägt hat wie nur ein weiteres Volk – die Römer.
Die haben es das erste und einzige Mal geschafft, von Portugal bis Kleinasien, von Britannien bis Ägypten eine über Jahrhunderte weitgehend friedliche und prosperierende, lokale Traditionen achtende Gesellschaft zu schaffen die zugleich flächendeckend Überlegenes bot. Zwar wurde erst einmal alles zusammenerobert, aber Machtstreben ist eine weitere Konstante.
Das Ergebnis war „Multikulti“ unter dem Dach einer omnipräsenten und mit enormen Vorteilen verbundenen Leitkultur. Mit einem einheitlichen Wirtschaftsraum ohne Zölle, Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, einer edelmetallgedeckten Währung, Frei- und Fernhandel, überschaubaren Steuern, bester Infrastruktur, robuster Grenzsicherung und minimaler Intervention ins Privatleben. Klingt auch heute nicht schlecht, oder?
Das Übel der Sklaverei darf dabei nicht unerwähnt bleiben, welches freilich auch in der sich als christlich dünkenden Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert als legitim galt. Vielfalt.
Heute geben wir uns einmal ganz reaktionär und stellen der „bunten Vielfalt“ unserer Tage, die bemerkenswert autoritär propagiert wird, die vermeintlich schwarz-weiße Einfalt von einst gegenüber und schauen, was es damit wirklich auf sich hat.
Dabei geht es ziemlich hoch hinaus, wie wir in mehrfacher Hinsicht sehen werden:
Monte Subasio (Umbrien), Juni 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Das ist ja die Höhe – ein Foto ganz ohne Autos! Nicht ganz, meines stand unweit geduldig auf der weißen Schotterpiste, über die ich an diesen Ort gelangt war.
Zu sehen ist hier der Gipfel des Monte Subasio – mit knapp 1300 Metern Höhe und seiner markanten abgerundeten Form ein landschaftsbeherrschender Berg im italienischen Umbrien. Der Blick geht über die Valle Umbra – also die Ebene zwischen Perugia und Spoleto – in Richtung Süden.
Besagte Römer haben das Sumpfland im Tal in generationenlanger Arbeit trockengelegt und urbar gemacht. Sie waren auch die ersten, die im Tal verkehrsgünstig Städte anlegten, alle älteren Siedlungen befinden sich auf den umliegenden Hügeln.
Das römische Vermessungsnetz ist an vielen Stellen bis heute zu erkennen – Straßen, Felder- und Flurgrenzen folgen ihm. Selbst das Gewerbegebiet von Foligno ist in das antike Rechteckraster eingefügt. In Foligno verbrachte übrigens der spätere Stauferkaiser Friedrich II. seine ersten Lebensjahre – die Umbrer betrachten und verehren ihn als einen der ihren.
Dass im damals von Deutschland bis Sizilien reichenden Imperium Vielfalt pur herrschte, weiß jeder, der sich einmal mit dieser bedeutenden Epoche beschäftigt hat. Die in der Nähe meines Heimatorts stehende doppeltürmige Münzenburg (von der A5 aus südlicher Richtung aus zu sehen) und das völlig anders geartete Castel del Monte in Apulien stehen bis heute sinnbildlich für die Pole der Vielfalt in der mittelalterlichen Welt der Staufer.
Das ist ja die Höhe, was einem heute an geschichtlichen Exkursen zugemutet wird, mögen Sie jetzt denken. Mag sein, aber ich bin im kleinen Reich meines Blogs der Imperator und Sie sind alle freiwillig da. Also bitte, ich habe bisher noch immer die Kurve bekommen zum alten Blech (selbst hier, wenn auch erst ziemlich spät).
Bei mir bleiben Sie stets ganz auf der Höhe, was Vorkriegsautos auf alten Fotos angeht – so auch diesmal. Und das im besten Wortsinn:
Wiener Höhenstraße; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger
Speziell meine Leser in Österreich werden sofort wissen, wo diese Aufnahme entstand.
Wir blicken hier von der Wiener Höhenstraße auf den Leopoldsberg mit seiner schönen Barockkirche, die trotz schwerer Bombenschäden (Februar 1945) heute wieder in alter Pracht erstrahlt.
Bei meinen Recherchen stellte ich fest, dass dieser Abschnitt der Wiener Höhenstraße erst 1935 freigegeben wurde. Gern hätte ich die Aufnahme nur anhand der darauf abgebildeten Autos datiert – das ist nämlich erstaunlich präzise möglich, auch wenn hier noch viel Material aus den 1920er Jahren vertreten ist.
Großartig finde ich die Vielfalt an Marken und Baujahren, die auf diesem Zeugnis versammelt sind. Dieses Nebeneinander – aber auch das Fehlen bestimmter Modelle – ist es, was das Foto trotz des Mangels an Farbe so faszinierend macht.
Keine Sorge, ich werde nicht jedem der abgebildeten Wagen ein ausführliches Porträt widmen. Etliche davon habe ich schon einmal im Blog präsentiert – sie sind über die Suchfunktion oder in meinen Markengalerien zu finden.
Wer zu dem einen oder anderen Auto Details oder auch andere Einschätzungen ergänzen möchte, ist wie immer willkommen, dies über die Kommentarfunktion zu tun.
Beginnen wir ganz rechts, dort finden sich die Vertreter der „Veteranen“-Fraktion:
Sind Ihnen die geisterhaften Schatten am oberen Bildrand aufgefallen? Sie stammen von wegretuschierten Personen, die sich während der Belichtung dieser Aufnahme bewegt haben.
Der Fotograf hatte am Objektiv eine kleine Blende gewählt, um möglichst viel Schärfentiefe (manche sagen: Tiefenschärfe) zu erhalten. Entsprechend musste er eine etwas längere Belichtungszeit wählen, zumal da das Bild am späten Nachmittag bei sinkender Sonne entstanden zu sein scheint.
Das ist ja die Höhe – Bildmanipulation gab es also auch früher schon! Ja natürlich, und zwar seitdem es die Fotografie gibt.
Ein Foto ist mitnichten ein präzises Abbild der Wirklichkeit, sondern immer Ausschnitt und Interpretation derselben. Es zeigt nur eine bestimmte Perspektive und einen konkreten Augenblick, das Objekt wird in ein möglichst günstiges oder ungünstiges Licht gerückt, Unerwünschtes wird ausgeblendet oder gar wegretuschiert, Proportionen betont oder verfälscht, Kontraste werden verstärkt oder weichgezeichnet usw.
Das mache ich mit fast jedem Foto in meinem Blog ebenfalls, und Sie bekommen das Meiste davon nicht mit, da Sie im Regelfall das Ausgangsmaterial nicht kennen.
Letztlich geht es mir um die Wirkung der Situation und die Aussagefähigkeit, was den Hersteller oder das Modell des abgebildeten Fahrzeugs angeht.
Jetzt stürzen wir uns aber wirklich in die automobile Vielfalt von damals:
Der Mercedes vorne in der Mitte ist wohl das älteste Fahrzeug, das hier zu sehen ist. Er trägt noch den dreigezackten Stern auf beiden Seiten des Spitzkühlers und ist sicher vor dem Zusammenschluss von Daimler und Benz entstanden.
Ich würde den Wagen als Mercedes des Typs 15/70/100 PS in der Ausführung von 1924-26 ansprechen – ein kolossales Fahrzeug, das noch lange nach dem Ende seiner Bauzeit den Besitzern äußerst komfortable und mühelose Fortbewegung ermöglichte.
Direkt neben ihm steht ein deutlich kleinerer Citroen des Typs C6 (vom C4 durch die Radkappen zu unterscheiden), wie er von 1928-32 gebaut wurde.
Mit etwas Abstand geparkt hat auf der anderen Seite ein US-Modell – entweder ein Studebaker von 1930 oder (wahrscheinlicher) ein Graham-Paige von 1929.
In der zweiten Reihe dahinter haben sich einträchtig zwei Austro-Daimler eingefunden. Den linken Wagen halte ich für einen Typ ADR (Bauzeit: 1927-31), während der rechte der ältere Typ ADM (Bauzeit: 1923-28) sein könnte und damit dem Mercedes Konkurrenz in punkto Alter machen würde.
Moderner geht es nun in der zweiten Bildhälfte zu, jedenfalls überwiegend. Beginnen wir mit dem rechten Teil derselben:
Bei dem Mercedes-Benz rechts oben würde ich auf den Typ 200 (Bauzeit: 1933-36) tippen. Der wesentliche größere Wagen daneben ist sehr wahrscheinlich ein US-Fabrikat aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre – auf einen Versuch der Identifikation verzichte ich hier.
Was aber könnte das für ein 4-Fenster-Cabriolet (oder Cabrio-Limousine) ganz vorne rechts sein? Ich denke hier an den Steyr Typ XX (1928/29), allerdings passen die seitlichen Parkleuchten aus meiner Sicht nicht dazu.
Schauen wir nun noch auf den zweiten Part der linken Bildhälfte:
Bei diesen Fahrzeugen befinden wir uns ganz nahe am Entstehungszeitpunkt der Aufnahme.
Links haben wir einen modernisierten Steyr des Typs 430, wie er von 1933-35 gebaut wurde. Hier die luxuriöse Ausführung als 4-Fenster-Cabriolet.
Deutlich darüber angesiedelt war indessen die weit voluminösere Limousine daneben. Er besaß mit seiner schon fast wie aus einem Stück bestehenden Frontpartie die wegweisendsten Formen aller hier zu sehenden Wagen.
Außerdem dürfte er von der effektiv nutzbaren Leistung das stärkste Auto im Feld gewesen sein. Wir haben es nämlich mit einem 1934er Hudson zu tun, der ausschließlich mit 8-Zylindermotoren (Reihe) verfügbar war, die zwischen 100 und 120 PS leisteten.
Dieses Gerät – nebenbei ein typischer 8-Zylinder-Amerikaner, der sich auch heute noch souverän im Verkehr bewegen lässt – ist das Fahrzeug, anhand dessen ich die Aufnahme auf Mitte der 1930er Jahre datiert hätte. Passt perfekt zum Baufortschritt der Höhenstraße.
Bemerkenswert diese Vielfalt an Herstellern, Modellen, Aufbauten und Baujahren auf diesem zufälligen Zeitdokument, nicht wahr? Was aber fehlt bei aller Vielfalt?
Was wir vermissen, sind die typischen Kleinwagen jener Zeit, die in Deutschland vor allem von DKW und Opel gefertigt wurden, aber auch in großer Zahl exportiert wurden.
Waren diese im damaligen Österreich eher selten oder hatten deren Besitzer schlicht Besseres zu tun, als sich abends am Blick auf den Leopoldsberg und (in der Ferne) Wien zu erbauen und dafür „sinnlos“ Benzin zu verbrauchen?
Wie so oft in der Kulturgeschichte sind auch hier die „kleinen Leute“ unterrepräsentiert, die vielleicht keine grandiosen Eingebungen haben und über besondere Talente verfügen, die aber den Laden unauffällig am Laufen hielten und halten.
Das waren in der Antike die, welche die Schiffe bauten, mit denen die Griechen den Mittelmeeraum besiedelten, die, welche in römischer Zeit die Infrastruktur zur Entwässerung sumpfiger Ebenen bauten, die, welche im Hochmittelalter Burgen und Kathedralen hochmauerten und die, welche einst am Hochofen standen, in denen der Stahl für die Automobile entstand, die wir heute so bewundern.
Diese echte Vielfalt an Können, Planen und Arbeiten auf allen Ebenen ist es, welche das Leben eines Kulturvolk ausmacht – keine bloßen Propagandaparolen – das gilt heute wie einst.
Das ist ja die Höhe, dass es am Ende wieder grundsätzlich wird. Ja, aber auch darum geht es (mir) bei der Beschäftigung von Vorkriegsautos auf alten Fotos…
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Wem der Titel Rätsel aufgibt, hat es bereits erfasst: Es gibt ein Problem zu lösen, an dem ich gescheitert bin. Dabei habe ich heute genügend Lösungsmittel eingeatmet!
So galt es, einem alten Weinfass aus Frankreich, dessen Eichenholz in Ehren ergraut war, mit Öllasur einen schönen Palisanderton zu verpassen. Das Teil soll zwar nur als Regentonne am Carport dienen, aber auch funktionelle Dinge sollten dem Auge gefallen – die Welt ist an vielen Stellen hässlich – vor allem grau – genug.
Anschließend musste der Pinsel gereinigt werden – nach Gebrauch einfach wegwerfen widerstrebt mir auch bei Gegenständen ohne großen Wert. Dazu bedient sich auch der handwerklich dilettierende Schreibtischtäter fachgerecht chemischer Waffen.
Leider scheint mir der bei der Gelegenheit inhalierte Pinselreiniger keine höhere Inspiration verschafft zu haben – von daher bleibt es dabei: Ich konnte dieser Aufnahme nicht ihr Geheimnis entlocken!
Citroen 8CV, aufgenommen 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Natürlich wirft der Wagen selbst keine großen Probleme auf – der recht steil im Wind stehende Kühler mit den beiden spitz zulaufenden Winkeln verrät: Das ist ein Citroen ab Ende 1932.
Damals brachte der französische Hersteller einen Nachfolger der 4- bzw. 6-Zylindertypen C4 und C6 heraus, welche ich schon öfters hier besprochen habe. Sie wurden auch im Kölner Werk gefertigt und in deutschen Landen gern gekauft.
Die drei Motorenvarianten wurden mit den französischen Steuer-PS bezeichnet – also 8 CV, 10 CV und 15 CV. Die Hubräume der beiden Vierzylinder betrugen 1,5 bzw. 1,8 Liter – der 2,7 messende Sechszylinder maß knapp 2,7 Liter.
Äußerlich waren diese Modelle praktisch identisch gestaltet, nur das Spitzenmodell besaß bauartbedingt eine längere Motorhaube – ein Reihensechser braucht nun einmal deutlich mehr Platz als ein Vierzylinder mit ähnlichem Bohrung/Hub-Verhältnis.
Vielleicht erinnern Sie sich an diesen Citroen 8CV aus deutscher Produktion, der damals hierzulande als Typ 1,4 Liter 6/30PS verkauft wurde – ich habe ihn hier vorgestellt:
Citroen 1,4 Liter 6/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der Aufnahmewinkel lässt den Wagen kompakter erscheinen als sein Pendant auf dem heute neu gezeigten Exemplar – ich meine aber, dass es sich in beiden Fällen um eine Vierfenster-Limousine des kleinen Typs 8CV handelt.
Interessanter finde ich ohnehin zwei andere Aspekte: Zum einen begrüßt der Ästhet in mir die Zweireiher-Jacketts der beiden Herren, welche nur bei schlanker Figur gut aussehen, weil dann die Schulterpartie gegenüber der Taille betont wird – genau das ist hier der (seltene) Fall:
Wer Gardemaß besitzt wie der Herr links, wirkt auch ohne Hut stattlich – das sorgfältig pomadierte Haar betont den schmalen und hohen Schädel.
Man möchte hier einen Mann von Welt mit Bildung, Geschmack und Manieren vermuten. Gewiss spielte er gut Klavier, denn wer Klavier spielen kann, hat Glück bei den Frauen – so pflegte mein Großonkel Ferdinand zu sagen, der mir einiges beigebracht hat.
Ebenso gefällt mir aber auch der kleinere Herr mit Fliege – nur ganz selten wirkt diese so stimmig wie hier. Der Hut sitzt leicht schräg, so muss das sein! Nichts ist öder als die Waagerechte, das gilt nicht nur für Automobilgestaltung.
Der Dame zwischen den beiden kann ich weniger abgewinnen, bei dieser Kopfform ist die gewählte Bedeckung desselben keine gute Idee. Ein ausladenderer Hut würde ihr besser zu Gesicht stehen, auch die modische Wellenfrisur ist bei ihr nicht ideal.
Dergleichen Betrachtungen haben ihren Reiz und wenn Sie ganz anderer Meinung sind, was diese Zeitgenossen des Citroen betrifft, nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion (ich schalte alles frei, sofern es sich nicht um reinen Unsinn handelt).
Wo aber bleibt nun das „zum anderen“, welches ich als interessant ankündigte? Das werden die in dieser Hinsicht zurecht strengen Leser unter Ihnen fragen. Nun, das kann ich gleich nachliefern, und zwar in Form der Rückseite des heute gezeigten Fotos:
Was lesen Sie hier? Ich tue mich schwer damit. Das zweite Wort nach „In“ scheint „Ford“ zu sein, aber was soll „Ford de l’Eau“ sein?
Immerhin gibt es ein „Fort de l’Eau“ in Form einer Küstenfestung im einst französischen Algerien, heute zu finden in Burj-al-Kiffan, einer Vorstadt von Algier.
Könnte das Foto anno 1934 dort an der Strandpromenade entstanden sein? Denkbar, aber dann müsste etwas bei der Beschriftung schiefgelaufen sein:
„Ford“ war sicher nicht gemeint, also eher „Fort“ oder etwas ganz anderes?
Und wie hießen die beiden Personen, welche ebenfalls auf der Rückseite erwähnt sind? Waren es ein „Carlo“ und ein „Majer“? Beides kommt mir merkwürdig vor.
Sie sehen: Offenbar hat das heute eingeatmete Lösungsmittel nicht den erhofften Effekt gezeitigt, was das lässige Knacken solcher Nüsse angeht.
Zum Glück gibt es Leser, die in solchen Fällen zu großer Form auflaufen. Also hoffe ich auf Ihre Inspiration, wo die meine versagt.
Mein Kopf ist unterdessen bereits mit weiteren Novitäten aus alter Zeit befasst – es hat sich einiges an automobilem Material eingefunden, das Anlass zu mal unterhaltsamen, mal nachdenklichen Betrachtungen gibt…
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Kann ein Klassiker unterhaltsam sein? Oder muss das Schöne, Wahre, Gute stets mit gemessenem Schritt und großem Ernst daherkommen?
Mir fallen dazu zwei Beispiele ein – das eine aus Deutschland, das andere aus Frankreich. Beispiel Nr. 1 ist Heinrich Heine, dessen Werk von einem feinen Humor durchzogen ist wie wohl bei keinem seiner Zeitgenossen aus deutschen Landen.
Hier mein Lieblingsbeispiel – eine perfekte Parodie auf romantische Dichterseligkeit:
Das Fräulein stand am Meere Und seufzte lang und bang, Es rührte sie so sehre Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! sein Sie munter, Das ist ein altes Stück; Hier vorne geht sie unter Und kehrt von hinten zurück.
Bei diesem alten Stück von Heine mit schön verstolpertem Versmaß am Ende triumphiert gesunder Pragmatismus über die in Deutschland oft übermächtige Gefühlsseligkeit.
Entstanden ist dieses Gedicht im Jahr 1832, im Todesjahr von Goethe und genau 100 Jahre bevor ein anderes altes Stück für die Nachwelt festgehalten wurde.
Und das ist mein Beispiel Nr. 2 für einen unterhaltsamen Klassiker, diesmal aus Frankreich:
Citroen C4 oder C6 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese klassische Limousine im Stil der späten 1920er Jahre wurde 1932 am Laacher See aufgenommen – damals gab es offenbar ein harmonisches Miteinander deutscher und französischer Tradition.
Denn auch wenn der Wagen auf den ersten Blick wenig Individualität an den Tag legt, verraten der geschwungene hintere Abschluss der Motorhaube und die ganz leicht geneigten Luftschlitze in derselben, dass wir es mit einem Citroen zu tun haben, wie er damals mit vier bzw. sechs Zylindern verfügbar war.
Die beiden Modelle C4 und C6 auseinanderzuhalten, auch das ist ein altes Stück, wie langjährige Leser meines Blogs wissen. Ich überlasse das Urteil den Sachkundigeren unter Ihnen und freue mich über Hinweise in der Richtung.
Mir gefällt vor allem die lässige Inszenierung auf diesem Dokument, die bei Autofotos aus Deutschland nach meiner Erfahrung eher die Ausnahme darstellt.
Diese Leute posierten mit ihrem Citroen vor über 90 Jahren ganz entspannt und heiter – bis auf den Herrn ganz vorn, der wirkt, als ob ihn die Blase drückt.
Verzeihen Sie den kleinen Scherz unterhalb der Gürtellinie – doch auch bei den lebensfrohsten unserer deutschen Klassiker, Heine und Goethe, finden sich dergleichen Anspielungen auf Menschliches und Allzumenschliches zuhauf.
Bloß in der Schule hat man uns manches unterhaltsame alte Stück vorenthalten – doch hier im Blog holen wir das eine oder andere davon nach…
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Autos und Zweiräder der Vorkriegszeit gehören zu den wenigen Zeitmaschinen, die einen zuverlässig in die Welt von gestern zurücktransportieren.
Zusammen mit einer mechanischen Sucherkamera, einem Grammophon und einer Schreibmaschine ist man mit nahezu allem ausgestattet, was damals an „moderner“ Alltagstechnologie verfügbar war – sofern man das Kleingeld dafür hatte.
Doch schon eine Landpartie mit dem Automobil braucht etwas Vorbereitung. Der Wagen hat nämlich den Winter über in der Garage gestanden. Da kann man nicht einfach losfahren. Also schauen wir erst nach Reifendruck, Benzin, Kühlwasser und Ölstand, alles in Ordnung.
Während der Standzeit ist das Motoröl nach unten abgesackt – bei einem Kaltstart würden Bauteile wie die Ventile eine Weile ohne Schmierstoff arbeiten müssen – nicht gut.
Also drehen wir den Motor bei ausgeschalteter Zündung etliche Male mit der Anlasserkurbel durch – je nach Hubraum schrauben wir zuvor die Zündkerzen heraus, dann geht’s leichter, weil der Verdichtungsdruck der Kolben nach außen entweichen kann.
Als nächstes wird dem Vergaser frischer Sprit zugeführt. Bei Wagen mit Tank im Heck erledigt das während der Fahrt eine mechanische Benzinpumpe am Motor.
Doch zum Start müssen wir an dieser erst einmal von Hand Kraftstoff nach vorne fördern, sonst orgeln wir endlos beim Anlassen. Bei manchen Modellen flutet man noch die Schwimmerkammer des Vergasers von Hand. Spannend ist das, nicht wahr?
Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dann den Zündzeitpunkt am Lenkrad oder Armaturenbrett auf „spät“ gestellt, sofern keine Automatik vorhanden, und die Luftzufuhr am Vergaser gedrosselt („Choke“), damit das Gemisch möglichst „fett“ und entsprechend zündwillig ist.
Schalthebel in Leerlaufposition und Zündung betätigt – nach kurzer Zeit springt der Motor an – so sollte es jedenfalls sein. Wenn nicht, hat man ein Problem…
Wir haben heute keine Probleme, denn mit etwas Vorbereitung läuft alles wie geschmiert unter der Haube und wir kommen zuverlässig ans Ziel – heute mit einem Citroen B14 Tourer!
Um auf der sicheren Seite zu sein, machen wir uns erst einmal mit einer Limousine dieses von 1926-28 auch im Kölner Citroen-Werk gebauten Typs vertraut:
Citroen B14 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wenn ein Taxifahrer wie in diesem Fall einen solchen Wagen wählte, war das im Regelfall ein Qualitätsausweis. Tatsächlich vertrauten in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre auch viele deutsche Käufer auf dieses französische Modell – zumal es devisenschonend fast vollständig mit heimischen Materialien und Vorprodukten gefertigt wurde.
Wir behalten aber nur ein Detail dieses Wagens im Hinterkopf: das Schubfach in der Schwellerpartie mit den beiden glänzenden Knöpfen.
Diesem begegnen wir im Rahmen unserer Vorbereitungen gleich wieder, jetzt an einem Citroen B14, der am Klausenpass eine Pause zur Abkühlung des Motors einlegte:
Citroen B14 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier registrieren wir erneut auch die acht schmalen und hohen Entlüftungsschlitze in der hinteren Hälfte der Motorhaube sowie die vier Radbolzen an den Scheibenrädern, diesmal sogar mit einer verchromten Kappe versehen.
Bis auf die erwähnte Schublade im Schweller sehen wir alle diese Details auf der folgenden Aufnahme wieder, die einen weiteren Citroen B14 zeigt – nun aber in der preisgünstigeren Tourenwagenausführung.
Diese besitzt aber immerhin eine Zweifarblackierung und eine zusätzliche Windschutzscheibe für die Passagiere auf den hintersten Sitzen:
Citroen B14 Tourer; Familie von Hermann König
So, das war jetzt aber genug der Vorbereitung. Wir haben unterdessen unseren Wagen klargemacht, zum Laufen gebracht und uns vergewissert, dass keine ungewöhnlichen Geräusche auftreten oder Flüssigkeiten austreten.
Dann kann’s ja losgehen – denn heute steht eine beschauliche Landpartie an. Die Schwiegermutter will besucht werden bzw. will die Tochter wieder einmal mit allerlei Weisheiten zu Ehealltag und Haushaltsführung bedenken.
Irgendwann ist dort der Kuchen verputzt, der Kaffee getrunken und der Gesprächsstoff erschöpft – zum Glück hat man ein Automobil und damit einen Vorwand, sich rechtzeitig zu absentieren: „Muss jetzt noch nach dem Wagen schauen, liebe Schwiegermama, Du weißt ja: Diesen Franzosen ist nicht zu trauen, da hilft nur deutscher Ordnungssinn!“
Draußen am Auto zündet sich der Automobilist erst einmal eine Zigarette an. Dann schaut er bei geöffneter Haube nach der Kraftstoffzufuhr – auf der Hinfahrt hatte der Motor unterwegs etwas geruckelt. Sieht aber alles dicht aus, vielleicht waren noch ein paar Rückstande im Tank, die kurzzeitig im Vergaser hängengeblieben waren.
Schon tritt die bessere Hälfte vor die Tür, verdreht die Augen und bedeutet: „Lass‘ uns bloß losfahren, für heute habe ich genug Belehrung erfahren“.
Das ist das erhoffte Signal, es kann losgehen und der Citroen fliegt mit Tempo 80 zurück über die Landstraße. Allerdings will es das Gesetz des Automobilismus, dass man noch eine Pause im Wald einlegt, um dem Wagen Gelegenheit zur Abkühlung zu geben und den Besuch bei der Schwiegermutter mit einem Kontrastprogramm zu kompensieren.
Darunter kann man sich jetzt alles Mögliche vorstellen, jedenfalls gehört es dazu, dass man unter diesen Umständen die bessere Hälfte am Lenkrad des Wagens ablichtet. Auch in dem Moment erweist sich der Wert einer guten Vorbereitung.
Denn hier stimmen nicht nur die Blende und Belichtungszeit der Kamera, sondern auch die Wiedergabe der Details, die wir benötigen, um genau zu wissen, was das für ein Auto war:
Citroen B14 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ganz ehrlich: Ohne die frühere Beschäftigung mit dem Modell B14 von Citroen wäre ich wohl nie darauf gekommen, was das für ein Auto ist. Das Foto war schon einige Zeit Bestandteil meines Fundus, bis irgendwann der Groschen fiel.
Nebenbei: Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nur wenige historische Autofotos gibt, die man von vornherein als hoffnungslosen Fall abschreiben kann. Nicht immer entdeckt man auf solchen zunächst unzugänglichen Aufnahmen Raritäten, doch manchmal auch das.
Wir sind heute jedenfalls glücklich mit dem Resultat unserer soliden Vorbereitung und werfen noch einen genaueren Blick auf den Citroen:
Sehen Sie sich einmal Größe und Neigung des Lenkrads an – man weiß, was damit anzustellen ist, aber das sieht noch ziemlich anders aus als das, was heute der billigste Kleinwagen zu bieten hat.
Immerhin scheint dieser Citroen einen elektrisch betriebenen Scheibenwischer besessen zu haben – darauf deutet der Motor oben an der Frontscheibe hin. Links von dieser ist der elektrisch ausklappbare Fahrtrichtungsanzeiger zu sehen, das war’s mit dem Komfort.
Werfen wir noch einen abschließenden Blick auf die Heckpartie des Wagens, wenn sich schon so eine Gelegenheit ergibt. Leider ist diese Partie dadurch beeinträchtigt, dass bei der Aufnahme unerwünschtes Seitenlicht in die Kamera eintrat:
Immerhin sehen wir hier gut die vor den rückwärtigen Passagieren angebrachte zweite Windschutzscheibe – ein nicht ganz alltägliches, aber sinnvolles Zubehör.
Studieren lässt sich außerdem ungewöhnlich gut die Befestigung des Verdeckgestänges sowie die Gestaltung des am Heck angebrachten Gepäckkoffers. War man an diesem Tag vielleicht doch nicht nur die Schwiegermutter besuchen gewesen?
Hatte man gar eine Fernreise unternommen? Ein verlockender Gedanke. Braucht nur etwas Vorbereitung, dann könnte es losgehen, von mir aus sehr gern im Citroen B14.
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
„Wenn doch noch Sommer wär‘!“ So könnte ich den ganzen Winter über lamentieren.
Dass es kühl geworden ist, stört mich nicht so sehr, auch wenn von weit jüngeren „Schneeflöckchen“ schon eifrig Winterjacken und -mützen getragen werden, obwohl es doch noch gar nicht frostig ist – vielleicht ist es wieder Mode, sich „empfindsam“ zu geben.
Nein, was mir zu schaffen macht, ist der Mangel an Licht, die Wärme der Sonne auf der Haut – mir kann es überhaupt nicht heiß genug sein. Auch bei über 30 Grad im Schatten widme ich mich lustvoll der Gartenarbeit oder steige aufs Rennrad – im Süden völlig normal.
Doch heute beklage ich etwas anderes, nämlich dass nicht mehr der Sommer 1932 ist, aus dem dieses schöne Dokument stammt:
Citroen B14 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Entstanden ist die Aufnahme in Wardböhmen – einer hübschen kleinen Ortschaft in der Lüneburger Heide in der Nähe von Celle.
Als Bewohner der hessischen Wetterau, die zwar an den reichen „Speckgürtel“ von Frankfurt/Main grenzt, aber ein verstörendes Bild vielfach heruntergekommener und vulgär „modernisierter“ Bauerndörfer bietet, tröstet es mich, dass die großen Höfe im Lüneburgischen auch heute noch meist gepflegt und behutsam saniert sind.
Ohne es genau überprüft zu haben, gehe ich davon aus, dass das Gasthaus Heidehof, das einst den Hintergrund für dieses Foto lieferte, auch im 21. Jahrhundert noch seinen ganzen Reiz entfaltet – nur das Auto davor wird man vergeblich suchen:
Citroen B14 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die Limousine ist anhand der Kühlerform leicht als Citroen der späten 1920er Jahre zu erkennen, wobei die Größe des Wagens auf das Modell B14 hindeutet, das 1926 auf den Markt kam und ein Jahr später auch im Citroen-Werk in Köln-Poll gebaut wurde.
So einen kölschen Citroen dürften wir auf diesem Foto sehen – der Wagen mit seinem genügsamen und zuverlässigen 1,6 Liter-Motor war keine Seltenheit in deutschen Landen.
Auch in der unteren Mittelklasse – nicht nur im von US-Anbietern dominierten gehobenen Segment – nahm die ausländische Konkurrenz den heimischen Herstellern Geschäft ab.
Wichtig war dabei der Nachweis eines möglichst hohen Anteils inländischer Wertschöpfung, weniger aus Patriotismus, denn aus schlichter volkswirtschaftlicher Ratio – denn angesichts der Lasten des Versailler „Vertrags“ galt es den Abfluss wertvoller Devisen zu begrenzen.
Die in Köln gebauten Citroens erfüllten diese Anforderungen durchaus und konnten vom „achtsamen“ deutschen Käufer guten Gewissens erworben werden.
Von daher wären die Besitzer dieses B14 sicher gern bereit gewesen, uns etwas über ihren Wagen zu erzählen. Interessiert hätte mich vor allem eines: Warum hat dieses Exemplar Luftschlitze, die sich über die gesamte Motorhaube erstrecken?
Alle meine bisherigen Aufnahmen von Citroens dieses Typs zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie nur in der hinteren Hälfte Luftschlitze aufweisen – wie hier:
Citroen B14 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Meine Vermutung ist die, dass diese Gestaltungsdetails baujahrsabhängig waren. Ich konnte dazu aber keine Erläuterungen finden.
Weiß es jemand genau?
Oder muss ich mir wünschen, dass doch noch Sommer wär‘ – in diesem Fall der des Jahres 1932 – denn dann könnte ich ja die Besitzer selbst befragen…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Mit dem Gegenstand meines heutigen Blog-Eintrags sorge ich einerseits für klare Verhältnisse, andererseits halte ich für Kenner ein Rätsel parat. Am Ende findet sich hoffentlich jemand, der es auflösen kann.
Doch beginnen wir zunächst mit einer kurzen Rückblende: 1928 brachte Citroen einen neu konstruierten Mittelklassewagen auf den Markt, der als Typ C4 mit Vierzylinder und als Typ C6 mit Sechszylinder verfügbar war.
Speziell von vorne waren die beiden Versionen auch für Kenner nur schwer auseinanderzuhalten, sodass man sich in Fällen wie dem folgenden damit abfinden muss, den genauen Typ nicht sicher ermitteln zu können – wofür uns die junge Dame neben dem Wagen jedoch entschädigt:
Citroen C4 oder C6 ab 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Mit ansehnlicher Eleganz ist indessen auch der Wagen selbst ausgestattet – mit dem schlanken, sich nach oben verjüngenden Kühler und dem harmonisch wirkenden Kurvenspiel der gesamten Frontpartie war dieser Citroen sehr attraktiv gestaltet.
Dem entsprachen im Fall der Sechszylinder-Ausführung bemerkenswerte Leistungsdaten: Das 2,4 Liter messende Aggregat leistete 45 PS und ermöglichte ein Spitzentempo von 105 km/h.
Das mag heute nicht sonderlich viel erscheinen, aber schauen wir doch einmal, was die deutsche Konkurrenz damals in dieser Klasse zu bieten hatte:
Von Adler gab es den gleichstarken Sechszylindertyp „Standard 6“ mit 2,5 Liter-Motor, der deutlich behäbiger war – bei 90 km/h war Schluss. Der äußerlich sehr ansprechende Brennabor Typ AK mit 10/45 PS Sechszylinder gab sogar schon bei 85 km/h auf.
Mercedes-Kunden wurde beim Sechszylindermodell „Stuttgart 260“ immerhin 50 PS in Aussicht gestellt, doch auch dort war die Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h limitiert. Das schaffte selbst der nur 2 Liter große Sechszylinder des braven Opel 8/40 PS.
Dann wäre da noch der 6-Zylindertyp 10/50 PS von Presto – für diesen wurden sogar nur 80 km/h Spitze angegeben. Wanderers charmantes Sechszylindermodell W11 10/50 schließlich brachte es immerhin auf 90 km/h.
Gewiss, Höchstgeschwindigkeit hatte bei vielen Kunden hierzulande Ende der 1920er Jahre nicht denselben Stellenwert wie einige Jahre später nach dem Bau der ersten Autobahnen. Dennoch fragt man sich, weshalb man bei Citroen in der gleichen Hubraum- und Leistungsklasse so viel großzügiger sein konnte.
Waren die Motoren von Citroen aufgrund der Anforderungen der Großserienproduktion anders konstruiert, präziser gefertigt und daher auch unter Vollast standfester?
Immerhin entstanden vom Sechszylindermodell C6 über 60.000 Exemplare, das ist mehr als bei allen oben genannten deutschen Konkurrenzprodukten in derselben Klasse zusammen.
Jedenfalls verwundert es nicht, dass die schnellen französischen Wagen auch bei deutschen Kennern Anklang fanden; sie wurden auch im Kölner Citroen-Werk gefertigt.
Im benachbarten Ausland begegnete man dem Citroen C4 und C6 ebenfalls auf Schritt und Tritt. Und heute kann ich endlich mit einem Exemplar aufwarten, an dessen Motorisierung kein Zweifel bestehen kann:
Citroen C6 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Schriftzug „SIX“ auf dem Kühler sagt hier alles. Für den Kenner war dieses Cabriolet damit klar als Sechszylinder gekennzeichnet – ausgesprochen wurde das auf französisch nebenbei als „Siss“ mit auch vorne scharfem „S“.
Aufgenommen wurde der Wagen anlässlich irgendeiner Wettbewerbsveranstaltung, wie es sie in der Zwischenkriegszeit in unzähligen Varianten und oft mit nur lokaler Bedeutung gab.
Abgesehen von den Zusatzscheinwerfern – merkwürdigerweise war auch einer unterhalb der Stoßstange angebracht – war dieser Citroen C6 vollkommen serienmäßig. Es wird sich um eine Zuverlässigkeits- oder Orientierungsfahrt ohne sportlichen Charakter gehandelt haben.
Die herausragende Spitzengeschwindigkeit des Citroen dürfte nur in Anspruch genommen worden sein, wenn man sich im wahrsten Sinne des Wortes „verfranzt“ hatte und wieder Zeit gut machen musste.
Dass am Ende eine Auszeichnung winkte, liegt auf der Hand, darauf legte man als Teilnehmer wert. Auf dem Originalfoto ist ein Pokal zu entdecken:
Citroen C6 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Haben Sie ihn gefunden? Er versteckt sich auf dem Tisch am linken Bildrand, wo ein weiteres Fahrzeug zu sehen ist. Deiesem werden wir gleich noch etwas Aufmerksamkeit schenken.
Doch zuvor eine Frage an die Kenner: Mit dem Zusatz „Six“ ist der Citroen klar als Sechszylindertyp C6 gekennzeichnet – aber was ist eigentlich von dem Kennzeichen des Autos selbst zu halten?
Weiße oder silberne Schrift (in auffallend eckiger Type) auf schwarzem Grund – am Anfang der Buchstabe „G“ gefolgt von einer fünfstelligen Zahl. Aus welchem Land könnte das stammen?
Österreich, die Tschechoslowakei, die Schweiz und Dänemark würde ich von vornherein ausschließen, dort sahen die Nummernschilder grundlegend anders aus.
Betrachtet man die Personen auf dem Foto, ist man geneigt, auf Mittel- oder Nordeuropa zu tippen. Ich vermute, dass wir es mit einer Aufnahme aus der Benelux-Region zu tun haben.
Dass das Kennzeichen nicht lediglich das eines aus dem Ausland stammenden Fahrzeugs ist, dagegen spricht das analog gestaltete Nummernschild des links am Rand geparkten Wagens:
Dieses Auto ist übrigens ein Chevrolet „International“ von 1929, von dem während der nur 13-monatigen Bauzeit über 1 Millionen Exemplare entstanden. Viele davon wurden in Ländern ohne nennenswerte eigene Autoproduktion verkauft.
Auf diesem Ausschnitt sehen wir nun auch den erwähnten mutmaßlichen Pokal für den Sieger der Veranstaltung, die auf diesem Foto dokumentiert ist.
Bleibt die Frage an die sachkundigen Leser: Mit was für einem Kennzeichen war einst dieser Citroen ausgestattet?
Für Kenner ist das sicher eine so klare Sache wie die Attraktivität des Citroen C6 für die Freunde wohlgestalteter und agiler Mittelklasseautos Ende der 1920er Jahre…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute versuche ich mich einmal mit Boulevard-Journalismus, zumindest was den Titel betrifft.
Ich konsumiere zwar keine gängigen Zeitschriften – mein einziges Abonnement ist das von „The Automobile“ – aber ich meine zu wissen, dass irgendetwas mit den Schönen und Reichen immer zieht, vor allem wenn man sie in den Dreck ziehen kann bzw. sie das selbst erledigen.
So müsste das Stichwort „Royal Family“ für massiv erhöhte Zugriffszahlen auf meinen Blog führen – zumindest wenn man die Schlagzeilen im Zahnarzt-Wartezimmer ausliegender Pubklikationen zugrundelegt (meine einzige Quelle in der Hinsicht).
Vielleicht müsste ich aber noch irgendetwas mit „Skandal“, „Enthüllung“ oder „Jetzt redet die Schwiegertochter“ ergänzen, damit es auch wirklich klappt.
Leider habe ich in der Hinsicht heute überhaupt nichts anzubieten, außer wieder einmal ein Foto, das den einst auch in Deutschland im Kölner Werk gebauten Citroen B14 zeigt.
Solche Dokumente sind keineswegs exklusiv, das 1926 eingeführte Vierzylinder-Modell mit Ganzstahlkarosserie verkaufte sich nämlich sehr gut. So findet man immer wieder reizvolle, durch und durch bürgerliche Ansichten des Fahrzeugs wie diese:
Citroen B14 Landaulet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das im Raum Dresden zugelassene Landaulet des Typs Citroen B14 wurde als Taxi eingesetzt.
Vergleichbaren Luxus bieten heute nur die Cabriolet-Droschken, mit denen man auf der italienischen Insel Capri in den hochgelegenen Teil des Eilands (Anacapri gelangt – jedenfalls war das vor einigen Jahren noch so.
Der Typ B14 von Citroen fungierte aber keineswegs nur als Transportmittel für gut betuchte Bürgerliche – nein sogar die „Royal Family“ nutzte ihn einst zur Ausfahrt ins Grüne.
Was spinnert klingt, ist – wie eigentlich immer in meinem Blog – irgendwie auch wahr. Das werde ich im folgenden beweisen, und zwar anhand dieses Fotos, das ich kürzlich aus dem Nachlass eines anonymen „Paparazzi“ erstanden habe:
Citroen B14 Landaulet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bevor jetzt jemand angestrengt Vergleiche mit Vertretern europäischer Adelshäuser anstellt, sei angemerkt, dass wir es hier einfach mit einem Privatfoto der Königs zu tun haben.
Auf der Rückseite des Abzugs ist nämlich vermerkt, dass das Foto „Hermann König und Familie“ zeigt. Wie sich einst ein Vorfahr diesen Namen verdient hat, wissen wir natürlich nicht.
Irgendetwas Bemerkenswertes wird es wohl gewesen, was die Zeitgenossen in grauer Vorzeit dazu veranlasste, jemandem entweder ehrfürchtig oder auch in spöttischer Hinsicht den Namen König zu geben.
Es mag schwer sein, den Erwartungen gerecht zu werden, die ein solcher Name weckt, vielleicht hat er aber auch erzieherische Wirkung, sodass sich der Träger besonders bemüht, ihm durch würdevolles Verhalten gerecht zu werden.
Im Fall des Citroen-Fotos verhält es sich weit einfacher: Wer vor über 90 Jahren in Deutschland ein eigenes Automobil besaß, verfügte damit zwangsläufig über eine Bewegungsfreiheit, wie sie selbst Kaisern und Königen erst im 20. Jh. zu Gebote stand.
Man kann nicht oft genug betonen, dass das Automobil für jedermann eine demokratische Errungenschaft ohnegleichen darstellt, mit der wir den Herrschenden mobilitätstechnisch quasi auf Augenhöhe begegnen können – wenn sie nicht gerade meinen, ihren Finanziers im Learjet oder in der Panzerlimousine aus dem Weg gehen zu müssen.
So meine ich es am Ende durchaus ernst mit der „Royal Family“ als Keimzelle des Staats, die uns hier in Gestalt der Familie König entgegenschaut. Mutter, Vater, Sohn und Tochter zeigen sich hier ganz selbstverständlich mit ihrem vierrädrigen Diener – dieses Dokument verdient aus meiner Sicht schlicht das Attribut „königlich“:
Nationalitäten mit Automobilen in Verbindung bringen – das funktioniert im 21. Jahrhundert kaum noch.
Ok, die amerikanischen Pickups der Ford F-Serie sind eine Ausnahme. Sie sind wirklich noch für die Staaten absolut typisch und andernorts kaum zu finden. Ansonsten hat sich ein internationaler Einheitsgeschmack breitgemacht, der selbst Marken wie Jaguar die Eigenständigkeit genommen und andere wie Lancia praktisch ausgelöscht hat.
Heute werden deutsche Audis von Modernitätsaposteln auf der ganzen Welt gefahren, britische Range Rover von globalen Großstadtnomaden, die meist keine Vorstellung mehr von den Geländefähigkeiten des Wagens haben. Und französische Citroëns gehen im urbanen Gewimmel der Hyundais oder Dacias unbemerkt unter.
Noch in den 1980er Jahren tauchte man dagegen in automobiler Hinsicht in eine andere Welt ein, hatte man die Grenze nach England, Frankreich oder Italien hinter sich gelassen.
Die Zeiten, in denen in Italien noch die legendäre Alfa Romeo „Giulia“ allgegenwärtig war, waren für den Liebhaber charakterstarker Wagen einfach großartig – und auch sonst aufregender, lässiger, liberaler sowie: für den Besitzer harter D-Mark billiger…
Wie komme ich nach nun diesem Befund ausgerechnet darauf, dass ein Vorkriegs-Citroën kaum deutscher sein konnte? Nun, die Freunde dieser einst großartigen, heute unerheblichen Marke wissen natürlich, warum.
1927 – nur acht Jahre nachdem André Citroën sein erstes Automobil bauen ließ – nahm in Köln ein Zweigwerk die Fabrikation des Typs B14 auf, der wie schon sein Vorgänger B12 im Unterschied zu den meisten deutschen Fabrikaten eine Ganzstahlkarosserie besaß.
Hier haben wir ein Exemplar, das im Raum Dresden als Taxi zum Einsatz kam:
Citroen B14 Landaulet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Für die Akzeptanz am deutschen Markt war es von Bedeutung, dass der Anteil im Inland bezogener Rohstoffe und gefertigter Teile möglichst hoch war.
Kaum zehn Jahre nach dem Versailler „Vertrag“ war das Interesse in Deutschland denkbar gering, dem einstigen Kriegsgegner noch mehr wertvolle Devisen in den Rachen zu werfen, als ohnehin unablässig über die Grenze nach Frankreich strömten.
So wurde emsig daran gearbeitet, die in Köln gefertigten Citroëns immer „deutscher“ werden zu lassen. Schon 1927 warb man mit 75 % inländischem Fertigungsanteil. Das mochte noch geschönt sein, doch 1929 verblieben immerhin 72 % der Erlöse von Citroën Deutschland auf der rechten Seite des Rheins.
Im selben Jahr wurde das Modell B14 durch den C4 bzw. C6 abgelöst – ein Vier- bzw. Sechszylinder-Modell mit äußerlich einheitlichem Erscheinungsbild. Ob unter der Haube dieser feinen Limousine und 32 oder 45 PS schlummerten, lässt sich daher nicht sagen:
Citroen C4 oder C6; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Allerdings muss man bei dieser schönen Aufnahme sagen, dass durchaus noch etwas „deutscher“ zugehen konnte, nicht nur was den Citroën betrifft.
Der trägt zwar eine Plakette der D.A.S. (Deutscher Automobil Schutz AG), der 1928 gegründeten ersten Rechtschutzversicherung Deutschlands. Doch das Nummernschild scheint für eine Zulassung in der Schweiz zu sprechen.
Auch die Uniform des Soldaten, der hier mit einer feschen Dame posiert, ist keine deutsche, sondern eine schweizerische der Zwischenkriegszeit. Wer eine schlüssige Erklärung für das Nebeneinander der deutschen DAS-Plakette und des schweizerischen Kennzeichens hat, nutze bitte die Kommentarfunktion.
Auf den ersten Blick „richtig deutsch“ geht es auf dieser hübschen Reklame zu, die aus der zweien Hälfte der 1920er Jahre stammt:
Citroën-Reklame von Ende der 1920er Jahre; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Die deutsche Citroën-Zentrale steckt zwar hinter dieser Werbung, ob man hier aber auch ein deutsches Fotomodell in den Wagen gesetzt hat, ist die Frage.
Die Frisuren- und Bekleidungsmode in Deutschland orientierte sich an den französischen Verhältnissen, doch ging es von der Oberschicht abgesehen hierzulande bodenständiger bis rustikaler zu.
So könnte man für diese Aufnahme eher eine burschikose Rheinländerin als eine sportlich-chice Pariserin verpflichtet haben, schließlich sollte der Geschmack der Käufer am Zielmarkt angesprochen werden – und nicht derjenige der Werbeleute in der Pariser Zentrale.
Wenn diese Frage letzlich offen bleiben mus – es sei denn, jemand erkennt seine Urgroßmutter auf dieser Abbildung – steht bei der nächsten Aufnahme eines außer Zweifel: Viel deutscher geht’s kaum:
Citroen 8CV 6/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Weinberge wie diese findet man eher an der Mosel als im Burgund oder in der Champagne. Auch das weiß unterlegte Kennzeichen ist klar ein deutsches.
Der Kühlergrill gehört zwar wieder zu einem Citroen, doch in diesem Fall haben wir es mit einem Modell aus Kölner Produktion zu tun, das so „deutsch“ war, wie nur irgend möglich.
Hier haben wir nämlich einen Wagen des Typs 8CV vor uns – deutsche Bezeichnung: anfänglich 6/30 PS, später nur noch 1,4 Liter. Und der wurde ab 1933 im Kölner Werk zu 95 % (!) aus deutschen Vorprodukten gefertigt.
Neuerungen gegenüber dem Vorgängertyp C4 waren unter anderem der gummigelagerte Motor und die Synchronisierung der Gänge (mit Ausnahme des ersten).
Weshalb man den Wagen angesichts von 1.452 ccm Hubraum als 1,4 Liter-Typ verkaufte und nicht als 1,5 Liter, wissen die Götter (oder ein Leser…).
Citroen 8CV 6/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Vielleicht wollte man bewusst tiefstapeln, da es in der 1,5 Liter-Klasse seit 1933 auch den etwas stärkeren und schnelleren Hanomag 8/32 PS bzw. ab 1934 „Rekord“ gab.
Der Hanomag “ Rekord“ wartete ebenfalls mit aufwendigen Luftklappen in der Motorhaube auf, besaß eine ähnliche Ganzstahlkarosserie von Ambi-Budd (Berlin) und kostete wie der Citroen als Viertürer rund 3.500 Reichsmark.
Es ging also aus Sicht patriotisch gesinnter wie wirtschaftlich denkender Käufer also doch noch „deutscher“ als mit dem Citroen 8CV 6/30 PS Kölner Provenienz.
Zudem gab es einen weiteren „biodeutschen“ Konkurrenten, der auch wesentlich attraktiver gezeichnet war, nämlich der Adler „Trumpf“ aus Frankfurt/Main:
Adler „Trumpf“ Limousine; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch
Der Wagen auf dieser Aufnahme (aus Sammlung von Leser Marcus Bengsch) besaß zwar ebenfalls eine Standard-Ganzstahlkarosserie von Ambi-Budd, wirkte aber durch den Verzicht auf das Trittbrett und die noch glatter gestalteten Räder moderner.
Das von Walter Gropius entworfene Adler-Emblem im zeittypischen Art Deco-Stil (die Bezeichnung „Bauhaus“ erscheint bei reinem Zierrat unpassend) gibt dem Wagen eine trotz geringerem Chromeinsatz markantere Frontpartie.
Der Adler war außerdem mit Frontantrieb technisch wesentlich moderner.
Er war zwar in der Limousinenvariante um rund 10 % teurer als der Citroen, doch letztlich wurde er von den Käufern klar bevorzugt. Weniger aus patriotischen Gründen – denn noch deutscher ging es ja kaum – sondern weil er das bessere Auto war.
So wurden in Köln vom Citroen 1,4 Liter-Modell während der zweijährigen Produktionsdauer nur knapp 1.300 Exemplare gefertigt. Überlebende sind heute eine große Rarität…
Die deutsche Sprache gilt gemeinhin als schwierig und wird von vielen gefürchtet.
Das gilt nicht nur für europäische Nachbarn, die das teutonische Idiom meiden, wo es nur geht (die Niederländer ausgenommen), sondern scheint – nach allem, was man so hört und liest – auch auf weite Teile des politischen „Führungs“personals hierzulande zuzutreffen.
Beispiele für peinliches Gestammel und sinnfreies Daherplappern fallen Ihnen vermutlich selbst ein, sodass ich mir Namen sparen kann. Ob ein Intelligenzmangel ursächlich ist oder die Absicht, nicht festgenagelt werden zu können, hängt vom Einzelfall ab.
Dabei bietet gerade das volkstümliche Deutsch reichlich Möglichkeiten, geradeheraus und allgemeinverständlich zu reden – ein Meister solcher lebendiger Sprache war Martin Luther. Aus dem Alltag unserer Altvorderen haben sich einige prächtige Relikte erhalten, über deren ursprünglichen Sinn man beim Gebrauch kaum mehr nachdenkt.
Sicher kann jeder in Bezug auf Automobile etwas mit dem Begriff „volle Pulle“ anfangen – quasi eine Vulgärvariante zu „Vollgas“. Aber die Herkunft dürfte überraschen: Denn „volle Pulle“ scheint aus der Seefahrt zu stammen und maximalen Rudereinsatz zu bedeuten.
„Pullen“ ist bei unseren Landsleuten an der Waterkant jedenfalls ein Synonym für Rudern, wie so oft besteht hier eine enge Verwandschaft zum Englischen.
Dann gibt es noch „volle Kanne“ – ein Begriff, der auf alle möglichen Tatbestände angewendet werden kann – meist im Sinne von „maximal“. Die Umgangssprache kennt zahllose Situationen, in denen „volle Kanne“ Anwendung findet, wobei der Ursprung tatsächlich eine volle Kanne eines Getränks (meist alkoholischer Qualität) ist.
„Volle Pulle braucht volle Kanne“ – so könnte nach dieser Vorrede der Titel zu diesem Foto aus dem 2. Weltkrieg lauten:
Citroen Typ C4 oder C6 „Grand Luxe“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir drei Unteroffiziere der deutschen Wehrmacht im besetzten Frankreich „unterwegs nach Cambrai“ mit einem beschlagnahmten Zivilauto.
Am Steuer sitzt ein Kamerad, der gern „volle Pulle“ weiterfahren würde, doch offenbar ist erst eine „volle Kanne“ Kühlwasser erforderlich, die man vermutlich unterwegs spontan beschaffen musste, als die Temperaturanzeige des Wagens bedrohlich zu klettern begann.
Was für ein Auto ist das aber, das hier eine „volle Kanne“ Wasser verabreicht bekommt, bevor es „volle Pulle“ weiter ans befohlene Ziel Cambrai in Nordfrankreich geht?
Die Kühlerform deutet auf einen Citroen der Typen C4 bzw. C6 hin, die mit Vier- bzw. Sechszylindermotor zwischen 1928 und 1932 gebaut wurden. Allerdings weichen die seitlichen Luftklappen vom üblichen Schema (mit schmalen Schlitzen) ab.
Wenn ich es richtig sehe, haben wir hier die gehobene Ausstattungsvariante „Grand Luxe“ vor uns, die es äußerlich weitgehend identisch für beide Modelle (C4 und C6) gab. Vielleicht kann ein markenkundiger Leser es noch genauer sagen.
An sich passten solche alten Wagen nichts ins „Beuteschema“ der Wehrmacht nach der Besetzung Franreichs im Sommer 1940. Es mag der hervorragende Ruf von Citroen gewesen sein, der dazu führte, dass man auch ältere (aus Produktion im Kölner Werk bekannte) Typen für geeignet befand, zumindest fernab der Front Dienst zu schieben.
Dazu passt auch das Erscheinungsbild zumindest zweier der hier abgebildeten deutschen Soldaten, die vielleicht schon im 1. Weltkrieg als junge Burschen in Frankreich eingesetzt worden waren und das Glück gehabt hatten, der Knochenmühle lebend zu entgehen:
Man kann sich vorstellen, wie die beiden Veteranen dem jüngeren Kameraden beim Einfüllen frischen Kühlwassers Ratschläge geben: „Nicht so zaghaft, der Wagen braucht ’ne volle Kanne, dann geht er auch wieder volle Pulle – ist bei uns übrigens genauso…“