Erst kürzlich war in diesem Blog wieder von der großen Beliebtheit amerikanischer Automodelle der späten 1920er und frühen 1930er Jahre in Deutschland die Rede.
Die Überlegenheit der US-Industrie war damals so offensichtlich, dass sich viele deutsche Autokäufer für einen „Amerikanerwagen“ entschieden – was den Misserfolg selbst schöner Modelle inländischer Nischenhersteller wie Hansa erklärt.
Ein sehr frühes Beispiel für die ungezwungene Offenheit, mit der man hierzulande amerikanischen Wagen begegnete, ist hier zu sehen:
![Chevrolet_Superior_1923_1_Galerie](https://i0.wp.com/vorkriegs-klassiker-rundschau.blog/wp-content/uploads/2018/09/chevrolet_superior_1923_1_galerie.jpg?resize=584%2C404&ssl=1)
Chevrolet von 1923/24; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der sehr schlecht erhaltene Abzug zeigt nach einigen Retuschen einen Chevrolet von 1923/24 mit Zulassung im badischen Landkreis Villingen.
Die Identifikation des Herstellers war ausnahmsweise sehr einfach – das Emblem von Chevrolet hat es mit geringen Änderungen bis in die Gegenwart geschafft, wenngleich über die Fahrzeuge, die es heute tragen, eher der Mantel des Schweigens gedeckt sei…
Kurz vor und nach dem 1. Weltkrieg war Chevrolet neben Ford eine der Hauptstützen der Volksmotorisierung in den Vereinigten Staaten.
Da es in Deutschland seinerzeit keine ernstzunehmenden Initiativen in Richtung Demokratisierung der Mobilität gab, stimmten die widerspenstigen Autokäufer kurzerhand mit dem „Gasfuß“ ab und kauften zunehmend amerikanische Wagen.
Ihren Höhepunkt erreichte diese Bewegung wie gesagt Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre. Nach wie vor wurde hierzulande der wachsende Bedarf in der Bevölkerung ignoriert oder allenfalls mit Geringschätzung zur Kenntnis genommen.
Das Ergebnis: Man wandte sich massenhaft anderen Anbietern zu, die nach offizieller Lesart für den anständigen Deutschen nicht in Betracht kamen.
Verzweifelte Aufrufe der Verantwortlichen, sich konform zu verhalten und sich mit dem etablierten Angebot abzufinden, liefen beim automobilen Untertan ins Leere.
So entschieden sich vor rund 90 Jahren rund 40 % der deutschen Autokäufer für ein ausländisches Modell (einschließlich im Inland gebauter Fremdfabrikate).
Auch in Sachsen, damals Zentrum des deutschen Automobilbaus, sorgte das mangelnde Gehör der etablierten Anbieter dafür, dass man sich für die naheliegende Alternative entschied – amerikanische Wagen.
Hier haben wir ein schönes Beispiel dafür:
Chevrolet „Six“ von 1931; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Bei dieser eindrucksvollen Sechsfenster-Limousine mit feinen Drahtspeichenfelgen handelt es sich um einen Chevrolet „Six“ des Modelljahrs 1931.
Nur acht Jahre trennen dieses großzügige Fahrzeug mit 50 PS von dem bescheidenen Vorgänger mit 22 PS auf der ersten Aufnahme.
So sah einst der Fortschritt in einer von heftigem Wettbewerb geprägten Industrie aus, während man sich in unseren Tagen hierzulande vermehrt anmaßt, die technologische Entwicklung nach sozialistischer Manier lenken zu müssen.
Übrigens war der Chevrolet in Sachsen zugelassen, im Raum Magdeburg genau gesagt (damals zu Sachsen gehörig). Ein schönes Beispiel dafür, dass man dort echte Qualität unabhängig von ihrer Herkunft als Bereicherung zu empfinden vermochte…
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