Pontonform & Sportmotor: Alfa-Romeo 1900

Beim Stichwort „Ponton-Karosserie“ kommt den meisten deutschen Klassikerfreunden wohl der 1953 vorgestellte Ponton-Mercedes 180 in den Sinn. Unter der behäbigen Form verbarg sich anfänglich noch Vorkriegstechnik des Typs 170 V.

Man fragt sich, weshalb man damals in Stuttgart so defensiv war. Am Können der Ingenieure bei Daimler-Benz kann es nicht gelegen haben. Diese hatten noch unter den Bedingungen des Kriegsjahrs 1944 die Leistung der Flugmotoren DB 605 und 603 für die Jäger von Messerschmitt und Focke-Wulff auf bis zu 2.000 PS gesteigert.

Die inländische Konkurrenz von Mercedes war kurz nach dem Krieg weiter. So hatte Borgward im schwer kriegsversehrten Bremen schon 1949 ein komplett neukonstruiertes Auto in moderner Pontonform vorgestellt – den Hansa 1500:

© Borgward Hansa, um 1950; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Der Borgward Hansa verfügte von Anfang an über eine angemessene Motorisierung mit zeitgemäßer Literleistung. Als Mercedes 1953 endlich den 180er vorstellte, war der zeitgleich präsentierte Hansa 1800 mit 60 PS leistungsmäßig deutlich souveräner.

Borgward-Kunden konnten den Hansa 1800 auch mit 80 PS-Sportmotor ordern, eine vergleichbar spritzige Variante suchte man beim Ponton-Mercedes bis zum Produktionsende vergeblich.

Im ebenfalls schwer vom Krieg gezeichneten Italien hatte 1949 auch Fiat einen modernen Pontonwagen mit überzeugender Leistung vorgestellt, den Typ 1400:.

© Fiat 1400 bzw. Steyr-Fiat 1400, um 1950; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Neukonstruktion war sogar in einer 6-Zylinder Variante (Fiat 1900) verfügbar, die bei Produktionsende über standfeste 80 PS verfügte.

Den Vogel in der Pontonklasse schoss allerdings ein anderer italienischer Hersteller ab, Alfa-Romeo: Beim 1950 vorgestellten, komplett neukonstruierten Alfa 1900 leistete bereits die 4-Zylinder-Basisversion 80 PS.

Der Alfa 1900 verfügte über ein echtes Sportwagentriebwerk mit zwei kettengetriebenen obenliegenden Nockenwellen. Er dürfte Anfang der 1950er Jahre außerdem der formal gelungenste Vertreter der Gattung Pontonwagen gewesen sein.

Das folgende Originalfoto unterstreicht die besondere Klasse des Alfa Romeo 1900:

Alfa-Romeo_1900_aus_Treviso_Galerie

© Alfa-Romeo 1900 in Oberitalien, Ende 1950er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Kennzeichen mit dem Kürzel „TV“ verweist auf eine Zulassung des Alfa in der Provinz Treviso in der oberitalienischen Region Venetien.

Der Alfa-Romeo 1900 auf unserem Foto dürfte zum Aufnahmezeitpunkt bereits ein gut eingeführter Typ gewesen sein. Der jugendlich wirkende Besitzer war zwar erkennbar stolz darauf, doch seine figurbetont geschnittene Kleidung lässt vermuten, dass das Bild Ende der 1950er Jahre entstand, als die Produktion des ersten modernen Alfa auslief. 

Vielleicht hat sich der Besitzer bewusst eines der letzten Exemplare dieses Modells gesichert, das die Essenz der Marke bis in die 1970er Jahre definieren sollte – enorm drehfreudige Motoren mit heiserem Klang, spontane Leistungsentfaltung durch niedriges Gewicht, aus allen Perspektiven absolut perfekter Auftritt.

Nebenbei: Die stärkste Variante des Alfa Romeo 1900 – das Modell „ti Super“ – war 1959 mit seinen 115 PS eine der schnellsten Serienlimousinen der Welt: Knapp 180 km/h waren mit dem auch von der Polizei geschätzten Wagen möglich…

Der erste Kompressor-Mercedes von Porsche: 15/70/100PS

Der Titel dieses Artikels mag irritieren, doch beschreibt er genau den Wagen, der heute anhand einer hervorragenden Originalaufnahme der 1920er Jahre vorgestellt werden soll: Ein Mercedes des Kompressor-Typs 15/70/100 PS.

Die ersten Versuche von Daimler mit aufgeladenen Motoren nach dem 1. Weltkrieg wurden auf diesem Blog bereits vorgestellt – der auf einem Vorkriegsmodell basierende Typ 28/95 PS und der erste serienmäßig gebaute Kompressor-Mercedes Typ 6/25/40 PS.

1923 – nach dem Weggang des für die bisherigen Kompressortypen verantwortlichen Paul Daimler – übernahm Ferdinand Porsche die Rolle des Chef-Konstrukteurs. Er setzte die bisherigen Entwicklungsarbeiten nicht nur kongenial fort, sondern schuf die Grundlage für die begehrtesten Vorkriegs-Mercedes überhaupt.

Als erstes Modell wurde unter Porsches Leitung der Typ 15/70/100 PS entwickelt, den wir auf folgender originalen Aufnahme als Tourenwagen sehen:

© Mercedes 15/70/100 PS, Aufnahme der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns mit der Aufnahmesituation befassen, einige technische Details:

Der Mercedes 15/70/100 PS (werksinterne Bezeichnung: W836) war mit einem 3,9 Liter großen Reihensechszylinder ausgestattet. Seine obenliegende Nockenwelle wurde über eine Königswelle angetrieben, die Ventile waren hängend angeordnet.

Mit diesen modernen – wenn auch nicht innovativen – Ingredienzen leistete das Aggregat im Normalbetrieb 70 PS. Trat man das Gaspedal durch, wurde der Vergaser mit vorverdichteter Luft aus dem an der Motorstirnseite montierten Kompressor (Roots-Patent) versorgt. Das erlaubte eine erheblich höhere Benzin-Beimischung und damit eine Leistungssteigerung auf kurzzeitig 100 PS. 

Man muss diese beeindruckende Leistung freilich in Relation zum Wagengewicht (über 2 Tonnen) und Luftwiderstand des Fahrzeugs sehen. Nicht ganz 120 km/h Spitzengeschwindigkeit je nach Übersetzung schaffte der Mercedes 15/70/100 PS. Genug für die damaligen Straßen war das allemal.

Auch wenn des Verfassers einstiger 34 PS-Käfer leistungsmäßig mit diesem Kompressor-Mercedes mithalten konnte, fehlten ihm jedoch drei Dinge: Souveräne Kraftentfaltung, seidenweiche Laufkultur und vor allem das prestigeträchtige Erscheinungsbild:

Der Mercedes-Spitzkühler mit dem legendären Stern prägt bis heute das Markenbild der Firma, auch wenn sich diese über die Jahre einige Fehlzündungen geleistet hat. Mit dem damals noch üblichen Mercedes-Schriftzug haben diese Wagen bereits vor Jahrzehnten eine globale Werbewirkung erzielt, die unter Kennern bis heute anhält.

Auf dieser Ausschnittsvergrößerung sieht man auch Details, die den Typ 15/70/100 PS äußerlich von den Vorgängern unterscheidet – beispielsweise die großen Positionsleuchten auf den Schutzblechen. Wer genau hinsieht, wird „wolkige“ Partien auf dem Bild erkennen, die von retuschierten Beschädigungen des Abzugs herrühren.

Für die Aufnahmesituation wichtig ist das Kürzel „RW“, das für die deutsche Reichswehr der Zwischenkriegszeit steht. Dazu passt das Erscheinungsbild des Fahrers:

Der Rang des Fahrers ist schwer einzuordnen. Auf der einen Seite lassen Schulterklappen und Kragenspiegel keinen Hinweis erkennen, dass es sich um mehr als einen einfachen Mannschaftsdienstgrad handelte. Auf der anderen Seite verweist das Pistolenholster (wohl für eine P08) zumindest auf einen Unteroffizier.

Möglicherweise war die Bewaffnung bei der Reichswehr aber auch funktionsabhängig – vielleicht kann ein Leser mehr dazu sagen. Typisch für die 1920er Jahre ist jedenfalls die Ganzledermontur, die es nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bei der deutschen Armee so nicht mehr gab.

Die martialische Ausstattung mit Reitstiefeln, Lederhose, zweireihiger Lederjacke und  Stulpenhandschuhen steht in denkbar großem Gegensatz zum Erscheinungsbild privat beschäftigter Chauffeure.

Zwar wissen wir nichts Genaues darüber, welchen hochrangigen Offizier dieser Mann in dem Mercedes chauffierte. Das nur rund 750mal gebaute Modell dürfte aber einem Mitglied des Generalstabs vorbehalten gewesen sein.

Alltagstaugliches Vorkriegsauto: Citroen Traction Avant

Es ist Mitte April und in der klimatisch begünstigten Wetterau zwischen Frankfurt und dem Gießener Becken erreichten die Temperaturen heute 17 Grad Celsius. Dennoch sind immer noch etliche Zeitgenossen mit Strickmütze, geschlossenem Mantel oder Anorak unterwegs, andere rücken sich den Schal zurecht.

Die Rede ist von Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Könnte das eine Erklärung dafür sein, weshalb klassische Wagen der Vorkriegszeit hierzulande als anstrengend und unkomfortabel gelten? Ist diese Generation deutscher Männer schlicht verweichlicht? Lediglich die weibliche Hälfte der Bevölkerung nutzt das milde Frühlingswetter zur „Anzugerleichterung“.

Dazu passt das auffallende Desinteresse an „wirklich alten“ Autos in Deutschland, also Wagen von 1900 bis zum 2. Weltkrieg. Schwierig zu starten, schwer zu lenken, schwache Bremsen, keine Heizung oder Klimaanlage, anstrengende Wartung – all‘ das wird vorgebracht, wenn es um Autos der Epoche geht, in der es eine Vielzahl an Marken, technischen Konzepten und Karosserien gab, von der wir heute nur träumen können.

Zum Glück ist das eine spezifisch deutsche Befindlichkeit. Weder in England, Frankreich, der Schweiz oder Italien vernimmt man ein solches Lamento in Sachen Vorkriegsautos. Natürlich steht auch dort der Generationswechsel an, nur gelingt er dort öfter als hierzulande. Man betrachte nur die Besatzungen der über 100 Jahre alten Mobile beim London-Brighton-Run oder die Besucher beim Goodwood Revival Meeting.

Auch bei unseren niederländischen Nachbarn scheint die Begeisterung für richtig alte Autos ungebrochen zu sein. Ein schönes Beispiel dafür ist der trotz des stattlichen Bartes recht junge Besitzer dieses Citroen Traction Avant der 1930er Jahre. Der Wagen im Film wurde einst in Belgien in Lizenz gebaut und unterscheidet sich in vielen Details von den Autos aus französischer Produktion.

Äußerlich ist der Citroen unrestauriert, er trägt also die Spuren eines langen Lebens, wie man das einem antiken Möbelstück oder Haus zubilligt. Diese Philosophie hat inzwischen hierzulande einige Anhänger, die die Zeugen der Vergangenheit nicht im nur ganz kurz gegebenen Neuzustand, sondern im über Jahrzehnte gewachsenen Gebrauchszustand erhalten und weiternutzen wollen.

Wenn man sieht, wie souverän der Besitzer mit seinem Citroen 11 CV umgeht, bekommt man eine Vorstellung davon, wie sich so ein damals moderner Wagen heute noch im Alltag bewegen lässt. Und wer sich partout am äußeren Erscheinungsbild des Autos stört, dem sei gesagt: Alles auf neu machen kann jeder, aber „it’s original only once“.

Übrigens: Die genialen Frontantriebsautos von Citroen ermöglichen immer noch einen bezahlbaren Einstieg in die Welt der Vorkriegsklassiker. Vor der Eisdiele stiehlt ein Traction Avant mit Sicherheit jedem Porsche 911 und Mercedes SL die Schau. Und ausgestattet mit dem passenden 4-Gang-Getriebe des Nachfolgers – der legendären Citroen DS – lässt sich der Wagen auch bei höherem Tempo gut bewegen.

1933: Der erste „3er BMW“ mit Fotomodell

Wenn etwas für „den BMW“ schlechthin steht, dann wohl folgende Kombination: nierenförmiger Kühlergrill, Sechszylinder und mit einer „3“ beginnende Typbezeichnung.

Zwar beginnt die Historie der beliebten „3er BMWs“ offiziell erst in den 1970er Jahren. Doch schon in den 1930er Jahren findet man dieselbe Erfolgsformel der Marke mit dem blauweißen Propelleremblem.

Nach bescheidenen Anfängen mit dem BMW Dixi in den 1920er Jahren folgte ein wenig überzeugendes Übergangsmodell (3/20 PS). Doch dann gelang BMW mit dem 1933 vorgestellten Typ 303 ein Wurf, der die eingangs genannten Qualitäten auf sich vereinte. Der neue Wagen kam erstmals mit dem unverwechselbaren BMW-„Gesicht“ daher. Hier ein Originalfoto der 1930er Jahre:

© BMW 303, Bj. 1933-34; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die am deutschen Markt einzigartige Gestaltung des Kühlergrills unterstrich das selbstbewusste eigene Profil der Marke. Nur in Frankreich bediente sich der Nischenhersteller Rosengart einer ähnlichen Ästhetik, jedoch weniger gelungen.

Der „erste 3er BMW“ löste den äußerlich dokumentierten Anspruch des Besonderen auch technisch ein: Im 303 wurde ein 6-Zylinder-Motor mit zwei Solex-Vergasern und hängenden Ventilen verbaut, der 30 PS leistete. Bei einem Fahrzeuggewicht von etwas mehr als 800kg war damit eine temperamentvolle Fortbewegung möglich.

Das hier gezeigte Foto ist deshalb interessant, weil es einen neuwertigen BMW 303 als Requisite bei einer Modeaufnahme zeigt.

Dafür spricht folgende Beobachtung: Das Nummernschild mit dem Kürzel „IZ“ (Rheinland) sieht stark gebraucht aus und die niedrige laufende Nr. verweist auf eine frühe Zulassung. Unter dem Kennzeichen sieht man einen breiteren Nummernschildträger bzw. ein Blanko-Nummernschild, wie es neue Wagen in Autosalons trugen. Offenbar hat sich jemand einen noch nicht zugelassenen BMW 303 für diese Aufnahme (und weitere) ausgeliehen. Dafür sprechen auch der glänzende Lack und der Zustand des Reifenprofils.

Wäre dies eine typische Privataufnahme, würde die junge Dame im Mantel mit Pelzkragen dem Fotografen gewiss ein Lächeln schenken. Doch ihre Haltung wirkt wenig spontan, eher posiert sie wie ein Fotomodell.

Verwunderlich ist allerdings die Wahl des Aufnahmeorts. Man vergleiche dieses Bild mit anderen hier präsentierten Modeaufnahmen (Hanomag Cabriolet und Mercedes-Benz 170V). Man hat den Eindruck, dass der Fotograf hier ein nicht zur Veröffentlichung gedachtes Bild geschossen hat, vielleicht mit der privaten Kleinbildkamera, denn Aufnahmen für die Presse erforderten größere Negativformate.

Wir wissen nichts Genaues über die Aufnahmesituation, doch wird deutlich, dass der „erste 3er BMW“ von Anfang an als prestigeträchtiges Auto wahrgenommen wurde.

V8-Juwel der 1920er Jahre: Lancia Trikappa

Die italienische Marke Lancia stand jahrzehntelang für technische und gestalterische Leckerbissen – heute muss der ehrwürdige Name unter anderem für US-Massenware herhalten. Es scheint, als wolle der Fiat-Konzern der 1969 übernommenen Marke mit Gewalt ein Ende bereiten.

Für in der Wolle gefärbte Lancisti zählen ohnehin nur die Modelle vor der Übernahme durch Fiat, bei denen sich der Ingenieursgeist noch ungestört austoben durfte.  Das war wirtschaftlich nicht immer erfolgreich, doch allemal besser als das, was folgen sollte.

Zu den konstruktiven Meisterstücken von Lancia gehören die V-Motoren mit engem Zylinderwinkel. Charakteristisch war die Unterbringung beider Zylinderbänke in einem Block und der Antrieb der Ventile durch eine gemeinsame obenliegende Nockenwelle.

Die bekannteste Anwendung des Prinzips dürfte der V6-Motor der Lancia Aurelia sein, die auch formal als erster Gran Turismo eine Klasse für sich ist.

© Lancia Aurelia, Classic-Gala Schwetzingen 2014; Bildrechte: Michael Schlenger 

Doch schon die 1937 vorgestellte Lancia Aprilia kam mit einem 4-Zylinder-Motor in V-Anordnung daher. Dank aerodynamisch optimierter Karosserie waren mit weniger als 50 PS bis zu 130km/h Spitzengeschwindigkeit möglich. Die Aprilia war das letzte unter Firmengründer Vincenzo Lancia entwickelte Modell.

Hier ein Exemplar der Aprilia mit Pritschenwagenaufbau aus der frühen Nachkriegszeit, als auch in Italien Transportkapazität knapp war und viele Limousinen zu solchen „Lasteseln“ umgebaut wurden.

© Lancia Aprilia Pritschenwagen, Classic Days Schloss Dyck 2014; Bildrechte: Michael Schlenger 

Die Geschichte der V-Motoren bei Lancia reicht aber noch weiter zurück. Lancia-Kenner werden vermutlich den Lancia Lambda von 1922 als bekannteste Anwendung des Prinzips bei Vorkriegs-Lancia nennen.

In der Tat war der Lambda ein Technologieträger höchsten Ranges: mit der ersten selbsttragenden Karosserie in Serie, Einzelradaufhängung vorne und Mitteltunnel für die Antriebswelle, wodurch erstmals eine tiefe Sitzposition möglich wurde. Kein anderer Wagen der frühen 1920er Jahre wies eine derartig niedrige Linie auf.

Was kaum bekannt ist: Als der Lambda noch im Werden war, stellte Lancia 1922 den Trikappa vor, der über einen V8-Motor mit obenliegender Nockenwelle verfügte und aus 4,6 Liter Hubraum 100 PS schöpfte. Formal entsprach der Trikappa der Konvention der Zeit, wie dieses Originalfoto der Tourenversion mit Torpedo-Karosserie zeigt:

© Originalfoto Lancia Trikappa, 1922; Sammlung: Michael Schlenger 

Das hier gezeigte Exemplar stammt aus der ersten Serie, die vorne noch nicht über Bremsen verfügte. Ab 1923 wurden Vierradbremsen Standard und das Werk bot eine Nachrüstung für ältere Exemplare des Trikappa an. Dass Lancia seinerzeit vielen Konkurrenten voraus war, zeigen auch Details wie die 4-Gang-Schaltung und die 12-Volt-Elektrik von Bosch.

Bis 1925 baute Lancia ganze 847 Exemplare des Trikappa. Das ist aus heutiger Sicht nicht der Rede wert, doch damals galten andere Maßstäbe: Qualität vor Quantität, das war das Motto vieler Hersteller in Europa in der Zwischenkriegszeit.

In einem Lancia Trikappa eröffnete 1924 der italienische König Vittorio Emanuele III. die erste Autobahn der Welt – von Mailand nach Varese.

 

Aerodynamik in Reinform: Rumpler-Tropfenwagen

Erste Gefährte mit stromlinienförmiger Karosserie gab es schon vor dem 1. Weltkrieg. Doch erst die Erfahrungen mit dem Bau von Kampfflugzeugen gaben dem Stromliniengedanken Auftrieb.

Zu den Konstrukteuren, die nach dem Krieg gleich in mehrfacher Hinsicht Erkenntnisse aus dem Flugzeugbau bei Automobilen umzusetzen suchten, gehörte der Österreicher Edmund Rumpler.

Nachdem eigene Flugzeugentwürfe gescheitert waren, baute Rumpler ab 1910 die „Taube“ von Igo Etrich in Lizenz und entwickelte sie weiter (siehe auch hier).

Die „Rumpler“-Taube war zu Kriegsbeginn bei den deutschen Luftstreitkräften recht verbreitet, erwies sich aber rasch als zu schwach für Kampfeinsätze. Dennoch gehörte die Taube zu den verbreitetsten Modellen in der Frühzeit der Fliegerei.

© Originalfoto “Taube”, Rumpler-Taube aus dem Deutschen Museum, Taube auf Feldpostkarte von 1918; Sammlung Michael Schlenger

Edmund Rumpler begann noch während des 1. Weltkriegs mit den Planungen für ein revolutionäres Automobil, das mit beinahe allen Traditionen brach: der Rumpler-Tropfenwagen. Vorgestellt wurde das Fahrzeug 1921 in Berlin, wo es auch gebaut wurde.

Hier eine zeitgenössische Abbildung der Ausführung von 1925, dem letzten Baujahr.

© Bildquelle: Rumpler-Prospekt von 1925, Faksimile: Archiv-Verlag; Sammlung Michael Schlenger

Markant war nicht nur die tropfenförmige Grundform mit abgerundeter Frontscheibe und spitz auslaufendem Heck. Auch konstruktiv beschritt Rumpler neue Wege.

Der Wagen verfügte über keinen Leiterrahmen mehr, sondern ein aerodynamisch geformtes Blechchassis. Wie radikal anders diese Lösung war, macht folgendes Werksfoto deutlich. Damit ging man noch weiter als Lancia beim fast zeitgleichen Modell Lambda.

© Bildquelle: Rumpler-Prospekt von 1925, Faksimile: Archiv-Verlag; Sammlung Michael Schlenger

Die kompakte Motor-Getriebe-Einheit war im Heck untergebracht, was die Lösung bei Tatra und Volkswagen um mehr als zehn Jahre vorwegnahm. Damit ging auch der Verzicht auf eine konventionelle Starrachse einher.

Der zunächst angebotene 6-Zylinder-Reihenmotor mit 36 PS wurde später durch ein 4-Zylinder-Aggregat ersetzt. Dieses war zwar konstruktiv konventioneller, leistete aber standfeste 50 PS – seinerzeit beachtlich. Hier ein Bild der kompletten Antriebseinheit mitsamt verrippten Bremstrommeln.

© Bildquelle: Rumpler-Prospekt von 1925, Faksimile: Archiv-Verlag; Sammlung Michael Schlenger

Interessante Lösungen fanden sich auch an anderer Stelle: Die Reserveräder wurden in seitlichen Fächern im Chassis untergebracht, Platz für Gepäck und Werkzeug war im hinteren Teil des Aufbaus vorgesehen.

Die Sitzposition der Passagiere befand sich weit vor der Vorderachse. Diese komfortfördernde Lösung wurde noch 1934 beim Chrysler Airflow als Neuerung angepriesen.  Für den Fahrer gab es einen ebenfalls weit nach vorne verlegten Sitz in der Mittelachse des Wagens, der besten Überblick ermöglichte.

Für weiteren, damals nicht selbstverständlichen Komfort sorgten der elektrische Anlasser und ebenfalls elektrisch betätigte Winker zur Anzeige der Fahrtrichtung.

Erhältlich war der Tropfenwagen auch in einer offenen Version. Seine selbst aus heutiger Sicht sensationelle Windschlüpfrigkeit ging dabei natürlich verloren. Auf folgender Abbildung kann man im Hintergrund einige offene Exemplare erahnen.

© Bildquelle: Rumpler-Prospekt von 1925, Faksimile: Archiv-Verlag; Sammlung Michael Schlenger

Die Aufreihung der Wagen täuscht über die geringe Stückzahl hinweg, die tatsächlich fertiggestellt wurde. Trotz relativ langer Bauzeit sind wohl nur einige Dutzend Tropfenwagen entstanden.

Bei aller Raffinesse war der Wagen am Geschmack der Kunden vorbeikonstruiert wurden. Das Modell von Rumpler stellte eine reine Ingenieurslösung dar – wie der ebenfalls gescheiterte Burney Streamline, der einiges mit dem Tropfenwagen gemeinsam hat.

Aus heutiger Sicht mutet der Wagen mit seiner nach vorne gezogenen Fahrgastzelle gar nicht mehr so fremd an – die Großraumlimousinen der Gegenwart lassen grüßen.

Filmproduzent Fritz Lang hatte in den späten 1920er Jahren das richtige Gespür, als er die verbliebenen Rumpler-Tropfenwagen für seine Zukunftsvision „Metropolis“ aufkaufte. Sie wurden am Filmende leider zerstört.

Ein weiteres rares Filmdokument zeigt einen Rumpler-Tropfenwagen in Aktion – aufgenommen im Jahr 1922, vermutlich in London.

© Videoquelle: YouTube; Urheberrechte: unbekannt

Ein originaler Tropfenwagen aus der ersten Serie ist im Deutschen Museum in München zu bewundern (Bild).

Flop mit Folgen: der Chrysler Airflow von 1934

Die Geschichte der Stromlinie im Automobilbau lässt sich bis in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurückverfolgen.

In den 1920er Jahren begannen gleich mehrere Konstrukteure, die im Luftschiff- und Flugzeugbau gesammelten Aerodynamik-Erfahrungen auf Straßenfahrzeuge anzuwenden. In Deutschland waren dies Paul Jaray und Edmund Rumpler, in Frankreich Émile Claveau und in England Charles Burney.

Doch keiner dieser Versuche kam über den Bau von Prototypen oder Kleinserien hinaus. Den größten Erfolg hatten um 1930 Pseudo-Stromlinienwagen, die einzelne stilistische Elemente des aerodynamischen Ideals verwendeten (Beispiele hier).

© Maybach-Originalreklame von 1932; Sammlung Michael Schlenger

Erst Chrysler sollte es 1934 mit dem „Airflow“-Modell gelingen, einen echten Stromlinienwagen in Großserie zu produzieren.

Dass Chrysler sich überhaupt mit Aerodynamik befasste, war eher der Neugier der Ingenieure als echtem Bedarf geschuldet. Mangels Hubraumbesteuerung waren Automobile in den USA schon vor dem 2. Weltkrieg so großzügig motorisiert, dass sie über genug Leistung zur Überwindung des Luftwiderstands verfügten. Zudem war bei einem Tempolimit von seinerzeit rund 70 km/h bei der Endgeschwindigkeit kein praxisrelevanter Fortschritt von der Stromlinienform zu erwarten.

Allerdings war die Form nur eines von mehreren innovativen Details des Airflow-Modells, mit dem sich Chrysler von der Konkurrenz absetzen wollte.

Weitere Neuerungen waren die monocoqueartige Karosserie und die komfortfördernde Verlagerung der Passagierkabine nach vorne. In der zeitgenössischen Werbung wurde der Fahrkomfort in den Mittelpunkt gestellt: „Fahren wie auf einem Luftkissen“ verspricht die hier abgebildete Originalreklame:

© Chrysler Airflow-Originalreklame von 1934; Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet einiger Stärken fiel der Chrysler Airflow beim US-Publikum durch. Dazu trug nicht nur das klobige Erscheinungsbild mit der plumpen Frontpartie bei. Vor allem der zu hohe Preis verdammte den Airflow zum Scheitern.

Ein Beispiel: Das Spitzenmodell Imperial Custom Eight – ein monströses Gefährt mit 2,7 Tonnen Gewicht – kostete so viel wie die 12-Zylinder-Modelle von Cadillac oder Packard. Motorseitig wurde aber nur 6- bzw. 8-Zylinder-Hausmannskost geboten.

Hinzu kamen Verarbeitungsmängel, die auf die übereilte Einführung des Modells Anfang 1934 und die für die Massenproduktion zu hohe Komplexität zurückzuführen waren.

Bis zur Produktionseinstellung im Jahr 1937 erfolgten zwar stilistische Verbesserungen – nicht zuletzt angesichts der Konkurrenz durch den ebenfalls aerodynamisch inspirierten, doch gefälligeren Lincoln Zephyr.

© Originales Pressefoto von 1936; Sammlung Michael Schlenger

Nach rund 30.000 gefertigten Exemplaren war der kommerzielle Misserfolg des Airflow nicht mehr zu leugnen.

Gleichwohl war der Chrysler Airflow ein Meilenstein. Kaum ein Fahrzeug der 1930er Jahre hatte weltweit so starken Einfluss auf das Automobildesign. Speziell die Dachpartie mit den massiven abgerundeten Holmen und die Platzierung der Passagierkabine findet sich bei vielen Erfolgsmodellen jener Zeit wieder.

Zu den weniger bekannten Nachfolgern des Airflow zählen der erste Toyota AA (Bild), der kurzlebige Volvo PV36 und der Autobahn-Adler von 1937 (Bild).

Die wohl gelungenste Variante des Airflow-Designs waren die ab 1935 gebauten 02er Modelle von Peugeot. Beim hier abgebildeten 402 von 1939 erkennt man viele Details des Chrysler-Entwurfs wieder, bis hin zu den hinteren Radabdeckungen mit dem stilisierten Markenemblem.

© Originales Pressefoto von Peugeot; Sammlung Michael Schlenger

Den Unterschied machte jedoch die raffinierte Frontpartie – windschlüpfrig wie beim Chrysler, aber mit französischem Sinn für Eleganz umgesetzt. Einmalig war die Idee, die Scheinwerfer hinter den Kühlergrill zu verlagern.

Ähnlich schnittige Formen – wenn auch schlichter ausgeführt – bot Fiat beim Topolino sowie dem 1100er und dem nachstehend abgebildeten 6-Zylinder Fiat 1500.

© Originalfoto Fiat 1500 von 1936; Sammlung Michael Schlenger

Gelegenheit, ein Exemplar des wirtschaftlich erfolglosen, doch einflussreichen Chrysler Airflow in Europa in Augenschein zu nehmen, besteht im niederländischen Louwman Museum.

Maybach – Varianten der Stromlinie

Wer sich mit raren Automobilen der Vorkriegszeit beschäftigt, muss sich vom Zufall leiten lassen und auch unscheinbaren Spuren folgen. So kann man über ein kleines Zigaretten-Sammelbild aus den 1950er Jahren auf ein Gefährt stoßen, über das es im Netz kaum etwas Gehaltvolles zu lesen gibt – den Maybach Stromlinienwagen SW 35.

© Kosmos-Sammelbild des Maybach SW35 Stromlinie; Sammlung Michael Schlenger

Damit nicht zu verwechseln ist Maybachs Pseudo-Stromlinienwagen von 1932. Er bot nach zeitgenössischen Berichten zwar weniger Luftwiderstand als der konventionelle Typ. Aber eine konsequente Umsetzung des in den 1920er Jahren wurzelnden Stromlinienideals war das nicht. Da waren andere Modelle vorher schon weiter (Ley T6, Claveau, Burney Streamline).

Hier eine originale Werksreklame für das 1932er Stromlinienmodell:

© Maybach-Originalreklame von 1932; Sammlung Michael Schlenger

Mit freistehenden Scheinwerfern, dem fast senkrecht im Wind stehenden Kühlergrill und der wenig strömungsgünstigen Frontscheibe war der Maybach von 1932 bewusst so angelegt, dass er nicht völlig verstörend wirkte.

Er erinnert an andere Modelle, bei denen die Stromlinie nur in einzelnen Elementen umgesetzt wurde, was eher modisch als funktional begründet war. Einen ähnlichen Entwurf gab es 1932 in den USA in Form des Bergholt Streamline und 1935 vom französischen Hersteller Voisin, den C28 Aérosport.

© Voisin C28 Aérosport Replica auf Schloss Chantilly 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Die in einer Kurve abfallende Dachlinie findet man bei etlichen Wagen der 1930er Jahre. Doch solange die Front konventionellen Mustern folgt, kann hier nur von Pseudostromlinie die Rede sein – was dem formalen Reiz keinen Abbruch tut (Beispiel: Röhr 8 F).

Zurück zu Maybach. Nach dem ersten Wurf von 1932 legte man nach und bot dem Publikum auf dem Berliner Automobilsalon 1935 „echte“ Stromlinie.

Für den Entwurf war Paul Jaray verantwortlich, einst Chefkonstrukteur der Zeppelin-Luftschiffbau GmbH. Auf seinen Patenten aus den 1920er Jahren basierten so unterschiedliche Wagen wie der Briggs Streamline, der Tatra 77 und der Chrysler Airflow.

© Maybach SW 35 Stromlinie, Autosalon Berlin; Foto: Automobilhistorischer Bilderdienst; Reproduktion: Archiv-Verlag; Sammlung Michael Schlenger

Der erfahrene Aerodynamiker Jaray setzte hier sein Ideal des Tragflächenprofils mit halbtropfenförmiger Kabine um. Mit den weitgehend integrierten Vorderkotflügeln war der Entwurf auf der Höhe der Zeit – dagegen wirkten die 1934 von Tatra und Chrysler vorgestellten Modelle bereits veraltet.

© Maybach SW 35 Stromlinie, Autosalon Berlin; Foto: Automobilhistorischer Bilderdienst; Reproduktion: Archiv-Verlag; Sammlung Michael Schlenger

Es wurden zwei Stromlinienfahrzeuge auf dem Chassis des Maybach SW 35 gebaut; von beiden fehlt seit 1945 jede Spur.

Die verfügbaren Informationen zu diesem interessanten Wagen sind spärlich. Besagtes Sammelbild liefert umseitig leider falsche Angaben. Der dort erwähnte 12-Zylinder Motor mit 200 PS trieb erst den Maybach-Stromlinienwagen von 1938 an. Er stellte die konsequenteste Umsetzung der Stromlinie von Maybach dar und ist eine eigene Betrachtung wert.

Weitere Blog-Einträge zu Pseudo-„Streamlinern“: Röhr 8F , DKW und Standard 12 Flying.

Tropfenform – Designtrend der 1930er Jahre

Ein Fahrzeug, das auf Klassikerveranstaltungen immer wieder formal aus dem Bild fällt, ist der VW Käfer. Selbst die letzten in Mexiko produzierten Exemplare wiesen noch die typische tropfenähnliche Grundform auf.

© Mexiko-Käfer Bj. 1985; Bildrechte: Michael Schlenger

Der Käfer hat sich im kollektiven Gedächtnis als einzigartiges Auto verankert, auch aufgrund jahrzehntelanger Präsenz. Doch bei seiner Entstehung in den 1930er Jahren war er mit seiner an der Stromlinie orientierten Form ganz ein Kind seiner Zeit.

Beschäftigt man sich mit den Vorläufern und Geschwistern des Volkswagens, wird es rasch unübersichtlich. Nachfolgend der Versuch, für mehr Klarheit zu sorgen:

Die aerodynamische Vorarbeit wurde schon in den 1920er Jahren geleistet, im Wesentlichen von Paul Jarays Stromlinien-Karosserie-Gesellschaft. In der Folge kristallisierte sich die Tropfenform als gestalterisches Ideal heraus, an dem sich Konstrukteure in mehreren Ländern abarbeiten sollten.

Noch vor Tatra und den ersten VW-Versuchswagen hatte die US-Karosseriefirma Briggs 1933 einen Prototypen vorgestellt, der technisch und formal alle Charakteristika aufwies, die in den Folgejahren in zahllosen Varianten durchdekliniert wurden (ausführlicher Bericht). Hier der Ausschnitt eines Originalfotos:

© Briggs Prototyp 1933; Fotoabzug: Sammlung Michael Schlenger

Ebenfalls 1933 entwickelte das Konstruktionsbüro Porsche für NSU einen Wagen, der die Wesensmerkmale des Volkswagens vorwegnahm. Das Auto wurde in einigen Exemplaren gebaut, aber von NSU letztlich nicht in Produktion genommen. Tatsächlich markiert dieser Entwurf den Anfang des VW-Stammbaums.

© Porsche Typ 32; Bildquelle: http://www.flickr.com; Urheberrecht: Georg Sander

Im Frühjahr 1934 stellte Tatra seine Interpretation des Themas vor, den Typ 77. Dabei ähnelt vor allem die Seitenpartie ab der A-Säule dem Briggs von 1933, ohne dass man eine direkte Beeinflussung behaupten kann. Hier eine Abbildung des Tatra-Prototyps, der in einigen Details vom Serienmodell abwich:

© Sammelbild Tatra 77 Prototyp 1934; Sammlung Michael Schlenger

1935 wurden von Porsche die Vormodelle des Volkswagens entwickelt. Während die Grundform dem Entwurf für NSU folgt, erinnern Dachline und Fensterpartien an den Briggs-Prototypen und den ab 1934 gebauten Chrysler Airflow.

Die freistehenden Scheinwerfer waren dagegen nicht auf der Höhe der Zeit. Gleichzeitig fällt der Verzicht auf Trittbretter auf, die im Serienmodell wieder auftauchten.

© Sammelbild Volkswagen Versuchsmodell 1935/36; Sammlung Michael Schlenger

1936 stellte die Steyr-Daimler-Puch AG in Österreich den Typ 50 vor. Mit vorn eingebautem Motor fällt er zwar technisch aus dem Rahmen. Doch formal gehört der Wagen in die hier vorgestellte Familie. Markant ist der Verzicht auf Trittbretter, der VW beim Käfer in 65 Jahren Produktionsdauer nicht gelungen ist.

Im Vergleich zum Kleinwagenversuch von Mercedes in Form des Typs 130 war der Steyr überzeugender. Der kompakte 4-Zylinder-Boxer erlaubte eine stromlinienförmige Frontpartie, gleichzeitig war die Gewichtsverteilung dank Heckantrieb ausgewogen. Hier eine Abbildung des leistungsstärkeren Steyr 55:

© Sammelbild Steyr 55; Sammlung Michael Schlenger

Die Fahrleistungen des Steyr entsprachen denen des Mercedes 130. Mit 12 Volt-Elektrik, 4-Gängen, Einzelradaufhängung und erstaunlich geräumigen Innenraum stellte Steyrs „Baby“ trotz seines Erscheinungsbildes ein erwachsenes Auto dar. Der Absatzerfolg war beachtlich (13.000 Stück bis 1940).

Vom Steyr war es nicht weit zum 1937 vorgestellten Adler 2,5 Liter, dem Autobahnadler. Seine Karosserie war das Werk von Karl Jenschke, der den Steyr 50 entworfen hatte. Die Seitenlinie entspricht weitgehend dem Briggs-Prototypen, während die Frontpartie an den Tatra 77 Prototypen, den Steyr 50 und an den Chrysler Airflow erinnert:

© Sammelbild Adler 2,5 Liter „Autobahnadler“; Sammlung Michael Schlenger

Lässt man diese Vertreter des Stromlinientrends in den 1930er Jahren Revue passieren, gewinnt man den Eindruck, dass damals viele Köpfe gleichzeitig in dieselbe Richtung gedacht haben.

Oft liest man, Porsches Volkswagen sei von Tatra oder den Mobilen von Josef Ganz abgekupfert. Doch die Betrachtung zeigt, dass hier in kurzer Zeit ähnliche Konzepte realisiert wurden, die aus derselben Grundidee abgeleitet waren.

An diesem Designkonzept hielt nach dem Krieg neben Volkswagen auch Tatra bis in die 1950er Jahre fest. So wurde ab 1948 in über 6.000 Exemplaren der Tatra 600 „Tatraplan“ gefertigt.

Er war eine verkleinerte Version des Vorkriegsmodells 87 mit 4-Zylinder-Motor. Dessen 52 PS reichten je nach Übersetzung für bis zu 140 km/h Spitzengeschwindigkeit – ein schöner Beleg für die Wirksamkeit des Tropfenkonzepts.

© Tatra 600 „Tatraplan“; Pressefoto aus Sammlung Michael Schlenger

Heute ist dieser Verwandte des VW Käfer ein Exot. Sieht man den Tatraplan „in natura“, wird einem klar, wie großzügig er im Vergleich zum Volkswagen war. Mit den Fertigungskapazitäten von VW hätte das Modell großen Erfolg haben können.

1952 wurde die Produktion infolge planwirtschaftlicher Fehlentscheidungen eingestellt. Tatra sollte künftig nur noch LKWs bauen. Die späteren Wagen vom Typ 613 hatten außer dem Heckmotor wenig mit ihren Vorgängern gemeinsam.

Rarer Mercedes-Benz 130 in Friedberg

Wer sich mit allen Facetten historischer Mobilität beschäftigt, macht immer wieder überraschende Funde. Das eine Mal stößt man über eine alte Reklame auf ein eigentümliches Flugzeug aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg – die Taube von Igo Etrich.

Ein anderes Mal findet man bei eBay ein Filmnegativ der Vorkriegszeit, das außer der vertrauten Burg in Friedberg in der Wetterau wenig erkennen lässt. Was man zumindest ahnt, ist ein Fahrzeug ohne Kühlergrill im Vordergrund. Ein Tatra vielleicht?

© Negativ mit Mercedes 130 in Friedberg/Hessen; Sammlung Michael Schlenger

Das Negativ kostet nur ein paar Euro und landet nach ein paar Tagen wohlbehalten in der Post. Es hat das vor dem Krieg gebräuchliche 6×9 cm-Format, das auch bei mäßiger Optik ordentliche Ergebnisse erwarten lässt.

Mangels eigener Möglichkeit zur Anfertigung eines Abzugs wird das Negativ kurzerhand eingescannt und mit einem Bildbearbeitungsprogramm in ein Positiv verwandelt. Ein Knopfdruck und auf einmal sieht man die Szene vor dem Friedberger Burgtor, so wie sie sich vor rund 80 Jahren darbot:

© Mercedes-Benz 130 in Friedberg/Hessen; Sammlung Michael Schlenger

Jetzt wird auch erkennbar, um was für ein Auto es sich handelt – eine echte Rarität! Denn was dort so gedrungen neben dem stattlichen Herrn steht, ist einer der seltenen Heckmotorwagen von Mercedes-Benz, genauer gesagt ein Modell 130.

Das Fahrzeug fügt sich ein in die Bemühungen vieler Hersteller jener Zeit, mit aerodynamisch optimierter Karosserie und Heckantrieb neue Wege zu beschreiten.

Im Unterschied zu Vorläufern wie Burney in England, Briggs in den USA und Tatra in Tschechien setzte man hierzulande jedoch nicht auf 8-Zylindermotoren und großzügige Karosserien. Vielmehr sah man Potential im Kleinwagensektor und beschränkte sich entsprechend auf 4-Zylinder-Aggregate.

Dabei war Mercedes in Sachen Motorleistung ähnlich defensiv wie später VW: So leistete die längs eingebaute wassergekühlte Reihenmaschine mit 1,3 Liter gerade einmal 26 PS. Bei einem Wagengewicht von fast 1.000 kg war das arg wenig, weshalb die Höchstgeschwindigkeit nur knapp über 90 km/h betrug.

Dennoch kommt Mercedes das Verdienst zu, den ersten Serienwagen dieser Art in Deutschland zustandegebracht zu haben. Von 1934 bis 1936 wurden rund 4.300 Exemplare gefertigt. Hier eine zeitgenössische Reklame mit geschönter Karosserieform und unfreiwillig komischem Verweis auf die „überraschenden Fahreigenschaften“:

© Reklame der 1930er Jahre; Reproduktion in der MVC-Depesche 4/1999; Sammlung Michael Schlenger

Zwar wurden das Platzangebot im Innenraum und die Ausstattung – u.a. hydraulische Bremsen, 4-Gang-Getriebe und zwei Scheibenwischer – gelobt. Doch die für einen Mercedes ungewohnte Form und das heckmotortypische Übersteuern setzten der Verbreitung des hochwertig verarbeiteten Wagens enge Grenzen. Zudem machten der zu geringe Platz für Gepäck und der kleine Tank den 130er ungeeignet für längere Fahrten.

So dürfte das Exemplar auf dem Foto bereits damals Exotenstatus genossen haben. Wie das Nummernschild verrät, handelt es sich um ein in Württemberg (Jagstkreis) zugelassenes Fahrzeug (siehe Ausschnittsvergrößerung). Wie es scheint, verfügt der Wagen noch nicht über die ab 1935 serienmäßige Zweifarblackierung.

© Mercedes-Benz 130 in Friedberg/Hessen (Ausschnittsvergrößerung); Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme muss zwischen 1934 und Kriegsende entstanden sein. Da der Mercedes 130 wie andere schwach motorisierte Fahrzeuge nicht von der Wehrmacht eingezogen wurde, haben relativ viele Exemplare den Krieg überlebt. Dafür sind sie dann in den folgenden Jahren meist restlos aufgebraucht worden.

Heute sind gute Exemplare des Heckmotor-Mercedes äußerst rar und sehr begehrt. Ein historisches Foto dieses interessanten Modells, noch dazu vor unserer Haustür, ist für den Liebhaber solcher Dinge ein außergewöhnlicher Fund.

Interessant ist, dass der 130er offenbar auch als Rechtslenker für den Export gebaut wurde. Dafür spricht jedenfalls das folgende Video eines Exemplars, das in Indien (!) überlebt hat.

© Videoquelle: Youtube; Urheberrecht: Prithvi Tagore

Einen Bildbericht über das konzeptionell ähnliche, aber leistungsstärkere Nachfolgermodell 170H gibt es hier.

Weitere Entdeckungen vor dem Friedberger Burgtor gibt es übrigens hier und hier.

Stromlinien-Skoda von 1935 wiederbelebt

Dem Serienerfolg von Tatra und Volkswagen mit Heckmotor und Stromlinie gingen viele ähnliche Versuche voraus. In den 1920er Jahren scheiterten die Modelle von Claveau in Frankreich und Burney in England. Auch der 1933 in den USA präsentierte Briggs kam über das Prototypenstadium nicht hinaus.

Die Aufzählung wäre nicht vollständig ohne den Skoda 935, der 1935 vorgestellt wurde und das Zeug zur Serienproduktion gehabt hätte. Vor allem in der Seiten- und Heckansicht ähnelt der Wagen dem ein Jahr zuvor erstmals gebauten Tatra 77. Bilder des Skoda 935 aus mehreren Richtungen gibt es hier zu sehen. Nachfolgend ein zeitgenössisches Foto:

© Skoda 935, Foto aus Sammlung Vaclav Petrik, Reproduktion: Archiv-Verlag

Skoda beschritt beim Typ 935 formal wie technisch eigene Wege. Äußerlich fällt der Kühlergrill an der Front auf, der einen konventionell montierten Motor dahinter vermuten lässt. Gleichzeitig weisen die in die Kotflügel integrierten Scheinwerfer weit in die Zukunft voraus. In der Frontpartie zeichnet sich bereits die Pontonform der Nachkriegszeit ab.

Technisch unterscheidet den Skoda 935 einiges von seinen zeitgenössischen Verwandten. Der Motor liegt zwar im Heck, aber zwecks besserer Gewichtsverteilung vor der Hinterachse. Zudem verfügt der Skoda nicht über 8, sondern nur 4 Zylinder, in Boxeranordnung. Vom Volkswagen wiederum hebt sich das Aggregat durch Wasserkühlung ab.

Dank Mischbauweise mit Stahl und Aluminium wog der sechssitzige Skoda 935 nur rund 1200 kg. Dies und die gute Aerodynamik erlaubten für die damalige Zeit hervorragende Fahrleistungen. Die 55 PS aus 2 Litern Hubraum erlaubten eine Spitzengeschwindigkeit von 140 km/h.

Ungeachtet der durchdachten Konstruktion blieb es bei dem Prototypen – die Gründe dafür sind nicht bekannt. Erstaunlich ist, dass dieses eine Exemplar noch existiert. Die Firma Skoda hat es vom einstigen Besitzer zurückgekauft und wieder in den Ursprungszustand versetzt.

2015 wurde das eindrucksvolle Fahrzeug bei den Schloss Bensberg Classics nach 80 Jahren erneut der Öffentlichkeit vorgestellt.

Stromlinie & Heckantrieb: Briggs-Prototyp von 1933

Seit den 1920er Jahren lag das Konzept des Heckmotorautos mit Stromlinienkarosserie in der Luft. Entwürfe gab es etliche, doch der Weg zur Serienproduktion war lang. Vom 1928 in England vorgestellten Burney Streamline wurden nur wenige Exemplare gefertigt. Und der 1931 von GM-Gestalter John Tjaarda in den USA entworfene Wagen nahm zwar den späteren Tatra 77/87 formal vorweg, existierte aber nur in Zeichnungen.

John Tjaardas Ideen sollten aber bald auch praktische Ergebnisse zeitigen. 1932 wechselte er zum Karosseriebauer Briggs in Detroit, der von den US-Großserienherstellern als Partner geschätzt wurde. Dort entwickelte Tjaarda seinen ersten Entwurf weiter, sodass dieser patentiert werden konnte. Hier eine Abbildung aus der Patentanmeldung von Januar 1933.

© Bildquelle: http://theoldmotor.com; Urheberrecht: John Tjaarda

Der Entwurf weist weiterhin Ähnlichkeiten mit dem späteren Tatra-Modell auf, vor allem in der Seitenansicht. Jedoch ist nun vor allem die Front plastischer durchgeformt.

Als Ford bei Briggs einen Karosserientwurf für die Konzernmarke Lincoln in Auftrag gab, wurde obige Zeichnung als Grundlage für einen Prototypen mit luftgekühltem Ford-V8-Heckmotor verwendet, der 1933 als „Briggs Dream Car“ vorgestellt wurde. Hier eine Aufnahme des Wagens (Ausschnitt des Originalfotos):

© Pressefoto Briggs Prototyp 1933; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser Basis entwickelte Briggs den bestellten Lincoln-Prototypen. Dieser musste zwar auf Wunsch von Ford auf Frontmotor umgerüstet werden, was Abweichungen von Tjaardas ursprünglichen Entwürfen erforderte.

Teile des selbsttragenden Karosseriegerüsts und die Proportion der Fahrgastzelle wurden aber beim ab 1936 gebauten Lincoln Zephyr beibehalten. Selbst Details wie der Übergang der Scheinwerfer zu den Kotflügeln tragen hier noch Tjaardas Handschrift.

© Pressefoto Lincoln Zephyr, 1936; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Übrigens sollte die bei Ford noch stärker herausgearbeitete spitz zulaufende Kühlerfront selbst wieder stilprägend werden. Viele Autos der späten 1930er Jahre übernahmen dieses markante Detail, sogar der brave Fiat 1100, der ab 1939 bis in die späten 1940er Jahre in der unten abgebildeten Form gebaut wurde.

© Originalfoto Fiat 1100 in Rom (Stazione Termini) 1957; Sammlung Michael Schlenger

Ein Vorläufer des Tatra 77/87 aus den USA (1931)

Der tschechischen Firma Tatra kommt das Verdienst zu, als erste Serienfahrzeuge mit Stromlinienkarosserie und Heckmotor gebaut zu haben (Tatra 77 ab 1934). Doch wurde schon Ende der 1920er Jahre mit dem Burney Streamline in England ein erster Versuch unternommen, das Konzept serientauglich zu machen.

Nur wenigen Spezialisten dürfte bekannt sein, dass es neben dem gescheiterten Burney in den USA einen Entwurf von John Tjaarda gab, der den Erfolgsmodellen von Tatra vorausging und diesen zumindest formal sehr nahekam.

Der aus den Niederlanden eingewanderte Tjaarda arbeitete nach Anstellungen bei diversen US-Karosseriebauern ab 1930 im Designbüro von General Motors (GM). Dort entwarf er einen Stromlinienwagen mit V8-Motor im Heck, dem der später von Tatra realisierte Wagen verblüffend ähnelte.

GM hat das von Tjaarda vorgeschlagene Fahrzeug zwar nicht in die engere Wahl gezogen, es gab nicht einmal einen Prototyp. Doch existieren Abbildungen, die den visionären Entwurf von Tjaarda zeigen. Hier eine Darstellung des Wagens aus der Zeitschrift „Modern Mechanics and Inventions“, Ausgabe Juli 1931:

© Bildquelle: http://blog.modernmechanix.com; Urheberrecht: „Modern Mechanics and Inventions“

Die Proportionen, Frontpartie, Seitenlinie und Rückenfinne finden sich in sehr ähnlicher Form beim drei Jahre später vorgestellten Tatra 77 wieder. Nur die hinteren Radkästen unterscheiden sich deutlich.

Wer nun im Tatra 77 bzw. 87 ein Plagiat vermutet, liegt ebenso schief wie die Verfechter der These, das Entwicklungsbüro Porsche habe bei der Entwicklung des Volkswagens lediglich bei Tatra oder Josef Ganz abgekupfert.

Vielmehr lag das von Tatra und Volkswagen serientauglich gemachte Konzept in den 1930er Jahren schlichtweg in der Luft. Wie bei vielen Erfindungen befruchteten sich die Entwickler wechselseitig oder kamen unabhängig zu ähnlichen Ergebnissen.

Die Stromlinienentwürfe von Tjaarda senior sollten auch in den USA noch Folgen haben. Übrigens war John Tjaarda der Vater des Autodesigners Tom Tjaarda, der so unterschiedliche Fahrzeuge wie den DeTomaso Panthera und den ersten Ford Fiesta zeichnete.

Tatra 77: Wegbereiter der Stromlinie im Serienbau

Anfang der 1930er Jahre lag die Senkung des Luftwiderstands durch Stromlinienkarosserien im Automobilbau in der Luft.

Einen wenig bekannten Versuch hatte bereits 1928 die britische Firma Streamlined Cars Ltd. mit dem Burney Streamline unternommen. Mit aerodynamischer Form und Heckmotor nahm er das später von Tatra und Volkswagen umgesetzte Konzept vorweg. Es kam allerdings zu keiner Serienfertigung. Ähnliches gilt für den Entwurf von John Tjaarda von 1931.

Erst der tschechischen Firma Tatra gelang ab 1934 der Bau eines Stromlinienwagens in größerer Stückzahl. Dabei griff Tatra auf die Patente von Paul Jarays Stromlinien-Karosserie-Gesellschaft zurück.

Neben der markanten Form war der Antrieb durch einen luftgekühlten 8-Zylinder-Motor im Heck charakteristisch für das Modell von Tatra, wenngleich das Konzept nicht neu war.

Die als Tatra 87 bekannte Ausführung wurde bis 1950 mehr als 3.000mal gebaut, etliche Exemplare existieren noch. Der folgende Film präsentiert das Fahrzeug eines niederländischen Sammlers, wobei „Die Moldau“ des tschechischen Komponisten Smetana als passende Untermalung dient.

© Videoquelle: YouTube; Urheberrecht: Peter van de Waard

Weit seltener zu sehen bekommt man dagegen die von 1934 bis 1938 nur rund 250mal gebaute Vorgängerversion Tatra 77. Diese ursprüngliche Ausführung verfügte noch nicht über eine selbsttragende Karosserie, wog erheblich mehr und war schwieriger zu fahren als das spätere Erfolgsmodell.

Formal wies der Tatra 77 einige Besonderheiten auf, etwa bei der Gestaltung der Frontpartie. Die längere Karosserie lässt den Wagen noch eindrucksvoller erscheinen. Mit seiner fließenden Form löste der Tatra größere Begeisterung aus als der zeitgleich vorgestellte, doch plumpere Chrysler Airflow.

Ein rarer unrestaurierter Tatra 77 war 2015 in der Düsseldorfer Classic Remise zu bestaunen. Die folgende Fotostrecke erlaubt einen Rundgang um das Fahrzeug, das hoffentlich eines Tages wieder in seiner vollen Pracht zu bewundern sein wird.

Tatra 77 Restaurierungsobjekt; Bildrechte: Michael Schlenger

Ein Konkurrent für Tatra 77 und 87 hätte übrigens der 1935 vorgestellte Skoda 935 werden können. Doch trotz überzeugender Konstruktion kam er über das Prototypenstadium nicht hinaus.

Louwman Museum: Mobile Raritäten (Vorkrieg)

Wenn es um hochkarätige Raritäten aus der Automobilgeschichte – speziell der Vorkriegszeit – geht, dürfte kaum eine Sammlung in Deutschland das Niveau des Louwman Museum im niederländischen Den Haag erreichen.

Die Familie Louwman sammelt bereits seit den 1930er Jahren historische Automobile von Rang und konnte sich so zahlreiche einzigartige Vertreter der automobilen Frühzeit sichern. Von den insgesamt 250 Exponaten stammen alleine über 100 aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Beispiel für die Qualität der gezeigten Wagen aus dieser Zeit ist ein Spyker 60HP von 1903, der als erstes Automobil über einen Sechszylinder-Motor, Allradantrieb und Bremsen an allen vier Rädern verfügte.

Nicht weniger bedeutend ist ein herrlicher Woods Dual Power von 1917, der 80 Jahre vor dem Toyota Prius bereits mit Hybridantrieb fuhr. Apropos Toyota: Ein weiteres einzigartiges Fahrzeug aus dem Louwman Museum ist der letzte noch existierende Toyota AA, der das erste Modell der japanischen Firma war.

Interessant an diesem Wagen ist nicht nur die Geschichte seiner Wiederentdeckung, sondern auch die Tatsache, dass Toyota damit 1936 die Linien des Chrysler Airflow aufnahm. Hier eine Original-Reklame von 1934:

© Chrysler Airflow-Originalreklame von 1934; Sammlung Michael Schlenger

Es ist nur konsequent, dass es im Louwman Museum auch ein Exemplar des wirtschaftlich erfolglosen, doch stilistisch einflussreichen Chrysler zu sehen gibt. Übrigens eine der seltenen Gelegenheiten, dieses Fahrzeug in Europa in Augenschein zu nehmen…

Britisches Stromlinienauto der 1930er Jahre

Das Konzept eines Wagens mit Stromlinienkarosserie und Heckmotor wurde in den 1930er Jahren von vielen Herstellern verfolgt. Bereits vor den legendären Tatras und dem Volkswagen gab es auch in anderen Ländern entsprechende Versuche.

Wenig bekannt ist der britische Burney Streamline, der zwischen 1929 und 1934 in wenigen Exemplaren gebaut wurde. Entwickelt wurde er nach Maßgabe von Sir Charles D. Burney, der zuvor bereits die treibende Kraft hinter dem zeppelinartigen Luftschiff R-100 gewesen war.

Formal wies der Burney Ähnlichkeiten mit dem Rumpler-Tropfenwagen aus den 1920er Jahren und dem deutlich jüngeren Tatra 77 auf. Zwecks besserer Aerodynamik besaß der Burney eine glatte Front mit integrierten Scheinwerfer und einen glatten Unterboden. Hier einige Bilder des Wagens aus „Popular Science Monthly“, Ausgabe Dezember 1930:

© Bildquelle: http://blog.modernmechanix.com; Urheberrecht: Popular Science Monthly

Das Fahrzeug verfügte über Einzelradaufhängunghydraulische Bremsen und einen wassergekühlten Reihenmotor (6- bzw. 8-Zylinder). Zugeliefert wurden die Aggregate anfänglich vom Londoner Luxuswagenhersteller Beverley, später von Armstrong-Siddeley.

© Bildquelle: http://www.velocetoday.com; Urheberrecht: Streamlined Cars Ltd.

Die Anordnung des schweren Motors hinter der Hinterachse erwies sich als ungünstig für das Fahrverhalten. Zudem war die Spur hinten schmaler als vorne. Gleichwohl loben zeitgenössische Berichte den guten Federkomfort sowie das geringe Geräuschniveau im Innenraum.

Im nachfolgenden Film sind zwei Burney Streamline im dichten Londoner Straßenverkehr zu sehen. Später werden Details der Konstruktion näher vorgestellt (originale Archivaufnahmen).

© Videoquelle: YouTube; Urheberrecht: British Pathé

Die Pläne von Burney für eine Lizenzfertigung bei Herstellern in England und in den USA scheiterten, obwohl sich sogar Rolls-Royce zeitweilig für das Konzept interessierte.

Die Patente wurden vom britischen PKW-Fabrikanten Crossley übernommen, der bis 1934 etwa zwei Dutzend dieser Wagen mit eigenen Motoren und konventioneller Frontpartie produzierte (Bericht).

Die Firma des Erfinders Charles D. Burney – Streamlined Cars Ltd. – schloss 1936 ihre Tore.