Der Name Porsche steht bei Oldtimer-Freunden heute fast ausschließlich für den Volkswagen sowie dessen luftgekühlte Verwandte Porsche 356 und 911.
Das enorm vielseitige Werk von Ferdinand Porsche und seinem Ingenieurbüro im frühen 20. Jahrhundert ist darüber weitgehend in Vergessenheit geraten.
Auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos ist das anders: Hier sind sie noch lebendig, die fabelhaften Schöpfungen aus Porsches Anfangsjahren – seien es die spektakulären Entwicklungen für Mercedes oder für Austro-Daimler.
1906 trat Porsche – der sich zuvor einen Namen mit Elektroautos gemacht hatte – als technischer Leiter in die Österreichische Daimler-Motoren-Gesellschaft in Wien ein.
Dort konstruierte er seinen ersten mit Benzinmotor ausgerüsteten Wagen – das Elektroauto mit seinen bis heute fortbestehenden Nachteilen war für ihn nach einer Phase des Experimentierens mit benzin-elektrischem Antrieb erledigt.
Nach Erfolgen bei der Prinz-Heinrich-Fahrt 1910, der Alpenfahrt 1911 und 1912 glänzten Porsche-Konstruktionen auch bei österreichischen Flug- und Luftschiffmotoren.
Der besondere Rang der damaligen Kreationen von Austro-Daimler wird in dieser expressiven Reklame von Januar 1914 deutlich:
![Austro-Daimler_Reklame_01-1914_Galerie](https://i0.wp.com/vorkriegs-klassiker-rundschau.blog/wp-content/uploads/2018/04/austro-daimler_reklame_01-1914_galerie.jpg?resize=584%2C815&ssl=1)
Nach dem 1. Weltkrieg bewies Porsche erneut seine Vielseitigkeit mit der Konstruktion des leichten „Sascha“-Rennwagens 5/15 PS, der 1922 bei der berüchtigten Targa Florio auf Sizilien in der 1100 ccm-Klasse siegte.
Eigentlich wären das genug der Lorbeeren für das Schaffen von Ferdinand Porsche bei Austro-Daimler. Doch vor seinem Weggang 1923 konstruierte er einen Sechszylinderwagen, von dem die Marke noch lange zehren sollte.
Einen Abkömmling dieser feinen Konstruktion – den Austro Daimler Typ ADM – haben wir hier bereits anhand reizvoller Fotos dokumentiert.
Heute können wir nun erstmals den Vorläufer zeigen – den 1920 vorgestellten Austro-Daimler AD 6-17:
Bereits die Kombination aus Stahlspeichenrädern, Spitzkühler und mit markanten Knöpfen versehenen Werkzeugkästen im Schweller lässt den Kenner an einen Wagen der österreichischen Premiummarke denken.
Die schiere Größe des Wagens und vor allem die lange Motorhaube sprechen gegen eines der Vorkriegsmodelle mit vier Zylindern, die man unter der Bezeichnung 6/25 bzw. 15/35 PS bis 1922 weiterbaute.
Nein, hier haben wir es mit einem mächtigen Sechszylinder zu tun, für die Porsche ein 4,4 Liter-Aggregat mit Ventilsteuerung über obenliegende Nockenwelle konstruierte.
Die für ein damaliges Serienautomobil beachtliche Spitzenleistung von 60 PS genügte, um den an die 2 Tonnen schweren Wagen auf 100 km/h zu beschleunigen.
Bei den damaligen Straßen war das ein theoretischer Wert – was dagegen zählte, war das Leistungsvermögen auf bergigen Strecken, nicht gerade eine Seltenheit in Österreich.
Doch was macht uns so sicher, dass wir es mit einem Austro-Daimler AD 6-17 zu tun haben? Wie so oft sagt die Frontpartie alles:
Das markante Emblem von Austro-Daimler auf der Kühlermaske ist zwar nicht lesbar, doch den Umrissen nach klar zu erkennen.
Die ungewöhnliche Form des Spitzkühlers mit nach oben ansteigender Seitenlinie ist ebenfalls markentypisch. Die spitz zulaufenden Vorderschutzbleche und die Stahlspeichenräder „passen“ auch.
Könnte das aber nicht ebenso ein Wagen des Nachfolgetyps ADV von 1923 sein? Nun, dagegen spricht das Fehlen von Vorderradbremsen, die beim ADV wie bei den meisten Wagen zur Mitte der 1920er Jahre Standard wurden.
Eine Fahrt auf abschüssiger Strecke im Austro-Daimler AD 6-17 wollte mit auf Antriebswelle und Hinterräder wirkender Bremse wohlkalkuliert sein. Doch ein Amateur-Radrennfahrer riskiert heute in Schussfahrt bei 60-80 Sachen eher mehr.
Zudem besteht ein Unterschied zwischen beherztem Sporteinsatz und einem gepflegten Familienausflug mit sechs bis acht Personen im offenen Tourenwagen.
Bei der damaligen Fahrzeugdichte war man auch bei gemächlichem Tempo kein Verkehrshindernis und Mutter oder Schwiegermutter mussten nicht um den Verlust des Hutes oder der Contenance bangen:
Die Familienverhältnisse der Insassen dieses Austro-Daimler AD 6-17 kennen wir nicht.
Haben wir es mit Eltern und Kindern zu tun, wobei der älteste Sohn am Steuer sitzt? Der Fahrer und der Junge im Matrosenanzug auf der Sitzbank dahinter dürften jedenfalls Geschwister sein – doch wie sieht es mit der übrigen Besatzung aus?
Eine schlüssige Erklärung durch einen Leser wäre hochwillkommen.
Bis dahin freuen wir uns einfach an dem prachtvollen Wagen, der Anfang der 1920er Jahre nicht nur für 99 % der Bevölkerung unerreichbar, sondern unter den wenigen Automobilisten zugleich ein Ausweis hervorragenden Geschmacks war.
Eine Porsche-Konstruktion war damals eine veritable Rarität, kein Massenprodukt…