Abkühlung gefällig? DKW F5 Front Luxus Roadster

Wem steht derzeit – Ende Juli 2019 – nicht der Sinn nach Abkühlung? Und sei es nur von der medial hysterisch begleiteten dreitägigen „Hitzewelle“ hierzulande, um die man in – sagen wir – Irland, Italien oder Israel kein Aufhebens gemacht hat.

Die deutsche Mentalität neigt dem historischen Befund nach zu leichter Erregbarkeit gekoppelt mit mangelnder Skepsis gegenüber „Autoritäten“ mit eigener Agenda. Und dort stehen aktuell  – neben einem bizarren Graben um den Reichstag – weitere Abgabenerhöhungen unter dem Deckmantel des „Klimaschutzes“ ganz oben.

Im Vergleich zu unseren Nachbarn fällt es den Deutschen wohl wieder einmal schwer, angesichts der von regierungsnahen Medien erzeugten hitzigen Stimmung kühlen Kopf zu bewahren.

Mein heutiger Blog-Eintrag mag vor diesem Hintergrund willkommene Abwechslung bringen, oder vielleicht am Ende doch nicht?

Jedenfalls geht es zurück in die 1930er Jahre, als Deutschland begünstigt durch die Untertanenmentalität vieler Landsleute in eine Katastrophe abzugleiten begann, gegen die die Aussicht auf – vielleicht – wärmere und trockenere Sommer nichts ist.

Man sieht es vielen Fotodokumenten jener Zeit oft gar nicht oder erst auf den zweiten Blick an, was sich da im Hintergrund für ein tödlicher Mix aus Staatsgläubigkeit und Effizienzbesessenheit zusammenbraute.

Harmlos und friedlich wirkt hier die Stimmung irgendwo im süddeutschen Raum, wo jemand einen raren DKW F5 Front Luxus Roadster (links) neben einer braven DKW F2 Cabriolimousine (rechts) ablichtete:

DKW_F5_Front_luxus_Roadster_und F2_Zweisitzer_Galerie

DKW F5 Front Luxus Roadster und DKW F2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vor ziemlich genau zwei Jahren – im Juli 2017 – habe ich dieses wohl begehrteste Modell auf Basis des populären Fronttrieblers DKW F5 ausführlich vorgestellt (hier).

Daher will ich heute auf die Details gar nicht eingehen – nur eines sei festgehalten: Die Roadster-Ausführung auf Basis des bloß 20 PS leistenden Zweitakters war so ziemlich das Unvernünftigste, was man in dieser Klasse damals kaufen konnte.

Hier ging es nicht um Sportlichkeit in objektiver Hinsicht, sondern um die schöne Form – und die lieferten mit gewohnter Zuverlässigkeit die Gestalter von Horch in Zwickau, wo dieser DKW-Roadster im Rahmen des damaligen Auto-Union-Verbunds entstand.

Doch bei aller Sehnsucht nach vollendeten Linien wollte zumindest ein heroisch veranlagter Roadster-Käufer auch wissen, wie weit man mit so einem Gefährt kommt, wenn man es darauf anlegt.

Das Ergebnis zeigt dieses schöne Foto, das ich heute vorstellen möchte:

DKW F5 Front Luxus Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wo genau dieses prachtvolle Privatfoto entstand, ist mir nicht bekannt. Ich gehe aber davon aus, dass es irgendwo in den Alpen im Sommer knapp unterhalb der Baumgrenze aufgenommen wurde.

Auf jeden Fall hat der nur 0,7 Liter messende Zweizylinder des Wagens hier sein Durchhaltevermögen unter Beweis gestellt. Mit 20 PS würde sich heute kaum ein Motorradfahrer auf die Paßstraßen im Alpenraum trauen.

Doch wenn die 2-zylindrigen Zweitakter von DKW etwas waren, dann gnadenlos robust und zuverlässig. Und so konnte man sich einst – ausgestattet mit Geduld und Zuversicht – auch mit Minimalmotorisierung auf den Gipfel hocharbeiten.

Oben angekommen machte man stolz das Foto, mit dem sich Freunde und Verwandte beeindrucken ließen – zwar nicht in Echtzeit wie heute – aber vielleicht schon ein paar Tage später mittels Fotopostkarte an die Daheimgebliebenen.

Und sieht er hier nicht hinreißend aus, der DKW F5 Front Luxus Roadster?

Sicher, nur einen Makel trägt er aus heutiger Sicht deutlich auf dem rechten Vorderkotflügel.

Das ist weder die damalige deutsche Landesfahne, die viele Autos ganz selbstverständlich trugen, auch kein Wimpel des staatlich erzwungenen Einheits-Automobilclubs DDAC, sondern wahrscheinlich ein Stander des paramilitärischen Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK).

So wohltuend zunächst die Abkühlung ist, die sich bei Betrachtung dieses Fotos auf alpiner Höhe einstellt, so sehr wird einem die Stimmung durch dieses Detail vergällt.

Die Besitzer dieses Wagens mögen sogar honorig gewesen sein – auch viele deutsche Rennfahrer waren mehr oder minder freiwillig NSKK-Mitglieder – doch unter dem Hakenkreuzadler ist den Deutschen und ihren Nachbarvölkern zuviel Leid geschehen, als dass man darüber hinweggehen könnte.

Und so bleibt bei aller willkommenen Abkühlung, die diese Aufnahme mit sich bringt, ein ungutes Gefühl, wenn man neuerdings immer öfter davon hört, dass Regierungspolitiker und ihnen nahestehende Medien immer öfter verlangen „Flagge und Haltung“ zu zeigen…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Macht mächtig Eindruck: DKW Sonderklasse 1001

Mit der sächsischen Marke DKW verbinden Freunde von Vorkriegsfahrzeugen in erster Linie die einst weltweit führenden Motorräder und die Frontantriebswagen, die mit ihrem Zweizylindermotor ebenfalls Zweitaktcharme versprühten.

Meist übersehen werden die seltenen Heckantriebsmodelle mit 4-Zylinderaggregat, mit denen DKW ab Frühjahr 1930 erwachsen wirkende Automobile anbot.

Hier einige bereits vorgestellte Fotos dieser als DKW 4=8 800 bzw. 1000 firmierenden Gefährte aus meiner Sammlung sowie von Lesern meines Blogs (Rolf Ackermann und Volker Wissemann):

Diese trotz Holzkarosserie recht solide wirkenden Vierzylinder-DKWs mit 22 bzw. 25 PS (der Leistungsklasse des späteren Volkswagens) erhielten 1933 einen Nachfolger, der bei kaum veränderter Technik beinahe mondän wirkte – die DKW „Sonderklasse“.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser an diese schöne Aufnahme eines DKW Sonderklasse 1001 mit Zulassung im Raum Berlin:

DKW Sonderklasse 1001; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein ausführliches Porträt einschließlich Würdigung der Passagiere findet sich hier. Da von diesen äußerlich attraktiven, wenngleich nicht billigen Wagen bis 1935 nur etwas mehr als 6.000 Exemplare entstanden, sind Fotos davon eher selten.

Heute habe ich das Vergnügen, gleich zwei „neue“ Aufnahmen dieses raren Vierzylindertyps von DKW präsentieren zu können, die ihren ganz eigenen Reiz haben.

Dabei erwies sich Foto Nr. 1 – aus der Sammlung von Klaas Dierks – zunächst als schwieriger Fall:

DKW Sonderklasse 1001; Ausschnitt eines Originalfotos aus Sammlung Klaas Dierks

Die lackierten Drahtspeichenräder und der üppige Einsatz von Chrom – nicht nur an Scheinwerfer und Stoßstangen, sondern auch an der Ersatzradeinfassung – lassen zusammen mit dem stilsicher geschnittenen Aufbau mindestens an einen Wagen der gehobenen Mittelklasse denken.

Dass wir nur einen DKW mit 1-Liter-Zweitaktmotor und selbsttragender Holzkarosserie (kein Witz) vor uns haben, mag man kaum glauben.

Erst der Wimpel mit dem typischen DKW-Emblem auf dem Kühlerverschlussdeckel brachte mich auf die richtige Spur. Überhaupt fällt auf, wie gut es DKW gelang, seine technisch eher simplen Autos nicht wie ordinäre Kleinwagen wirken zu lassen.

Den Vogel ab schießt in dieser Hinsicht das folgende bisher unpublizierte Dokument, das ebenfalls einen DKW Sonderklasse 1001 zeigt:

DKW Sonderklasse 1001; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese hervorragende Aufnahme aus meiner Sammlung mit ihrer kühnen Perspektive, perfekten Belichtung und gekonnt gelegten Schärfentiefe ist ein Beispiel für Privatfotos, die mit Werksaufnahmen mithalten können oder diese sogar übertreffen.

Der Aufbau entspricht vollkommen der ab Werk lieferbaren zweitürigen Cabrio-Limousine. Die feinen Drahtspeichenräder waren zwar aufpreispflichtig, doch findet man sie auf den meisten mir bekannten Fotos dieses Typs. Sie tragen auch einiges zur eleganten Wirkung des Wagens bei.

Gut zu erkennen ist die unterschiedliche Reflektion des Lacks auf den (stählernen) Schutzblechen und dem (kunstlederbespannten) Seitenteil der Karosserie.

Bei den kleineren 2-Zylinder-Zweitaktern mit Frontantrieb, die DKW parallel dazu ab 1931 anbot, ist derselbe Effekt zu beobachten. Von diesen Wagen haben weit mehr überlebt, da sie bei vergleichbarer Konstruktion weit öfter gebaut wurden.

Ob der hier gezeigte DKW Sonderklasse 1001 mit Berliner Zulassung überlebt hat, darf bezweifelt werden. „Von den Russen geklaut“ steht auf dem Originalabzug handschriftlich vermerkt.

Demnach werden Besatzungssoldaten der Roten Armee in der quasi rechtsfreien Übergangszeit nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht ihn sich angeeignet haben und vermutlich wenig auf die speziellen Kraftstoffbedürfnisse des Zweitaktmotors geachtet haben.

Mangels Ölbeimischung könnte ein Kolbenfresser beim nächsten Auftanken das Ende des Wagens bedeutet haben. Vielleicht kannte sich aber auch jemand „beim Iwan“ aus damit – die russische Armee war ja mit den DKW-Zweitaktmotorrädern der Typen NZ und RT in Wehrmachtsdiensten vertraut.

So oder so haben nur ganz wenige dieser gefälligen Vierzylinder-DKWs mit Heckantrieb die Zeiten überdauert. Mir selbst ist noch niemals einer in natura begegnet – weiß jemand, wo noch einer steht (oder noch besser: fährt)?

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Klein, aber oho! Ein DKW Front F1 Roadster

Zu  den bestdokumentierten deutschen Vorkriegswagen in meinem Blog gehören inzwischen sicher die Automobile von DKW.

Daher fällt es auf den ersten Blick schwer, den volkstümlichen Wagen aus Zwickau neue Facetten abzugewinnen – doch es geht, und das überraschend gut.

Dem Ziel – dem DKW Front F1 Roadster – nähere ich mich auf einem reizvollen Umweg, der die wichtigsten Karosserieversionen des ab 1931 gebauten ersten Frontantriebsmodells von DKW anhand historischer Originalfotos streift.

Heutzutage findet man – wenn überhaupt – nur noch offene zweisitzige DKW F1, bestenfalls mit Notsitz im Heck. Doch stellte DKW auf Drängen der Kundschaft eine Weile nach Produktionsbeginn auch familientaugliche Viersitzer her.

Leser Marcus Bengsch verdanke ich diese schöne Aufnahme einer viersitzigen Cabrio-Limousine mit verlängertem Fahrgestell und stärkeren Bremsen:

DKW Front F1 Cabriolimousine 4-sitzig; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Hier sehen wir gerade noch das Hauptmerkmal des ersten DKW-Frontantriebswagens: das schrägstehende Blech unterhalb des Kühlergrills, das das Differential der Vorderachse verdeckt.

Die übrigen Details wie die schrägstehenden kurzen Luftschlitze in der Motorhaube, die unprofilierten Scheibenräder  und der Schwung der Vorderschutzbleche finden sich nahezu identisch noch beim ab 1932 gebauten Nachfolger DKW F2.

Kaum bekannt ist, dass es neben den mit Kunstleder bespannten Holzkarosserien auch Ganzstahlausführungen gab. So liefert das Presswerk Ambi-Budd in Berlin rund 200 entsprechender Limousinenaufbauten für den DKW F1.

Mit einer weiteren Version in Blech wird der geduldige Leser am Ende dieses Ausflugs belohnt…

Der weit überwiegende Teil der 1931/32 in etwas mehr als 4.000 Exemplaren gebauten DKW F1-Wagen entfiel jedoch auf eine hübsche 2-sitzige Cabrio-Limousine (von den stets erfindungsreichen DKW-Werbern als Cabriolet vermarktet):

DKW F1 Cabriolet-Limousine 2-sitzig; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Diese ausgezeichnete Aufnahme hat Leser Volker Wissemann beigesteuert. Dass dieser Wagen tatsächlich ein DKW F1 und kein F2 war, ist an der kantigen Kontur des oberen Kühlerabschlusses zu erkennen (beim F2 fiel diese gerundeter aus).

Man sieht hier auch, warum die korrekte Bezeichnung für diese Art Aufbau „Cabrio-Limousine“ gewesen wäre: Ein echtes Cabriolet hätte keine massiven und feststehenden Türrahmen, sondern lediglich herunterkurbelbare Seitenfenster besessen.

Besonders attraktiv finde ich bei dieser Ausführung des DKW F1 die Ansicht von schräg hinten mit geschlossenem Verdeck. Leser Klaas Dierks konnte aus seinem Archiv eine solche Aufnahme hervorzaubern, die ihresgleichen sucht:

DKW F1 Cabrio-Limousine zweisitzig; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Hier sieht man nun auch die herausklappbare Notsitzbank im Heck (sog. Schwiegermuttersitz).

Die Ersatzradhülle mit den vier Auto Union-Ringen ist nachgerüstet, da  das Emblem erst im Frühjahr 1934 nach dem Zusammenschluss von Audi, DKW, Horch und Wanderer entstand.

Interessant ist die vom vorherigen Foto desselben Typs abweichende Position des Türgriffs (unterhalb statt oberhalb der Zierleiste). Vielleicht hat ein sachkundiger Leser eine Erklärung dafür (evtl. 2. Serie).

Weiter geht es auf unserer kleinen Reise durch die Vielfalt an reizvollen Aufbauten für den DKW-Fronttriebler mit seinem winzigen 2-Zylinder-Zweitakter und je nach Hubraum 15 bis 18 PS Leistung.

Geradezu wie ein Spielzeug wirkt dieser offene Zweisitzer, aber an diesem Eindruck trägt der große irische Wolfshund erheblichen Anteil:

DKW Front F1 Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man beachte hier den Zustand der Straßen, der außerhalb größerer Städte selten wesentlich besser war.

Dementsprechend waren diese Wagen außerhalb von Autohäusern und Concours-Veranstaltungen kaum in dem aseptischen Neuzustand anzutreffen, der von vielen heutigen Besitzern als „original“ angesehen wird.

Von daher hat eine Aufnahme wie die folgende Seltenheitswert, auf der ein weiterer offener Zweisitzer des Typs DKW Front F1 bei einer Landpartie zu sehen ist. Hier haben die Schmutzlappen am Ende der Vorderschutzbleche vorerst Schlimmeres verhindert:

DKW Front F1 Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein interessantes Detail ist das Steinschlagschutzgitter, das auch die Blechpartie unterhalb des Kühlers abdeckt. So wirkt die Frontpartie des kleinen DKW auf einmal wie die eines Sportwagens mit üppiger Motorisierung.

Auch die große verchromte Hupe kündet von dem Willen des Besitzers, seinem Wagen eine erwachsenere Anmutung zu verleihen, vielleicht des Guten etwas zuviel.

Die schrägstehende Scheibe und das offenbar ungefütterte Verdeck unterstützt den Eindruck, dass man einen rassigen Roadster vor sich hat.

Doch halt: ein roadstertypisches Element fehlt, der tiefe Türauschnitt, auf dem sich der Arm bequem ablegen lässt. Das ist etwas, das bei heutigen Autos fast unmöglich geworden ist – versuchen Sie’s mal bei Ihrer Alltagskutsche.

Doch am Ende findet sich auch ein offener DKW Front F1, der tatsächlich die Ansprache als Roadster verdient.

DKW Front F1 Roadster (Karosserie: Schneider & Korb); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses schon ziemlich mitgenommene Exemplar habe ich vor längerer Zeit schon einmal präsentiert. Damals hatte mich die Identifikation einige Zeit gekostet – doch am Ende war der Fall klar:

Das ist einer von nur knapp 170 gebauten Roadstern mit Blechaufbau der Karosseriefirma Schneider & Korb aus Bernsbach in Sachsen. Von diesem Hersteller stammte übrigens der Aufbau des Prototyps des DKW Front F1.

Dass der DKW F1 Roadster zum Zeitpunkt der Aufnahme in einem ungepflegten Hinterhof schon einiges hinter sich hatte, verraten nicht zuletzt die nachträglich montierten Speichenräder, die dem sonst so gelungenen Wagen gar nicht gut stehen.

Aber bei einer solchen Rarität muss nehmen, was man kriegen kann, und bis dato war dies das einzige Originalfoto eines DKW F1 Roadster mit Blechkarosserie, die mir ins Netz gegangen ist.

Vor ein paar Tagen gelang mir dann zufällig ein weiterer Fund, der dieser Rarität schon eher gerecht wird:

DKW Front F1 Roadster (Karosserie: Schneider&Korb); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Etwas getrübt wird der Eindruck zwar durch die krude montierte Stoßstange – doch attraktiv bleibt der Wagen aus dieser Perspektive zweifellos.

Für die junge Dame am Steuer passt der Türauschnitt perfekt, auch wenn sie kaum über das Lenkrad schauen kann und der Motor des Scheibenwischers ihr ebenfalls die Sicht versperren dürfte.

Hier ist nun auch das auf der Fahrerseite montierte Ersatzrad zu sehen, das hier zwar den schönen Schwung der Karosserie verdeckt, aber auf Seitenansichten durchaus zur sportlichen Wirkung dieses Roadsters beiträgt.

Warum der Radler partout mit auf’s Foto wollte, ist mir zwar schleierhaft, aber auch das macht letztlich solche Fotos lebendig und authentisch.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch dieser DKW Roadster das erwähnte Steinschlagschutzgitter trägt. Es scheint nicht serienmäßig gewesen zu sein, oder doch? Interessieren würde mich außerdem, was für ein Emblem darauf angebracht ist.

Einen Datierungshinweis gibt uns die Fahne am Stander – es handelt sich um die ab 1935 neu eingeführte deutsche Nationalflagge (kein Parteiabzeichen).

Das war nun ein Parforceritt durch gerade einmal zwei Jahre DKW-Automobilgeschichte. Doch bereits daran wird deutlich, warum die in Zschopau ansässige Firma mit Produktion in Zwickau und Spandau so großen Erfolg hatte:

Die frontgetriebenen DKWs waren die günstigsten am deutschen Markt verfügbaren Automobile und hatten zugleich nichts Improvisiertes an sich. Sie waren kompakt, aber nicht kurios, moderat motorisiert, aber durchaus sportlich wirkend.

Für Käufer, die zuvor allenfalls ein Motorrad oder auch nur ein Fahrrad besessen hatten, wurde mit den DKW Frontantriebswagen der Traum vom ersten eigenen Auto wahr, ohne dass man sich der Lächerlichkeit preisgab – Voraussetzung für einen großen Erfolg als volkstümliches Automobil, der bis in die Nachkriegszeit anhalten sollte…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Deutscher Sonderweg: DKW-Hecktriebler 1930-40

Weshalb die Volksmotorisierung im Deutschland der Vorkriegszeit nicht annähernd das Niveau der Nachbarländer wie Frankreich und England erreichte, darüber kann man trefflich und kontrovers diskutieren.

Eine Rolle spielten sicher die erdrosselnden Auflagen des Versailler „Vertrags“ sowie die Auswirkungen der Hyperinflation und schließlich der Weltwirtschaftskrise auf die Einkommens- und Vermögenssituation hierzulande.

Vor diesem Hintergrund war der Markt für volkstümliche Automobile strukturell bedingt deutlich kleiner als in den Siegerstaaten. Doch kommen aus meiner Sicht zwei weitere Faktoren hinzu:

Zum einen fällt bei Traditionsfirmen wie Adler, Opel oder auch Dixi auf, dass das Können ihrer Konstrukteure in den Zwischenkriegsjahren hinter den Stand ihrer Zeit zurückfiel.

Anders ist kaum zu erklären, dass alle drei angesichts der immer drängenderen Konkurrenz des Auslands in der zweiten Hälfte der 1900 zwanziger Jahre auf Kopien oder Lizenznachbauten gängiger amerikanischer, französischer oder englischer Modelle angewiesen waren, um Anschluss an die Tendenzen ihrer Zeit zu gewinnen.

Zum anderen gab es daneben zahlreiche Konstrukteure, die ihr Talent auf entlegene Lösungen verwendeten, um nicht zu sagen: verschwendeten. Oft verlegten sie sich auf Konzepte, die von vornherein nicht massenmarkttauglich waren, da sie

  • sich hinsichtlich Leistung, Geräuschentwicklung und Wetterschutz nicht genügend vom Motorrad abgegrenzten,
  • keinen ausreichenden Platz für eine Familie boten,
  • von der Konstruktion her nicht für eine Fließbandproduktion geeignet waren
  • im Alltag nicht akzeptable Zuverlässigkeitsmängel aufwiesen,
  • formal nicht den Kundenvorstellungen entsprachen und/oder
  • für den Durchschnittsbürger zu teuer waren.

Kurz: sie genügten den Anforderungen an ein überzeugendes Alltagsfahrzeug nicht.

Dabei sollten genau diese den Ausgangspunkt für eine marktorientierte Konstruktion darstellen und nicht etwa vermeintliche Probleme wie der Luftwiderstand, die in der damaligen Praxis nachrangig waren.

Sinnbildlich für solche marktfernen Ansätze steht der Tropfenwagen von Rumpler:

Dagegen gelang es speziell in den USA einst Dutzenden Herstellern, auf Grundlage nüchterner, am Bedarf, den eigenen Möglichkeiten und an der Konkurrenz orientierter Überlegungen auf Anhieb großserientaugliche Autos zu entwickeln.

Mir scheint, dass dieser pragmatische, berechnende Ansatz der deutschen Mentalität widerstrebt, die zu kompliziertem und idealistischem Denken neigt. Das führte zu entlegenen, kaum praxisgerechten Lösungen bzw. zu nicht endenden Kaskaden von Problemen, aus denen man nicht mehr herausfindet.

Ich spare mir naheliegende Anspielungen auf entsprechende Phänomene der Gegenwart und möchte die von 1930-40 gebauten Heckantriebsmodelle von DKW als weiteres Beispiel für irrationale deutsche Sonderwege anführen.

Die Geschichte beginnt 1930 mit dem bereits vorgestellten DKW 4=8 V800, im Unterschied zu den erfolgreichen 2-Zylinder Fronttrieblern der Marke ein Wagen, der Heckantrieb mit einem V-Vierzylinder-Zweitakter mit Ladepumpe vereinte.

Auf dem Papier war die Idee genial: Ein Vierzylinder in V-Anordnung bietet bei moderater Baulänge genug Platz für Ladepumpen, die als dritter Kolben in den beiden Zylinderbänken untergebracht waren.

Eine grafische Darstellung sowie eine nähere Erläuterung des Prinzips findet sich in meinem Blog-Eintrag zum ab 1930 gebauten Modell DKW V800.

Die Konstruktion barg in der Praxis etliche Tücken, die DKW in zehn Jahren Produktionsdauer nicht in den Griff bekam bzw. die zu einem immer komplexeren Aufbau führten, der die Vorteile des Zweitaktmotors ins Gegenteil verkehrte, nämlich: wenige bewegte Teile, einfache Ölversorgung und geringer Verbrauch

An den Aufbauten hat es dagegen nicht gelegen, dass nur rund 1.700 Exemplare des DKW V800 verkauft wurden, denn diese waren durchaus konventionell:

DKW 4=8 V800; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vom DKW-Erstling Typ P 15 PS (ab 1928) unterscheidet er sich insbesondere durch die senkrechten Luftschlitze. Ansonsten ist der Aufbau sehr ähnlich, dasselbe gilt für das Farbschema der Karosserie.

Die doppelte Stoßstange nach US-Vorbild war ein Extra, ebenso die Radkappen.

Ab 1931 entstand der etwas stärkere Nachfolger DKW V1000 mit 25 statt 22 PS. Er sah auf den ersten Blick fast genauso aus, trug aber auf dem Kühlergehäuse nun ein dreieckiges Emblem in den sächsischen Landesfarben Grün und Weiß.

Auf der folgenden Aufnahme, die wir Leser Volker Wissemann verdanken, sehen wir einen solchen DKW V1000:

DKW V1000; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Ein weiteres Exemplar der Cabrio-Limousine des DKW V1000 steuerte Leser Rolf Ackermann aus dem Familienalbum bei.

Hier sehen wir praktisch dasselbe Modell, aber ohne die aufpreispflichtigen Radkappen und mit kunstlederner Kühlermanschette für den Betrieb in der kalten Jahreszeit:

DKW V1000; Originalfoto aus  Familienbesitz von Rolf Ackermann

Beide Aufnahmen lassen gut erkennen, dass der heckgetriebene DKW V1000 ein erwachsenes, familientaugliches Fahrzeug darstellte und keine Verlegenheitslösung.

Nur der Ladepumpenmotor machte auch in der von 800 auf 1000 ccm vergrößerten Version jede Menge Probleme. Überliefert sind: Neigung zur Überhitzung,  und eine weiterhin nicht angemessene Benzinkonsum.

Die Literatur nennt Verbrauchswerte von bis zu 15 l auf 100 km, was in krassem Gegensatz zu den sparsamen Frontantrieblern von DKW, aber auch vergleichbaren Modellen anderer Hersteller wie Opel oder Hanomag stand.

Gewisse Fortschritte in dieser Hinsicht gelangen erst beim 1932 vorgestellten Nachfolger, der als DKW Sonderklasse firmierte.

Diese Bezeichnung hatte sich das völlig neu gestaltete Modell in formaler Hinsicht vollkommen verdient. Ein Exemplar davon habe ich hier bereits vor längerer Zeit Anhand dieser Aufnahme aus meiner Sammlung präsentiert:

DKW Sonderklasse Typ 1001; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die leicht geneigte Kühlerpartie, die großen Chromscheinwerfer, die nicht länger an amerikanischen Vorbildern orientierte einteilige, ebenfalls verchromte Stoßstange sowie die filigranen Drahtspeichenräder mit Chromradkappe lassen diesen Wagen nun deutlich höherwertiger erscheinen.

Unter dem Blech hatte sich auch einiges getan: Zum einen war das Federverhalten der Hinterachse war dank einer Neukonstruktion deutlich verbessert worden.

Zum anderen ermöglichte die Montage eines neuartigen Getriebes, dass der Motor im Schiebebetrieb (d. h. nach Wegnehmen des Gases) nur mehr mit Leerlaufdrehzahl lief. Dadurch ließ sich der übermäßige Kraftstoffverbrauch etwas reduzieren.

Weitere effizienzsteigernde Maßnahmen (wie die Verwendung der neuartigen Umkehrspülung) scheiterten dagegen trotz aufwendiger Versuche an dem eigenwilligen Konzept des Motors.

So hielt sich – nicht zuletzt aufgrund des relativ hohen Preises – auch der Erfolg des formal so ansprechenden DKW Sonderklasse in Grenzen. Von Anfang 1933 bis Frühjahr 1935 konnten lediglich etwas mehr als 6000 Exemplare abgesetzt werden.

Bevor wir uns dem wiederum äußerlich völlig anderen Nachfolgemodell zuwenden, sei hier noch ein Foto von Leser Klaas Dierks präsentiert, das ein Modell Sonderklasse aus der nur selten festgehaltenen Heckperspektive zeigt:

DKW Sonderklasse; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Ausgangspunkt der Identifikation war übrigens der Wimpel am Kühler des Wagens, auf dem schemenhaft das DKW-Emblem zu erahnen ist.

In Kombination mit den Drahtspeichenrädern und der markanten Gestaltung des Heckkoffers war die Ansprache des Typs dann eine Kleinigkeit.

Auf den klassisch-eleganten DKW „Sonderklasse“ folgte dann im Spätsommer 1934 das in formaler Hinsicht radikal neue Modell „Schwebeklasse.“:

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dieser Ausführung vermag auch die adrette Beifahrerin nicht darüber hinweg zu täuschen, dass der von der kurzlebigen Stromlinienmode beeinflusste Aufbau ziemlich verunglückt wirkt.

Abgesehen davon, dass der Versuch der Verringerung des Luftwiderstands bei einem damals im Alltag mit kaum mehr als 80 km/h bewegten Fahrzeug übertrieben anmutet, überzeugt auch die formale Ausführung kaum.

Die einzelnen Elemente der Frontpartie wirken aneinandergestückelt. Speziell das Nebeneinander der nach innen gewölbten Kühlermaske und der nach außen gewölbten Schutzbleche macht einen unharmonischen Eindruck.

Unter der Haube arbeitete grundsätzlich immer noch der Vierzylinder-2 Takt-Motor mit Ladepumpe, wenn auch nun auf bis zu 30 PS gesteigert.

Die Neigung des Aggregats zu häufigen Defekten, die insbesondere auf eine konstruktiv bedingte unzureichende Ölversorgung zurückzuführen war, bekam DKW aber weiterhin nicht in den Griff.

Dies sorgte nicht nur für Verdruss beim Kunden, sondern auch für hohe Garantie- und Kulanzkosten. Dementsprechend enttäuschend waren die Absatzzahlen auch dieser Variante des DKW-Heckantriebsmodells.

Knapp 7.000 Stück davon konnten mit Mühe über den Zeitraum von drei Jahren bis Frühjahr 1937 verkauft werden.

Wer glaubt, dass DKW aus dem Debakel der letzten sieben Jahre gelernt hätte und das Nachfolgemodell endlich mit einem unproblematischen Standardaggregat ausgestattet hätte, unterschätzt das teutonisch-sture Festhalten der Verantwortlichen an einem Sonderweg, der sich längst als Sackgasse erwiesen hatte.

Zwar konnte DKW ab 1937 endlich wieder ein formal sehr gelungenes neues Heckantriebsmodell vorstellen, das dann so aussah:

DKW Sonderklasse; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Auch diesen charmanten Schnappschuss verdanken wir Leser Klaas Dierks.

Die beiden Insassen freuen sich vermutlich weniger darüber, dass ihr DKW immer noch mit dem unsäglichen Vierzylinder-Ladepumpenmotor ausgestattet war, als vielmehr darüber, dass sie überhaupt über ein Fahrzeug verfügten.

Denn zum Zeitpunkt der Aufnahme tobte der Zweite Weltkrieg, wie die ab 1939 im Deutschen Reich vorgesehenen Tarnüberzüge auf den Frontscheinwerfern verraten. Hier sind sie sogar kombiniert mit einem Notek-Tarnscheinwerfer, wie er bei Militärfahrzeugen üblich war.

Das Auto befand sich aber eindeutig weiterhin in Privathand, wie die zivile Zweifarblackierung, die nicht lackierten Chromteile und das Fehlen einer militärischen Kennung auf den Vorderkotflügeln belegen.

Wer genau hinschaut, erkennt hinter der Frontscheibe auf der Beifahrerseite ein Schild mit der Aufschrift „Arzt“. Diese Berufsgruppe gehörte 1939 zu den wenigen, die ihre privaten Fahrzeuge behalten durften.

Wer kein solches unabweisbares Bedürfnis nachweisen konnte, musste seinen Pkw an die Wehrmacht abliefern und bekam ihn in der Regel nie wieder zu sehen.

Das Paar in dem hübschen DKW hatte also in doppelter Hinsicht Grund, sich glücklich zu schätzen. Denn der Herr Doktor wurde sicher in der Heimat dringender gebraucht, als an einer der zahllosen Fronten, an denen Millionen von deutschen Soldaten ab spätestens 1942/43 einen aussichtslosen Kampf führten.

Übrigens endete die Produktion des DKW Sonderklasse in der formalen sehr gelungenen Version wie auf dem Bild von Klaas Dierks erst 1940. Bis dahin hielt man an dem zehn Jahre alten und an sich gescheiterten Motorenkonzept fest.

Zwar hatte man die Zuverlässigkeit des Aggregat verbessert und unternahm nochmals Versuche, durch Abschaltung von zwei Zylindern im Freilauf den enormen Kraftstoffverbrauch des Motors zu reduzieren, dennoch kam es nochmals zu einer Häufung von Reklamationen, die vor allem den Antrieb betrafen.

Dass bis Produktionsende dennoch immerhin rund 10.000 Stück der letzten Ausbaustufe der DKW Sonderklasse einen Käufer fanden, dürfte der gelungenen und geräumigen Stahlkarosserie sowie dem modernen Fahrwerk mit vorderer Einzelradaufhängung zu verdanken gewesen sein.

Erst nach Kriegsende kam es bei überlebenden Fahrzeugen dieses Typs zu einem Sieg des gesunden Menschenverstands, und zwar bei den Besitzern selbst, so vielleicht auch bei diesem in der amerikanischen Besatzungszone Bayern zugelassenen Exemplar:

DKW Sonderklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Viele Nachkriegsbesitzer solcher DKW ersetzten nämlich den mängelbehafteten originalen Zweitakter mit Ladepumpe kurzerhand durch ein ordinäres Viertakt-Vierzylinderaggregat.

Kurioserweise hatte man im Auto-Union-Verbund bereits vor dem Krieg erwogen, die malade DKW Sonderklasse einfach mit dem kleinsten Viertaktmotor der Schwestermarke Wanderer auszustatten.

Davon sah man letztlich aus Gründen der Markenabgrenzung ab; diese Innenperspektive erschien wichtiger als das Interesse der Kunden.

Man glaubte tatsächlich, dass sich DKW-Kunden eher mit einem unzuverlässigen und unwirtschaftlichen Zweitaktmotor abfinden werden, als ein bewährtes Viertakt-Aggregat aus dem angesehenen Auto Union-Konzern zu akzeptieren.

So kam es, dass man über Jahre im wohl renommiertesten Auto-Verbund der Welt an einem gescheiterten Motorenkonzept festhielt, dass dem Kunden nur Nachteile und dem Hersteller unnötigen Entwicklungsaufwand und hohe Kulanzkosten bescherte.

Die Lösung der Nachkriegsbesitzer dieser Fahrzeuge zeigt, wie einfach der Ausweg an sich war. Dazu hätte aber bei den Verantwortlichen von DKW die nüchterne Einsicht gehört, dass man mit der Sonderklasse antriebstechnisch auf dem Holzweg war…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Einfach schön: Facetten des DKW Typ P 15 PS

So gern ich in meinem Blog für Vorkriegsautos die sinnliche Opulenz der Wagen der 1930er Jahre präsentiere, so gern kehre ich zur Einfachheit der 1920er Jahre zurück.

Zur Veranschaulichung des Kontrasts – und zugleich als Vorschau auf künftige Wonnen – erlaube ich mir an dieser Stelle, ein wenig verschwenderisch zu sein.

Denn vollkommener lassen sich die schwelgerischen und zugleich perfekt ausbalancierten Formen der 1930er Jahre kaum darstellen als auf folgender, noch nicht vorgestellten Aufnahme aus meiner Sammlung:

Steyr und Horch; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nach dieser herrlichen Privataufnahme aus den 1930er Jahren – keine Sorge: zu diesen Schätzchen kommen wir noch – wird es nun auf den ersten Blick prosaisch.

Verlassen wirdie Sphäre gut motorisierter und luxuriöser Oberklassewagen jener Zeit und begeben uns in die Ära bodenständiger Mobilität der späten 20er Jahre.

Tatsächlich konnte man damals am deutschen Markt kaum primitiver auf vier Rädern unterwegs sein als mit dem folgenden Gefährt:

DKW Typ P 15 PS Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gerade einmal 15 PS leistete dieser Wagen, mit dem Motorradspezialist DKW ab Sommer 1928 die ersten Schritte in Richtung Automobil wagte.

Mit seiner Sperrholzkarosserie und dem lärmenden 2-Zylinder-Zweitaktmotor mutet der DKW Typ P 15 PS aus heutiger Sicht von der Papierform her mitleiderregend an.

Und doch vermitteln Bilder wie dieses 1929 entstandene Foto noch nach 90 Jahren etwas vom Stolz der einstigen Besitzer und Passagiere. Für viele DKW-Fahrer war es das erste Automobil überhaupt, das sie sich leisten konnten.

Wie ungeheuer exklusiv einst selbst das war, lässt sich daran ermessen, dass vom DKW Typ P 15 PS keine 5.000 Stück entstanden. Dabei war es damals das billigste am deutschen Markt verfügbare Serienauto – noch vor Opel 4/16 PS und Hanomag 3/16 PS.

Übrigens handelt es sich bei obigem DKW um die Ausführung als Roadster mit einfachem, ungefütterten Verdeck und feststehender Windschutzscheibe. Zwei Passagiere fanden im Innenraum Platz, außerdem gab es einen Notsitz im Heck, der bei Regen allerdings nicht vom Verdeck übespannt wurde…

Vier Monate später –  im Oktober 1928 – legte DKW nach und bot den Typ P 15 PS als Cabriolet an. Zwar gab es innen weiterhin nur zwei Sitze, doch war das Verdeck nun gefüttert und schloss dank seitlicher Sturmstange besser.

Außerdem – und das erkennt man auf folgender Aufnahme – war die Frontscheibe beim Cabriolet zweiteilig. Der obere Teil ließ sich zwecks Belüftung nach vorne ausstellen:

DKW Typ P 15 PS, 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gut zu erkennen ist hier übrigens der Materialmix an der Oberfläche des DKW. Matt erscheinen die mit Kunstleder bespannten Partien der Holzkarosserie, während die Lackierung der stählernen Motorhaube das Licht anders reflektiert.

Hinter dem im Vergleich zum Roadster aufwendigeren Verdeck mit seitlicher Sturmstange sieht man den leicht geöffneten Notsitz, hier als Gepäckraum fungierend.

Bei geschlossenem oder ganz geöffneten Verdeck lag dieses flacher auf als auf obigem Foto, daher zum Vergleich eine weitere Aufnahme des 2-sitzigen Cabriolets, die wiederum etwas vom Glück erzählt, mit einem DKW unterwegs sein zu können.

DKW Typ P 15 PS, 2-sitziges Cabriolet; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Nebenbei ist das ein schönes Beispiel für den lässigen Umgang der einstigen Besitzer mit ihren motorisierten Schätzen – hübsch auch die nachgerüstete „Kühlerfigur“.

Wie der Roadster besaß das 2-sitzige Cabriolet des DKW Typ P 15 PS nur kleine Türausschnitte und die Seitenpartie blieb schmucklos – von einer schmalen Chromleiste entlang der Gürtellinie abgesehen.

Man merke sich den Rahmen um die horizontalen Entlüftungsschlitze in der Motorhaube – er stellt eines der Merkmale zur Unterscheidung der verschiedenen Karosserieversionen dar.

Auf folgender Aufnahme eines DKW Typ P 15 PS ist besagter Rahmen nämlich mit einem Mal verschwunden:

DKW Typ P 15 PS, 3-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch sonst hat sich hier einiges geändert:

  • Die Tür reicht nun fast bis zum Trittbrett herunter und weist eine breite, dunkel abgesetzte Zierleiste auf,
  • Kurbelscheiben ermöglichen eine individuelle Belüftung, daher ist die ausstellbare Frontscheibe wieder entfallen,
  • die A-Säule ist profiliert und schwingt am unteren Ende leicht nach vorn,
  • das Verdeck ist weiter hinten angesetzt, sodass im Innenraum nun weiterer Passagier Platz findet.

Diese Version wurde ab April 1929 als 3-sitziges Cabriolet angeboten, obwohl es sich wegen der feststehenden Türrahmen eigentlich um eine Cabriolimousine handelte.

Hier haben wir eine außergewöhnliche Aufnahme, die genau diese charakteristische Partie zeigt:

DKW Typ P 15 PS, 3-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Während im Deutschland der 1920er Jahre intensiv über die Anforderungen an einen „Volkswagen“ diskutiert wurde, ohne dass dies in ernstzunehmende eigenständige Konstruktionen mündete, hatten die Hersteller in England und Frankreich längst entsprechende vollwertige Wagen für eine mehrköpfige Familie entwickelt.

Kurios mutet daher an, dass DKW wie auch Hanomag noch Ende der 1920er Jahre meinten, mit zwei- bis dreisitzigen Autos sei dem Bedarf Genüge getan. Immerhin fiel bei DKW 1929 der Groschen und man bot eine viersitzige Version des Typs P 15 PS an.

Dass man damit auf einen nicht mehr zu ignorierenden Nachfragedruck reagierte, wird daran deutlich, dass ein Viersitzer eigentlich erst für den größeren DKW des Typs V 800 mit 20 PS geplant war, dessen Serienfertigung sich aber verzögerte.

So bot man 1929/30 kurzzeitig das bisherige 15 PS-Modell mit der bereits fertigentwickelten 4-sitzigen Karosserie des Nachfolgers an:

DKW Typ V800; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In Ermangelung eines Fotos eines dieser raren Viersitzer des DKW Typ P 15 PS von 1929/30 muss vorerst diese Aufnahme des genannten Nachfolgetyps V800 dienen.

Die Karosserie war aber identischabgesehen von den Luftschlitzen, die beim viersitzigen Typ P 15 PS noch waagerecht ausgeführt waren.

Hier bekommt man jedenfalls einen Eindruck davon, dass der DKW Typ P 15 PS mit dem Aufbau als Viersitzer (bei kleinen Kindern auch Fünfsitzer) endlich ein vollwertiges Volksautomobil gewesen wäre.

Bloß: leisten konnten ihn sich immer noch nur sehr wenige Deutsche.

Erst die ab 1931 gebauten Fronttriebler von DKW kamen mit einer Stückzahl von rund 250.000 bis 1939 der Vorstellung einer Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten näher.

Diese hübschen – und in einigen Varianten hocheleganten – DKWs der 1930er Jahre verdienen es, gelegentlich wieder einmal ausgiebig gewürdigt zu werden…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Fall für Zwei: Heiteres Schrauben am DKW F5

Nach dem gestern vorgestellten Fund des Monats – einem raren Dux 6-Zylinderwagen des Typs R 17/60 PS – kehren wir in die Niederungen des Vorkriegsalltags zurück.

Wieder einmal muss dafür ein DKW herhalten, im Deutschland der 1930er Jahre neben den Opel-Wagen das populärste Automobil aus heimischer Fertigung.

Am verbreitetsten waren die ab 1931 gebauten Fronttriebler (F-Typen), die zwar nur 2-Zylinder-Zweitakter mit 18-20 PS besaßen, aber ein gediegenes Äußeres boten.

Diese Wagen sahen trotz gerade einmal 600 bzw. 700 ccm Hubraum richtig erwachsen aus und boten 4 Personen Platz, was nicht unwesentlich zu ihrem Erfolg beitrug.

Hier haben wir ein bisher unveröffentlichtes Foto eines dieser Brot-und-Butter-Autos in der beliebten Ausführung als Cabrio-Limousine:

DKW F5 „Reichsklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme lief im Jahr 1937 als private Postkarte nach Bergisch-Gladbach. Sie zeigt einen DKW des Typs F5 in der Basisausstattung „Reichsklasse“.

Zu erkennen war der zum Jahreswechsel 1934/35 eingeführte Typ F5 an den nun bis zum unteren Schwellerabschluss reichenden Türen.

Die Reichsklasse-Variante besaß im Unterschied zur opulenteren Ausstattung des Modells „Meisterklasse“ nur eine lackierte Kühlermaske, teilverchromte Scheinwerfer und ab 1936 lackierte Radkappen.

Man präge sich insbesondere die Gestaltung der Kühlerpartie ein und auch die Position der Winker am unteren Ende des Frontscheibenrahmens – diese Details werden bei dem Foto, um das heute geht, von Bedeutung sein.

Weniger wichtig ist, dass der oben abgebildete DKW des Typs F5 „Reichsklasse“ nur einen Scheibenwischer besitzt, denn auf Wunsch waren auch zwei erhältlich.

Jetzt aber zu der Aufnahme, zu der wir nicht umsonst den Titel „Ein Fall für Zwei – heiteres Schrauben am DKW F5“ gewählt haben:

DKW F5 „Reichsklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein bemerkenswertes Dokument – eine außergewöhnliche Situation im rechten Moment eingefangen, das Ganze in herausragender technischer Qualität und dann noch ein Auto, dessen genaue Identifikation detektivischen Spürsinn verlangt.

Dass einer der frontgetriebenen DKWs der Vorkriegszeit Rätsel aufgibt, ist schwer zu glauben. Schließlich sind diese verbreiteten Wagen selbst in den ungewöhnlichsten Karosserievarianten ausgezeichnet dokumentiert.

Dennoch macht die frontale Perspektive diesen Fall zu einer harten Nuss. Die Kühlermaske ist hier fast das Einzige, was gut zu erkennen ist – bloß hat sich diese vom Typ F2 (ab 1932) bis zum Typ F7 (ab 1936) kaum verändert.

Die Unterschiede der einzelnen Typen sind praktisch nur von der Seite erkennbar. Wir werfen dennoch nicht die Flinte ins Korn, sondern machen uns ans Werk:

Ganz rechts ist neben dem unteren Abschluss des Scheibenrahmens das außen angebrachte Gehäuse eines Winkers zu erkennen.

Damit können wir schon einmal den Typ F7 (ab Ende 1936) ausschließen, bei dem die beiden Ausstattungsversionen „Reichsklasse“ und „Meisterklasse“ eine einheitliche Karosserie mit in der B-Säule versenktem Winker erhielten.

Festzuhalten ist zudem, dass wir hier einen DKW der Basisausstattung Reichsklasse vor uns haben – das verrät die lackierte (und nicht verchromte) Kühlerumrahmung.

Der mittig angebrachte Nebelscheinwerfer ist ein nachträglich montiertes Zubehörteil. Weiter geht’s etwas weiter unten an der Frontpartie des DKW:

Nebenbei: Auf DKW verweist das hier nicht leserliche Emblem auf dem oberen Abschluss des Kühlers – der Schriftzug „Auto Union“ steht für die Zugehörigkeit von DKW zum gleichnamigen Verbund.

Historische Fotos solcher DKWs werden von ahnungslosen Zeitgenossen gern als Aufnahmen von Auto-Union-Wagen – oder noch besser: Audi – angepriesen. Wer kann es ihnen verdenken? In der Oldtimerpresse hierzulande sind Vorkriegswagen eine vom Aussterben bedrohte Spezies – man gibt sich auch hier gnadenlos progressiv…

Das weit nach unten gezogenene und fast waagerecht abschließenden Vorderschutzblech spricht gegen den frühen Typ F2 (ab 1932). Die Stoßstange müssen wir ignorieren – sie ist ebenso nachgerüstet wie der erwähnte Nebelscheinwerfer.

Ab Werk besaßen die DKWs der Basisvariante „Reichsklasse“ gar keine Stoßstange. Gegen Aufpreis lieferbar waren zweigeteilte Stoßstangen, bei denen das Kennzeichen mittig montiert war.

Nach bisherigem Stand haben wir es wahrscheinlich mit einem DKW des Typs F5 in der Ausführung „Reichsklasse“ zu tun. Davon entstanden zwischen Ende 1934 und Mitte 1938 knapp 75.000 Exemplare – bis dato der größte Erfolg von DKW.

So unglaublich es bei dieser Aufnahme klingt, können wir den Entstehungszeitraum dieses DKW F5 auf gut 12 Monate eingrenzen. Möglich ist das, weil das Originalfoto noch einige weitere Details enthält, die wir bisher absichtlich ausgeblendet haben:

Dieses Stilleben aus Werkzeug, Pflegemitteln und diversen Getränkebehältnissen muss man genießen. Der Verfasser ist sich nach wie vor nicht sicher, ob es sich dabei um einen echten Schnappschuss handelt oder um eine gekonnte Inszenierung. 

Jedenfalls haben uns die zwei Schelme, die hier akribisch an ihrem DKW zu arbeiten scheinen, mit dem Sammelsurium einen Riesengefallen getan.

Denn ob das Ganze inszeniert ist oder nicht – sie haben auf diesem 1939 entstandenen Foto etwas platziert, das uns eine recht genaue Datierung des DKW erlaubt.

Der Blick schweift über die herumliegenden Werkzeuge und Reinigungsmittel, die Sidol-Flasche (die Marke gibt es noch) und die Flasche mit Kirschwasser, die für ein entsprechend heiteres Schrauben gesorgt haben dürfte.

Doch was liegt da zwischen der Wurzelbürste und besagter Spirituose? Eine verchromte Radkappe mit DKW-Schriftzug!

So etwas wurde am DKW F5 „Reichsklasse“ nur von Ende 1934 bis Ende 1935 verbaut, danach gab’s ab Werk bloß noch lackierte Radkappen.

Nun könnte einer sagen: Auch die Chromradkappen wurden nachträglich angebracht wie einiges anderes an dem DKW. Doch die einfachere und damit wahrscheinlichere Erklärung ist die, dass die Teile zur Originalausstattung gehörten.

Während wir, was den genauen DKW-Typ angeht, letztlich nur einen Indizienbeweis führen können, lässt sich aus dem Kennzeichen folgendes sicher ableiten:

Der DKW war einst im niederschlesischen Landkreis Grünberg zugelassen. Dieser gehörte bis 1945 zum Regierungsbezirk Liegnitz.

Von dort stammt auch die Mutter des Verfassers dieses Blogs. Sie floh damals mit 14 Jahren vor der heranrückenden Roten Armee – im Koffer neben dem Nötigsten das Fotoalbum.

Auf ähnliche Weise wird damals wohl die hier besprochene DKW-Aufnahme in den Westen gelangt sein. Das auf Fotopapier gebannte bisherige Leben ließ niemand auf der Flucht zurück (Ausweise „verlor“ man schon gar nicht…).

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Kein Grund zur Begeisterung: DKW „Schwebeklasse“

Freunden der sächsischen Marke DKW wird der heutige Blogeintrag möglicherweise Ungemach bereiten.

Normalerweise machen die kleinen Zweitakter aus Zwickau auf alten Fotos ausgesprochen gute Figur – vor allem in der mondänen Ausführung als „Front Luxus Cabriolet“, die wir hier bereits vorgestellt haben:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nie wieder sollte ein Kleinwagen mit bloß 20 PS Leistung solche Eleganz ausstrahlen.

Dabei profitierte DKW allerdings von der Zugehörigkeit zur Auto Union, die auch den Luxushersteller Horch umfasste. Das DKW Front Luxus Cabriolet war nicht nur im Horch-Werk gezeichnet worden, sondern wurde auch dort gebaut. Nicht ohne Grund hieß das Modell im Volksmund „Der kleine Horch“.

Doch einige Jahre zuvor, als DKW noch in Zschopau und Spandau produzierte, leistete man sich einen kapitalen Fehlgriff, der das sonst so erfolgreiche Unternehmen eine Menge Geld kostete.

So ließ man sich von der Anfang der 1930er Jahre grassierenden „Stromlinien“-Mode anstecken, die zeitweilig die Automobilgestaltung dominierte, obwohl damit kaum eine wirtschaftlich relevante Reduzierung des Luftwiderstands einherging.

Speziell in Deutschland entstanden damals monströse Gefährte, die rein formal der Stromlinie huldigten, aber tatsächlich nur eine Modeerscheinung waren. Ein Beispiel dafür war der Maybach-Stromlinienwagen von 1932:

Originales Zigaretten-Sammelbild aus Sammlung Michael Schlenger

Interessanterweise hatte DKW bereits 1933 Prototypen mit Heckmotor und Stromlinienkarosserie erprobt – das Konzept des späteren Volkswagens lag damals in der Luft und war keineswegs ein Plagiat, wie manche Tatra-Freunde gern verbreiten…

Doch verfolgte DKW diesen Ansatz nicht weiter, sondern entschied sich für eine konventionelle Konstruktion mit Frontmotor und Heckantrieb sowie von der Stromlinie „inspirierter“ Formgebung.

Dabei beging man gleich zwei Fehler: Zum einen verbaute man weiterhin den kapriziösen 4-Zylinder-Ladepumpenmotor des Vorgängers „Sonderklasse“, der durch hohen Kraftstoffverbrauch und mangelnde Drehzahlfestigkeit auffiel.

Zum anderen staffierte man das neue als DKW „Schwebeklasse“ beworbene Modell mit einer Karosserie aus, die man sich nicht schönsehen kann, egal wie flott die junge Dame daneben wirkt:

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch diese Aufnahme, die ab 1948 in der amerikanischen Besatzungszone Württemberg („AW“ auf dem Kennzeichen) entstand, haben wir bereits einmal präsentiert (hier).

Die Ähnlichkeit mit der Karosserie des oben gezeigten Stromlinienwagen von Maybach ist nicht zu übersehen.

Interessanterweise sind der sonst wünschenswert detaillierten Literatur („DKW Automobile 1907-1945“ von Thomas Erdmann, Verlag Delius-Klasing, 2012) keine Hinweise darauf zu entnehmen, wie es zu dieser Monstrosität gekommen ist.

Vermutlich will nachträglich niemand die Verantwortung dafür übernommen haben und eigenständige Autodesigner gab es in der Vorkriegszeit von Ausnahmetalenten wie Flaminio Bertoni abgesehen ohnehin noch nicht.

Machen wir es kurz: Die DKW Schwebeklasse wurde ein kolossaler Flop, der das Unternehmen enorme Summen für Garantiearbeiten und ständige Nachbesserungen (die die technischen Probleme lange Zeit nicht lösten) kostete.

Nach rund 7.000 Exemplaren war 1937 Schluss. Warum man so lange versuchte hatte, diese automobile Fehlgeburt am Leben zu halten, ist schwer zu begreifen.

Parallel setzte DKW nämlich die annähernd zehnfache Stückzahl des adretten und unproblematischen Frontantriebstyps F4 ab, den wir hier sehen:

DKW F4 Cabrio-Limousine aus Berlin; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch so wie es auf der Chefetage bei DKW Leute gegeben haben muss, die von den Qualitäten des Vierzylinder-Wagens mit der „modernen“ Karosserie überzeugt waren, scheint es auch Kunden gegeben haben, die das ebenso sahen.

Ob der einfache Wehrmachts-Soldat auf der folgenden Aufnahme wegen des DKW so begeistert war oder sich nur über ein paar Tage Heimaturlaub freute, wissen wir nicht:

DKW Schwebeklasse; Originalfoto aus Sammlung von Michael Schlenger

Der Wagen gibt aus dieser Perspektive wahrlich keinen Anlass zur Begeisterung.

Die Frontpartie schwankt unentschieden zwischen klassischer Trennung von Motorraum und Kotflügeln sowie Verschmelzung von Haube und Radhäusern, wie das bei modernen Pontonkarosserien Standard werden sollte.

Übrigens lässt sich der Wagen anhand der spitz zulaufenden unteren Frontscheibenecken als Vertreter der letzten Serie identifizieren, die 1936/37 gebaut wurde. Der Fairness halber sei angemerkt, dass man zu diesem späten Zeitpunkt die Motorprobleme in den Griff bekommen hatte.

Doch längst war die Automobilmode über diesen Stil hinwegegangen. Dennoch ist dieses Foto interessant. So ist es auf der Rückseite auf März 1940 datiert. Zu diesem Zeitpunkt war der 2. Weltkrieg längst im Gange.

Polen war besiegt und besetzt worden. Frankreich hatte Deutschland daraufhin zwar formal den Krieg erklärt, unternahm aber nichts, um den Aggressor zu bändigen.

So konnte man im Frühjahr 1940, als das Foto entstand, den trügerischen Eindruck relativer Ruhe im Westen gewinnen. Vielleicht war unser Heeressoldat deshalb so gut gelaunt, da die Sache für ihn bisher glimpflich ausgegangen war.

Wie aber passt ein DKW mit Kölner Zulassung ohne die seit Kriegsbeginn vorgeschriebenen Tarnscheinwerfer zu der Situation, noch dazu mit Birken am Wegesrand, die nicht gerade typisch für das Rheinland sind?

Könnte die Aufnahme irgendwo im Osten des Reichs entstanden sein, wohin gegnerische Flugzeuge nicht gelangen konnten, weshalb dort auf die Tarnbeleuchtung verzichtet werden konnte?

Aber was hatte der DKW aus Köln dort verloren? Weder verfügt er über den vorgeschriebenen Winkel auf dem Nummernschild, der weiterhin zivil bewegte Fahrzeuge kennzeichnete, noch besitzt er eine Kennung der Wehrmacht.

Während speziell hinter der Front etliche der zuverlässigen und anspruchslosen Frontantriebswagen von DKW unterwegs waren, scheint die anfällige Schwebeklasse nicht ins „Beuteschema“ des Militärs gehört zu haben.

Vielleicht war es schlicht so, dass jemand den Wagen nach Kriegsbeginn stillgelegt hatte und dieser nur als dekoratives Beiwerk auf das Foto gelangte.

Hat ein Leser vielleicht eine überzeugendere Erklärung für die Situation? Dann wäre das Foto am Ende ja doch ein Grund zur Begeisterung…

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Auf Anhieb gesellschaftsfähig: Der erste DKW von 1928

Die Geschichte der einst so populären DKW-Automobile ist facettenreich, aber sicher nicht von technischer Brillianz geprägt.

Der zukunftsweisende Frontantrieb wurde mit 2-Zylinder-Zweitaktern kombiniert, die im autoarmen Deutschland der Vorkriegszeit zwar ihren Zweck erfüllten, doch konzeptbedingt weder kultiviert noch sonderlich entwicklungsfähig waren.

Zwei Dinge muss man den DKW-Vorkriegskonstruktionen aber lassen – sie leisteten einen großen Beitrag zur Motorisierung der Deutschen und sie wurden trotz bescheidener Leistung von Anfang an als vollwertige Automobile wahrgenommen.

Betrachtet man den Werdegang der sächsischen Marke als Automobilhersteller, gewinnt man den Eindruck, dass man die Unzulänglichkeiten der Motorisierung durch ein besonders ansprechendes Äußeres kompensieren wollte.

Welche Eleganz die DKW-Zweitakter in ihren letzten Ausprägungen mit rund 20 PS entfalteten, das illustriert folgende Aufnahme, die uns Leser Volker Wissemann zugesandt hat:

DKW F10 mit Baur-Karosserie; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Diese wunderbare Kreation der Stuttgarter Karosseriebaufirma Baur ist zwar erst in der frühen Nachkriegszeit entstanden, doch ist sie stilistisch ein Kind der 1930er Jahre – weshalb wir sie auf diesem Blog für Vorkriegsautos gerne zeigen.

Wer es sich ab 1948 leisten konnte, bekam auf Basis eines alten DKW der Vorkriegszeit diesen Traumaufbau montiert, der in den 1930er Jahren sicher für seine makellosen, fließenden Formen ausgezeichnet worden wäre.

Begibt man sich auf die Suche nach der Wurzel der Eleganz, die die DKW-Automobile auszeichnete, landet man gleich beim ersten PKW, den die bis dato auf Motorräder spezialisierten Sachsen ab Juni 1928 bauten, was heute genau 90 Jahre zurückliegt:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese an einem unbekannten Ort entstandene Privataufnahme zeigt ein Automobil, an dem in formaler Hinsicht kein Kompromiss zu erkennen ist.

An der Klarheit und Logik dieser Karosserie können sich manche heutige Designer ein Vorbild nehmen – sauber voneinander abgegrenzte funktionelle Bauteile, keine überflüssige Linie, keine aggressiv auf Effekt angelegten Elemente.

Das zweisitzige Cabriolet strahlt Konzentration und Ruhe aus – nichts wirkt improvisiert oder dekorativer Absicht geschuldet. Gleichzeitig – und das ist ganz wichtig – besitzt der Wagenkörper von der Front bis zum Heck eine dezent wirkende Spannung.

Kein Wunder, dass der DKW vor der Fassade des großbürgerlichen Hauses mit aus der Fassade auskragenden, teils bleiverglasten Fenstern und gepflegter Pflanzendekoration keineswegs wie ein Fremdkörper wirkt.

Wer mit einem solchen 15 PS-DKW – damals noch konventionell heckgetrieben – einst bei der vermögenden Erbtante vorfuhr, war daher absolut gesellschaftsfähig, zumal keine 5.000 Stück davon gebaut wurden.

Entsprechend selbstbewusst fiel die Werbung für das Modell damals aus:

Reklame für DKW Typ P 15 PS; Original aus Sammlung Michael Schlenger

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Vollendete 2-Takt-Eleganz: DKW F5 Luxus Cabrio

„Oje, wieder eine dieser Zweitaktgurken von DKW“ – was haben da Eleganz und Luxus verloren? Gemach, bislang hat noch jeder Eintrag in diesem Blog für Vorkriegsautomobile das geliefert, was die Überschrift verspricht.

Schauen wir uns einmal ohne Markenvorurteil an, was wir auf folgendem Originalfoto der späten 1930er Jahre sehen:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet 4-sitzig; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein elegantes viersitziges Cabriolet mit gefüttertem Verdeck, Ledersitzen, verchromter Sturmstange und seitlicher Chromleiste, die als Kometenschweif ausläuft. Der Glanz des Lacks verrät, dass die Karosserie ganz mit Blech beplankt ist.

Nichts davon will so recht zu einem DKW der Vorkriegszeit passen, an dem außer Motorhaube und Schutzblechen kaum ein Karosserieteil in Stahl ausgeführt war. Von Ledersitzen und solchermaßen üppigem Chromeinsatz ganz zu schweigen.

Und doch haben wir es eindeutig mit einem DKW zu tun – mit einem Typ F5, um genau zu sein. Die Beweisführung führt über einige reizvolle Nebenstrecken zum Ziel.

Man präge sich dazu folgende Elemente auf obiger Aufnahme ein: die breit auslaufende Chromleiste an der Flanke, die lackierten Drahtspeichenräder und die parallel zu Frontscheibe und A-Säule geneigten Luftschlitze in der Haube.

Fast alles finden wir auf folgendem Foto wieder, das einst in der reizvollen Mittelgebirgslandschaft Thüringens entstand:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht von dem Wagen – hier mit geschlossenem Verdeck – gerade  genug, um die Übereinstimmung zu erkennen.

Vom abweichenden Farbschema abgesehen alles identisch, möchte man meinen. Doch halt: Speichenräder – Fehlanzeige! Stimmt, dafür sieht man ein anderes wichtiges Detail: die durch das obere Türscharnier laufende Chromleiste.

Daran erkennt man ein 4-sitziges Cabriolet des DKW F5 Front Luxus Cabrios. Diese attraktiven Wagen wurden nicht wie die 2-sitzige Version im Horch-Werk in Zwickau gefertigt, sondern bei Baur in Stuttgart.

Die DKW-Luxusversionen mussten sich mit der Leistung von 20 PS begnügen, wie sie herkömmliche F5-Typen in der Ausstattungsvariante „Meisterklasse“ boten.

Im Deutschland der Vorkriegszeit zählte mehr, überhaupt ein Automobil zu besitzen als das schiere Leistungsvermögen. Bei einem Gewicht von rund 800 kg ließ sich so ein DKW nach damaligen Maßstäben durchaus angemessen bewegen.

Vor 80 Jahren diente das DKW F5 Front Luxus Cabrio sogar als Urlaubsfahrzeug. Denn obige in Thüringen entstandene Aufnahme ist eine von mehreren desselben Wagens. Hier haben wir eine weitere davon:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet 4-sitzig; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Über den Aufnahmeort verrät dieser Abzug zwar nichts – irgendwo in Mitteldeutschland könnte das Foto entstanden sein – dafür lässt sich auf dem Original das Kennzeichen entziffern: „IC 57664“.

Demnach war der in Thüringen abgelichtete DKW in Ostpreussen zugelassen, also gut 800 km weiter im Osten. Mancher Leser mag sich an die folgende Aufnahme desselben Autos erinnern, das wir vor längerem bereits gezeigt haben:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar ist nur ein Teil des Kennzeichens zu erkennen, doch es ist Foto aus derselben Serie, das den DKW aus Ostpreussen nun in der Nähe von Chemnitz zeigt.

Unser kleiner Rückblick auf die bildschönen Luxus-Cabriolets des Typs F5 von DKW ist damit noch nicht zuende. Es gibt eine weitere Aufnahme, die unser „Fotomodell“ zeigt, diesmal in seiner eigentlichen Heimat.

Auf der Rückseite des folgenden Abzugs ist vermerkt „bei Elbing“.

DKW F5 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Als Absolvent eines hessischen Gymnasiums mit entsprechendem „Bildungsstandard“ war dem Verfasser die Bedeutung der einstigen Hansestadt mit ihren seit 1945 verschollenen bedeutenden Bücher- und Handschriftensammlungen nicht geläufig.

Der ehemals deutsche Osten wurde gemäß hessischen Lehrplänen nicht behandelt, als hätte es ihn nie gegeben.

Als Abkömmling einer Familie mit einschlägigem Hintergrund sind für den Verfasser die Dokumente besonders berührend, die aus den Regionen stammen, aus denen die deutschen Einwohner ab 1945 entweder flohen oder vertrieben wurden.

Der DKW, der hier an einem Sommerabend im Juli 1937 auf einer ostpreussischen Allee bei Elbing abgelichtet wurde, dürfte den Krieg nicht überlebt haben:

Doch seine Besitzer retteten 1945 ihre Fotoalben mit den hier zu sehenden Aufnahmen über Flucht und Vertreibung. So etwas „verlor“ man damals ebensowenig wie Ausweisdokumente.

Damit sind diese Bilder nach über 70 Jahren die letzten Zeugen einst weit im deutschen Osten gelebten Lebens und einer unwiederbringlich verschwundenen Welt…

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Ist das noch ein DKW? Vierzylindertyp „Sonderklasse“

Was verbinden Freunde deutscher Vorkriegswagen typischerweise mit einem DKW?

Nun, in technischer Hinsicht einen 2-Zylinder-Zweitakter, Frontantrieb und mechanische Bremsen. Das Ganze verpackt in ansehnliche, doch wenig robuste Karosserien aus Holz und Kunstleder.

In der Regel liegt man mit diesem Schema richtig. Doch neben den kleinen, aber enorm erfolgreichen Fronttrieblern bot DKW auch erwachsener wirkende Wagen an.

Sie verfügten über einen komplexen V4-Zylinder-Zweitakter mit je einer Ladepumpe pro Zylinderbank, Heckantrieb und hydraulische Bremsen. Sie waren nicht ganz so unverwechselbar gestaltet, boten aber mehr Platz und eine besseres Ausstattung.

Ein Exemplar dieser „großen“ DKWs – den Typ V1001 Sonderklasse – haben wir vor längerem schon einmal zeigen können (Bildbericht):

DKW V1001 Sonderklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das repräsentativere Erscheinungsbild bezahlte der Käufer mit gegenüber den kleineren Zweiyzlindermodellen drastisch erhöhtem Verbrauch an Kraftstoff.

DKW bekam die Trunksucht des V4-Motors nie in den Griff. Da es dennoch eine gewisse Nachfrage nach dem gehobenen Modell gab (rund jeder zehnte DKW-Käufer entschied sich dafür) beschränkte man sich auf formale Überarbeitungen.

Nicht jede dieser optischen Modellpflegemaßnahmen glückte. Auf den klassisch schönen DKW V1001 Sonderklasse auf dem ersten Foto folgte 1934 die Version „Schwebeklasse“, die vom Ideal der Stromlinie beeinflusst war (Bildbericht):

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Gefährt – daraüber kann die hübsche Beifahrerin nicht hinwegtäuschen – wirkt so unharmonisch wie ein Eigenbau aus Teilen verschiedener Spenderwagen.

Rustikal wie hier die einzelnen Elemente zusammengesetzt sind, war die „Schwebeklasse“ kein Ruhmesblatt der verantwortlichen Gestalter.

Zum Glück besann man sich bei DKW anschließend wieder klassischer Tugenden und brachte die Sonderklasse 1937 mit abermals neuer Karosserie heraus – das Ergebnis sah dann so schnittig aus wie auf dieser Aufnahme:

DKW „Sonderklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch dieser Wagen wurde wie sein Vorgänger auf dem vorangegangenen Aufnahme nach dem 2. Weltkrieg aufgenommen – im März 1950 bei Bamberg.

Abgesehen von dem verlorengegangenen Auto-Union-Emblem – normalerweise an der Miittelstrebe des Kühlergrills angebracht – scheint der Wagen den Krieg recht gut überstanden zu haben. Die Stoßstangenhälften entsprechen dem Original, sind hier aber wohl silbern lackiert statt ursprünglich verchromt.

Die sehr gelungene Frontpartie erinnert an zwei andere zeitgenössische Wagen. Der eine ist der elegante Fiat 1100, der seinerzeit auch in Deutschland gefertigt wurde. Hier haben wir eine Aufnahme dieses Typs, die wir bislang noch nicht gezeigt haben:

Fiat 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer eine Idee zur Bedeutung des merkwürdigen Kennzeichens hat, möge dazu die Kommentarfunktion nutzen.

Wir wenden uns unterdessen dem tatsächlichen Vorbild für die harmonische Karosserie des DKW Sonderklasse zu, dem Wanderer W 24.

Dieser Typ der ebenfalls zum Auto-Union-Verbund gehörende Traditionsmarke spendete nicht nur den Aufbau, sondern auch das Chassis. Damit erhielt die DKW Sonderklasse erstmals eine Blechkarosserie und einen klassischen Rahmen als Unterbau.

Äußerlicher Hauptunterschied des Wanderer W24 gegenüber dem DKW war die weniger fließend gestaltete, dafür markantere Kühlerpartie:

Wanderer W24; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme eines Wanderer W24 entstand übrigens 1939 kurz nach Kriegsausbruch – daher die vorgeschriebenen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern.

Ob diese schöne viertürige Limousine und ihr Besitzer auch später dem Einsatz bei der Wehrmacht entgangen ist, wissen wir nicht. Nicht völlig auszuschließen ist, dass der Wagen mit der Zulassung im Kreis Dresden-Bautzen noch existiert.

Überlebende der äußerlich an den Wanderer W24 angelehnten DKW „Sonderklasse“ dürften dagegen seltener sein, ihre unwirtschaftlichen Motoren waren nach dem Krieg erst recht ein Problem. Mit Schönheit allein war kein Staat mehr zu machen…

Ein ausführliches Porträt des Wanderer W 24 und seiner weitverzweigten Verwandschaft folgt gelegentlich…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Auch Niedersachsen liebten ihn: Auf Tour im DKW F1

Nachdem der letzte Blog-Eintrag noch einem der ikonischen Wagen aus dem Hause Avions Voisin gegolten hatte, begeben wir uns in die vermeintlichen Niederungen der Alltagsmobilität im Deutschland der 1930er Jahre.

Das Fahrzeug, um das es geht, könnte simpler kaum sein – ein DKW F1, der abgesehen vom noch recht neuen Frontantrieb wenig Aufregendes zu bieten hatte. Dennoch besitzen diese 15 PS-Vehikel mit Zweizylinder-Zweitakter ihren eigenen Reiz.

Das gilt umso mehr, wenn man eine Reihe von Originalfotos ein und desselben Wagens in unterschiedlichen Situationen hat. Solche Dokumente verraten etwas von der Bedeutung, die diese aus heutiger Sicht bescheidenen Gefährte einst im Leben ihrer Besitzer hatten.

Beginnen wir mit dieser schönen Aufnahme aus dem Mai 1936:

DKW F1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist keines der Bilder, wo der Wagen als Staffage für ein Foto der Familie oder der Beifahrerin herhalten muss – nein, hier hat jemand seinen vierrädrigen Liebling in den Mittelpunkt gerückt, und die Dame dient als dekoratives Beiwerk.

Viel vorteilhafter kann man so einen DKW F1 kaum ablichten, da war ein echter Liebhaber am Werk. Er hat seinem Auto sogar ein verchromtes Steinschlagschutzgitter gegönnt, das es ebenso als Zubehör gab wie den mittig angebrachten Nebelscheinwerfer.

Der Knick im unteren Bereich des Kühlergrills ist dem Fronantrieb geschuldet – zugleich ist dies das Haupterkennungsmerkmal des ersten Modells aus der langen Reihe von DKW-Fronttrieblern.

Beim Nachfolger wurde der Kühler weiter nach vorne verlegt und leicht geneigt, ab dann wurden die DKW-Modelle äußerlich richtig attraktiv.

Nun aber zurück zu unserem Fotomodell, das sich hier recht offenherzig zeigt:

DKW F1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Für die Technikgourmets ist diese Aufnahme ein besonderer Leckerbissen – selten sieht man die beiden Querblattfedern und die Antriebswellen an der Vorderachse so gut.

Woran der trotz schütteren Haars noch junge Mann im Blau(?)mann über blütenweißem Hemd werkelt, ist ein wenig rätselhaft. Er selbst schaut sinnierend in die Ferne, als sei er der Lösung eines Problems auf der Spur.

Der Vorderwagen ist mit einem Wagenheber aufgebockt, was könnte der Grund dafür sein? Immerhin scheint der wackere DKW-Mann gut gerüstet für dergleichen Fahrtunterbrechungen gewesen zu sein:

Kenner der Vorkriegs-DKWs werden vermutlich schon hier erkennen, was unser Mechanikus für ein Teil in der Hand hält.

Wie es scheint, ist es ein kleines Bauteil, das man eher nicht im Bereich der Aufhängung oder des Antriebs vermuten würde. Viel kaputtgehen konnte da auch nicht, die Vorderachskonstruktion der DKW Fronttriebler galt als ausgesprochen robust.

Nun haben wir das Glück, dass von der Situation eine weitere reizvolle Aufnahme existiert, die wohl ebenfalls die Beifahrerin gemacht hat – vermutlich war sie mit der Perspektive noch nicht ganz zufrieden.

Recht hatte sie, es geht tatsächlich noch besser:

Hier haben wir den DKW F1  aus idealem Blickwinkel und nun scheint sich unser Schrauber auch angemessen mit dem Bauteil in seiner Hand zu befassen – oder ist er etwa eingenickt?

Auch diese Szene verdient eine nähere Betrachtung und nun meint man zu erkennen, welches Teil da Probleme zu bereiten scheint – höchstwahrscheinlich der Verteiler:

Jedenfalls würde das Erscheinungsbild zu einem Zweizylindermotor passen. Sachkundige Kommentare sind wie immer erbeten!

Schön zu sehen ist bei dieser Gelegenheit der vor der Schottwand angebrachte Benzintank mit Einfülllstutzen. Zum Tanken musste also stets die Motorhaube geöffnet werden – beim Volkswagen war dies bis in die 1960er Jahre ebenso.

Wir können sicher sein, dass der kleine DKW bald wieder lief und die Insassen gut nach Hause gebracht hat. Zwei Monate später – im Juli 1936 – war er jedenfalls wieder auf Tour, wie dieses entsprechend datierte Foto beweist:

Man merkt gleich, dass hier jemand anderes die Kamera bedient hat – Fokus und Schärfentiefe sind jedenfalls leicht „daneben“.

Dennoch ist das eine schöne Aufnahme, die die Atmosphäre eines sonnigen Sommertags irgendwo an einer Allee transportiert. In einer Cabriolimousine die Landschaft erfahren – auch mit 15 PS ein Genuss!

Dem aufmerksamen Betrachter wird natürlich nicht entgangen sein, dass unser DKW hier mit zusätzlichem Zierrat ausstaffiert ist:

Wie das Emblem mit den vier Ringen verrät, war der Besitzer des kleinen DKW offenbar stolz darauf, dass „seine“ Marke auch zum Auto Union-Verbund gehörte.

Kein Wunder: die neuen Rennwagen der Auto-Union machten damals international Furore – mit ihrem Mittelmotor waren sie die Wegbereiter der Moderne im Rennsport.

Der Eindruck, den diese Wagen hinterließen, war ungeheuerlich – selbst eine biedere Publikation wie die „Illustrierte Versicherungs-Zeitschrift“ brachte 1934 einen Auto-Union Rennwagen mit Großmeister Hans Stuck auf dem Titelblatt:

Originalzeitschrift aus Sammlung Michael Schlenger

Gut verständlich, dass mancher Fahrer älterer DKWs sich nun berechtigt sah, die vier Ringe des Auto Union-Verbunds, zu dem die Marke seit 1932 gehörte, auf den Kühler zu montieren.

Tatsächlich wurde das Emblem bei den späteren Modellen der vier Konzernmarken Audi, DKW, Horch und Wanderer auch werksseitig verbaut.

Nach dem Krieg wurden dann eine Weile auf DKW-Technik basierende Auto Union-Wagen in der Bundesrepublik gebaut, die ebenfalls die vier Ringe trugen. Die neugegründete Marke Audi übernahm diese Tradition und ist heute als Treuhänder aller ehemaligen Auto Union-Marken tätig – vorbildlich!

Wie man sieht, genossen die vier Ringe schon vor über 80 Jahren Prestige. Unsere kleine Bilderserie transportiert etwas vom Stolz der einstigen Besitzer aus Niedersachsen, für die der DKW F1 vermutlich das erste Auto war.

Damit müssen sie viele Ausflüge unternommen haben, soweit das die wenigen Urlaubstage zuließen, die man damals als Arbeitnehmer hatte.

So zeigt ein letztes Foto den wackeren DKW ebenfalls im Juli 1936 bei einem Halt irgendwo im Pegnitz-Tal in Franken (Landkreis Bayreuth):

DKW F1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was die fesche junge Dame wohl gerade für eine Lektüre in Händen hält? Denkbar, dass sie einen Reiseführer oder eine Straßenkarte konsultiert – wir werden es nicht mehr erfahren.

Was bleibt, sind Zeugnisse vom einstigen Rang dieser heute mitunter belächelten Automobile, die damals Deutschlands volkstümlichste Wagen waren. Sie hoben ihre Besitzer aus der Masse derer hervor, für die schon der Besitz eines Motorrads etwas ganz Besonderes war und ein Auto meist ein unerfüllter Traum blieb.

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Ein schickes Kuriosum: DKW 4=8 V800 von 1930/31

Für die meisten Vorkriegsautofreunde ist die Sache klar: Ein DKW hat einen Zweizylinder-Zweitaktmotor und Frontantrieb. Das stimmt auch für fast alle Fälle, aber eben nur fast.

Die früheste Abweichung von der Regel war der Erstling DKW Typ P 15 PS, der ab 1928 gebaut wurde. Er kam zwar bereits mit dem typischen 2-Zylindermotor daher, war aber noch heckgetrieben.

Von diesem bis 1931 fast 5.000mal gebauten Typ wurden in diesem Blog schon einige Exemplare vorgestellt. Hier haben wir ein bislang unveröffentlichtes Foto des DKW Typ P 15 PS:

DKW Typ P 15 PS, 3-sitzige Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese 1932 entstandene Aufnahme wirkt zwar, als habe jemand unbeabsichtigt auf den Auslöser der Kamera gedrückt, sie kommt uns aber sehr bei der Identifikation des Wagens entgegen, den wir heute besprechen wollen.

Die Rede ist vom DKW 4=8 V800, einem Wagen mit wohl einzigartigem Antrieb, nämlich einem V-Vierzylinder-Zweitakter mit Ladepumpe. Klingt kompliziert und war es auch.

An sich war die Idee genial: Ein Vierzylinder in V-Anordnung braucht nicht viel Platz bzw. bietet genug Platz für die Ladepumpen, die als dritter Kolben in den beiden Zylinderbänken untergebracht waren.

Die Ladepumpe wurde über die Kurbelwelle angetrieben und bewirkte die Vorverdichtung des Kraftstoff-Öl-Luft-Gemischs, die beim Zweitakter sonst durch Einleiten in das Kurbelgehäuse erfolgt.

Die Konstruktion überzeugte auf dem Papier, barg aber in der Praxis einige Tücken. Eine davon war, dass mit dem Verzicht auf Durchleitung des Gemischs durch das Kurbelgehäuse die zweitakttypische Versorgung der Lager mit Öl entfiel.

Also musste eine Schleuderschmierung dazukonstruiert werden, die den Motor noch komplizierter machte und auch eher nach dem Zufallsprinzip funktionierte.

Dieser technische Mangel war nur einer von mehreren, die einem größeren Erfolg des DKW 4=8 V800 entgegenstanden.

An den Aufbauten hat es dagegen nicht gelegen, dass nur rund 1.700 Exemplare dieses Typs verkauft wurden, denn diese waren DKW-typisch sehr gelungen:

DKW 4=8 V800 Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn das Emblem auf der Kühlermaske im klassischen Stil einer antiken Tempelfront nicht lesbar ist, lässt sich der Wagen als früher DKW identifizieren.

Vom eingangs gezeigten Typ P 15 PS unterscheidet er sich hauptsächlich durch die senkrechten Luftschlitze. Ansonsten ist der Aufbau sehr ähnlich, dasselbe gilt für das Farbschema der Karosserie.

Tatsächlich sind es die Luftschlitze in Verbindung mit dem rechteckigen Emblem auf dem Kühler, die die Ansprache als DKW 4=8 V800 erlauben:

Die doppelte Stoßstange nach US-Vorbild war ein Extra, ebenso die Radkappen.

Der etwas stärkere Nachfolger DKW 4=8 V1000 (25 statt 22 PS) sah fast genauso aus, trug aber ein dreieckiges Emblem in den sächsischen Landesfarben Grün und Weiß.

Auf der folgenden Aufnahme sehen wir einen weiteren DKW 4=8 V800, bei dem man den Schriftzug DKW auf dem Emblem schemenhaft erkennen kann:

Weshalb „unser“ DKW 4=8 V800 in der Ausführung als Cabriolimousine nicht (mehr) die wohl standardmäßige „4=8“-Kühlerfigur besitzt, wissen wir nicht.

Die Insassen scheint dieser Mangel jedenfalls nicht gestört zu haben, ihnen ist der Stolz auf das Automobil anzusehen, das von Form und Platzangebot her in der  Mittelklasse angesiedelt war:

Hier bevölkern sechs Personen die an sich nur viersitzige Cabriolimousine. Leider wissen wir wie so oft nichts über die Insassen.

Wir dürfen aber davon ausgehen, dass sie gut situiert waren, denn die aufwendig konstruierten DKWs mit V-Vierzylinder und Ladepumpe hatten ihren Preis.

Erst die zuverlässigeren und noch attraktiver gezeichneten Frontantriebs-DKWs erlaubten einen erschwinglicheren Einstieg in die Automobilität.

Von ihnen werden wir hier noch einige bislang nicht besprochene Modelle vorstellen. DKW-Freunde werden also auch künftig auf ihre Kosten kommen.

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David trifft Goliath – DKW F1 und Horch 8 Typ 350

Wer diesen Oldtimer-Blog schon länger verfolgt weiß, dass der Verfasser sich für so ziemlich jede Art von Vorkriegsautos erwärmen kann.

Ob US-Großserienfahrzeuge wie der Buick Master Six oder europäische Raritäten wie der Praga Grand 8 – ob Hubraumgiganten wie der Mercedes 28/60 PS oder Kleinwagen wie der Opel 4 PS „Laubfrosch“, ihnen allen lassen sich reizvolle Seiten abgewinnen – vor allem, wenn man sie auf historischen Originalfotos betrachtet.

Mit falsch verstandenem Prestigedenken und Geringschätzung des Bodenständigen tut man sich wie im richtigen Leben keinen Gefallen. Denn so verpasst man interessante Begegnungen wie die hier dokumentierte:

Horch 8 Typ 350 und DKW F2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Horch-Freunde unter den Lesern werden natürlich auf Anhieb das mächtige Cabriolet als 8-Zylinderwagen des ab 1928 gebauten Typs 350 mit 80 PS erkennen.

Mit diesem Luxusmodell aus Zwickau haben wir uns schon wiederholt befasst – für die Details sei daher auf das ausführliche Typporträt verwiesen.

Übrigens gehört das Foto zu einer ganzen Serie von Aufnahmen desselben Fahrzeugs, die die Zeiten in einem alten Fotoalbum überdauert haben. Mit diesen Fotos werden wir noch einige Blogeinträge bestreiten können.

Bevor wir uns dem spielzeughaft wirkenden Gefährt im Schlepptau des Horch nähern, hier noch ein Ausschnitt, der die Dimensionen des Wagens erkennen lässt:

Ein so mächtiges Auto dennoch wohlproportioniert erscheinen zu lassen, das ist eine Kunst, die in Zeiten unförmiger PS-Monster verlorengegangen ist.

Diese Meisterwerke waren aber auch nicht für den aggressiven Auftritt auf der Autobahn, vor der Schule oder auf dem Parkplatz des Möbelmarkts gedacht. Sie sollten davon künden, dass man Geld und Geschmack hatte.

Das tat man idealerweise nicht mit einem zigtausendfach gebauten US-Automobil, sondern mit einem teureren Wagen aus einheimischer Manufaktur, der neben Technik vom Feinsten oft auch eine Spezialkarosserie edler Herkunft besaß.

Dennoch scheinen die Besitzer des Horch 8 Typ 350 auf dem Foto ihre Bodenhaftung nicht verloren zu haben. Offfenbar hatten sie keine Berührungsängste, was Automobile vom anderen Ende des Spektrums angeht:

Was hier wie das Beiboot einer großen Motoryacht wirkt, ist ein DKW F1 in der Ausführung als 2-sitziges Cabriolet.

Das ab 1931 gebaute Wägelchen mit Zweizylinder-Zweitakter und 600ccm Hubraum sollte den Grundstein für den großen Markterfolg der ebenfalls im sächsischen Zwickau angesiedelten Firma DKW legen.

Mit Frontantrieb boten die DKW Zweitakter sogar eine gewisse technische Raffinesse, wenngleich der kurz vorher vorgestellte Stoewer V5 auf diesem Sektor das überzeugendere Gesamtkonzept aufwies.

Und wenn nicht gerade ein Horch-Achtzylinder neben ihm stand, wirkte selbst das kompakte 2-Sitzer-Cabrio des DKW F1 einigermaßen „erwachsen“:

DKW F1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der DKW, der auf dem ersten Foto mit dem Horch wie David gegen Goliath daherkommt, verdient auf jeden Fall einen Sympathiebonus.

Das auch, weil er der formal wohl gelungenste Kleinwagen aus deutscher Herstellung war, dessen Nachfolger in der Front-Luxus-Ausführung an die gestalterische Klasse der zeitgenössischen Horch-Wagen herankamen.

So schließt sich am Ende der Kreis, an dessen Anfang eine ganz unwahrscheinlich wirkende Begegnung stand…

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2-Takt-Traum von 1935: DKW F5 Front Luxus Roadster

Der Verfasser hat auf diesem Oldtimerblog schon öfter die Meinung vertreten, dass DKW vor dem 2. Weltkrieg Deutschlands schönste Kleinwagen baute. 

Die zwar schwachbrüstigen, aber robusten Zweitakter der sächsischen Marke hatten spätestens mit dem 1935 erschienen Typ F5 eine formale Vollendung erreicht, die auch einem Oberklasseauto zur Ehre gereicht hätte:

DKW F5; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Entsprechend zufrieden schaut der Besitzer dieser DKW F5 Cabriolimousine mit Berliner Zulassung (Kürzel „I A“) in die Kamera.

DKW-Kenner werden möglicherweise einwenden, dass es sich auch um den nur rund ein Jahr gebauten Vorgängertyp F4 handeln könnte.

In der Tat sind beide Typen aus dieser Perspektive schwer auseinanderzuhalten. Doch zwei Indizien gibt es:

Das sind zum einen die großen Radkappen, die nur der F5 besaß, zum anderen reichen die Türen bis auf die Unterseite des Schwellers hinab – beim F4 war der Schweller sichtbar.

Wurde im Titel nicht vollmundig ein „Roadster“ angekündigt? Keine Sorge, der kommt noch zu seinem Recht, doch wir Oldtimerfreunde lieben doch alle reizvolle Umwege, nicht wahr?

So machen wir erst einmal bei dieser netten Gesellschaft halt:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet; Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Wäre das nicht eine Anregung zur Gestaltung des nächsten Picknicks mitsamt Vorkriegswagen? Das muss hierzulande allerdings noch etwas geübt werden – den perfekten „training ground“ dafür bieten die Classic Days auf Schloss Dyck .

Wer die obige Szene trotz der adretten Damen merkwürdig findet, muss wissen, dass es sich dabei um einen Ausschnitt aus einer größeren Postkarte handelt. Der Titel: „Leve de Vacantie“ – niederländisch für „Es leben die Ferien!“

Die Karte fand im 2. Weltkrieg mit der Feldpost von Maastricht ihren Weg ins Deutsche Reich – offenbar fand ein dort stationierter deutscher Besatzungssoldat Gefallen daran, in der Fremde einen vertrauten DKW anzutreffen.

Laut Literatur waren die Niederlande vor dem Krieg der bedeutendste Exportmarkt für DKW. Auf der Postkarte ist aber keine Massenausführung von DKW zu sehen, sondern das auf dem Typ F5 basierende Front Luxus Cabriolet.

Dabei handelte es sich um eine bei Horch in Zwickau gezeichnete und gebaute äußerst hochwertige Ausführung, die von der bodenständigen Technik abgesehen vom Feinsten war (siehe auch hier und hier und hier).

Statt der kunstlederbezogenen Sperrholzkarosserie der Standardtypen besaßen diese herrlichen Spezialausführungen einen Stahlaufbau – wenn auch auf traditionellem Holzrahmen.

Ein üppig gefüttertes Verdeck, Ledersitze und eine opulente Chromleiste in Form eines Kometenschweifs an der Seite unterstrichen den luxuriösen Anspruch dieser Wagen, deren Eleganz ihnen den Beinamen „der kleine Horch“ einbrachte.

Ließ sich das noch steigern? Das vielleicht nicht, doch gab es eine stückzahlenmäßig noch exklusivere Variante des DKW F5, die wir hier sehen:

DKW F5 Front Luxus Roadster; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Hierbei handelt es sich um eine Ausschnittsvergrößerung aus einer deutlich größeren Fotografie, daher die geringe Schärfe. Macht aber nichts, alle wesentlichen Details sind zu erkennen.

Typisch sind die in einem langgestreckten Oval eingefassten kleinen Luftschlitze in der Motorhaube. Durch diesen Kunstgriff wirkt der Vorderwagen länger als er war. Auch die freistehenden Kotflügel wirken sportlich.

Leider sind im roadstertypischen Türausschnitt die seitlichen Steckscheiben montiert, die der Seitenlinie nicht gerade zuträglich sind. Zumindest kann man erkennen, dass direkt hinter den beiden Sitzen das Heck nach hinten abfällt.

Tatsächlich hatte man für die Roadsterausführung den Radstand gegenüber der Basis verkürzt. Gleichzeitig spendierte man dem Modell einen fast doppelt so großen Benzintank. Man kann sich vorstellen, dass das Reisegepäck sich dann im Wesentlichen auf Kamm und Zahnbürste beschränken musste…

Übrigens verraten die Vorderräder mit langen Speichen und kleinen Radkappen, dass dieser Wagen aus dem Erscheinungsjahr 1935 stammen muss. Bis zum Ende der Produktion entstanden bei Horch in Zwickau genau 407 dieser Wagen.

Wer nun aus dem Nummernschild des neben dem Roadster stehenden DKW F2 Cabriolet schließt, dass die Aufnahme in Schleswig-Holstein entstand, liegt daneben.

Werfen wir einen Blick auf die Originalaufnahme:

Erkennt jemand möglicherweise das repräsentative Haus, in dem sich die Bäckerei von Karl Huber befand?

Der Bauweise und den Materialien nach zu urteilen ist dieses Gebäude eher in Süd- als in Norddeutschland anzusiedeln. Auch die Häufigkeitsverteilung des Namens Huber spricht dafür.

Wem das zu spekulativ ist, der sei auf eine weitere Aufnahme aus der Sammlung des Verfassers verwiesen, die dieselben Fahrzeuge zeigt:

Man lasse sich nicht vor den merkwürdigen Schatten oder Dopplungen auf der Kühlerpartie des vorderen Wagens irritieren, die wohl verwacklungsbedingt sind.

Wir sehen hier dasselbe Fahrzeug wie auf der vorherigen Aufnahme. Auf dem Originalabzug kann man auch das Kennzeichen des zweiten Wagens erkennen – es ist identisch mit dem des DKW F2, den wir bereits kennengelernt haben.

Die Kennung „IV B“ auf dem Nummernschild des DKW F5 Front Luxus Roadsters belegt eine Zulassung in der Region Baden. Der DKW aus Schleswig-Holstein, der mit ihm unterwegs war, gehörte wohl Besuchern.

Woher wissen wir, dass es nicht umgekehrt war? Nun, die zuletzt gezeigte Aufnahme ist auf der Rückseite beschriftet. „Halt in Bruchsal“ steht dort, also fand diese Ausfahrt einst im Badischen statt, der Heimat des DKW F5 Roadsters.

Wer jetzt noch Appetit hat, der kann sich zum Abschluss an einem modernen Foto eines überlebenden Exemplars des begehrenswertesten aller Vorkriegs-DKW erfreuen, und zwar hier.

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Ist der Hund zu groß, wirkt jedes Auto klein: DKW F1

Die Freunde der sächsischen Marke DKW finden auf diesem Oldtimerblog so ziemlich jedes Vorkriegsautomodell in historischen Originalfotos. Ein paar kleinere Lücken gibt’s noch zu füllen, doch im Fundus schlummert genug Material.

Bevor wir gelegentlich die noch nicht behandelten DKW-Typen präsentieren, kehren wir heute zum ersten Fronttriebler der Marke zurück. Er war der Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte, die bis in die Nachkriegszeit anhalten sollte.

Zur Erinnerung: Das erste DKW-Automobil war ein konventioneller Hecktriebler, der ab 1928 gebaute Typ P 15 PS.

Mit 2-Zylinder-Zweitaktmotor und Holzaufbau mit Kunstlederbezug nahm er einige Merkmale seiner Nachfolger vorweg. Auch ansprechend gestaltet war dieser erste Versuch von DKW, im Kleinwagensegment Fuß zu fassen:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir den Wagen als 2-sitziges Cabriolet mit seitlichen Steckscheiben und Notsitz im Heck – der stets für die Schwiegermutter reserviert war…

Mit seinem Erstling landete DKW einen Achtungserfolg, vor allem bei Kunden, die die Motorräder der Marke kannten und schätzten. Dieser Klientel ermöglichte ein solches Gefährt den ersehnten Aufstieg in die Automobilklasse.

In der Vorkriegszeit fuhren ja die wenigsten Motorrad aus Leidenschaft und zum Vergnügen. Für den typischen Kradfahrer stellte es bloß eine schnellere Alternative dar, um zur Arbeit zu kommen – bei jedem Wetter, nebenbei.

Der Durchbruch als Autobauer gelang DKW jedoch erst mit seinem Frontantriebswagen, der 1931 auf den Markt kam.

Übergangen wird in diesem Zusammenhang oft, dass die Stettiner Traditionsmarke Stoewer schon Ende 1930 ihren Fronttriebler V5 präsentiert hatte, noch dazu mit Viertakt-Vierzylinder und hydraulischen Bremsen.

Dass dennoch erst DKW und der Frankfurter Hersteller Adler am deutschen Markt dem Frontantrieb zum Durchbruch verhalfen, lag an ihrer industriellen Produktionsweise, die wirtschaftliche Stückzahlen ermöglichte.

Das Ergebnis der hektischen Bemühungen von DKW, dem Stoewer V5 Paroli zu bieten, sah auf den ersten Blick wenig eindrucksvoll aus:

DKW Front FA 600 (später: Typ F1); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Meine Güte, mag man denken, da wirkt ja der Hund fast größer als das Auto. Nun, daran ist natürlich der Hund schuld, der sich hier ins Foto gemogelt hat.

Hier dürften wir es mit einem irischen Wolfshund zu tun haben, der wohl größten Hunderasse Art überhaupt. Gegenüber diesem Tier muss natürlich jedes Automobil klein wirken.

Dass der erste DKW Frontantriebswagen, später als Typ F1 bezeichnet, für sich genommen durchaus erwachsen wirkt, beweist folgende schöne Aufnahme:

DKW F1 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das sieht doch schon ganz anders aus – wiederum ein DKW F1 Cabriolet, aber scharf und kontrastreich irgendwo im Badischen (Kennung: IV B) aufgenommen.

Keiner anderen deutschen Marke gelang es, einen Kleinwagen mit 15 PS aus 600 ccm so wertig und wohlproportioniert aussehen zu lassen. Ohne Hund als Vergleichsmaßstab wirkt das nur 500 kg wiegende Vehikel fast wie „ein Großer“.

Kein Wunder, dass DKW davon bis 1932 rund 4.000 Exemplare absetzen konnte – für deutsche Verhältnisse damals ein achtbares Ergebnis.

Doch erst ab Mitte der 1930er Jahre sollten die Nachfolgemodelle F 5 bis F 8 ein echter Großserienerfolg werden. So gehört der F1 heute zu den seltensten überlebenden Automodellen von DKW.

Wieviele – oder besser: wie wenige – mag es davon noch geben? Der Verfasser schätzt bestenfalls einige Dutzend. Da gibt es ja glatt mehr Bugatti-Nachbauten!

Der Altauto-Gourmet schaut nicht auf Leistung und Prestige, sondern genießt wirkliche Raritäten, am besten mit Historie, original und unverbastelt.

Größe ist relativ und an der Tankstelle ist man mit solch einem Gefährt beinahe ein König – doch wo ist nur die Zweitakt-Zapfsäule geblieben?

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Für die Freunde des Besonderen: DKW F2 „Spezial“

Dass die Vorkriegsautos von DKW immer wieder für Überraschungen gut sind, das konnten wir auf diesem Oldtimerblog schon des öfteren beweisen.

Ob nun Lieferwagenumbauten des Typs F1, die Roadster-Ausführung des F5 oder der entfernte Verwandte Tornax „Rex“ – das Stöbern in alten Originalfotos zaubert die ganze Vielfalt an Typen und Karosserieausführungen wieder hervor.

Im Fall von DKW sind die meisten davon im Standardwerk „DKW-Automobile 1907-1945“ von Thomas Erdmann hervorragend dokumentiert, das mit Unterstützung von Audi Tradition 2012 im Delius-Klasing-Verlag erschien.

Doch heute präsentieren wir ein Exemplar, das bislang in der einschlägigen Literatur nicht dokumentiert ist, und zwar dieses hier:

DKW F2 Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick verdient diese Aufnahme in mäßiger Qualität keine besondere Aufmerksamkeit.

Klar war von Anfang an, dass sie einen der populären DKW-Fronttriebler der frühen 1930er Jahre zeigt – was sollte da schon Überraschendes zu finden sein?

Der Typ als solcher ist anhand der leicht schräg stehenden, schmalen Luftschlitze in der Motorhaube schnell identifiziert: Dass wird ein DKW F2 sein, wie er von 1932-35 in fast 30.000 Exemplaren gebaut wurde.

DKW-Kenner werden einwenden, dass es auch der Nachfolgetyp F5 in der „Reichsklasse“-Ausführung sein könnte. Ja, die Haubenschlitze sahen dort genauso aus, doch diese Basisversion verfügte über keine Zierleiste entlang der Haube.

Und wo wir schon bei solchen Details sind: schauen wir doch einmal genauer hin:

Wer sich ein wenig mit der Geschichte der DKW-Frontantriebswagen der Vorkriegszeit ein wenig auskennt, dem wird der markante Aufwärtsschwung besagter Zierleiste zur A-Säule hin auffallen.

Die Leiste setzt sich dann – in einer Sicke verlaufend – nach hinten weiter fort. Beim DKW F2 gab es den erwähnten Knick der seitlichen Leiste nicht.

Damit ist ein Anfangsverdacht gegeben: Könnte das eine Sonderkarosserie auf Basis des DKW F2 sein?

Tatsächlich finden sich weitere Details, die deutlich von der Serienausführung abweichen: So fällt auf, dass die Vorderschutzbleche weiter nach unten gezogen sind, auch die großen Radkappen fallen aus dem Rahmen.

Dann wäre da noch das Farbschema: Zweifarblackierungen waren zwar bereits beim DKW F2 Standard (von der ganz schwarzen Ausführung abgesehen). Doch hier waren immer nur die Kotflügel von der übrigen Karosserie abgesetzt.

Auf unserem Foto ist aber die gesamte Partie oberhalb der Gürttelinie dunkler gehalten: 

Wenn nicht alles täuscht, weisen alle Partien den gleichen Grad an Glanz auf – das würde für eine Stahlkarosserie sprechen, während bei den Serienausführungen der DKW Fronttriebler ein Großteil des Aufbaus stoffbespannt war. Dort war kein vergleichbar glänzender Lackauftrag möglich wie auf Blech.

Zuletzt sei auch auf das ungewöhnlich tief sitzende Auto-Union-Emblem auf dem Kühlergrill verwiesen. Bei Serienwagen war es im oberen Drittel montiert.

Alles in allem spricht einiges für eine Spezialausführung des DKW Front F2, die von einer eigenständigen Karosseriebaufirma angefertigt wurde.

Möglich, dass dieser Aufbau erst entstand, nachdem der Wagen schon ein paar Jahre alt war. Die Werkskarosserien waren speziell in feuchtem Klima nicht sonderlich haltbar und bei Unfällen kaum reparabel.

Auf einen nachträglichen Neuaufbau deuten auch die großen Radkappen der Scheibenräder hin, die es erst bei späteren DKW-Typen gab.

Stil und Qualität der Ausführung dieses DKW F2 lassen an die Firma Hornig & Co. aus Meerane unweit von Zwickau in Sachsen denken. Von Hornig stammten auch etliche der hochwertigen Ganzstahlausführungen späterer DKW-Modelle.

Ja, so führt ein banal wirkendes Foto eines DKW-Vorkriegswagens vielleicht zu einer bisher unbekannten Sonderausführung. Leser, die dazu etwas Erhellendes beitragen können, mögen bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Ist es nicht eine Freude, wie eine scheinbar abgeschlossene Episode der Automobilgeschichte immer noch Anlass zu Überraschungen und Recherchen gibt?

Wen das angesichts des deprimierenden Wetters (Anfang Mai 2017) noch nicht glücklich macht, dem zaubert vielleicht der folgende Schlager aus der großen Zeit von DKW ein Lächeln auf die Lippen:

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von Deutschlandsender

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Ein Zweitakter mit sieben Leben: DKW Front F7

Freunde von Vorkriegsautos haben es hierzulande nicht so leicht wie in England, wo das ganze Jahr über fast jedes Wochenende bei irgendeinem „Hillclimb“ richtig alte Autos im Einsatz zu sehen sind.

Doch immerhin gibt es bei uns die fabelhaften „Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein, die Classic Gala im Schwetzinger Schlosspark oder auch kleine, aber feine Veranstaltungen wie dieVintage Race Days im niedersächsischen Rastede:

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von: Heyelmann Filmproduction www.hey-pro.de

Bei all‘ diesen großartigen Festivitäten gewinnt ein unbeleckter Besucher allerdings den Eindruck, dass in der Vorkriegszeit vor allem Bugattis, Bentleys und Kompressor-Mercedes gefahren wurden.

So erhebend es ist, solche Kostbarkeiten in Bewegung zu erleben, so sehr wünscht man sich eine ergänzende Präsenz der einst das alltägliche Straßenbild bestimmenden Marken.

Dazu zählen neben US-Wagen, die Ende der 1920er Jahre einen heute unvorstellbaren Marktanteil im deutschsprachigen Raum hatten, auch untergegangene, doch populäre Hersteller wie Adler, Hanomag und DKW.

Ihre einstige Bedeutung lässt sich auf zeitgenössischen Fotos gut nachvollziehen. Umso bedauerlicher ist es, dass sie auf den von Prestigemarken dominierten Veranstaltungen nur selten vertreten sind.

Der heutige Blogeintrag soll veranschaulichen, wie omnipräsent Vorkriegswagen waren, die heute immer noch bezahlbar, aber auf einschlägigen Großveranstaltungen kaum präsent sind.

Nehmen wir der Einfachheit halber den DKW Front F7, der von 1936-39 in über 100.000 Exemplaren gebaut wurde. Vorgestellt haben wir diese Variante des sächsischen Zweitakters mit Frontantrieb bereits hier.

Zur simplen, aber verlässlichen Technik dieser maximal 20 PS leistenden Wagen muss man nicht viel sagen. Formal gehören sie wohl zu den attraktivsten Kleinwagen der Vorkriegszeit, was zu ihrer Verbreitung beigetragen haben dürfte.

Von den Vorgängern unterscheidet den DKW F7 vor allem das profilierte Blech mit vielen Luftschlitzen an der Seite der Motorhaube:

DKW F7 Reichsklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme, die im Juni 1937 in Frankfurt am Main entstand, zeigt eine DKW F7-Limousine mit Zulassung in der südlich des Mains liegenden Provinz Starkenburg.

Das Fehlen einer seitlichen Chromleiste auf der Haube verrät, dass wir es mit der Basisversion „Reichsklasse“ zu tun haben. Dazu passen die lackierten Radkappen.

Die besser ausgestattete Variante „Meisterklasse“ sehen wir auf folgender Aufnahme:

DKW F7 Reichsklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das im März 1939 entstandene Foto lässt die Zierleiste auf der Motorhaube und die Chromradkappen erkennen, die typisch für die Ausführung „Meisterklasse“ war.

Sechs Monate nach dieser Aufnahme begann der 2. Weltkrieg und der Großteil der Zivil-PKW wurde für militärische Zwecke beschlagnahmt. Damit änderte sich meist auch das Erscheinungsbild der Wagen radikal:

DKW F7 Meisterklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses im Februar 1940 im österreichischen Weiler Scheuchenstein entstandene Foto zeigt ebenfalls einen DKW F7 Meisterklasse. Doch sind hier alle Chromteile mattgrau überlackiert worden wie der Rest der Karosserie. 

Offenbar hat der Wehrmachtssoldat mit seinem DKW einen Abstecher zur Familie gemacht – solche „Lustreisen“ waren in der Frühphase des Kriegs nicht selten.

Auch die folgende Aufnahme zeigt einen DKW F7 im Dienst der Wehrmacht, hier noch mit zivilem Nummernschild aus der Provinz Schlesien (heute Teil Polens).

DKW F7 Meisterklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wann und wo diese Aufnahme entstand, wissen wir nicht. Jedenfalls ist sie ein weiterer Beleg, dass die leichten und verlässlichen DKW-Zweitakter auch bei der Wehrmacht geschätzt wurden – wie die Motorräder der Marke ebenfalls.

Übrigens besitzt dieser Wagen die 1938 eingeführte Lufthutze im oberen Frontscheibenholm mit seitlich angebrachten Scheibenwischern.

Die dritte Ausstattungsvariante „Reichsklasse Spezial“ ist auf nachfolgendem, interessanten Abzug dokumentiert:

DKW F7 Reichsklasse Spezial; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Version verfügte über eine Zierleiste entlang der Motorhaube wie die „Meisterklasse“, besaß aber nur die lackierten Radkappen der „Reichsklasse“.

Das Foto zeigt einfache Wehrmachtssoldaten vor einer vielleicht zum Lazarett umfunktionierten „Psychiatrischen Nervenklinik“. Wie der offenbar von einem US-Soldaten vorgenommene handschriftliche Vermerk „We will get them“ – „Wir werden sie kriegen“ auf den Abzug gelangt ist, bleibt ein Geheimnis.

Auf dem nächsten Foto ist der 2. Weltkrieg jedenfalls zuende. Doch dass Deutschland ein besiegtes und besetztes Land ist, ist unübersehbar:

DKW F7 Meisterklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese DKW F7 Cabriolimousine trägt ein Kennzeichen aus der französisch besetzten Zone Rheinland-Pfalz (Buchstaben „FR“).

Hier haben wir es mit einer „Meisterklasse“-Ausführung zu tun, wie die Chromradkappen und die Zierleiste entlang der Motorhaube verraten.

Nur die vorderen Stoßstangenecken waren wohl dermaßen mitgenommen, dass man sie in Wagenfarbe lackiert hat. Nicht zur Werksausstattung gehören außerdem die großen und sehr hoch angebrachten Scheinwerfer.

Solche Modifikationen sind typisch für viele überlebende Autos der Vorkriegszeit und erzählen davon, dass der Auslieferungszustand, den heute viele „Restauratoren“ anstreben, nur eine von vielen möglichen Momentaufnahmen darstellt.

So lassen sich anhand der Fotos in diesem Blogeintrag sieben Leben des DKW F7 dokumentieren, die allesamt historisch bedeutend sind.

Die schönste Variante ist vielleicht diese Nachkriegsaufnahme aus Cham in Bayern:

DKW F7; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier lacht uns eine gut aufgelegte junge Dame an, die es sich auf einem festlich geschmückten DKW F7 gemütlich gemacht hat.

Wie es scheint, trägt der Wagen mit Zulassung in der amerikanischen Zone Bayern („AB“) noch seinen winterlichen Kühlerschutz, doch ansonsten steht er makellos da.

Das waren sieben Leben des DKW F7 und man wünscht sich, dass diese Zeitzeugen auch heute auf Veranstaltungen mehr von ihrer abwechslungsreichen Vita erzählen würden.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Cyclecar mit Zweitaktherz: Tornax „Rex“

Die abwechlungsreiche Gattung der Cyclecars ist auf diesem Oldtimerblog bislang nur gestreift worden. Das liegt nicht an mangelndem Interesse des Verfassers.

Tatsächlich gehören die leichten Sportwagen mit schmalen Rädern in Motorradmanier und freistehenden Vorderschutzblechen zu den reizvollsten Vorkriegsautos. Vor allem französische Hersteller wie Amilcar, BMC, Rallye und Salmson bauten solche Automobile für den Sportsmann.

Hier geht es aber schwerpunktmäßig um Wagen, die einst im deutschen Sprachraum unterwegs waren und auf zeitgenössischen Fotografien dokumentiert sind. Da kommt es selten vor, dass einem ein Cyclecar ins Netz geht.

Immerhin konnten wir bereits einen Grofri, einen Mathis und einen Rally dingfestmachen. Heute wird ein weiterer Fang vorgestellt – und damit zugleich eine besondere Rarität:

Tornax „Rex“, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer diesen Blog schon länger verfolgt, erinnert sich vielleicht, dass vor längerem ein Foto besprochen wurde, auf dem zumindest die markante Kühlerpartie dieses Typs zu sehen war (Bildbericht).

Heute können wir endlich ein vollständiges Exemplar dieses nur 168mal gebauten Sportwagens zeigen, der zum rassigsten gehört, was deutsche Autohersteller in den 1930er Jahren in dieser Klasse hervorbrachten.

Der Begriff des Cyclecars war da bereits von gestern – auch in Frankreich war die große Zeit dieser Fahrzeuggattung vorbei. Doch formal wie technisch gehört das Auto klar in diese Schublade.

Schauen wir uns den kleinen Prachtkerl näher an:

Mit etwas Phantasie lässt sich der Schriftzug auf dem Kühlergrill entziffern: „TORNAX“ steht dort.

Motorradfreunden ist diese Marke natürlich ein Begriff. Tornax aus Wuppertal genoss einen legendären Ruf als Hersteller schwerer Sportmaschinen mit englischen Einbaumotoren.

Die 1931 vorgestellte 1.000er Tornax leistete sagenhafte 72 PS und war gut für 190 km/h. Damit war sie seinerzeit das schnellste Serienmotorrad der Welt.

1934 wagte Tornax einen Ausflug in die Automobilproduktion und landete immerhin einen Achtungserfolg. Dazu „frisierte“ man einen 700ccm Zweitaktmotor aus dem DKW Frontantriebswagen F2, sodass dieser 23 PS leistete.

Dieses Motörchen kombinierte man mit einem selbstkonstruierten Zentralrohrrahmen und einem Aufbau vom Karosserieschneider Hebmüller.

Das Ergebnis mit dem Namen Tornax „Rex“ wog nur 700 kg und durchbrach damit die für herkömmliche DKWs unerreichbare Marke von 100 km/h. Die Straßenlage profitierte von einer gegenüber den DKWs breiteren Spur.

Lob erhielt der Tornax „Rex“ jedoch vor allem aufgrund seiner rasant wirkenden Roadsterkarosserie, die auch einem britischen Wagen Ehre gemacht hätte.

Hier hatte Hebmüller mal wieder ganze Arbeit geleistet, wie überhaupt die Vorkriegsentwürfe der vor allem für ihr VW-Cabriolet bekannten Firma durch gelungene Linienführung auffallen.

Doch bei aller Schönheit und gewissen sportlichen Qualitäten stand der hohe Preis einem größeren Erfolg des Tornax „Rex“ entgegen. Erschwerend hinzu kam, dass DKW ab 1935 einen eigenen Roadster baute – der noch vorzustellen ist…

So endete die Serienproduktion des Tornax „Rex“ im Jahr 1936, einige wenige Exemplare wurden später aus noch vorhandenen Teilebeständen montiert.

Heute gehört das Auto zu den seltensten Autos auf DKW-Basis überhaupt. Das dürfte auch 1952 der Fall gewesen sein, als sich diese Herrschaften aus dem Städtchen Lage im Lipper Land mit dem Tornax „Rex“ ablichten ließen:

Zum Aufnahmezeitpunkt war der Tornax schon über 15 Jahre alt und die Umstehenden bzw. die Insassin waren ebenfalls nicht mehr die Jüngsten.

Der Wagen war den Krieg über vermutlich stillgelegt. Für die Wehrmacht war er mangels Platzangebot uninteressant, sodass er wohl nicht eingezogen wurde.

Federn hat der Tornax gleichwohl lassen müssen und man wüsste gern, wie es dazu kam. Denn er verfügt über mindestens drei unterschiedliche Räder:

Original ist nur das in Fahrtrichtung rechte Speichenrad an der Vorderachse. Das linke Scheibenrad könnte von einem DKW F2 stammen, dem Spender von Motor und Vorderachse des Tornax „Rex“.

Das stärker geschüsselte schwarze Scheibenrad mit der Chromkappe hinten links dürfte eher von einem DKW F5 stammen.

Denkbar ist, dass die leicht verfügbaren Scheibenräder montiert wurden, nachdem es Speichenbrüche bei den anderen Rädern gegeben hatte. Andererseits war ein Speichentausch damals keine große Sache, sollte man meinen.

Vielleicht hat ein Leser eine Erklärung für diese heute undenkbare Mischung an Rädern.

Eine seltene Gelegenheit, einen Tornax „Rex“ eingehend zu betrachten, gab es 2016 bei der „Classic Gala“ in Schwetzingen. Dort entstand folgendes Video, in dem der Wagen gut zur Geltung kommt (Musik unpassend, Ton besser stummschalten):

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von: Automobile Classics

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DKW Front Luxus Cabrio trifft alten Wanderer

Als Betreiber eines Oldtimerblogs für Vorkriegswagen ohne Markenbindung hat man es nicht leicht: Weit über tausend Hersteller gab es einst allein in Europa. Da kann man nicht auch noch Ahnung von zeitgenössischen Autos haben.

Das ist vermutlich der Grund dafür, dass der Verfasser moderne Wagen der letzten – sagen wir zehn – Jahre nicht auseinanderhalten kann.

Aufgefallen ist ihm zwar, dass die Karosserien immer gestaltloser, die Namen immer abstruser und die Materialien immer aseptischer werden – doch einen aktuellen Peugeot zum Beispiel kann er nach wie vor nicht vom Vor-Vorgänger unterscheiden.

Merkwürdig: Bei den Automobilen der Vorkriegszeit machten zwei Modellgenerationen oder zehn Jahre Welten aus – formal wie technisch.

Das folgende Foto aus den 1930er Jahren, das zwei typische Wagen aus deutscher Produktion zeigt, macht das anschaulich:

DKW F5 Front Luxus Cabriolet und Wanderer W10-1 Tourenwagen

Links haben wir ein satt auf der Straße liegendes Cabriolet mit großzügigem Einstieg und elegant geschwungenen Radkästen. Die filigranen Speichenräder glänzen mit Chromkappen, dahinter großdimensionierte Bremstrommeln. Kühler, Frontscheibe und Heckpartie sind strömungsgünstig geneigt.

Rechts dagegen ein hochbeiniges Gefährt mit rustikalen Felgen, kleinen Bremsen (immerhin vier!) und primitiven Schutzblechen. Der Einstieg führt durch schmale Türen über ein Trittblech nach oben. Frontpartie und Winschutzscheibe stehen senkrecht im Wind. Am unförmigen Heck ist das Reserverrad lieblos montiert.

Jetzt die Preisfrage: Wieviele Jahre liegen zwischen diesen Autos, die beide in Sachsen entstanden und hier einträchtig an einer Tankstelle haltmachen?

20 Jahre? 15, 10? Die richtige Antwort lautet: 8 (in Worten: acht). Tja, solche Entwicklungssprünge waren bei Großserienautos in der Vorkriegszeit normal. Und da reden wir bisher nur von Äußerlichkeiten.

Beginnen wir mit dem älteren der beiden Wagen, einem Wanderer W10-I von 1927:

Auf die Marke Wanderer kam der Verfasser, weil er sich an ein Foto eines Wagens der Marke erinnerte, das ein ganz ähnliches Heck aufwies, das Modell W8 5/20 PS.

Dessen 1926 vorgestellter Nachfolger W10 war zwar in mancher Hinsicht moderner – so besaß er Vierradbremsen und leistete 30 PS. Doch der Tourenwagen besaß nach wie vor das unglücklich gestaltete Heck mit dem senkrecht angehängten Reserverrad.

Die übrigen Details – die farblich abgesetzten Schweller, Form und Anordnung der Luftschlitze in der Motohaube, selbst die Zahl der Radbolzen – passen ebenfalls zum Wanderer W 10-I, wie er bis 1927 gebaut wurde.

1928 legte Wanderer angesichts der Konkurrenz aus den USA nach und steigerte die Leistung des W-10 drastisch auf 40 PS. Damit gingen auch äußerliche Änderungen einher- doch das ist eine andere Geschichte, die des Wanderer W10-II.

Machen wir nun einen Sprung ins Jahr 1935:

Hier haben wir es – wie schon beschrieben – mit einem völlig neuen Konzept zu tun.

So stellt man sich einen deutschen Serienwagen der 1930er Jahre vor: Wohlproportioniert, jedoch nicht extravagant, mit ein paar feinen Details wie der als Kometenschweif auslaufenden Seitenleiste und der Einfassung des Ersatzrads.

Wer auf diesem Blog die Einträge zur Marke DKW verfolgt hat, weiß sofort Bescheid: Das ist das Front Luxus Cabriolet, das auf Basis des Modells F5 bei Horch in Zwickau mit Stahlkarosserie gebaut wurde.

Dies war nicht nur die eleganteste, sondern auch die haltbarste Variante der populären Zweitakt-Wagen von DKW, die schon Frontantrieb besaßen. Damit ließen sie fahrwerkstechnisch den Wanderer W10 „alt“ aussehen.

Mit gerade einmal 20 PS war der DKW dem 50 % stärkeren Wanderer zwar auf dem Papier unterlegen. Doch im Spitzentempo von 85 km/h lag er gleichauf, und das bei rund 30 % geringerem Verbrauch.

Deshalb brachten die aus heutiger Sicht schwachen deutschen Wagen der 1930er Jahre im Alltag erhebliche Vorteile gegenüber ihren schweren Vorgängern der 20er mit sich.

Und in puncto Fahrkomfort machten die gerade einmal acht Jahre, die die beiden Wagen auf unserem Foto voneinander trennten, Welten aus. Müsste sich der Verfasser für einen der beiden entscheiden, würde er dennoch beide nehmen wollen…

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Alte Liebe rostet nicht: DKW PS 600 Sport um 1960

Die Vorkriegswagen von DKW haben heute noch viele Freunde – sie stehen für gefällige,  bezahlbare und anspruchslose Klassiker.

Speziell das erste PKW-Modell von DKW – der Typ P 15 PS von 1928 – war allerdings noch ein sehr simples Gefährt – an so etwas wie „Sport“ denkt man da zuallerletzt:

DKW Typ P 15 PS, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So behäbig wie die drei Herren in dieser 3-sitzigen DKW Cabriolimousine, die ab 1929 verfügbar war, muss man sich auch das Leistungsvermögen vorstellen.

Der 2-Zylinder-Zweitakter mit knapp 600 ccm brachte es auf ganze 15 PS, je nach Aufbau waren damit maximal 80 km/h drin. Doch für viele DKW-Käufer, die vom Motorrad kamen, war dies das erste Auto überhaupt und damit eine Offenbarung.

Bis zu den herrlichen DKW Front Luxus Cabriolets, die wir auf diesem Oldtimerblog schon öfters vorgestellt haben war es freilich noch ein langer Weg.

Doch ließ es sich DKW nicht nehmen, von seinem Erstling schon ab 1929 auch eine Sportversion anzubieten, das Modell PS600 mit 18 PS – genug für Tempo 100!

Man mag heute darüber lächeln, doch optisch war der Wagen jedenfalls ein großer Wurf, der offenbar noch 30 Jahre später Besitzer und Betrachter begeisterte:

DKW PS 600 Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mit Reifen in Motorraddimension, dünnen Schutzblechen und minimalistischer Roadsterkarosserie war der DKW PS600 ein später Vertreter der Gattung „Cyclecar“, die in Deutschland nie so verbreitet war wie bei unseren französischen Nachbarn.

Mit diesem Gerät trat DKW 1930 sogar bei der Rallye Monte Carlo an. Der Wagen startete in Reval (Estland) und absolvierte die rund 2.800 km lange Strecke anstandslos. Hut ab vor den Insassen!

Wir dürfen davon ausgehen, dass die Automobilisten jener Zeit generell härter im Nehmen waren als viele heutige Liebhaber, die reine Schönwetterfahrer sind. Der Verfasser nimmt sich dabei selbst keineswegs aus.

Der Besitzer des DKW PS 600 auf unserem Foto war vermutlich noch ein junger Mann, als er den Wagen um 1930 kaufte. 30 Jahre später, als die Aufnahme entstand, scheint er immer noch damit glücklich gewesen zu sein: 

Der Abzug trägt auf der Rückseite den Stempel eines Fotogeschäfts aus dem Ostberliner Stadtteil Pankow. So können wir davon ausgehen, dass diese schöne Aufnahme bei einem Oldtimertreffen in der einstigen DDR entstand.

Es gibt noch ein weiteres Klassikerfoto, das bei derselben Gelegenheit geschossen wurde und hier gelegentlich vorgestellt wird. Das Erscheinungsbild der Besucher auf dieser Aufnahme spricht ebenfalls für eine Entstehung um 1960.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ostdeutschen wie ihre Landsleute im Westen die Not der Nachkriegsjahre hinter sich gebracht. Zugleich hatten Planwirtschaft und staatliche Unterdrückung noch nicht ihre volle Wirkung entfalten können.

So fällt auf, dass die DDR-Bewohner auf Fotos vor dem Mauerbau oft gesünder, zufriedener und selbstbewusster wirkten, als dies später der Fall war. Die zunehmende Mangelwirtschaft und die seelischen Zerstörungen, die das sozialistische Regime anrichten sollte, machten sich erst nach und nach bemerkbar.

So bedrückend es ist zu wissen, dass die Ostdeutschen auf den Fotos jener Zeit noch Jahrzehnte der Unfreiheit und politischen Terrors vor sich hatten, so erfreulich sind die Zeugnisse, die vom Willen vieler erzählen, sich zumindest die herrlich unvernünftigen Autos der Vorkriegszeit nicht nehmen zu lassen.

In vielen Fällen war ein Vorkriegs-Auto ohnehin die bessere Wahl als die staatlich verordneten Vehikel, die den Fähigkeiten der Konstrukteure und den Bedürfnissen der Bürger gleichermaßen Hohn sprachen.

Wer im Arbeiter- und Bauernstaat etwa einen 6-Zylinderwagen fahren wollte, musste entweder ein Politbonze sein – dann galten natürlich andere Regeln als für die übrigen „Genossen“ – oder musste zusehen, dass er an einen der raren BMWs, Opels oder Mercedes herankam, die den Krieg überstanden hatten.

Dem Enthusiasmus und dem Improvisationsvermögen der Oldtimerliebhaber in der DDR hat die deutsche Klassikerszene jedenfalls das Überleben von Wagen zu verdanken, die im Westen fast ausnahmslos verschrottet wurden.

Interessant wäre es zu erfahren, wieviele der nur 500 (!) jemals gebauten DKW PS 600 Sport-Roadster in Ostdeutschland überlebt haben und wieviele im Westen.

Wie es der Zufall will, haben wir hier vor längerer Zeit bereits ein Nachkriegsfoto desselben Typs vorgestellt:

DKW Typ PS 600, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme entstand ebenfalls um 1960 in Ostberlin und zeigt höchstwahrscheinlich dasselbe Auto in voller Fahrt an einem regnerischen Tag.

Der hervorragende Zustand des DKW-Roadsters auf beiden Fotos lässt vermuten, dass dieser Wagen heute noch existiert. Vielleicht weiß jemand mehr darüber…

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