1929: Mercedes-Veteran im Dienst der Reichswehr

Heute wollen wir uns in diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos mit einem rätselhaften Wagen befassen, bei dem der Verfasser wenig mehr Gesichertes als die Marke ins Feld führen kann.

Um es vorwegzunehmen: Es geht um einen „Mercedes“-Tourenwagen, der auf einem Foto von 1929 festgehalten ist – in erfreulicher Qualität. Kann es denn so schwer sein, einen Vorkriegs-Mercedes zu identifizieren?

Ja, es kann. Weder die dem Verfasser zugängliche Literatur noch das Online-Archiv der Daimler AG lieferte einen Treffer – trotz akribischer Suche.

Nun aber genug der Vorrede – hier haben wir das gute Stück:

Mercedes_ab_1914_04-1929_Galerie

Mercedes-Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der mit sechs Soldaten der deutschen Reichswehr besetzte Tourenwagen könnte alles Mögliche sein, wäre da nicht der Spitzkühler mit dem Mercedes-Stern.

In der Serienproduktion taucht der Spitzkühler bei den Mercedes-Wagen von Daimler ab 1914 auf, so heißt es in der Literatur. Bei anderen deutschen Marken wie Adler und Benz ist um diese Zeit dasselbe Phänomen zu beobachten.

Für Markenspezialisten hier die Kühlerpartie in der Ausschnittsvergrößerung:

Mercedes_ab_1914_04-1929_Frontpartie

Wir halten fest: Neben dem Mercedes-Kühler besitzt der Wagen drei Luftschlitze im hinteren Bereich der Motorhaube und eine Griffmulde darunter.

Genau diese Details bereiten Schwierigkeiten. Ja, es gibt Aufnahmen von Mercedes-Wagen der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg, auf denen drei bis vier Luftschlitze zu sehen sind, die befinden sich aber meist in der Vorderpartie.

Nur bei frühen Flachkühlermodellen sieht man bisweilen drei Luftschlitze im hinteren Bereich der Haube. Gegen eine frühe Entstehung des Mercedes sprechen aber neben dem Spitzkühler die elektrischen Scheinwerfer und die gepfeilte Frontscheibe.

Aus stilistischer Perspektive würde der Verfasser diesen Mercedes als sehr frühes Nachkriegsmodell ansprechen. Darauf deutet neben den erwähnten Details auch der Verzicht auf einen flotten Schwung des Heckkotflügels hin:

Mercedes_ab_1914_04-1929_Heckpartie

Nach 1918 verzichtete man allgemein nach und nach auf den expressiven Schwung, mit dem man den Heckkotflügel zuvor gern auslaufen ließ.

Auch der bei deutschen Marken direkt nach dem Krieg noch beliebte ausgeprägt „tulpenförmige“ Karosserieaufbau ist auf dem Foto bereits einer sachlichen, beinahe plumpen Gestaltung gewichen.

Auch das spricht aus Sicht des Verfassers für eine Nachkriegsdatierung des Mercedes. Damit ist er mit seinem Latein aber auch am Ende.

Es mag sich bei dem Mercedes den Dimensionen nach zu urteilen um ein Modell in der 20-30 PS-Klasse gehandelt haben, aber Genaueres wüsste man schon gern.

Sicher ist nur, dass dieser Wagen noch Ende der 1920er Jahre diesen Herren von der deutschen Reichswehr als fahrbarer Untersatz diente:

Mercedes_ab_1914_04-1929_Insassen Abgesehen vom Chauffeur im Kraftfahrerdress mit doppelt geknöpfter Lederjacke scheint es sich um Offiziere zu handeln, wofür die silberne Schnur am Vorderteil der Mützen spricht.

Vielleicht können sachkundige Leser Näheres zum Rang der Soldaten sagen und eine Einordnung der Aufnahmesituation mit dem zivil wirkenden Mercedes wagen.

Am Tag der Aufnahme im April 1929 war der Wagen jedenfalls auf einer Straße unterwegs, die zu einem Restaurant namens „Luisenburg“ führt, dem Namen nach vermutlich im bayrischen Fichtelgebirge.

Der Mercedes war zu diesem Zeitpunkt formal wie technisch bereits ein Veteran – dasselbe darf man von den beiden Militärs auf dem Rücksitz annehmen.

Was aber war das für ein Typ und wie ist die Karosserie einzuordnen? Für eine Werksanfertigung wirkt sie wenig gekonnt, haben wir hier vielleicht einen individuellen Neuaufbau der 1920er Jahre vor uns?

Überzeugende Vorschläge zur Identifikation sind willkommen und werden im Blogeintrag aufgenommen, also: Mercedes-Freunde an die Front!

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Zeitreise: Mercedes-Benz „Stuttgart“ von 1929

Im letzten Blog-Eintrag ging es um einen über 100 Jahre alten Hubraumgiganten von Benz, der im 1. Weltkrieg vor einem Schloss in Belgien abgelichtet worden war.

Hier nochmals ein Bildausschnitt, der die Frontpartie zeigt:

Benz_evtl_25-55_PS_Schloss_Verviers_Ausschnitt2

Einige Leser wiesen auf die Ähnlichkeit des mächtigen Automobils mit zeitgenössischen Mercedes-Wagen hin – damit liegen sie keineswegs verkehrt.

An der Identifikation des Fahrzeugs als Benz ab Baujahr 1914 gibt es zwar nichts zu deuteln, doch die Kühlerpartie ähnelt tatsächlich stark jener von Mercedes-Autos des damaligen Stuttgarter Konkurrenten Daimler.

Doch die trugen bekanntlich einen Stern auf oder beidseitig am Kühler. Die folgende zeitgenössische Originalreklame lässt dieses Detail gut erkennen:

Mercedes_Reklame_1919_Galerie

Mercedes-Reklame von 1919; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Interessant ist, dass diese Reklame 1919 erschien. Offenbar verwendete man ein Motiv aus der Zeit des 1. Weltkriegs wieder, neue Autos hatte man ja nicht im Angebot. Und das militärische Umfeld war noch frisch im Bewusstsein.

1919 war die Zeit des fatalen „Friedensvertrags“ von Versailles, an dem die deutsche Seite so gut wie nichts mitzuverhandeln hatte, aber den sie auch nicht ausschlagen konnte, da sonst eine Besetzung Deutschlands drohte.

Insofern war das Sujet dieser Reklame noch aktuell, nur die darauf abgebildeten gasbetriebenen Scheinwerfer waren inzwischen überholt.

Einige Jahre später – 1925 – kam es zum Zusammenschluss der Firmen Daimler und Benz zu dem bis heute existierenden Konzern, in dessen Name leider nur „Daimler“ überlebt hat.

Nachfolgend eine originale Anzeige genau aus der Zeit der Fusion der beiden Traditionsmarken:

Mercedes-Benz-Reklame_ab_1925_Galerie

Mercedes-Benz-Reklame aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sind die Firmen Daimler aus Stuttgart und Benz aus Mannheim noch einmal separat nebeneinander aufgeführt. Unter dem raffiniert gezeichneten Cabriolet mit für beide Marken typischem Spitzkühler steht aber bereits „Mercedes-Benz“.

Mit diesem schönen Dokument wollen wir zu einem besonderen Produkt dieser „Ehe“ überleiten – dem Mercedes-Benz „Stuttgart“.

Am Anfang seiner Entstehungsgeschichte steht das von Ferdinand Porsche im Jahr 1925 neuentwickelte Sechszylindermodell 8/38 PS, das wir hier (teilweise) sehen:

Mercedes_8-38_PS_viertürige_Limousine_Galerie

Mercedes-Benz 8/38 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses an einigen Kinderkrankheiten laborierende Modell wurde nach dem Weggang Porsches vom ehemaligen Benz-Konstrukteur Hans Nibel verbessert.

Der ab 1929 als Mercedes-Benz „Stuttgart“ bezeichnete Wagen erfüllte die Erwartungen an einen kultivierten, leistungsfähigen und in Maßen sportlichen Mercedes. Gelobt wurden die Straßenlage und die zupackenden Vierradbremsen.

Bis 1934 entstanden über 20.000 Exemplare des Mercedes 8/38 PS und der verbesserten Nachfolgerversion „Stuttgart“ 200 bzw. 260 (mit 50 PS-Motor).

Die folgende Bilderserie zeigt einen dieser feinen Wagen in den 1930er Jahren:

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Mercedes-Benz „Stuttgart“; Originalfoto von Holger Ahlefelder

Das ist eine in vielerlei Hinsicht reizvolle Aufnahme, die wir Leser Holger Ahlefelder aus Dortmund verdanken. Sie zeigt das zweitürige Cabriolet C mit Karosserie von Reutter aus Stuttgart in besonders vorteilhafter Perspektive.

Der Wagen trägt auf der Mittelstange zwischen den Scheinwerfern das Emblem des DDAC („Der Deutsche Automobil-Club“). Der DDAC war 1933 durch Zusammenlegung der deutschen Automobilclubs (ADAC, AvD usw.) entstanden.

Dieses Detail und das Hoheitszeichen in den Stempeln auf dem Nummernschild verrät, dass das Foto zwischen 1933 und 1939 entstanden sein muss. Übrigens wissen wir auch wo!

Der Verfasser erkannte gleich das Tor zur Friedberger Burg im Hintergrund, die sich in strategisch hervorragender Lage auf einem Felssporn befindet, von dem aus die alte Kulturlandschaft der hessischen Wetterau kontrolliert werden kann.

Der Grundriss der Burganlage zeichnet das Rechteck eines darunter befindlichen römischen Kastells des 1. bis 3. Jh. n. Chr. nach. Auch die darauf zulaufende Kaiserstraße, auf der „unser“ Mercedes – von Bad Nauheim kommend – Halt macht, ist römischen Ursprungs, sie führt schnurgerade nach Süden, Richtung Frankfurt.

Die 2000 Jahre alte Stadtanlage ist hochbedeutend und sehenswert. Leider haben die Bauten der ehedem freien Reichsstadt, durch die einst Persönlichkeiten wie Luther und Goethe gezogen sind, sehr unter dem Fehlen einer Gestaltungssatzung und eines denkmalpflegerischen Konzepts für die Altstadt gelitten.

Der Verfasser darf sich dieses Urteil erlauben, ist er doch in Friedberg zur Schule gegangen und musste den Niedergang einer intakten Geschäftswelt, die noch respektvoll mit den altehrwürdigen Bürgerhäusern umging, mitansehen.

Nicht viel anders als auf dieser Postkarte aus der Vorkriegszeit sah es auf der Friedberger Kaiserstraße bis in die 1980er Jahre aus:

Mercedes-Benz_Mannheim_Friedberg_1930er_Jahre

Mercedes „Mannheim“, Postkarte aus Friedberg/Hessen; Sammlung Michael Schlenger

Wie es der Zufall will, ist hier übrigens ein Mercedes „Mannheim“ mitabgelichtet.

Die eindrucksvollen Häuser sind alle noch vorhanden – der Krieg hat Friedberg weitgehend verschont – doch die Erdgeschosse sind seither meist durch unsachgemäße Ladeneinbauten primitiver Machart und aggressive Reklamen zerstört. Zudem ist die breite Straße, die in vergleichbar bedeutenden Orten im Elsass, in England oder Italien autofrei wäre, auf beiden Seiten völlig zugeparkt.

Genug davon, der nicht ortskundige Leser mag den Exkurs in die Lokalgeschichte verzeihen. Zurück zum Mercedes „Stuttgart“, der an einer nicht mehr existierenden Tankstelle auf der Friedberger Kaiserstraße gehalten hat:

Mercedes-Benz_Stuttgart_Friedberg_Ahlefeld_Ausschnitt

So unscheinbar die Tanksäule auf den ersten Blick erscheint, so interessant ist, was sie uns bei näherem Hinsehen verrät:

„B.V. ARAL“ steht dort in weiß auf blauem Untergrund geschrieben. Die Farbe Blau war schon damals Teil der Markenidentität von ARAL, sonst ließe sich das natürlich nicht erkennen.

Das Kürzel „B.V.“ verweist auf den 1918 geschaffenen „Benzol-Verband“, dessen Vorläufer die 1898 in Bochum gegründete Westdeutsche Benzol-Verkaufsvereinigung war.

ARAL war ursprünglich kein eigenständiger Firmenname, sondern die Bezeichnung für einen vom B.V. neu entwickelten Kraftstoff. ARAL gewann rasch Markencharakter und sollte die eigentliche Firmenbezeichnung „B.V.“ später in den Hintergrund drängen. Auf unserem Foto stehen beide Namen noch zusammen.

Was aber hat es mit dem Schriftzug „BEVAULIN“ auf sich? Nun, dabei handelt es sich um aus Steinkohle gewonnenes synthetisches Benzin, wie es vom B.V. ab 1936 in einem Hydrierwerk in Gelsenkirchen produziert wurde.

Mit dem Verfahren der Kohleverflüssigung im Bergius-Pier-Verfahren ließ sich ein hochoktaniges Benzin herstellen, das allerdings teurer war als aus Erdöl hergestelltes. Im Zuge der deutschen Autarkiebestrebungen gewann synthetisches Benzin in den 1930er Jahren dennoch immer mehr an Bedeutung.

Somit können wir den Entstehungszeitpunkt des Mercedes-Fotos aus Friedberg noch weiter eingrenzen: vor 1936 kann es nicht entstanden sein.

Übrigens verdanken wir Leser Holger Ahlefelder zwei weitere Aufnahmen desselben Autos:

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Mercedes „Stuttgart“; Originalfoto von Holger Ahlefelder

Drei Dinge fallen hier auf: Der Kühler trägt auf einmal ein Emblem, das eine stilisierte Eichel zeigt – ein zeitgenössisches Zubehör, das eine eigene Betrachtung verdient. Des weiteren fehlt der Nebelscheinwerfer in Fahrtrichtung rechts.

Außerdem weicht das Nummernschild ab, wenngleich es ebenfalls in der Provinz Westfalen (Kürzel IX) ausgestellt wurde. Die freundliche junge Dame auf dem Trittbrett ist aber auf jeden Fall dieselbe wie auf dem ersten Foto.

Hier haben wir sie und den Mercedes ein weiteres Mal, in der kalten Jahreszeit, wie Kleidung und Kühlerumhüllung verraten. Das Verdeck ist dennoch offen.

Mercedes-Benz_Stuttgart_Winter_Galerie

Mercedes „Stuttgart“; Originalfoto von Holder Ahlefelder

Plötzlich ist der Nebelscheinwerfer wieder zu sehen, den wir von der ersten Aufnahme kennen. Wie wir von Holger Ahlefelder wissen, handelt es sich in allen drei Fällen um den gleichen Wagen, obwohl: nicht ganz!

Denn identisch ist nur die Reutter-Karosserie, die die Besonderheit aufweist, dass sie hinten bloß einen Platz bietet – der Besitzer hatte es genau so bestellt.

So unglaublich es klingt: Die Karosserie von 1929 wurde in den 1930er Jahren auf ein anderes Chassis gesetzt – eigentlich machte man es damals umgekehrt. Damit ist auch klar, weshalb der Mercedes danach ein anderes Nummernschild bekam.

Diese faszinierenden Details sind nur einige Facetten, die Holger Ahlefelder von dem schönen Auto zu erzählen weiß. Er kennt die Geschichte des hier gezeigten Mercedes „Stuttgart“ im wahrsten Sinne des Wortes aus erster Hand.

Denn – und nun kommen wir zum Besten an dieser Zeitreise – er erwarb den Wagen einst vom Erstbesitzer und besitzt ihn heute noch:

Mercedes-Benz_Stuttgart_Dortmund_Galerie

Mercedes-Benz „Stuttgart“; Originalfoto von Holger Ahlefeld

Da steht nun das gute Stück nach fast 90 Jahren, als sei nichts gewesen.

Der Mercedes hat immer noch seine originale Reutter-Karosserie mit der einsitzigen Rückbank und auch den versteckten Schalter zur Unterbrechung des Zündstroms, den der Erstbesitzer anlässlich einer Italien-Reise einbaute.

Das sind Geschichten, wie sie nur Vorkriegsautos bieten können. Sie brauchen etwas Zeit, um richtig erzählt zu werden, aber sie sind es wert.

Herzlichen Dank an Holger Ahlefelder, der uns diese kostenlose Zeitreise so großzügig ermöglicht hat!

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Enthüllt! Mercedes 170 (W15) im Großformat

Der Titel wird viele heutige Liebhaber des Mercedes 170 enttäuschen – zumindest jene, die ein Exemplar des Erfolgsmodells 170V besitzen, das von 1936 bis in die Nachkriegszeit gebaut wurde.

Ein schöner Wagen zweifellos und von einer Wertigkeit, die man bei den heutigen Fahrzeugen mit dem Stern auf dem Kühler schon lange nicht mehr findet.

Hier ein bislang unpubliziertes Foto eines 170V, das einst in Budapest entstand:

Mercedes_170V_Budapest_Galerie

Mercedes-Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Eine weitere, am gleichen Ort entstandene Aufnahme mit demselben Auto haben wir bereits vor längerer Zeit hier besprochen.

Verhaltene Eleganz bot der 170V, keine gestalterischen Wagnisse, auch für eine moderne Konstruktionsweise stand der brave Vierzylinder nicht gerade.

Da spielte der 170er der frühen 1930er Jahre in einer anderen Liga. Er machte mit einem kultivierten Sechszylindermotor und Einzelradaufhängung rundum Furore, zumal er kompakt geschnitten und recht günstig war.

Erstmals bequemten sich die Stuttgarter außerdem, einen ihrer Wagen mit serienmäßigen Hydraulikbremsen auszustatten. Damit war der Mercedes 170 in fast jeder Hinsicht auf der Höhe der Zeit.

Zwar blieb die Leistung mit 32 PS überschaubar. Doch Autobahnen gab es damals noch nicht, auf denen man sich ein Tempo von mehr als 90 km/h gewünscht hätte.

Wir haben dieses kleine Juwel auf diesem Oldtimerblog schon in einigen Varianten vorgestellt. Eine Aufnahme davon war besonders reizvoll, ließ aber in Sachen Vollständigkeit zu wünschen übrig, nämlich diese hier:

Mercedes_170_Cabriolet_C_Heesters_Körber_Galerie

Mercedes-Benz 170 (W15), Cabriolet C; originales UFA-Foto der 1930er Jahre

Der Wagen spielt auf dieser in Berlin „Unter den Linden“ entstandenen Aufnahme nur die Statistenrolle, denn im Mittelpunkt stehen die damaligen UFA-Filmstars Johannes Heesters und Hilde Körber.

Der Typ des Mercedes ließ sich aber präzise bestimmen (Bildbericht), es handelt sich um einen 170er in der Ausführung als zweisitziges Werks-Cabriolet C.

Dennoch blieb es unbefriedigend, nicht das ganze Auto zeigen zu können. Da wir hier bevorzugt mit historischen Originalfotos arbeiten, blieb nur zu warten, bis sich eine vollständigere Aufnahme findet.

Heute ist es so weit – wir können endlich „enthüllen“, wie das Cabriolet C des Mercedes 170 im Großformat aussah:

Mercedes_170_Cabriolet_C_Galerie

Mercedes-Benz 170, Cabriolet C; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nur fünf Jahre trennen den Mercedes 170 mit Sechszylinder und den 170V, der sich als zäher Dauerläufer entpuppen sollte.

Die Sachlichkeit des frühen 170ers erinnert noch an die 1920er Jahre. Da gibt es keine seitlichen Kotflügelschürzen, der Kühler steht senkrecht im Wind, die Türen sind gerade geschnitten, der Kofferraum ist separat am Heck angesetzt.

In diesen fünf Jahren, die die beiden Modelle trennen, schlug die Automobilindustrie – angeführt von den USA – neue Wege ein. Im direkten Vergleich wird deutlich, wie modern der 170V in formaler Hinsicht war.

Am früher vorgestellten Mercedes 170 gingen diese Entwicklungen während seiner bis 1936 währenden Bauzeit weitgehend vorbei. Nur der Flachkühler wurde 1935 durch einen leicht V-förmigen ersetzt.

Genau dieses Detail lässt sich auf unserem Foto erahnen:

Mercedes_170_Cabriolet_C_Ausschnitt

Ansonsten scheint die konservative Mercedes-Kundschaft mit dem Erscheinungsbild des 170er zufrieden gewesen zu sein. Der Mode nachzueifern, das wollte man offenbar möglichst lange vermeiden – an sich ein sympathischer Zug.

Übrigens können wir weitgehend ausschließen, dass wir es mit einem Mercedes 200 zu tun haben, der ab 1933 mit nahezu identischer Karosserie und auf 40 PS erhöhter Leistung verfügbar war.

So ähnlich sich die beiden Motorenvarianten 170 und 200 waren, so unterschiedlich fiel die Ausführung des Werkscabriolets C im Detail aus, vor allem nach der Überarbeitung ab 1935.

Den Hauptunterschied sehen wir hier:

Mercedes_170_Cabriolet_C_Ausschnitt2

Auf der Beifahrerseite ist das Seitenfenster nur zur Hälfte heruntergekurbelt. So ist der hintere, rechtwinklig ausgeführte Scheibenabschluss gut zu erkennen.

Bei der späteren Version des Cabriolet C, wie sie beim Mercedes 200 zu finden ist, war die Seitenscheibe am hinteren Ende gerundet.

Markenkenner mögen weitere Unterschiede erkennen – der Verfasser ist für eventuelle Hinweise oder auch Korrekturen dankbar.

Jedenfalls haben wir damit eine vollständige Ansicht des Mercedes 170 Werkscabriolets C, in dem einst die beiden UFA-Mimen abgelichtet wurden.

Wer beim damaligen Blogeintrag Zweifel an der Zuschreibung hegte, dürfte nun mit dieser „Enthüllung“ des einstigen Prominenten-Benz zufrieden sein…

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Zaungast am Bolzplatz: Mercedes 350 „Mannheim“

Vorkriegsautos auf bisher unveröffentlichten historischen Fotos – das ist es, was die Besucher dieses Oldtimerblogs täglich auf’s Neue geboten bekommen.

Der Reiz liegt dabei nicht nur in der unglaublichen Vielfalt an Marken und Typen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (siehe Bildergalerie Exoten von A-Z). Oft sind es auch die Situationen, in denen die Autos einst abgelichtet wurden.

Ein Foto, bei dem sich einiges über die Umstände seiner Entstehung herausfinden ließ, das aber dennoch rätselhaft bleibt, nehmen wir heute unter die Lupe:

Mercedes_350_Mannheim_Münsingen_1934_Galerie

Mercedes-Benz 350 „Mannheim“; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

So unglaublich es klingt: Wir wissen nicht nur, was für ein Wagen hier abgebildet ist, sondern auch wann und wo.

Weshalb die Situation dennoch Fragen offenlässt, dazu später mehr. Erst einmal machen wir uns an die Identifikation des Autos.

In der seitlichen Ansicht ist das ein x-beliebiger Wagen mit typischem Tourenwagenaufbau aus den 1920er Jahren. 

Dass das ein gehobenes Modell von Mercedes-Benz vom Ende der 1920er Jahre ist, darauf kam der Verfasser nur durch Zufall, nämlich beim ziellosen Durchblättern des „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45).

Trotz einiger Fehler und teils unbefriedigender Bilddokumentation ist dieses 2001 neu aufgelegte Standardwerk nach wie vor unverzichtbar.

Bei allen Vorteilen des Internet gibt es eine Sache, bei der das gedruckte Buch unerreicht ist: Die offene Suche anhand einer bestehenden logischen Struktur.

Man kann ja nicht ohne konkreten Suchbegriff im Netz nach Bildern unbekannter Vorkriegswagen recherchieren und dabei hoffen, dass sich so einer von zahllosen ungeklärten Fällen lösen lässt.

Doch kann man in kurzer Zeit ein Buch durchblättern, das hunderte Autos nach Herstellern, Typen und Baujahren sortiert zeigt. Dabei gleicht das Gehirn permanent offene Fälle mit dem ab, was es präsentiert bekommt.

Die Treffer stellen sich bei dieser offenen Suchtechnik ganz von alleine ein. Im Internet erlangen die Dinge erst durch eine detaillierte Suche Struktur, beim Buch existiert diese bereits. Daher ist nur dort eine offene Suche erfolgversprechend.

Ein im „Oswald“ auf Seite 529 abgebildeter Mercedes-Benz 8/38 PS mit Karosserie von Zschau und identischem Farbschema erinnerte den Verfasser an den Wagen auf unserem Foto, obwohl es sich um ein 2-Fenster-Cabrio handelt.

Die weitgehend übereinstimmenden Details des Vorbaus ließen eine Recherche bei größeren Mercedes-Modellen erfolgversprechend erscheinen.

Mercedes_350_Mannheim_Münsingen_1934_Ausschnitt

Die Form der Stahlspeichenräder ist typisch für Mercedes-Wagen der späten 1920er Jahre, auch wenn der Stern auf der Nabenkappe kaum erkennbar ist.

Die Ausführung des Kühlwasserdeckels und die Silhouette des darauf sitzenden Emblems passen ebenfalls zur Marke mit dem Stern.

Die Länge der leicht ansteigenden Motorhaube und deren Abstand zur schrägstehenden Windschutzscheibe sind Indizien dafür, dass wir es mit einem großen 6-Zylindermodell von Mercedes-Benz zu tun haben.

Nach Lage der Dinge kommt für diesen Wagen nur der Typ 350 „Mannheim“ in Frage, der 1929/30 gebaut wurde. Dieses 14/60 PS-Modell war die verfeinerte Version des von Porsche entwickelten und seit 1926 gebauten Typs 300 (W03).

Mit seinem 3,4 Liter-Motor war der Mercedes-Benz 350 „Mannheim“ trotz seiner kolossalen Erscheinung ein echtes 100 km-Auto.

Dabei war der offene Tourenwagen, der auf unserem Foto zu sehen ist, mit etwas mehr als 1,5 Tonnen Gewicht die leichteste und damit agilste Variante:

Mercedes_350_Mannheim_Münsingen_1934_Ausschnitt2

Der flache Tourenwagenaufbau setzte die Linie des Wagens schlüssiger fort als die schwerfällig wirkende Limousine oder die zwei- bzw. viersitzigen Cabriolets.

Interessant ist der Werkzeugkasten, der das zweite Trittschutzblech am Schweller verdeckt, dessen Form wiederum markentypisch ist.

Auffällig ist der gerade nach hinten verlaufende Rahmenausleger, der das separate Gepäckabteil trägt. Gibt es eine Erklärung für dieses Detail, das sonst auf Fotos des Typs nicht zu erkennen ist?

Kommen wir zur Ort und Zeitpunkt der Aufnahme. „Münsingen 1934“ steht auf der Rückseite des Fotos.

Wer bei der Bundeswehr war, als diese noch der Landesverteidigung diente, kennt vielleicht den gleichnamigen Truppenübungsplatz, der seit 2005 geschlossen ist.

Dazu passt der Fahrer des Mercedes, offenbar ein junger Soldat bei den damals noch Reichswehr genannten deutschen Streitkräften.

Mercedes_350_Mannheim_Münsingen_1934_Ausschnitt3

Im Hintergrund erkennt man schemenhaft weitere junge Männer mit kurzen Hosen, ein weiteres Indiz, wie wir gleich sehen werden.

Es gibt nämlich Postkarten aus der Vorkriegszeit, die verschiedene Ansichten des Truppenübungplatzes Münsingen zeigen. Auf einer davon ist ausdrücklich der „Sportplatz“ zu sehen (Quelle).

Das Postkartenmotiv gleicht bis ins Detail dem Hintergrund unserer Aufnahme. Eine Recherche im Forum der Wehrmacht lieferte weitere Bestätigung.

Demnach stand unser Mercedes 350 „Mannheim“ 1934 am Sport- und Bolzplatz, der sich nordöstlich des Truppenübungsplatzes Münsingen befand.

Das Gelände hat sich bis heute (2017) nicht wesentlich verändert – der alte Sportplatz zeichnet sich nach wie vor im Gelände ab und auch einige der Bäume im Hintergrund stehen noch.

So weit so gut. Es bleibt die Frage: Was machte ein blutjunger Heeressoldat mit einem Monatssold von rund 100 Reichsmark am Steuer eines zivilen 6-Zylinder-Mercedes, der damals weit über 10.000 Mark kostete?

Ist es denkbar, dass ein hoher Offizier der Reichswehr seinen privaten Mercedes als Dienstwagen nutzte und dafür einen Fahrer von der Truppe gestellt bekam?

Hatte der Chauffeur die Abwesenheit des Chefs dazu genutzt, sich am Steuer ablichten zu lassen? Aber von wem und warum ausgerechnet am Sportplatz?

So genau wir Wagen, Ort und Datum bestimmen können, so merkwürdig bleibt die Situation. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Leser weiterhelfen kann…

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1915 im Westen nichts Neues: Mercedes 28/60 PS

Beschäftigt man sich mit Vorkriegsautos anhand historischer Originalaufnahmen, wie das dieser Oldtimerblog tut, kommt man am Einsatz von Automobilen im Krieg nicht vorbei.

Fotos eingezogener oder erbeuteter PKW aus dem 2. Weltkrieg gibt es massenhaft, daneben gab es in großer Zahl für das Militär gefertigte Kübelwagen auf Basis ziviler Modelle.

Weniger bekannt ist, dass Autos bereits im 1. Weltkrieg eingesetzt wurden. Sie dienten als Stabswagen für Offizier, wurden aber auch für Aufklärungszwecke und als Kurierfahrzeuge genutzt.

Fotos vom Einsatz solcher Autos im 1. Weltkrieg sind vergleichsweise selten. Das lag nicht nur an ihrer geringeren Verbreitung, sondern auch daran, dass Fotoapparate noch nicht für jedermann erschwinglich waren.

Während wir aus dem 2. Weltkrieg reichlich Aufnahmen von PKW haben, die das Kriegsgeschehen zumindest ansatzweise erkennen lassen, wirken Aufnahmen von Automobilen aus dem 1. Weltkrieg meist friedlich.

Hier haben wir ein Beispiel dafür:

Mercedes_28-60_PS_06-1915_Galerie

Mercedes 28/60 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man mag beanstanden, dass diese Aufnahme etwas unscharf ist – doch wir Freunde richtig alter Autos freuen uns über das prächtige Gefährt, das jemand im Juni 1915 mitsamt Fahrer abgelichtet hat.

Der Aufnahmeort ist unbekannt, doch neben dem Datum hat jemand vor über 100 Jahren auf dem Abzug vermerkt: „Ich in meinem Mercedes 60 PS“.

Perfekt – das ist einer der seltenen Fälle, wo man die genaue Motorisierung eines Wagens aus der Frühzeit der Mobilität mitgeliefert bekommt. Oft waren sich nämlich die einzelnen Motorenvarianten äußerlich ganz ähnlich.

60 PS – das klingt erst einmal wenig eindrucksvoll. Dieser Wert relativiert sich allerdings, wenn man sich die übrigen Leistungsdaten zu Gemüte führt:

Beim Mercedes 28/60 PS-Modell, das 1912 den seit 1910 gebauten Vorgänger 28/50 PS ablöste, fiel die Höchstleistung schon bei 1.300 Umdrehungen pro Minute an, also nicht weit oberhalb der Leerlaufdrehzahl.

Möglich war das dank des Hubraums von 7,2 Litern, der sich auf nur 4 Zylinder verteilte. Die daraus resultierende Leistungscharakteristik ist völlig anders als das, was wir heute gewohnt sind.

Die Spitzengeschwindigkeit von 80 km/h war natürlich nicht außergewöhnlich. Solch ein Hubraumkoloss war nicht auf Tempo abgestimmt, sondern auf jederzeitige souveräne Kraftentfaltung, die schaltarmes Fahren erlaubte.

1912 war aber nicht nur das Jahr der Einführung des 28/60 PS Mercedes. Es wurden auch erstmals in Serie Spitzkühler verbaut, die bis in die Nachkriegszeit das Erscheinungsbild der Marke bestimmten:

Mercedes_28-60_PS_06-1915_Ausschnitt

Auf diesem Ausschnitt erkennt man am Kühler den dreizackigen Stern, der bei Mercedes-Wagen seit 1909 auf beiden Seiten eingeprägt war.

Interessanter ist aber die niedrige Frontscheibe, deren Oberteil nicht lediglich nach vorn umgelegt, sondern komplett entfernt worden zu sein scheint.

Hinter den beiden auf Wechselfelgen montierten Reservereifen sieht man einen Dreieckskanister auf dem Trittbrett, der der Größe nach mindestens 10 Liter fasste. Bei einem Benzinverbrauch von über 20 Liter ein sinnvolles Zubehör…

Übrigens lieferte die Recherche keine Fotos von Mercedes 28/60 PS mit identischer Tourenwagenkarosserie. Auch im Daimler-Archiv findet sich im Netz keine Entsprechung. Sicher können Kenner der Marke mehr zu dieser Ausführung sagen.

Die Aufnahme selbst ist ein merkwürdig berührendes Zeugnis. Da hat jemand mitten im 1. Weltkrieg irgendwo fernab der Front dieses grandiose Auto mit seinem Fahrer aufgenommen.

Der darin festgehaltene friedliche Moment steht in denkbar großem Kontrast zu dem, was die Frontsoldaten aller Kriegsparteien gleichzeitig durchlitten. Dazu sei der annähernd zeitgleiche deutsche Heeresbericht vom 11. Juni 1915 zitiert:

Westlicher Kriegsschauplatz:
…wiederholte Angriffe gegen unsere Stellungen nördlich und südlich von Neuville … Nahkampf in den Gräben nördlich von Ecurie dauert noch an … bei Beaumont feindliche Angriffe abgewiesen … in der Champagne am 9. Juni eroberte Gräben versuchten die Franzosen uns wieder zu entreißen … Angriff brach unter schwersten Verlusten für den Feind zusammen…

Zusammengefasst: Im Westen nichts Neues.

Als Nachgeborene, die gern über die Zumutungen der Gegenwart jammern, haben wir keine Vorstellung davon, was sich hinter diesen trockenen Worten verbirgt.

Wenn wir solche Fotos aus Kriegszeiten heute aus sicherer Warte studieren, dürfen wir auch einmal derer gedenken, denen kein so bequemes Dasein vergönnt war wie vermutlich den Insassen des Mercedes 28/60 PS.

Auf fast jedem europäischen Dorffriedhof gibt es Mahnmale aus jener Zeit. Vielleicht hält man beim nächsten Besuch dort einmal inne…

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Treuer Begleiter auf allen Wegen: Mercedes 170V

Unter den späten Vorkriegsmodellen von Mercedes-Benz genießen die Cabriolets und Roadster der Typen 500 und 540 gewiss das größte Renommée.

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Mercedes 540 K Roadster, Classic Days 2012; Bildrechte: Michael Schlenger

Vom 300 SL der 1950er Jahre abgesehen, sollte es von der Marke mit dem Stern nie wieder derartig sensationelle Karosserien geben.

Doch neben solchen Raritäten hat unter Mercedes-Veteranenfreunden vor allem ein Vorkriegstyp eine besonders treue Gefolgschaft, der 170V:

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Mercedes 170V; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist kein Zufall: Das von Ende 1935 bis 1942 gebaute Volumenmodell verkörperte Tugenden, die bis weit in die Nachkriegszeit typisch für die Marke sein sollten.

Antriebsseitig bot man mit einem 38 PS leistenden Vierzylinder-Seitenventiler Bewährtes, dies aber mit verfeinerter Laufkultur und ordentlichem Drehmoment.  Das Vierganggetriebe war ab 1940 vollsynchronisiert, damals außergewöhnlich.

Auf der Höhe der Zeit war das Fahrwerk mit einzeln aufgehängten Vorderrädern. Als ausgezeichnet galten die hydraulischen Bremsen.

Konservativ blieb man dagegen bei der Karosserie, deren Holz-Blech-Konstruktion unnötig aufwendig und schwer ausfiel. Da waren andere Hersteller weiter.

Auch formal möchte man dem Mercedes-Benz 170V allenfalls gediegene Langeweile bescheinigen – ein Hansa 1700 kam weit rassiger daher, von der stilistischen Klasse eines Citroen 11 CV ganz zu schweigen.

Doch bei der deutschen Kundschaft kam der alle Experimente meidende Mercedes 170V ausgezeichnet an. Hier versteckt sich einer auf einem schönen Winterfoto:

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Mercedes 170V; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Von dem Wagen erkennt man nicht viel – aber genug, um ihn als viertürige Limousine des Typs Mercedes 170V zu identifizieren.

Die abgerundeten Ecken der unten ausklappbaren Frontscheibe, die oben angebrachten Scheibenwischer, die Seitenschürzen der Kotflügel, die unterschiedlich angeschlagenen Türen, die Form von Radkappen und Stoßstangen passen perfekt.

So schön das Ende der 1930er Jahre entstandene Foto auch ist, hinterlässt es einen faden Nachgeschmack.

Denn wenig später begann der 2. Weltkrieg und dann wurden Wagen dieser Art mit jungen Männern, die nur einige Jahre älter waren als die Buben auf dem Foto, in ein Geschehen hineingezogen, in dem sie bloße Verfügungsmasse waren.

Hier haben wir einen Mercedes 170V als viertürige Cabriolimousine auf einem Foto von 1942:

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Mercedes 170V; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme muss am Ende des Winters an der Ostfront entstanden sein, eventuell auch im von der Wehrmacht besetzten Norwegen.

Vom Rang her war der neben „seinem“ Mercedes posierende Soldat ein Leutnant – eventuell zur Luftwaffe gehörig. Leider lieferte auch eine Recherche über das Forum der Wehrmacht keine genaueren Angaben.

Typisch für den militärischen Einsatz sind die mattgraue Lackierung auch der Chromteile, die Tarnbeleuchtung an der Frontpartie und die auf den Schutzblechen aufgemalten Ziffern für den vorgeschriebenen Luftdruck.

Ein weiteres Dokument vom Kriegseinsatz des Mercedes 170V ist folgendes Foto:

Mercedes_170V_Panzereinheit_09-1943_Auschnitt Hier sehen wir drei Angehörige einer deutschen Panzerabteilung, die sich von einem Kameraden während eines Bahntransport im Jahr 1943 fotografieren ließen.

Auf die Truppengattung verweisen nicht nur die für Panzerbesatzungen typischen kurzen Jacken mit innenliegenden Knöpfen, sondern auch die großen Zahnräder im Vordergrund. 

Nach Aussage von Fachleuten passt der Typ der Zahnräder zu Panzerjägern des Typs „Marder“, die ab 1942 auf Basis des veralteten Panzers II gebaut und vor allem an der Ostfront eingesetzt wurden.

Die drei Männer haben sich den Bahntransport durch einen Radioapparat versüßt, der auf der Motorhaube eines schon ziemlich mitgenommenen Mercedes 170V steht.

Wohin diese Fahrt einst führte, wissen wir nicht. Jedenfalls standen den Männern und ihrem Mercedes noch zwei Jahre Krieg bevor.

Für die Überlebenden des Infernos waren nach Kriegsende erneut Mercedes-Wagen des Typs 170V treue Begleiter, wie dieser hier:

Mercedes_170V_Cabriolimousine_Autorennen_Ostdeutschland_Galerie

Dieser Schnappschuss entstand in den frühen 1950er Jahren in Ostdeutschland anlässlich eines Motorradrennens.

Die Gewinner drehen hier in einem Mercedes 170V gerade ihre Ehrenrunde und lassen sich vom Publikum hinter Strohballen feiern. Erkennt jemand die Rennstrecke?

Bis heute haben die noch existierenden Mercedes 170V eine treue Anhängerschaft – und das einst nicht sonderlich spektakuläre Volumenmodell zieht besonders als Cabriolet bewundernde Blicke auf sich.

Im folgenden Video stellt ein Niederländer sein Exemplar vor – auch ohne Übersetzung versteht man ihn recht gut, während er die Details des Wagens erklärt:

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von mark rijsdam

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Horch 8-Rivale: Mercedes „Nürburg“ von 1933

Exemplare der ersten Achtzylinderwagen der sächsischen Luxusmarke Horch wurden auf diesem Oldtimerblog bereits wiederholt besprochen (Beispiele und 2).

Was die Zwickauer Ingenieure mit dem hochmodernen Triebwerk geschaffen hatten, war in Deutschland Mitte der 1920er Jahre ohne Vergleich. Dies galt erst recht, als der Horch „8“ auch stilistisch zu einem Automobil der Spitzenklasse reifte.

Mercedes-Benz zog 1928 zwar nach, doch der eilig entwickelte Achtzylinder ließ die Raffinesse und Laufkultur des sächsischen Vorbilds vermissen. Kein Wunder, hatte man doch schlicht die konventionellen 6-Zylinder-Reihenaggregate des Typs „Mannheim“ um zwei Zylinder erweitert.

Auch fahrwerksseitig hielt Mercedes mit Starrachse vorn und Holzspeichenrädern bis Produktionsende an überholter Technik fest. Formal bot man anfangs ebenfalls nur Hausmannskost. 

Ein Adler Standard 8 kostete 1928 rund ein Viertel weniger und kam ebenso imposant daher – nur fehlte ihm das Prestige des schwäbischen Konkurrenten. Und das war der Mercedes-Klientel schon immer wichtiger als die greifbaren Qualitäten.

Wie aber sah so ein Mercedes „Nürburg“ 8-Zylinder aus? Nun, hier haben wir ein seltenes Originalfoto einer besonders interessanten Ausführung:

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© Mercedes 460 oder 500 „Nürburg“ Cabriolet, aus Sammlung Michael Schlenger

Dass dies ein recht frühes Exemplar des insgesamt weniger als 4.000 mal gebauten Mercedes „Nürburg“ mit 8-Zylindermotor ist, erschließt sich nicht sofort.

Aus dieser Perspektive wirkt der über fünf Meter lange und je nach Karosserie weit über 2 Tonnen wiegende Wagen nicht übermäßig beeindruckend. Und so war dieser zeitgenössische Abzug auch für kleines Geld zu haben.

Dass er tatsächlich einen der kolossal teuren „Nürburg“-Achtzylinder zeigt, erweist sich erst bei näherem Hinsehen:

mercedes_nurburg_baujahr_1933_burg_saaleck_frontpartie

Doppelstoßstangen in Verbindung mit senkrecht stehendem Kühler und geschwungener Scheinwerferstange – das findet sich so nur beim Achtzylinder-Modell „Nürburg“ ab 1928.

Ob es nun die 4,6 oder 5 Liter-Ausführung war, die zeitweilig parallel gebaut wurden, dürfte sich kaum entscheiden lassen. Mit 80 oder 100 PS war der schwere Wagen aus heutiger Sicht gleichermaßen untermotorisiert.

Doch was damals – im Zeitalter unsynchronisierter Getriebe – zählte, war vielmehr die enorme Elastizität des Motors. Laut Literatur konnte der Nürburg selbst im höchsten Gang bis auf 10km/h abgebremst und ohne Schalten wieder beschleunigt werden.

Während die Straßenlage trotz antiquierten Fahrwerks allgemein gelobt wurde, galt schon damals die Bremsleistung des Nürburg als unterdurchschnittlich. Offenbar halfen weder die auf dem Foto erkennbaren riesigen Trommelbremsen noch deren Druckluftunterstützung.

Formal interessant ist ein anderes Detail: die seitlichen Kotflügelschürzen. Sie tauchten erst 1933 auf und geben einen ersten Datierungshinweis. Gleichzeitig wissen wir, dass ab 1934 ein geneigter Kühler verbaut wurde.

Demnach haben wir es wohl mit einem 1933er Modell zu tun. Auffallend ist aber die schräge Frontscheibe, die bei Serienwagen des Typs erst später eingeführt wurde.

Möglicherweise könnte der Mercedes „Nürburg“ von 1933 auf unserem Foto über einen Aufbau eines unabhängigen Karosseriebauers verfügen. Tatsächlich findet sich in der Literatur ein ähnliches Pullman-Cabriolet von Baur (Stuttgart).

Solche Details mögen die jungen Burschen der „Hitlerjugend“ einst kaum interessiert haben, die diesen Mercedes auf dem Foto „erobert“ haben:

mercedes_nurburg_baujahr_1933_burg_saaleck_heckpartie

Man sieht ihnen die Begeisterung an und einer von ihnen hat auf der Rückseite des Fotos vermerkt: „Wagen des Berliner Rundfunks – Burg Saaleck“.

Demnach entstand dieses Foto einst vor einem der beiden Bergfriede auf dem Gelände der gleichnamigen Burgruine in Sachsen-Anhalt. Sie war in den 1930er Jahren eine Pilgerstätte für Anhänger des nationalsozialistischen Regimes.

Unsere Aufnahme kündet davon, wie dieser Ort propagandistisch ausgeschlachtet wurde. Dabei wurde – wie unser Foto belegt – auch die Begeisterungsfähigkeit und Gutgläubigkeit der Jugend ausgenutzt.

Die Jungen auf der Aufnahme bekamen keine zehn Jahre später als Wehrpflichtige die Gelegenheit, im Staatsauftrag ebenfalls Mercedes-Cabriolet zu fahren – nur sahen diese Wagen und das Umfeld meist anders aus:

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© Mercedes 170 VK Kübelwagen, aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir einen Mercedes 170 in der für die Wehrmacht gebauten Kübelwagenversion im Dienst einer Nachrichteneinheit an der Ostfront 1941/42.

Das Schicksal der damals in den Krieg geschickten Generation soll uns Mahnung sein, den Machbarkeitsversprechen von Politikern jeder Couleur und Apellen an kollektive Aufgaben und angebliche moralische Verpflichtungen gründlich zu misstrauen…

Winter 1941: Ein Citroen Typ A an der „Heimatfront“

Vor genau 75 Jahren -Anfang Dezember 1941 – kam der deutsche Angriff auf Russland einige Kilometer vor Moskau zum Stillstand.

Bereits zuvor waren massenhaft Fahrzeuge der Wehrmacht ausgefallen, die Truppe war erschöpft und der Nachschub stockte seit Mitte November. „General Winter“ hatte das Regiment übernommen und das bekam der Angreifer nun zu spüren.

Während der Gegner auf die Verhältnisse vorbereitet war, mangelte es den deutschen Soldaten an Winterbekleidung – und das bei Frostgraden im zweistelligen Bereich.

Man ahnt die auch gegenüber den eigenen Männern rücksichtslose Kriegsführung auf diesem Foto:

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© Mercedes 260 „Stuttgart“ Kübelwagen an der Ostfront, aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben sich zwei einfache Gefreite in Sommeruniform bei Schneetreiben vor ihrem Fuhrpark ablichten lassen. Was mag das Motiv dieser tristen Aufnahme gewesen sein? Wohl schlicht der Wille, den Verhältnissen zu trotzen.

Der halb zugeschneite Wagen im Vordergrund mit Decke über der Motorhaube ist übrigens ein Mercedes 260 Kübelwagen, der auf dem zivilen Modell Stuttgart 260 basierte, das von 1929-34 mit 50 PS starkem 6-Zylindermotor gebaut wurde.

Die Kübelwagenvariante wurde bis 1935 gefertigt – über 1.500 Exemplare gingen an die damalige Reichswehr und dienten der späteren Wehrmacht noch etliche Jahre.

Im Winter 1941 dürfte für viele dieser Wagen an der Ostfront die letzte Stunde  geschlagen haben. Denn ab dem 5. Dezember begann die russische Armee eine Gegenoffensive, die die überforderten deutschen Truppen weit zurückwarf.

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© Zerstörter Horch 830 R Kübelwagen, aus Sammlung Michael Schlenger

Bis Anfang Januar 1942 verlor die Wehrmacht tausende Panzer, Geschütze und PKW. Geschätzt eine halbe Million Tote und Verwundete gab es allein auf deutscher Seite, jeder fünfte Ausfall war auf Erfrierungen zurückzuführen.

Im Unterschied zum Stalingrad-Debakel ein Jahr später bekamen die Deutschen an der „Heimatfront“ das volle Ausmaß des Rückschlags noch nicht mit, zumal es 1942 an der Ostfront wieder vorwärts ging.

Was mögen wohl diese im Dezember 1941 aufgenommenen Herren vom Geschehen über 2.000km weiter östlich mitbekommen haben? Ob Sie eine Vorstellung davon hatten, dass die Soldaten dort ohne Wintermäntel kämpfen mussten?

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© Citroen Typ A, aufgenommen im Dezember 1941, aus Sammlung Michael Schlenger

Leider wissen wir nicht viel über die Aufnahmesituation des Bildes. Auf der Rückseite ist außer dem Datum nur „Kloster Drakenburg“ vermerkt.

Zwar existiert ein Ort gleichen Namens im niedersächsischen Kreis Nienburg an der Weser. Doch ein Kloster scheint es dort nicht gegeben zu haben. Vielleicht hat ein Leser eine Idee, wo es ein Kloster dieses Namens gibt. Der Hintergrund lässt auch auf eine Guts- oder Schlossanlage schließen.

Uns interessiert an dieser Stelle aber vor allem der Tourenwagen auf dem Foto. Wenn nicht alles täuscht, handelt es sich um einen Citroen Typ A, das erste Auto des französischen Herstellers überhaupt.

Der Erstling von Citroen besaß einen 1,3 Liter messenden Vierzlindermotor, der 18 PS leistete, was für rund 65 km/h Höchstgeschwindigkeit genügte. Trotz der bescheidenen Papierform erwies sich das Auto mit über 24.000 Exemplaren in etwas mehr als zwei Jahren Produktionsdauer für europäische Verhältnisse als Erfolg.

Der Wagen auf dem Foto war zum Aufnahmezeitpunkt mindestens 20 Jahre alt. Offenbar war er noch zivil zugelassen, was zu Kriegszeiten nur möglich war, wenn der Halter ihn für unabweisbare berufliche Zwecke brauchte.

Möglich, dass der alte Citroen einem Landarzt gehörte, der dann vermutlich einer der Herren auf dem Foto war. Drei davon weisen eine ziemliche Ähnlichkeit auf, vielleicht ein Vater und seine Söhne.

Jedenfalls muss unsere Reisegruppe über Benzin für einen winterlichen Ausflug verfügt haben. Vermutlich war noch ein weiteres Fahrzeug mit von der Partie, denn sechs Personen einschließlich des Fotografen waren im Tourer nicht unterzubringen.

Wie der Citroen wohl einst nach Deutschland gelangt ist? Die Autoproduktion der Marke auf deutschem Boden begann jedenfalls erst 1927 mit dem Modell B14, das wir hier schon einmal vorgestellt haben.

Letztlich ist das Foto eines der wenigen Zeugnisse jener Zeit, die noch einen privat genutzten PKW zeigen. Wer in diesen Tagen meint etwas frösteln zu müssen, wird beim Gedanken an die Verhältnisse im Winter vor 75 Jahren vielleicht nachdenklich…

Lohn für’s Strippenziehen: EK2 und Mercedes 230

Auf einem Oldtimerblog, der sich auf Vorkriegsautos meist deutscher Hersteller konzentriert, wird man zwangsläufig immer wieder mit dem Kriegsgeschehen von 1939-45 konfrontiert.

Seien es nun von der Wehrmacht erbeutete PKW, eingezogene Autos oder auf zivilen Modellen basierende Kübelwagen – Fotos aus dem Krieg gibt es bei manchen Typen mitunter mehr als aus Friedenszeiten.

Solange noch Filmmaterial verfügbar war, waren speziell die im Stabseinsatz verbreiteten Prestigewagen von Horch und Mercedes beliebte Motive bei den Soldaten – von denen die meisten noch nie ein Auto gefahren oder besessen hatten.

Eine Runde im Wagen des Kompaniechefs galt daher als Auszeichnung – und der junge Gefreite auf folgendem Foto scheint sich das verdient zu haben – nach militärischen Maßstäben, versteht sich:

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© Mercedes-Benz 230 Cabriolet B; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Bevor wir auf die Situation kommen, in der dieses Foto einst entstand, ein paar Worte zu dem Mercedes, der auch in mattgrauer Heereslackierung noch Eleganz ausstrahlt.

Er lässt sich leicht als Typ 230 Cabriolet B mit zwei Türen und vier versenkbaren Fesntern identifizieren. Die offenen Versionen auf langem Radstand galten zurecht schon damals als gelungenste Ausführung des von 1936 bis 1941 gebauten Wagens.

Die Stoßstangen mit Hörnern und die massiven Halterungen der Frontscheinwerfer verweisen auf eine Entstehung ab Ende 1937.

Technisch basierte der 230er auf dem Modell 200, dessen 40-PS-Sechszylinder sich als unzureichend erwiesen hatte. Speziell die fast 1,5 Tonnen wiegende Limousine mit langem Radstand schaffte kaum mehr als 90km/h.

Mit nunmehr 55 Pferden war der Mercedes 230 nach wie vor kein Sportler, doch ein Dauertempo von über 100 war immerhin möglich. Kein Wunder, dass das Modell mit über 20.000 gebauten Exemplaren deutlich erfolgreicher als der 200er wurde.

Hier kann man noch einmal die Linien des Cabriolets genießen, die kaum unter der feldmäßigen Aufmachung und harten Einsatzbedingungen gelitten haben:

mercedes_230_cabriolet_b_wehrmacht_ausschnitt

Nun aber zur Aufnahmesituation, die sich erstaunlich gut rekonstruieren lässt. Der junge Mannschaftsdienstgrad ist gerade mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden. Nur am Tag der Verleihung durfte diese Tapferkeitsauszeichnung wie auf dem Foto am Band getragen werden.

Wer nun meint, das müsse ein Soldat einer Kampfeinheit gewesen sein, irrt. Denn das taktische Zeichen auf dem in Fahrtrichtung linken Kotflügel verrät eindeutig, dass der Wagen zu einer Nachrichteneinheit gehörte.

Die genaue Bezeichnung ist der Abkürzung unter dem taktischen Kennzeichen zu entnehmen: Es war die 1. Kompanie des Führungs-Nachrichten-Regiments 40, einer dem Oberkommando des Heeres (OKH) unterstellten Verbindungseinheit.

Die dort eingesetzten Soldaten mussten unter oft haarsträubenden Umständen die Kommunikation zwischen den Armeekommandos an der Front und dem OKH sicherstellen. Diese „Strippenzieherei“ war nicht nur eine elementare, sondern auch gefährliche Angelegenheit im Wirkungsbereich gegnerischen Feuers.

Unser junger Soldat scheint sich dabei besonders hervorgetan zu haben, was ihm das Eiserne Kreuz und dieses Foto neben seinem Kompaniechef in dessen Mercedes 230 Cabriolet eintrug.

Das noch zivile Nummernschild des Mercedes (Zulassung: Provinz Schlesien) lässt vermuten, dass die Aufnahme in der Anfangsphase des Kriegs entstand. Aus dieser Zeit ist sogar der Name des Vorgesetzten auf dem Foto bekannt.

So wurde die 1. Kompanie des Führungs-Nachrichten-Regiments 40 bis April 1940 von einem Hauptmann Krueger geführt, danach von einem Hauptmann Hartmann. Solche Detailinformationen erhält man von Experten, die sich aus historischem Interesse mit der Geschichte der Wehrmacht befassen.

So sind wir in der Lage, auf dieser Aufnahme mehr als nur einen Mercedes irgendwo im Krieg zu sehen. Wir erfahren etwas davon, was den meist ohne ihr eigenes Zutun in das Geschehen hineingezogenen Soldaten wichtig war: sich zu bewähren und Anerkennung zu erfahren – leider für die falsche Sache, wie wir heute wissen…

Ein Mercedes 200 Sport Roadster auf Abwegen

Die Beschäftigung mit Vorkriegsautos anhand historischer Fotos, wie sie auf diesem Oldtimerblog betrieben wird, fördert immer wieder Überraschendes zutage. Die Literatur und die überlebenden Fahrzeuge geben nur einen Ausschnitt dessen wieder, was einst unsere Straßen bevölkerte.

Ein augenfälliges Beispiel war die Aufnahme eines Roadsters aus den 1930er Jahren, der vermutlich auf dem Mercedes-Benz 200 (W21) basierte (Bildbericht). Deshalb „vermutlich“, weil in der dem Verfasser zugänglichen Literatur keine Abbildung genau dieser Ausführung entspricht.

Nur das folgende zeitgenössische Sammelbild zeigt präzise die Linien des Zweisitzers mit dem markanten Knick in der Seitenlinie:

mercedes_200_sport_roadster_sammelbild_galerie © Mercedes-Benz Roadster; Zigarettenbild aus Sammlung Michael Schlenger

Leider hatte bislang kein Leser dieses Blogs eine Idee, was es mit dem Unikum auf sich haben könnte. Eigentlich verwunderlich, da schon zu weit weniger populären Marken wertvolle Hinweise aus der Leserschaft kamen.

Aber das Hobby bringt es mit sich, dass man Geduld haben muss. Und wie im richtigen Leben gilt auch bei der Jagd nach interessanten alten Autofotos die Devise: „Man begegnet sich immer zweimal.“

Erstaunlich schnell aufgetaucht ist nun ein zweites Foto, das denselben Mercedes-Typ mit Roadsteraufbau zeigt wie die erste Aufnahme und das Sammelbild.

Das erschließt sich aber erst auf den zweiten Blick:

mercedes_200_sport-roadster_gelande_ausschnitt

Auf der Aufnahme fällt zuerst die Frontpartie ins Auge. Sie ist typisch für den ab Ende 1932 gebauten 200er Mercedes und den ähnlichen Vorgänger Mercedes 170. Letzter ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem späteren Vierzylindermodell 170V.

Die beiden Sechszylindertypen 170 und 200 hatten dasselbe Fahrwerk, das man hier besonders gut studieren kann. So sieht man zwischen den Querblattfedern die Achsschenkel, die eine unabhängige Aufhängung der Vorderräder bewirkten.

Folgt man nun mit dem Auge der seitlichen Zierleiste von der Kühlermaske nach hinten, bleibt der Blick an dem auffallenden Knick am Ende des Türausschnitts hängen, der so bei keiner Serienversion des Mercedes 200 zu finden ist.

Wir hatten im ersten Beitrag zu dem Modell bereits vermutet, dass dieser – auf der Rückseite des Sammelbilds als „Sport-Roadster“ bezeichnete – Wagen eine in kleinen Stückzahlen gebaute Sonderversion des Mercedes 200 für den Geländeeinsatz war.

Tatsächlich sehen die vorderen Rahmenausleger und die Schutzbleche schon recht ramponiert aus, und das Reifenprofil ist stark abgenutzt. Wer nun an eine der populären Geländefahrten vor dem 2. Weltkrieg denkt, liegt dennoch falsch.

Dieser Mercedes 200 Sport-Roadster war auf einer ganz anderen Mission unterwegs, für die er gar nicht vorgesehen war. Das sieht man aber erst, wenn man das ganze Foto betrachtet:

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© Mercedes-Benz 200 Sport-Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Im Hintergrund sieht man zwischen Kiefern weitere Fahrzeuge. Rechts stehen einige große Benzin- und Ölbehälter. Neben dem Mercedes schrubbt ein Soldat mit Schiffchen auf dem Kopf und schweren Stiefeln an den Füßen an Werkzeug herum.

Wer’s nicht glaubt, kann sich auf dieser Ausschnittsvergrößerung selbst vergewissern:

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Dass diese Aufnahme nicht bei einer Übung in Friedenszeiten entstand, verraten die „Kampfspuren“ am Mercedes und die Tarnüberzüge an den Scheinwerfern.

Der Kiefernwald, in dem die Fahrzeuge Deckung gesucht haben, deutet auf die Zeit des deutschen Feldzugs gegen Polen 1939 oder Russland 1941 hin.

Wie war ein Exotengefährt wie unser Mercedes 200 Sport-Roadster auf solche Abwege gekommen? Genau wissen wir das nicht. Aber bekanntlich hat die Wehrmacht ihren notorischen Mangel an PKW für Stabszwecke durch Beschlagnahmung der meisten privaten Autos zu stillen versucht.

Überliefert sind auch Fälle, in denen Fahrzeugbesitzer gemeinsam mit ihren Gefährten (Auto oder Motorrad) zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Wer an die Front musste -und das war nahezu die gesamte männliche Bevölkerung – hatte keine andere Wahl, was von heutigen „Schreibtischwiderständlern“ vergessen wird.

Die hochwertigen Wagen von Mercedes, Horch und Co. genossen besonderes Prestige und wurden von Offizieren gefahren. Für einfachere Dienstgrade blieben die zahlreichen Kübelwagentypen, womit man im Einsatz besser bedient war.

Wie weit mag der Mercedes 200 Sport-Roadster im 2. Weltkrieg wohl gekommen sein? Grundsätzlich standen die Chancen angesichts der materialmordenden Verhältnisse speziell an der Ostfront schlecht.

Mit hervorragendem Fahrwerk, robustem Kastenrahmen und niedrigem Gewicht könnte der Mercedes Roadster aber länger durchgehalten haben, als man denkt, wenn er nicht einem gegnerischen Flieger- oder Artillerieangriff zum Opfer fiel.

Sollte er irgendwo in den Weiten Russlands zurückgeblieben sein – vielleicht mit bei extremem Frost geborstenem Motor – musste selbst das noch nicht das Ende bedeuten. Nach Kriegsende lag das ganze Land voller Wracks, aus denen findige Einheimische die abenteuerlichsten Gefährte zusammenbastelten.

So mancher deutsche Luxuswagen aus einstigem Wehrmachtsbestand hat – oft mit einem Fremdmotor – auf irgendeinem Bauernhof bis in unsere Tage überlebt und steht heute restauriert in einstigem Glanz da, als hätte es keinen Krieg gegeben.

Sollte es am Ende auch noch ein Exemplar dieses schönen Mercedes 200 Sport-Roadster geben? Wer etwas in dieser Richtung beitragen möchte, kann dazu gern die Kommentarfunktion nutzen.

Mercedes 400 Kompressor vor dem Schlosshotel

Wie schon öfters angemerkt, beschäftigt sich dieser Oldtimer-Blog markenübergreifend mit Vorkriegswagen, vor allem solchen, die einst im deutschen Sprachraum gefertigt wurden.

Wenn hier öfters Typen von Adler, DKW, Hanomag und Opel besprochen werden, spiegelt das ihre einstige Bedeutung am hiesigen Markt wider. Selbst ausländische Fabrikate von Buick, Chevrolet, Ford und Fiat, die in Deutschland montiert wurden, waren im Straßenverkehr präsenter als Typen von Mercedes-Benz oder Luxusfabrikate wie Horch.

Insofern entspricht die Dominanz von Prestigemarken auf heutigen Vorkriegsveranstaltungen und Messen kaum den einstigen Verhältnissen im Alltag.

Wie selten beispielsweise die legendären Kompressortypen von Mercedes früher waren, zeigt die Tatsache, dass das umfangreiche Fotoarchiv des Verfassers bisher ganze vier Originalaufnahmen solcher Fahrzeuge enthält.

Vorgestellt wurden hier bereits die Kompressor-Mercedes der Typen 28/95 PS, 6/25/40 PS und 15/70/100 PS. Heute ist das vierte Foto aus dieser Serie an der Reihe:

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© Ford Model A und Mercedes 15/70/100 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Da ist ja kaum etwas zu erkennen, mag man einwenden. Genau deshalb hat sich für diese Aufnahme auch keiner interessiert. Wenn der Verkäufer nicht weiß, was sich darauf verbirgt, bleibt die Beschreibung zwangsläufig wolkig und der Preis symbolisch.

Nicht immer, aber oft genug entdeckt man auf solchen unscheinbaren Fotos Raritäten, von denen selbst in der Fachliteratur nur wenige Aufnahmen kursieren. Im vorliegenden Fall haben wir es zudem mit einer reizenden Konstellation zu tun:

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Wer mit Vorkriegswagen bisher wenig Erfahrung hat, wird auf den ersten Blick keinen großen Unterschied zwischen den beiden Autos sehen.

Tatsächlich verlangt die Beschäftigung mit Automobilen der Vorkriegszeit besonderen Sinn für’s Detail und ein Wissen, das man nicht mit einem Semester „Motor-Klassik“-Lektüre erwerben kann…

Jeder Banause kann einen Jaguar E-Type und einen Porsche 356 auseinanderhalten. Aber einen NAG-Tourenwagen auf einem Foto der 1920er Jahre von einem Stoewer unterscheiden zu können, das setzt Geduld und Erfahrung voraus.

Mit beidem ausgestattet, eröffnet sich dem Vorkriegs-Enthusiasten eine Welt, deren Vielfalt unerschöpflich scheint. Nehmen wir uns zunächst den Wagen im Vordergrund vor:

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Wer den gestrigen Artikel über einen Ford Model A Roadster Deluxe gelesen hat, dem wird dieses Fahrzeug bekannt vorkommen. Es handelt sich um die Standardausführung des Typs, der Fords zweiter Millionenerfolg nach dem Model T war.

Das Model A war ein in den USA für jedermann erschwinglicher Wagen, der alles in den Schatten stellte, was in den 1920er Jahren in Deutschland als vermeintliche „Volkswagen“ in geringen Stückzahlen produziert wurde. Es war das, was später auch den VW „Käfer“ auszeichnen sollte: klassenlos und man konnte sich mit ihm überall sehen lassen.

Und so kommt es, dass dieses einstige „Brot-und-Butter-Auto“ auf unserer Aufnahme so eine gute Figur macht. Was im Hintergrund zu sehen ist, stellt dagegen das andere Extrem des einstigen Automobilangebots in Deutschland dar:

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Dieses Fahrzeug ist eines von nur 754 gebauten Exemplaren des Mercedes-Kompressortyps 15/70/100 PS, die zwischen 1924 und 1929 in Manufaktur entstanden.

Die Typenbezeichnung setzt sich aus den Steuer-PS, der Nominalleistung und der bei Zuschalten des Kompressors kurzfristig verfügbaren Spitzenleistung zusammen. Später wurde der 6-Zylinder-Wagen mit Königswellenantrieb in Anlehnung an seinen Hubraum „400“ genannt.

Verantwortlich für die Entwicklung dieses technischen Kabinettstückchens war Ferdinand Porsche, der neben Vincenzo Lancia als der wohl brillianteste Autoingenieur seiner Zeit gelten darf.

Typisch für das Modell sind der Spitzkühler, die großen Positionsleuchten auf den Vorderkotflügeln und die Form der Trittschutzbleche am Seitenschweller. Beim Aufbau dürfte es sich um eine Pullman-Limousine mit drei Sitzreihen handeln.

Übrigens lässt sich nicht ausschließen, dass es sich bei dem Kompressor-Mercedes um das äußerlich identische, etwas längere Modell 24/100/140 PS handelt, das über Motoren mit 6 bzw. 6,3 Liter Hubraum verfügte. Davon wurden allerdings nur etwa 400 Exemplare gefertigt, sodass die Wahrscheinlichkeit für die „kleine“ Version spricht.

Zuletzt noch ein Wort zum Entstehungsort dieses Fotos. Werfen wir einen Blick auf folgenden Bildausschnitt:

mercedes_15-70-100_ps_und-ford_a_gasthaus_hof_delecke_ausschnitt3„Gasthof Haus Delecke“ steht schlicht über dem Eingang, auf den vermutlich gerade der beschirmmützte Chauffeur des Kompressor-Mercedes zuläuft.

Erfreulicherweise gibt es heute noch das „Hotel und Restaurant Delecke“ am Möhnesee in Nordrhein-Westfalen, wo einst unser Foto entstand. Im Kern ist die Anlage über 700 Jahre alt. Nach mehrfachen Besitzerwechseln wurde das Hauptgebäude des Schlosses Mitte der 1920er Jahre zwecks Nutzung als Hotel und Restaurant umgebaut.

Der heutige Besucher kann die geschmackvoll renovierte Anlage in herrlicher Seerandlage kaum verändert genießen. Nur ein Mercedes-Kompressormodell und ein Ford Model A wird er dort heute nicht mehr vorfinden.

So kündet diese Aufnahme – wie die Möhnetalsperre – von einer untergegangenen Welt…

Geländesportwagen der 1930er Jahre von Mercedes

Auf diesem Oldtimer-Blog werden Vorkriegsautos bevorzugt anhand historischer Originalfotos aus der Sammlung des Verfassers präsentiert. Sie zeigen die Fahrzeuge in ihrem ursprünglichen Umfeld und Erscheinungsbild, das sich oft von den Hochglanzrestaurierungen und sterilen Präsentationen unserer Tage unterscheidet.

Bei den meisten Bildern lässt sich der genaue Typ recht gut identifizieren oder zumindest eingrenzen. Bei speziellen Karosserieausführungen kann die genaue Zuschreibung aber Schwierigkeiten bereiten.

Mit so einem Fall haben wir es auf folgender außergewöhnlicher Aufnahme zu tun:

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© Mercedes-Benz 200 Geländesport; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht einen anfahrenden Mercedes-Roadster bei einer der in den 1930er Jahren verbreiteten Geländeprüfungen, für die sich später der Begriff „Rallye“ einbürgerte.

Zunächst erschien es recht einfach, das Modell zu identifizieren. So fand sich im Fundus ein zeitgenössisches Zigaretten-Sammelbild, auf dem ein ganz ähnliches Fahrzeug abgebildet ist – eine falsche Fährte, wie sich noch zeigen wird:

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© Mercedes-Benz 200 Roadster; Zigarettenbild aus Sammlung Michael Schlenger

Das Auto stimmt abgesehen vom flachen Kühlergrill in allen Details mit dem Wagen auf unserem Foto überein. Auf der Rückseite des Sammelbilds steht als Typangabe „Mercedes-Benz 200 Sport-Roadster“.

Doch die einschlägige Literatur liefert keine übereinstimmende Abbildung des Modells. Zwar gab es vom Mercedes 170 (W15) und dem darauf basierenden 200 (W21) eine ähnliche Version, die als „Sport-Roadster“ verkauft wurde. Diese Variante unterschied sich aber in wesentlichen Details vom Fahrzeug auf dem Foto und dem Sammelbild.

So hatte der Sport-Roadster schwungvoll nach hinten verlaufende Vorderkotflügel mit daran anschließendem Trittbrett. Des Weiteren besaß das Modell eine horizontal unterteilte Frontscheibe, deren Oberteil umklappbar war. Außerdem waren die Türen hinten angeschlagen und der Türausschnitt war abgerundet statt eckig wie hier:

mercedes_200_sport-roadster_seitenpartie

Demnach handelte es sich bei dem zur Geländeprüfung angetretenen Mercedes offenbar um eine Sonderversion, die nicht im offiziellen Programm zu finden war.

Sucht man im Netz unter „Mercedes Geländesport“ nach historischen Fotos, stößt man neben dem gleichnamigen Werkssportwagen auf eine weitere Ausführung, die bei Gelegenheiten wie der 3-Tage Mittelgebirgsfahrt 1935 oder der Ostpreußenfahrt 1936 eingesetzt wurde.

Diese Fahrzeuge gab es als 200er, 230er und 290er Mercedes mit einem Aufbau, der in fast allen Details unseren Abbildungen entspricht. Der einzige Unterschied, der dem Verfasser aufgefallen ist, ist eine ausklappbare Seitenscheibe an der A-Säule, die bei einigen dieser Spezialversionen zu sehen ist.

Wie der zuständige Typreferent des Mercedes-Benz Veteranenclubs – Hartmut Schroer –  bestätigte, handelt es sich um eine vom Werk nicht käuflich erhältliche Geländesportausführung, die Privatfahrern leihweise zur Verfügung gestellt wurde.

Der Wagen auf unserem Foto war die 200er Version, zu erkennen an der Zahl der seitlichen Luftschlitze und der Länge der Motorhaube.

Ein Wort noch zum Charakter der Veranstaltung, bei der unser Schnappschuss einst entstanden ist. Im Hintergrund sind etliche Personen mit militärisch anmutendem Erscheinungsbild zu erkennen.

mercedes_200_sport-roadster_frontpartie

Bei den Herren mit Leder- bzw. Staubmantel dürfte es sich um politische Funktionsträger des NS-Regimes handeln, während weiter rechts auch Mitglieder von SA, NSKK und Reichswehr bzw. Wehrmacht anwesend zu sein scheinen.

Die Geländesportveranstaltungen im Dritten Reich genossen hohe politische Aufmerksamkeit und Unterstützung, da hier das Leistungsvermögen deutscher Technik publikumswirksam zur Schau gestellt werden konnte.

Militärischen Nutzen hatten diese Sportveranstaltungen dagegen kaum. Die eingesetzten Fahrzeuge waren seriennah und verfügten weder über Allradantrieb, Sperrdifferential oder besondere Bodenfreiheit.

Für den Bedarf des Heeres wurden ohnehin bereits seit Reichswehrzeiten und vermehrt für die Wehrmacht von allen bedeutenden Herstellern aus Serienmodellen abgeleitete Kübelwagen produziert. Sie werden auf diesem Blog ebenfalls behandelt (Übersicht).

Somit dürfte bei den Geländeprüfungen trotz der Präsenz von Uniformträgern für die Teilnehmer der sportliche Charakter im Vordergrund gestanden haben.

In England pflegt man das Vergnügen, seriennahe Vorkriegsautos durchs Gelände zu prügeln, übrigens bis heute bei den populären „Trials“ – eine weitere Tradition rund ums alte Blech, bei denen wir von den Briten einiges lernen können…

Mercedes 230 Cabriolet B im „öffentlichen Dienst“

Dieser Tage erhält der deutsche Steuerzahler für den Kauf eines Elektroautos, das nichts besser kann als ein bewährter Wagen mit Verbrennungsmotor, dafür aber mehr kostet, eine „staatliche“ Subvention, die er zuvor selbst mit seinen Abgaben finanziert hat.

Unterdessen lässt sich das Berliner Regierungspersonal unverdrossen in gepanzerten Oberklasse-Limousinen konventioneller Bauart umherkutschieren. Wer sich über soviel Arroganz aufregt, dem sei gesagt: alles schon einmal dagewesen.

Während die Deutschen in den 1930er Jahren für einen propagandistisch groß angekündigten Volkswagen Ratenzahlungen leistete, fuhren die vom Steuerzahler parallel alimentierten Eliten weiter im Mercedes umher, mit Chauffeur natürlich.

Das folgende Foto dokumentiert die Selbstbedienungsmentalität öffentlicher Amtsträger, die eine systemunabhängige Konstante zu sein scheint.

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© Mercedes-Benz 230 Cabriolet B und 170V; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier warten gleich zwei schirmmützenbewehrte Fahrer an ihren Mercedes-Wagen auf die Insassen, die seinerzeit hohe Tiere bei der Wehrmacht gewesen sein müssen.

Die zivilen Kennzeichen mit dem Kürzel „IA“ für den Zulassungsbezirk Berlin lassen vermuten, dass es sich um von Privatpersonen beschlagnahmte Autos handelt. Wenn es um’s große Ganze geht, müssen persönliche Rechte schon einmal hintanstehen.

Der rechte, in mattem Wehrmachtsgrau lackierte Wagen soll uns hier weniger interessieren, es ist ein Mercedes-Benz 170V, wie er einem auf zeitgenössischen Fotos öfters begegnet (Beispiel hier).

Das linke Fahrzeug dagegen ist trotz aller Familienähnlichkeit eine Klasse oberhalb angesiedelt, es ist ein Mercedes-Benz 230, intern als W143 bezeichnet. Der deutlich luxuriöser daherkommende Wagen war der Nachfolger des Typs 200, den wir hier bereits vorgestellt haben (Beispiel hier).

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Um genau zu sein, handelt es sich um ein Mercedes-Benz 230 Cabriolet B, zu erkennen an dem leicht gepfeilten Kühlergrill und den entsprechend ausgerichteten Luftschlitzen in der Motorhaube, der Stoßstange mit Hörnern, den Kotflügeln mit glatten Schürzen und dem großen Abstand vom hinteren Türanschlag zum Heckschutzblech.

Formal unschön, aber hilfreich bei der Identifikation ist die im vorderen Drittel des Trittblechs befindliche Aussparung für den Wagenheber. Geschmackvoller ist die Zweifarblackierung des eindrucksvollen Wagens, die sich an den Rädern wiederholt.

Mit 55 PS aus 6 Zylindern war der Mercedes 230 nicht gerade souverän motorisiert. In den USA hatten erschwingliche Autos deutlich mehr Leistung (Beispiel Chevrolet Eagle). Und der deutsche Opel „Super 6“ bot dieselbe Leistung wie der Mercedes weit günstiger.

Zwar scheinen das „Mercedes-Gesicht“ und die Verarbeitung einigen Käufern Grund genug gewesen zu sein, den schwäbischen Wagen zu kaufen. Nur etwas mehr als 20.000 Exemplare in vier Jahren blieben jedoch überschaubar. Da war der Mercedes-Benz  170V ein größerer Erfolg. Man sieht ihn später im Kriegseinsatz auch öfter als den 230er.

Apropos Krieg: Die beiden Wagen in ihrer gegensätzlichen Aufmachung sprechen dafür, dass zum Aufnahmezeitpunkt der deutsch-russische Angriff auf Polen und die britisch-französische Kriegserklärung im September 1939 gerade erst erfolgt waren:

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Der noch im zivilen Lack glänzende Mercedes 230 trägt bereits pflichtschuldig die vorgeschriebenen Tarnscheinwerfer und das Kürzel WH für „Wehrmacht Heer“ auf dem linken Schutzblech. Dagegen ist der mattgrau lackierte 170V noch unverdrossen ohne Tarnüberzüge und mit polierten Chromteilen unterwegs.

Die gute Stimmung der – eher zivil als militärisch anmutenden Chauffeure – erweckt ebenfalls den Eindruck, dass der Kriegsalltag in der Hauptstadt noch nicht spürbar ist. Das sollte erst ab 1943 mit den verstärkten Bombenangriffen auf Berlin anders werden…

Mercedes 320 Cabriolet A bei den Classic Days 2016

Unter den Freunden von Vorkriegs-Mercedes genießen die Kompressor-Modelle die größte Verehrung. Den Gipfelpunkt dieser nach dem 1. Weltkrieg begonnenen Baureihe markieren die Typen 500 und 540K in der Werksausführung als Spezial-Roadster. 

Der Verfasser hatte bereits als Schüler ein großformatiges Poster eines dieser grandiosen Wagen über dem Schreibtisch hängen, ohne damals zu ahnen, dass Vorkriegsautos dereinst zu seiner Passion werden würden.

Diese Kunstwerken gleichenden Schöpfungen von Mercedes-Benz der 1930er Jahre (er)kennt fast jeder Klassiker-Liebhaber, was mit ihrer starken Präsenz auf hochkarätigen Veranstaltungen zu tun hat. Ähnlich wie im Fall des 300 SL der Nachkriegszeit kann man solche Ikonen gemessen an ihrer Produktionszahl heute öfter sehen als je zuvor.

Doch selbst der verwöhnteste Enthusiast macht immer wieder neue Entdeckungen, was zu den wunderbaren Seiten der Oldtimerei gehört, die sich ja eigentlich einem abgeschlossenen Kapitel der Technikgeschichte widmet.

Da geht man anlässlich der Classic Days auf Schloss Dyck im August 2016 dem eigentlichen Geschehen entgegenstrebend über den Besucherparkplatz – und ist plötzlich wie vom Blitz getroffen:

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© Mercedes-Benz 320 von 1936/37, Classic Days auf Schloss Dyck 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Dort steht inmitten hunderter, wenn nicht tausender Klassiker ein Mercedes-Benz Cabriolet der Vorkriegszeit, das an die damaligen Kompressormodelle erinnert, aber doch eigenständig wirkt. Was ist das für ein Prachtexemplar?

Vor Ort lässt sich das nicht klären, also wird der herrliche Wagen von allen Seiten fotografiert, um zuhause eingehender studiert zu werden. Dabei hilft dann das Standardwerk „Mercedes-Benz Automobile – Vom Nürburg zum 540K“ von Heribert Hofner (Heel Verlag 1998, ISBN: 3-89365-704-5).

Rasch ist der Typ ermittelt: Es handelt sich um ein Mercedes-Benz 320 Cabriolet A, das nur 1936/37 gebaut wurde. Basis waren Chassis und Fahrwerk des Sechszylindertyps 290. Dessen Motor wurde auf 3,2 Liter aufgebohrt, höher verdichtet und mit einem Aluminium-Zylinderkopf versehen.

Die Leistung von 78 PS genügte für ein solides Autobahntempo von gut 125 km/h. Wichtiger für eine anspruchsvolle Kundschaft waren die komfortable Abstimmung der Federung und die Minimierung des Fahrgeräuschs. 

Der Mercedes 320 wurde in zahlreichen Karosserieversionen mit zwei unterschiedlichen Radständen angeboten. Auf Basis des kurzen Chassis wurde das Cabriolet A gebaut, das sich formal in vielen Details an den Spezial-Roadster 540 K anlehnte.

Zur rassigen Erscheinung trugen die nicht enden wollende Motorhaube, die extrem niedrige Dachlinie, das flach auslaufende Heck und die (aufpreispflichtigen) Speichenräder bei. Diese und andere Details lassen sich in folgender Bilderserie genießen (zum Vergrößern anklicken):

© Mercedes-Benz 320 von 1936/37, Classic Days auf Schloss Dyck 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Vom Mercedes-Benz 320 mit kurzem Radstand, auf dem dieses herrliche Automobil basiert, wurden knapp 1.100 Exemplare gebaut. Man kann sich vorstellen, wie viele – oder besser: wie wenige – davon Krieg und Besatzung überlebt haben.

Heute gehört das Mercedes 320 Cabriolet A zu den ganz großen Raritäten und einem solchen Wagen zu begegnen, ist ein außerordentlicher Glücksfall. Sollte der Eigentümer diesen Artikel lesen, wäre der Verfasser für nähere Angaben zur Historie sehr dankbar.

Mercedes 170V „Spezial“ bei den Classic Days 2016

Unter Freunden von Vorkriegs-Mercedes genießt der Typ 170V heute wie einst große Popularität. Der brave Vierzylinder verkörperte die damaligen Mercedes-Tugenden, zu denen neben modernem Fahrwerk und defensiver Motorisierung eine aus allen Richtungen harmonische Formgebung sowie beste Verarbeitung zählten.

Wir haben das einstige Volumenmodell, das mit schwäbischer Sturheit bis in die 1950er Jahre weitergebaut wurde, anlässlich seines 80. Geburtstags bereits anhand eines historischen Originalfotos gewürdigt (Bildbericht).

Man sollte meinen, dass zu den Varianten des Mercedes 170V längst alles in endgültiger Form geschrieben worden ist. Doch bei den fabelhaften Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein wurde doch tatsächlich eine bis dahin unbekannte Variante präsentiert:

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© Mercedes-Benz 170 V bei den Classic Days auf Schloss Dyck, 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Oje, mag mancher denken, das ist ein Kandidat für eine Vollrestaurierung – machbar, aber ein teures Vergnügen, wenn man die Standards von einst erreichen will. Doch ein zweiter Blick zeigt: Dieser schwer verwitterte Mercedes 170V ist aus Sicht seines Besitzers längst „fertig“.

Dabei wird man auch mit einer völlig neuen Bedeutung des „V“ in der Typenbezeichnung konfrontiert. Denn der Buchstabe dient hier keineswegs der Abgrenzung vom 170H mit Motor im Heck und soll auch nicht signalisieren, dass es im Unterschied zum Vorgänger Mercedes 170S nur zu vier Zylindern gereicht hat.

Das „V“ bezieht sich hier schlicht auf die Tatsache, dass in diesem 170er ein V8-Motor verbaut wurde:

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© Mercedes-Benz 170 V bei den Classic Days auf Schloss Dyck, 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Wer ein solches Implantat amerikanischer Herkunft reflexartig für Frevel hält, sollte erst einmal das Gesamtergebnis würdigen und im historischen Kontext sehen.

Derartige Umbauten waren in der frühen Nachkriegszeit vor allem in den USA gängig und machten aus braven Familienkutschen heftig motorisierte Geräte für Geschwindigkeitswettbewerbe an Stränden (Pendine Sands, Wales) und auf Salzseen (Bonneville, USA). 

Solche „Hotrods“ sind eine der vielen schillernden Seiten der Oldtimerei und werden von Leuten mit großem technischen Können und viel Stilgefühl fabriziert. Verwendet werden dafür meist Chassis, deren Aufbauten sonst auf dem Schrott gelandet wären.  

Auch der hier als Basis genutzte Mercedes 170V hätte sonst vermutlich kaum noch eine Chance auf ein zweites Leben bekommen. So bleibt er als Zeitzeuge mit den Spuren eines langen Daseins erhalten und strahlt eine ganz eigene Faszination aus.

Seien wir ehrlich: Ein Mercedes 170V ist gemessen an echten Raritäten der Vorkriegszeit alles andere als selten und auf „neu gemachte“ Exemplare gibt es genug, die von den einstigen Mercedes-Qualitäten künden.

Wenn hier ein Enthusiast seine ganz eigene Interpretation eines 170V präsentiert, ist das ein legitimer Ansatz, der niemanden beeinträchtigt, dessen Ergebnis aber für enorme Aufmerksamkeit sorgt – was der Vorkriegsszene hierzulande nicht schadet.

Wer wie der Verfasser Spaß an solchen Sachen hat, wird auch Gefallen an den folgenden weiteren Bildern dieser eigenwilligen Schöpfung finden.

© Mercedes-Benz 170 V bei den Classic Days auf Schloss Dyck, 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

1933: Ein Mercedes 170 aus Sachsen in Prag

Mancher Mercedes-Freund wird bei der Überschrift stutzen: 1933 gab es den 170er Mercedes doch noch gar nicht! Wer dabei an den 170V denkt, der bis in die 1950er Jahre die tragende Säule im PKW-Geschäft der Stuttgarter Marke war, hat recht.

Doch gab es schon ab 1931 einen heute wenig bekannten Mercedes 170, dem die Sympathie des Verfassers gilt. Dieser Vorgänger des Mercedes 170V war ein für seine geringe Größe ausgesprochen feines und für damalige (Mercedes-)Verhältnisse modernes Automobil.

Für weichen Motorlauf sorgte ein sorgfältig austarierter 6-Zylinder mit 32 PS Leistung. Das war an sich nichts Neues, doch ergänzt wurde der Antrieb durch ein Fahrwerk mit Einzelradaufhängung und hydraulischen Bremsen rundherum (ein Novum bei Mercedes).

Hinzu kam eine Rahmenkonstruktion, die einen niedrigen Schwerpunkt ermöglichte, was zusätzlich zur Fahrstabilität des Wagens beitrug. Auf zeitgenössischen Bildern erkennt man gut, wie tief der 170er Mercedes auf der Straße lag.

Dazu werfen wir einen näheren Blick auf das folgende Originalfoto von 1933:

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© Mercedes 170 Limousine in Prag, 1933; Sammlung: Michael Schlenger

Diese Amateuraufnahme ist trotz guter Lichtverhältnisse etwas verwackelt. Auch die „Schlagseite“ der Bauten im Hintergrund weist auf einen wenig versierten Fotografen hin.

Immerhin stimmt die Belichtung und die Situation ist reizvoll. Wer sich in Europa ein wenig auskennt – das soll es im Zeitalter des Dubai-Massentourismus ja noch geben – wird den Aufnahmeort wiedererkennen:

Es ist die im 14. Jahrhundert errichtete Karlsbrücke über die Moldau in Prag, von römischen Brücken abgesehen eine der ältesten Steinbrücken in Europa. Sie ist heute nur für Fußgänger zugänglich und ein beliebtes Fotomotiv in der an architektonischen Reizen außerordentlich reichen tschechischen Hauptstadt.

Uns soll aber der Mercedes interessieren, der für dieses Foto malerisch platziert wurde:

Mercedes_170_Prag_1933_Ausschnitt Aus dieser Perspektive wird deutlich, wie satt der Mercedes auf der Straße liegt, während viele zeitgenössische Autos noch recht „hochbeinig“ daherkamen.

Die Identifikation als 170er ist – von den kompakten Proportionen abgesehen – anhand zweier Details möglich: Zum einen steht der Kühlergrill fast senkrecht, zum anderen verläuft der obere Abschluss der Frontscheibe waagerecht. Das gab es so nur bei Limousinen des Typs 170, nicht dagegen beim äußerlich ähnlichen Mercedes 200.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „IM“ verweist auf eine Zulassung in Sachsen. Der Mercedes gehörte also deutschen Prag-Reisenden oder Geschäftsleuten. Wie es scheint, zog der Mercedes anno 1933 auch die Aufmerksamkeit einiger Passanten auf sich:

Mercedes_170_Prag_1933_Ausschnitt_2Die drei Damen werfen einen interessierten Blick auf die andere Seite der Brücke, während der Herr mit Hut hinter ihnen in seine Zeitungslektüre oder ähnliches vertieft zu sein scheint.

Mag sein, dass etwas ganz anderes für Aufmerksamkeit bei den elegant gekleideten Flaneuren sorgt. Jedenfalls zeugt diese Aufnahme von einem reizvollen Moment in einer untergegangenen Welt.

Vor 75 Jahren: Mercedes 170V Kübelwagen in Bulgarien

Vor 75 Jahren  – im Sommer 1941 – ordnete das NS-Regime den Angiff der Wehrmacht auf Russland an, der für Deutschland und Osteuropa fatale Folgen haben sollte. Bekanntlich blieb der Angriff im Winter kurz vor Moskau stecken.

Zur Verzögerung und damit zum Scheitern des „Blitzkriegs“ gegen die Sowjetunion hatte eine Operation beigetragen, von der das heute zu besprechende Foto kündet:

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© Mercedes-Benz 170 VK in Bulgarien, Mai 1941; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Aufnahme wurde laut umseitiger Aufschrift im Mai 1941 in Bulgarien aufgenommen. Bevor wir uns dem abgebildeten Wagen zuwenden, eine Rückblende zur historischen Einordnung der Situation:

Italien unternahm Ende 1940 ohne Absprache mit den deutschen Verbündeten den Versuch, Griechenland zu besetzen. Das Vorhaben endete nach kurzer Zeit mit einer krachenden Niederlage, nicht zuletzt aufgrund des Eingreifens britischer Truppen.

Die deutsche Führung wollte einen englischen Brückenkopf in Südosteuropa vermeiden und ordnete einen Feldzug gegen Griechenland an, das zuvor behauptet hatte, es gebe keine britischen Truppen im Land.

Der deutsche Angriff auf Griechenland wurde im April 1941 vom Boden des verbündeten Bulgariens aus vorgetragen und endete nach zwei Wochen mit der griechischen Kapitulation und dem Abzug der geschlagenen britischen Truppen.

Unser Foto aus dem Mai 1941 zeigt offenbar eine deutsche Einheit, die auf dem Rückweg in Bulgarien Rast macht, umringt von einheimischen Jugendlichen.

Mit was für einem Fahrzeug war man da unterwegs? Schauen wir genauer hin:

Mercedes_170VK_Bulgarien_270541_AusschnittMercedes-Kenner werden sogleich auf einen 170V tippen, hier in der Kübelwagenausführung 170VK. Vom hinteren Aufbau abgesehen war der Wagen seriennah, verfügte also lediglich über den 38 PS-Vierzylinder der Zivilversion.

Der bereits leer 1,2 Tonnen wiegende Wagen war besetzt und mit militärischem Gerät bepackt völlig untermotorisiert, genoss aber einen guten Ruf für seine Zuverlässigkeit unter harten Einsatzbedingungen.

Auch wenn das Vehikel über keinen Allradantrieb und nur geringe Bodenfreiheit verfügte, wurde es von 1938-42 über 19.000mal für die Wehrmacht produziert. Nur der VW-Kübel – der einzige wirklich geländegängige PKW auf deutscher Seite – wurde öfter gefertigt.

Beim Mercedes auf unserem Foto fehlt die rechte hintere Tür, was auf einen dort montierten zusätzlichen Gerätekasten hinweist, zum Beispiel für eine Funkanlage. Dies passt gut zum mutmaßlichen Charakter der Einheit:

Sofern die Interpretation des taktischen Zeichens auf dem linken Vorderschutzblech zutrifft, haben wir es mit einer motorisierten Stabskompanie eines Aufklärungsregiments zu tun.

Das blassere Abzeichen auf dem rechten Kotflügel kann vielleicht ein sachkundiger Leser identifizieren. Es müsste auf den Großverband – z.B. eine Division – verweisen, der die Einheit untergeordnet war.

Wenden wir uns nun den Menschen auf der Aufnahme zu. Denn auf diesem Blog geht es nicht nur um klassische Automobile als technisches Gerät, sondern auch um den Alltag der Menschen, die damit unterwegs waren:

Mercedes_170VK_Bulgarien_270541_Ausschnitt_3Auf dem schweren Beiwagengespann posieren vier junge Wehrpflichtige, die schon länger keinen „anständigen“ Haarschnitt mehr verpasst bekommen haben. Das passt gut zur beschriebenen Situation des Rückmarsches vom Einsatz in Griechenland.

Ganz rechts steht entspannt ein Unteroffizier – zu erkennen an der hellen Litze entlang des Kragens. Er trägt offenbar eine Arbeitshose, wie sie für Wartungsarbeiten üblich war. Der sechste Mann, der die Hände in die Hüften gestemmt hat, dürfte trotz der wichtigtuerischen Gebärde ebenfalls nur ein einfacher Soldat sein.

Alle Männer haben das Koppel mit den Magazintaschen abgelegt, Waffen sind nirgends zu sehen. Man war hier tatsächlich in friedlicher Mission unterwegs. Kein Wunder, dass etliche neugierige Kinder auf dem Bild zu sehen sind.

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Alle sind nach damaligem Empfinden ordentlich gekleidet, barfuß liefen viele Kinder damals auf dem Lande auch in Deutschland umher. Diese aus einfachen Verhältnissen stammenden jungen Menschen weisen eine Figur und Haltung auf, wie sie bei Gleichaltrigen in unseren Tagen inzwischen die Ausnahme darstellt.

Bulgarien blieb bis zur Besetzung durch die Rote Armee zwar Verbündeter Deutschlands, wahrte aber eine gewisse Distanz und nahm auch nicht am deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion teil.

Dennoch mussten die Kinder auf dem Bild das Bündnis mit Deutschland nach 1945 mit über 40 Jahren sozialistischer Gewalt- und Willkürherrschaft büßen. Für etliche Soldaten auf unserem Foto dürfte die Aggression gegen Russland ebenfalls übel ausgegangen sein…

Mercedes-Benz 170V als Fotomotiv im 2. Weltkrieg

Selbst Klassikerfreunde, deren Leidenschaft den Wagen der 1950er bis 70er Jahre gilt, kennen den Mercedes-Vorkriegswagen 170V. Der Grund: Das Volumenmodell der späten 1930er Jahre wurde nach dem 2. Weltkrieg bis 1953 weitergebaut und ist auf fast jeder größeren Oldtimerveranstaltung hierzulande präsent.

Auf diesem Blog wurde der 170V bereits eingehend besprochen (Bildbericht), daher ersparen wir uns an dieser Stelle die technischen Details des grundsoliden, aber nach 1945 formal wie technisch rückständigen Wagens. Heute soll es um Momentaufnahmen aus dem Leben von Wagen des Typs 170V im 2. Weltkrieg gehen.

Wie praktisch alle Serien-PKW wurden nach Kriegsausbruch auch Mercedes-Modelle beschlagnahmt und dem Fuhrpark der Wehrmacht zugeführt. Ausgenommen blieben Fahrzeuge, die zur Aufrechterhaltung elementarer Aufgaben unverzichtbar waren, beispielsweise Autos von Landärzten.

Dieselbe Praxis findet sich übrigens bei allen europäischen Kriegsparteien. Keine Armee war für den ab 1939 stattfindenden Bewegungskrieg mit einer ausreichenden Zahl an PKW für Stabs- und Kurierzwecke ausgestattet.

So sind Kriegsfotos des zivilen Mercedes-Benz 170 V alles andere als selten:

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© Mercedes Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Das Foto zeigt Wehrpflichtige in einem Waldstück vermutlich bei der Wartung ihrer Fahrzeuge. Jedenfalls ist die rechte Motorhaube des Mercedes geöffnet und der im Arbeitsanzug gekleidete Soldat links scheint gerade einen Reservekanister auf dem Baumstumpf neben ihm abgestellt zu haben.

Typisch für den Mercedes 170 V sind die der Neigung der Kühlermaske folgenden Luftschlitze in der Haube, die seitlichen Schürzen der Frontschutzbleche und die großen Radkappen mit dem Mercedes-Stern.

Dieselben Elemente finden wir auf folgendem Originalfoto, das auf der Rückseite auf 1940 datiert ist:

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© Mercedes Benz 170V; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Die Szene zeigt vermutlich eine Braut – darauf deutet der Blumenstrauß in ihrer Hand hin – womöglich mit ihren Geschwistern. Der Bräutigam könnte das Foto gemacht haben.

Die beiden jungen Männer mit den hochgekrempelten Ärmeln scheinen mächtig stolz zu sein auf die sommerlich gekleidete Dame, die ihnen zu ähneln scheint –  daher die Vermutung, dass die drei Geschwister sind.

Bemerkenswert ist der auf dem Vorderschutzblech des Wagens Sitzende:

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Er trägt zum offenen Hemd Schaftstiefel und Reithose, das könnte ihn als Offizier oder Offiziersanwärter auf Heimaturlaub ausweisen. Vielleicht hat er den Mercedes zum Besuch zuhause „organisiert“.

Der Wagen ist auf jeden Fall matt gespritzt, auch die sonst verchromten Radkappen mit dem Mercedes-Stern und die Scheinwerfer sind überlackiert. Es muss sich also um ein Wehrmachts-Fahrzeug handeln.

Man wüsste gern, wie genau der junge mutmaßliche Soldat den Wagen zum Besuch daheim beschafft hat. Von Zeitzeugen wissen wir, dass unter den Bedingungen des Kriegs mit etwas Phantasie und Beziehungen fast alles möglich war.

Es bleibt eine berührende Momentaufnahme, die davon erzählt, dass die von verbrecherischen Eliten in den Krieg hineingezogene deutsche Bevölkerung sich bemühte, einen Restbestand an Normalität und Würde zu bewahren.

Nach Oberitalien – im Mercedes 200 Cabriolet C

Kürzlich wurde auf diesem Blog der famose Sechszylinder-Mercedes 170 aus den frühen 1930er Jahren vorgestellt – nicht zu verwechseln mit dem Vierzylinder-170V, der noch einige Zeit nach dem 2. Weltkrieg weitergebaut wurde.

Nun ist dem Verfasser eine schöne Bilderserie des äußerlich ähnlichen Mercedes 200 in die Hände gefallen, die von einer Reise nach Oberitalien in den 1930er Jahren erzählt.

Die Fotos sind auf einer gefalzten Unterlage nebeneinander montiert, sodass sie nach Art eines dreiflügeligen „Altars“ aufgestellt werden können. Hier hat sich jemand einst ein ganz besonderes Reiseandenken gebastelt, das auch so erhalten bleiben soll:

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© Mercedes 200 Cabriolet C, Baujahr: 1933/34; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns die drei Aufnahmen näher ansehen, einiges Wissenswertes zum Mercedes 200, der die interne Bezeichnung W21 trug und von 1933-36 gebaut wurde:

Das Modell war im Wesentlichen ein 170er mit aufgebohrtem Motor, der statt 32 PS nun 40 PS leistete, ohne dass er an Laufkultur oder Vollgasfestigkeit verlor. Damit war annähernd die prestigeträchtige Marke von 100 km/h erreichbar.

Die Aufbauten entsprachen weitgehend denjenigen des 170er. Allerdings verfügte der 200er über einen längeren Radstand und war außerdem in extralangen Versionen verfügbar, die freilich vergleichsweise schwer gerieten.

Dass der Wagen auf unseren Fotos ein 200er ist, lässt sich nicht beweisen, doch ist es sehr wahrscheinlich. Denn das Auto war offenbar mit vier Personen besetzt, sofern es kein Begleitfahrzeug gab. Selbst wenn man Minimalgepäck für ein Wochenende veranschlagt, kommt man in eine Gewichtsklasse, die eine Alpenüberquerung mit bloß 32 PS (beim 170er) abwegig erscheinen lässt.

Mercedes_200_Italienfahrt_30er_Jahre_Mitte

Das mittlere Bild könnte an der Uferstraße des Gardasees entstanden sein – bis in die Nachkriegszeit ein beliebter Fotohalt (siehe Mercedes-Bilderserie mit Karl Kappler). Heute macht man sich dort – ebenso wie am Lago Maggiore oder am Comer See – keine Freunde, wenn man das Auto dekorativ am Straßenrand parkt…

Der lederbehoste ältere Herr auf der Mauer ist ein erster Hinweis darauf, dass unser Mercedes aus Bayern stammt – allerdings ist das Nummernschild hier nicht komplett lesbar. Ein mit „B“ beginnendes Kennzeichen würde auf den Zulassungsbezirk Braunschweig verweisen – das können wir nach der Lage der Dinge ausschließen.

Weiter geht’s mit dem Bild links außen:

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Hier ist unser Mercedes 200 -offenbar ein Cabriolet C von 1933/34 – malerisch am Fuß einer mittelalterlichen Festung mit zinnenbekrönten Mauern abgestellt.

Solche Burgen säumen zahlreich die alten Verkehrswege von Norden nach Italien, doch bislang konnte der Verfasser nicht herausfinden, um welche Anlage es sich handelt. Es scheint jedenfalls keine der bekannteren Burgen rund um den Lago di Garda zu sein. Weiß ein Leser mehr?

Was es mit den im Mittelgrund am Hang stehenden vier Personen auf sich hat, lässt sich nur vermuten. Es scheinen drei Frauen und ein Mann zu sein, die dort sicher nicht zufällig herumstehen. Sollte ein zweites Fahrzeug unseren Mercedes begleitet haben?

Die Hühner im Vordergrund scheint die Anwesenheit der Touristen aus dem Norden nicht gestört zu haben. Erfahrungsgemäß zieht es diese Eindringlinge bald weiter nach Süden…

In einem südlich anmutenden Park scheint die dritte Aufnahme entstanden zu sein:

Mercedes_200_Italienfahrt_30er_Jahre_rechts

Hier sehen wir nun drei Herren nebst Hund – zusammen mit dem Fotografen wären wir damit bei den erwähnten mindestens vier Personen, die im Mercedes unterwegs waren, sofern dieser nicht von einem zweiten Wagen begleitet wurde.

Nun können wir auch das Nummernschild vollständig sehen: Die Ziffern-Buchstaben-Kombination „II B“ verweist auf eine Zulassung in Oberbayern, was die These einer Alpenüberquerung Richtung Gardasee plausibel macht.

Interessant einmal mehr das Erscheinungsbild der Reisenden. Nach damaligem Empfinden korrekt gekleidet sind alle drei Herren, so unterschiedlich sie auch sind:

Die Lederhosen mit Wollsocken des Linksaußenstehenden sind „traditionell-landsmannschaftlich“, der Herr rechts mit Anzug und Hut wäre von Schweden bis Sizilien „gesellschaftsfähig“ gewesen. Der jüngere, großgewachsene Mann mit Schiebermütze und Knickerbockern, Hemd und Krawatte wirkt dagegen „sportlich“.

Man kann sich von allen dreien in Sachen Stil etwas abschauen – und sei es nur, dass man auch heute in der Öffentlichkeit nicht mit zuviel blankem Fleisch und anderen nicht immer sehenswerten Privatheiten auftreten muss – erst recht nicht, wenn man mit so einem klassisch-schönen Mercedes unterwegs ist…

Literaturtipp: Mercedes-Automobile – Vom Nürburg zum 540K, von Heribert Hofer, Heel-Verlag 1998, ISBN: 3-89365-704-5

 

Mercedes 170 Sechszylinder mit prominenter Besatzung

Wer heute noch etwas mit der Typbezeichnung Mercedes 170 anfangen kann, denkt meist an den 1936 vorgestellten Vierzylindertyp 170 V.

Er wurde auch nach dem 2. Weltkrieg trotz veralteter Form und Technik noch erstaunlich lange gebaut. Dabei gab es mit dem Peugeot 203, dem Fiat 1400 und dem Borgward Hansa 1500 bereits 1949/50 in jeder Hinsicht modernere Autos.

Interessanter als der hausbackene 170 V ist der Mercedes 170 Sechszylinder, der von 1931-36 gebaut wurde. Er war im Unterschied zum 170 V für seine Zeit ein hochmodernes Auto und rundete das Programm der Marke auf ähnlich geniale Weise nach unten ab, wie das in den 1980er Jahren mit dem 190er Mercedes gelang.

Der 6-Zylinder-Mercedes 170 zeichnete sich nicht nur durch seinen weich laufenden und vollgasfesten Motor aus. Er bot vor allem ein Fahrwerk, das dank Einzelradaufhängung und Hydraulikbremsen die volle Ausschöpfung der Leistung ermöglichte.

32 PS mögen heute dürftig klingen, doch viele stärkere Fahrzeuge ließen sich nicht so sicher und agil bewegen wie der kompakte und recht günstige Meredes.

Im Vergleich zum eher pummeligen 170 V verfügte der Mercedes 170 mit Sechszylinder über eine knackig gezeichnete Karosserie. Das attraktivste Modell war sicher der Sport-Roadster, den wir gelegentlich noch vorstellen.

Doch auch die Cabrios überzeugten durch sportlich wirkende Formen, die an englische Wagen der Zeit erinnern. Das Cabriolet C ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

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© Mercedes 170 mit Johannes Heesters und Hilde Körber; UFA-Originalfoto der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Man mag einwenden, dass von dem Auto fast gar nichts zu sehen ist. Doch ist alles auf dem Foto abgebildet, was zur Identifikation des Typs genügt.

Dass es ein Mercedes ist, verrät die Spiegelung des Sterns auf der Motorhaube am linken Bildrand. Dass das Foto nach 1933 und vor Kriegsausbruch entstanden sein muss, lässt die Hakenkreuzfahne am Gebäude links und der recht dichte Verkehr mit Autos ohne Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern erkennen.

Zweitürige Cabriolets von Mercedes gab es in jeder Zeit zwar etliche. Doch nur eines hatte Seitenscheiben mit rechtwinkligem Chromrahmen – das 170er Cabriolet. Auch beim äußerlich fast identischen 200er war der Chromrahmen hinten abgerundet. Die breite seitliche Zierleiste, der kurze Vorderbau und das Verdeckgestänge passen ebenfalls zum Mercedes 170 Werkscabriolet C.

Nun aber zu den Insassen des Wagens und der Aufnahmesituation. Dieses Foto ist ein Originalabzug der UFA-Filmgesellschaft und so finden wir auf der Rückseite zwei Schauspielernamen: Johannes Heesters und Hilde Körber. 

Hier hat man also die seltene Gelegenheit, den ewigen Grandseigneur Heesters, der erst 2011 im Alter von 108 Jahren starb, einmal als jungen Mann zu sehen. Der gebürtige Niederländer genoss bereits in den 1930er/40er Jahren hierzulande als Sänger und Schauspieler einige Populärität. Die schon 1969 verstorbene Hilde Körber dürfte weniger bekannt sein, war aber bis in die 1950er Jahre eine Größe der deutschen Filmszene.

Die Frage, wo die beiden in dem Mercedes aufgenommen wurden, ist rhetorisch: Wer sich in Berlins historischem Zentrum ein wenig auskennt, wird die baumumstandene „Neue Wache“ von Friedrich Schinkel links im Mittelgrund erkennen. Der klassisch-schlichte Bau ziert seit 200 Jahren die Prachtstraße „Unter den Linden“.

Links davon ist eine Ecke der Humboldt-Universität zu sehen, in der Ferne lugt die Kuppel des Doms über dem Zeughaus hervor. Trotz der Zerstörungen durch den Bombenkrieg und den Häuserkämpfen im April/Mai 1945 kann man diese großartige Szenerie heute fast genauso genießen wie einst.

Wie es dort am Ende des 2. Weltkriegs aussah, zeigen eindrucksvolle Fotos, die ein britischer Armeeoffizier im Sommer 1945 aufnahm. Es ist interessant zu sehen, dass die solide gebauten Repräsentationsgebäude den Bombardements der Alliierten im Vergleich zu den Berliner Wohngebieten recht gut standgehalten hatten.

Das Beispiel des Berliner Schlosses lässt erkennen, dass etliche Bauten nach dem Kriegsende ohne Not aus ideologischen Gründen abgerissen wurden.

War es im sozialistischen Ostdeutschland der Hass der Machthaber auf die Überbleibsel des bürgerlichen und adligen Erbes, war es im Westen die Doktrin des Quadratisch-Praktisch-Verkehrsgünstigen, die bis in die 1970er Jahre in den historischen Zentren der Republik ihre zerstörerische Wirkung entfaltete.

Dass wenigstens im Zentrum von Berlin einige dieser Wunden wieder geheilt wurden, ist erfreulich. Einmal im Jahr „Unter den Linden“ nur Vorkriegsautos verkehren zu sehen, das wäre nach des Verfassers Geschmack…